Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 53. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Landesregierung verzettelt sich, statt die wirklich drängenden Fragen beim Landesbetrieb Straßen.NRW zu lösen
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 18. März 2019 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Löcker das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schönen guten Morgen allerseits! Die Aufmerksamkeit wird mit Blick auf die von uns beantragte Aktuelle Stunde sicher zunehmen. Wir haben diese Aktuelle Stunde heute Morgen beantragt, weil wir Fragen an den Verkehrsminister und an seinen Staatssekretär vortragen wollen. Aber wir stehen heute Morgen auch stellvertretend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesbetriebs Straßen.NRW hier.
Erstens. Wie kann die Landesregierung einen zweiten Geschäftsführer mit über 100.000 Euro Jahresgehalt beim Landesbetrieb Straßen.NRW installieren, obwohl bis 2021 die Belegschaft faktisch halbiert wird?
Zweitens. Wenn doch allseits bekannt ist, dass der Landesbetrieb Straßen.NRW seit 2015 unter Führung einer einzelnen Direktorin Rekordumsätze
schreiben konnte, muss die Frage erlaubt sein: Wie wirkt diese Personalentscheidung, die Sie gerade vorbereiten, in die Belegschaft hinein?
Als Mitarbeiter wäre ich zumindest irritiert. Das ist wohl auch legitim. Manche sind sogar stinksauer. So formulierte ein Mitarbeiter vor ein paar Tagen in einem Gespräch: Oben wird großzügig serviert, und unten ist geplant, abzuservieren.
Ich will das gerne noch einmal konkretisieren. Bis heute weiß in diesem Betrieb niemand, wo zukünftig sein Arbeitsplatz im Unternehmen sein wird. Das ist alles unklar. Aber diese Personalentscheidung ist schon klar, wirkt bereits ins Unternehmen und irritiert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wie wir finden, auf jeden Fall zu Recht. Deshalb muss das heute im Rahmen der Aktuellen Stunde zur Sprache kommen.
Gehen wir der Reihe nach vor. Seit 2015 ist mit Frau Sauerwein-Braksiek – unter großer Unterstützung des damaligen Ministers Groschek – der Umsatz massiv angestiegen. Damit hat der Landesbetrieb eine sehr lange Krise mit stagnierenden Bauumsätzen überwunden. Das muss man festhalten. Wenn das so ist, muss man sich doch die Frage stellen: Wieso gab es eigentlich bereits direkt nach dem Regierungswechsel bei Schwarz-Gelb eine Debatte darüber, ob man im Landesbetrieb nicht einen zweiten Direktor installieren könnte? Es hat doch alles gut funktioniert.
Das ist zumindest ein Widerspruch, Herr Minister Wüst, den Sie heute Morgen aufklären müssen. Wieso diskutiert man kurz nach der Regierungsübernahme, wenn man die Umstände nicht wirklich genau kennt und nicht weiß, wie erfolgreich der Betrieb eigentlich gewesen ist, bereits darüber, ob man nicht einen zweiten Direktor einstellt?
Das fragen wir uns auch mit Blick zurück auf die Jahre, in denen es in diesem Landesbetrieb mehrere Geschäftsführer gegeben hat und immer wieder die Kritik vorgetragen worden ist, dass die Letztentscheidungen lange dauern, weil man sich nicht einig darüber war, wie zu entscheiden sei.
Das haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder beklagt. Trotzdem hat dieses Durcheinander angehalten, sodass wir eben nicht zu Rekordumsätzen kommen konnten.
Dann haben wir das getan, was sinnvoll und folgerichtig war, nämlich die entsprechenden Strukturen geändert. Und siehe da: Der Erfolg hat sich in den letzten Jahren eingestellt – mit einer Führungskraft.
Die Frage, wieso Sie eigentlich die Einstellung eines zweiten Direktors planen, können Sie gleich beantworten. Und wieso muss dafür eine B6-Stelle mit über 100.000 Euro Jahresgehalt vorgesehen sein? Diese Frage ist doch hier erlaubt. Wir müssen einmal prüfen, ob sich das wirklich rechnet. Man könnte die Frage auch anders stellen: Wieso wird das nicht im System geregelt, wenn man Personalakquise oder weitere Aufgaben voranbringen will? Dafür brauchen wir doch keine neue, zusätzliche, hochdotierte Stelle.
Wir halten fest: Der Umsatz im Landesbetrieb betrug im Jahre 2018 insgesamt 1,372 Milliarden Euro. Der Anteil für Bundes- und Landesstraßen betrug in diesem Jahr 547 Millionen Euro; das sind 40 % des Gesamtumsatzes.
Anzumerken ist, dass der Umsatz 2015 bis 2018 um 400 Millionen Euro zugenommen hat – und das mit den Veränderungen, die wir herbeigeführt haben.
Das ist ein Hinweis mehr darauf, dass bei den Mitarbeitern offensichtlich die Frage auf dem Tisch liegt, warum man in Zukunft solche Veränderungen vornehmen will – auch deshalb, weil wir kurz davor stehen, diesen Landesbetrieb umzuorganisieren und mit Blick auf die entsprechenden politischen Entscheidungen damit rechnen müssen, dass in Zukunft 60 % des Auftragsaufkommens, das in der Pipeline ist, wegfallen werden.
Da stellt sich die Frage doppelt: Wieso braucht man zusätzlich eine hochbezahlte zweite Führungskraft, um 60 % wegfallende Tätigkeiten abzubilden? Meine Damen und Herren, das versteht im Landesbetrieb niemand mehr – und hier im Plenum auch nicht.
Sie sagen, dass die zusätzliche Führungskraft größere Probleme lösen soll, insbesondere mit Blick auf den Fachkräftemangel, der in Zukunft auf dieses Unternehmen zukommt. Ja, wir gestehen zu, dass das eine wichtige Aufgabe ist. Allerdings kann ich mit Blick auf meine betriebliche Erfahrung nicht erkennen, wieso man dazu so viel Geld in die Hand nehmen muss. Im Gegenteil!
Diese Widersprüche, die ich hier gerade deutlich vorgetragen habe, Herr Minister, müssen Sie heute Morgen einmal auflösen. Bisher haben wir dazu nichts lesen und nichts hören können. Es wird Zeit, dass nicht nur wir, sondern auch die Mitarbeiter darüber informiert werden, wie das in Zukunft laufen soll.
Wir erkennen überhaupt keinen Bedarf für diesen Direktor. Wenn Sie einen Bedarf erkennen, lassen Sie uns das bitte heute Morgen wissen.
Ich möchte gerne noch eine letzte Bemerkung machen. Wenn eine Direktorin den Landesbetrieb inklusive Autobahnen bislang erfolgreich geführt hat, warum sollen dann ab 2021 zwei Direktoren einen Betrieb ohne Autobahnen führen, und zwar bei einer Halbierung der Belegschaft? Der Widerspruch ist ziemlich deutlich. In diesem Sinne empfehlen und raten wir Ihnen, auf die Doppelspitze zu verzichten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kutschaty, Frau Philipp und Herr Ott, vielleicht können Sie mir sagen, wo Sie am Nachmittag des 18. März 2018 waren. Ich bin mir sicher, dass Sie nicht im Verkehrsausschuss gewesen sind, der an diesem Tag getagt hat. Wenn Sie dort anwesend gewesen wären, hätten Sie den Antrag auf diese Aktuelle Stunde nämlich entweder gar nicht unterschrieben oder aber viel früher gestellt, und zwar bereits vor einem Jahr.
Denn schon im damaligen Verkehrsausschuss hat der Verkehrsminister bei TOP 5, Auftragsverwaltung der Bundesstraßen, die Aufwertung der Stelle des Abteilungsdirektors von B3 auf B6 zu einer zweiten Direktorenstelle bekannt gegeben und sorgfältig begründet – vor einem Jahr.
Im Protokoll sehen wir: keine Nachfragen, keine Anmerkungen, keine Kritik, noch nicht einmal ein Zwischenruf der SPD. Lediglich Herr Klocke hat eine Frage gestellt, aber nicht zur zweiten Direktorenstelle.
Auch die Pressemitteilung des Verkehrsministeriums vom 13. März 2018 scheint der SPD durch die Lappen gegangen zu sein; denn sonst hätte Herr Dudas bei der Plenardebatte zum Thema „Straßen.NRW“ im letzten Februar nicht so vehement gemahnt, dass sich die Umstrukturierung negativ auf die Attraktivität von Straßen.NRW als Arbeitgeber auswirken könnte.
Herr Dudas, da bin ich ja ganz bei Ihnen. Selbstverständlich muss das Verkehrsministerium dafür Sorge tragen, dass Straßen.NRW ein attraktiver Arbeitgeber und Magnet für kluge Köpfe bleibt. Aber – und
das wüssten Sie, wenn Sie die Pressemitteilung des Verkehrsministeriums vom 13. März 2018 aufmerksam gelesen hätten – genau das ist der Schwerpunkt der zweiten geschaffenen Direktorenstelle. Ich zitiere aus der Pressemitteilung:
„Den zunehmenden Aufgaben bei Personalgewinnung und Kommunikation steht die Erwartung gegenüber, dass der Umsatz im Kerngeschäft nicht gefährdet ist. Damit dieser Spagat gelingt, wird die Stelle des aktuell vakanten Abteilungsdirektors aufgewertet und künftig den Rang eines 2. Direktors haben.“
Wenn Ihnen das als Erklärung nicht genug sein sollte: Kein Problem! Dann schauen Sie bitte noch einmal ins Ausschussprotokoll vom 14. März 2018. Darin steht es ausführlich.