Protocol of the Session on April 10, 2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 55. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich folgende Änderung bekanntgeben: Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die zunächst für die Tagesordnungspunkte 4 und 5 vorgesehenen Anträge in Verbindung mit der Aktuellen Stunde unter Tagesordnungspunkt 2 zu behandeln. Gibt es dagegen Widerspruch? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist. Somit verfahren wir so.

Wir treten in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Die Strategie für das digitale Nordrhein-West

falen

Unterrichtung der Landesregierung

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 1. April 2019 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag zum Thema „Die Strategie für das digitale Nordrhein-Westfalen“ zu unterrichten.

Die Unterrichtung durch die Landesregierung erfolgt durch den Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, Herrn Minister Professor Dr. Pinkwart. Ich erteile Herrn Minister Professor Dr. Pinkwart das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jede Schule, jedes Unternehmen und jeder Privathaushalt in Nordrhein-Westfalen ist an das Gigabit-Netz angeschlossen. On-Demand-Sharing-Fahrzeuge ergänzen die Mobilitätsoptionen. Intelligente Wohnungen ermöglichen Pflegebedürftigen, länger in den eigenen vier Wänden zu leben. Die Telemedizin hat die ärztliche Versorgung in dünn besiedelten Regionen verbessert.

Die Menschen fahren nicht mehr jeden Tag ins Büro, sondern stimmen ihre Arbeitszeit dank mobiler Geräte und flexiblerer Arbeitskultur besser auf ihr Privat

leben ab. Personalabteilungen lassen sich von digitalen Assistenten unterstützen, um bei der Personalauswahl geeignete Kandidatinnen und Kandidaten nicht mehr unbewusst zu benachteiligen. Manche Berufe haben sich stark verändert, andere sind gar weggefallen.

(Unruhe – Glocke)

Innovative Betriebe bieten neue Arbeitsplätze, und eine sich ständig weiterentwickelnde berufliche Bildung und Weiterqualifizierung eröffnet neue Perspektiven.

Die örtliche Verwaltung, die Behördengänge längst überflüssig gemacht hat, versorgt die Bürgerinnen und Bürger mit digital aufbereiteten Informationen. Digitale Beteiligungsmöglichkeiten treffen über alle Altersgruppen hinweg auf breite Akzeptanz und Mitwirkung.

Nordrhein-Westfalen steht beispielhaft für den europäischen Weg der Digitalisierung auf einer freiheitlich-demokratischen Wertebasis. Er fußt auf der Überzeugung, dass Digitalisierung dem Menschen und einer offenen Gesellschaft dienen muss.

In Nordrhein-Westfalen finden Unternehmer und Wissenschaftler ein ideales Umfeld. Ein starker Mittelstand wie auch die großen Hidden Champions und DAX-Konzerne nutzen die Chancen der Digitalisierung für starke Innovation und suchen die enge Kooperation mit einer lebendigen Start-up-Szene.

Für diese Gründungsunternehmen ist NordrheinWestfalen der attraktivste Standort in Europa. Der Umbau einer energieintensiven traditionsreichen Industrie zu einem der weltweit innovativsten sowie klima- und umweltfreundlichsten Industrie- und Dienstleistungsstandorte bietet ihnen beste Erfolgschancen. Das zieht weitere kluge Köpfe und mehr Chancenkapital nach Nordrhein-Westfalen.

Exzellente Hochschul- und Forschungseinrichtungen sind wissenschaftliche Partner der Unternehmen und treiben die Innovationen voran. Bei Schlüsseltechnologien wie Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Autonome Systeme, Blockchain und Cybersicherheit ist die NRW-Wissenschaft weltweit führend, was zahlreiche Spitzenforscher aus dem In- und Ausland anlockt.

Unsere Schulen sind digital hervorragend ausgestattet und vermitteln den Kindern mehr als nur die Anwendung digitaler Medien. Sie schaffen Experimentierräume und fördern das Begreifen digitaler Technik, sorgen aber auch für die nötige Sensibilität gegenüber Risiken und Gefahren.

Diese Medienkompetenz versetzt unsere Kinder in die Lage, sich aktiv, selbstbestimmt und umsichtig in der digitalen Welt zu bewegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe Ihnen hier beschrieben, wie das digitale Nordrhein

Westfalen in Zukunft aussehen könnte, wenn wir die Aufholjagd, die wir begonnen haben, erfolgreich fortsetzen und uns darauf konzentrieren, die Chancen der Digitalisierung mit Optimismus und Tatkraft zu nutzen.

(Beifall von der CDU, der FDP und Roger Beckamp [AfD])

Dies sind die Kernpunkte der Vision, die wir unserer Strategie für das digitale Nordrhein-Westfalen voranstellen. Es geht uns nicht darum, die Zukunft vorherzusagen, sondern darum, zu skizzieren, wie wir uns unser Land vorstellen, basierend auf den Zielen, Überzeugungen und Denkansätzen unserer Strategie.

Wir beschreiben, wie attraktiv das digitale NordrheinWestfalen der Zukunft als Land des gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, als Land der Innovation und als Land des Aufstiegs durch Bildung sein kann. Alle Bürgerinnen und Bürger des Landes sind eingeladen, dabei mitzumachen und den digitalen Wandel selbst mitzugestalten.

Wir sind davon überzeugt, dass unsere Vision in den kommenden Jahren auch für unser Land erreichbar ist. Darin sehen wir uns durch die vielen Menschen in allen Bereichen des Landes bestärkt, die sich längst auf den Weg gemacht haben, die uns mit ihren Ideen und Initiativen begeistern und uns mit ihren Erwartungen und Vorschlägen auch zu schnellerem Handeln bringen.

Die Digitalisierung gehört zu den größten Gestaltungsaufgaben unserer Zeit. Wir stellen dabei den Menschen in den Mittelpunkt und sind der festen Überzeugung, dass wir durch die Digitalisierung Chancen für Menschen eröffnen und Teilhabe ermöglichen können.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die Nordrhein-Westfalen-Koalition hat versprochen, eine umfassende Digitalstrategie vorzulegen. Dieses Versprechen lösen wir heute ein. Dabei haben wir weder eine Strategie bei externen Beratern in Auftrag gegeben, noch haben wir die Strategie hinter verschlossenen Türen geschrieben. Wir haben vielmehr mit allen Ressorts der Landesregierung gemeinsam einen Entwurf erarbeitet und diesen in einem breiten, fast einjährigen Beteiligungsprozess öffentlich zur Diskussion gestellt.

Die Strategie ist ressortübergreifend erdacht und entwickelt worden. Deshalb möchte ich an dieser Stelle insbesondere dem Ministerpräsidenten, der Staatskanzlei, allen Kolleginnen und Kollegen im Kabinett und besonders auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Beamtinnen und Beamten in der gesamten Verwaltung sehr herzlich dafür danken, dass sie diesen Prozess der Erarbeitung unserer Strategie als gemeinsame Aufgabe nicht nur angenommen, sondern auch gemeinsam ausgefüllt haben. Das ist alles

andere als selbstverständlich und freut uns in der Landesregierung sehr.

(Beifall von der CDU, der FDP und Roger Beckamp [AfD])

Ich bedanke mich auch bei allen Expertinnen und Experten, allen Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden und Institutionen sowie allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern, die im vergangenen Jahr unseren breit angelegten Beteiligungsprozess bereichert haben – mit Online- und Offlineformaten, einer schriftlichen Anhörung der Verbände und schließlich unserer Digitalkonferenz mit über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die von Ministerpräsident Armin Laschet eröffnet wurde.

Mehr als 2.000 Rückmeldungen haben uns auf diese Weise erreicht. Die erfolgreiche Beteiligung im vergangenen Jahr hat uns veranlasst, den Dialog zu den digitalen Zukunftsfragen in diesem Jahr fortzusetzen. Die Impulse hieraus werden wir für die perspektivische Fortschreibung unserer Strategie noch in dieser Legislaturperiode nutzen.

Damit ist unsere Strategie nicht nur besser geworden, sondern wir setzen auch ein Zeichen für eine neue partizipative Digitalpolitik. Wir wollen die Menschen in Nordrhein-Westfalen mitnehmen und gemeinsam mit ihnen die Digitalisierung in unserem Land vorantreiben. Nur mit den Menschen im Land wird es uns gelingen, unsere Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

(Beifall von der CDU, der FDP und Roger Beckamp [AfD])

Nordrhein-Westfalen hat beim Thema „Digitalisierung“ noch Nachholbedarf. Das hat die von uns beauftragte Metastudie, die wir im vergangenen Jahr an den Anfang unserer Arbeit gestellt haben, ebenso gezeigt wie andere Untersuchungen, die Sie kennen. Nordrhein-Westfalen hat aber auch beste Voraussetzungen, um ganz vorne mit dabei zu sein.

Für uns ist das ein Anlass, Ihnen diese Strategie vorzulegen und zu beschreiben, auf welche Ziele, Themen und Projekte wir uns konzentrieren werden, um Nordrhein-Westfalen digital nach vorne zu bringen. Wir wollen Vorreiter werden und Nordrhein-Westfalen bis 2025 in die digitale Spitzengruppe führen, damit wir zum innovativsten und umweltfreundlichsten Industrie- und Dienstleistungsstandort in Europa werden. Mit einem Platz im Mittelfeld dürfen wir uns bei diesem entscheidenden Zukunftsthema nicht zufrieden geben. Wir müssen ehrgeizig bleiben. Mehr ist möglich.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Alle Ressorts und die Staatskanzlei sind an Konzeption und Umsetzung der Digitalstrategie beteiligt und setzen gemeinsam Schwerpunkte. Wir nehmen in

unserer Strategie fünf Schwerpunkt- und vier Schnittstellenthemen in den Fokus. Lassen Sie mich aus Zeitgründen hier nur einige beispielhafte Projekte erwähnen.

Im Bereich der Wirtschaft setzen wir auf erhebliche Erleichterungen für Antrags-, Planungs- und Genehmigungsverfahren durch digitale Angebote. So geht Nordrhein-Westfalen beim Aufbau des GewerbeService-Portal.NRW bundesweit modellhaft voran und wird bereits ab dem kommenden Jahr alle gewerberechtlichen Fachverfahren medienbruchfrei digital bereitstellen.

Die Zahl der Ausgründungen aus den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen soll in den kommenden fünf Jahren insbesondere durch unsere Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW um mindestens 50 % gesteigert werden. Außerdem soll die Wagniskapitalinvestition in Start-ups bis 2022 auf 0,5 Milliarden Euro anwachsen und damit gegenüber 2017 verfünffacht werden.

Mittelständische Unternehmen sollen noch stärker zu notwendigen Investitionen in die Digitalisierung ermuntert werden. Hierzu wollen wir den bereits stark nachgefragten neuen Digitalisierungskredit der

NRW.BANK auf das Volumen von 0,5 Milliarden Euro bis 2022 ausweiten. Die Programme Innovationsassistent sowie Innovations- und Digitalisierungsgutschein liefern hierfür eine wichtige Grundlage.

Die Digitalisierung der schulischen Bildung in den knapp 6.000 Schulen mit rund 200.000 Lehrkräften und 2,5 Millionen Schülerinnen und Schülern ist eine große, aber besonders wichtige Herausforderung, die meine Kollegin Yvonne Gebauer entschlossen angeht. Es geht im Kern erstens um die Vermittlung von Medienkompetenz, zweitens um die Qualifizierung von Lehrkräften und drittens um den Zugang zu digitalen Medien und Inhalten.

Bis 2022 wollen wir alle Schulen in Kooperation mit den Kommunen an ein leistungsfähiges Gigabit-Netz anschließen. Mit dem DigitalPakt Schule leistet nun auch der Bund seinen Beitrag. Das Ministerium für Schule und Bildung arbeitet derzeit an einer Förderrichtlinie, damit die zusätzlichen finanziellen Mittel den Schulträgern zeitnah bereitgestellt werden.

Für die Digitalisierung an den Hochschulen übernimmt die Digitale Hochschule NRW, in der 42 Universitäten, Fachhochschulen, Kunst- und Musikhochschulen aus Nordrhein-Westfalen mit dem Land zusammenarbeiten, eine entscheidende Rolle.

Frau Kollegin Pfeiffer-Poensgen will mit ihrem Haus die Chancen der Digitalisierung konsequent zur hochschulübergreifenden Zusammenarbeit nutzen und unterstützt diesen Prozess seit Anfang dieses Jahres mit jährlich 50 Millionen Euro aus der landesweiten Digitalisierungsoffensive. Erste Projekte sind hier bereits gestartet. Ich nenne nur beispielhaft den