Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 92. Sitzung des Landtags. Mein Gruß gilt auch den Gästen an den Bildschirmen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Geburtstage feiern heute von der SPD-Fraktion Rainer Bischoff und Andreas Bialas. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute im Namen aller Kolleginnen und Kollegen!
Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die ursprünglich als Tagesordnungspunkt 6 vorgesehene Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Drucksache 17/9356 mit dem Titel „Konjunkturprogramm für Arbeit, Sicherheit und Fortschritt“ in Verbindung mit der als Tagesordnungspunkt 3 vorgesehenen Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU und der FDP Drucksache 17/9373 mit dem Titel „Corona-Krise: Schnelle, unbürokratische und zielgenaue Maßnahmen für die nordrhein-westfälische Wirtschaft“ zusammenzufassen. – Ich sehe keinen Widerspruch dazu. Dann verfahren wir so.
Des Weiteren haben sich alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen darauf verständigt, die Tagesordnung um einen neuen Tagesordnungspunkt 19, nämlich die ersten Lesungen für ein „Gesetz zur Erleichterung der Teilnahme an den Kommunalwahlen während der Corona-Pandemie (Kommunalwahler- leichterungsgesetz NRW)“, Gesetzentwurf der Fraktion der AfD Drucksache 17/9342, und für ein „Gesetz zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020“, Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD und FDP; Drucksache 17/9365, zu ergänzen. Die Debatte soll in Block I geführt werden.
Die ursprünglich für heute vorgesehenen zweiten Lesungen sollen in der morgigen, 93. Sitzung des Landtags unter dem neuen Tagesordnungspunkt 6 stattfinden. Die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt sollen zu Protokoll gegeben werden. – Auch hierzu sehe ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Als neue Tagesordnungspunkte werden nach einer Verständigung aller Fraktionen am Ende der heutigen Tagesordnung Abstimmungen über die Beteiligung des Landtags an verfassungsgerichtlichen Verfahren aufgenommen. Es handelt sich um die Verfahren, die der Rechtsausschuss in seiner heutigen Sitzung behandelt hat. Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen. – Auch dagegen sehe ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 25. Mai gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der oben genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Becker das Wort.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Coronapandemie beschäftigt uns in diesem Hause in vielen Facetten. Jetzt kommt eine Facette dazu, der Wohnungsmarkt.
Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen der Bundesregierung hat am 21. Mai eine Studie veröffentlicht, deren Ergebnisse keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die von der Bundesregierung – wohlgemerkt: von der Bundesregierung – ergriffenen Maßnahmen zum Schutz von Mietern und Eigentümern aller Voraussicht nach nicht genügen werden, um zu verhindern, dass Mietkosten zu einer noch größeren Belastung von Haushalten und zu einer echten Bedrohung werden.
Miethaushalte ohne Rücklagen werden im Schnitt ab einem Verlust des Haushaltseinkommens von 100 Euro im Monat finanziell durch Wohnkosten überbelastet, müssen also bis zu 40 % ihres verfügbaren Einkommens für das Wohnen ausgeben. Ab einem Verlust von 400 Euro werden sie sogar stark überbelastet.
Dabei sind Haushalte in Großstädten wie auch in kleineren Stadt- und Gemeindetypen gleichermaßen bedroht. Die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Folgen der Coronapandemie werden also unmittelbar und längerfristig die Wohnungsmärkte anspannen und den Anteil der Mieten an dem verfügbaren Einkommen nach oben treiben.
In einer solchen Situation kommt es darauf an, den Schutz der Mieterinnen und Mieter vor ungerechtfertigten Mieterhöhungen großzuschreiben. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen machen aber genau das Gegenteil.
Sie schreiben den Mieterschutz klein, wollen ihn eigentlich, wie Sie es im Koalitionsvertrag noch abgefeiert haben, abschaffen. Das, was Sie in Ihrer sogenannten Mieterschutzverordnung festschreiben wollen, kommt dem schon sehr nahe. In jedem Fall kommt es einer Aushöhlung des Schutzes vor ungerechtfertigten Mieterhöhungen bei Bestands- und Neumieten gleich.
Statt wie bisher über 6 Millionen Haushalte sollen ab dem 1. Juli nur noch weniger als 3 Millionen Haushalte in 18 von 396 Kommunen von Mieterschutzrechten profitieren können. Das ist nicht einmal ein Feigenblatt.
Unsäglich wie der Inhalt ist auch das Verfahren, mit dem Sie die Mieterschutzverordnung in Kraft setzen wollen. Es unterstreicht, welchen Stellenwert der Schutz der Rechte von Mieterinnen und Mietern bei Ihnen hat.
Nach einem Bericht im Ausschuss wissen wir, dass dem Ministerium seit Dezember 2019 ein Entwurf des Mantelgutachtens, das der Mieterschutzverordnung zugrunde liegt, vorliegt.
Ich weiß nicht, wie viele Anträge die Oppositionsfraktionen im Plenum und wie viele Anfragen sie im Ausschuss zur Zukunft der Verordnung zum Mieterschutz gestellt haben. Ich weiß nur, dass die stoische Antwort der Ministerin immer war, dass erst das Gutachten abgewartet werden muss. Bis in den März hinein haben Sie das behauptet, obwohl Sie es seit Dezember 2019 kannten.
Die Umwandlungsverordnung haben Sie sang- und klanglos zum 27. März 2020 auslaufen lassen. Jetzt scheint es mir, als kämen Ihnen die Coronapandemie bzw. die dadurch bedingten eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten des Parlaments gerade recht, um die anderen Verordnungen zu schleifen und die Gebietskulissen zu verkleinern.
(Beifall von der SPD – Bodo Löttgen [CDU]: Was für ein Schwachsinn! Sie glauben doch selber nicht, was Sie da vorlesen! – Jochen Ott [SPD]: Aber so ist es doch!)
Einen Austausch von Abgeordneten mit Sachverständigen vor Inkrafttreten der Mieterschutzverordnung wollen Sie jedenfalls nicht.
Ich ahne auch, warum nicht. Ihre Wohnungspolitik würde Ihnen dann nämlich links und rechts um die Ohren gehauen.
Denn schon das Mantelgutachten, das die neue Mieterschutzverordnung begründen soll, ist in einer schriftlichen Anhörung auseinandergenommen worden – insbesondere von den kommunalen Spitzen
Es ist „nicht gesichert, dass die vorliegende Analyse wissenschaftlich belastbare Ergebnisse liefert und den politischen Auftrag erfüllt, nämlich die Grundlage zu liefern, die auskömmliche Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum abzubilden.“
Die kommunalen Spitzenverbände haben jetzt in einem an die baupolitischen Sprecher gerichteten Brief noch einmal nachgelegt und darauf hingewiesen, welche Bedeutung die konkrete Ausgestaltung der Mieterschutzverordnung in Form der vorgeschlagenen Gebietskulisse hat.
Ich zitiere noch einmal: Dies betrifft nicht nur unmittelbar den Mieterschutz, sondern beeinflusst darüber hinaus sämtliche wohnungs- und bodenpolitischen Instrumente auf kommunaler Ebene.
Die kommunalen Spitzenverbände haben noch einmal drei Punkte aufgeführt, die sie aufgrund des engen zeitlichen Ablaufs erst jetzt einbringen konnten. Es geht da um die vorliegenden Analysen zum Wohnungsmarkt für den Sozialbericht des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, die Berücksichtigung aktueller Wohnungsmarktanalysen auf lokaler Ebene sowie um die Vorgehensweise in anderen Bundesländern.
Diese drei Aspekte stellen aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände die gutachterlichen Schlussfolgerungen infrage. Deshalb ist es aus unserer Sicht dringend geboten, all das noch einmal zu überdenken.
Ich appelliere daher noch einmal an die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen: Peitschen Sie die neue Mieterschutzverordnung nicht bis zum 1. Juli durch. Nehmen Sie die Bedenken der kommunalen Spitzenverbände ernst, und überprüfen Sie die geplanten Entscheidungen. Geben Sie dem Schutz der Mieterinnen und Mieter vor ungerechtfertigten Mieterhöhungen den Stellenwert, den er gerade angesichts der Ergebnisse der Studie des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen und der damit aufgezeigten Bedrohung für den Wohnungsbau dringend braucht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion hat nach der Reinigung des Rednerpultes der Abgeordnete Schrumpf das Wort.
Es muss ja alles seine Richtigkeit haben. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, weniger Intelligente suchen nach Schuldigen.
Dieses jüngst viel gebrauchte Zitat trifft auch hinsichtlich des heutigen Beitrags mal wieder den Nagel auf den Kopf.
Es geht Ihnen offenbar nicht um die Lösung von Problemen, die durch die Pandemie verursacht werden, sondern vielmehr einzig und allein um den Versuch, insbesondere die neue Mieterschutzverordnung zu diskreditieren und so Ihren Kommunalwahlkampf zu stützen. – Herr Kollege Becker, das ist so durchschaubar wie unseriös.
Die Pandemie stellt unser Gesundheits-, Wirtschafts-, Bildungs- und Gesellschaftssystem, aber auch jeden Einzelnen von uns auf eine harte Probe. Doch dank des unermüdlichen Einsatzes der vielen Ärzte und Pflegekräfte, eines schnellen, klugen und besonnenen Handelns der Politik auf allen Ebenen und nicht zuletzt durch den verantwortungsvollen Umgang der Bürgerinnen und Bürger miteinander konnte eine Überlastung unseres Gesundheitssystems verhindert werden.
Um die gravierenden wirtschaftlichen Folgen abzufedern, ist das Land mit dem größten Wirtschaftsrettungsprogramm in der Geschichte Nordrhein-Westfalens den vielen mittelständischen Unternehmen, Solo-Selbstständigen, Vereinen aber auch Kulturschaffenden finanziell zur Seite gesprungen, und das schnell und unbürokratisch.