Kerstin Köditz

Appearances

4/5 4/16 4/19 4/28 4/38 4/41 4/42 4/54 4/69 4/92 4/94 4/98 4/115 4/130 4/136

Last Statements

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Null Toleranz gegenüber Extremismus“ fordern CDU und SPD in der heutigen Aktuellen Debatte.
„Null Toleranz“ – dem stimmen wir ausdrücklich zu. „Null Toleranz“ gegenüber Fremdenfeindlichkeit in Sachsen und anderswo; „null Toleranz“ zum Rassismus und zum Antisemitismus; „null Toleranz“ gegenüber der
Leugnung geschichtlicher Fakten und gegenüber der Verherrlichung des NS-Regimes.
Benennen wir die Probleme konkret, mit denen wir es in Sachsen zu tun haben. Am 1. Mai marschierten 500 Nazis durch Freiberg und skandierten „Nationaler Sozialismus jetzt!“. Ist das keine Verherrlichung des NS-Regimes?
In Sprechchören hieß es: „Wer hat uns verraten? – Die Demokraten!“ Ist das keine Verächtlichmachung des demokratischen Verfassungsstaates?
Der sogenannte Extremismusbeauftragte des Kreises erfuhr erst nachträglich aus der Presse von diesem Aufmarsch. Der Ordnungsdezernent sah keinen Grund für ein Verbot. Sieht so „null Toleranz“ aus? Eine Gegenaktion wurde wegen Polizeinotstandes untersagt.
Die NPD tritt in über 100 sächsischen Kommunen zur Wahl an. Über ihre völkische Ideologie, ihre Politik der Ausgrenzung, über ihre Menschenverachtung, ihren Rassismus und Antisemitismus brauche ich hier nichts zu sagen. Wir erleben es gerade live.
Wenn aber der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, der von Amts wegen eigentlich für „null Toleranz gegen Extremismus“ sein sollte, vom Landrat des Vogtlandkreises gebeten wird, vor dem Kreistag zu diesem Thema zu sprechen, dann zieht er sich hinter das Neutralitätsgebot zurück und sagt ab. Sieht so „null Toleranz“ aus?
Der „Verein für Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ ist im vergangenen Jahr durch den Bundesinnenminister verboten worden. Der langjährige Vorsitzende dieses Vereins, der Schweizer Bernhard Schaub, führt regelmäßig Schulungswochenenden in der Gedächtnisstätte in Borna durch – ein einschlägig verurteilter Holocaust-Leugner. Was wird er wohl erzählen, wenn er zum Thema „Weltanschauliche Grundlagen“ referiert?
Ich bezweifle, dass sich seine Ausführungen stark von dem unterscheiden werden, was er bei der HolocaustLeugner-Konferenz in Teheran von sich gegeben hat.
So etwas findet Monat für Monat in Borna statt, unbehelligt und unkommentiert. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition! Sieht so „null Toleranz“ aus?
Das sind nur einige Beispiele aus jüngster Zeit, über die wir aus Sicht der Linken dringend reden müssten. Wir brauchen keine allgemeine Debatte zum Extremismus, in der sich CDU und SPD als demokratische Mitte stilisieren. Wenn es Ihnen wirklich darum ginge, die Demokratie zu demokratisieren, dann hätten Sie uns als sichere Verbündete. Dass Sie stattdessen im obrigkeitsstaatlichen Denken verfangen sind, haben wir gestern und heute bereits erlebt.
Zwar erstaunt mich bei der sächsischen SPD nicht mehr sehr viel, aber ein wenig verwunderlich ist es schon, dass sie auch in diesem Fall die Wortwahl der CDU mitträgt. Gott sei Dank ist sie vor Ort in den Kommunen häufig problembewusster. Dort arbeitet sie in Bündnissen mit, die sich „Gegen Rassismus“, „Gegen Rechtsextremismus“ nennen.
Es ist jetzt über DIE LINKE und Gewalt geredet worden. Zeigen Sie mir bitte die Stellen in unseren Dokumenten, wo DIE LINKE Gewalt befürwortet oder sogar fordert. Sie werden das nicht finden. Für DIE LINKE ist Gewalt nie ein Konfliktlösungsmittel,
weder im Kleinen, wie bei der häuslichen Gewalt, noch im Großen, wo gerade wir es sind, die immer wieder auf friedliche Konfliktlösungen drängen.
Schuldzuweisungen sind natürlich bequem.
Analysen wären allerdings sinnvoller. Eindimensionales Denken wie vorhin von Herrn Bandmann hilft uns wenig weiter.
Sie waren doch selbst anwesend, Herr Bandmann. Hier im Landtag haben wir alljährlich Diskussionen über Demonstrationen, über Gewalt, über verfehlte Polizeistrategien geführt. Übrigens, da Sie den 13. und 14. Februar noch einmal angesprochen haben: Es gibt auch verletzte Polizisten, bei denen Fremdeinwirkung ausgeschlossen ist. Auch denen wünscht DIE LINKE gute Besserung.
Wir vertreten den Standpunkt, dass wir die Gefahr für die Demokratie beim Namen nennen sollten. Man sollte Nazis Nazis nennen, Rassisten Rassisten,
Antisemiten Antisemiten und nicht einfach Extremisten. Denn wer die Dinge nicht beim richtigen Namen nennt, – –
– der findet auch keine wirksame Lösung.
Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist bekannt, dass die extreme Rechte in Sachsen ein Problem darstellt, ein erhebliches Problem, ein Problem zudem, dass, wenn ich die Antworten der Staatsregierung auf die Große Anfrage der GRÜNEN richtig interpretiere, weiterhin im Wachsen begriffen ist.
Die Art der Beantwortung dieser Großen Anfrage durch die Staatsregierung wirft aber zugleich die Frage auf, ob denn die Staatsregierung dieses Problem tatsächlich ernst genug nimmt. Um die Antwort vorwegzunehmen: Meine Zweifel diesbezüglich sind beim Lesen eher verstärkt worden.
Wenn gleich bei der ersten Frage, der nach der Definition des Rechtsextremismus, durch die Staatsregierung lapidar auf die Drucksache 3/5304 aus dem Jahr 2002 verwiesen wird, dann ist dies zunächst eine Brüskierung der Fragestellerin. Aber es ist aus unserer Sicht auch eine Brüskierung der Bürger im Lande, die auf solche Großen Anfragen zur Information angewiesen sind, da die Informationspolitik der Staatsregierung leider auch in diesem Bereich einiges zu wünschen übrig lässt.
Glauben Sie denn allen Ernstes, ein Bürger in Oederan oder eine Bürgerin in Oschatz säße zu Hause und schlüge jeweils interessiert in jenen Drucksachen nach, die Sie als Verweis angeben? Mit dieser Art der Antwort wird aber vor allem leichtfertig eine Chance vergeben. Es wäre doch ein deutliches Zeichen gewesen, wenn die Staatsregierung gleich zu Beginn mit der wünschenswerten
Klarheit ausgeführt hätte, dass die extreme Rechte die fundamentalen Prinzipien von Freiheit und Gleichheit aller Menschen grundsätzlich ablehnt. Dazu hätten Sie von mir aus auch die Textbausteine von Seite 8 aus der besagten Drucksache von 2002 nutzen können.
Aus gegebenem Anlass an dieser Stelle also nochmals der Hinweis an die Staatsregierung: Große Anfragen haben nicht den Sinn und Zweck, dass die Staatsregierung die Gelegenheit nutzt, die Fragestellerin zu foppen.
Eine zweite Vorbemerkung sei mir gestattet. Man kann natürlich, wie die Staatsregierung, die eigene Untätigkeit dadurch kaschieren, dass man immer wieder gleiche Textbausteine einbaut. Sage und schreibe 40-mal taucht in der Antwort Folgendes auf: „Es liegen weitere Erkenntnisse vor, die jedoch im Rahmen der öffentlichen Beantwortung der Anfrage aus Gründen der Geheimhaltung nicht mitgeteilt werden können, da sonst Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde und somit darauf, wie sie ihre Informationen erhebt, gezogen werden könnten. Der Parlamentarischen Kontrollkommission wird auf deren Verlangen weiter gehende Auskunft erteilt. Im Übrigen wird auf die beiden letzten Absätze der ergänzenden Antwort vom 3. Juni 2002 auf Frage 1 der Drucksache 3/5973 verwiesen.“
Streichen wir diese Zeile in ihrer 40-fachen Wiederholung aus der Antwort der Staatsregierung, bleibt nicht allzu viel übrig.
Ich kann und will zwar nicht für die Fraktion der GRÜNEN sprechen; aber ich gehe nicht davon aus, dass sie mit ihrer Großen Anfrage die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes ausforschen wollte. Die Qualität dieser Arbeit ist schließlich nicht erst seit der SachsensumpfAffäre bekannt; aber vielleicht sollte sich die Parlamentarische Kontrollkommission tatsächlich mal an einigen Sitzungstagen mit den Fragen beschäftigen, die die Antwort der Staatsregierung offen lässt.
Das wäre mindestens ebenso spannend und sicherlich wesentlich notwendiger als die Beschäftigung des Verfassungsschutzes mit der Organisierten Kriminalität.
An dieser Stelle für künftige Anfragen und Antworten zum Thema noch ein gut gemeinter Tipp an die Staatsregierung: Es ist gar nicht notwendig, sich bei der Beantwortung einer solchen Großen Anfrage ausschließlich auf die Erkenntnisse eines Geheimdienstes zu stützen. Es gibt sinnvollere Möglichkeiten: Fachliteratur, wissenschaftliche Studien, polizeiliche Lageberichte, Einschätzungen der Opferberatungsstellen, der mobilen Beratungsteams – die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Diesen Sachverstand zu ignorieren ist nicht nur leichtfertig – es ist sträflich leichtfertig. Dieser Mangel durchzieht leider die Beantwortung der Großen Anfrage so sehr, dass ich
versucht bin, von einem Dokument der Ignoranz zu sprechen. Selbst wenn ich mich ausschließlich auf öffentlich zugängliche Quellen stütze, erhalte ich brauchbarere Informationen, als sie mir die Staatsregierung liefert.
Kleinen Moment, ich komme sofort dazu, Herr Patt.
Lassen Sie mich zu meiner These ein Beispiel bringen. Auf Seite 55 der hier zu behandelnden Drucksache erklärt die Staatsregierung lapidar: „Eine überregional aktive Organisationsstruktur ‚Freies Netz’ ist nicht bekannt.“ Es handle sich lediglich um eine rechtsextremistische Internetpräsenz mit Lokalseiten. Wenige Wochen zuvor hatte es noch in der Stellungnahme des Innenministers Dr. Buttolo zu einem Antrag der Linksfraktion geheißen, das „Freie Netz“ weise eine im Kern konspirative Struktur sowie einen informellen Charakter auf.
Ja, was denn nun? Vielleicht entscheiden Sie sich einmal, Herr Minister. Haben Sie schon mal eine Internetpräsenz mit einer konspirativen Struktur erlebt? Eine Aussage kann nur stimmen. Vielleicht hätte sich die Staatsregierung auch bei diesem Komplex weniger auf die Erkenntnisse ihres Geheimdienstes als auf für jeden zugängliche Informationen stützen sollen.
In einer Selbstdarstellung des „Freien Netzes“ heißt es, es handle sich dabei um einen Zusammenschluss parteiunabhängiger Aktionsgruppen aus dem Raum Mitteldeutschland. Zur gemeinsamen Ideologie und Strategie heißt es dort weiter: „Wir lassen uns in keine dieser brDgenehmen Parteiorganisationen eingliedern“ – BRD wird in diesem Fall „brD“ geschrieben –
„und stellen uns somit nicht unter die Statutfaust dieser Scheindemokratie. Dies bedeutet nicht, dass wir alles andere ablehnen und uns ausgrenzen. Im Gegenteil, wir arbeiten mit allen Aktionsgruppen des nationalen Angriffs zusammen, und zwar auf den Ebenen, welche wir mit unserem politischen, dem freien, Selbstverständnis vereinbaren können.“
Das ist für mich keine Internetpräsenz, das hört sich nach mehr an: Es ist Ausdruck einer expliziten Gegnerschaft zur Demokratie. Hier zeigt sich organisierter Wille, hier wird Militanz demonstriert. Die Staatsregierung ignoriert dies in ihrer Antwort.
Würde sie diese bekannten Fakten nämlich korrekt darstellen, müsste sie sich die Frage gefallen lassen, warum sie nicht längst energisch gegen das „Freie Netz“ aktiv geworden ist. Es ist natürlich der bequemere Weg, einfach von einer „Internetpräsenz mit Lokalseiten“ zu sprechen. Es entspricht weder den Tatsachen, noch ist es sinnvoll.
Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, wenn ich auf diese Weise die Fakten ignoriere, dann kann ich natürlich weder Strukturveränderungen innerhalb der extremen Rechten erkennen noch gar rechtzeitig Konzepte gegen ein mögliches neues Gefahrenpotenzial entwickeln. Wenn ich so herangehe, dann bekomme ich eben nicht mit, dass sich das „Freie Netz“ von seiner Gruppe im Vogtland getrennt hat; dann entgeht mir, dass die Gruppe in Zwickau eng mit der NPD kooperiert; dann kann ich nicht erkennen, dass diese neuen Strukturen im Wachstum begriffen sind. Vor einigen Wochen ist der „Nationale Widerstand Jena“ dem hiesigen „Freien Netz“ beigetreten und zuletzt hat sich faktisch als regionaler Ableger ein „Freies Netz Süddeutschland“ gebildet.
Die Staatsregierung blendet durch diese mangelhafte Arbeit aber vor allem aus, dass mit dieser Struktur eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen NPD und offenen Neonazis entsteht. Dem Verfassungsschutzbericht des Jahres 2007 aus Sachsen-Anhalt – nicht aus Sachsen! – kann ich entnehmen, dass ein dort namentlich genannter Rechtsextremist aus Delitzsch Domain-Inhaber und Provider für das „Freie Netz“ sei. Über den gleichen Rechtsextremisten heißt es aktuell auf der Homepage der NPD Nordsachsen: „Das Neuparteimitglied“ – den Namen nenne ich jetzt nicht – „vom ,Freien Netz Mitteldeutschland’ wird parteifreie und parteigebundene Nationalisten im Regierungsbezirk Leipzig politisch vernetzen und vereint in den Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlkampf führen.“ Diese neue Qualität wird verschwiegen, und genau diese neue Qualität setzt sich fort.
Als sich am vergangenen Wochenende rund 200 Neonazis zu einer Saalveranstaltung in Chemnitz trafen, sprachen dort nicht nur zwei Führungskader des „Freien Netzes“, sondern auch der Fraktionsvorsitzende der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Udo Pastörs hielt dort eine Rede; es sei mir gestattet, dass ich aus dem Bericht des „Freien Netzes“ über diese Rede, die öffentlich im Internet nachzulesen ist, einige Sätze zitiere:
„Die Resignation des Volkes als Folge der Katastrophe des 8./9. Mais 1945, die Umerziehung des deutschen Volkes in ‚Ost’ und West, die grässlichen Geschehnisse im deutschen Osten, die Gebietsabtretungen, die Installierung eines kapitalistischen sowie eines stalinistischen Unrechtsregimes auf deutschem Boden und die geistige Entartung im Zuge der zersetzenden Arbeit der Frankfurter Schule sind die ungünstigsten Voraussetzungen für die nationale Bewegung.“
Meine Damen und Herren! Das ist Neonaziideologie pur. Diesen neuen Schulterschluss zwischen Neonazis und NPD mit diesen Inhalten zu ignorieren ist schlicht und einfach verantwortungslos.
Wie lange wollen Sie als Vertreter der Staatsregierung und wir alle hier im Hohen Haus eigentlich noch untätig zusehen, dass die Gruppen des „Freien Netzes“ bei Demonstrationen mit Slogans „Nationaler Sozialismus jetzt!“ durch die Straßen in Sachsen demonstrieren und dem niemand widerspricht? Diese Ignoranz – das ist meine Hauptkritik – durchzieht die Antworten der Staatsregierung wie ein roter Faden.
Aber ich kann auch loben. Ich begrüße es selbstverständlich, dass die Staatsregierung einige unhaltbare Aussagen der Vergangenheit endlich korrigiert hat, so vor allem die, dass es sich bei dem Verein „Gedächtnisstätte e. V.“ in Borna nicht um eine rechtsextremistische Organisation handele. Die Beweise dafür lagen zwar schon lange auf dem Tisch, aber ich will nicht nachtreten.
Doch auch in diesem Fall liefert die Staatsregierung bestenfalls Teilinformationen. Warum schreibt die Staatsregierung zum Beispiel über die dort stattfindenden Treffen lediglich, es handele sich vorzugsweise um Veranstaltungen, die den Zweiten Weltkrieg thematisieren. Was sollte denn daran so schlimm sein? Ich würde es sehr positiv finden, wenn warnend die Schrecken des durch Deutschland verursachten Zweiten Weltkrieges sachgerecht dargestellt würden.
Warum drückt sich die Staatsregierung vor der Aussage, dass dort Geschichtsrevisionismus übelster Art betrieben wird? Warum lediglich der vage Hinweis auf Veranstaltungen anderer, auch rechtsextremistischer Organisationen und Gruppierungen? Warum nicht im Klartext? Es bestehen enge Verbindungen des Vereins zur NPD, auch zur sächsischen Landtagsfraktion der NPD. Warum fehlt der Hinweis auf die Kontakte zur DSU? Nur weil die Staatsregierung diese nicht als rechtsextrem einstuft? Warum keine Erwähnung der Anbindung an radikale Strömungen der Vertriebenenverbände? Und warum steht dort nicht deutlich: „Es besteht eine enge Kooperation mit dem ‚Freien Netz’ und dessen örtlichen Ablegern“?
Ach ja, wenn das „Freie Netz“ angeblich lediglich eine Internetplattform ist, dann geht natürlich von einer solchen Kooperation keine Gefahr aus. Aber fragen Sie doch einmal die Menschen in Borna, die in der Nähe dieses Anwesens – mitten im Ort – leben, ob sie sich noch sicher fühlen, wenn dort nachts und am Wochenende Neonazis patrouillieren!
Ansonsten wiederum der fast schon obligatorische Hinweis auf weitere Erkenntnisse, die aus Geheimhaltungsgründen nicht genannt werden könnten.
Ich erwarte von einer verantwortungsbewussten Staatsregierung Strategien dafür, auf welche Weise solche Neonazi-Zentren bereits im Vorfeld verhindert werden können. Ich erwarte die Darlegung und natürlich auch die Leistung konkreter Hilfestellung für jene, die in der Kommunalpolitik mit solchen Problemen konfrontiert sind. Ich erwarte in diesem Zusammenhang wirksame Repressionsstrategien.
Wenn in dieser ominösen Gedächtnisstätte zur Geburtstagsfeier des ehemaligen Göring-Vertrauten Hajo Hermann faktisch eine Mitgliederversammlung von verbotenen Organisationen wie des „Collegium Humanum“ und des „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ stattfindet, dann kann man das doch nicht nur einfach beobachten; dann besteht doch sogar die Pflicht zum Einschreiten und zur Beendigung dieses braunen Spuks.
Gerade im Bereich wirksamer Gegenstrategien kann aber nur von einem Versagen der Staatsregierung gesprochen werden. Niemand, der es mit der Zurückdrängung des menschenverachtenden Gedankengutes der extremen Rechten ernst meint, kann darüber erfreut sein.
Es ist sehr gut, dass die Staatsregierung einen Beitrag zur Aufklärung in diesem Bereich leistet. Es ist ebenfalls erfreulich, dass die Staatsregierung einen Anteil an der Förderung von Projekten übernimmt, die die Demokratie stärken wollen. Das sind notwendige Voraussetzungen für die Zurückdrängung des Problems, aber es sind keine hinreichenden.
Die Fachliteratur ist sich zurzeit über die Bedeutung zweier weiterer externer Faktoren einig: einerseits einer klaren, deutlichen staatlichen Repression und andererseits der Notwendigkeit einer breiten gesellschaftlichen Ächtung und Ausgrenzung genau jener Inhalte und Positionen, die den Kernbestandteil des Gedankengutes der extremen Rechten darstellen.
Hierbei liegen sichtbar die größten Defizite der Staatsregierung. Während Plakate mit durchgestrichenem Hakenkreuz und der Parole „Nazis raus aus den Köpfen!“ von der Polizei verfolgt werden, bleibt der Ruf „Nationaler Sozialismus!“ ungestraft. Obwohl die militante Neonazikameradschaft „Sturm 34“ seit 2007 verboten ist, kann sie, so ist es in der Antwort der Staatsregierung zu lesen, noch im Februar 2008, also zehn Monate später, in Mittweida eine Demonstration durchführen. Warum dies so ist, wird die Staatsregierung wahrscheinlich ebenfalls aus Geheimhaltungsgründen nicht beantworten.
Wenn die Antwort der Staatsregierung bei mir einen Erkenntnisgewinn verursacht hat, dann vor allem jenen, dass die Staatsregierung ihre bisherigen Konzepte und Strategien dringend grundlegend überdenken muss. Vielleicht sollte sie dazu externen Sachverstand nutzen. Mit internen Mitteln scheint mir das Problem nicht mehr lösbar zu sein.
Im Sinne einer breiten gesellschaftlichen Ächtung zum Beispiel von Geschichtsrevisionismus rufe ich im Namen der Linken alle Demokratinnen und Demokraten auf, sich an den vielfältigen Aktivitäten gegen den sogenannten Trauermarsch der JLO am 14. Februar in Dresden zu beteiligen.
Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir, DIE LINKE und die GRÜNE-Fraktion, möchten mit unserem Entschließungsantrag an einen Entschließungsantrag der SPD von 2004 anknüpfen, nachzulesen in der Drucksache 3/11205.
Damals gelang es – Herr Brangs, hören Sie mir bitte zu! –, ein einstimmiges Votum hier im Sächsischen Landtag für Demokratie und ein friedliches Zusammenleben aller Menschen in diesem Land ungeachtet ihrer Weltanschauung,
Religion, Kultur oder Hautfarbe – hier im Hohen Haus – zu erreichen. Dies betrifft die Punkte 1, 4 und 5 unseres Antrages.
Die Punkte 2 und 3 sind aktuell hinzugekommen.
Das gemeinsame Handeln der demokratischen Parteien in den letzten Jahren hier im Hohen Haus war richtig und notwendig. Dies wollen die Einreicherinnen mit diesem Antrag deutlich machen.
Dem Entschließungsantrag von CDU und SPD haben wir zusammen gerade zugestimmt. In beiden Anträgen zeigt sich das gemeinsame und vielfältige Bemühen um eine Zurückdrängung der extremen Rechten. Ich bitte Sie hiermit im Interesse von Demokratie sowie für die Freiheit und Gleichheit aller um die Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag.
Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor acht Jahren wurde der Aufstand der Anständigen ausgerufen. Er fand und findet tagtäglich statt. Allen daran Beteiligten gilt unser Dank, und es sind sehr viele in diesem Land.
Das Programm „Weltoffenes Sachsen“ leistet für dieses Engagement einen entscheidenden Beitrag. Aber: Lob für Programm und Kritik am Anstieg rechtsextremer Tendenzen in Sachsen sind für die heutige Debatte zu wenig. Angesichts des Aufstandes der Anständigen frage ich ganz einfach: Wo bleibt endlich der Aufstand der Zuständigen? Oder sieht dieser Aufstand der Zuständigen so aus, dass eine Initiative, die sich für Opfer rechter Gewalt einsetzt, einfach vor dem Aus steht?
Herr Dr. Martens sprach vorhin davon, dass diese Woche in Görlitz Initiativen ausgezeichnet wurden. Ja, auch AMAL gehörte zu den Ausgezeichneten, ausgezeichnet
vom Bundesbündnis für Demokratie und Toleranz für ihr Engagement. Kaum eine andere zivilgesellschaftliche Initiative wurde hier im Landtag von der NPD so oft angegriffen wie AMAL. Aber die Förderpolitik der Sächsischen Staatsregierung beendet die hochprofessionelle Arbeit von AMAL.
Wir, DIE LINKE, wünschen allen bei AMAL Aktiven viel Kraft, um die Arbeit ehrenamtlich fortzusetzen.
Ich frage weiter: Wo bleibt der Aufstand der Zuständigen? Ich wollte Frau Orosz heute– sie ist leider nicht da – zu folgendem Sachverhalt fragen: Wir als Linke unterstützen ihr Engagement zum Wohle von Kindern. Aber was sagt sie eigentlich dazu, dass es zu Pfingsten zu einem Rettungseinsatz mit zwei Notarztwagen, fünf Rettungswagen und einem Krankentransportwagen kam, weil bei sieben Kindern Verdacht auf Kreislaufdysregulation aufgrund von Dehydrierung bestand? Der Notruf ging 10:47 Uhr ein. Es war also nicht irgendwann nachmittags, in der größten Pfingsthitze, sondern vormittags.
Welche Formen von „Körperertüchtigung“ zur „Wiederbelebung von Elitegeist und Volksgemeinschaft“ hat sich da die rechtsextreme Heimattreue Deutsche Jugend in ihrem Pfingstlager in Koltzschen bei Zschadraß für die Kinder einfallen lassen, sodass sieben Kinder zusammengebrochen sind und notärztlich versorgt werden mussten?
Wir, DIE LINKE, erwarten ganz einfach, dass alle Bereiche der Staatsregierung ihrer Zuständigkeit nachkommen. Die Heimattreue Deutsche Jugend ist aus unserer Sicht eine Nachfolgeorganisation der verbotenen WikingJugend. Wir erwarten diesbezügliche Aktivitäten.
Herr Buttolo, sowohl im Osterlager im Vogtland als auch im bereits erwähnten Pfingstlager dieser HDJ – und dafür liegen Ihnen Beweise vor – wurde gegen das Uniformverbot verstoßen. Wir fragen: Was wird endlich getan?
Der Aufstand der Anständigen ist da. Er wird begleitet von Fördermaßnahmen. Aber ohne die Wahrnahme von vorhandenen Rahmenbedingungen des Staates droht der Aufstand der Anständigen ganz einfach ins Leere zu laufen.
Einer der größten CD-Versandhandel hat seinen Sitz in einer westsächsischen Kleinstadt. Es gibt sehr viel Engagement von Bürgerinnen und Bürgern gegen diesen Laden. Aber der Betreiber baut mal schnell – schwarz und ohne Genehmigung – etwas an. Was passiert im Endeffekt? Er muss 500 Euro Strafe zahlen, der Bau bleibt stehen. Wie viele andere Schwarzbauer müssen ihre Anbauten abreißen?
Ich könnte weitermachen, zum Beispiel was die Kosten für den „Zug der Erinnerung“, einer hervorragenden Initiative, betrifft. Ich kann nur eines sagen: Wir sind alle aufgefordert, sowohl in Verantwortung, aber auch im Alltag etwas für die Zurückdrängung der extremen Rechten zu tun.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal zu der Frage der Kreissitze kommen, ohne speziell einen Kreissitz thematisieren zu wollen. In der Begründung des Gesetzes finden sich Kriterien für die Kreissitzentscheidung. Im Ausschuss wurde bekanntermaßen wegen der großen Bedeutung dieses Gesetzeswerkes sogar die Begründung beschlossen; dem Plenum bleibt dies heute erspart.
Meine Damen und Herren! Im Abschnitt 7.2 „Bestimmung des Sitzes des Landratsamtes des neuen Landkreises“ heißt es auf Seite 77: „Der Abwägungsentscheidung sollen dabei landesplanerische, historische und wirtschaftliche Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden.“ Auf Seite 78 heißt es: „Im Interesse der ausgewogenen Landesentwicklung muss auf die Erhaltung eines leistungsfähigen zentralörtlichen Systems in Sachsen durch“ – bitte genau zuhören! – „die Konzentration auf die Leistungsträger besonderes Augenmerk gerichtet werden.“
In den Diskussionen mit der Staatsregierung wurde im Ausschuss recht schnell klar: Landesplanerische Gesichtspunkte stehen dabei vornan. Wirtschaftliche und historische Aspekte sind zu berücksichtigen. Die zentralen Orte wurden nach ihrer Rangliste sortiert, und entspre
chend wurde die Höherrangigkeit als Maßstab der Entscheidung zugrunde gelegt.
Das heißt zum Beispiel im Fall A, wenn es ein Oberzentrum und ein Mittelzentrum gibt, nehmen wir das Oberzentrum; im Fall B, wenn es ein Mittelzentrum und einen mittelzentralen Städteverbund gibt, nehmen wir das originäre Mittelzentrum, denn der mittelzentrale Städteverbund ist einem ordentlichen Mittelzentrum nachrangig; im Fall C mit zwei Mittelzentren nehmen wir das Mittelzentrum, welches jetzt und wahrscheinlich auch zukünftig Schwierigkeiten haben wird, alle Anforderungen eines Mittelzentrums zu erfüllen.
Meine Damen und Herren, im Fall A haben wir uns somit für den Stärkeren entschieden, im Fall B auch, wobei wir eigentlich nicht den zukunftsorientierten Weg ins Auge gefasst haben, aus dem Städteverbund vielleicht eine ordentliche Stadt zu machen, und im Fall C vergeben wir den Kreissitz an den, der ihn im Landesinteresse am nötigsten hat. Wo bleiben da eigentlich die Kreisinteressen?
Im Fall A interessiert uns nicht, was aus dem Mittelzentrum wird. Es wird sogar argumentiert, da passiere eigentlich gar nichts weiter. Dagegen soll im Fall C durch die Kreissitzvergabe die Zukunft eines Mittelzentrums gesichert werden.
Meine Damen und Herren, es wird immer wieder auf den Landesentwicklungsplan 2003 Bezug genommen. Dort heißt es: „Die Ausweisung von Delitzsch, Borna und Weißwasser als Mittelzentrum ist durch ihre Lage am Rande des Freistaates Sachsen bzw. in wirtschaftlichen Problemgebieten begründet, obwohl sie zum Beispiel das Kriterium der Arbeitsplatzbedeutung nicht erfüllen.“
Ich erwähnte gerade Delitzsch. Delitzsch bekommt aber den Kreissitz nicht, weil Torgau unter anderem die Stadt der historischen Begegnung der amerikanischen und der sowjetischen Armee zum Ende des Zweiten Weltkrieges ist. Bei anderen derartigen Fällen streitet man sich um historische Gesichtspunkte, um Jahreszahlen für Amtshauptmannschaften. Da hilft kein Seume, kein Paul Gerhardt, keine Katharina von Bora und auch kein Göschen.
Meine Damen und Herren, zentrale Orte stehen im Landesentwicklungsplan Mittelzentren. Wenn wir die Zukunft unserer Mittelzentren sichern wollen, müssen wir über anderes reden als über die Festlegung des Sitzes des Landratsamtes.
Ich bin traurig, dass Städte um den Kreissitz kämpfen müssen, weil sie sonst keine Zukunft für ihre Stadt sehen. Können Sie, Herr Ministerpräsident, und auch alle anderen Minister hier vorn eigentlich nachts wirklich ruhig
schlafen, wenn Sie daran denken, was Sie in den letzten Jahren unseren Städten angetan haben? Eine Stadt wirbt für sich mit folgenden Worten: „Haben wir nicht endlich Stabilität in unserem Landkreis verdient?“; „Richtiges Zeichen für Regionen mit höchster Arbeitslosigkeit?“; „Nicht sehenden Auges eine Problemregion erneut schwächen!“
Es gibt viele Problemregionen und viele Problemstädte in Sachsen. Zu lange wurde nur Leuchtturmpolitik betrieben. Viele Städte hätten den Kreissitz verdient, um ihre Stabilität zu sichern und auch etwas gegen Arbeitslosigkeit zu tun. Aber dieses Prinzip hätte dann für alle gelten müssen, und dies wäre auch eine nachhaltige Aussage für die Zukunft Sachsens gewesen.
Aber – ich komme zurück zur Gesetzesbegründung – wir wollen uns „auf die Leistungsträger konzentrieren“. Was nutzen uns die Kriterien, wenn sie mal so und mal so angewandt werden? Ich habe aber Vertrauen in die Zukunft. In den letzten Wochen und Monaten und auch heute habe ich so viel Engagement, Fantasie und Hartnäckigkeit bei so vielen Menschen erlebt, die sich für ihre Städte, ihre Regionen eingesetzt haben. Im Namen der Fraktion DIE LINKE möchte ich mich dafür bei all diesen Menschen bedanken,
egal für welche Stadt, für welche Region sie kämpfen.
Danke.
Herr Bandmann, könnten Sie bitte die Adresse bekannt geben, unter der die Linkspartei in Grimma eine Kreisgeschäftsstelle hatte?
Weil es keine gab! Weil es keine Kreisgeschäftsstelle in Grimma gab!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In § 22 werden in den Abs. 4 bis 6 auch Fristen für die Kreistagswahlen geändert. In Abs. 4 wird zum Beispiel Folgendes aufgehoben – ich zitiere aus dem Kommunalwahlgesetz: „Wahlvorschläge“ – in diesem Fall für die Kreistagswahl – „können frühestens am Tag nach der Bekanntmachung der Wahl und müssen spätestens am 45. Tag vor der Wahl bis 18 Uhr eingereicht werden.“
Entsprechende Festlegungen gibt es zur Entscheidung über die Zulassung oder die Zurückstellung der eingereichten Wahlvorschläge und zu deren Veröffentlichung.
Beginnend mit Abs. 4 wird dieses System verändert, verkürzt auf den 27. Tag analog dem Kommunalwahlge
setz für Bürgermeister und Landräte. Bei der Differenzierung zwischen Kreistagswahlen einerseits und den Landrats- und Bürgermeisterwahlen andererseits hat sich der Gesetzgeber im Jahre 1993 mit Sicherheit etwas überlegt.
In der Begründung hieß es damals: „Diese Frist ist erforderlich, um das weitere Verfahren zur Vorbereitung der Wahl, insbesondere die Beschlussfassung des Wahlausschusses über die Zulassung der Wahlvorschläge, die Bekanntmachung der zugelassenen Wahlvorschläge und den Druck von Stimmzetteln, zu ermöglichen.“ – So die Entscheidungsfindung im Jahre 1993.
Heute stehen wir aufgrund der Reform vor der Frage, einerseits abzuwägen, wie viel Zeit wir den Bewerberinnen und Bewerbern, den Wählervereinigungen, Parteien und Sonstigen für das Sammeln von Unterstützungsunterschriften geben, um zu den Kreistagswahlen anzutreten, oder anderseits, wie viel Zeit wir ihnen geben, um einen für die Bürgerinnen und Bürger verbindlichen Wahlkampf durchzuführen.
Alle Parteien, die im Landtag sitzen, haben dieses Problem nicht. Alle Parteien und Wählervereinigungen, die in einem der Kreistage von den jetzt neu zu bildenden Landkreisen bereits vertreten sind, haben dieses Problem auch nicht, denn sie brauchen keine Unterstützungsunterschriften zu sammeln.
Aber was nützen die Unterstützungsunterschriften, wenn es nach der Zulassung nur noch drei Wochen für den Wahlkampf und eine verbindliche Aussage sind? Die etablierten Parteien können – sie tun es auch – schon jetzt Wahlkampf machen. Aber diejenigen, die Unterstützungsunterschriften sammeln müssen, haben nur drei Wochen Zeit, um einen verbindlichen Wahlkampf führen zu können.
In diesem Sinn halten wir dies als Vertreter der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag für nicht demokratieförderlich und bitten um die Streichung der Absätze 4, 5 und 6 in § 22.
Danke.
Frau Präsidentin! Herr Bandmann hat gerade ausgeführt, er möchte die Fristen, wie sie jetzt im Kommunalwahlgesetz stehen, beibehalten. Genau das wollen wir auch. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren der demokrati
schen Fraktionen! In meiner Kleinen Anfrage zu Straftaten im Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ im Bereich der Polizeidirektion Westsachsen für die Monate Juli und August, Drucksache 4/9691, findet sich der 19. August 2007, Mügeln, Verdacht des Landfriedensbruchs, 14 Verletzte.
Ich wiederhole noch einmal: Es geht hier um Straftaten im Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“. Die Gewalt und die rassistischen Sprüche wurden vielfach kritisiert, auch heute. Die genaue Bewertung der Ereignisse sowie die Fragen nach konkreten Schlussfolgerungen wurden von den demokratischen Kräften in diesem Land und darüber hinaus kontrovers diskutiert. Das ist Demokratie, und die brauchen wir.
Was wir allerdings nicht brauchen, sind die Versuche der NPD sowie anderer Kräfte der extremen Rechten, diese Vorfälle für ihre rassistische, fremdenfeindliche und vor allem menschenverachtende Politik zu missbrauchen.
Erst das Schreiben – Herr Hähle erwähnte es bereits – vom NPD-Landesvorsitzenden, dann noch ein Schreiben der Neukreation „Sächsische Volkspartei“ für die Menschen in Mügeln und dann auch noch die kostenlose Lieferung der Zeitschrift „Junge Freiheit“. Eine Große Anfrage der NPD einschließlich der heutigen Debatte war ja nur zu erwarten.
Wir brauchen diese Große Anfrage der NPD nicht, um gegen rassistische und menschenfeindliche Gewalt aktiv zu werden. Die NPD will uns ihr Menschenbild aufdrängen. Menschen werden in Gruppen eingeteilt und dann bewertet. Das hatten wir schon einmal und das hat viel Leid über das Land gebracht.
Die NPD sortiert Menschen nach Herkunft. Schauen Sie bitte in die Große Anfrage; wie oft wird dort nach Deutschen und dann wieder in einer anderen Kategorie nach Ausländern gefragt?! Aktuell wird immer noch einmal nachgefragt mittels der bereits erwähnten 14 Kleinen Anfragen, immer wieder diese Fragestellungen! Mittlerweile frage ich mich: Folgt nach den heutigen Antworten zu den Kleinen Anfragen eine weitere Nachfrage in dem Sinne, ob die sechs Menschen mit schweizerischer Staatsangehörigkeit, die in Mügeln derzeit ansässig sind, deutschstämmig sind? Ich finde diesen Rassismus mehr als menschenverachtend.
Sehr geehrte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! Ich muss Sie in diesem Zusammenhang mit einem Zitat des NPD-Landtagsabgeordneten J. Werner Gansel konfrontieren. Den Unterschied zwischen Staats- und Volksangehörigkeit erklärt er wie folgt: „Eine türkische Salami wird auch dann kein Deutschländer Würstchen, wenn sie vier Wochen im deutschen Kühlschrank liegt.“
Ich zitierte aus einer NPD-Presseerklärung vom 12. November dieses Jahres. Menschen werden behandelt wie Wurstwaren.
Dieser menschenverachtende Rassismus – –
Ja, Frau Präsidentin.
Dem kann ich nur zustimmen, Herr Porsch! Aber die NPD und ihr menschenverachtender Rassismus ist einfach wirklich ekelhaft und hilft niemandem. Er ist von vorgestern und schürt Fremdenfeindlichkeit, die niemandem nützt außer der NPD hier im Parlament und den Nazischlägern draußen auf der Straße.
Die NPD sortiert die Menschen aber nicht nur nach Herkunft, sondern sie sortiert auch nach politischen Einstellungen.
In der Großen Anfrage ist ganz deutlich zu erkennen, dass in den Augen der NPD, wer sich in der Grünen Jugend engagiert und an einem Projekt „Mein Name ist Mensch – für Integration, Toleranz und Zivilcourage“ aktiv mitwirkt, dessen Zeugenaussagen als unglaubwürdig diffamiert werden sollen.
In den heute eingehenden 14 Kleinen Anfragen wird die NPD noch schlimmer. Da will man sogar den Punks an und für sich gleich einmal die gesamte Schuld für die Übergriffe in die Schuhe schieben. Es ist einfach widerlich, was hier versucht wird.
Die NPD, nicht nur die leider hier anwesende Fraktion, versteht sich sehr gut darauf, Drohpotenziale aufzubauen. Daran musste sich so manche und mancher hier im Hause, aber auch außerhalb schon gewöhnen. Die versuchten Angriffe in der Großen Anfrage gegen die Sächsische Ausländerbeauftragte Friederike de Haas weise ich namens der Fraktion DIE LINKE hier im Sächsischen Landtag aufs Schärfste zurück.
Wir schätzen ihr Engagement für die Integration hier lebender Menschen mit Migrationshintergrund. Lassen Sie mich Ihnen, Frau Friederike de Haas, auch ganz persönlich an dieser Stelle danken.
Ich möchte mich auch bei den Polizisten bedanken, die mit ihrem Einsatz direkt vor der Pizzeria und in der Pizzeria mittels Körpereinsatz wirklich Schlimmeres verhindert haben.
Gemeinsam haben alle demokratischen Kräfte noch viel zu tun, um langfristig Ähnliches oder gar Schlimmeres zu verhindern. Leider schwindet meine Hoffnung an manchen Tagen in dieser Hinsicht.
Beim Überfall auf eine Pizzeria in Geithain am letzten Freitag wurden durch die Tatverdächtigen die gleichen Parolen wie in Mügeln gebrüllt: „Ausländer raus!“ und „Deutschland den Deutschen!“
Es gab zwei Verletzte. Es geht nicht um Mügeln. Mügeln ist überall. Leider!
Trotzdem danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Frage bezieht sich auf die bereits in der letzten Aktuellen Debatte aufgerufenen Fragen zu Leistungsveränderungen im Öffentlichen Gesundheitsdienst aufgrund von Personalproblemen.
Durch die „LVZ“ erfuhren die Bürgerinnen und Bürger im Muldentalkreis, dass die amtsärztlichen Untersuchungen für die 1 200 Kinder, die 2008 in die Schule kommen, nicht mehr dezentral in Schulen und Kindereinrichtungen erfolgen sollen. Nach Kritik durch Kreisräte der Linken, der SPD und der Wählervereinigungen kam es zu einer Sondersitzung des zuständigen Kreistagsausschusses. Bei dieser Sondersitzung wurde durch die Amtsärztin die komplizierte Personalproblematik beim zuständigen Öffentlichen Gesundheitsdienst im Muldentalkreis als eine wesentliche Ursache für die genannte Entscheidung benannt. In anderen Landkreisen soll es vergleichbare Personalprobleme geben.
Meine Fragen an die Staatsregierung lauten:
1. Wie stellt sich die Personalsituation im Öffentlichen Gesundheitsdienst in den sächsischen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten dar und zu welchen Veränderungen der angebotenen Leistungen kam es dabei in den einzelnen Ämtern in den letzten beiden Jahren bzw. welche Veränderungen sind derzeit in Planung?
2. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung ergriffen bzw. will sie ergreifen, um die angespannte Personalsituation im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu entschärfen bzw. zu verbessern?
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Gestatten Sie mir zu Frage 1 noch eine Nachfrage bzw. eine Bitte. Sie haben davon gesprochen, dass es aufgrund von Prioritätensetzungen Veränderungen im Leistungsangebot gegeben hat. Meine Fragestellung: Wäre es möglich, dass man detailliert erfassen könnte, in welchen Landkreisen und kreisfreien Städten es im Einzelnen zu Veränderungen gekommen ist?
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Debatte lautet „Aktuelle Entwicklungen des Rechtsextremismus in Sachsen“. Der Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichheitsvorstellungen darstellen. Diese äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus.
Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Einstellungen.
Manchmal ist es auch ganz günstig, einer Debatte eine Definition voranzustellen, damit man weiß, worüber gesprochen wird. Ich habe mich für den Begriffsinhalt entschieden, wie er in der Decker/Brähler-Studie „Vom Rand zur Mitte“ durch eine Konsensusgruppe anerkannter und seit Jahren am Thema arbeitender Wissenschaftler formuliert wurde. Diese Definition bestätigt die Ansicht der Linksfraktion, dass es keine Reduzierung des Problems Rechtsextremismus auf die NPD und ehemalige NPD-Mitglieder geben kann und darf und schon gar nicht nur auf Problemlagen hier im Landtag.
Gestern konnten wir alle im Pressespiegel unter der Überschrift „Studie: Fremdenfeindlichkeit im Osten größer“ lesen, dass in Sachsen 59,4 % der Bevölkerung glauben, dass es im Freistaat zu viele Ausländer gibt. Im Text werden viele erschreckende Zahlen zu Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit aufgeführt. Diese Bielefelder Studie steht aber unter einer viel tiefer greifenden Fragestellung. Wilhelm Heitmeyer
stellt seinen Forschungsbericht in der „Zeit“ unter die Aussage – ich zitiere: „In manchen Gegenden Deutschlands ballen sich die gesellschaftlichen Probleme – es herrschen Abstiegsängste, Orientierungslosigkeit und Fremdenfeindlichkeit.“
Auf einige Aussagen dieser Studie, die sich auch mit den Ergebnissen von Decker und Brähler decken, möchte ich kurz eingehen. Seit Jahren untersucht Heitmeyer verschiedene Elemente gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Jetzt muss er feststellen, dass die höchste Zustimmung zu feindseligen Äußerungen in dörflichen Gemeinden und Kleinstädten Ostdeutschlands zu finden ist. Dabei wird insbesondere der Einfluss der Abwanderungsraten deutlich, so Heitmeyer. Ich zitiere weiter: „Je mehr Familien-, Arbeitsplatz- oder Ausbildungsplatzwanderer eine Region verlassen, umso niedriger ist das Bildungsniveau und ausgeprägter das Desintegrationsklima. Die Folge: Desto größer ist das Ausmaß an feindseligen Mentalitäten.“
Heitmeyer geht noch weiter: „Wo solche Problemzonen verdichtet sichtbar werden, geht es auch um die Substanz der demokratischen Ordnung; Demokratieentleerung entsteht.“
„Mehr noch: Probleme können sich zu Strukturen entwickeln, also auf Dauer gestellte Verhältnisse werden, die nicht mehr umkehrbar sein können“. Hier wird offenkundig, dass Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg, soziale Sicherheit und Zukunftsperspektiven für die Menschen wichtig sind.
Ich empfehle allen hier im Hohen Haus, sich das Fazit des Forschungsberichtes zu Herzen zu nehmen, wenn wir Demokratie und Gleichheit aller in allen Teilen Sachsens erhalten wollen. Im Fazit wird der Politik nämlich empfohlen, weniger auf Kampagnen zu Patriotismus und Nationalstolz zu setzen und dafür mehr konkrete Antworten zu geben, wo es um die Ausgrenzungen und Diskriminierungen, um benachteiligte Landstriche und Kommunen sowie um die Angst in der Mitte vor Absturz und Deklassierung geht.
Wenn man flapsig behauptet „Du bist Deutschland!“, dann muss man das den Menschen auch durch Fakten glaubhaft machen. Ein Patriotismusbeauftragter nützt nichts gegen Sozialabbau – im Kampf gegen Rassismus und Nationalismus schadet er.
Wenn sich die demokratischen Parteien nicht den Herausforderungen sozialer Schieflagen stellen, wird der Kampf um eine Zurückdrängung fremdenfeindlicher und rechtsextremer Einstellung nicht zu gewinnen sein. Die NPD wittert gerade in diesem Bereich ihre Chance. Herr Gansel fordert lauthals die Nationalisierung der sozialen
Frage. Dass es dabei in Deutschland um die Ausgrenzung von 15 Millionen Menschen gehen soll, hat er uns gestern vor Augen geführt.
Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind jetzt in der Thematik weit abgekommen und ich will zurückkommen zum Thema Rechtsextremismus.
Wenn wir über Rechtsextremismus sprechen, schauen wir in der Regel auf Statistiken oder registrieren die schlag
zeilenträchtigen Vorfälle. Interessanter ist jedoch, was sich so tagtäglich in Sachsen abspielt.
Nehmen wir zum Beispiel jene Kommunalvertretungen, in denen die extreme Rechte unterschiedlicher Schattierungen Mandate innehat. Man kann es sich leicht machen und über sie lachen, weil ihre Reden oft genug davon zeugen, dass sie weder selbst geschrieben noch sonderlich sachkundig sind oder weil die Rhetorik wahrlich nicht als brillant bezeichnet werden kann. Man kann sich aber auch damit beruhigen, dass kaum Anträge gestellt werden und die Mitarbeit in den Ausschüssen so gut wie nicht stattfindet.
Wer sich mit dieser knappen Analyse zufriedengibt, beruhigt sich zwar, verkennt allerdings die Lage sträflich. Es ist eine Trendwende auszumachen. Zwar fruchtet die Schulungsarbeit der extremen Rechten nicht besonders, doch setzen sich diese Leute zunehmend oft als Zuschauer oder als Mandatsträger mit ihrer sogenannten Wortergreifungsstrategie durch.
Ob in der Bürgerfragestunde oder bei Anfragen von Kreisräten – immer häufiger melden sie sich zu Wort. Wie fühlt man sich, wenn man von einem bekannten Rechtsextremen in der Kreistagssitzung beleidigt wird? Wie reagiert man, wenn der Landrat dazu einfach schweigt? Ich spreche in diesem Fall nicht von uns Linken, denn wir sind die Beschimpfungen von Rechtsaußen gewöhnt.
Nein, in diesem konkreten Fall handelt es sich um den Fraktionsvorsitzenden der CDU im Kreistag, im Hauptberuf Polizeipräsident, der sich als Gesinnungsschnüffler betiteln lassen muss, und der Landrat, sein Parteifreund, macht ungerührt in der Tagesordnung weiter.
Diese Hilflosigkeit angesichts der Provokation der extremen Rechten ist auf kommunaler Ebene eher die Regel als die Ausnahme. Die Demokratie muss geschützt werden – auch und gerade vor Ort. Ich habe bewusst von Vertretern der extremen Rechten in den Kommunalparlamenten gesprochen, auch dort gibt es mehr als nur die NPD.
Am 3. Oktober 2006 erfolgte ein neuer Sammlungsversuch diverser Klein- und Kleinstparteien der extremen Rechten. Mit dabei – hören Sie bitte zu –: die Sächsische Volkspartei des Abg. Mirko Schmidt, die Freiheitliche Volkspartei, deren Bundesschatzmeister inzwischen der Abg. Jürgen Schön ist; die Deutsche Soziale Union, zu der nunmehr der Abg. Klaus Baier gemeinsam mit seinem Mitarbeiter, ebenfalls ein früherer NPD-Funktionär, gefunden hat; die Christlich-Soziale Partei Deutschlands, gegründet vom ehemaligen Mainzer NPD-Vorsitzenden, und die Deutsche Gemeinschaft für Gerechtigkeit, für die
unter anderem ein früherer NPD-Funktionär auftritt. – Da saßen sie also alle wieder beieinander, die Aussteiger aus der NPD und einige andere mehr.
Wir könnten uns ja freuen, wenn die NPD Konkurrenz im eigenen Lager bekommt, nachdem sich die Republikaner selbst zerlegt haben. Aber können wir das wirklich? Die NPD führt uns hier im Landtag vor, wie man sich schnellstens und am besten demontiert. Ist es da nicht gut, wenn andere diesen Prozess noch beschleunigen? Schließlich ist geteilte Kraft halbe Kraft. Noch ist dieses neue Bündnis nicht mehr als die Addition von Nullen. Dies allerdings kann sich ändern, und die Erfahrung lehrt, wie die letzte Landtagswahl zeigt, dass sich die Einschätzungen der Staatsregierung zur extremen Rechten oft nicht an den Realitäten orientieren. Das scheint auch diesmal nicht anders zu sein. Das Landesamt für Verfassungsschutz erwähnt das genannte Treffen nicht einmal in seinem Bericht für Oktober. Vielleicht sollte der Herr Innenminister diesem Komplex ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken.
Probleme gibt es nicht nur bei seinem Lieblingskind, der Kreisreform, Probleme gibt es auch hier zuhauf. Wenn man den Blick auf die NPD und die freien Kameradschaften fokussiert, geraten zu leicht andere Entwicklungstendenzen aus dem Blick. Vielleicht sollte sich der sächsische Innenminister einen Ausspruch eines ehemaligen niedersächsischen Innenministers zu eigen machen – ich zitiere –: „Ich sortiere Scheiße nicht nach Geruch.“ – Das ist zwar derb, aber zutreffend.
Ich will jedoch mit einem positiven Beispiel aus der Sächsischen Schweiz schließen. Es ist noch gar nicht lange her, da erreichte die NPD in Reinhardtsdorf-Schöna bei den Kommunalwahlen mit über 26 % ihr bundesweit höchstes Ergebnis. Inzwischen hat sich dort viel getan. Der Ort hat einen neuen Bürgermeister, der im Übrigen auch von uns unterstützt worden ist.
Er wurde gewählt, gerade weil er sich entschieden gegen NeonaziAktivitäten in die erste Reihe gestellt hat.
Danke.
Zulässigkeit des vom Ordnungsamt des Landkreises Bautzen erlassenen Verbots des Tragens des Symbols „durchgestrichenes Hakenkreuz“ (Frage Nr. 15)
Das Ordnungsamt des Landratsamtes Bautzen erteilte den Anmeldern einer Kundgebung, die auf die immer mehr zunehmenden Neo-Nazi-Strukturen im Landkreis Bautzen aufmerksam machen soll, unter anderem die Auflage, dass die am Aufzug teilnehmenden Personen keine Embleme sichtbar tragen dürfen, die das Symbol „durchgestrichenes Hakenkreuz“ zeigen. Die diesbezügliche Begründung lautet (Zitat): „Das Verbot, das Symbol ‚durchgestrichenes Hakenkreuz’ als Zeichen antifaschistischer Gesinnung im Aufzug öffentlich zu tragen, gründet sich auf das im § 86a StGB enthaltene Verbot, das Hakenkreuz öffentlich zu zeigen.“
Fragen an die Staatsregierung:
1. Wie beurteilt die Staatsregierung die Zulässigkeit eines derartigen Umgangs der Ordnungsbehörden mit Personen, die insbesondere im Rahmen einer eindeutig gegen Neonazismus und rechtsextremistische Erscheinungen gerichteten Kundgebung demonstrativ ihre Ablehnung gegenüber Rechtsextremismus und rechtsextremistischen Organisationen in dieser Weise öffentlich zum Ausdruck bringen wollen?
2. Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, um das von der Gesellschaft gewünschte Engagement von Bürgern, die „endlich... gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Rassismus, gegen rechte Gewalt“ aufstehen und öffentlich insbesondere auch unter Verwendung von Symbolen, die demonstrativ die Ablehnung gegenüber verfassungswidrigen Organisationen zum Ausdruck
bringen, „Gesicht zeigen!“, künftig vor strafrechtlicher Verfolgung oder anderweitigen Sanktionen in Anlehnung an die bereits im Jahre 1973 vom Bundesgerichtshof getroffene Entscheidung, wonach die Verwendung derartiger Symbole nicht strafbar ist, wenn damit „eindeutig die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus“ ausgedrückt werden soll, zu bewahren?
Frage Nr. 14
NS-Black-Metal-Szene in Sachsen
Am 27. Mai 2006 fand in Wurzen in den Räumlichkeiten des rechtsextremistischen Szeneversandes „Front Records“ das zweite Konzert der Reihe „Calling for Battle“ statt. Dort traten mehrere Bands des NS-Black-MetalSpektrums auf, darunter die sächsische Gruppe „Nachtfalke“. Bei deren Lied „Hail Victory Teutonia“ sollen große Teile des Publikums den so genannten Hitler-Gruß gezeigt haben.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung zu dem oben geschilderten Vorfall vor?
2. Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über Entwicklung, Strukturen und Aktivitäten der NS-BlackMetal-Szene in Sachsen vor?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Worten von Herrn Dulig kann ich mich anschließen. Bei der Rede von Herrn Schiemann war ich etwas traurig, weil er nicht beim Antrag geblieben ist, wie er von CDU und SPD formuliert worden war – Bekämpfung des Rechtsextremismus –, sondern gleich den ganzen Extremismus bekämpfen wollte. Ein Antrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Sachsen ist sehr begrüßenswert. Ich möchte ihn nicht nur einfach begrüßen. Nein, ich kann und will mich im Namen der Linksfraktion ehrlichen Herzens bei den beiden Fraktionen CDU und SPD für diesen Antrag bedanken.
Es ist notwendig und angemessen, dass wir uns in diesem Hohen Haus mit dem Problem des Rechtsextremismus in Sachsen ganz konkret beschäftigen. Seitens der Linksfraktion wird es ganz klar eine Zustimmung zum vorliegenden Antrag geben. Die Zahlen und Entwicklungstendenzen, wie sie in der Stellungnahme der Staatsregierung aufgezeigt werden, sind dafür wirklich Grund genug.
Dieser beunruhigenden Entwicklung im Bereich des Rechtsextremismus entgegenzutreten muss ganz einfach unser aller Aufgabe sein. Mit „uns“ meine ich all jene in diesem Landtag, denen die Gleichheit aller Menschen und ihrer Selbstbestimmung sowie deren Möglichkeiten zur wirklichen Mitbestimmung – kurz: Demokratie – mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist.
Nun zum Antrag selbst. In weiten Teilen handelt es sich um einen Berichtsantrag. Ich war persönlich schon etwas neugierig, wie tiefgehend die Stellungnahme der Staatsregierung ausfallen würde; denn die meisten Sachverhalte, zu denen die Koalitionsparteien Auskunft verlangen, hinterfrage ich selbst regelmäßig mittels Kleiner Anfragen. Oft, allzu oft, fallen die Antworten der Staatsregierung spärlich, um nicht zu sagen dürftig aus. Darin ähnelt leider die Stellungnahme der Staatsregierung zu diesem Antrag.
Auch ist es – gelinde gesagt – ein wenig ungewöhnlich, wenn sich in einer Stellungnahme zu einem Antrag der Hinweis findet, dass nicht alles öffentlich beantwortet werden könne und sich die PKK auf Antrag damit beschäftigen werde.
Ich kann an dieser Stelle nur hoffen, dass die Mitglieder der PKK diesen Antrag zum Anlass nehmen, sich mit der Thematik „der Einbettung der militanten Rechtsextremismusszene und eventuell fortbestehender Strukturen verbotener Vereinigungen … in weitere Strukturen des Rechtsextremismus“ – so die Formulierung im Antrag – demnächst intensiv zu beschäftigen. Der Antrag nennt in diesem Zusammenhang als Beispiel die „Skinheads Sächsische Schweiz“. Die Staatsregierung wiederum beschränkt sich in ihrer Antwort ausschließlich auf diese. Auf weitere verbotene rechtsextreme Organisationen geht sie leider mit keiner Silbe ein. Dabei gäbe es – die aktuellen Vorkommnisse unterstreichen dies – dafür mehr als hinreichenden Grund.
Bereits im Jahr 2000 ist die neonazistische SkinheadOrganisation „Blood and Honour“ verboten worden. Die bundesweite Razzia wegen Fortführung dieser Organisation zeigt vor allem eines: dass es nämlich versäumt worden ist, das Organisationsverbot durch wirksame Maßnahmen zur tatsächlichen Zerschlagung der Strukturen zu ergänzen. Der hohe Anteil der betroffenen Objekte in Sachsen ist dabei einfach nur schockierend.
Für weitere Fragen, mit denen sich die PKK in diesem Zusammenhang beschäftigen könnte, will ich noch zwei Beispiele nennen. Aus welchem Umfeld kommt zum Beispiel ein Herr Uwe Stolle, der zu den Gründungsmitgliedern des Vereins „Gedächtnisstätte“ gehört? Das ist der Verein, der in Borna geschichtsverfälschend wirken will und nur den deutschen Opfern – nur diesen! – gedenken möchte.
Oder: Wie wird damit umgegangen, dass ein verurteilter Bombenleger heute persönlicher Mitarbeiter eines NPD
Landtagsabgeordneten ist? In welchem Verhältnis stand dieser Mitarbeiter zu Funktionären des verbotenen „Bundes Vaterländischer Jugend“, zu dem auch Herr Stolle, von dem ich gerade sprach, in einer Führungsposition gehörte? Ich erspare mir die Fortsetzung der Aufzählung an dieser Stelle. Ich bin mir allerdings sehr sicher, dass eine Verengung des Blicks auf die „Skinheads Sächsische Schweiz“ oder nur auf die Sächsische Schweiz die Problemlage verschärft und nicht verbessert.
Herr Minister Buttolo, fast tut es mir Leid, dass gerade ausschließlich Ihr Haus Zielscheibe meiner Kritik geworden ist. Denn eigentlich sind Sie so etwas wie ein „weißer Rabe“ im Kabinett. Immerhin haben Sie als einziger Minister auf den Antrag der Fraktionen der CDU und SPD geantwortet. Sicherlich: Der Schwerpunkt der Berichtspunkte liegt in Ihrem Ressort. Aber der inhaltlich wichtigste Punkt – Punkt 1 –, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus entschieden fortgesetzt wird, ist eigentlich Aufgabe der gesamten Staatsregierung.
Herr Minister, Sie können sich sicher sein, dass Sie meine persönliche Unterstützung und die der Linksfraktion erhalten werden, wenn Sie zur Umsetzung von Punkt 1 auch die anderen Ministerien in die Pflicht nehmen wollen. Ich denke dabei zum Beispiel an das engagierte Agieren von Justizbehörden, an die Auseinandersetzung mit Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Antisemitismus an den Schulen.
Das Hannah-Arendt-Institut muss in der konkreten Auseinandersetzung mit dem aktuellen Rechtsextremismus endlich genauso einen Beitrag leisten wie diverse Einrichtungen an Hochschulen und Universitäten.
Wir wissen alle selbst, dass es in jedem Bereich die Notwendigkeit und die Möglichkeiten zur Zurückdrängung der extremen Rechten in Sachsen gibt – wenn man nur will. Ich will ausdrücklich betonen, dass das Programm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist und sein kann. Ein solches Programm kann ohnehin nur Teil eines umfassenden Gesamtkonzeptes sein. Dieses steht aus unserer Sicht noch immer aus. Ein solches Programm darf nicht fast inhaltsleer zu einem reinen Fördertopf verkommen, um den sich alle Initiativen und Projekte in Sachsen, die sich unermüdlich im Kampf gegen den Rechtsextremismus engagieren, streiten müssen.
Dem Engagement dieser Initiativen, Projekte und Einzelpersonen gehören mein Dank und der Dank der gesamten Linksfraktion. Dieses Engagement muss unterstützt werden; auch dieses muss sich entschieden fortsetzen können – so wie es im Antrag steht.
Ich hoffe sehr – nein, ich erwarte es ganz einfach –,
dass, wenn es zu Mittelkürzungen in diesem Bereich durch die CDU/SPD-Bundesregierung kommt, die sächsische CDU/SPD-Landesregierung bereit ist, dafür den finanziellen Ausgleich in Sachsen zu übernehmen.
Ein erster Schritt dabei wäre genau das, was die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier als Änderungsantrag eingebracht hat. Dem kann nur zugestimmt werden. Aber was ist, wenn es trotzdem zu den Mittelkürzungen bei den Projekten gegen Rechtsextremismus kommt?
Meine Damen und Herren, noch eine Schlussbemerkung – und damit bin ich wieder am Anfang, bei Herrn Schiemann: Seitens des Innenministers wird in der Stellungnahme zu Recht darauf verwiesen, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht durch staatliche Organisationen allein geführt werden kann. Ich zitiere: „Hier ist vielmehr auch jeder Einzelne und die Gesellschaft als Ganzes gefordert.“ Ich freue mich sehr, dass die Forderung vieler – als Antrag der Linksfraktion im Landtag bereits thematisiert –, eine fast gleich lautende Formulierung zur Aufnahme als weiteres Staatsziel in die Landesverfassung, hier wiederzufinden ist.
Nichts anderes wollten auch wir. Sie haben sich damals leider der folgenden, inhaltlich identischen Formulierung verschlossen. Ich zitiere aus unserem Antrag: „Rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Aktivitäten sowie eine Wiederbelebung und Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes nicht zuzulassen ist Pflicht des Landes und Verpflichtung aller im Land.“
Vielen Dank.