Protocol of the Session on November 16, 2018

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich zu unserer heutigen, 41. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Damit treten wir in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1 Pläne zur Abschaffung der Stichwahl sind ein

Angriff auf die kommunale Demokratie

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/4165

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 12. November 2018 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der oben genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Dahm das Wort.

Guten Morgen! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Erfolgreiche demokratische Wahlen legitimieren sich dauerhaft nur durch Beteiligung, durch Kontinuität und durch Verlässlichkeit, aber auch durch einen lebendigen Wettbewerb und politische Vielfalt bei der zur Auswahl stehenden Kandidatinnen und Kandidaten.

Das wünschen sich die Menschen in NordrheinWestfalen. Das wünschen sich die Wähler und Wählerinnen in diesem Land – ungeachtet ihrer politischen Ausrichtung.

(Beifall von der SPD)

Von den Plänen der regierungstragenden Fraktionen zur erneuten Abschaffung der Stichwahl bei den Wahlen der Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister haben wir in der vergangenen Woche aus der Presse erfahren.

Aus diesem Grund und im Interesse unseres demokratischen Gemeinwesens haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. Das ist eine gute Gelegenheit für Sie, uns heute Morgen über Ihr weiteres Vorhaben zu informieren. Denn Wahlrechtsfragen sind grundsätzlich Parlamentsfragen und sollten auch von einer

breiten Mehrheit aus diesem Hohen Hause getragen werden. Sie eignen sich nicht für ein politisches Pingpongspiel.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Je nach Regierungswechsel sollten sich sowohl die jeweiligen Amtsinhaber als auch die zukünftigen Kandidatinnen und Kandidaten auf ein bewährtes System verlassen können. Das sollte Bestand haben.

Als im Mai 2011 die Stichwahl in Nordrhein-Westfalen von einer breiten Mehrheit hier im Landtag wieder eingeführt wurde, war das erklärte Ziel: Mehr Demokratie wagen und diese auf kommunaler Ebene stärken; mehr Legitimation für die gewählten Hauptverwaltungsbeamten, also Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister.

(Unruhe – Glocke)

Für die Wiedereinführung der Stichwahl im Jahr 2011 gab es eine deutliche parlamentarische Mehrheit der Abgeordneten in diesem Haus, bestehend aus den damaligen regierungstragenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie zwei Oppositionsfraktionen, darunter erfreulicherweise die FDP. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen. Schließlich hatten die Liberalen seinerzeit in Regierungsverantwortung gemeinsam mit der CDU die Stichwahlen im Jahr 2007 wieder abgeschafft.

Ich möchte hier den ehemaligen FDP-Abgeordneten Horst Engel zitieren, der im September 2011 im Landtag Nordrhein-Westfalen sagte: Nach den vorliegenden Erfahrungen und Abstimmungen mit unserer kommunalen Ebene halten wir die Einführung der Stichwahl sehr wohl für wünschenswert. – Hört! Hört!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, es war noch nie Ihr ausdrücklicher Wunsch, die Stichwahl abzuschaffen. Ich frage Sie: Was wird Sie erneut dazu bewegen? Was war denn diesmal der politische Preis dafür?

Mit Ihrer gleichgültigen und sprunghaften Haltung nehmen Sie bewusst in Kauf, dass gerade die FDP auf kommunaler Ebene künftig kaum noch eigene Kandidaten für die Wahlen der Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte aufstellen wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Wi- derspruch von der FDP)

Die CDU-Fraktion wird hier gleich die mangelnde Wahlbeteiligung bei den Stichwahlen darstellen. Wir konnten kürzlich im Kommunalausschuss schon einen kleinen Eindruck davon gewinnen.

Überwiegend ist aber das Gegenteil der Fall. Schauen Sie sich einmal die absoluten Zahlen an, und nicht nur die Wahlbeteiligung in Prozent. Über

16.11.2018

70 % der bei einer Stichwahl angetretenen Kandidatinnen und Kandidaten haben dort deutlich mehr Stimmen als im ersten Wahlgang erhalten, also eine höhere Legitimation durch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt als im ersten Wahlgang.

(Bodo Löttgen [CDU]: Nein! Nein!)

So ist es, auch wenn Sie das bestreiten, Herr Kollege Löttgen. Ich will Ihnen gern einige Beispiele nennen. Das macht mir eine große Freude.

Ich nenne Oberbürgermeister Thomas Geisel, Düsseldorf. Im zweiten Wahlgang hat er 30.000 Stimmen mehr erhalten als im ersten Wahlgang.

Oberbürgermeister Thomas Kufen von der CDU hat 12.000 Stimmen mehr als im ersten Wahlgang bekommen.

Oberbürgermeister Thomas Eiskirch hat in Bochum 7.000 Stimmen mehr erhalten.

Sie werden jetzt sagen: Das sind ja nur die Großstädte. – Ich nenne Ihnen gerne auch Beispiele aus kleineren Städten.

Schauen wir einmal nach Waltrop. Bürgermeisterin Nicole Moenikes von der CDU hat 800 Stimmen mehr erhalten als im ersten Wahlgang.

Auch Dr. Rüdiger Storch von der FDP hat in Eitorf 600 Stimmen mehr als im ersten Wahlgang bekommen.

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass es eine hohe Legitimation für die Bewerberinnen und Bewerber gab. Diese muss es auch weiterhin geben.

Doch Ihnen, der CDU-Fraktion, geht es in Wahrheit nicht um Demokratie. Es geht Ihnen nicht um Effizienz oder Kosten.

(Daniel Sieveke [CDU]: Vorsicht! Vorsicht!)

Ja, Herr Sieveke, das ist hart, und das tut weh. Das glaube ich. – Es geht Ihnen im Kern doch nur darum, künftig – koste es, was es wolle – CDU-Kandidaten, die den ersten Wahlgang noch gewonnen haben, dann aber in der Stichwahl unterlegen sind, ins Amt zu heben. Das ist doch die Wahrheit, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Denn aufgrund der Stichwahlen hat die CDU zuletzt wichtige Bürgermeisterwahlen – wie hier in Düsseldorf – verloren. Ja, das schmerzt. Das kann ich mir durchaus vorstellen. Sie sind ja häufiger in Stichwahlen unterlegen. Dafür sind Sie bereit, das bewährte demokratische Wahlsystem zu verbiegen – aus purer Wahltaktik und politischem Kalkül.

Die Stichwahl muss für Sie deswegen weichen, weil sie Ihnen parteipolitisch eher schadet als nutzt, obwohl sie nachweislich die Wahlbeteiligung eher be

lebt, und die Personen, welche den zweiten Wahlgang für sich entscheiden, tendenziell deutlich mehr Stimmen auf sich vereinen können als diejenigen, die im ersten Wahlgang noch vorne lagen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Bitte?)

Ihr Vorhaben, die Stichwahl wieder abzuschaffen, geht völlig gegen den Trend. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wollen mehr mitbestimmen und nicht weniger.

Sie verkennen auch die derzeitige politische Situation. Wenn sich mehrere Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl stellen, kann es durchaus passieren, dass Personen ins Amt kommen, die von einer Minderheit gewählt werden und möglicherweise mit unserem gemeinsamen demokratischen Verständnis nicht vereinbar sind. Das schwächt die demokratische Legitimation doch deutlich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren insbesondere der CDUFraktion, Ihr Vorhaben ist mehr als durchsichtig und ein Frontalangriff auf unsere gut gelebte Demokratie. Sie stellen Parteiinteressen über das Wohl unserer Demokratie in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)