Heiko Kosel
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Last Statements
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sehen es als höchst problematisch an, dass ein für das sorbische Volk so wichtiger Bericht jetzt – man kann fast sagen – zu nächtlicher Stunde behandelt werden muss. Wir kritisieren, dass er stets am Ende der Legislaturperiode vorgelegt wurde, somit keine wirklichen Wirkungen entfalten kann, sondern seine Wirkungen eher ungenutzt verpuffen.
Es ist nach Lage der Dinge schwerlich möglich, noch eine substanzielle Auseinandersetzung zu führen, wenn ich mir das Hohe Haus in seiner Müdigkeit so anschaue. Deshalb werde auch ich meine Rede zu Protokoll geben.
Ich kann es mir auch noch überlegen. – Aus den genannten Gründen werde ich meinen Redebeitrag zu Protokoll geben, den ich unter die Überschrift gestellt habe „Wjele kćena, mało sadu“ – zu Deutsch: „Viele Blüten, wenig Frucht“. Das ist auch meine Bewertung des Berichtszeitraumes. Jedoch muss ich feststellen, dass wir eine Ausgangslage hatten, die eigentlich zu Hoffnungen Anlass gegeben hat. Wir hatten von Beginn der Legislaturperiode an einen Ministerpräsidenten sorbischer Nationalität.
Wir hatten so viele sorbische Landtagsabgeordnete wie fast nur noch in der 1. Legislaturperiode. Wir hatten eine Staatsministerin, die zuständig war für Sorbenfragen, der man Sympathie und Interesse für die Sorben durchaus nicht absprechen kann. Und wir hatten einen Koalitionsvertrag, in dem zumindest von der Quantität her zu den Sorben mehr gesagt worden ist als bisher. Das alles war die Ausgangslage; umso enttäuschender ist das Ergebnis. Ich habe es in meiner Rede niedergelegt, und ich gebe sie zu Protokoll.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Zunächst zum Tätigkeitsbericht des Rates für sorbische Angelegenheiten. Hier möchten wir dessen ehrenamtlich tätigen Mitgliedern ausdrücklich für ihr Engagement danken, auch wenn ich einige Bewertungen zum Brandenburger Sorbengesetz nicht teile. Ich hoffe, dass die Rechte des Sorbenrates – auch in diesem Parlament – gestärkt werden und dass es ermöglicht wird, die Legitimation durch eine Direktwahl zu erhöhen.
Nun zur politischen Bewertung des 4. Berichts zur Lage des sorbischen Volkes. Wer sich hierbei an der bekannten Weisheit von Sprichwörtern orientieren möchte, dem sei das sorbische Sprichwort: „Wjele kćenja, mało sadu“ angeboten – auf Deutsch etwa: Viele Blüten, wenig Frucht.
Meine etwas weniger blumige Bewertung des Berichtszeitraums ließe sich mit „Zeit der versäumten Chancen“ beschreiben. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache,
dass die Berichte zur Lage des sorbischen Volkes in Sachsen jeweils – im wahrsten Sinne des Wortes – am Ende der Legislaturperiode gegeben werden. Dies ist aus Sicht meiner Fraktion eindeutig zu spät. Auf diese Weise verpufft Wirkungspotenzial dieser Berichte ungenutzt. In Brandenburg wird deshalb der Sorbenbericht jetzt zur Mitte der Legislaturperiode gehalten. Diese Anregung sollten wir in Sachsen aufgreifen. Außerdem ist in Brandenburg folgende Berichtsstruktur gesetzlich vorgeschrieben: erstens Bestandsaufnahme, zweitens Wirksamkeitsanalyse der Fördermaßnahmen und drittens Vorhaben der Regierung.
Gerade die schwache Wirksamkeitsanalyse der Fördermaßnahmen ist ein wesentliches Manko der sächsischen Sorbenberichte. Auch hier sollten wir daher von Brandenburg lernen.
Wenn ich von „versäumten Chancen“ spreche, werden Sie vielleicht fragen: Gab es denn am Beginn der aktuellen Legislaturperiode überhaupt besondere sorbenpolitische Chancen in Sachsen? Ich glaube, ja. So stand bereits seit Beginn der Legislaturperiode an der Spitze unseres Freistaates ein Ministerpräsident sorbischer Nationalität. Die Zahl der sorbischen Landtagsabgeordneten erreichte fast wieder den Wert des 1. Sächsischen Landtages. Die Zuständigkeit für sorbische Angelegenheiten innerhalb des Kabinetts fiel an eine Staatsministerin, der – anders als bei manchem ihrer Vorgänger – persönliches Interesse und persönliche Sympathie für die Sorben und deren Probleme nicht abgesprochen werden können.
Schließlich waren die sorbenpolitischen Versprechen des aktuellen Koalitionsvertrages doch weiter gefasst, als man das bisher aus Koalitionsverträgen bzw. Regierungserklärungen alleinregierender CDU-Ministerpräsidenten in diesem Lande gewöhnt war. Also, eine Ausgangslage, in der sich durchaus sorbenpolitisches Potenzial vermuten ließe. Oder war dies alles nur Zufall oder Fassade?
Wenn man unterstellt, die von mir eben genannten Punkte hätten wirklich sorbenpolitisches Potenzial, dann ergibt sich natürlich die Frage, zur Erreichung welcher konkreten Ziele dieses Potenzial hätte eingesetzt werden müssen und wer diese Ziele definiert. Aus meiner Sicht ist es nahe liegend, durch die Sorben selbst bzw. ihre Interessenvertretung aufgestellte Zielvorgaben heranzuziehen. Als Grundlage hierfür bietet sich der bereits etwa ein Jahr nach Beginn des Berichtszeitraumes von der 15. Hauptversammlung der Domowina aufgestellte Forderungskatalog an, der folgende Punkte enthält:
Erstens, Erweiterung der politischen Vertretungsrechte des sorbischen Volkes, zweitens Wahl der Mitglieder der Räte für sorbische Angelegenheiten durch die Sorben selbst, drittens Entscheidung über die Verteilung der staatlichen Fördermittel allein durch sorbische Vertreter und Beschränkung der Zuwendungsgeber auf die Prüfung der Mittelverwendung nach geltendem Recht, viertens nach dem Beispiel Brandenburgs Gewährleistung eines ständigen Sitzes für einen sorbischen Vertreter im MDRRundfunkrat, fünftens gesetzliche Sicherung der Mitbe
stimmungsrechte in allen Angelegenheiten des sorbischen Schulwesens einschließlich zum Beispiel der Rahmenbedingungen, damit das sorbische Volk selbst die Planung des sorbischen Schulnetzes durchführen und die Trägerschaft sorbischer Bildungseinrichtungen übernehmen kann, sechstens unter den gleichen Bedingungen wie unter Punkt 5 Trägerschaft sozialer Einrichtungen und kultureller Institutionen durch das sorbische Volk, siebtens Klagerecht – soweit Bundesrecht nicht entgegensteht – in allen Angelegenheiten, die Interessen des sorbischen Volkes betreffen.
Von diesen sieben Forderungen ist im Freistaat Sachsen im Berichtszeitraum keine einzige erfüllt worden. In Brandenburg unter einer rot-roten Landesregierung immerhin – sagen wir – dreieinhalb.
Gern lasse ich mich aber auch auf die von der Staatsregierung selbst beschriebenen sorbenpolitischen Ziele als Maßstab ein. Dieser ergibt sich logischerweise aus dem vorangegangenen 3. Bericht zur Lage des sorbischen Volkes. Dort werden insgesamt acht Aufgaben benannt. Davon tauchen allerdings sechs auch in der Aufgabenliste des jetzigen Berichtes zur Lage des sorbischen Volkes auf, da sie in der Zwischenzeit nicht erfüllt wurden. Aber auch bezüglich der beiden Aufgabenstellungen, die in dem jetzigen Bericht nicht mehr auftauchen, lohnt es sich, genau hinzuschauen, ob sie denn wirklich erfüllt wurden. Da ist zunächst die Aufgabe „wirtschaftliche Stärkung der Lausitz“, da aufgrund der wirtschaftlichen Situation viele sorbische Jugendliche ihre Ausbildung bzw. ihren Arbeitsplatz außerhalb der Lausitz suchten und suchen.
Nun hat sich zwar die Situation auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt auch in der Lausitz – vor allem aus demografischen Gründen – etwas entspannt, aber das Problem ist nicht vom Tisch. Auch aktuell hat die Frage, ob die Lausitz als „abgehängte Region“ endet oder eine Politik zur notwendigen Stärkung dieser Region betrieben wird, erhebliche sorbenpolitische Brisanz.
Die zweite Aufgabe, die im jetzigen Bericht nicht mehr auftaucht, ist die der Verbesserung der öffentlichen Kommunikation zum Sinn und Zweck der Förderung der sorbischen Sprache und Kultur. Ich hoffe sehr, dass die Staatsregierung nicht glaubt, dass sich diese Aufgabe erledigt habe oder gar erfüllt worden sei. Hierzu muss nicht einmal auf die immer wieder vorkommenden sorbenfeindlichen Straftaten verwiesen werden, sondern es reicht der Blick auf sorbenfeindliche Leserbriefe regionaler Medien, widerliche Äußerungen gegenüber sorbischen Fußballmannschaften, die fast an jedem Wochenende zu hören sind, oder Ausdrücke dumpfer Sorbenfeindlichkeit in so manchem Stammtischgespräch.
Folglich ist davon auszugehen, dass es der jetzigen Staatsregierung nicht gelungen ist, die im 3. Sorbenbericht benannten Aufgaben wirklich zu erfüllen. Bemerkenswert ist dabei, dass einige der Aufgabenstellungen sich quasi durch die gesamte Geschichte der Berichterstattung zur Lage des sorbischen Volkes seit 1998 ziehen. Zu ihrer Realisierung scheint allerdings relativ wenig bis
gar nichts unternommen worden zu sein. Ein Beispiel hierzu: Seit dem 1. Sorbenbericht im Jahr 1998 wird die Aufnahme eines Minderheitenartikels ins Grundgesetz als Aufgabe benannt. Die Staatsregierung übersieht zwar in ihren Darstellungen regelmäßig, dass genau das 1993 an der aus CDU und FDP bestehenden Mehrheit im Bundestag gescheitert ist. Das sehen wir Ihnen aber nach, da wir das Ziel eines solchen grundgesetzlichen Minderheitenschutzartikels unterstützen.
Allerdings enttäuscht es uns dann umso mehr, dass die Staatsregierung in all den bisher abgelaufenen Berichtszeiträumen seit 1998 keine erkennbare Initiative für die Aufnahme eines solchen Minderheitenschutzartikels ins Grundgesetz unternommen hat. Auch auf meine Nachfrage, ob seit dem Redaktionsschluss des jetzigen Sorbenberichts eine entsprechenden Initiative unternommen wurde, erhielt ich leider eine verneinende Antwort. Und so kommt an diesem Punkt bestenfalls die Erinnerung an den Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“ auf bzw. schlimmstenfalls das Gefühl, nicht ernst genommen oder hintergangen zu werden.
Meine Damen und Herren der Koalition und der Staatsregierung, wenn Ihnen die Messlatte des 3. Sorbenberichts zu hoch ist, so will ich dann eben Ihren Koalitionsvertrag als Maßstab anlegen, aus dem sich fünf sorbenpolitische Aufgabenstellungen herauslesen lassen. Ich konzentriere mich hierbei auf wesentliche Punkte.
Hierzu gehört die Verpflichtung zur Erarbeitung einer Konzeption zur Ermutigung und zur Belebung des Gebrauchs der sorbischen Sprache und die Förderung deren Umsetzung. Dazu hat die Staatsregierung am 24. April 2012 einen entsprechenden Maßnahmenplan beschlossen. Ich habe diesen seinerzeit auch öffentlich begrüßt und in ihm einen positiven Impuls gesehen. In der sorbischen Öffentlichkeit gab es damals auch Wortmeldungen, die diesen Plan kritischer bewerteten. Gerade diese kritischen Positionen und Fragen aus der sorbischen Öffentlichkeit sollte die Staatsregierung ernst nehmen, insbesondere die Kritik, dass die Staatsregierung Aufgaben im Bereich der Sorbenpolitik an die Kommunen und andere Partner übertrage, ohne die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel.
Doch betrachten wir uns jetzt – reichlich zwei Jahre nach Beschluss des Maßnahmenplanes – seine konkrete Umsetzung. Hier gibt es einige Maßnahmen, die inzwischen realisiert sind. So wurde zum Beispiel der Zejler-Preis als Preis der sorbischen Sprache erstmals ausgelobt und einem würdigen Preisträger in würdigem Rahmen verliehen. Andererseits harren viele der von der Staatsregierung vorgeschlagenen Maßnahmen noch ihrer Verwirklichung.
Aus Zeitgründen hierzu nur ein Beispiel: Mit der Maßnahme 2.4 wollte die Staatsregierung das Recht auf den öffentlichen Gebrauch der sorbischen Sprache zum Beispiel auch in Gemeinderatssitzungen durch die Bereitstellung von Dolmetschern und Übersetzungstechnik stärken. Bereits bei Verkündung des Maßnahmenplans irritierte mich aber die in diesem Punkt enthaltene Formu
lierung – ich zitiere –: „Diese Maßnahme ist hinsichtlich der Finanzierung und der praktischen Durchführung ein ergebnisoffenes Verfahren.“ Es verwundert daher nicht, dass ein Vertreter der Staatsregierung in der letzten Sitzung des federführenden Ausschusses erklären musste, dass „bis dato in keinem Fall ein Antrag auf Beschaffung von Technik für Simultanübersetzungen in Gemeinderatssitzungen gestellt worden sei. Seitens der Gemeinden habe es auch diesbezüglich keine Anfragen bei der Staatsregierung gegeben.“ Wenn es also der Staatsregierung ernst ist mit der Ermutigung und Belebung des Gebrauchs der sorbischen Sprache, dann muss sie ihrerseits auf die Gemeinden zugehen und insbesondere Klarheit in der Frage der Finanzierung schaffen.
Im Koalitionsvertrag ist des Weiteren festgelegt, dass allen Kindern im sorbischsprachigen Raum eine aktive sorbisch-deutsche Zweisprachigkeit in Kindergärten und Schulen ermöglicht werden soll. Dass diese Aufgabe vollständig erfüllt wurde, kann leider nicht festgestellt werden, da zum Beispiel in Panschwitz-Kuckau in jedem in den aktuellen Berichtszeitraum fallenden Schuljahr Schülerinnen und Schüler, die die dortige Sorbische Grundschule besuchten, nach Schließung der im selben Gebäude befindlichen Sorbischen Mittelschule nichtsorbische Schulen besuchten. Der höchste Wert einer solchen Abwanderung von Absolventen der Sorbischen Grundschule Panschwitz-Kuckau aus dem sorbischen Bildungsgang wurde im Schuljahr 2010/2011 mit 48 % erreicht. Im laufenden Schuljahr beträgt er 20 %.
Vor diesem Hintergrund kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass allen Kindern eine aktive sorbischdeutsche Zweisprachigkeit in Kindergärten und Schulen ermöglicht worden wäre. In diesem Zusammenhang erscheint es mir auch notwendig, die Staatsregierung dringend zu ersuchen, alle Akteure im Bereich der Sorbischen Oberschule Radibor beim Erhalt der dortigen aktiven sorbisch-deutschen Zweisprachigkeit zu unterstützen. Aufgrund der Schließung von nichtsorbischen Schulen im regionalen Umfeld von Radibor kam es zu der Situation, dass gegenwärtig nur noch ein Siebtel der Schüler Sorbisch als Muttersprache spricht. Daher steht auch die Staatsregierung hier in der Pflicht.
Eine weitere wesentliche sorbenpolitische Aufgabenstellung aus dem Koalitionsvertrag lautet wie folgt: „Wir sehen die angemessene finanzielle Ausstattung der Stiftung als Rechtspflicht der Bundesrepublik, der Länder Brandenburg und Sachsen und werden uns für deren dauerhafte Absicherung einsetzen.“ Hier möchte ich der Staatsregierung ausdrücklich bescheinigen, dass sie den versprochenen Einsatz gezeigt hat, wenn auch das anvisierte Ziel noch nicht erreicht wurde. Dies soll aber an dieser Stelle nicht als Kritik – denn das wäre unredlich –, sondern als Ansporn für weitere gemeinsame Anstrengungen gelten.
Sehr geehrte Damen und Herren, dennoch ist als Fazit festzustellen, egal, welchen Maßstab man anlegt, ob die Forderungen der Interessenvertretung der Sorben selbst,
die Aufgabenstellungen der Sächsischen Staatsregierung aus dem 3. Bericht zur Lage des sorbischen Volkes oder der aktuell gültige Koalitionsvertrag herangezogen wird: Der jetzige Berichtszeitraum stellt einen Zeitabschnitt der sorbenpolitisch versäumten Chancen dar. Dass dieses Fazit trotz der eingangs skizzierten hoffnungsvollen Rahmenbedingungen gezogen werden muss, macht deutlich, dass es auch bezüglich der sächsischen Sorbenpolitik eines grundsätzlichen Politikwechsels bedarf. Ob die Mehrheit der derzeitigen Koalitionspolitiker und -politikerinnen dazu allerdings in der Lage ist, darf nach der Lage der Dinge bezweifelt werden.
Dennoch gilt: Egal wer nach dem 31. August dieses Jahres die Regierung im Freistaat Sachsen stellt, ein Verschenken von sorbenpolitischen Chancen darf es nicht mehr geben. Wir brauchen dringend – um das eingangs zitierte Sprichwort aufzugreifen – mehr konkrete sorbenpolitische Früchte und nicht nur einige bunte Blüten.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage bezieht sich auf die Novelle des Sorbengesetzes im Freistaat Sachsen.
Im Nachbarland Brandenburg ist am 01.06.2014 eine Novelle des dortigen Sorben/Wendengesetzes in Kraft getreten, die unter anderem ein Verbandsklagerecht für anerkannte sorbische Dachverbände und eine Stärkung des sorbischen Siedlungsgebietes im Falle von
Bergbaumaßnahmen vorsieht.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Beabsichtigt die Staatsregierung unter Berücksichtigung der Diskussionen in Brandenburg eine Novellierung des Sächsischen Sorbengesetzes und dabei auch die Einführung eines Verbandsklagerechts der sorbischen Dachverbände und eine Stärkung des sorbischen
Siedlungsgebietes im Falle von Bergbaumaßnahmen?
2. Wenn ja: Welchen zeitlichen Planungshorizont hat die Sächsische Staatsregierung für die Novellierung des Sächsischen Sorbengesetzes?
Ja, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin, es gibt, wie Sie wissen, internationale Verpflichtungen, die die Bundesrepublik unterschrieben hat. Eine davon ist die Europäische Sprachencharta. Darin heißt es im sogenannten Vierten Bericht der Bundesrepublik Deutschland, dass das Expertengremium des Europarates anregt, dass die Bundesländer, in denen Sprachminderheiten leben, einen weitergehenden Rechtsrahmen zum Schutz der regionalen Minderheitensprachen schaffen. Damit ist die Novellierung solcher Minderheitengesetze, in unserem Fall des Sorbengesetzes, intendiert. Wie gehen Sie mit dieser Empfehlung des Expertenrates um?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen. Der Redebeitrag des Kollegen Zastrow hat deutlich gemacht, dass von diesem Antrag ganz klar eine einseitige Betonung des Schicksals deutscher Vertriebener und Flüchtlinge zu erwarten ist. Während der Kollege der CDU noch weit in
der Geschichte zurückging, teilweise bis in die biblische Geschichte, hat es Herr Zastrow klar und deutlich gesagt, dass es hier um eine einseitige Betonung des Schicksals der deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge geht. Daraus ergeben sich Probleme. Es führt dazu, dass Ursache und Wirkung verkannt werden.
Dieser Gedenktag würde zu einem willkommenen Podium für ewig Gestrige von ganz rechts verkommen.
Ich sehe aber auch folgendes Problem darin: Wenn es diesen Gedenktag geben würde, wäre es der einzige Tag, der neben dem 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, in Sachsen stünde. Das halte ich für problematisch.
Ebenso habe ich die ernste Sorge, insbesondere nach den Bemerkungen des Kollegen Zastrow, dass sich aus der Annahme dieses Antrags große Probleme für die Realisierung unseres Verfassungsauftrages aus Artikel 12 unserer Verfassung ergeben. Dort werden wir verpflichtet, grenzüberschreitende regionale Beziehungen im Geiste guter Nachbarschaft anzustreben. Erklären Sie bitte einmal, wie wir das mit unseren polnischen und tschechischen Partnern zu Werke bringen sollen, wenn wir einen Antrag beschließen, der sich einseitig dem Schicksal deutscher Vertriebener und Flüchtlinge zuwendet.
Deshalb werde zumindest ich diesem Antrag nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag offenbart klar die prägenden Defizite der NPD. Da ist zunächst – das verwundert eigentlich niemanden mehr – das moralische Defizit. Die NPD, die sich momentan im politischen Sinkflug befindet, giert mit diesem Antrag unter bewusster Vermischung von EU-Personenfreizügigkeit, Arbeitsmarkt-, Ausländer- und Asylpolitik nach politischer Profilierung und Aufmerksamkeit auf dem Rücken ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Allein schon das ist jämmerlich.
Aber, meine Damen und Herren, es geht der NPD um eine maximale Ausgrenzung und Entrechtung von Ausländern. Fremdenfeindlichkeit ist die prägende Motivation des gesamten Antrages. Besonders entlarvend ist die Forderung nach Schaffung von Zentren für bestimmte Gruppen von Asylbewerbern – Zitat – „fernab von Wohngebieten“. Ist das die schleimige Umschreibung der NPD für den Begriff Internierungslager? Die Menschheitsgeschichte zeigt: Wo Feindschaft gegen Fremde herrscht, dort ist die Mitmenschlichkeit auf der Strecke geblieben. Wo die Mitmenschlichkeit fehlt, dort ist auch keine Moral.
Ich weiß nicht, was diese Zwischenbemerkung inhaltlich bewirken soll, aber vielleicht ist Ihnen nichts Besseres eingefallen.
Meine Damen und Herren, die Tatsache, dass die NPD auf das „Schweizer Vorbild“ verweist, offenbart nun auch in skurriler Weise die zunehmenden intellektuellen Defizite der NPD;
denn es muss den deutsch-nationalistischen PseudoRecken von der NPD irgendwie entgangen sein, dass die von der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei am 9. Februar 2014 inszenierte Volksabstimmung in starkem Maße gegen Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland gerichtet war. „DIE ZEIT“ brachte es in ihrer Ausgabe vom 10.02.2014 auf den Punkt: „Die Schweizer haben gegen Zuwanderung aus der EU abgestimmt und damit vor allen Dingen die Deutschen gemeint.“ Bereits in den Wochen vor der Abstimmung hatten SVP-Politiker immer wieder auf deutsche Zuwanderer abgezielt. Verwiesen sei hierzu auf den SVP-Youngster Natalie Rickli, die erklärte: „Es gibt zu viele Deutsche in der Schweiz.“ Wie die NPD vor diesem Hintergrund dazu kommt, die Schweizer Volksabstimmung für – Zitat – „wegweisend“ zu halten, möge sie den etwa 300 000 in der Schweiz lebenden Deutschen und den etwa 56 000 deutschen Pendlern doch gern selbst erklären.
Das irritiert Sie natürlich, das verstehe ich.
Eine Tatsache wird an dem Schweizer Beispiel überdeutlich: Entfesselter Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit sind im Europa unserer Tage keine Einbahnstraße mehr. Wer sich heute noch als rassistischer Einpeitscher am Stammtisch gefällt, kann morgen selbst Opfer sein. In einem Europa des Nationalismus und der Fremdenfeindlichkeit wären wir alle Verlierer.
Der vorliegende Antrag der NPD ist daher nicht nur amoralisch und inhuman, sondern auch dumm und daher abzulehnen.
Nazistische und polenfeindliche Provokation sächsischer Touristen in Karpacz interjection: (Republik Polen) (Frage Nr. 1)
Nach Meldungen polnischer und deutscher Medien kam es Mitte Januar dieses Jahres in dem bekannten polnischen Urlaubsort Karpacz durch eine Gruppe aus Dresden stammender Touristen zu nazistischen und polenfeindlichen Provokationen der anderen Urlaubsgäste und des dortigen Personals. Es sollen nazistische Grußgesten gezeigt und nazistische Parolen gerufen sowie polenfeindliche rassistische Beleidigungen geäußert worden sein. Dem Vernehmen nach seien staatsanwaltliche Ermittlungen sowohl in Polen als auch in Sachsen eingeleitet worden.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Über welche Kenntnisse verfügt die Staatsregierung bezüglich des oben genannten Zwischenfalls?
2. Welche Konsequenzen wird die Staatsregierung aus dem oben genannten Zwischenfall in den dabei einschlägigen Politikfeldern ziehen?
Neuverhandlung eines Finanzierungsabkommens der Stiftung für das sorbische Volk interjection: (Frage Nr. 4)
Am 10. Juli 2009 wurde das zweite Abkommen über die gemeinsame Finanzierung der Stiftung für das sorbische Volk durch die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, des Freistaates Sachsen und des Landes Brandenburg unterzeichnet. Dieses Abkommen gilt bis zum 31. Dezember diesen Jahres, verlängert sich allerdings jeweils um ein Jahr, wenn es nicht zwölf Monate vor Ablauf von einer der beteiligten Seiten gekündigt wird.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Welche Bemühungen hat die Sächsische Staatsregierung unternommen, um Neuverhandlung eines
Abkommens über die gemeinsame Finanzierung der Stiftung für das sorbische Volk zu erreichen?
2. Welche Defizite – wie zum Beispiel den fehlenden Inflationsausgleich – weist das derzeit gültige zweite Abkommen über die gemeinsame Finanzierung der Stiftung für das sorbische Volk aus Sicht der Staatsregierung auf?
Frau Präsidentin! Die erste Frage wird auch schriftlich beantwortet. Ich möchte die zweite Frage stellen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Diese Frage bezieht sich auf den Hochwasserschutz
für Groß Särchen und gegebenenfalls ähnlich betroffene Orte während der Zeitdauer der Sanierung des Knappensees. Wie bereits mehrfach in der Vergangenheit, so wurde auch bei der Hochwassersituation im Frühjahr dieses Jahres – trotz des zwischenzeitlich errichteten Umfluters – eine akute Hochwassergefahr für Teile der Ortslage Groß Särchen nur durch das Öffnen des Wehres zum Knappensee abgewendet.
Nunmehr soll jedoch der Knappensee für acht Jahre gesperrt und in dieser Zeit saniert werden. Einwohner von Groß Särchen sorgen sich daher wegen der fast jährlich in diesem Bereich auftretenden Hochwassersituation um ihr Hab und Gut.
Ich frage daher die Staatsregierung:
Erstens. Wird es auch während der Sperrung und Sanierung des Knappensees möglich sein, in Notfällen wie bisher das Wehr zum Knappensee zu öffnen, um dadurch
akute Hochwasserschäden für große Teile der Ortslage Groß Särchen abzuwenden?
Zweitens. Welche alternativen Maßnahmen sind für den Fall, dass eine wie oben erläuterte Öffnung des Wehres zum Knappensee nicht möglich ist, durchführbar, um Hochwasserschäden von Bewohnern der Ortslage Groß Särchen bzw. ähnlich betroffenen Ortslagen am Knappensee abzuwenden?
Nein, vielen Dank.
Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) (Frage Nr. 1)
Nach bisherigen Verlautbarungen der Staatsregierung werde sich der Freistaat Sachsen nicht an einem EVTZ beteiligen. Allerdings gäbe es Bestrebungen der
Euroregion Neisse-Nisa-Nysa und der Euroregion
Egrensis, an einem EVTZ zu arbeiten. Auch vonseiten der tschechischen und polnischen Partner gäbe es hieran großes Interesse. Die Euroregion Neisse-Nisa-Nysa habe diesbezüglich ein Rechtsgutachten gefordert, wozu dem Vernehmen nach im April dieses Jahres eine Anhörung stattgefunden haben soll.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Welche wesentlichen Ergebnisse haben das oben genannte Rechtsgutachten und die sich darauf beziehende Anhörung bezüglich der Umsetzbarkeit eines EVTZ aus sächsischer Sicht erbracht?
2. Welche Struktureinheiten – zum Beispiel der Freistaat, die Euroregionen oder die Landkreise – sollen nach Auffassung der Staatsregierung von sächsischer Seite aus Partner eines möglichen EVTZ werden?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Frage bezieht sich auf die Umsetzung des deutsch-tschechischen Rahmenabkommens über die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit im Rettungsdienst.
Am 4. April dieses Jahres wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik ein Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit im Rettungsdienst unterzeichnet. Nach Artikel 4 dieses Rahmenabkommens sollen zur Konkretisierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rettungsdienst Kooperationsvereinbarungen geschlossen werden. Befugt zum Abschluss einer solchen Kooperationsvereinbarung ist auf deutscher Seite unter anderem das für den Rettungsdienst zuständige Ministerium des Freistaates Sachsen. Auf tschechischer Seite sind es unter anderem die an Sachsen angrenzenden Nachbarregionen Liberecký Kraj, Ùstecký Kraj und Karlovarský Kraj. Seit
der oben genannten Unterzeichnung des Rahmenabkommens ist nunmehr über ein halbes Jahr verstrichen.
Ich frage daher die Staatsregierung erstens: Welche Schritte hat die Sächsische Staatsregierung bisher unternommen, um zum Abschluss einer – wie bereits beschriebenen – Kooperationsvereinbarung zu kommen?
Zweitens: Mit welcher inhaltlichen Verhandlungsstrategie und in welchem konkreten Zeithorizont plant die Sächsische Staatsregierung gemeinsam mit den tschechischen Partnern zu einem Kooperationsabkommen
bezüglich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rettungsdienst zu gelangen?
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Staatsminister, mir ist aus Ihrer Antwort Folgendes nicht deutlich geworden: Welche konkreten Versuche der Kontaktaufnahme seitens der Sächsischen Staatsregierung in Richtung der tschechischen Partner oder seitens der tschechischen Partner in Richtung der Sächsischen Staatsregierung hat es gegeben?
Wäre es möglich, dies schriftlich nachzureichen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Frage bezieht sich auf bestehende Sicherungen bezüglich der Kosten von bergbaubedingten Umsiedlungen und Rekultivierungsmaßnahmen in der Lausitz.
Auf der am 1. Oktober dieses Jahres in Bautzen stattgefundenen Sitzung des Regionalen Planungsverbandes Oberlausitz-Niederschlesien ist dem Vernehmen nach die Frage nach Sicherungen bezüglich der Kosten von bergbaubedingten Umsiedlungen und Rekultivierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Beschluss zu Nochten II durch Vattenfall oder nach Garantien des schwedischen Staates gestellt worden. Die Vertreter von Vattenfall bzw. des Regionalen Planungsverbandes OberlausitzNiederschlesien haben – im Gegensatz zur Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage der Abg. Dr. Jana Pinka von den LINKEN mit der Drucksache 5/11731 – erklärt, dass es solche Sicherheiten oder Garantien nicht gebe.
Ich frage die Staatsregierung erstens: Welche Sicherheiten, Garantien usw. sind erstens in welcher konkreten rechtlichen oder finanztechnischen Form durch Vattenfall bezüglich des oben genannten Sachverhalts bisher geleistet bzw. erklärt? Welches finanzielle Risiko besteht in diesem Zusammenhang für den Freistaat Sachsen?
Zweitens: Wer trägt die Kosten für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in dem vom einzustellenden Betrieb in Anspruch genommenen Bereich, angenommen, der derzeitige Betreiber Vattenfall Europe Mining zieht sich zurück und es findet sich kein neuer Betreiber?
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Staatsminister, Sie haben zu Recht auf die Antwort auf die Kleine Anfrage von Frau Dr. Pinka hingewiesen. Dort haben Sie gesagt, dass Sie von der konkreten Benennung von Sicherheitsleistungen aufgrund überwiegender Belange des Geschäftsgeheimnisses absehen. Das heißt aber, wenn ich das richtig verstehe, dass Sie davon ausgegangen sind, dass es solche Sicherheitsleistungen gibt. In der Sitzung des Regionalen Planungsverbandes wurde dem Vernehmen nach gesagt, dass es solche Sicherheiten nicht gebe. Was entspricht der Wahrheit?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Debatte über den Braunkohleabbau in der Ober- und Niederlausitz ist schlechterdings nicht solide ohne Einbeziehung elementarer Grundsätze des Minderheitenschutzes und der Schutznormen des sorbischen Siedlungsgebietes führbar. Zumindest für uns LINKE ist das eine zentrale Erkenntnis.
Meine Damen und Herren! Am 16. Mai dieses Jahres führten wir die letzte Debatte zu diesem Thema. Damals ging es darum, ob der Braunkohleausschuss bzw. der Regionale Planungsverband Oberlausitz/Niederschlesien eine Entscheidung fällen soll oder darf, die die Heimat der Einwohner von Rohne-Mulkwitz, Mühlrose und Teilen von Schleife zerstört. Ich habe damals auf die Sächsische Verfassung und das Sächsische Sorbengesetz hingewiesen. Ich hatte die Hoffnung, dass die Verbandsräte diese zentralen Rechtsnormen stärker in ihren Abwägungsprozess einbeziehen. Ich bin von der Mehrheit der Verbandsräte enttäuscht worden.
Meine Damen und Herren, nunmehr steht eine Entscheidung des sächsischen Innenministeriums an. Hierzu erwarte ich eine klarere Verfassungs- und Gesetzesbindung als in den vorangegangenen Debatten. Ich erwarte vom sächsischen Innenministerium, dass die das sorbische Siedlungsgebiet schützenden Verfassungs- und einfachgesetzlichen Normen in den Entscheidungsprozess nachvollziehbarer einbezogen werden. Ich erwarte vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst als für die Sorben zuständigem Ministerium, dass es seiner besonderen Verantwortung gerecht wird, sein Wissens- und Erfahrungspotenzial einsetzt und den Minderheitenschutz in der Debatte in die Waagschale wirft. Ich erwarte vom Ministerpräsidenten, dass er endlich seine besondere sorbische Sensibilität in dieser Frage erkennen lässt.
Meine Damen und Herren! Vergegenwärtigen wir uns bitte Folgendes: Der erste Landtagspräsident unseres Landtages, Erich Iltgen, hat bei der Vorstellung der Sächsischen Verfassung im Jahre 1992 die Verfassungsnorm über die Rechte der Sorben den damaligen Landtagsabgeordneten in besonderer Weise – ich zitiere – „an das Herz legen wollen“. Erich Iltgen hatte damals noch die druckfrischen Artikel 5 und 6 unserer Verfassung vor Augen. Artikel 5 erkennt das Recht auf Heimat an. Artikel 6 fordert, die Lebensbedürfnisse des sorbischen Volkes in der Landes- und Kommunalplanung zu berücksichtigen und den besonderen deutsch-sorbischen Charakter des sorbischen Siedlungsgebietes zu erhalten. Letzter Punkt setzt natürlich den Erhalt des sorbischen Siedlungsgebietes an sich voraus.
§ 2 Abs. 3 des Sächsischen Sorbengesetzes konkretisiert – ich zitiere –: „Das sorbische Volk und jeder Sorbe haben das Recht auf Schutz, Erhaltung und Pflege ihrer angestammten Heimat und Identität.“ Meine Damen und Herren, eigentlich sind dies klare Worte. Was sind diese Worte aber wert, wenn die Region Schleife in die Grube fällt? Meine Damen und Herren, wir haben eine gemeinsame Verantwortung, Minderheitenschutz nicht zur Makulatur werden zu lassen. Wir sollten ganz im Sinne des ersten Landtagspräsidenten, Erich Iltgen, den Minderheitenschutz nah am Herzen tragen.
Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist es nicht hinnehmbar, wenn die These vertreten wird, dass das sorbische Siedlungsgebiet nicht zentral bedroht sei, weil nur Dörfer „umgesetzt“ würden – und das noch im sorbischen Siedlungsgebiet selbst. Meine Damen und Herren! Ich erwarte, dass die Staatsregierung ernsthaft prüft, wie sich die jetzt immer stärker spürbaren Auswirkungen von über 100 Jahren Kohlebergbau in der Lausitz auswirken. Im vergangenen Jahr gab es dort über 35 000 Hektar gesperrte Fläche. Wem dieses landwirtschaftliche Flächenmaß nicht geläufig ist, erläutere ich dies kurz: Das entspricht 50 000 Fußballfeldern. Wenn sich sorbisches Siedlungsgebiet in erheblichen Teilen als Sperrgebiet mit absolutem Betretungsverbot darstellt, in
dem menschliche Ansiedlung ausgeschlossen ist, erwarte ich, dass die Sächsische Staatsregierung prüft, ob dieser Zustand nicht bereits eine Verletzung der genannten Normen zum Schutz des sorbischen Siedlungsgebietes darstellt.
Meine Damen und Herren! Gleichzeitig erwarte ich, dass sich die Staatsregierung und die demokratischen Fraktionen in diesem Hohen Haus ernsthaft mit den aktuellen Positionen und Forderungen der Sorben zur Erweiterung des Tagebaus Nochten befassen. Die Domowina als anerkannte Interessenvertreterin des sorbischen Volkes hat am 14. September 2013 hierzu klare Beschlüsse gefasst.
Ich komme zum Schluss. Die Domowina hat diese an den Ministerpräsidenten, den Innenminister, den Landtagspräsidenten und an die Vorsitzenden der demokratischen Fraktionen übermittelt. Die Forderungen sind klar: keine Abbaggerung weiterer sorbischer Dörfer und keine Erweiterung des Tagebaus Nochten. Meine Damen und Herren! Die Sächsische Staatsregierung ist aufgefordert, darüber zu entscheiden.
Folgendes ist aufgrund der Position der Domowina klar geworden: Eine Entscheidung des sächsischen Innenministeriums für die Erweiterung des Tagebaus Nochten stünde im Gegensatz zu der Position der Domowina. Die Staatsregierung sollte dies ernsthaft bedenken.
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
dass das sorbische Siedlungsgebiet und konkret auch der Schutz des sorbischen Siedlungsgebiets sehr wohl in der sächsischen Landesverfassung als auch im Sächsischen Sorbengesetz enthalten sind?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion hat diesem Antrag bewusst eine ganz spezielle Überschrift gegeben, die sich auch auf einem ihrer Wahlplakate befindet.
Mit dieser Überschrift werden die Sinti und Roma böswillig verächtlich gemacht, verleumdet und dadurch in ihrer Menschenwürde angegriffen. Die Würde des Menschen ist jedoch nach unserem Grundgesetz unantastbar – und dies jederzeit und gegenüber Angriffen von jedermann, auch in Wahlkampfzeiten und auch gegen Angriffe von einer Partei, die, wie die NPD, in den Bundestagswahlumfragen gegenwärtig eher als Splitterpartei gilt und die deshalb nach Aufmerksamkeit um jeden Preis lechzt.
Nein, meine Damen und Herren, niemand darf – unter keinen denkbaren Zeitumständen – die Würde von Menschen verletzen.
Die NPD teilt aber mit der Überschrift dieses Antrages Menschen in Gruppen mit unterschiedlichem Wert, mit unterschiedlicher Würde ein. Eine konkrete Gruppe von Menschen wird – hier wegen ihrer Herkunft oder Nationalität – herabgesetzt, ausgegrenzt und verächtlich gemacht.
Erst wird gegen sie gehetzt, dann werden sie gehetzt, gegebenenfalls auch zu Tode.
Meine Damen und Herren! Bedenkt man an diesem Punkt, dass gerade die Sinti und Roma zu den besonders betroffenen Opfergruppen der nazistischen Völkermorde gehörten, so kann es nur als Pflicht jedes Humanisten und jeder Humanistin angesehen werden, dieser NPD-Hetze entgegenzutreten.
Aus diesen Gründen habe ich – das scheint ja die NPD doch etwas zu erregen – wegen des die Sinti und Roma diskriminierenden Plakates Strafanzeige gegen die NPD gestellt.
Und, meine Damen und Herren, bei jeder auch nur ansatzweise ähnlichen Sachlage werde ich es wieder tun.
Meine Damen und Herren! Unabhängig davon, zu welchem juristischen Prüfungsergebnis die zuständige Staatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit gelangt, ist es für meine Fraktion klar, dass die Forderung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, gesetzliche Schritte gegen diskriminierende Wahlwerbung einzuleiten, dringend unterstützt werden sollte, und zwar durch alle demokratischen Fraktionen in diesem Hohen Haus.
Es ist gerade diese Gemeinsamkeit der demokratischen Fraktionen, die wir als erforderliche Antwort auf NPDAnträge, wie den vorliegenden, weiter verstärken sollten. Hierzu sollten wir – anders, als es noch mit unserem Subsidaritätskontrollantrag zur stärkeren Ausrichtung der europäischen Menschenrechtsagentur gegen rechtsextremistische Aktivitäten geschah – in Zukunft keine Chance mehr ungenutzt lassen.
Meine Damen und Herren! Um es abschließend klar zu sagen: Die Ablehnung des vorliegenden NPD-Antrages ergibt sich nicht nur aus seiner volksverhetzenden Überschrift, sondern auch aus dem Antragstext selbst, weil die NPD hier in demagogischer Weise Fragen der Armutsentwicklung und der Armutswanderung in Europa zu nationalistischer fremden- und minderheitenfeindlicher Panikmache nutzt. Auch die Einbringungsrede hat das deutlich gezeigt.
Dabei schreckt die NPD-Fraktion in ihrer Argumentationskette auch vor bewusster Lüge nicht zurück. Folgender Textvergleich macht das deutlich: Auf Seite 2 unter Punkt II des NPD-Antrages steht – ich zitiere –: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, angelehnt an die Forderungen des Positionspapiers des Deutschen Städtetages zu den Fragen der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien, einen Aktionsplan ‚Armutszuwanderung aus Südosteuropa stoppen!‘ zu erarbeiten.“
In eben diesem Positionspapier des Deutschen Städtetages ist aber nirgends von einem Aktionsplan zum Stoppen von Armutszuwanderung die Rede, sondern es heißt dort auf Seite 1 – ich zitiere –: „Dabei geht es uns nicht um eine Abschottung Deutschlands vor Zuwanderung, vielmehr geht es um Gelingensbedingungen von Integration.“ – Von Integration!, meine Damen und Herren. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die NPD will!
Dass sich der Deutsche Städtetag bei dieser Sachlage von der Instrumentalisierung durch die NPD umgehend distanziert hat, ist mehr als nachvollziehbar und zu begrüßen.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende NPD-Antrag ist in seiner Zielrichtung volksverhetzend. Er verletzt die Menschenwürde und er ist in seiner Argumentationsführung verlogen. Daher ist dieser Antrag abzulehnen.
(Beifall bei den LINKEN, der CDU,
der SPD, der FDP und den GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Frage bezieht sich auf die Sperrung des Knappensees im Landkreis Bautzen. Von Anwohnern und Erholungssuchenden wird erklärt, dass die Absicht bestünde, den Knappensee bei Hoyerswerda für acht Jahre zu sperren. Grundlage dafür sei die Aufnahme der dortigen Sanierungsarbeiten in das sogenannte 5. Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern. Ich frage daher die Staatsregierung:
Erstens: Welche Gefahrenanalyse – falls vorhanden: mit welchen Gutachten, Untersuchungen, Probebohrungen etc., mit Erstellungs- und Durchführungsdatum sowie durchführenden Auftragnehmer und jeweiligen Auftraggeber – ist die Grundlage für die oben erwähnte angebliche achtjährige Schließung des Knappensees?
Zweitens: Durch welche Behörde bzw. Institution wurde die Aufnahme der Sanierung des Knappensees in das sogenannte 5. Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern beantragt?
Also, zur Frage 2 fehlt mir noch die Antwort,
welche Behörde das nun konkret veranlasst hat.
Ich hätte noch eine Nachfrage. Herr Staatsminister, Sie sprachen von vielen bunten Karten, auf deren Grundlage Sie die Antwort geben. Wäre es möglich, mir diese im Nachgang zur Verfügung zu stellen?
Vielen Dank, Herr Präsident. – Diese Frage bezieht sich auf die Perspektiven der sorbischen Sprach- und Kulturförderung durch die Zuwendungsgeber der Stiftung für das sorbische Volk.
Aus dem Bundestag ist bekannt geworden, dass die gegenwärtige schwarz-gelbe Bundesregierung laut ihrer Planung zum Bundeshaushalt 2014 die für das Jahr 2013 erfolgte Erhöhung ihrer Zuwendungen um 500 000 Euro wieder zurückzunehmen gedenkt. Damit würde sich die Hoffnung auf eine zukünftig ausreichende Finanzierung der sorbischen Sprach- und Kulturförderung zerschlagen, und die für dieses Jahr erfolgte Erhöhung der Mittelzuwendungen würde sich nachträglich als bloßes „Geburtstagsgeschenk“ anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Domowina darstellen, nicht jedoch als nachhaltige und planbare Finanzierung der sorbischen Sprach- und Kulturpflege. Der Freistaat Sachsen war für das Jahr 2013 anteilmäßig der Erhöhung der Bundesförderung gefolgt und hatte diese entsprechend in seinem Doppelhaushalt – und somit auch für das Jahr 2014 – festgeschrieben.
Ich frage daher die Staatsregierung:
1. Welche Position wird die Staatsregierung gegenüber dem Bund bezüglich der oben geschilderten Planung für den Bundeshaushalt 2014 einnehmen?
2. Wie wird sich die Staatsregierung verhalten, falls die Bundesebene trotz der sich daraus ergebenden
nachteiligen Auswirkung für die sorbische Sprach- und Kulturpflege bei der Rücknahme der 2013 erfolgten Zuwendungserhöhung bleibt?
Herr Präsident, ich habe eine Nachfrage.
Herr Präsident, vielen Dank! – Frau Staatsministerin, nach meinem Kenntnisstand ist in unserem Doppelhaushalt der erhöhte sächsische Betrag durch einen Vermerk an die Entwicklung im Bundeshaushalt gekoppelt. Wird die Staatsregierung dennoch, selbst wenn die Bundesebene reduzieren sollte, bei ihrem erhöhten Teilbetrag bleiben?
Konsequenzen und Schadensregulierung bezüglich der Militärübung im April 2013 in der Oberlausitz (Frage Nr. 1)
In der 74. Sitzung des Sächsischen Landtages vom 18.04.2013 stellte ich zu oben genannter Militärübung bereits eine mündliche Anfrage an die Sächsische Staatsregierung (siehe auch Drucksache 5/11685). Aus den Antworten ergeben sich für mich neue zu klärende Sachverhalte, insbesondere bezüglich des aktuellen Standes der Schadensregulierung und der Konsequenzen aus dem Auftauchen sogenannter „verirrter“ Militäreinheiten mit
ihrer schweren Kampftechnik auf bewohnten Privatgrundstücken.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Wie ist der konkrete Stand der Schadensregulierung bezüglich aller der Staatsregierung bisher bekannt gewordenen Schadensfälle im Einzelnen?
2. Welche Konsequenzen für die Genehmigungs-, Beauflagungs- und Kontrollpraxis von Militärübungen hat die Staatsregierung aus dem Auftauchen sogenannter „verirrter“ Militäreinheiten mit ihrer schweren Kampftechnik auf bewohnten Privatgrundstücken während der oben
genannten Militärübung in der Oberlausitz gezogen bzw. gedenkt sie zu ziehen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Anfrage bezieht sich auf den Erhaltungszustand von Gräbern gefallener Angehöriger der Anti-Hitler-Koalition in Sachsen.
In einigen Gemeinden der Oberlausitz kam es vonseiten dortiger Einwohner in letzter Zeit zu Beschwerden über die mangelhafte Pflege und den schlechten Erhaltungszu
stand von Gräbern und Denkmälern gefallener Angehöriger der Anti-Hitler-Koalition. In der Oberlausitz handelt es sich hierbei vor allem um Denkmäler und Gräber für gefallene Angehörige der sowjetischen und polnischen Streitkräfte.
Ich frage daher die Staatsregierung:
1. Wie verschafft sich die Staatsregierung einen regelmäßigen Überblick über den aktuellen Pflege- und Erhaltungszustand von Gräbern gefallener Angehöriger der Anti-Hitler-Koalition und wie schätzt sie diesen Pflege- und Erhaltungszustand aktuell ein?
2. Wie sind die Verantwortlichkeiten bezüglich der Pflege und Erhaltung von Gräbern und Denkmälern für gefallene Angehörige der Anti-Hitler-Koalition zwischen der kommunalen, Landes- und Bundesebene aufgeteilt?
Ja, Frau Präsidentin, ich habe Nachfragen.
Frau Staatsministerin, hat sich die Staatsregierung einen Überblick verschafft, ob das aktuelle Hochwasser zu Schäden an Gräbern und Denkmälern von Angehörigen der Anti-Hitler-Koalition geführt hat?
Wann rechnen Sie mit einem abschließenden Überblick?
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Koalition gibt uns Anlass, das Thema der stärkeren, aktiven Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in der EU in Form des Freiwilligen Europäischen Jahres hier im Sächsischen Landtag zu behandeln. Dies ist zunächst durchaus positiv und grundsätzlich zu begrüßen.
Dass die NPD dagegen geifert, verwundert nicht;
denn diese Partei fürchtet das Zusammenwachsen Europas wie der Teufel das Weihwasser.
Auch, aber nicht nur aus diesem Grund steht es für uns außer Frage, dass die Idee der europäischen Bürgergesellschaft und das von der Europäischen Union ausgerufene Europäische Jahr von der Fraktion DIE LINKE in ihrem Grundanliegen unterstützt wird. Konkrete jugend- und arbeitsmarktpolitische Kritikpunkte hat meine Kollegin Annekatrin Klepsch bereits vorgetragen.
Meine Damen und Herren! Eine der europapolitischen Grundideen dieser Initiative geht bis mindestens in die Neunzigerjahre zurück, als unter wesentlicher Beteiligung des Europarates die Idee des „interkulturellen Dialoges“ entwickelt und verschiedene Aktivitäten immer mit Blick auf konkrete Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in der EU umgesetzt wurde. Der Ansatz der europäischen Bürgergesellschaft geht dabei über den Gedanken des Dialoges hinaus und zielt auch mit Blick auf das Konzept des Unionsbürgers wohl eher auf das Ideal eines europäischen Aktivbürgers, der die Belange in seinem lokalen und regionalen Bezug unmittelbar mitentscheidet und mitgestaltet und sich dabei der europäischen Dimension bewusst ist.
Dieser Aktivbürger wurde gerade in der vergangenen Woche von Prof. Winfried Böttcher auf der hier in Dresden mit Unterstützung des Landtagspräsidenten stattgefundenen Tagung des Institutes der Regionen Europas mit Blick auf die Zukunft eines „Europas der vereinigten Regionen“ entworfen.
Nun mögen manche sagen, dass diese Vision zu weit geht. Jedoch gar keine Vision oder wenigstens inhaltliche Leitgedanken zu vermitteln und der Staatsregierung, wie im vorliegenden Antrag geschehen, gewissermaßen anheimzustellen, mit welchen politischen Intentionen das Freiwillige Europäische Jahr inhaltlich gestaltet werden soll, ist angesichts der wirklichen Herausforderungen schwer nachzuvollziehen.
Meine Damen und Herren! Wenn es vom Grundsatz her zutreffend ist, dass das Europa der Regionen und das Konzept der Multi-Level-Governance und des MultiLevel-Parlamentarismus unter Einbindung der Regionen gerade deshalb zukunftsweisend ist, weil es den Bürgerinnen und Bürgern in der EU einerseits die Mitwirkung beim Zustandekommen von Entscheidungen auf EUEbene erlebbar ermöglichen soll und andererseits die
Umsetzung von EU-Vorhaben als gewollter Teil der eigenen regionalen Gestaltung sicherstellt, dann ist es sehr wohl Aufgabe von Regionalparlamenten – und so auch des Sächsischen Landtages –, sich eben genau mit diesen inhaltlichen Gestaltungsfragen zu beschäftigen.
Der Antrag bietet dazu leider in weiten Teilen lediglich eine leere Hülle. In der Sache geht es um eine Angelegenheit, die in strategischen Richtungsentscheidungen mit konkreten inhaltlichen Vorstellungen eingebettet werden muss. Das Konzept der europäischen Bürgergesellschaft könnte bei entsprechendem politischem Willen tatsächlich zu einer erlebbaren EU-Bewegung der Zivilgesellschaft werden, einer europäischen Zivilgesellschaft, die sich selbstbewusst und nicht als Bittsteller oder Ausführungsgehilfe irgendwelcher Programme mit ihren eigenen Angelegenheiten befasst und diese mitgestaltet.
Insofern begrüßt es DIE LINKE, dass die Mitwirkung am Freiwilligen Europäischen Jahr allen interessierten Bürgern – und auch Bürgerinnen, die der Antrag leider an keiner Stelle erwähnt – offenstehen soll.
Aber, meine Damen und Herren – meine Kollegin Annekatrin Klepsch und auch Kollege Homann haben es deutlich gemacht –, das allein genügt nicht. Wenn wir die Diskussion, die wir im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss und in verschiedenen öffentlichen Foren über die zukünftige Rolle der Regionen und vor allem der regionalen Parlamente in der EU führten, ernst nehmen, dann müssen wir als Parlament auch in der Frage der Förderung der europäischen Bürgergesellschaft selbst mehr Inhalte erarbeiten und dürfen dies nicht der Staatsregierung überlassen.
Meine Damen und Herren! Schließlich stehen wir hier vor der Herausforderung, Europa und seine Bürgerinnen und Bürger bewusst und aktiv zu verbinden und dafür zeitgemäße, das heißt heute insbesondere auf die Überwindung der europäischen Krise bezogene Maßnahmen zu ergreifen.
Lassen Sie mich hierzu wenigstens drei Ebenen anreißen, auf denen im Rahmen des Freiwilligen Europäischen Jahres mit einer gewissen Fokussierung neue Impulse gesetzt und Fortschritte erreicht werden können.
Da ist zunächst die grenzüberschreitende Dimension. Es geht um Freiwilligenarbeit, die insbesondere von Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen initiiert und organisiert wird. Hier kann es für Sachsen vor dem Hintergrund der Krisensymptome in der EU, die auch im Antrag andeutungsweise angesprochen werden, jedoch nicht vordergründig darum gehen, auf Sachsen beschränkt zu bleiben, sondern es muss aus Sicht der LINKEN darum gehen, gerade grenzüberschreitende Aktivitätsfelder zu öffnen und zu verstärken.
Des Weiteren ist der individuelle Bezug zu berücksichtigen. Neben dem Schwerpunkt der grenzüberschreitenden Aktivitäten ist weiterhin wichtig, die individuelle Natur der europäischen Bürgergesellschaft im Auge zu behalten.
Das heißt, Anknüpfungspunkte sollten die unmittelbaren Bedürfnisse der Menschen in der EU sein sowie der unmittelbare menschliche Kontakt. Nur so wird auf längere Sicht auch ein europäisches Gemeinschaftsgefühl durch gemeinsames Erleben des Austausches und der Unterstützung erreicht werden.
Schließlich gilt es, Schwerpunktsetzungen in konkreten gesellschaftlichen Bereichen vorzunehmen. Wesentlich für das Setzen von Rahmenbedingungen sind hier Vorgaben für die gesellschaftlichen Bereiche, die in besonderem Maße Bürgerbeteiligung einerseits erfordern und andererseits möglich machen. Zum Beispiel bietet es sich nach dem diesjährigen Hochwasser an, tschechisch-deutsche Projekte der Bürgerbeteiligung ins Leben zu rufen oder bestehende massiv zu unterstützen, die in Sachsen und in Tschechien Flutschäden gemeinsam beseitigen oder sich um gemeinsamen Hochwasserschutz bemühen. Grundsätzlich könnte Sachen hier durchaus ein EU-weites Signal für die aktive Mitwirkung regionaler Akteure bei der weiteren Gestaltung der EU, gegenwärtig insbesondere bei der Überwindung der systemischen Krise, senden.
Ein solcher politische Wille ist dem Antrag leider nicht zu entnehmen. Damit komme ich zum Kern meiner Kritik am vorliegenden Antrag zurück. Der Sächsische Landtag kann, aufgefordert durch die Koalition, bei der Lage der Dinge nicht nur erklären, dass sich die Staatsregierung wie in Punkt 1 „in geeigneter Weise“ dafür einsetzen soll, Rahmenbedingungen für das Freiwillige Europäische Jahr zu befördern. Nein, der Landtag muss hier in aktiver Form Kriterien formulieren, deren Umsetzung dann von der Staatsregierung bei der Gestaltung ebendieser Rahmenbedingungen zu beachten ist.
Gerade dies ist aber im vorliegenden Antrag nicht der Fall, wodurch er für uns LINKE nicht mehr zustimmungsfähig wird. Wir werden uns bei diesem Antrag der Stimme enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als zentrale Frage der heutigen Debatte, die wir dank der Initiative der GRÜNEN führen können, steht für mich: Soll oder, besser, darf der Braunkohleausschuss eine Entscheidung fällen, die die Heimat der Einwohner von Rhone, Mulkwitz, Mühlrose und Teile von Schleife zerstört? Die Antwort lautet nach meiner festen Überzeugung: Nein. Ich möchte Ihnen auch einige Gründe dafür nennen.
Zunächst möchte ich auf unsere Verfassung verweisen. Ich habe das hier schon oft getan, und ich werde nicht müde werden, das immer wieder zu tun.
Wenn wir die Verfassung in diesem Hause nicht ernst nehmen, dann stellen wir uns schließlich selbst infrage.
Ich möchte zunächst darauf verweisen, dass Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 unserer Verfassung das Recht auf Heimat anerkennt. Artikel 6 Abs. 1 Satz 2 unserer Verfassung verpflichtet den Freistaat, das Recht der Sorben auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege und Entwicklung ihrer angestammten Sprache, Kultur und Überlieferung zu gewährleisten und zu schützen.
Abs. 2 fordert, den besonderen deutsch-sorbischen Charakter des sorbischen Siedlungsgebietes zu erhalten und die Lebensbedürfnisse des sorbischen Volkes in der Landes- und Kommunalplanung zu berücksichtigen. Ähnlich formuliert es auch § 3 Abs. 4 des Sächsischen Sorbengesetzes.
Meine Damen und Herren! Ich frage Sie erneut, was ist das Sächsische Sorbengesetz, was ist unsere Sächsische Verfassung wert, wenn gerade die Region Schleife, die den besonderen Charakter des sorbischen Siedlungsgebietes sowie die angestammte Sprache, Kultur und Überlieferung der Sorben mit am originellsten prägt, in die Grube fährt? Etwas Besonderes ist die Region Schleife auch innerhalb des sorbischen Siedlungsgebietes allemal.
Bisher ist den Argumenten mit unserer Landesverfassung gelegentlich entgegengehalten worden: Ja, aber Bundesrecht bricht Landesrecht, und das Bundesberggesetz sei im Vergleich zum Sächsischen Sorbengesetz und auch zur Sächsischen Verfassung das höherrangige Recht. Gerade aber diese Bastion des deutschen Bergrechts bröckelt. Es ist in die Kritik geraten. Vor allem ist es die rechtsgeschichtliche Herkunft des Bundesberggesetzes, insbesondere seine Enteignungsregeln, die problematisch sind.
Spätestens seit der Sendung des MDR-Magazins „Echt“ vom 26. März 2013 mit dem Titel „Der Wahnsinn mit der Braunkohle“ ist es offenbar:
Erstens. Bis in die 1930-er Jahre war die bergbauliche Inanspruchnahme von Haus und Hof gegen den Willen des Eigentümers ausgeschlossen.
Zweitens. 1937 wurde durch die Nazis das „Wohl der Allgemeinheit“ als Enteignungsgrund in das Gesetz eingeführt und befindet sich dort noch heute.
Drittens. All dies – jetzt hören Sie zu, meine Damen und Herren – geschah im Rahmen der sogenannten Kriegsertüchtigungsgesetzgebung des Naziregimes. Der Zweite Weltkrieg ist lange vorbei, aber die Lausitz findet keinen Frieden wegen des „Kriegsertüchtigungsgesetzes“ aus der Nazizeit.
Meine Damen und Herren von der Koalition! Die Schlagzeile „Sorben aufgrund von Regelungen des NSKriegsertüchtigungsgesetzes enteignet“, und das nicht in den Jahren 1938 oder 1942, sondern am Beginn des 21. Jahrhunderts, möchte ich uns allen ersparen, denn es wäre ein Skandal, der nicht nur bundesweit, sondern auch international wahrgenommen werden würde.
Meine Damen und Herren! Für uns LINKE steht deshalb fest: Es darf keine unwiederbringliche Zerstörung der Heimat für die Einwohner von Rhone, Mulkwitz, Mühlrose und Teilen von Schleife geben und schon gar nicht auf der Grundlage des NS-Kriegsertüchtigungsgesetzes.
Danke, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Jurk! Sie haben recht. Die LINKE ist Teil der Debatte in der Region, aber auch länderübergreifend, im Land Brandenburg. Gerade deshalb möchte ich Sie auf die Drucksache 5/451 des Landtages Brandenburg verweisen, in der wir als LINKE gemeinsam mit der SPD-Fraktion einen Antrag zur Ergänzung der Rohstoffsicherungsklausel im Bundesberggesetz um soziale und ökologische Kriterien mit dem in der Begründung dazu erklärten Ziel eingebracht haben, die Defizite beim Schutz der vom Bergbau betroffenen Bevölkerung, darunter auch der Sorben, zu beheben. – Das möchte ich gern als Erwiderung auf den Beitrag vortragen.
Herr Präsident! Ich möchte vom Recht der Kurzintervention Gebrauch machen, um auf Herrn von Breitenbuch zu erwidern.
Ich will wahrlich nicht die Praxis des DDR-Bergbaus und der Inanspruchnahme von Eigentum während der DDRZeit schönreden. Aber natürlich gab es bei der Inanspruchnahme auch zu DDR-Zeiten eine Entschädigung. Über deren Höhe wird man diskutieren können.
Aber es gab sie. Und auch das gehört zur Wahrheit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuallererst muss dem vorliegenden NPD-Antrag der Schleier der vorgetäuschten Seriosität entrissen werden.
Das wahre Ziel des Antrags ist deutlich zu benennen. Es besteht darin, Hass, Neid und Zwietracht zwischen den europäischen Völkern zu säen.
Es geht der NPD ausschließlich darum, das Zusammenwachsen Europas zu sabotieren.
Diese braune Saat darf nicht aufgehen.
Zur europäischen Lastenverteilung ist Folgendes anzumerken: Sie ist im Wesentlichen im Vertrag von Lissabon und im Europäischen Zentralpakt geregelt. Die grundsätzliche Kritik der LINKEN am Inhalt dieser Dokumente setze ich als bekannt voraus. Vor allem sollte die NPD mittlerweile begriffen haben, dass Sachsen nicht zu den Unterzeichnern dieser beiden Verträge gehört.
Hier beweist sich der NPD-Antrag teilweise als bloßer Schaufensterantrag und ist schon aus diesem Grunde abzulehnen.