Protocol of the Session on November 29, 2018

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer 43. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Geburtstag feiern heute – man könnte sagen: Aller guten Dinge sind drei – Rainer Matheisen von der Fraktion der FDP, Martin Sträßer von der Fraktion der CDU und Rüdiger Weiß von der Fraktion der SPD. Herzliche Glückwünsche und alles Gute im Namen aller Kolleginnen und Kollegen.

(Allgemeiner Beifall)

Wir treten damit in die heutige Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1 Großbritannien verlässt die EU – ist der Brexit

Beauftragte Merz überfordert?

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/4337

In Verbindung mit:

EU bringt Brexit auf den Weg – wie reagiert die Landesregierung?

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4338

In Verbindung mit:

Alles nur weiße Salbe? NRW ist weit entfernt von einer erfolgversprechenden Brexit-Strategie

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/4339

Die Fraktionen der AfD, von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD haben jeweils mit Schreiben vom 26. November gemäß § 95 der Geschäftsordnung zu der oben genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die AfD-Fraktion dem Abgeordneten Tritschler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 23. Juni 2016 kam es zu einer Zäsur in der europäischen Geschichte. Eine Mehrheit der Briten stimmte für den Austritt aus der Europäischen Union. Wir von der AfD respektieren diese Entscheidung nicht nur – wir begrüßen sie ausdrücklich.

Wir freuen uns mit und für die Briten, dass sie überhaupt gefragt wurden, ob sie sich weiter dem Brüsseler Zentralismus unterwerfen wollen. Trotz aller Drohkulissen, die aufgebaut wurden, waren die Briten mutig und haben sich für den Brexit entschieden.

Klar ist aber auch, dass alle anderen Fraktionen hier im Haus sowie die Mehrheitsfraktionen im Bundestag und im EU-Parlament diese Entscheidung als Verrat wahrgenommen haben – als einen Verrat, der keinesfalls ungestraft bleiben darf, denn sonst denken womöglich noch andere darüber nach, dem Beispiel der Briten zu folgen.

Deshalb haben sie mit der britischen Premierministerin, die bekanntlich nicht für den Brexit war, jetzt einen Austrittsvertrag ausgehandelt, der Großbritannien zu einer besseren EU-Kolonie herabstuft. In Zukunft darf das Vereinigte Königreich weiter zahlen, sich weiter dem Brüsseler Regime in fast allen Bereichen beugen, hat aber nichts mehr zu sagen.

„No taxation without representation“ – das war ironischerweise der Grundsatz, mit dem sich seinerzeit die Amerikaner von den Briten lossprachen. Jetzt soll genau dieser Grundsatz ausgerechnet für die Briten nicht mehr gelten. Das ist hässlicher Imperialismus Marke EU.

Premierministerin May und Teile des britischen Establishments machen das unschöne Spiel leider mit. Es besteht – so scheint es – die Hoffnung, dass der britische Unabhängigkeitswille zermürbt wird und der reuige Sünder später in den Schoß der Union zurückkehrt.

Ob das britische Unterhaus hier mitmacht, ist indes mehr als fraglich. Auf eigene Mehrheiten kann sich May nicht stützen. Sie muss auf Leihstimmen aus der Opposition hoffen. Das ist keine sehr solide Basis für den Deal.

Sollte sich keine Mehrheit dafür finden, droht ein „Hard Brexit“. Das wäre ein Brexit ohne Deal als Grundlage. Großbritannien wäre im Verhältnis zur EU Zollausland ohne Handelsabkommen. Der Warenverkehr würde mit empfindlichen Zöllen belegt.

Wer glaubt, das sei in erster Linie das Problem der Briten, der irrt. Gewaltige Schockwellen dürften insbesondere unsere Volkswirtschaft hart treffen.

Besonders eindrucksvoll ist hier das Beispiel der Automobilindustrie. Sie exportiert mehr Fahrzeuge in das Vereinigte Königreich als etwa nach Asien oder

nach Nord- und Südamerika zusammen. Zehntausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Wir haben im Verlauf der Legislaturperiode immer und immer wieder darauf hingewiesen.

Wir haben Sie aufgefordert, sich auch im eigenen Interesse für einen fairen Brexit-Deal starkzumachen. Schließlich heißt es auch im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb:

„Die Freundschaft zwischen NRW und Großbritannien ist heute nach dem Brexit wichtiger denn je.

(Unruhe – Glocke)

Wir werden die vertrauensvollen Beziehungen zu Großbritannien deshalb weiter pflegen und intensivieren.“

Danach haben Sie nicht gehandelt, nicht einmal ansatzweise. Stattdessen haben Sie denjenigen das Wort geredet, die eine harte Verhandlungslinie forciert haben. Rosinenpickerei dürfe es nicht geben, so der Europaminister.

Ansonsten ist der Landesregierung nicht viel bis gar nichts eingefallen. Die einzige vermeintliche Großtat, die Sie sich auf die Fahnen schreiben, ist die Ernennung des Brexit-Beauftragten Merz. Der sollte, neben diversen anderen Engagements, quasi als geringfügig Beschäftigter dieses Thema für NRW beackern.

Keinesfalls ging es ihm darum, die für Großbritannien und uns gleichermaßen bedeutsamen Austrittsbedingungen zu beeinflussen. Aber das wundert auch nicht, wenn man weiß, dass Herr Merz dem Vorstand der Lobbyorganisation United Europe angehört, die auf eine weitere Vertiefung der Union hinarbeitet.

Vielmehr verstand er seine Aufgabe – wie auch die Landesregierung und die übrigen Oppositionsparteien im Haus – einzig und alleine als Fledderei. Durch den Brexit verunsicherte Unternehmen mit Standort in Großbritannien sollten nach NRW gelotst werden.

Aber selbst gemessen an diesem wenig ambitionierten Ziel ist seine Bilanz ausgesprochen dürftig. Wie wir der Presse entnehmen durften, hat er es in seiner Amtszeit immerhin geschafft, eine NRW

Dependance in England zu eröffnen – nicht in London, wie man meinen könnte, sondern 70 km entfernt und eher in Form einer Briefkastenfirma.

Herausgekommen ist dabei Folgendes: Es könnten – könnten! – ganze 870 Arbeitsplätze und sieben Unternehmen nach NRW wandern.

Mäßigender Einfluss in Richtung Brüssel? – Fehlanzeige!

Vorbereitung auf einen möglichen Hard Brexit? – Fehlanzeige!

Ich weiß nicht, wen Herr Merz damit beeindrucken will, aber vielleicht ist auch einfach seine Zeit zu knapp. Die Aufsichtsräte von BlackRock, Flughafen Köln/Bonn, WEPA, Trinkaus & Burkhardt und Stadler Rail werden seine Zeit in Anspruch nehmen. Dazu kommen noch eine Anwaltstätigkeit und diverse Lobbyorganisationen.

Und jetzt hat er auch noch sein Herz für die CDU wiederentdeckt und rockt – wie man hört – eine Regionalversammlung nach der anderen. Ich gönne Herrn Merz und der Union die romantische Wiederentdeckung der eigenen Unschuld, aber bitte nicht auf Kosten der Bürger unseres Landes.

(Beifall von der AfD)

Es reicht eben nicht, dass jemand zwischen Aufsichtsrat und Regionalkonferenz noch eben ein bisschen Brexit macht. NRW braucht jemanden, der dieses Thema hauptverantwortlich und vor allem in allen Facetten und mit vollem Einsatz beackert. Das ist nicht Herr Merz. Das kann Herr Merz nicht sein.

Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, nehmen Sie das Thema endlich ernst und suchen Sie sich einen anderen!

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Grünen spricht nun der Abgeordnete Herr Klocke.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Wo ist der Ministerpräsident bei diesem wichtigen Thema? Das fragen wir uns.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist ja schön, dass er die Zeit gefunden hat, zur wichtigen CDU-Regionalkonferenz zu gehen. Aber wenn der Landtag Nordrhein-Westfalen in einer Aktuellen Stunde über den Brexit mit den tiefgreifenden Auswirkungen, die hier drohen, diskutiert und der Ministerpräsident nicht anwesend ist, dann wüsste ich ganz gerne: Wo ist Herr Laschet?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von der CDU: Wo waren Sie denn gestern Morgen? – Beifall von der CDU und der FDP)