Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 50. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich zehn Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Die im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, die Aussprache über die von der Fraktion der AfD in der Drucksache 17/5164 beantragte Aktuelle Stunde, die für Freitag vorgesehen war, heute als Tagesordnungspunkt 2 durchzuführen.
Die von der Fraktion der SPD in der Drucksache 17/5162 beantragte Aktuelle Stunde, die für heute vorgesehen war, soll am Freitag unter Tagesordnungspunkt 1 debattiert werden.
gung sichern – Mit der Versöhnung von Ökologie und Ökonomie stärken wir das Industrieland Nordrhein-Westfalen
Ergebnisse der Kohlekommission umgehend umsetzen – Landesregierung muss Klarheit für alle Beteiligten schaffen!
Gestalteter Strukturwandel statt entfesselter Märkte für Nordrhein-Westfalen – Landesregierung gefordert
Versorgungssicherheit und Arbeitsplätze sichern, weiteren Strompreissteigerungen entgegentreten: Kohleverstromung erhalten.
Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 11. Februar 2019 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag zu dem Thema „Klima schützen, Wohlstand und Beschäftigung sichern – Mit der Versöhnung von Ökologie und Ökonomie stärken wir das Industrieland Nordrhein-Westfalen“ zu unterrichten.
Die Aussprache zur Unterrichtung wird vereinbarungsgemäß in Verbindung mit dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dem Antrag der Fraktion der SPD sowie dem Antrag der Fraktion der AfD durchgeführt.
Die Unterrichtung durch die Landesregierung erfolgt durch den Ministerpräsidenten Armin Laschet. Ich erteile Herrn Ministerpräsidenten Armin Laschet das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kaum eine Frage hat unser Land so sehr geprägt und beschäftigt wie die Frage nach der Energiegewinnung. Ob die Steinkohle aus dem Ruhrgebiet, aus dem Ibbenbürener Revier und aus dem Aachener Revier oder die Braunkohle aus dem Rheinischen Revier: Die Kohle hat unser Land groß, wirtschaftsstark und wohlhabend gemacht. Sie hat auch das gesellschaftliche Miteinander in unserem Land nachhaltig geprägt.
Ohne die Kohle aus Nordrhein-Westfalen wäre das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg nicht möglich gewesen. Unser Land war und ist bis heute Energielieferant für den Industriestandort Deutschland.
Aber die Menschen in den Revieren haben dafür in den letzten Jahrzehnten einen hohen Preis bezahlt. Ihnen ist viel zugemutet worden – ob im Steinkohlebergbau, in dem Hunderttausende Bergleute teils mit
Staublunge ihre Gesundheit und zum Teil auch ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, oder im Braunkohletagebau, dem zahlreiche Dörfer weichen mussten. Die betroffenen Menschen mussten das aufgeben, was uns Menschen am wichtigsten ist: das Zuhause, die Heimat, das eigene Haus, die Schule, die Kirche, in der man getauft wurde – möglicherweise war man auch sonntäglich in der Gemeinde aktiv –, und sogar den Friedhof, auf dem vielleicht die Eltern oder Großeltern begraben sind.
Diesen Menschen, die diese Opfer in Jahrzehnten für das Gemeinwohl und den Wohlstand in NordrheinWestfalen und in Deutschland gebracht haben, will ich heute im Namen von Millionen anderen danken.
Die Frage nach der besten Form der Energiegewinnung musste immer wieder neu verhandelt werden. Seit den 50er-/60er-Jahren dachte man, man hätte eine weniger schädliche Energieform gefunden. Technikgläubig, fortschrittsgläubig dachte man, die Kernenergie löse dieses Problem. Heute wissen wir: Sie ist es auch nicht. Bis zum Jahr 2022 steigt Deutschland aus der Nutzung der Kernenergie aus.
Stattdessen setzen wir heute auf die erneuerbaren Energien. Aber auch hier wissen wir: Das funktioniert nicht von allein. Es gibt Bürgerproteste gegen Stromtrassen, Windparks oder Windräder in der Nachbarschaft. Vor allem funktioniert es auch nicht von heute auf morgen. Wir brauchen Speichertechnologien für Tage ohne Wind und Sonne.
Heute ist ein eher sonniger Tag. Es weht auch Wind. In diesen Minuten setzt sich der deutsche Strommix wie folgt zusammen: 37 % Kohle, 13 % Kernenergie und 10 % Gas; den Rest leisten derzeit die regenerativen Energien. Das heißt: Selbst bei relativ günstigen Bedingungen sind wir noch zu 60 % auf konventionelle Energieträger angewiesen.
Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass wir weiterhin fossile Energieträger benötigen werden, weil wir auf absehbare Zeit nur so die Versorgungssicherheit erreichen können. Das wird in den nächsten beiden Jahrzehnten ganz maßgeblich auch noch die Kohle sein. Das wird mit zunehmender Bedeutung aber vor allem auch Erdgas sein.
Manche Leute sagen, wir sollten auf Gas umsteigen, weil das CO2-freundlicher sei. Das stimmt zwar. Aber auch das ist nicht ohne Risiken. Die Niederlande, selbst einer der größten Erdgasproduzenten und -exporteure in der EU, steigen aus der Gasgewinnung aus. Es wird heftig darüber diskutiert. Manche kritisieren Nord Stream 2 und russisches Gas. Andere kritisieren LNG, verflüssigtes Gas, aus den USA, weil es durch Fracking hergestellt wird. Daran kann man erkennen, dass Energiepolitik immer auch mit Risiken und Belastungen für die Umwelt verbunden ist.
Zur Ehrlichkeit gehört übrigens dazu, dass wir mit Blick auf unsere Klimapolitik bei allem Optimismus auch realistisch bleiben müssen. 2017 haben die Braunkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen zum weltweiten CO2-Ausstoß 0,26 % beigetragen. Das heißt: Mit dem Ausstieg bewegen wir etwas.
Mit dem Ausstieg zeigen wir, dass ein Energie- und Industrieland es ernst mit der Energiewende meint. Aber wir dürfen den jungen Menschen auch nichts vormachen. Wenn alle Braunkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen abgeschaltet sind, tragen wir damit 0,26 % zur weltweiten CO2-Einsparung bei.
Das gehört zum Realismus dazu. Wir nehmen uns ambitiöse Ziele vor. Aber man muss auch erklären, welche Wirkung das auf das wirklich große Thema des Klimawandels, dem wir uns stellen, hat: 0,26 %.
Uns alle eint das Ziel, dass die Energieversorgung der Zukunft durch erneuerbare Energien getragen werden soll. Jetzt kommt es darauf an, Rahmenbedingungen für den Weg dorthin langfristig und verlässlich zu gestalten.
Langfristig und verlässlich sollen Leitentscheidungen sein. Es gibt drei große Leitentscheidungen für das Rheinische Revier aus den Jahren 1987,1991 und 2016.
Bereits die Leitentscheidung aus dem Jahr 2016 hat zur planerischen Begründung auf die Genehmigung für den Tagebau Garzweiler II aus dem Jahr 1995 verwiesen.
„Es gehört zu den Besonderheiten der Braunkohlenplanung, dass diese langfristig verlässlich und verbindlich sein muss. Dieses entspricht nicht nur der notwendigen Investitionssicherheit für die betroffenen Unternehmen, sondern auch den Grundsätzen der allgemeinen Energievorsorge, die ebenfalls einem längerfristigen Beurteilungshorizont entsprechen muss. Und schließlich bedarf die Lebensplanung der betroffenen Bürger einer verlässlichen Perspektive. Die Genehmigung eines Braunkohlenplans geht somit davon aus, dass dieser langfristig Bestand hat.“
Die Entscheidung aus dem Jahr 2016 ist über Jahre vorbereitet worden. Sie ist mit Betroffenen und mit Experten gefällt worden. Man hat die Orte Holzweiler, Dackweiler und Hauerhof herausgenommen und hat in Kenntnis des Pariser Klimaschutzabkommens, das ein halbes Jahr vorher im Dezember 2015 beschlossen worden war, in dieser Leitentscheidung gesagt: Wir halten es energiewirtschaftlich für notwendig, dass der Hambacher Forst abgeholzt wird und dass das Garzweiler Gebiet ansonsten unberührt bleibt. – Man ist von einem Planungshorizont bis zum Jahr 2050 ausgegangen.
Diese Leitentscheidung mit all den Versprechen an die Betroffenen: „Das gilt jetzt auch; wir nehmen drei Orte heraus, aber der Rest gilt“, wurde im Jahr 2017, ein Jahr später, schon wieder infrage gestellt.