Stefan Kämmerling
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Last Statements
Vielen Dank. – Herr Präsident! Ich hoffe, Herr Dr. Stamp läuft noch nicht weg. Für ihn habe ich noch etwas vorbereitet.
Von dem geschätzten Kollegen Dennis Maelzer habe ich eben gehört, dass Sie, Herr Minister, die Frage gestellt haben, ob ich etwas gegen eine Erstattung von Kita-Gebühren hätte, wenn Kinder mit Corona ausfallen. Ich weiß gar nicht, was ich damit zu tun habe und ob ich mich dazu schon einmal geäußert habe. Wir haben aber einen guten Rettungsschirm. Den haben wir alle zusammen beschlossen. Wenn Sie und Herr Dr. Maelzer zusammen einen Arbeitskreis gründen, in dem beraten wird, wie wir das gemeinsam hinbekommen, dann laden Sie mich gerne ein. Dann komme ich und mache mit. Dann kriegen wir das zusammen hin. Das sage ich Ihnen zu.
Jetzt zum Einzelplan: Ich fange einmal – das können wir im Jahr 2020 nicht anders – mit dem Kommunalabgabengesetz an. Sie halten am verunglückten Versuch, die Straßenausbaubeiträge zu retten, fest. Anstatt die bürokratischen und ungerechten Beiträge abzuschaffen, wird mehr Bürokratie geschaffen, die mehr Steuergeld verschlingt. Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag war schlecht, es bleibt schlecht, und es wird noch schlechter. Das hat Gründe.
Sie haben einen neuen § 8 KAG geschaffen. Dadurch werden die Bürgerinnen und Bürger um 50 % entlastet. Das ist gut. Aber die Kommunen werden jetzt mehr belastet. Das ist schlecht. Die Kommunen müssen nun auch noch Förderanträge stellen und nachhalten. Sie müssen teure Konzepte von Fachbüros erstellen lassen.
Die Menschen draußen und ich sagen Ihnen: Schaffen Sie den Quatsch ab! Legen Sie 65 Millionen Euro drauf, damit ist das Problem vom Tisch.
Das miserable Kosten-Nutzen-Verhältnis wird dann geheilt, und unter dem Strich spart die Gesamtheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch noch Geld.
Bleiben Sie stur, meine Damen und Herren, machen wir mit dem Thema eben weiter und weiter und weiter und weiter.
Sie bekommen dann 2021 die nächste Kampagne der SPD dazu – an der Konzeption für die entsprechenden Veranstaltungsformate arbeite ich gerade –, und ich besuche Sie alle wieder in Ihren Wahlkreisen.
Stur sind die CDU und FDP auch bei der Gemeindefinanzierung. Es gibt weniger Geld für bedürftige Kommunen und mehr Geld für die nicht so bedürftigen Kommunen. Anders gesagt: Die steuerkraftabhängigen Zuweisungen sinken, und die steuerkraftunabhängigen Zuweisungen steigen. Das Prinzip lautet „Gutsherrenart“, und die Landesregierung beherrscht es.
Beim Thema „Coronahilfen für Kommunen“ lautet das Motto „tarnen, tricksen und täuschen“. Sie kommen vorne durch die Haustür mit 1 Milliarde Euro an Hilfen herein. Dann gehen Sie durch die Hintertür hinaus und haben die Milliarde wieder unter dem Arm; denn wir alle wissen, dass die Kommunen diese Milliarde mit kommunalem Geld zurückzahlen müssen.
Eigentlich haben wir dafür einen Rettungsschirm, der den Kommunen helfen soll. Aber selbst wenn die halbe Welt auf Frau Scharrenbach einreden würde, würde das wahrscheinlich nichts ändern. Darum bleibt es dabei, dass die Kommunen erneut über den Tisch gezogen werden.
Mein persönliches Highlight in der Anhörung zum Gemeindefinanzierungsgesetz war die Frage eines Abgeordneten aus der Koalition zu den Rückzahlungsmodalitäten der Milliarde.
Das fachkundige Publikum weiß, dass es überhaupt keine Modalitäten gibt. Das wiederum zeigt, auf welches Niveau die CDU im Kommunalausschuss mittlerweile abgerutscht ist.
Zu der Frage des Koalitionsabgeordneten passte wunderschön die Antwort eines Sachverständigen. Diese lautete: Interessant, dass Sie das fragen, aber dazu hätten wir eigentlich gerne Antworten von Ihnen gehört. – Das sagt, glaube ich, alles zum Niveau der Diskussion rund um das Gemeindefinanzierungsgesetz.
Werfen wir noch ein Blick auf die coronabedingten Belastungen kommunaler Haushalte: Diese können die Städte und Gemeinden jetzt isolieren, aber nicht etwa deshalb, weil sie Corona hätten, sondern damit sie praktisch weg sind, abgeschrieben, isoliert sind. Das hilft kurzfristig, keine Frage. Hinten raus wird es aber eine schwere Hypothek. Abschreiben ist kein Gelddrucken. Genau so wird aber getan, und das ist schlicht zu kurz gedacht.
Wunderbar ist, dass wir bei der Frage, was der Bund und das Land tun, um bei Corona zu helfen, von der CDU und der FDP immer vorgehalten bekommen:
Herr Scholz macht viel zu wenig, und Frau Scharrenbach macht alles richtig.
Darum will ich den Einzelplan 08 aus meiner Betrachtung mit einem Wilhelm-Busch-Zitat schließen: Ein Onkel, der Geschenke mitbringt, ist mir lieber als eine Tante, die bloß Klavier spielt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Déus, ich hatte schon telefonisch die Möglichkeit, mache es aber auch gerne hier noch persönlich. Gute Besserung für Sie! Ich kenne das im Moment. Wir Männer in dem Alter haben das Problem, dass wir das eine oder andere Mal häufiger als früher den Arzt aufsuchen. Mir geht es im Moment auch so.
Insofern gute Besserung!
Meine Damen und Herren, die Wirtschaft lahmt coronabedingt. Umsätze brechen ein. Gewinne brechen weg. Wo Gewinne wegbrechen, bricht Gewerbesteuer weg. Die Bedeutung der Gewerbesteuer für die Kommunen ist uns allen klar. Klar ist sie auch dem Bund. 11,8 Milliarden Euro stellt er gemeinsam mit den Ländern zur Verfügung. Dafür sind wir Bundesfinanzminister Olaf Scholz dankbar.
Der Solidarpakt, den Scholz für die Kommunen vorgeschlagen hat, hätte auch eine Altschuldenlösung beinhaltet. Wir alle wissen: Die CDU-Bundestagsfraktion hat das verhindert.
Dennoch: 11,8 Milliarden Euro sind wichtig. 2,72 Milliarden Euro davon fließen an die NRW-Kommunen. Und jeder Euro wird gebraucht.
Der Bund hatte und hat das Ziel, Gewerbesteuerausfälle zu kompensieren. 2020 ist das Jahr, mit dem wir uns befassen. Da fallen die Einnahmen weg. Der Ansatz der Landesregierung, zwecks Verteilung das Jahr 2020 mit vorhergehenden Jahren ins Verhältnis zu setzen, ist logisch.
Doch die Landesregierung macht meines Erachtens im Detail einen Fehler. Sie will für die Verteilung zum Jahr 2020 auch noch das vierte Quartal 2019 mit einbeziehen. Aber bekanntlich hatten wir im vierten Quartal 2019 keine coronabedingten Steuerausfälle. Ohne jede Ideologie in einem Rechenmodell so zu tun, als hätten wir 2019 schon Corona gehabt, klingt nicht sinnvoll. Und ich gehe weiter: Das ist auch nicht sinnvoll.
Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen möchten wir darum einen anderen Vorschlag machen, einen Vorschlag, der gerechter ist. Wir wissen, wie die Steuereinbrüche 2020 aussehen. Aber das vierte Quartal fehlt zugegebenermaßen. Lassen Sie uns doch auf Basis der vorliegenden Erkenntnisse die Werte für das vierte Quartal hochrechnen. Das ist deutlich besser, als Daten aus 2019 hineinzupacken, also aus einem Jahr, in dem die Krise noch gar nicht stattfand.
Um es einmal ganz bildhaft darzustellen: Stellen Sie sich vor, dass Sie Feuerwehrmann sind. Sie werden mit neun brennenden Häusern konfrontiert und mit dreien, auf die gerade das Feuer überspringt. Jetzt sollen Sie das benötigte Löschwasser kalkulieren. Was tun Sie? Ignorieren Sie die drei Häuser, die gerade Feuer fangen, und berechnen lieber drei nicht brennende Häuser aus einem anderen Stadtteil mit ein? Oder erkennen Sie, dass auch die drei Objekte Hilfe brauchen, die gerade beginnen, zu brennen und Opfer der Flammen zu werden?
Ich denke, dass die Antwort auf der Hand liegt. Darum bitte ich Sie herzlich: Entscheiden Sie richtig. Lassen Sie die Idee fallen, Monate in die Hilfe einzuberechnen, in denen Corona gar keine Rolle gespielt hat.
Ein weiterer Punkt ist auch wichtig. Ganz genau weiß niemand von uns – das hat der Kollege gerade völlig zutreffend ausgeführt –, wie die Einnahmeausfälle Ende 2020 aussehen werden. Eventuell reichen die 2,72 Milliarden Euro auch gar nicht aus. Für solche Fälle hat dieses Haus einen Rettungsschirm beschlossen. Den sollten wir auch nutzen. Darum sollten wir in dieses Gesetz einen entsprechenden Airbag einbauen. Ich bitte Sie, darüber noch einmal nachzudenken, und bitte um Zustimmung.
Ich will mich zum Schluss noch einmal bei dem Kollegen Mostofizadeh von Bündnis 90/Die Grünen für die Zusammenarbeit in der Sache bedanken. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Koalition! Wir haben Ihnen in Sachen GFG, was die Zeitabläufe betrifft, schon weitgehende Zugeständnisse gemacht. Ganz so nachsichtig kann es jetzt hier in dieser Rede leider nicht weitergehen.
Der Rowohlt-Verlag – den kennen Sie bestimmt; die haben auf dem Buchdeckel immer dieses schöne „rororo“ – hat das passende Buch zu diesem GFG 2021 verlegt. Es trägt den Namen „Tarnen, tricksen, täuschen: Das erfolgreiche Projektmanagement“. Das passt so schön, weil Sie mit diesem GFG genau das tun: Sie tarnen, Sie tricksen, Sie täuschen, und ich weise Ihnen das jetzt einmal nach.
Zunächst einmal zum kleinen Einmaleins der Finanzierung unserer Kommunen: mehr Steuereinnahmen des Bundes gleich mehr Masse für das GFG, weniger Steuereinnahmen gleich weniger Masse. – Das bleibt so lange so, bis man den Verbundsatz anpackt. Der Verbundsatz führt uns an den Punkt, an dem diese Landesregierung die Menschen täuscht.
CDU und FDP erzählen seit geraumer Zeit praktisch überall, sie hätten den Verbundsatz erhöht. Ich wage mal die These, dass wir hier im Raum auch gleich wieder etwas von den „echten“ 23 % hören und welch großzügige Entscheidung der Koalition das sei. Schauen wir uns mal die Fakten hinter der Täuschung an.
Zur Finanzierung der Deutschen Einheit wurden damals auch die Kommunen herangezogen. Im Rahmen der kommunalen Beteiligung an der Finanzierung der Deutschen Einheit – das ist zugegebenermaßen ein bisschen verkürzt dargestellt – erfolgte auch der Abschlag in Höhe von 1,17 % auf das GFG. Da die Deutsche Einheit nunmehr abfinanziert ist, entfällt auch das Erfordernis des Abschlags. Das ist eine logische Folge und keine Ehrentat der Landesregierung. Genau das behauptet diese aber.
Um es mal bildlich auszudrücken: Sie sehen einer Kerze beim Abbrennen zu, die seit dem Tag ihrer Herstellung für eine bestimmte Zeit konstruiert war. Wenn die Kerze dann abgebrannt ist, bekommen Sie sich kaum noch ein vor Verzückung und rufen überall herum: Wir haben das Feuer gelöscht. – Das, meine
Damen und Herren, ist kompletter Unfug, oder anders gesagt: Es ist eine billige Täuschung.
Jetzt komme ich zum Bestandteil des GFG, den CDU und FDP als weitere Erhöhung der GFG-Masse tarnen, die die Kommunen aber in Wirklichkeit selber bezahlen sollen. 13,573 Milliarden Euro ist das GFG 2021 schwer. Das ist in etwa das, womit die Kommunen gerechnet haben und wonach sie ihre Finanzplanung aufgestellt haben. Corona drückt auf die Wirtschaftslage. Die Einnahmen aus dem Steuerverbund sinken. Dadurch sinkt automatisch die GFG-Masse, mit der die Kommunen geplant haben. Auch für solche Folgen hat dieses Haus hier den Coronarettungsschirm beschlossen.
Gedacht ist er dafür, die Coronafolgen abzufedern. Als endfälliges Darlehen war er nie vorgesehen.
Genau das macht Frau Scharrenbach aber jetzt daraus. Sie nimmt 928 Millionen Euro aus dem Rettungsschirm, packt sie ins GFG, zahlt sie an die Kommunen aus und erhöht damit den ohnehin schon riesigen Schuldenberg unserer Kommunen. Denn sie holt sich das Geld einfach über zukünftige GFGs zurück. Dafür, meine Damen und Herren, hat dieses Parlament den Rettungsschirm nicht beschlossen.
Hier werden jetzt praktisch 396 Regenschirme an unsere Städte und Gemeinden verteilt und mit dem Aufdruck versehen: nach Nutzung zurück an den Eigentümer. – Das Problem dabei, meine Damen und Herren: Es wird noch verdammt lange regnen.
Die SPD-Fraktion fordert Sie auf: Stocken Sie das GFG so auf, wie es sich gehört. Nehmen Sie die Milliarde aus dem Rettungsschirm, spielen Sie nicht Sparkasse und auch nicht Regenschirmverleiher. Drücken Sie unseren Kommunen keine neuen Schulden auf, die diese ohnehin nicht zurückzahlen können.
Zu den coronabedingten Steuerrückgängen haben Professor Junkernheinrich und die SPD-Fraktion schon im Juni saubere Prognosen vorgestellt. Diese Steuerrückgänge kann man nicht wegverordnen. Mit dem NKF-COVID-19-Isolierungsgesetz tut SchwarzGelb aber genau das. Sie zwingen die Kämmerer, die in Rede stehenden Beträge zu isolieren und langfristig ertragswirksam abzuschreiben.
Sie gehen damit eine gewaltige Wette auf die Zukunft ein. Das kann gut gehen, muss es aber nicht. Hinzu kommt, dass Abschreiben nicht gleich Gelddrucken ist. Wie die isolierten Gelder irgendwann einmal ausgeglichen werden sollen, lässt die Landesregierung offen. Es bleibt dabei: Das ist nichts anderes als eine
Wette auf die Zukunft. Wer wetten will, der sollte bitte auf die Rennbahn gehen, in die Spielhölle gehen, Investmentbanker werden, aber hier keine Politik machen.
Jetzt will ich mal auf die Ideologie in diesem GFG blicken. Sie lautet wieder: Schlüsselzuweisungen runter, Pauschalen rauf. – Angeblich bekämen dadurch alle Kommunen mehr Geld, was natürlich Quatsch ist.
Und da sind wir an dem Punkt, an dem Ihnen Trickserei vorzuwerfen ist. Auch wenn ich jetzt ausgewiesene Fachleute kommunaler Finanzen nicht langweilen möchte, will ich das hier trotzdem mal plastisch machen. Schlüsselzuweisungen sind finanzkraftabhängig, Pauschalen sind es nicht. Weniger Schlüsselzuweisungen bedeuten weniger Mittel für finanzschwache Kommunen und damit weniger Solidarität.
Um das mal für die Abgeordneten der CDU verständlich zu machen, die immer von gestiegenen Pauschalen und damit von angeblich mehr Mitteln für alle Kommunen sprechen: Stellen Sie sich mal vor, Sie haben einen Euro, und den dürfen Sie verteilen. Ich habe Ihnen mal einen Euro mitgebracht.
Es heißt ja, das, was man sieht, behält man besser als das, was man nur hört. Kommen wir zurück zu dem Euro. Sie haben den also, und Sie verteilen diesen Euro jetzt an drei Personen. Sie geben 33 Cent an Friedrich Merz, 33 Cent an Norbert Röttgen und 33 Cent an Armin Laschet. Den Cent, der durch das Teilen dadurch übrigbleibt, können Sie gedanklich mal behalten.
Jetzt wollen Sie an der Verteilung etwas ändern, und Sie beschließen, dass Norbert Röttgen und Friedrich Merz jeweils 10 Cent weniger und damit jeder jeweils nur noch 23 Cent bekommt bzw. zusammen nur noch 46 Cent. Für Armin Laschet bleiben dann 20 Cent mehr übrig, und er bekommt insgesamt 53 Cent. Damit geben Sie Armin Laschet natürlich mehr Geld, aber die beiden anderen bekommen weniger als zuvor.
So einfach, wie das Beispiel ist, so einfach verhält es sich auch im GFG. Auch hier können Sie jeden Cent von ein und demselben Euro nur einmal ausgeben. Und weil Sie das nicht tun bzw. es jedenfalls anders behaupten, tricksen Sie.
Abschließend: Wir können uns hier Jahr für Jahr über das GFG unterhalten. Das müssen wir, und das werden wir auch. Solange diese Landesregierung aber beim Thema „Altschuldenlösung“ weiter auf Arbeitsverweigerung setzt, hat die kommunale Familie ein
Problem, das Jahr für Jahr größer wird – mit oder ohne Corona.
Da hilft kein Zaudern, da hilft kein Verstecken, da helfen keine Buchungstricks und auch keine Wetten auf die Zukunft. Ich habe die Hoffnung nicht verloren, dass diese Regierung und Mehrheit es bis 2022 noch einsieht. Geschieht dies nicht, regeln wir es eben nach der Regierungsübernahme. – Vielen Dank.
Danke schön. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier noch einmal zu einem bestimmten Punkt Stellung nehmen, weil ich mich falsch zitiert fühle, Frau Ministerin.
Ich habe nach meiner Erinnerung und auch nach meinem Skript überhaupt nicht über die Investitionspauschale gesprochen. In einem früheren GFG gab es da einmal eine Veränderung. Damals haben Sie das eingeführt. Wenn ich mich recht erinnere, waren es im ersten GFG 120 Millionen Euro.
Das habe ich damals kritisiert. Zu der Kritik, dass Sie das zulasten der Schlüsselzuweisungen und zugunsten der allgemeinen Investitionspauschale verschoben haben, stehe ich immer noch. Dazu habe ich eben aber nichts gesagt. Sie haben mich gerade so zitiert, als hätte ich mich zur Investitionspauschale verhalten, und daraus abgeleitet, ich wollte kritisieren, dass die Landesregierung den Kommunen mehr Beinfreiheit gibt. Das ist überhaupt nicht Gegenstand der Diskussion gewesen. Jedenfalls war es nicht Gegenstand meines Wortbeitrages.
Das macht das, was Sie tun, aber nicht richtiger. Denn ich möchte hier etwas erwähnen, auf das Sie gar nicht eingegangen sind und auf das Sie nie eingehen.
Sie können den einen Euro, den Sie ins GFG geben, nur einmal verteilen, solange Sie die Masse nicht erhöhen. Und das tun Sie nicht. Darum bleibt das, was ich gesagt habe und was Sie nicht kritisiert haben, nämlich, dass die finanzkraftabhängigen Schlüsselzuweisungen sinken, wenn Sie die Pauschalen insgesamt erhöhen, zutreffend.
Es wäre schön, wenn Sie dazu einmal etwas sagen würden. Mit den Kommunen, mit denen Sie sprechen und die sich für mehr Beinfreiheit Gedanken machen, spreche ich übrigens auch; ich habe auch schon die eine oder andere positive Rückmeldung dazu bekommen. Aber Sie können doch nicht bestreiten, dass es ein durchaus kritikwürdiger Punkt ist, der zumindest von mir aus der Opposition heraus erwähnt werden darf, dass Sie Kommunen mit weniger Steuerkraft durch dieses Modell faktisch weniger Geld zur Verfügung stellen als vorher.
Ihre Kolleginnen und Kollegen, insbesondere die der CDU-Fraktion, gehen immer wieder hin und sagen: Durch dieses neue Modell bekommen alle Kommunen mehr Geld. – Das ist inhaltlich falsch. Und das habe ich hier gerade ausgeführt.
Danke schön, Herr Präsident, für die Worterteilung. – Frau Ministerin, wenn ich das eben erstens richtig gehört und zweitens richtig mitgeschrieben habe, dann haben Sie gesagt, dass Sie bezüglich der Konzepte mit den kommunalen Spitzenverbänden im engen Austausch stehen und – ich zitiere Sie – abgestimmt mit ihnen handeln.
Wie erklären Sie sich denn in dem Zusammenhang eine Pressemitteilung des Vorsitzenden des Städtetags Nordrhein-Westfalen von heute? Darin führt dieser aus:
„Ich sehe eine erhebliche Unruhe in zahlreichen NRW-Städten über die Haltung des Landes, weil die Regelungen nicht flexibel genug sind. Wir appellieren deshalb dringend an die Schulministerin, den Städten praxistaugliche Maßnahmen an die Hand zu geben, damit Schulen auf steigende Infektionszahlen angemessen reagieren können.“
Wenn Sie sich so gut mit denen abstimmen, wie erklären Sie sich dann dieses Statement?
Wir verschieben es auf das nächste Plenum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte schon ein bisschen Sorge, weil die Zeit von gestern Abend bis heute Morgen um 10 Uhr ziemlich knapp war, ob ich noch eine vernünftige Rede hinbekomme. Aber ich habe jetzt gesehen, Herr Professor Pinkwart:
Mehr Vorbereitungszeit führt nicht automatisch zu einer inspirierenden Rede, auch nicht heute Morgen um 10 Uhr.
Meine Damen und Herren, der Strukturwandel im Rheinischen Revier ist ein Dekadenprojekt. Dieses Projekt müssen wir gemeinsam angehen, unabhängig von jeder Farbenlehre. Vieles, was wir da gerade machen, wird noch geschärft. Wir sind in dem Prozess auf Hinweise angewiesen. Wir wollen einbinden und mitnehmen. Verbesserungsvorschläge hören wir gerne.
Bitte bringen Sie sich aktiv ein! Aktuelle Mehrheiten sind nur aktuelle Mehrheiten! Die werden sich im Laufe des Strukturwandels auch wieder ändern können; das ist doch klar!
Im Vordergrund muss stehen, dass wir das alle gemeinsam bewältigen! – Das sind Aussagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die nicht von uns stammen. Vielmehr habe ich die gestern hier im Landtag in Raum E3 D 01 von einem Vertreter der Landesregierung gehört.
Da wurden interessierte SPD-Landtagsabgeordnete zu einem Fortschrittsgespräch über das Rheinische Revier informiert. Den Termin will ich gar nicht kritisieren; für den bin ich dankbar. Der war gut, der war wertschätzend. Da habe ich mich mitgenommen gefühlt.
Begonnen hat der Termin gestern um 17:00 Uhr. Währenddessen habe ich dann per SMS die Information bekommen, dass der WDR am 16:59 Uhr mit der Nachricht online gegangen ist, dass es eine neue Leitentscheidung gibt, und aus der zitiert der WDR im Detail.
Kurz danach folgt „dpa“. Deren Redaktion liegt die Leitentscheidung auch schon vor. Wir sitzen immer noch in dem Gespräch. Um 19:11 Uhr dann folgt die „Rheinische Post“ ebenfalls mit Details aus der Leitentscheidung. Danach folgen weitere Medien. Sie setzen unterschiedliche Schwerpunkte, und sie alle zitieren aus der Leitentscheidung. Um 20:08 Uhr dann leitet der Landtagspräsident den Mitgliedern des Landtags die Leitentscheidung zu.
Der Termin der SPD-Abgeordneten mit dem Vertreter der Landesregierung, der zwischen 17:00 Uhr und 18:30 Uhr für das Miteinander im Sinne des Reviers warb, ist zwischenzeitlich vorbei. Er hat nur kurz auf mich persönlich gewirkt.
Denn ich will Ihnen ganz offen sagen, meine Damen und Herren: Zwischen 17:00 Uhr und 20:08 Uhr gestern Abend hat sich etwas verändert. Ich fühle mich nicht mehr mitgenommen, und um es mit den Worten von Herrn Gesundheitsminister Laumann etwas deutlicher zu sagen: Verarschen kann ich mich alleine!
Was erzählt uns Herr Laschet immer zum Strukturwandel? Er erzählt immer etwas von Miteinander und gemeinsamer Verantwortung. Herr Laschet hat am Schluss seiner Unterrichtung zum Kohlekompromiss im letzten Satz gesagt – ich zitiere –:
„Ich lade Sie alle ein, aktiv und konstruktiv an diesem für unser Land so wichtigen Prozess mitzuwirken.“
„Packen wir es an.“
gemeinsam –
„Damit der Wandel gelingt.“
Was Ihre Staatskanzlei, Herr Laschet, gestern Abend gemacht hat, ist das komplette Gegenteil davon.
Wenn man schon so dreist ist, heute Morgen um 9:00 Uhr auch noch für ausgewählte Journalisten einen exklusiven Hintergrund zur Leitentscheidung im Wirtschaftsministerium anzubieten, dann wird noch mal deutlich klar: Das, was Herr Laschet hier am Pult zum Miteinander sagt, das gilt, solange er hier steht. Sobald er den Raum verlässt, hat das keine Bewandtnis mehr.
Eine Leitentscheidung ist Regierungshandeln. Dass Sie etwas vorlegen, ist Ihr Recht, es ist Ihre Pflicht, es ist geboten, und es ist an der Zeit.
Es ist Zeit für eine neue Leitentscheidung. Sie organisiert die Umsetzung der gefassten Beschlüsse zum Ausstieg aus der Braunkohle und zum Einstieg in ein neues, nachhaltiges Wirtschaften im Rheinischen Revier. Grundlage des heutigen Entwurfs der Leitentscheidung sind die Leitentscheidung aus dem Jahr 2016, die Empfehlungen der WSB-Kommission, das Kohleausstiegsgesetz und das Strukturstärkungsgesetz.
Die Leitentscheidung beruht auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Konsens, der in der WSBKommission mit Umweltverbänden, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik vereinbart worden ist. Diesen Konsens begrüßen wir nach wie vor, und er findet sich wieder in den von Bundestag und Bundesrat gefassten Beschlüssen von diesem Sommer.
Der erarbeitete Kompromiss sagt aus: Bis spätestens 2038 steigt Deutschland aus der Braunkohleverstromung aus, der Hambacher Forst soll erhalten bleiben, die Beschäftigten aus den Tagebauen und Kraftwerken dürfen nicht ins Bergfreie fallen, die Region wird beim Transformationsprozess finanziell und strukturell unterstützt.
Trotzdem stellt der Konsens die Beschäftigten, die Kommunen, die Wirtschaft, ja alle Menschen im Rheinischen Revier vor große Herausforderungen. Denn das sind rund 2.500 km2, über die wir hier im Rheinischen Braunkohlerevier sprechen. 14.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze in der Braunkohle sind besonders vom Ausstieg betroffen. Das bereitet den Menschen in der Region große Sorgen. Denn im Rheinischen Revier besteht die Herausforderung gerade darin, dass man aktuell mit und auch durch die Braunkohleindustrie über gute Wertschöpfungsketten verfügt.
Festzuhalten ist, dass das Rheinische Revier im Rahmen des Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung in Deutschland eine tragende Rolle spielt. Bis schon zum Jahr 2023, also in rund zwei Jahren, werden 3 Gigawatt Kraftwerkskapazitäten abgeschaltet werden. Das bedeutet konkret den Verlust von 3.000 Arbeitsplätzen, Arbeitsplätze, die nicht mal eben kompensiert werden können. Festzuhalten ist, dass bis zum Jahr 2030 weitere 3 Gigawatt Kraftwerkskapazitäten abgeschaltet werden. Das bedeutet den Verlust von weiteren 3.000 Arbeitsplätzen im Rheinischen Revier.
Das alles zeigt auf, dass die unbestritten notwendige Energiewende mit unglaublicher Kraft auf die Region zwischen Mönchengladbach und Aachen wirkt.
Was die Region jetzt braucht, ist Planungssicherheit und eine Perspektive für die Zukunft. Die Beschäftigten im
Rheinischen Revier haben ein Recht auf diese Sicherheit, und ihre Heimatstädte haben ein Recht auf wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklungen. Dazu soll und muss eine Leitentscheidung beitragen.
Die Leitentscheidung muss jetzt mit Leben gefüllt werden, sie muss transparent kommuniziert werden, sie muss mit Kommunen vor Ort umgesetzt werden. Diese jetzt zu echten Beteiligten des Prozesses, zu gleichberechtigten Mitentscheidern zu machen, das ist die Aufgabe dieser Landesregierung.
Was sind die Kernaussagen des Entwurfs der neuen Leitentscheidung der Landesregierung? Die Fortführung des Tagesbaus Garzweiler in den 2016 beschlossenen Grenzen, der Erhalt des Hambacher Forsts, keine Veränderungen am Tagebau Inden, Erweiterung der Abstandsflächen zum Tagebau Garzweiler, der Erhalt von Morschenich, schnellere Umsetzung der Seenlandschaft, der Strukturwandel soll als Chance für die Region genutzt werden.
Auf einige dieser Punkte möchte ich jetzt kurz näher eingehen.
Der Tagebau Garzweiler wird bis zum Ausstieg aus der Braunkohle für die Sicherung der Grundlast und der Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen gebraucht. Der Tagebau versorgt die beiden modernen Braunkohlekraftwerke Neurath und Niederaußem mit Braunkohle. Die Versorgung der Kraftwerke kann aus infrastrukturellen Gründen nur mit Braunkohle aus Garzweiler erfolgen.
Bloß frage ich mich jetzt: Reicht die Begründung der Landesregierung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit zur Inanspruchnahme des Tagebaus aus? – Sie verweisen im Entwurf der Leitentscheidung nur auf das Kohleausstiegsgesetz. In der Leitentscheidung 2016 sind neun umfassende Studien zur Frage der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit der Leitentscheidung berücksichtigt worden.
Aus meiner Sicht muss die Leitentscheidung in dieser Frage auf einem breiterem Fundament stehen, einem Fundament, das sicher ist und nicht durch die Justiz schwere Risse bekommen könnte; denn die Begründung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit ist die Grundlage für alle weiteren Erwägungen der Landesregierung im Rahmen dieser Leitentscheidung. Eines darf nicht passieren, nämlich der Ausbruch erneuter Unsicherheit bei den Menschen im Rheinischen Revier. Sie wollen vornämlich zwei Dinge: Klarheit und eine Zukunftsperspektive.
Jetzt noch zum Hambacher Forst: Der Hambacher Forst, das Symbolbild in der Diskussion um das Ende der Braunkohleverstromung, bleibt erhalten. Wir reden hier von ca. 200 ha Waldfläche. Das Beibehalten des Forstes hat erhebliche Auswirkungen auf die Stadt Elsdorf. Die Kommune grenzt unmittelbar an
den Tagebau Hambach, und ein Drittel der Betriebsfläche des Tagebaus liegt auf dem Stadtgebiet.
Durch das vorzeitige Beenden des Tagebaus werden wichtige Flächen für die Entwicklung der Kommune nicht mehr zur Verfügung stehen. Das stellt die Menschen vor Ort vor große Herausforderungen. Darum ist es wichtig, dass Ausgleichsflächen geschaffen werden. Die Abstandsflächen zwischen Tagebau und der Stadt müssen optimal für eine neue Entwicklung genutzt werden. Dabei dürfen die Flächen nicht nur für die Landwirtschaft oder als Grünzüge zur Verfügung gestellt werden, sondern müssen auch als Siedlungsgebiete nutzbar gemacht werden. Nur so kann der Strukturwandel für Elsdorf gelingen, nur so haben die Menschen in Elsdorf eine Zukunftsperspektive.
Eines wird in der Leitentscheidung auch deutlich: Einfach nur nicht weiter zu baggern und damit den Forst zu erhalten, reicht nicht. Der Erhalt des Forstes steht im Zusammenhang mit erheblichen Maßnahmen zur Wasserversorgung.
Meine Damen und Herren, es müssen 1.000 Millionen Kubikmeter Erdmasse im Tagebau Hambach bewegt werden, damit die Endböschung dauerhaft standhaft ist. Woher diese Erdmassen kommen sollen, wird im Entwurf nicht deutlich. Ich meine, dass die Landesregierung auch bei dieser Frage noch ein paar Hausaufgaben zu machen hat.
Richtig ist allerdings, dass die für Natur und Naherholung wertvolle Sophienhöhe nicht angetastet werden soll, so wie das Kolleginnen und Kollegen hier im Haus auch schon mal gefordert hatten.
Zu den Abstandsflächen zum Tagebau Hambach: Wir begrüßen ausdrücklich die Erweiterung der Abstandsflächen zwischen dem Tagebau Garzweiler und der Wohnbebauung. Künftig müssen mindestens 400 m zustande kommen. Damit kommt es zu einer Verringerung der tagebaubedingten Emissionen. Betroffene Kommunen fordern einen Mindestabstand von 500 m. Ich meine, die Landesregierung muss noch etwas deutlicher herausarbeiten, warum dieser Abstand nicht ermöglicht werden kann. Ein Dialog mit den betroffenen Orten wäre für die Transparenz wichtig und notwendig.
Die Erweiterung der Abstandsflächen führt aber auch zu früheren und besseren Entwicklungsmöglichkeiten für die betroffenen Kommunen. Hier ist die Landesregierung in der Verantwortung, die Kommunen zu unterstützen und Lösungen für zukünftige Nutzungen aufzuzeigen. Lippenbekenntnisse reichen nicht. Gefragt sind Taten statt Worte, gefragt sind Macher und keine Zauderer.
Jetzt zur schnelleren Umsetzung der Seenlandschaft: Alleine der zuerst entstehende Restsee Inden wird eine Wasserfläche von 1.100 ha aufweisen und am tiefsten Punkt 180 m Wassertiefe haben. Der
Restsee des Tagebaus Hambach soll eine Fläche von 4.200 ha und der Restsee des Tagebaus Garzweiler eine Fläche von 2.300 ha haben. Alle drei Restseen werden zusammen also in der Region 7.600 ha für eine alternative Nutzung entziehen. Generationen nach uns werden die Diskussion führen dürfen und vielleicht auch müssen, wie sinnvoll das war. Heute aber muss es unser Auftrag sein, mit heutigen Erkenntnissen nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden.
Wir sollten nicht ständig vom „Entziehen“ der Nutzbarkeit für Gewerbe, Industrie und Wohnen sprechen, sondern von einem Gewinn zur Stärkung von Natur und Freizeit. Die Seen müssen als Aushängeschild für den Tourismus und die Lebensqualität in der Region genutzt werden. Das ist ein großer Schatz für das Rheinische Revier. Diesen Schatz muss die Landesregierung heben. Konkrete Ideen und Handlungsmöglichkeiten sind gefragt und müssen aufgezeigt werden. Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass die Befüllung des Tagebaus Hambach mit Wasser aus dem Rhein schneller erfolgen muss als es in der Leitentscheidung 2016 noch festgehalten war.
Schneller müssen auch Maßnahmen zum Umbau und zur Renaturierung der Erft erfolgen. Mit Beginn des Braunkohlentieftagebaus Mitte des letzten Jahrhunderts kam es zu tiefgreifenden Veränderungen für die Erft. Zur Trockenhaltung der Tagebaue muss permanent Grundwasser abgepumpt werden. Das so gewonnene Sümpfungswasser wird über die Erft abgeleitet. Die Menge des eingeleiteten Wassers betrug zeitweilig bis zu 1 Milliarde Kubikmeter pro Jahr.
Das hat zur Folge, dass ein guter ökologischer Gewässerzustand, wie ihn die Europäische Wasserrahmenrichtlinie fordert, an der Erft nicht ohne einen massiven Rückbau erreichbar sein wird. Darüber hinaus werden sich mit dem Auslaufen der Braunkohlegewinnung die mittleren Abflüsse deutlich bis auf ca. ein Viertel der heutigen Menge reduzieren.
Bis dahin soll der 40 km lange Flussabschnitt zwischen Bergheim und Neuss auf die zukünftigen Verhältnisse angepasst werden, wobei eine naturnahe Umgestaltung angestrebt wird. Die betroffenen Kommunen und die Gesellschaft müssen eng in diesen Prozess eingebunden werden. Die Erft ist zum Beispiel für eine Stadt wie Grevenbroich ein zentrales Element für die Stadtentwicklung; denn rund 20 km Erft fließen durch die Stadt. Es müssen daher Maßnahmen ergriffen werden, die die Erft nicht zum Rinnsal machen oder gar austrocknen lassen. Wir müssen für diesen wertvollen Raum für Natur und Naherholung eine Zukunft sicherstellen.
Wir müssen den Strukturwandel als Zukunftschance für die Region nutzen. Diese Zukunft kann man am besten voraussagen, wenn man sie selbst gestaltet. Dabei ist es wichtig, dass wir die Beschreibung
dieser Zukunft mit einem positiven Bild besetzen. Es geht nicht um Aussteigen, Abschalten und Zumachen, sondern um Einsteigen, Aufbrechen und Loslegen.
Wir wollen, dass NRW Vorreiter beim Einstieg in eine gesicherte, bezahlbare und erneuerbare Energieversorgung wird. Wir wollen eine klimaneutrale Produktion und Mobilität. Wir wollen hinein in eine mutige, anspruchsvolle Wasserstofftechnologie.
Die Energiewende gelingt uns nicht, indem wir einfach nur aus der Vergangenheit aussteigen, sondern indem wir in die Zukunft einsteigen. Wir müssen eine breite Transformation unserer Wirtschaft im Energiesektor und darüber hinaus gestalten. Wir reden zu oft von Ausstiegen und Schlusspunkten, doch in Wahrheit geht es um Einstiege und Anfänge. Es geht um Transformation unserer Wirtschaft. Es geht um Aufbruch in eine neue Zeit.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen dabei die Menschen im Rheinischen Revier zum Gewinner der Energiewende machen. Das ist unser Anspruch an diesen Transformationsprozess.
Für die SPD bedeutet der Strukturwandel die Sicherung und Stärkung des Industrie- und Gewerbestandortes, um auch zukünftigen Generationen die Wohlstandsfähigkeit zu sichern. Das Rheinland mit seinen vielfältigen Industrie- und Gewerbeunternehmen sowie der starken Hochschullandschaft gehört zu den stärksten Wirtschafts- und Forschungsstandorten Deutschlands. Das Rheinische Revier besitzt etwas, woran es anderen Regionen oft mangelt: neu nutzbare Flächen.
Diese Alleinstellungsmerkmale und die industriellen Kompetenzen müssen genutzt werden und für die Zukunft mit weiteren Innovationen weiterentwickelt werden.
Aus diesen grundsätzlich guten Voraussetzungen ist der Strukturwandel auch mit Zukunftschancen verbunden. Diese gilt es nun gemeinsam mit den Menschen in der Region, den Kommunen, den Beschäftigten, den Gewerkschaften, den Sozialpartnern, der Wirtschaft und der Wissenschaft erfolgreich zu gestalten.
Meine Damen und Herren, es liegt an uns allen, ob wir die Energiewende zum Erfolg führen, ob wir sie zum Fortschritt der Beschäftigten, zum Wohlstand für die vielen in unserem Land machen.
Das gelingt uns nur durch einen mutigen Aufbruch mit einer klaren Perspektive für die Zukunft. Wir werden diesen Prozess weiter mit guten Ideen begleiten. Diese Leitentscheidung enthält eine Menge Gutes. Sie enthält eine Menge Richtiges. Dort, wo ich Kritik für angebracht halte, habe ich das deutlich gemacht.
Ich erlaube mir zum Schluss noch eine Empfehlung:
Wir alle kennen die Werkzeuge des Framings. Wir alle wissen, wie das funktioniert. Ohne Not hat die Landesregierung genau dieses Mittel gestern Abend eingesetzt. Sie hat abends die Opposition zu einer Veranstaltung im Landtag getroffen und zum Miteinander eingeladen. Parallel dazu hat sie die Leitentscheidung bei verschiedenen Medien platziert. Mehr als drei Stunden, nachdem Medien aus der ihnen vorliegenden Leitentscheidung zitiert haben, hat die Landesregierung diesen Landtag informiert.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie groß die Verunsicherung bei Ihnen ist und was Sie sich dabei gedacht haben. Aber eines ist klar: Wer immer von gemeinsamer Verantwortung beim Strukturwandel spricht, aber das Parlament so vorführt, der kann Seriosität für sich nicht mehr in Anspruch nehmen.
Ich habe Verständnis dafür, dass Herr Laschet angesichts seiner Rundreisen keine Zeit mehr für Kleinigkeiten wie Leitentscheidungen hat. Aber dann muss er das in seinem Laden delegieren und kontrollieren. So kann das jedenfalls nicht weitergehen.
Nordrhein-Westfalen lässt sich nicht in Teilzeit regieren. Eine Leitentscheidung lässt sich nicht in Teilzeit herstellen. Das Ergebnis liegt auf dem Tisch. Mindestens Ihre Kommunikation ist völlig misslungen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. Ein herzliches Glück auf!
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Straßenausbaubeiträge, wie wir sie kennen, gibt es außerhalb von Nordrhein-Westfalen noch in einem einzigen Bundesland, nämlich im Stadtstaat Bremen.
Daran hat die größte Volksinitiative in der Geschichte unseres Bundeslandes mit weit über 400.000 Unterschriften nichts ändern können. Mit 100 zu 97 Stimmen hat die Koalition diese Volksinitiative denkbar knapp weggestimmt.
Daran haben Dutzende Bürgerinitiativen nichts ändern können.
Rund 140 Stadt- und Gemeinderäte, die Resolutionen beschlossen haben, haben daran ebenfalls nichts ändern können.
Die zahlreichen örtlichen CDU- und FDP-Gliederungen, die heute noch versuchen, auf ihre Landtagsfraktion einzuwirken, haben nichts ändern können.
Dass sich im Laufe der Beratungen der vergangenen Monate gezeigt hat, dass irgendetwas zwischen 40 % und 80 % der erhobenen Beiträge gleich wieder
vom Verwaltungsaufwand für die Erhebung selber aufgefressen wird, konnte ebenfalls nichts ändern.
Ich führe es Ihnen noch mal vor Augen: Zwischen 40 Cent und 80 Cent von jedem eingenommenen Euro werden sofort bei der Erhebung vor Ort verbrannt. – Das kann es nicht sein.
Demonstrationen und Kundgebungen vor Ort konnten nichts ändern.
Auch Herr Grochtdreis, der heute vor dem Landtag seine sage und schreibe 16. Mahnwache gegen Straßenausbaubeiträge abhält, konnte nichts ändern.
Alle Rufe, alle Argumente und auch alle Einzelschicksale finden bei dieser Landesregierung nach wie vor kein Gehör. Das frustriert Zehntausende Menschen in diesem Land.
Statt die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen, haben CDU und FDP dem § 8 KAG einen § 8a hinzugefügt. Dieser sieht wie folgt aus: Die Kommunen sollen jetzt ein Straßen- und Wegekonzept für fünf Jahre erstellen und transparent machen.
Damit wissen die Bürgerinnen und Bürger jetzt schon fünf Jahre vorher, wann ihre Existenz bedroht wird.
Außerdem müssen die Kommunen dafür externe Büros beauftragen und sehen für diese Beauftragung und deren Auswirkungen keinen Cent vom Land.
Es müssen jetzt verpflichtend frühzeitige Anliegerversammlungen stattfinden, aber keine Anliegerversammlung verhindert den anschließenden Beitragsbescheid. Daran ändert sich nichts.
Ratenzahlungen werden jetzt vereinfacht. Die betroffenen Anwohner sind dann also nicht mehr auf einen Schlag pleite, sondern haben Monat für Monat weniger im Portemonnaie.
Dann gibt es da noch ein neues Förderprogramm. Dessen Verfahren sieht wie folgt aus: Der komplette Abrechnungsaufwand der Kommune bleibt wie bisher bestehen. Die Kommune muss aber zusätzlich einen Förderantrag bei der NRW.BANK stellen. Die NRW.BANK prüft und erlässt vorbehaltlich ausreichender Mittel im Haushalt den Förderbescheid. Die Kommune erlässt anschließend den Beitragsbescheid. Dann legt die Kommune der NRW.BANK einen Verwendungsnachweis vor. Der wird dann natürlich wieder geprüft usw., usw., usw.
Dieses Konstrukt ist ein solches Bürokratiemonster, dass sich die kommunalen Spitzenverbände genötigt sahen, ihren Mitgliedskommunen das Verfahren in einem dreizehnseitigen DIN-A4-FAQ-Papier zu erklären.
Zu dem Gesetz gibt es jetzt schon 400 eng beschriebene Seiten Kommentierungen, und jetzt kommen wahrscheinlich, meine Damen und Herren, 400 weitere Kommentarseiten hinzu. Das kann doch im Jahr 2020 nicht Ihr Ernst sein!
Diese Reform macht ein nicht reformierbares System nur noch undurchschaubarer. Diese Reform macht das System noch teurer. Diese Reform verunsichert zahlreiche Bürgermeister in unserem Land derart, dass sie Straßen nicht mehr abrechnen, geschweige denn neue Maßnahmen planen. Diese Reform hat den Protest der Bürgerinitiativen nicht verstummen lassen. Diese Reform, meine Damen und Herren, hat keinen Frieden geschaffen, und ich sage Ihnen heute: Sie wird keinen Frieden schaffen.
Was übrigens auch keinen Frieden schaffen wird, ist der gestern noch vorgelegte Initiativantrag, ein Rechtfertigungspapier. Trockener könnte es nicht sein. Ich sage Ihnen: Deutlicher, meine Damen und Herren, können Sie den Bürgerinnen und Bürgern da draußen nicht zeigen, dass Sie kurz davor sind, an Ihrer eigenen Eitelkeit zu scheitern.
Jemand, der zuvor hätte 80.000 Euro zahlen müssen, muss jetzt vielleicht noch 40.000 zahlen.
Das ist selbstverständlich die Hälfte. Aber es gibt in diesem Land Menschen, die keine 40.000 Euro haben. An der Stelle bitte ich darum, dass Sie auch denen Gehör verschaffen. – Herzlichen Dank.
Danke schön, Herr Präsident. – Frau Kollegin Düker, ich habe es so in Erinnerung, dass es eine Leitentscheidung gab, die Sie
damals mitgetragen haben. Es gibt ja nun einmal auch Zwänge, wenn man in einer Regierung ist. Dann macht man vielleicht schon mal Dinge, von denen man nicht bei jedem Federstrich überzeugt ist, und schließt Kompromisse.
Im Anschluss – das will ich überhaupt nicht bewerten – haben sich in der Tat noch ein paar Dinge getan, und dann haben Sie das anders betrachtet.
Dann kam aber – darauf hat Kollege Schnelle hingewiesen – die breit aufgestellte Arbeit der Kohlekommission. Diese hat, jedenfalls meiner Auffassung nach, wiederum einen Kompromiss herbeigeführt.
Hier im Haus und an anderen Stellen habe ich es so verstanden, dass Sie, die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, daraufhin gesagt haben: Wir tragen den Kohlekompromiss mit.
Jetzt sind wir wieder ein paar Monate weiter, und Sie sagen: Leitentscheidung ist nicht mehr; Kohlekompromiss ist auch nicht mehr; Stilllegungspfad ist ebenfalls nicht mehr.
Da frage ich mich – und das fragen sich noch ein paar andere Menschen –, ob das noch etwas mit Zuverlässigkeit zu tun hat.
Ich gestatte immer Zwischenfragen. – Bitte schön.
Ich betrachte die Arbeit der Kohlekommission sowie deren Ergebnis als historisch. Da sind Gruppierungen, die sich inhaltlich durchaus vertieft verfeindet gegenübergestanden haben, an einen Tisch gekommen. Es gab einen langen Prozess. Das Ergebnis, das dabei herausgekommen ist, ist für mich maximal positiv, weil es jedenfalls die Chance beinhaltet, den Prozess zu befrieden.
Einzelne Dinge aus diesem Kompromiss wieder herauszuholen, finde ich nicht gut. Unabhängig davon, ob das der eine oder andere tut, ist mein Urteil insofern dasselbe.
Deswegen rufe ich Sie auf: Wenn Sie – wir tragen im Bundesland Nordrhein-Westfalen schließlich Verantwortung für drei Tagebaue, anliegende Kraftwerke, Menschen, die da wohnen, und Menschen, die sich für Wälder einsetzen – dafür sorgen wollen, dass hier Frieden einkehrt, dann tun Sie alles dafür – darum bitte ich Sie –, dass wir so nah wie möglich an dem Kompromiss der Kohlekommission bleiben.
Nun setze ich meine Rede fort. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert jetzt ein Abrissmoratorium für die Umsiedlungsorte im Umfeld des Tagebaus Garzweiler. Ich übersetze das einmal in einfache Sprache. Das bedeutet ja nichts anderes als eine Aufkündigung des vereinbarten Stilllegungspfades. Der Antrag ist nicht weniger als der Aufruf, den auf Bundesebene vereinbarten Kohleausstieg auf Landesebene aufzukündigen. Das finde ich nicht in Ordnung.
Wir blicken heute in der Debatte schon wieder zurück, anstatt nach vorne zu schauen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das finde ich nicht gut. Es wird der Sache vor Ort nicht gerecht.
Heute werden wieder Beschlüsse der Kommission „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ infrage gestellt. Heute wird wieder der mühsam errungene gesellschaftliche Konsens zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung hinterfragt.
Ich komme jetzt einmal zu einigen Fakten, die der Antrag nach meiner Auffassung ausblendet, die aber enorm wichtig sind.
Ohne die vollständige Inanspruchnahme des Tagebaus Garzweiler entsprechend der Leitentscheidung 2016 ist der Stilllegungspfad gemäß Bund-LänderEinigung schlicht nicht umsetzbar.
Die Entscheidung zur Kohleverstromung und deren Beendigung ist mit ebendiesem Stilllegungspfad auf Bundesebene gesetzlich festgelegt.
Die Frage ist jetzt natürlich, ob man den Stilllegungspfad überhaupt noch will. Ich würde das uns allen hier im Raum empfehlen; denn er korrespondiert mit dem Erhalt des Hambacher Forstes, der den Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen ja sehr wichtig ist – wofür ich im Übrigen Verständnis habe. Sie finden den Forst wichtig. Dazu haben Sie jedes Recht, und das ist okay.
Wenn man den Stilllegungspfad aber noch will und den Hambacher Forst erhalten will, dann entsteht daraus eine ganz einfache Formel. Sie lautet wie folgt: Stilllegungspfad plus Erhaltung Hambacher Forst gleich Auskohlung von Garzweiler bis 2038, mindestens aber bis 2035. – Das ist sehr simpel. Aber das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.
An die geschätzte Frau Kollegin Brems gerichtet – wir haben ja gleich eine zweite Runde; vielleicht sprechen Sie oder eine Kollegin oder ein Kollege noch dazu –: Vielleicht können Sie hier vom Pult aus gleich einfach einmal sagen – ich habe es nämlich weder im Antrag noch in der Wortmeldung hier herausgehört –, ob Sie noch zum Stilllegungspfad stehen oder nicht.
Nun komme ich zu der Forderung, den Hambacher Forst in öffentlichen Besitz zu überführen. Mir persönlich ist, ehrlich gesagt, nicht ganz klar, was diese Formulierung genau bedeuten soll. Sollen wir jetzt ein Gesetz machen, in dem das geregelt wird?
Streben Sie eine Enteignung an? Vielleicht könnten Sie uns einmal nicht nur die Forderung vortragen, sondern auch erklären, mit welchem Rechtskonstrukt das passieren soll.
Vielleicht ist das gar nicht so schwer. Ich persönlich habe auch nicht mit RWE darüber gesprochen, was sie mit dem Hambacher Forst jetzt vorhaben. Vielleicht wollen sie den Forst ja sogar loswerden. Ich weiß das nicht. Ich könnte mir das gut vorstellen. Vielleicht haben Sie eine gute Idee und unterbreiten hier im Raum gleich einmal einen Vorschlag, wer in Nordrhein-Westfalen gerne den Hambacher Forst übernehmen möchte – dann natürlich inklusive seiner mittlerweile vielen internationalen Einwohner in den Bäumen.
Im Punkt 1 des Beschlussteils fordern Sie ein Moratorium gegen Zerstörung usw. Außerdem gehen Sie in diesem Punkt auf auszusetzende Abrissgenehmigungen ein. – Ich habe Verständnis dafür, dass man aus Zeitgründen auch mal schnell einen Antrag zusammenkloppen muss. Das kommt vor. So etwas kennen wir alle. Das ist gar nicht schlimm. Aber Ihr Anspruch muss doch eigentlich sein, dass die Leserinnen und Leser in Grundzügen verstehen, was Sie eigentlich wollen.
Vielleicht liegt es aber auch an mir. Ich habe es jedenfalls nicht verstanden. Moratorium gegen was? Das steht im Beschlussteil nicht. Da steht „Moratorium“.
Vielleicht können Sie das noch ausführen. Was bedeutet „Moratorium“? Soll der Tagebau komplett angehalten werden? Oder was heißt das? Ich verstehe das nicht. Das mit den Abrissgenehmigungen habe ich verstanden, aber wofür das Moratorium gelten soll, nicht.
Ich habe die herzliche Bitte, dass Sie das noch ausführen. Auf Ihre Ausführungen würde ich dann gleich vielleicht auch noch antworten.
Zu dem Punkt 4 und den nicht mehr im Kraftwerk Weisweiler benötigten Kohlemengen aus dem Tagebau Inden muss ich Sie jetzt einmal anlächeln und sagen: Das finde ich nicht unclever. Das hat etwas. So haben Sie das hier bisher argumentativ auch noch nicht vorgetragen. Sie suggerieren damit: Garzweiler kann kleiner werden, und wir holen mehr Kohle in Inden heraus.
Unerwähnt lassen Sie aber, dass auch das einer Aufkündigung des gefundenen Kompromisses gleichkommt.
Und noch viel interessanter: Damit machen Sie rund um Inden die nächste Baustelle auf. Die Menschen rund um diesen Tagebau haben auch eine Tageszeitung. Darin werden sie morgen lesen, dass Bündnis 90/Die Grünen mit einem Antrag im Landtag Nordrhein-Westfalen jetzt die Frage rund um Inden neu aufmacht.
Was heißt das denn, die nicht benötigte Kohle in Inden jetzt zu nutzen, damit Garzweiler kleiner wird? Gehen wir jetzt in Inden tiefer? Das ginge. Da liegt gute Kohle. Die goldenen Jahre dieses Tagebaus kommen gerade. Sie haben in der Sohle, in der sie gerade sind, hocheffiziente Kohle.
Gehen wir da jetzt tiefer, Herr Klocke? Gehen wir breiter? Welche Renaturierungspläne gibt es für die Seen und das Drumherum? Was nehmen wir denn da jetzt weg? Es kann ja nicht sein, dass Sie fordern, Inden länger und stärker auszukohlen, und anschließend da
nichts passiert und alles bleibt, wie es war. Das sollten Sie hier einmal beantworten.
Ihre Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer im Kreis Düren und in der Städteregion Aachen tun mir jetzt schon leid. Das kommt politischem Selbstmord vor Ort gleich.
Deswegen ist Ihnen das nicht zu empfehlen. Ich frage mich tatsächlich, wie Sie auf eine solche Idee kommen können.
Ich habe einmal auf die Uhr geschaut. Ich denke, es ist schöner, wenn wir hier ein bisschen die Bälle hin und her spielen. Ich spreche gleich noch einmal und freue mich auf den weiteren Austausch. – Danke schön.
Danke schön. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eben ziemlich breit ausgeführt, was ich an Ihrem Antrag zu kritisieren habe.
Wenn man den Anspruch erhebt, seriös mit den Dingen umgehen zu wollen, kommt man natürlich auch nicht umhin festzustellen, dass etwas gut ist, wenn das der Fall ist, nämlich nach unserer Auffassung bei zwei Punkten Ihres Beschlussteils:
Die erste sinnvolle Forderung ist nach meiner Auffassung in Punkt 2 des Beschlussteils enthalten. Zu Kohlebedarfen gibt es derzeit ein grünes Lobbygutachten, und es gibt ein Gutachten des bergbautreibenden Unternehmens.
Die Forderung, dass auch die öffentliche Hand über ein eigenes Gutachten verfügen sollte, ist nach meiner Auffassung geboten, seriös und liegt im Interesse der Allgemeinheit. Dabei gehen wir gern mit, weil wir davon überzeugt sind, dass das sinnvoll ist.
Eine zweite sinnvolle Forderung stellt Punkt 3 des Beschlussteils dar; ich fasse kurz zusammen – man
könnte auch deutlich breiter dazu sprechen; das tue ich jetzt aber nicht –:
Es braucht eine Leitentscheidung – das kann niemand anzweifeln –, in deren Rahmen natürlich energiewirtschaftliche Notwendigkeiten seriös zu untersuchen und auch zu begründen sind. Deshalb erachten wir diesen Punkt als zustimmungsfähig.
Für die anderen Punkte – das führte ich im ersten Teil meiner Ausführungen eben aus – gilt das nicht.
Jetzt habe ich trotzdem noch die Gelegenheit zu konkretisieren, was ich eben zum Tagebau Inden gesagt habe. Ich will meine Fragen an die Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen einmal präzisieren.
Ich habe es gerade gegoogelt: Wir haben im Moment 1.700 ha Betriebsfläche bei einer genehmigten Abraumbetriebsfläche von 4.500 ha. Wir haben 180 m Tiefe. Sie haben in Ihrem Papier ausgeführt: Wenn die Kohle aus dem Tagebau Inden jetzt mehr genutzt wird – im Kraftwerk Weisweiler wird sie nicht mehr gebraucht –, wird der Tagebau Garzweiler kleiner.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder gehen Sie tiefer und holen mehr Kohle heraus, oder aber der Tagebau wird breiter, weil Sie in der Breite mehr herausholen.
Dann schließt sich doch folgende Frage an: Der gerade erst geänderte Braunkohlenplan verfestigt die weitere Nutzung des Lochs mit einer Seelösung. Vor Ort ist ein Kompromiss gefunden worden, der das ermöglicht. Was ist denn jetzt mit dem Braunkohlenplan, wenn Sie mehr herausholen – tiefer, breiter, länger? Vielleicht können Sie das noch mal erklären; ich habe es nicht verstanden.
Ich sage Ihnen ganz klar: Wenn morgen die „Aachener Zeitung“ im Auflagengebiet Städteregion Aachen und Kreis Düren mit dem Thema nicht aufmacht, habe ich mich schwer geschnitten. Ich kann es mir nicht vorstellen.
Ich glaube, das war eine ganz schlechte Idee. Sie haben schon für viel Unruhe gesorgt. Vielleicht können Sie das gleich noch kitten, indem Sie mit dem Ganzen hier aufräumen. – Vielen Dank.