Michael Weichert
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Last Statements
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was liegt näher, –
als angesichts des vor uns liegenden Gangs ans Buffet über die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe in Sachsen zu reden?
Meine Damen und Herren! Wie wir alle lesen konnten, hat sich die Entwicklung der sächsischen Wirtschaft in den letzten Jahren verlangsamt. Die Dynamik der Entwicklung hat sich seit dem Ende der 1990er-Jahre deutlich abgeschwächt und die Aufholfortschritte sind im vergangenen Jahrzehnt immer kleiner geworden.
Im Jahr 2011 lag das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in Sachsen bei rund 69 % des westdeutschen Durchschnitts. Auch beim Produktivitätsniveau hat der Freistaat Sachsen 25 Jahre nach der friedlichen Revolution und 24 Jahre nach der Wiedervereinigung erst knapp 76 % des Niveaus in den alten Bundesländern erreicht. Die bestehende Kapitallücke von circa 20 % ist weiterhin erheblich. Die sächsischen Unternehmen sind noch zu selten mit eigenen Produkten auf eigenen Märkten präsent.
Meine Damen und Herren! All das ist nicht neu. Das steht bereits im Minderheitenvotum zu dem Bericht der Enquete-Kommission „Technologie und Innovation“. Relativ neu ist hingegen das Eingeständnis des Kollegen Flath, der zugegeben hat, dass die CDU das Thema Wirtschaftspolitik in den vergangenen zehn Jahren ein wenig vernachlässigt hat.
Richtig; denn nach dem Motto „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ kann man eben keine funktionierende Wirtschaftspolitik betreiben, sondern höchstens Geld verbrennen, und das hat mich stets geärgert.
Einiges Geld haben wir in Sachsen auch verbrannt, indem wir sehr großzügig die sogenannten Leuchttürme gefördert haben. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Das ist nicht grundlegend falsch, aber wenn dies wie in der Ära
von Georg Milbradt, der die Wüsten nicht mehr gießen wollte, zum vorrangigen Ziel der Wirtschaftspolitik gemacht wird, dann kommen 98 % der sächsischen Unternehmen zu kurz. Dabei müssen gerade diese kleinen und mittelständischen Unternehmen stark gemacht werden. Sie sind das Rückgrat der Wirtschaft im Freistaat. Sie müssen wachsen, um eine Größe zu erreichen, die eine eigene Entwicklungsabteilung und/oder einen internationalen Vertrieb möglich machen.
Meine Damen und Herren! Natürlich ist es eine Illusion zu glauben, dass jeder kleine Betrieb zum Innovator oder Player auf internationalen Märkten werden könnte. Deshalb brauchen wir auch für Dienstleister und Handwerksbetriebe mit regionalem Wirkungskreis fördernde Rahmenbedingungen. Diese habe ich in unserem 8Punkte-Plan ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammengefasst. Wirtschaftspolitik muss auch in Sachsen endlich umfassend gedacht werden.
Meine Damen und Herren! Verbessern sollte die künftige Staatsregierung auch die finanzielle Unterstützung der Kooperationen und Netzwerke zur Rekommunalisierung von Energienetzen. Eine zukunftsfähige Energieversorgung in Sachsen kann nur über die verstärkte Dezentralisierung der Energienetze gehen. Neben der Entstehung und Sicherung von lokalen und regionalen Arbeitsplätzen ist es eine grundlegende Förderung des Wettbewerbs. Der Vorteil des Konzepts liegt darin, dass im Zuge der Gründung von kommunalen Energieversorgern von vornherein in erneuerbare Energien investiert werden kann. Solche richtungsweisenden Projekte sind unter anderem in Arzberg in Nordsachsen zu sehen, wo vor wenigen Wochen die neu gegründete Genossenschaft Neue Energie Ostelbien den Plan zum Bau von Windkraftanlagen beschlossen hat.
Meine Damen und Herrn! Die Staatsregierung hat in ihrer Stellungnahme festgestellt, die Neutralität der Netze sei nach dem regulatorischen Konzept eine Grundvoraussetzung dafür, dass der Kunde auf dem Energiemarkt an den Vorteilen des Wettbewerbs partizipieren könne. Daher werde die vorherrschende Rekommunalisierungs
renaissance kritisch gesehen. Also ich weiß nicht, welches Verständnis Sie von Wettbewerb haben. E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall oder, wie einige sagen, die vier Besatzungsmächte oder, wie andere sagen, die fantastischen Vier haben den Energiemarkt zu 75 % unter sich aufgeteilt.
Unser Bundeskartellamt muss sich also ganz sicher keine Sorgen machen, wenn sächsische Kommunen, zum Beispiel Arzberg, Energiegenossenschaften gründen und
Windkraftanlagen bauen. Ich jedenfalls freue mich über diesen Unternehmergeist der Menschen in den ländlichen Regionen. Diesen wollen wir GRÜNEN besonders gut stärken.
Meine Damen und Herren! Damit sind wir beim nächsten Thema, den Genossenschaften. Wir sehen die nächste Staatsregierung in der Pflicht, das Modell der Genossenschaft in den Kommunen stärker zu fördern und dessen Bekanntheitsgrad zu erhöhen; denn die Genossenschaften basieren auf den Grundsätzen der Selbsthilfe, der Eigenverantwortung und der Selbstverwaltung. Die vermehrte Etablierung von Genossenschaften ist somit auch eine Stärkung der Kommunen.
Zuletzt erlauben Sie mir einige Bemerkungen zur Existenzgründung in Sachsen. Viele Unternehmer von morgen fühlen sich alleingelassen und wenig unterstützt. Wie die Statistik zeigt, bleibt das nicht ohne Auswirkung auf die Anzahl der Gründer. Im Jahr 2010 befand sich Sachsen im Ländervergleich noch auf dem Platz 12, jetzt sind wir aber mittlerweile auf Listenplatz 14 abgerutscht. Deshalb fordern wir bessere Rahmenbedingungen durch eine einfachere und schnellere Finanzierung von Gründern durch Programme wie das Mikrodarlehen über die SAB.
Meine Damen und Herren, die Vorschläge zur Förderung der regionalen Wirtschaft, welche wir mit diesem Antrag unterbreiten, sind kein Masterplan zur Entwicklung der sächsischen Wirtschaft. Sie sind lediglich Anregung und die Aufforderung, Wirtschaftspolitik etwas weiter zu denken und als Teil der Regionalentwicklung zu betreiben. Es muss nicht die millionenschwere Förderung einer Großansiedlung sein. Oft kann man bereits mit kleinen Maßnahmen Großes erreichen. Eine erste kleine Maßnahme wäre die Zustimmung zu diesem Antrag. Das wäre dann fein und sächsisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nochmals ganz herzlichen Dank für die knackige Debatte
und die wohlwollenden persönlichen Worte. Das tut sehr gut. – Mit war es einfach noch einmal wichtig, mit diesem Antrag das wirtschaftspolitische Augenmerk auf die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe zu legen. Es wäre schön, wenn das auch in Zukunft nicht aus den Augen gerät.
Ich möchte Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, der Staatsregierung und der Landtagsverwaltung, herzlich danken für die gemeinsame Zeit in den letzten zehn Jahren. Für mich war diese Dekade neben der friedlichen Revolution die wichtigste Zeit in meinem Leben. Sie haben mich begleitet, Sie haben mich ausgehalten, Sie haben mich bereichert – dafür bin ich Ihnen allen dankbar.
Für die Weiterentwicklung der Demokratie in Sachsen wünsche ich mir mehr Farbe, weniger Schwarz-Weiß, mehr Dafür, weniger Dagegen, mehr Mensch, weniger
Partei, mehr Gedankenfreiheit, weniger Linientreue, mehr Innovation, weniger „Das haben wir schon immer so gemacht“ und vor allem eines, eine meiner wichtigsten Erkenntnisse: Die jeweils anderen haben auch recht.
Dann wird es auch fein und sächsisch. Macht‘s gut, alle miteinander!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es begann mit Eierschecke und endete mit Müsliriegeln. Es geht also um Irrtümer, vielleicht auch Irritationen. Dafür einige Beispiele:
Ein Irrtum schwarz-gelber Wirtschaftspolitik ist für mich einerseits, von Sicherung des Fachkräftebedarfs zu sprechen, und andererseits, nichts Entscheidendes dafür auf den Weg zu bringen. Die guten PISA-Ergebnisse gehen ja bekanntermaßen auf die sehr gute fachliche Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer zurück, die sich jetzt auf den verdienten Ruhestand freuen.
Die Staatsregierung hat in diesem Bereich keine Rahmenbedingungen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung geschaffen,
Sondern, sie hat die Lehrerfrage schleifen lassen und der Zuwanderung nicht zu breiter gesellschaftlicher Akzeptanz verholfen, sodass Sachsen für ausländische Fachkräfte unattraktiv ist. Sachsen macht nach wie vor Werbung als Niedriglohnland – siehe Website der Wirtschaftsförderung.
Meine Damen und Herren! Der Rückgang der Arbeitslosigkeit in Sachsen hat erstens mit der demografischen Entwicklung zu tun und zweitens mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen durch die sächsische Wirtschaft – nicht durch die Politik, geschweige denn durch schwarzgelbe Wirtschaftspolitik. Das anzunehmen wäre ein weiterer Irrtum.
Es ist auch ein Irrtum anzunehmen, dass schwarz-gelbe Wirtschaftspolitik eine moderne Wirtschaftspolitik sei. Wer verpasst, Vergabepolitik an der Nachhaltigkeit auszurichten, wer weiterhin auf den Raubbau der sächsischen Natur und Heimat durch die Förderung des Braunkohleabbaus setzt, wer keine Steuererleichterungen für Forschung und Entwicklung durchgesetzt hat, wer den globalen Trend, den Klimawandel, ignoriert, wer unter Infrastrukturinvestitionen nur Investitionen in Beton und Asphalt versteht – wer all dies tut, befindet sich in der Gedankenwelt und auf der Innovationsstufe der Siebziger- und Achtzigerjahre.
Aus heutiger Sicht ist diese Politik eine Innovationsbremse.
Meine Damen und Herren! Im Bericht der EnqueteKommission für Technologie und Innovationspolitik in Sachsen haben wir gemeinsam jede Menge Empfehlungen und Handlungsoptionen beschlossen. Ich kann nicht verstehen, warum daran nicht gearbeitet wird. Es irritiert mich, wenn ich einerseits den Bericht der Kommission lese und anderseits zur Kenntnis nehmen muss, dass es
einen Existenzgründerrückgang oder den Ausstieg aus der Finanzierung von Verbundinitiativen gibt oder ich mir die Frage stellen lassen muss, was der Unterschied zwischen einer Trabibestellung vor 1989 und der Bestellung einer DSL-Breitbandanbindung im ländlichen Raum in Sachsen sei.
Nach zwölf Jahren kam der Trabi – sicher. Meine Damen und Herren! Es gibt noch viele Beispiele. Über das Handwerk, den Mittelstand und die regionalen Wirtschaftskreisläufe sprechen wir morgen. Sie sehen: Das alles als Wirtschaftspolitik verkaufen zu wollen ist ein Irrtum.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal fällt der Groschen reichlich spät – aber er ist gefallen.
Für eine kontinuierliche und gezielte Tourismusentwicklung bedarf es – neben der Zeit für Blüte und das Reifen von Früchten – vieler kleiner Schritte des Wachstums und der Entwicklung. Einer davon ist die Tourismusstrategie 2020 der Sächsischen Staatsregierung, die viele unserer tourismuspolitischen Ziele aufgegriffen hat; Herr Tischendorf hat es angesprochen.
Sie erinnern sich sicher an die Debatten und an die Expertenanhörung, die dazu führten, die Tourismusstrategie noch einmal gründlich zu überarbeiten, bevor sie – ein Jahr später als geplant – am Kabinettstisch das Licht der Welt erblickte.
Meine Damen und Herren, inzwischen gibt es eine gute und erfolgreiche Entwicklung des Tourismus. Die Zahlen sind bekannt – ein Rekordjahr nach dem anderen, 7,5 Milliarden Euro Umsatz, 217 000 Arbeitsplätze –; das alles lässt sich sehen.
Ja, es gibt auch eine erfolgreiche Destinationsentwicklung, zum Beispiel den Tourismusverband Sächsische Schweiz, der mit 56 % Eigenmittelanteil glänzt, oder den Tourismusverband Erzgebirge, dem es gelingt, im Zusammenschluss ehemals selbstständiger Splitterorganisationen eine schlagkräftige, grenzübergreifende Einheit zu schaffen, oder die inzwischen gemeinsame Vermarktung der Region Leipzig.
Allerdings, meine Damen und Herren, sind wir mit dem sächsischen Tourismus wirtschaftlich lediglich bundesdeutsches Mittelmaß, anstatt in der ersten Bundesliga zu spielen, in die Sachsen eigentlich und endlich aufgrund seines hohen Potenzials gehört. Wenn wir das wollen, müssen wir uns zukünftig den aktuellen Herausforderungen gezielter als bisher stellen.
Ein Punkt davon ist die Fachkräftesicherung. In Hotellerie und Gastgewerbe fehlen die Nachwuchskräfte, sodass bis zur Hälfte der inhabergeführten Betriebe nicht weiß, ob sie einen Nachfolger finden wird.
Wir haben im Vergleich zum Jahr 2003 ganze 67,6 % weniger junge Menschen in einem eingetragenen Ausbildungsverhältnis. Die Debatte auf den Mindestlohn zu verkürzen greift dabei zu kurz.
Des Weiteren besitzen lediglich 38 % der Betriebe im Gastgewerbe eine Ausbildungsberechtigung – das ist die andere Seite der Medaille. Das wird in Zukunft schwerwiegende Folgen für die Tourismuswirtschaft in Sachsen haben.
Ein zweiter Punkt. Gravierende Konsequenzen für das Gastgewerbe hatte auch das Hochwasser 2013 in großen Teilen von Sachsen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundeskanzlerin Merkel hat ihrerseits schon 2007 in Grönland festgestellt, welche Auswirkungen der Klimawandel hat. Mal wieder hatten grüne Themen die Bundes-CDU erreicht; allerdings ist die sächsische Landesregierung von diesen Erkenntnissen verschont geblieben. Mittlerweile hatten wir das zweite große Hochwasser in Sachsen innerhalb kurzer Zeit und wieder hieß es für die Branche, über die Finanzierung der SAB hinaus, mit mindestens 25 % der Schadenssumme, die Hochwasserschäden zu beheben.
Es hat kein ernsthaftes Umdenken der Regierungsfraktionen beim Schutz des sächsischen Mesoklimas stattgefunden, und dementsprechend steht Ihr Handeln aus bzw. fehlt der dringende Beginn des Umdenkens in Richtung nachhaltiger Tourismusentwicklung.
Ein dritter Punkt. Nicht nur Naturkatastrophen bringt der Klimawandel mit sich, sondern auch den Wandel der Flora und Fauna in den Destinationen. Deshalb muss langfristig eine Vier-Jahreszeiten-Konzeption für die jetzt noch saisonabhängigen Destinationen entwickelt werden. Denn dort, wo man im Winter Skifahrer auf die Piste bringt, kann man auch in der schneefreien Zeit Mountainbiker auf den Berg schaffen.
Diese und andere innovativen Konzepte – unter Berücksichtigung der lokalen Tier- und Pflanzenwelt – müssen durch die Staatsregierung aktiv gefördert und unterstützt werden.
Ein vierter Punkt. Wir wollen einen barrierefreien Zugang zu den touristischen Zielen. Dabei geht es nicht nur um die Menschen mit Behinderungen, sondern um alle Menschen mit Beeinträchtigungen. Bis 2020 soll Sachsen im barrierefreien Tourismus an der Spitze in Deutschland stehen – sagt die Staatsregierung. Wenn wir das schaffen wollen, müssen wir schnellstens die Startlöcher verlassen, meine Damen und Herren.
An dieser Stelle ein letzter Punkt: Keiner möchte in eine Region fahren, in der man abends am Bahnhof Nazis
begegnet. Der Rechtsextremismus in Teilen Sachsens stellt eine Gefährdung nicht nur für die Demokratie und das Zusammenleben der Menschen vor Ort dar,
sondern auch für die Tourismuswirtschaft.
Die Staatsregierung steht in der Verantwortung, dieses Problem anzugehen, die Willkommenskultur zu fördern und zivilgesellschaftliche Initiativen in ihrem Kampf gegen den Rechtsextremismus zu stärken.
Meine Damen und Herren! Die Tourismuswirtschaft braucht motivierte, gut ausgebildete und fair bezahlte Mitarbeiter; eine gut vernetzte Infrastruktur; die Verträglichkeit von Naturschutz und touristischer Nutzung; eine schnelle, sichere öffentliche und individuelle Mobilität, und zwar sowohl innerhalb der Destination als auch auf den Wegen von und nach Sachsen; die stabile Förderung von Vorhaben zur Umstellung auf die Nutzung erneuerbarer Energien und zur Energieeinsparung; Barrierefreiheit; die Nutzung von Social Media; den flächendeckenden Breitbandausbau; eine ehrliche Willkommenskultur. Wenn wir das schaffen, wird Sachsen sein touristisches Potenzial ausschöpfen und tatsächlich um die Meisterschaft deutscher Urlaubsregionen mitspielen können.
Da dem Antrag diese Zielgenauigkeit fehlt und wir einen eigenen Antrag mit dem Ziel von mehr Engagement für die Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit der Tourismuswirtschaft im Geschäftsgang haben, werden wir uns freundlich enthalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich ist es wichtig, dass wir uns dem Thema stellen. Der vorliegende Antrag wirft schwierige Fragen auf, die im Rahmen einer Landtagsdebatte kaum abschließend beantwortet werden können; das haben wir an der bisherigen Diskussion gesehen. Das ist auch der Grund, warum eine vertiefende Behandlung in den Ausschüssen sinnvoll wäre.
Meine Damen und Herren! Um eines klarzustellen: Das Schicksal der gegen Ende des Zweiten Weltkrieges bzw. danach aus ihrer damaligen Heimat Vertriebenen sollte Gegenstand eines verantwortlich gestalteten Gedenkens sein. Damit stehen wir aber erst am Anfang einer schwierigen Debatte.
Die Koalitionsfraktionen machen es sich zu leicht, wenn sie einfach die Beispiele der Ministerpräsidenten Bayerns und Hessens nachahmen, die 2013 – per Proklamation, Herr Hirche und Herr Zastrow – jeweils einen entsprechenden Gedenktag eingeführt haben. Die Ausrufung eines Gedenktages allein sagt noch nichts über die Gestaltung des Gedenkens aus. Aber hier beginnen die Herausforderungen.
Zuerst ist die angemessene Würdigung des historischen Kontextes zu nennen, auf die ich noch gesondert eingehen möchte. Die bloße Festlegung eines Gedenktages ist noch lange keine Garantie dafür, dass das Schicksal der Betrof
fenen angemessen gewürdigt wird. Im Gegenteil, nichts deutet darauf hin, dass das bloße Vorhandensein eines Gedenktages ein echtes Gedenken in der Gesellschaft befördert. Wir können es doch am 17. Juni beobachten: Dieser ist tatsächlich ein Gedenktag. Aber der FDP reicht das offenbar nicht aus; sie hält es für erforderlich, den Buß- und Bettag abzuschaffen, damit der 17. Juni in Sachsen ein Feiertag werden kann. Auch das würde noch kein echtes Gedenken garantieren. Es ist bekannt, dass in der alten Bundesrepublik das Gedenken an diesem Tag – damals ein Feiertag – immer mehr zugunsten normaler Freizeitgestaltung in den Hintergrund rückte.
Auf der anderen Seite ist ein bloßes Datum vor Missbrauch nicht sicher, was sich gestern wieder an der Nazidemonstration, die in Dresden stattfand – ebenfalls anlässlich des 17. Juni! –, gezeigt hat. Natürlich bestünde dieses Problem in ganz besonderem Maße auch bei einem Vertriebenengedenktag.
Deshalb wäre es wichtig zu wissen, nach welchem Konzept ein Gedenktag gestaltet werden soll. Noch wichtiger wäre es aber zu klären, wie der Umgang mit der Vergangenheit nicht nur an diesem einen Tag aussieht. Wie helfen wir denn Menschen, die immer noch mit den durch die Vertreibung erlittenen Traumata zu kämpfen haben? Mit welchen Maßnahmen vermitteln wir das historische Bewusstsein, um die Ereignisse und ihre Hintergründe an jüngere Menschen weiterzugeben? Ein Gedenktag allein wird dafür nicht ausreichen.
Vor allem bleibt die Frage offen, wie wir die Ereignisse richtig historisch einordnen. Es geht zum Beispiel nicht an, dass Nationalsozialismus, Stalinismus und Krieg in einem Atemzug als Ursachen genannt werden. Nicht alle flohen vor dem Krieg. Nicht alle wurden von Stalinisten vertrieben. Der Nationalsozialismus ist als Ursache natürlich anzuführen. Aber das kann nicht heißen, die Vertriebenen auch noch pauschal als Opfer des Nationalsozialismus zu betrachten. Es gehört nun einmal zur Wahrheit dazu, dass manche Opfer zuvor auch Täter gewesen sein konnten.
Wenn man aus der – ich zitiere aus dem Antrag – „leidvollen Geschichte“ Deutschlands eine besondere Verantwortung ableitet, muss man sehr aufpassen, keine einseitige Opferrolle zu konstruieren.
In der Begründung wird zum einen betont, dass die Vertriebenen Heimat und Wurzel verloren haben. Zum anderen wird die „Historisierung der Ereignisse“ angesprochen. Was wir erleben, ist doch, dass die Vertiefung der europäischen Einigung und lebendige Beziehungen zu unseren Nachbarn die Chance bieten, verlorene Heimat wiederzuentdecken, ohne Territorialansprüche zu stellen, und uns dabei die Vergangenheit im Dialog zu vergegen
wärtigen. Der vorliegende Antrag übersieht völlig, dass deshalb das Erinnern an die Vertreibung im Dialog mit unseren Nachbarländern gestaltet werden sollte, die vor der Vertreibung von Deutschen dem nationalsozialistischen Angriffskrieg zum Opfer gefallen waren.
Da dieser Aspekt nicht berücksichtigt wird und der Antrag notwendige Differenzierungen, wie soeben erläutert, unterlässt, können die Mitglieder meiner Fraktion ihm nicht zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem.
Mir klingen noch die blumigen Worte von Staatsminister Kupfer im Ohr, der erst im letzten Plenum der Welt erklärte, was Sachsen alles zur Entwicklung des ländlichen Raumes tut und wie sich die blühenden Landschaften entwickeln. Auch an die Kritik der Opposition kann ich mich lebhaft erinnern. Wie ich erwartet habe, hörten wir jetzt schon einen Großteil.
Werte Kollegen von der SPD, Sie arbeiten nach dem Motto „Wiederholen ohne einzuholen“. Um sich aber als ein pfiffiger Koalitionspartner zu empfehlen, sollten Sie die Themen künftig aufgreifen, bevor die Staatsregierung dies getan hat. Aber so schlecht, dass Sie sich verstecken müssten, ist der Antrag nun auch wieder nicht.
Auf den Berichtsteil möchte ich im Folgenden nicht weiter eingehen. Man kann ihn lesen, man wird nicht dümmer davon. Interessant ist da schon Ihr Punkt 2 zur sozialen Dorferneuerung. Meine Damen und Herren, es ist offenkundig, dass der demografische Wandel in den ländlichen Teilen Sachsens eine besondere Dynamik entwickelt und für Veränderungen sorgt. Landauf, landab wird beklagt, dass sich die ländlichen Räume entleeren. Mangels wirksamer Gegenstrategie werden Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Mobilitätsangebote an die
abnehmende Bevölkerung angepasst und damit Arbeitsplätze und Lebensqualität immer weiter abgebaut und die Landflucht weiter beschleunigt.
Während Teile der Politik angesichts dessen in scheinbare Schockstarre verfallen sind, andere Analysen und Studien beauftragen und wieder andere Heimatpakete an die Wegzügler senden, haben sich einige Heimattreue in den Regionen längst auf den Weg gemacht. Sie haben überlegt, wie sie ihr Zuhause besser in Wert setzen können, damit Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden und die Menschen in der Region bleiben. Diese Aktivitäten gilt es zu unterstützen. Es geht also um Menschenförderung und nicht um Sachförderung oder abstrakte Programme. Das sollte die Staatsregierung zuallererst im
Hinterkopf behalten, wenn mal wieder einer behauptet, eine neue Straße bauen zu müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Fehler steckt schon im Titel des Programms „Soziale Dorferneuerung“. Ländlicher Raum ist nicht gleich Dorf. Soziale Dorferneuerung ist ein sperriger Begriff, der es nicht trifft. Sie vergessen die wichtigen Grundzentren in den ländlichen Räumen, die urbanen Charakter haben und die enorm wichtig für die Infrastruktur sind. Ich fände es besser, wenn das Ganze sich so ähnlich wie „Zukunftsmanagement in Sachsens ländlichen Regionen“ nennen würde.
Meine Damen und Herren, die Idee, Ehrenamtliche als Ansprechpartner in den Ortsteilen einzusetzen, in denen es keine Ortschaftsräte gibt, welche die Lücke zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Bürgermeistern schließen – Kümmerer, Dorfmanager –, ist nicht neu. Aber es geht doch nicht nur um den Kontakt zum Bürgermeister, der immer weniger Handlungsspielraum hat, sondern auch um Lokalbudgets oder Regionalbudgets, die nicht zweckgebunden eingesetzt werden können mit Konditionen, wie zum Beispiel einer Beteiligungspflicht. Neben den Dorfmanagern wünschen Sie sich ehrenamtliche Sozialkoordinatoren, die Informationsdrehscheibe für soziale Aktivitäten sein sollen. Einmal mehr sollen es die Ehrenamtlichen leisten, die nichts kosten und hin und wieder mit einem Ehrenamtspreis, einer Ehrenamtskarte oder auch mit einem feuchten Händedruck belohnt werden.
Meine Damen und Herren, so funktioniert das aber nicht. Ehrenamtliche sind in ländlichen Regionen schon mehr als zugepackt und wieder will man alles dahin abschieben. Es braucht Geld, am besten freies, sonst funktioniert das nicht, wie die Erfahrung gezeigt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal frage ich mich ernsthaft, in welchem Jahrzehnt Sie gerade unterwegs sind. Wer kommt denn heute noch zu regelmäßigen Einwohnerversammlungen oder Einwohnerfragestunden, die dann vielleicht noch im Klub der Volkssolidarität stattfinden. Das macht man doch schon lange nicht mehr. Längst gibt es richtig gute neue Methoden, wie Haushaltsbrunch, Zukunftswerkstatt, Tag der offenen Baustellentür usw. usf. Darauf haben die Menschen mehr Lust, aber – und da sind wir wieder bei den Menschen – dafür braucht es kompetente Ansprechpartner. Jede Kommune bräuchte mittlerweile ein eigenes Zukunftsbüro, das damit beschäftigt ist, Projektmittel zu akquirieren, Beteiligungsprozesse zu organisieren, Bürgerhaushalte zu stricken und Netzwerkarbeit zu leisten.
In der Begründung des Antrages beschreiben Sie den Würgegriff des demografischen Wandels im ländlichen Raum, aber bei so einer Beschreibung beginnt das Problem ja schon. Wenn Sie den ländlichen Raum so darstellen, wer soll dann noch Lust bekommen, dorthin zu ziehen. Laut Leibniz-Institut für Länderkunde kommen Rückkehrer nach Ostdeutschland. Sie kommen zwar nicht in Massen, aber immerhin. Es handelt sich unter anderem
auch um junge Menschen, vor allem um junge Familien. Darüber sollen und dürfen wir uns freuen.
Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist hinsichtlich seiner Intention gut. Die Forderungen sind aber ein bisschen zu angestaubt und der Blick der SPD im ländlichen Raum scheint einen kleinen Grauschleier zu haben. Darum werden wir uns enthalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Gentechnikfreie Region Sachsen“ – es gibt einen Unterschied zwischen „aktuell“ und „wichtig“: Aktuell ist das Thema nicht, wichtig auf jeden Fall. Es ist ein Dauerbrenner, der uns schon viele Jahre begleitet. Ich tue es zwar nicht gern, aber ich zitiere mich einmal selbst aus meiner Rede in der 25. Sitzung am 20.04.2011. Dort habe ich ausgeführt: „Aus eben genannten Gründen fordern wir die Staatsregierung auf, Sachsen zur gentechnikfreien Region zu erklären und dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen beizutreten.“ Und es war nicht nur 2011, sondern es gab auch Anträge in den Jahren 2005, 2007 und 2008 – wie gesagt, es ist ein Dauerbrenner, und diese Forderung ist nicht neu.
Das Reden mit der Staatsregierung und der Koalition über diese ganze Zeit hat zu nichts geführt. Es war ziemlich sinnlos. Es hat sich in den ganzen Jahren nichts geändert. Es sind, denke ich, alle Argumente ausgetauscht. Ich glaube auch nicht, dass Staatsminister Kupfer heute Farbe bekennen wird, geschweige denn Farbe wechselt.
Immer noch gibt es einen ziemlich großen Einfluss der Agrarlobby im Personal des Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft. Apropos Agrarlobby: Dort ist Erstaunliches zu vermelden. Der Sächsische Landesbauernverband rät inzwischen vom Einsatz von Gentechnik ab. Das bedeutet aber nicht, dass dort ein Umdenken stattgefunden hat, sondern es geht um rechtliche Unsicherheiten, und dahinter steht natürlich die Frage: Wer haftet bei Kontamination? Das ist da also schon angekommen. Im Prinzip alles wie immer.
Jetzt wende ich mich auch noch einmal an DIE LINKE: An eine Wand zu reden ist Zeitverschwendung. Besser ist: rausgehen, mit den Menschen sprechen, Bürgerinitiativen unterstützen, Verbraucher aufklären. Das sind sinnvolle Maßnahmen. Noch besser ist, sich zu einem Kurswechsel in der Landwirtschaftspolitik zu bekennen, hin zu vielfältig, bäuerlich und nachhaltig. Ich stelle da bisher ein wenig einen Schlingerkurs in Ihrer Fraktion fest: Es gibt mal einen Happen für kritische Verbraucher, aber es gibt auch mal Streicheleinheiten für die Agrarlobby. Das ist am Ende nicht sehr glaubwürdig, und Everybody’s Darling ist eben auch Everybody’s Depp.
Na ja, wenn „erfolgreich“ mit „Schlingerkurs" zusammengeht, dann lassen wir das mal so stehen.
Besser wäre ein gemeinsames, beherztes Auftreten. Das wäre auch sehr notwendig, und dabei muss ich Herrn Mann widersprechen. Gerade hinsichtlich der Agrarwende ist die SPD aus meiner Beobachtung erst einmal ein Totalausfall. Im Januar 2014 gab es einen Parteitag, der sich gegen den Anbau der genveränderten Maissorte 1507 ausgesprochen hat, und einige Tage später hat die Bundestagsfraktion mit 162 von 193 SPD-Abgeordneten gegen einen Antrag gegen die Zulassung der Maissorte 1507 gestimmt, das heißt also, dafür gestimmt.
In Brüssel musste sich dann die deutsche Delegation enthalten.
Es geht aber noch weiter. Die Bundesregierung hat in klammheimlicher Hinterzimmerabstimmung in Brüssel besiegelt, dass Honig mit Genpollen nicht gekennzeichnet werden muss. Das gilt auch für Honig, der vollständig
von gentechnischen Pflanzen kommt. Meine Damen und Herren, Verbraucherschutz sieht anders aus.
Ich frage mich: Was macht die Natur inzwischen? – Sie schafft Fakten. Ich zitiere eine Schlagzeile aus den “Deutschen Wirtschaftsnachrichten“ vom 02.02.2014; das ist keine GRÜNEN-Verbandszeitung.
„Superunkraut resistent gegen Vernichtungsmittel“. – Ich komme jetzt nicht mehr zum Zitat, aber darin wird festgestellt, dass diese Pflanzen inzwischen resistent gegen die Pflanzenschutzmittel sind, die eingesetzt worden sind, wofür die Gentechnik verwendet worden ist.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach ein wenig Geschichtsunterricht von Herrn Zastrow nun ein kleiner Blick in die Zukunft. Klar, die Automobilbranche, die Automobilindustrie ist eine der wichtigsten Branchen in Sachsen. Die Zahlen sind schon genannt worden. Sie deckt die gesamte Pyramide ab, nämlich vom Hersteller über die Systemlieferanten bis hin zu den Modulherstellern. Deswegen war die Ansiedlung großer Automobilproduzenten ein wichtiger Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens und ein positiver Impuls für die gesamte Branche. Das heißt, das Werben und auch das Fördern haben sich für uns gelohnt.
Dass diese Branche in Sachsen ist, ist sicher ein Erfolg der Wirtschaftsförderung der Kommunen und auch des Freistaates. Aber dass die Branche erfolgreich arbeitet, hängt nicht von der Politik ab
und natürlich auch nicht von den beantragenden Fraktionen und der Staatsregierung, sondern davon, dass sie ihre Stellung im Markt erreicht hat, behält, verteidigt und auch verbessert.
Die Produzenten greifen Trends auf oder noch besser: Sie setzen Trends; denn die Anforderungen an das Produkt, an das Automobil, sind im Wandel begriffen und die Märkte
natürlich auch. Wir sehen das. Es gibt einen Zuwachs im Exportsektor, vor allen Dingen in Asien, und es gibt eine Stagnation in Europa und Deutschland.
Meine Damen und Herren! Mobil zu sein ist ein Muss in einer modernen Gesellschaft. Allerdings muss man auch sagen, dass Mobilität von heute teuer erkauft ist. Wir erkaufen sie mit Umweltbelastung, mit Klimaerwärmung, mit Verkehrsinfarkt, mit Lärm, mit Feinstaub, mit Unfällen, und es gibt einen neuen Trend: Die junge Generation empfindet ein Automobil nicht mehr als Statussymbol. Da ist es wichtiger, ein modernes Smartphon-Kommunikationsgerät zu haben. Man könnte sagen, es gibt einen Trend, den man Demotorisierung nennen kann. Natürlich gibt es große Unterschiede zwischen Stadt und Land.
Hinzu kommt, dass das Automobil wie viele Industrieprodukte hauptsächlich erdölbasiert ist. Erdöl ist ein fossiler Brennstoff, der nicht mehr unbegrenzt vorhanden ist. Trotzdem steigt der weltweite Verbrauch. Wenn die Vorräte zur Neige gehen – und es ist völlig egal wann, ob das in zehn oder 20 oder 50 Jahren ist –, werden die Preise explodieren. Deshalb muss man sich heute schon die Frage stellen: Was passiert mit meiner Innovation, mit meiner Produktion, mit meinem Produkt, wenn sich beispielsweise der Ölpreis verdoppelt hat? Ist dann die jetzige Investition noch sinnvoll?
Deshalb ist es wichtig und angesagt – und jetzt komme ich zum modernen Zukunftsteil –, sich nach günstigeren Alternativen umzusehen.
Das Auto der Zukunft muss weitestgehend ohne Öl auskommen. Den Herstellern ist das übrigens bewusst. Es gibt einen Bericht des Beratungsunternehmens KPMG, das in der Automobilbranche eine Umfrage gemacht hat, bei der festgestellt wurde, dass die Branche zunehmend verunsichert ist. Weil die Hersteller nicht wissen, wohin die Fahrt geht – das liegt an der Politik, weil wir nicht in der Lage sind, Zukunft vorzustellen –, forschen sie in verschiedene Richtungen. Bei der Forschung in der Automobilindustrie gibt es eine Art Fächerstrategie. Das ist die Diversifizierung des verwendeten Materials, also leichte Materialien, dadurch Gewichts- und Energieeinsparung, Kombination von Magnesium, Aluminium, kohlefaserverstärkten Kunststoffen. Es gibt die Diversifizierung der Modellpallette mit ganz neuen Varianten von Karosserien bis zu Klein- und Kleinstfahrzeugen. Es gibt eine Diversifizierung der Wertschöpfung, weg vom Produzenten hin zum Dienstleister für Mobilität.
Man bietet den Kunden keine Produkte mehr an, sondern man bietet Lösungen von Mobilität an.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Autoland Sachsen – mir kommt es so vor, als wären die Vorstellungen der Staatsregierung vom Autoland Sachsen auf dem Stand von 1886. Das war das Jahr, in dem der Benz-Patent-Motorwagen puffend und stinkend auf die Straße kam. Warum fällt mir das ein? Unser Ministerpräsident Tillich hat Ende März die Rote Karte der Deutschen Umwelthilfe für seinen Dienstwagen bekommen.
Zum Geburtstag habe ich gern gratuliert, zu dieser roten Laterne eher nicht. Vielleicht kann man dieses Auto dann als Oberstinker bezeichnen.
Die Staatsregierung und die Landesverwaltung haben aktuell 4 500 Pkw. Wenn man dem Autoland Sachsen einen Entwicklungsschub bescheren will, könnte man diese Landesflotte auf umweltfreundliche Dienstwagen umstellen. Das würde den Produzenten einen riesigen Innovationsschub geben. Zum Beispiel gibt es einen sächsischen Golf, der auf Platz 5 der Umweltliste des VCD steht. Der erreicht heute schon mit 92 g/km CO2Ausstoß das Ziel der EU-Kommission von 2020.
Da sind wir schon beim Thema „Moderne Form der Automobilität“. Für mich ist ein Beispiel, weil ich es selbst sehr, sehr gern nutze, das Carsharing. Dahinter steht die Philosophie „Nutzen statt Besitzen“. Carsharing gibt es seit 20 Jahren; seit fünf Jahren gibt es ein ganz starkes Wachstum, jährlich um 20 %.
Die Autoindustrie reagiert. Zum Beispiel hat Peugeot mit seinem „Mu by“ inzwischen in 13 deutschen Städten und 23 Ländern ein Angebot, BMW i, MINI und Sixt machen ein Angebot, bei dem man per App ein Auto suchen und wählen kann, und zwar völlig stationsunabhängig. Dabei ist ganz wichtig, dass man diese Mobilität immer mit dem ÖPNV vernetzt.
Ich fahre in Leipzig mit dem Fahrrad zum Bahnhof, mit dem Zug nach Dresden, und wenn ich einen Termin auf dem Weißen Hirsch habe, mit einem Teil-Auto, das ich mir unterwegs im Zug über meine App bestelle und schaue, ob es in Dresden-Neustadt oder am Dresdner Hauptbahnhof ein Auto gibt. Das geht wunderbar. Bezahlt
wird am Monatsende, und die Mobilitätskosten sind wesentlich geringer als zu der Zeit, als das Auto noch vor der Tür stand.
Meine Damen und Herren! Ich finde die Debatte über die wirtschaftliche Bedeutung der Autoindustrie in Sachsen sehr schön. Ich würde mir wünschen, dass wir das nächste Mal über die Wirtschaftskraft von Bahn und Bus reden.
Allein in diesen Unternehmen beschäftigen wir in Sachsen 13 000 Mitarbeiter und erwirtschaften eine Milliarde Umsatz. Das Verrückte an der Sache ist, dass für beide Branchen, also für die Bahntechnik und für die Automobilbranche, die Staatsregierung die Förderung der Verbundinitiativen gekappt hat.
Deswegen kann diese Aktuelle Debatte nicht ganz ehrlich gemeint sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sächsischen Handwerksbetriebe leisten einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen und tragen zur ökologischen Modernisierung unseres Landes bei. Standorttreue, überschaubare Organisationsformen und eine nachhaltige Firmenpolitik sind typische positive Merkmale der im Handwerk besonders verbreiteten Familienunternehmen. Oft seit mehreren Generationen vor Ort präsent, stärken Handwerksbetriebe regionale Wertschöpfungsketten.
Meine Damen und Herren! Das alles wurde schon mehrfach gesagt und mit Zahlen untermauert. So präzise man die Bedeutung des Handwerks für die sächsische Wirtschaft beziffern kann, so unpräzise sind ein Großteil der im Entschließungsantrag von CDU und FDP nachgeschobenen Bitten an die Staatsregierung. Ich möchte mich mit einigen von ihnen etwas näher beschäftigen.
Erstens. Mit dem Verzicht auf die Änderung der Rentenregelung wollen Sie das Problem des Fachkräftemangels lösen. Tja, was heißt das denn? Es ist eine Kampfansage an die Rente mit 63. Sie machen hier eine Debatte auf, die von den eigentlichen Problemen ablenkt. In vielen Berufen ist schon lange vor dem 63. Lebensjahr Schluss. All diese Personen werden von der neuen Rentenart ausgeschlossen. Statt die Menschen personenunabhängig in Rente zu schicken – ob sie noch arbeiten können oder nicht –, bedarf es individueller Lösungen. Können Personen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten, müssen die Abschläge endlich abgeschafft werden.
Außerdem brauchen wir flexible Rentenübergänge sowie deutlich mehr Anstrengungen, älteren Arbeitnehmern ein längeres Arbeiten im Betrieb zu ermöglichen. Dies geht die sächsische Politik und die sächsischen Unternehmen etwas an. Diesbezüglich können Sie die Verantwortung nicht einfach auf den Bund schieben und sich zufrieden zurücklehnen.
Zweitens. Sie wollen, dass die Lohnnebenkosten nachhaltig unter 40 % des Bruttolohnes bleiben. Das klingt gut. Aber haben Sie, liebe MdL-Handwerksmeister, auch einmal recherchiert, wie hoch die Lohnnebenkosten tatsächlich sind? Laut Statistischem Bundesamt liegen die durchschnittlichen Lohnnebenkosten in Europa bei 32 %, in Deutschland liegen sie bei 27 %. Da bleibt viel Luft, bis Ihre 40 % geknackt würden. Viel heiße Luft enthält demnach auch diese Forderung, meine Damen und Herren.
Drittens. Weiterhin rühmen Sie sich der Minderung des bürokratischen Aufwands durch das neue Sächsische Vergabegesetz und das Ladenschlussgesetz. Da habe ich schallend lachen müssen. Ich hätte es Ihnen nicht zugetraut, dass Sie noch einmal mit diesem Ladenschlussgesetz kokettieren.
Diesen Ladenhüter als Meilenstein Ihres Tuns zu verkaufen, ist doch wohl ein verspäteter Aprilscherz.
Herr Flath hat es bereits erkannt und medial verbreitet: Die CDU hat zehn Jahre lang keine Wirtschaftspolitik gemacht und das Thema als Spielwiese dem Juniorpartner überlassen. So etwas kommt dabei heraus, wenn man die Kleinen unbeaufsichtigt spielen lässt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP! Ihr schlankes Vergabegesetz, wie Sie es nennen, bietet den
sächsischen Unternehmen keinen Schutz vor Dumping. So, wie es gestrickt ist, wird weiterhin das billigste und nicht das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalten, weil es für Bieter keinen primärrechtlichen Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb des EU-Schwellenwertes gibt.
Im Klagefall wird die Kommune verlieren, wenn sie den in der Gesamtbilanz des Lebenszyklus wirtschaftlichsten Anbieter gewählt hat. Das, meine Damen und Herren, ist Politik gegen das sächsische Handwerk.
Gern.
Das ist mir nicht bekannt. Ich habe mich allerdings auch nicht kundig gemacht, muss ich dazu sagen. Ich bedauere es nach wie vor, dass es nicht um die Gesamtbilanz in einer Lebenszykluskostenbetrachtung geht. Das ist der eigentliche Punkt des Vorwurfs.
Viertens. Wie die CDU mit ihrer Politik die Strompreisexplosion stoppen will, habe ich nicht verstanden. Gemeinsam mit der SPD haben Sie im Bund gerade am Erneuerbaren-Energien-Gesetz gebastelt und dabei maßgeblich zur Verschlimmbesserung beigetragen. Laut einer Berechnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie würde die EEG-Umlage nach dem bisherigen Modell auf 6,9 Cent im Jahr 2020 steigen. Mit den aktuellen Änderungsvorschlägen wird von 7,7 Cent im Jahr 2020 ausgegangen. Die Umlage wird noch höher, je großzügiger Sie die Industrieausnahmen verteilen, die nämlich noch nicht eingerechnet sind.
65 Branchen werden Vergünstigungen in Aussicht gestellt. Inzwischen ist klar, dass die Bundesregierung zusätzlichen Unternehmen Zugang zu verbilligtem Strom ermöglichen will. Das heißt konkret: Trotz gegenteiliger Beteuerung wird die privilegierte Industriestrommenge steigen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen künftig wohl
1 bis 3 Milliarden Euro mehr dafür bezahlen. Das ist Politik gegen das Handwerk, denn die kleinen Betriebe schlucken die Mehrbelastung, da sie nicht privilegiert sind.
Meine Damen und Herren! Ich bin auch skeptisch, ob die Senkung der Stromsteuer eine Entlastung bringt. Aufgrund des fehlenden Wettbewerbs ist es wahrscheinlich, dass der Effekt nicht an den Verbraucher weitergegeben wird. Außerdem geht die Stromsteuer zu 100 % in den Bundeshaushalt. Diese Einnahmen fließen überwiegend in unsere Rentenkassen. Das stabilisiert die Versicherungsbeiträge und reduziert die Arbeitskosten.
Deshalb wäre es ein Schildbürgerstreich, die Stromsteuer zu senken, denn das Geld fehlt im Haushalt und muss woanders eingenommen werden. Wer also eine Senkung der Stromsteuer fordert, muss auch sagen, wie wegfallende Steuereinnahmen ersetzt werden sollen. Ohne Gegenfinanzierung müssten die Rentenversicherungsbeiträge steigen, würde Arbeit teurer und am Ende wäre nichts gewonnen.
Liebe Koalitionäre! Einen Teil Ihrer Forderungen tragen wir selbstverständlich mit. Damit meine ich die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerksleistungen oder auch die Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialbeiträge. Letzteres ist allerdings ein alter Hut, den Sie sich schon oft aufgesetzt haben, ohne dass irgendetwas geschehen ist.
Erzählen Sie uns doch einfach einmal, wie Sie es mit Ihren Parteifreunden im Bundestag machen wollen. Das bleiben Sie uns bis jetzt schuldig.
Auch wir wollen den Meisterbrief erhalten, und auch wir sind für die Koordinierung von Schulnetzplanungen für die Berufsschulen durch den Freistaat, damit sich nicht gegenseitig Konkurrenz gemacht wird und eine sinnvolle Angebotssteuerung erfolgen kann.
Meine Damen und Herren! Vielleicht sollten Sie nicht erst kurz vor der Wahl an das Handwerk denken, sondern auch dann, wenn es nicht darum geht, Stimmen zu fangen. Selbst in den wirtschaftspolitischen Thesen der CDUFraktion des Sächsischen Landtags kommt das Handwerk nicht vor. Das wird sich hoffentlich ändern, jetzt, wo die Große Anfrage so viele Beweise für die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges zutage gefördert hat.
Herr Präsident! Herr Staatsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In letzter Zeit ist unser Landwirtschaftsminister durch die sächsischen Landkreise getingelt, um sich Ideen zur Entwicklung des ländlichen Raumes abzulauschen. Danach band die Staatsregierung in ihren Leitlinien für die Entwicklung des ländlichen Raumes einen bunten Strauß von Maßnahmen zusammen. Dieser ist ein fantastisches „Wünsch dir was“, das den Menschen Aktivität vorgaukelt. Aus dem Mund der Staatsregierung klingen dabei manche Floskeln sogar ungewohnt komisch, zum Beispiel:
a) Alternativen zum Individualverkehr auf dem Land schaffen.
Meine Damen und Herren, was meinen Sie damit? Haben Sie statt eines funktionierenden ÖPNV-Netzes nicht vielmehr das Ziel, möglichst jeden Ort an eine Autobahn anzubinden? Die CDU-geführte Regierung ist überzeugt, dass die Bahn das Erschließungsmittel für die städtischen Ballungsräume sei und für die Bevölkerung der ländlichen Räume Bus und Auto ausreichen müssten.
Jüngstes Beispiel ist die Abbestellung der Eisenbahn zwischen Meißen und Döbeln. Dabei will dieselbe Staatsregierung im Zuge ihrer Verwaltungsreform den Landesrechnungshof zwingen, nach Döbeln umzuziehen. Aber Sie haben für solche Widersprüchlichkeiten am Ende ja immer eine Lösung, und sei es nur auf dem Papier. Da träumen Sie schon einmal gern von Anrufsammeltaxis und Bürgerbussen zur Absicherung der Daseinsvorsorge. Wenn sie sich auch nur ansatzweise mit der Materie beschäftigen würde, wüsste die Staatsregierung, dass für einen funktionierenden Bürgerbus circa 20 Freiwillige nötig sind.
Als meine Fraktion im letzten Jahr einen Gesetzentwurf einbrachte, in dem erstmals derartige neue Mobilitätsformen aus dem Bundestopf für kommunale Verkehrsinfrastruktur gefördert werden sollten, wurde er von der schwarz-gelben Regierungskoalition einfach abgelehnt. Wie die CDU nun Bürgerbusse anschieben will, bleibt ein Rätsel. Während in Nordrhein-Westfalen bereits 80 Bürgerbusvereine existieren, gibt es in Sachsen genau einen. Bis Ende 2012 verkehrte außerdem ein Anrufbus im Raum Löbau. Das Landratsamt stellte dieses Angebot jedoch ein mit der Begründung – hören Sie genau zu! – einer zu starken Inanspruchnahme und daraus resultierenden Kostenexplosion.
Sie sehen, es macht einen Unterschied, ob man Textbausteine in Masterpläne kopiert oder bei der realen Förderpolitik bereit ist, neue Wege zu gehen.
Aber, meine Damen und Herren, meckern zählt nicht. Wer die Studie „Ländliche Lebensverhältnisse in Sachsen“ gelesen hat, der weiß – ich zitiere: „Insgesamt ist der ländliche Raum in Sachsen jedoch von
einer hohen Zufriedenheit seiner Bewohner mit ihrem Leben, insgesamt ihrer Stadt bzw. Gemeinde und ihrem unmittelbaren Wohnumfeld geprägt. Negative Aspekte wie fehlende Arbeitsplätze und Lehrstellen, schlechte ärztliche Versorgung oder Landflucht spielen bei der Bewertung des ländlichen Raumes eine eher untergeordnete Rolle.“ – Na, wer sagt’s denn – alles gut in Bullerbü, oder?
Dass insbesondere die unter Dreißigjährigen den ländlichen Raum in Sachsen deutlich häufiger mit fehlenden Ausbildungsplätzen, Langeweile und Landflucht in Verbindung bringen, steht nur im Subtext. Dabei müssen wir gerade den jungen Menschen Perspektiven eröffnen, die ein Leben auf dem Dorf oder in der Kleinstadt attraktiv machen. Auch dafür hat die Staatsregierung eine gute Idee in petto, nämlich:
b) Bildungsnetz von den Grundschulen bis zur akademischen Aus- und Weiterbildung erhalten und ausbauen.
Tja, hätten Sie sich das nicht vor 15 Jahren auf die Fahne schreiben können,
nämlich bevor Sie es geschafft haben, das Schulnetz so löchrig wie einen Schweizer Käse zu machen? Jetzt den Ausbau und den Erhalt des Schulnetzes zu fordern ist schlichtweg Wählertäuschung.
Meine Damen und Herren, nun zum Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum. „Der vorliegende Entwurf ist eine gute Grundlage für die Förderung von Land- und Forstwirtschaft, des Naturschutzes sowie für die Entwicklung unserer ländlichen Gebiete“, meinte Staatsminister Kupfer in einer Pressemitteilung. Das stimmt, zumindest in Bezug auf die Fördermittel, die Sachsen zwischen 2014 und 2020 von der EU erhält und verteilen darf.
Eine andere Frage ist, ob dieses Geld tatsächlich sinnvoll eingesetzt wird bzw. werden kann. Unserer Meinung nach ist das nur teilweise der Fall.
Meine Damen und Herren, grundsätzlich begrüßen wir es, dass die Verantwortung für den Einsatz von Fördermitteln auch weiterhin in den Regionen bleiben soll. Dazu steht mit 40 % der EPLR-Mittel sehr viel Geld zur Verfügung. Das soll künftig noch freier vergeben werden. Die Staatsregierung will es sich in Zukunft verkneifen, einen thematischen Förderrahmen vorzuschreiben. Das ist gut so, meine Damen und Herren.
Lokale Entscheidungsgremien müssen dann aber auch so besetzt sein, dass verschiedene Interessen repräsentiert werden und nicht nur Bürgermeister das Sagen haben, die ihre Dorfstraßen ausbauen wollen. Gerade Projekte in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz, Herr Staatsminister, würden nämlich dann auf der
Strecke bleiben, da deren Lobby bekanntermaßen oft nicht so stark ist.
Meine Damen und Herren, laut Vorgabe der EU soll ein weiterer Schwerpunkt der Förderung auf der Finanzierung von Agrar-, Umwelt- und Klimamaßnahmen liegen. Die geplanten Fördermittel für Naturschutzmaßnahmen sollen sich im Vergleich zur vorangegangenen Förderperiode nahezu verdoppeln. Auch das ist gut so.
Aber, Herr Staatsminister Kupfer, auch wenn Sie alle 30 Sekunden das Wort „Ökolandbau“ im Munde führen, heißt das nicht, dass Sie tatsächlich bereit sind, etwas für die nachhaltigste Form der Landwirtschaft zu tun. Zum Beispiel beendet die Staatsregierung mit Beginn der neuen Förderperiode die Umstellungsförderung für den ökologischen Landbau. Bisher erhielten Landwirte, die ihre Produktion umstellten, eine besondere Zuwendung. Diese machte durchaus Sinn, denn in den ersten drei Jahren produzieren die Neueinsteiger zwar bereits nach den Kriterien des Ökolandbaus, dürfen ihre Produkte jedoch noch nicht als Ökoprodukte vermarkten. Außerdem benötigt der Umsteller gerade in den Anfangsjahren neue Technik zur Bodenbearbeitung, Tierhaltung, Produktverarbeitung, Lagerung usw.
Es entstehen also zusätzliche Kosten, ohne dass diese durch bessere Preise amortisiert werden können. Wer an dieser Stelle die Unterstützung zurückfährt, meint es mit der Förderung der ökologischen Landwirtschaft nicht ernst.
Der Ökolandbau ist die nachhaltigste Form der Landbewirtschaftung. Sie zu unterstützen bedeutet, tatsächlich etwas für Natur- und Umweltschutz zu tun. In Sachsen werden nur rund 4 % der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch bewirtschaftet. Bricht die Umstellungsförderung weg, wird sich diese Zahl nicht signifikant erhöhen.
Meine Damen und Herren, der Wegfall der Umstellungsförderung zeigt, was das Wort von Staatsminister Kupfer wert ist. Noch 2012 versprach er – ich zitiere –: „Wir wollen die positive Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft weiter unterstützen und werden deshalb auch in Zukunft an der Förderung festhalten. Planungssicherheit brauchen vor allem die Landwirte, die mit ihren Betrieben auf eine ökologische Bewirtschaftung umsteigen wollen.“ So viel zu den Worten von 2012 und den Taten von 2014.
Meine Damen und Herren, wer so handelt, braucht über Biowaren aus China, China Bio, nicht zu schimpfen. Die derzeitige Zahl der Betriebe in Sachsen kann den hiesigen Bedarf an ökologisch erzeugten Lebensmitteln bei Weitem nicht decken. Was bleibt also anderes übrig, als die Waren zu importieren? Dass dadurch eine große Chance vergeben wird, regionale
Wertschöpfung zu erzielen und Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu schaffen, geht damit einher. In unserem Entschließungsantrag fordern wir deshalb, die erhöhte Umstellungsprämie für den ökologischen Landbau beizubehalten.
Mindestens genauso wichtig wäre es, dafür zu sorgen, dass konventionelle Betriebe nicht weitere AgrarUmwelt-Maßnahmen gefördert bekommen, die eigentlich gute fachliche Praxis sein müssten. Es kann doch nicht sein, dass aufgrund dieser Förderpraxis konventionell wirtschaftende Unternehmen mehr Geld einstreichen, als ein Ökobetrieb bekommt, für den diese Maßnahme in der täglichen Arbeit selbstverständlich ist.
Ein Beispiel für diese verquere Logik ist die Förderung einer klima- und gewässerschonenden Düngung. Sollte diese nicht selbstverständlich sein? Von Vertretern des Bauernverbandes wurde mir mehrfach versichert, dass kein Landwirt in Sachsen so viel dünge, dass Grund- oder Oberflächenwasser Schaden nehmen könnte. Zwar konnte man mir nicht sagen, warum 33 von insgesamt 70 Grundwasserkörpern in Sachsen einen chemisch schlechten Zustand aufweisen, weil sie mit zu viel Nitraten und Ammonium belastet sind, aber das ist nur eine Randnotiz.
Ich frage Sie: Wenn Sachsens Landwirte alles richtig machen, warum braucht es dann öffentliches Geld? So werden Mitnahmeeffekte provoziert. Sollte die gewässerschonende Düngung nicht eher Voraussetzung für die Genehmigung von Fördermitteln sein?
Meine Damen und Herren, obwohl die Staatsregierung verlauten lässt, den Verzicht auf Pflanzenschutz- und Düngemittel oder die Schaffung von Lebensräumen für wilde Pflanzen und Vögel fördern zu wollen, subventioniert sie weiter den Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel über die Agrar-Umwelt-Flächenförderung. Dass Glyphosat negative Auswirkungen auf die Agrarökosysteme Grundwasser und Gesundheit von Mensch und Tier hat, ist doch mittlerweile hinreichend bekannt.
Die konservierende Bodenbearbeitung hat dazu geführt, dass der Einsatz von Herbiziden in der Landwirtschaft massiv zugenommen hat. Das Verfahren hat sich längst als ökonomisch rentables Standardverfahren etabliert. Es wird daher über die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes auf Bundesebene nicht mehr gefördert. Warum man die konservierende Bodenbearbeitung in Sachsen nach wie vor als eine Agrar-UmweltMaßnahme bezeichnet, ist mir ein Rätsel. Der Erosionsgefahr auf landwirtschaftlichen Flächen sollte durch Heckenpflanzung, Untersaaten, Zwischenfruchtanbau usw. begegnet werden.
Meine Damen und Herren, umzudenken scheint die Staatsregierung zumindest auf dem Papier bei der
Förderung von Investitionen in der Landwirtschaft. Die Unterstützung artgerechter Tierhaltung spielte bisher kaum eine Rolle. Laut Antwort der Staatsregierung auf meine Kleine Anfrage vom September vergangenen Jahres zur Förderung der Investitionen in Stallanlagen wurden in den Jahren 2012 und 2013 durchschnittlich nur 3,2 % der Fördermittel zur Anpassung der Anlagen an veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen ausgereicht. Wie viele Tierhalter freiwillig in artgerechtere Haltungsbedingungen investiert haben, konnte die Staatsregierung leider nicht sagen. Nun sollen sie einen Bonus von 15 % erhalten. Wie ich meine, ist das ein erster Schritt, der nicht zuletzt dem Druck seitens der Europäischen Union zu verdanken sein dürfte.
Zusammenfassend stelle ich fest: Im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum steckt Potenzial. Konsequent umgesetzt, schafft es den Regionen weitreichende Freiheiten bei der Gestaltung regionaler Entwicklungsprozesse. Die Betonung von Umwelt- und Klimaschutz sowie des Tierwohls sind für uns GRÜNE nicht zuletzt Bestätigung für unsere Arbeit in den vergangenen Jahren. Wir werden die Umsetzung des Programms aufmerksam und kritisch begleiten; denn Papier ist geduldig. Zunächst hat die Staatsregierung allerdings die Aufgabe, die von mir genannten Schwachstellen zu korrigieren. Das kann man nachher bei der Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag noch deutlich machen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in meiner Rede auf die einzelnen Punkte eingegangen und betrachte den Entschließungsantrag damit als eingebracht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürliche Ressourcen sind die Basis wirtschaftlicher Tätigkeit. Zu ihnen zählen Biomasse, Erze oder fossile Energieträger. Hinzu kommen die sogenannten Umweltmedien Gewässer, Boden, Atmosphäre, Sonne und die biologische Vielfalt. Die weltweit wachsende Nachfrage nach Rohstoffen verstärkt den Druck auf unsere Lebensgrundlagen. Um Ressourcen zu schonen, müssen wir nachhaltig wirtschaften, durch innovative Technologien und Dienstleistungen effizienter werden und die Rohstoffproduktivität durch optimierte Wertschöpfungsketten erhöhen.
Meine Damen und Herren, man könnte nun meinen, ein Antrag, der nachhaltiges Wirtschaften fordert, muss richtig und gut sein. Dem ist aber nicht zwangsläufig so. Die SPD versucht mit dem vorliegenden Antrag einen eigentümlichen Spagat. Einerseits werden neben ein bisschen Grün altbekannte sozialdemokratische Forderungen in ein neues Korsett gepresst und ein weiteres Mal verkauft; andererseits muss die SPD das Ganze so allgemein formulieren, dass sie der Regierung in Berlin nicht auf die Füße tritt.
Diese, liebe Kolleginnen und Kollegen, schert sich einen Teufel um Nachhaltigkeit und ressourceneffizientes Wirtschaften. Die Gabriel-Bremse für erneuerbare Energien beispielsweise ist ein Frontalangriff auf die Energiewende. Wenn Gabriel wirklich die Kosten der Energiewende senken will, dann muss er die Befreiung für energieintensive Betriebe abbauen und Kohlekraftwerke für ihre realen gesellschaftlichen Kosten zahlen lassen. Aber so weit geht die Verteilungsgerechtigkeit eben dann doch nicht.
Da wirkt es wenig glaubwürdig, hier im Sächsischen Landtag, von einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten sozialen Marktwirtschaft zu erzählen, so richtig diese Forderung natürlich auch ist. Es muss tatsächlich gelingen, Wachstum- und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Quantitatives Wachstum mag als Ziel wirtschaftlichen Handelns legitim sein, als gesellschaftliches und politisches Ziel hat es dagegen ausgedient. Unser Anspruch ist es, Markt- und Wirtschaftspolitik nach ökologischen und sozialen Kriterien zu gestalten. Sachsen braucht nicht weniger Staat, sondern einen aktiven und im Sinne des Gemeinwohls handelnden Staat, in dem Politikfelder intelligent miteinander verknüpft werden. Die zentralen Elemente für qualitatives Wachstum sind Investitionen in die regionalen Wirtschaftsstrukturen, in Innovation, in Forschung und Bildung.
Meine Damen und Herren! Die im Antrag geforderten Anreizsysteme in der Wirtschaftsförderung können dabei Katalysatoren sein. Über die Frage, wie diese im Detail aussehen sollen, lässt sich allerdings streiten. Öffentliches Geld an Leistungen für das Gemeinwohl zu koppeln ist legitim. Doch es ist auch richtig, dass mit jeder zusätzlichen Fördervoraussetzung die Richtlinien umfangreicher und noch bürokratischer werden. Sachsen ist bereits jetzt dafür bekannt, auf jede EU-Verordnung noch mindestens eine Schippe draufzulegen. Speziell bei kleineren Investitionen wiegt der Aufwand für den Antrag auf Fördermittel den Nutzen manchmal gar nicht mehr auf.
Darum bin ich ein Freund der steuerlichen Förderung von Energie- und Ressourceneffizienz. Gemäß dem Grundsatz einer ökologischen Steuerreform soll belohnt werden, was die Umwelt verbessert, und belastet werden, was die Umwelt schädigt. Steuerliche Maßnahmen sind, speziell bei kleineren Investitionen, einfacher beherrschbar und weniger bürokratisch. Um steuerliche Begünstigungen kümmert sich in der Regel der Steuerberater. Unternehmen haben so niedrigere Sachkosten und generell weniger Aufwand in der Abwicklung.
Als Teil der Großen Koalition erwarte ich von der SPD neue Wege in Sachen Wirtschaftsförderung. Sie haben es jetzt mit in der Hand, die Weichen für eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete soziale Marktwirtschaft zu stellen. Wenn ich mir jedoch die ersten Aufschläge ansehe, meine ich, bevor Sie die Weichen stellen können, müssen Sie erst einmal Gleise verlegen.
Meine Damen und Herren! Kommen wir zur guten Arbeit als Fördervoraussetzung. Arbeitspolitisch soziale Aspekte hemmen die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens, denn uns laufen die Fachkräfte davon. Die Koalition hat bisher nicht verstanden, dass Leiharbeit, Niedriglohn und fehlende Mitbestimmung der Arbeitnehmer der Attraktivität des Standortes Sachsen schaden. Nach einer Unternehmensumfrage durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Auftrag des SMWA ist der Freistaat im Jahr 2011 auf dem letzten Platz bei den Löhnen in Deutschland. Das Lohnniveau liegt lediglich bei 75 % vom Westniveau. Mit Blick auf die Niedriglohnschwelle
im Osten von 1 379 € liegt fast jeder vierte arbeitende Sachse darunter.
Meine Damen und Herren! Die Kritik an diesen Zuständen richtet sich jedoch nicht nur an die Staatsregierung, sondern auch an die sächsische Wirtschaft. Einige Unternehmen, vor allem in den ländlichen Räumen, haben sich regelrecht daran gewöhnt, dass Menschen für kleines Geld Großes leisten. Geschäftsmodelle jedoch, die sich mit vernünftigen Löhnen nicht rechnen, dürfen vom Staat nicht länger subventioniert werden. Vor allem bei der Vergabe öffentlicher Leistungen hat der Freistaat Sachsen auch eine Vorbildfunktion.
Wollen wir das Image als Niedriglohnland loswerden, muss die öffentliche Auftragsvergabe an die Einhaltung von Tarifverträgen gekoppelt werden. Gut ist nicht allein, was Arbeit schafft. Es kommt darauf an, dass man von seiner Arbeit auch leben kann. Nur so bindet man hoch qualifizierte Fachkräfte an sächsische Unternehmen.
Meine Damen und Herren! Der Antrag berührt für uns wichtige Themen, doch im Gegensatz zum Antragsteller glaube ich, dass sich nicht alle Wünsche in sächsische Förderrichtlinien unterbringen lassen. Ich warne davor, sie zu überfrachten. Das nutzt weder den Unternehmen noch den Arbeitnehmern. Wir brauchen wenige, dafür aber klare Zielvorgaben. Das vermisse ich im vorliegenden Antrag.
Meine Damen und Herren! Nachhaltigkeit besteht aus der Trias von Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung. Nur ein Teil davon in den Blick zu nehmen ist zu wenig. Wir werden dem Antrag mit etwas Bauchschmerzen zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenigstens ist diese Aktuelle Debatte wirklich einmal aktuell. Sie ist vermutlich auch sehr interessant für all diejenigen, für die Leipzig noch zu Sachsen gehört.
Wie Herr Karabinski meine Stichpunkte schon gesehen haben kann, ist mir schleierhaft. – Auf jeden Fall behandeln wir inzwischen zwei Themen, die zusammengehören. Das eine ist mit den zwei Worten „genug gekürzt“ gekennzeichnet, wo es um Unterfinanzierung unserer Hochschulen in Sachsen geht. Das zweite Beispiel ist Leipzig. Hier geht es explizit um Stellenkürzungen an den Hochschulen.
Meine Damen und Herren, wie ist die Lage? Schauen wir uns die Finanzen an. Es wurde schon erwähnt: Für die laufenden Grundmittel investiert Sachsen ganz wenig und viel weniger als andere Bundesländer, genau 6 700 Euro pro Studierendem. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 7 200 Euro. Bei den Universitäten belegen wir den drittletzten Platz.
Was leisten im Gegensatz dazu die Hochschulen? Sie sind bundesweit Spitzenreiter in der Einwerbung von Drittmitteln. 435 Millionen Euro waren es 2011. Aber das sind Mittel für Forschung und nicht für die normale Lehre. Was haben wir in der Folge zu verzeichnen? – Mangelnde Qualität der Lehre. Das kann man daran ablesen, dass maximal 50 % der Studierenden ihren Abschluss in der Regelstudienzeit bekommen. Es gibt prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Nur noch 20 % der Angestellten haben unbefristete Verträge, und das schafft natürlich Unsicherheit bei den Mitarbeitern. Da gibt es das Überlastpaket. Das ist bis 2016 befristet und macht aus 300 bisher unbefristeten Stellen 300 befristete. Das heißt: Wiederum besteht keine Planungssicherheit für die Hochschulen.
Jetzt kommen wir zum Beispiel Leipzig: 24 Stellen pro Jahr, 72 in drei Jahren. Die Uni-Leitung muss die Sparvorgaben umsetzen. Sie macht das, indem sie vorschlägt, ganze Institute zu schließen, anstatt mit dem Rasenmäher über alles zu gehen. Man könnte sagen: Amputation anstatt Chemotherapie.
Das Ergebnis: Das einzige pharmazeutische Institut in Sachsen wird vermutlich geschlossen. Da stellt sich mir die Frage: Was passiert mit der Apothekerausbildung? Was passiert mit der flächendeckenden Versorgung unserer Menschen, die immer älter werden, mit Apotheken und Apothekendienstleistungen?
Es wird – das ist einmalig in Sachsen – das Institut für Archäologie geschlossen. Es stellt sich die Frage nach dem Museum, das in Leipzig sehr prominent und berühmt ist. Als Drittes werden die Theaterwissenschaften geschlossen. Für mich stellt sich die Frage: Was macht das mit der Kulturlandschaft der Kulturstadt Leipzig? So gibt es viele richtig absurde Fälle, auch an anderen Hochschulen und Universitäten in Sachsen.
Zur Autonomie, Kollege Mackenroth: Autonomie ist natürlich gut, aber nicht, wenn es eine Autonomiefalle wird. Die Staatsregierung ordnet Stellenkürzungen an, kann aber nicht in die Verantwortung genommen werden, weil das alles vor Ort entschieden wird. Also, das ist das typische Sankt-Florian-Prinzip: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.
Ich sage: Regierungsverantwortung sieht in diesem Fall anders aus. Verantwortung übernehmen hieße nämlich beim Thema Finanzen eine schrittweise Aufstockung der laufenden Grundmittel, um das Bundesniveau wieder zu erreichen, bei der Stellenkürzung keine Stellenkürzung, solange die Studierendenzahlen gleich oder sogar steigend sind.
Zusammengefasst: Autonomie ja, aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen, damit unsere Hochschulen eben nicht nur Autonomie oder autonom den Mangel verwalten müssen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende jedes Schuljahres stellen sich die Schüler die Frage: Was mache ich nach der Schule?
Eine Ausbildung zur Industriekauffrau, zum Kaufmann im Einzelhandel, vielleicht auch zum Mechatroniker oder zur medizinischen Fachkraft. Diese und andere Berufe stehen seit Langem ganz oben auf der Liste der meistgewählten Ausbildungsberufe. Selten lassen sich traditionelle Handwerksberufe in den Listen der beliebtesten Ausbildungsberufe finden.
In den vergangenen Jahren sank die Zahl der Handwerksazubis von knapp 190 000 im Jahr 2001 auf nur noch 155 000 im Jahr 2011. Böttcher, Buchbinder, Imker, Hufschmied, Glockengießer, Maßschuhmacher und einige andere traditionelle Handwerke werden kaum noch gelehrt bzw. gelernt. Diese klassischen Berufe sind vom Aussterben bedroht.
In einer Studie zum Nachwuchsmangel im badenwürttembergischen Handwerk wurde untersucht, warum junge Menschen keine Handwerksberufe mehr erlernen wollen. Die Antworten machen nachdenklich: Von den Befragten glauben 64 %, dass Handwerksberufe nicht gut bezahlt sind. 89 % denken, es wäre keine saubere Arbeit. 57 % sind der Meinung, dass keine guten Aufstiegsmöglichkeiten gegeben sind. Rund die Hälfte der Schüler, deren Väter im Handwerk arbeiten, glauben nicht, dass es ihre Eltern begrüßen, wenn sie selbst einen handwerklichen Beruf ergreifen. Ein weiterer Grund ist, dass Jugendliche keinerlei Berührungspunkte zu handwerklichen Tätigkeiten in ihrem Alltag haben.
Doch auch wenn sich junge Menschen für einen traditionellen Handwerksberuf begeistern, ist es mitunter gar nicht mehr möglich, diesen zu erlernen. Es gibt nur noch wenige Meister, die ausbilden. In den ungefähr 110 Berufen des Handwerks gibt es in 22 praktischen Handwerksberufen schon keine Lehrlinge mehr.
Meine Damen und Herren, woran liegt es, dass immer mehr altehrwürdige Berufe des Handwerks verschwinden? Ein Grund ist der Wandel der Gesellschaft zur Wegwerfgesellschaft. Die Qualität und die Arbeit, die sich hinter einem handgemachten Gebrauchsgegenstand
verbergen, werden nur noch selten erkannt und anerkannt, wodurch auch nur wenige bereit sind, den angemessenen Preis dafür zu zahlen. Kaum jemand lässt sich Schuhe beim Schuhmacher anfertigen oder kauft einen Schirm beim Schirmmacher. Die Nische für handgefertigte Qualitätsware ist klein und schwindet immer mehr.
Nun könnte man das so stehen lassen und sich mit dem Argument „die Arbeitswelt ändert sich eben, Berufe sterben aus, neue entstehen“ zurücklehnen. Meine Damen und Herren, wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen es uns nicht so leichtmachen. Wir begrüßen deshalb den Vorschlag der Koalition, nach Wegen zu suchen, wie man traditionelle Handwerksberufe weiter
entwickeln kann. Ich kann mir gut vorstellen, alte Berufe um neue Aspekte zu erweitern, zum Beispiel um den kaufmännischen oder den IT-Bereich. Schließlich verlangen innovative Produkte nach modernen beruflichen Fertigkeiten.
Darüber hinaus ist es aber auch wichtig, die inhaltliche und soziale Nähe von Jugendlichen zum Handwerk zu erhöhen. Praktika können dazu beitragen, die bestehenden Vorurteile zu korrigieren. Die inhaltliche Ferne zum handwerklichen Arbeiten könnte durch die Vermittlung handwerklicher Erfahrungen bereits in Kindergärten und Schulen verringert werden. Damit ließe sich die Selbsteinschätzung der Schüler verbessern; denn viele Schüler trauen sich eine praktische Ausbildung heute gar nicht mehr zu.