Mirko Schultze

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Last Statements

Danke schön, Herr Präsident! Herr Pallas, Sie sprachen gerade von der Angemessenheit der polizeilichen Befugnisse. Ich bin Bewohner der Stadt Görlitz, also im 30-Kilometer-Sektor.
Entschuldigung, Herr Präsident, diese Erklärung muss vorweg. – Halten Sie es tatsächlich für angemessen, dass es nach Ihrem neuen Polizeigesetz durchaus legitim ist, permanent meine Bewegungsdaten sozusagen zu filmen, mein Gesicht zu erkennen – und das unter dem Vorwand, dass ich potenzieller Straftäter sein könnte und damit mich, meine Nachbarn, meine Eltern und alle unter einen Generalverdacht zu stellen? Halten Sie das tatsächlich für angemessen?
Herr Präsident! Auch ich möchte eine Erklärung nach § 94 Abs. 1 der Geschäftsordnung abgeben. Ich habe gegen das Polizeigesetz gestimmt, und ich habe dafür zwei wichtige Gründe.
Der eine ist: Ich glaube, dass dieses Polizeigesetz eine Umkehr vollzieht, nämlich von der Idee der Unschuldsvermutung hin zu einem Generalverdacht, der erst einmal davon ausgeht, dass jeder, der aus irgendwelchen Gründen in die Nähe einer polizeilichen Handlung kommt, potenziell Teil der Maßnahme und potenziell ein Gefährder ist. Es reicht dann schon aus, regelmäßig am Wochenende in einem Stadion zu sein, sich auf einer Umweltdemonstration oder anderen politischen Kundgebungen zu befinden, um infolgedessen durch die Polizei und nicht durch Gerichte, nicht durch Ermittlungen, sondern allein durch das Entscheiden von Beamtinnen und Beamten im handelnden Vollzug in die Gefahr zu kommen, dass man als eine Gefährderin bzw. ein Gefährder eingestuft wird.
Das macht etwas mit der Gesellschaft. Ich glaube, dass eine Gesellschaft darauf achten sollte, dass ihre Polizei die Mittel verhältnismäßig einsetzt, so sparsam wie nötig und nicht so, wie sie kann, bzw. so existenziell wie möglich. Sie soll tatsächlich als Polizei eher zurückhaltend agieren und nur so eingreifen, dass eine Gefahr tatsächlich abgewehrt wird. Eine Gefahr wehrt man aber nicht ab, indem man potenziell allen Menschen erklärt: Du bist ein Gefährder oder du bist es nicht. Dann wäre in dieser Logik allen Ernstes eine Schwangerschaftsverhütung die größte Gewaltprävention. Denn dort, wo keine Menschen auf der Erde sind, werden sie keine Kriege mehr führen und keine Gewalttaten verüben. Das wäre
der radikalste Ansatz, wenn man davon ausgeht, dass von jedem Menschen, egal wo er handelt, zunächst potenziell eine Gefahr für den Staat ausgeht.
Zum Schluss sei gesagt: Ich bin in einem Land geboren, in dem eine Regierung Angst vor der Bevölkerung hatte. Ich war 16 Jahre alt, als die Wende kam. Werfen Sie mir jetzt keine DDR-Vergangenheit vor. Ich hatte ehrlicherweise nicht erwartet, dass ich 30 Jahre später wieder in einem Parlament stehen werde, wo eine Regierung auf der Regierungsbank sitzt, die ganz offensichtlich der Polizei Rechte einräumt, um ihre Angst vor der eigenen Bevölkerung wieder in polizeiliches Handeln zu verwandeln.
Vielleicht mag es heute noch nicht der endgültige Schritt in diese Richtung gewesen sein, aber ich verspreche Ihnen wie mit allem: Wenn man die Mittel nach und nach erhöht, werden sie nach und nach angewandt werden. Wir werden es erleben, dass wir vermutlich in wenigen Jahren hier wieder über eine neue Verschärfung reden, weil Sie zwar eine sinkende Kriminalstatistik haben, aber zu Ihrer Begründung einfach anführen: Wenn die Kriminalstatistik sinkt, interessiert uns das nicht. Erhöhen wir eben die Dunkelziffer, und dann ist alles wieder gerechtfertigt.
Deshalb habe ich mit Nein gestimmt.
Können Sie uns kurz aufklären?)
Herr Rohwer, wir können es gern einmal probieren mit dem Redentauschen. Vielleicht ist das so etwas wie Wissenstransfer in Ihre Richtung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! 20 Jahre, 27 Jahre – ich weiß gar nicht mehr,
wie lange. Immer, wenn es darum geht, hören wir als Erstes: Erneuerbare Energie ist nicht grundlastfähig.
Wir dürfen nicht aussteigen.
Erinnern Sie sich daran, wie groß Ihre Handys vor 20 Jahren waren und wie lange Ihre Akkus gehalten haben? Erinnern Sie sich zufällig daran, wie groß die Laptops waren, wie viel Benzin Ihre Autos gefressen haben? Vielleicht akzeptieren wir auch einmal, dass wir tatsächlich in den nächsten 20 Jahren auch Fortschritte machen können, aber nicht, indem wir es so machen wie der Ministerpräsident, der sagt, wir dürfen den Kohleausstieg erst dann machen, wenn alle Arbeitsplätze durch neue ersetzt worden sind. Lassen Sie sich das bitte für die Lausitz auf der Zunge zergehen: Ich baue Industriearbeitsplätze. Dort stehen eine Werkbank, eine Drehmaschine und ein Stuhl. Dann halte ich die so lange vor, bis ich zum Kraftwerk fahre, die Leute, die dort arbeiten, am Tag X in Busse setze, in die neue Fabrik fahre und dorthin setze.
Das ist alles andere als Strukturwandel. Das ist einfach Blödsinn.
Man will damit sozusagen Leuten einfach Sand in die Augen streuen.
Dann kommt der nächste Vorschlag für die Lausitz. Dann machen wir jetzt den Stadtumbau mit Panzern. Bataillone nach Weißwasser, den Truppenübungsplatz ausbauen – das ist nicht Strukturwandel, das ist Kriegspolitik; aber das ist eine andere Debatte.
Ich glaube ehrlicherweise, dass es auch gar nichts bringt, wenn wir den einen oder anderen Wasserkopf entwickeln und einen neuen Manager, eine neue Managerin irgendwo sozusagen in großen Stäben organisieren, die dann für Milliarden Prestigeprojekte bauen, sondern wir müssen tatsächlich darüber nachdenken, wie wir die Innovationen, die die Lausitz selbst hat, entwickeln können.
Ich erinnere einmal daran: Früher hieß es beim heutigen Ministerpräsidenten – damals noch Bundestagsabgeordneter –, wenn es um eine Fernverbindung nach Görlitz ging: Das machen wir. Dafür setze ich mich ein. – Dann kam er in der Regel aus Berlin zurück und hat gesagt: Ich habe das gegen die anderen nicht durchgesetzt. – Die CDU hat in Berlin regiert. Das ist ein bisschen wie bei Herrn Baum. Herr Baum, wenn Sie Boxberg helfen wollen, dann erinnere ich Sie daran: Sie sitzen in der Regierungskoalition. Das Ding mit der Steuer können Sie klären.
Sie müssen den Finanzminister nicht bitten. Sie sind hier die Mehrheitsfraktion. Ansprechen hilft nicht. Schreiben Sie einen Antrag! Klären Sie das Ding!
Halt! Entschuldigung: Mit Ihnen zusammen.
Ich will es anders sagen. Wir brauchen tatsächlich für die Lausitz eine neue Arbeitskultur, die einer neuen Zeit entspricht. Die heutige Arbeitskultur ist nicht mehr der Unterschied zwischen frei und Arbeitszeit, ob man vor oder hinter dem Werktor steht. Arbeitskultur ist heute etwas anderes.
Wir brauchen faire Löhne. Es ist schon absurd, wenn die Parteien, die die ganze Zeit fast durchweg regiert haben, die die Lausitz zum Niedriglohnsektor gemacht haben, sich jetzt hinstellen und sagen: Die letzten Tarifarbeitsplätze der LEAG dürfen nicht wegfallen, weil alle anderen so schlecht verdienen. – Dann tun Sie endlich etwas dafür, dass die Löhne in der Lausitz hochgehen und die Billiglohnstrategie der letzten 27 Jahre endlich aufgehoben wird. Sie haben es doch erst zu einer strukturschwachen Region gemacht mit Ihrer Politik.
Wir brauchen den Strukturwandel von unten. Wir brauchen die Freiräume für Freigeister, das Ideenlabor Lausitz und Mittel für Kultur, Bildung und Ökologie.
Wir brauchen Zuwanderung in der Lausitz, weil wir jetzt schon einen Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel haben. Dieser wird sozusagen nicht besser werden. Wir brauchen Menschen, die in der Lausitz leben und arbeiten. Dann haben wir auch Arbeitsplätze für diejenigen, die jetzt schon da sind. Wir müssen ihnen aber die Chance dafür geben mit fairen Löhnen und vernünftiger Arbeit. Das geschieht eben nicht, indem ich ihnen immer Sand in die Augen streue und sage, es werde schon irgendwie weitergehen mit LEAG und Braunkohle, sondern dadurch, indem ich ihnen eine Hoffnung und Zukunft gebe und sage: Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Menschen in der Lausitz, wir nehmen uns dieses Themas gemeinsam mit euch an. Wir gehen in eine neue Zukunft, wir gehen in eine neue Lausitz mit neuen Arbeitsplätzen, die vernünftige Löhne, Wirtschaftskraft und Ähnliches generieren, und nicht: Wir werden es irgendwie hinbekommen.
Wir müssen die Depression in der Lausitz stoppen und wieder zu Mut in die Zukunft umwandeln und nicht die Depression pflegen, indem wir sagen, irgendwie werden wir das schon hinkriegen, auch wenn alles ganz, ganz schlimm wird. Lassen Sie uns in der Lausitz Hoffnung schaffen, wirkliche regionale Wirtschaftskreisläufe,
alternative Verkehrskonzepte, die alles einbeziehen. Was nutzt mir als Görlitzer der ICE, über den ich mich wirklich freue, wenn der kommen sollte? Allerdings kenne ich
diese Versprechen auch schon seit weit über 20 Jahren, von der Elektrifizierung der Strecke angefangen bis sonst wohin. Wenn der wirklich mal in Görlitz kommen sollte, –
– dann freue ich mich, aber wenn ich nach Löbau oder Reichenbach nicht mehr komme, weil der ÖPNV nach wie vor kaputt ist, dann hilft mir der ICE gar nichts; dann hilft er nur dazu, dass die Leute die Region verlassen, und nicht, dass die Leute in die Region kommen. Deshalb lassen Sie uns den Strukturwandel – –
Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweite Beratung zum Gesetzentwurf zur Verbesserung des Brandschutzes in Sonderbauten im Freistaat Sachsen. Man hat
selten die Gelegenheit, übergreifend Gesetze miteinander zu verbinden. An dieser Stelle möchte ich es am Anfang einmal tun, nämlich einen Hinweis darauf, dass wir hier über Sonderbauten, Krankenhäuser, Heime und Einrichtungen zur Pflege reden, und dass es so wichtig ist, dass wir in diesen besonderen Bauten nicht nur über Brandschutz, sondern auch über aktive Brandbekämpfung reden. Das liegt unter anderem daran, dass sich die Situation in diesen Häusern in den letzten Jahren dramatisch verändert hat.
Unsere Gesellschaft wird nicht nur älter. Auch wir begrüßen selbstverständlich die Möglichkeit, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben. Aber es bedeutet, wenn man in ein Heim oder in eine Einrichtung zur Pflege kommt, dass bei denjenigen, die in diesen Heimen sind, die Schwere ihrer Beeinträchtigungen immer größer wird. Das heißt, die bettlägerigen Einwohnerinnen und Einwohner dieser Heime haben deutlich an Zahlen zugenommen – im Gegensatz zum Pflegepersonal, das deutlich abgenommen hat. Auch das Pflegehilfspersonal hat zahlenmäßig deutlich abgenommen, die Krankenschwestern, die Altenpfleger und Altenpflegerinnen, die aufgrund einer verfehlten Sozialpolitik nicht mehr in den Häusern zur Verfügung stehen, um etwas zu tun – was wir uns alle nicht wünschen –, wenn es eintritt: zu evakuieren, wenn es brennt, einzuschreiten, wenn eine Situation eintritt, die eine Sondersituation darstellt, wenn Panik in dem Haus ausbricht.
Zugleich führen wir in diesem Moment Rettungskräfte von außen heran, bei denen wir wissen – die Staatsregierung hat es zum Glück erkannt, auch wenn sie mir da deutlich zu kurz springt –, dass wir Probleme damit haben, immer die Einsatzbereitschaft der Feuerwehren tatsächlich zu gewährleisten, dass wir Probleme damit haben, immer genügend Einsatzkräfte vor Ort zu haben. Ich weiß, jetzt kommt immer das Ewige: Wenn es nicht genügend Einsatzkräfte der einen Wehr gibt, kommt die nächste Wehr usw. Aber die brauchen Zeit – Zeit, die so manche Bewohnerinnen und Bewohner in diesem Heim vielleicht nicht mehr haben, wenn zwar der Pieper losgeht, der Rauchmelder laut Alarm schlägt, aber die Pflegerin und der Pfleger in eine Situation kommen, dass sie entscheiden müssen, ob sie die Patientin aus dem Zimmer A oder B holen, weil sie wissen, dass sie nur ein Zimmer evakuieren können, weil sie zu wenige sind und keine Zeit dafür haben, zwei Zimmer zu evakuieren.
Deshalb möchte unsere Fraktion mit dem Gesetz zur Verbesserung des Brandschutzes in Sonderbauten festschreiben, dass aktive Brandlöschanlagen, wie zum Beispiel Sprinkleranlagen, eingeführt werden. Ich erinnere daran, dass in der Anhörung gesagt wurde, man könne auch außergesetzlich regeln. Das stimmt. Man kann das außergesetzlich regeln. Nur ist dieses Haus hier der Gesetzgeber, nicht der Verordnungsgeber. Demzufolge beantragen wir eine Änderung des Gesetzes.
Ich gehe nur auf einen Punkt ein, der immer gern genannt wird, nämlich den Hinweis darauf, dass das ein Eingriff in die Rechte der Eigentümer und Betreiber der Heime ist. Das stimmt. Ich habe einmal nachgeschaut. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen, weil es ein längeres Zitat ist. Aber sinngemäß handelt es sich darum, dass bei der Einführung des Airbags für Autos die ganze Autoindustrie darüber wetterte, dass das ein Eingriff in ihre wirtschaftliche Freiheit sei. Ich möchte heute gern nachfragen, wer von Ihnen auf seinen Airbag verzichten und freiwillig sagen würde, er nehme ein Auto, in dem der Gesetzgeber nicht in die Freiheit der Autoindustrie eingegriffen habe, also eines ohne Airbag.
Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die Entscheidung, diesen Antrag zu stellen, richtig ist, nämlich es zur Pflicht zu machen. Deshalb möchte ich sagen, dass uns sehr bewusst ist, dass die ursprünglichen Fristen, die wir in unserem Gesetzentwurf haben, aufgrund der Länge des Geschäftsganges dieses Antrags so nicht mehr haltbar sind. Ich werde an dieser Stelle gleich den Änderungsantrag einbringen und die Fristen selbstverständlich von 2019 auf 2024 und von 2020 auf 2025 ändern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es kurz machen. Es geht um Menschenleben. Es geht um unsere Eltern, unsere Großeltern. Es geht in Zukunft vielleicht um uns. Es geht darum, Menschen zu schützen. Menschenleben hat nun einmal keinen Preis. Deshalb bitten wir Sie, dass Sie zustimmen und wir uns gesetzlich verpflichten, aktive Löschanlagen in den Häusern einzubauen, und so einen weiteren Beitrag dazu leisten, dass unsere Pflegeheime, Altenheime und Krankenhäuser ein Stück weit sicherer werden.
Danke schön.
Frau Präsidentin, selbstverständlich ist das eine Zwischenfrage.
Danke, dass Sie die Verdienste der Kameradinnen und Kameraden aufgezählt haben. Ich möchte Sie aber gern fragen: Schlussfolgern Sie aus diesem erfolgreichen Verhüten und Bekämpfen von Bränden und den daraus sinkenden Opferzahlen, dass man die Schutzmaßnahmen reduzieren muss? Heißt das, Sie wären jetzt auch dafür, dass wir das Gesetz über die Einführung der Rauchmelderpflicht zurücknehmen, weil die Anzahl der Brände in Wohnungen sinkt, oder dass wir das Tempolimit auf Autobahnen zurücknehmen, weil die Anzahl der Toten auf der Autobahn gesunken ist? Das meinen Sie jetzt nicht ernst, oder?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ursprünglich sollte an dieser Stelle zunächst ein Dank kommen, aber ich beginne doch mit einem anderen Satz: Ich glaube, der Siemens-Konzern hat – ähnlich wie der Konzern von Bombardier – am Standort Görlitz eine extrem multikulturelle Gesellschaft in den Mitarbeiterreihen und ist darauf angewiesen, dass sich Menschen aus Indien, Amerika, Südamerika etc. in der Stadt wohlfühlen.
Glauben Sie mir, liebe AfD, Sie tun alles dafür, dass sich diese Menschen nicht wohlfühlen und dass dieser Standort eher mit Ihrer Rhetorik, Ihren rassistischen Ressentiments und dem, was Sie sagen, gefährdet ist. Sie können sich gar nichts auf die eigene Fahne schreiben, wenn es um die Standortsicherung geht. Diese internationalen Konzerne sind nämlich darauf angewiesen, dass man über die deutschen Grenzen hinausdenkt und nicht an ihnen schießen will. Deshalb schreiben Sie sich das nicht auf die Fahnen.
An dieser Stelle gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Irgendwie ist ja die Runde heute dafür gedacht gewesen, sich einmal selbst zu danken. Die Staatsregierung hat ihre Koalitionsparteien losgeschickt und gesagt: „Sagt doch mal Danke!“ Im selben Stil könnte ich jetzt sagen: „Hallo Mutti!“, aber an dieser Stelle etwas unangebracht – Mutti würde es vielleicht freuen. Es ist die Aufgabe des Ministerpräsidenten, des Wirtschaftsministers und Ähnlichem sich hinzustellen, wenn ein Betrieb wie Siemens in einer Region in Schwierigkeiten gerät. Ich erwarte schlicht, dass dieses Engagement kommt, und es gehört zu unserem Job als Landtagsabgeordnete, vor Ort zu sein.
Deshalb sollten wir uns nicht selbst danken, sondern eine Selbstverständlichkeit begreifen, an der Seite der Menschen in den Betrieben zu stehen und derer, die nicht direkt bei Siemens beschäftigt sind, nämlich die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die auch bei Bombardier und Siemens nicht unbedingt von der Standortsicherung profitieren. Das sei auch an der Seite derjenigen, die aufgeatmet haben, weil sie tatsächlich an diesem Standort hängen, und zwar mit ihrer Existenz, beispielsweise die kleinen Pensionen, die Putzfrau, die Reinigungskraft, die Kindergärtnerin und andere, die im Umfeld dieses Global Players Beschäftigung gefunden haben und letztlich mit ihren Familien davon leben.
Sie haben tatsächlich aufgeatmet, weil eine Erosion des Standortes Görlitz nicht nur die guten tariflich bezahlten Arbeitsplätze bei Siemens gefährdet hätte, sondern weil die Situationen dazu beigetragen hätten, dass die kleine Pflanze des Wirtschaftsaufschwunges und der Strukturwandel in der Oberlausitz abgebremst worden wären, da das Grundrauschen von Industriestandorten dringend gebraucht wird, um auf diesem Fundament aufzubauen. Dem gilt unser Dank.
Unser Dank gilt sicherlich auch denen, die immer da, wo ein Aufsichtsrat von Siemens auch nur den Kopf aus dem Fenster gesteckt hat, mit ihren Trommeln dastanden und getrommelt haben, aber auch denen, die durch die ganze Republik gefahren sind. Er gilt auch den Siemensianerinnen und Siemensianern, den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und der ganzen Republik, die solidarisch am Standort waren. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nicht um Effizienz oder Innovationskraft ging, sondern man hat gedacht: Verdammt, irgendwo da draußen im Osten ist ja
noch diese Stadt Görlitz, sie wird schon keinen Widerstand leisten, wenn wir diesen Betrieb schließen. Dabei haben sie sich fundamental geirrt. Die Belegschaft hat mit ihrer Stadt zusammen das Heft des Handelns in die Hand genommen.
Diese Solidarität muss jetzt auch umgekehrt gelten. Siemens hat ja nicht gesagt: Wir nehmen es zurück, dass wir Milliardengewinne machen und trotzdem unseren Aktionären noch höhere Rendite versprochen haben. Sie wollen ja weiterhin trotz Milliardengewinnen Stellen abbauen. Dann gilt auch hier aus dem Sächsischen Landtag unsere Solidarität den Kolleginnen und Kollegen in Offenbach.
Siemens muss seine gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnehmen und sagen: Menschen vor Rendite. Wenn ich Milliarden Gewinne mache, dann ist es nicht wichtig, ob ich 10,5 oder 11 % Rendite mache. Dann habe ich auch als Unternehmen eine Verantwortung für eine Gesellschaft, gerade an einem Standort wie in der Oberlausitz, in Offenbach oder in Erfurt. Das sollte die Forderung sein, die ab heute gilt. Der Industriestandort Sachsen mag noch viele schwierige Zeiten vor sich haben, aber in Solidarität werden wir es schaffen.
Meine Gratulation gehört noch einmal der Belegschaft, die gezeigt hat, dass Selbstverantwortung und Selbstorganisation durchaus Konzerne in die Knie zwingen können.
Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst sicherlich nicht nur im Namen meiner Fraktion noch einmal der Dank an die Kameradinnen und Kameraden der freiwilligen und Berufsfeuerwehren, an die Katastrophenschützer, an die Rettungskräfte und an die Menschen, die sich in dieser Sturmnacht in Bereitschaft hielten, um im Zweifelsfall helfen zu können, und an die, die sozusagen nicht hinter ihrer Wohnungstür geblieben sind, sondern gesehen haben, wenn Nachbarn, Freunde oder Menschen im Ort Hilfe brauchten, und unkompliziert geholfen haben. Auch denen gilt, glaube ich, an dieser Stelle unser aller Dank – Menschen, die einfach gezeigt haben, dass die Hilfe in Notlagen ganz wichtig ist und sicherlich jedem zur Ehre gereicht.
Der Sturm – das ist hier schon gesagt worden – war nach „Kyrill“ der stärkste, den wir in Sachsen in den letzten Jahrzehnten hatten. Er war auch ein Gradmesser für das, was wir an Leistungsfähigkeit innerhalb des Katastrophenschutzes und innerhalb unserer Hilfsdienste haben.
Wir müssen zumindest klar und deutlich feststellen, es hat funktioniert. Ich will dies als deutlich positiv benennen. Wir haben ein Funktionieren gesehen. Wir haben dieses Funktionieren aber hart an der Grenze dessen gesehen,
was machbar war. Ein wenig mehr, ein wenig mehr Sturm, ein wenig mehr Katastrophe, und wir wären – so ehrlich müssen wir sein – an unsere Grenzen gestoßen oder hätten die Grenzen deutlich überschritten.
Das hat etwas mit den zur Verfügung stehenden Kräften bei den freiwilligen Feuerwehren, bei den Katastrophenschutzdiensten und Ähnlichen zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass wir seit Jahren einen Unterschied zwischen der Ist- und Sollstärke haben und dass wir dringend etwas unternehmen müssen – ich bin als Beispiel im Bereich der freiwilligen Feuerwehren –, um den Dienst in der freiwilligen Feuerwehr attraktiver zu gestalten, um Menschen dazu zu animieren, in die freiwilligen Feuerwehren zu gehen. Das kann eben nicht nur eine Auszeichnung für viele verdienstvolle Jahre im Ehrenamt der Feuerwehr sein. Wir müssen tatsächlich darüber nachdenken, wie wir das machen können.
Ich will in dieser Runde aber noch ein paar andere Punkte ansprechen, weil solch eine große Sturmlage natürlich Dinge mit sich bringt, anhand deren man schauen kann, wie es funktioniert hat. Wir müssen, glaube ich, prüfen, ob tatsächlich alle Systeme so annähernd funktionierten und NINA und BIWAPP das leisteten, was wir von ihnen erwartet haben. Sind die Systeme rechtzeitig scharf geschaltet worden? Hat die Koordinierung über die Landfunkstellen, nachdem die integrierten Leitstellen quasi das System scharf geschaltet haben, funktioniert? Ist jederzeit im richtigen Moment die richtige Aktion ausgelöst worden?
Ich möchte damit nicht sagen, dass wir darauf schauen sollten, wer etwas falsch gemacht hat, sondern darauf, was wir verbessern können, weil wir mit Sicherheit davon ausgehen können, dass die nächste Unwetterkatastrophe – ob es nun ein Hochwasser oder wieder ein Sturm ist – auf uns zukommen wird.
Wir werden uns dann wieder darauf verlassen müssen, dass die Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr, der Rettungsdienste und des Katastrophenschutzes nicht nur bereit sind – daran habe ich überhaupt keinen Zweifel –, sondern auch die bestmöglichen Einsatz- und Alarmierungsbedingungen haben.
So ein Sturm gibt natürlich auch die Chance, einfach einmal zu prüfen, ob all das, was wir in der Theorie aufgeschrieben oder in Übungen gemacht haben, auch tatsächlich funktioniert hat. Ich bitte darum, dass wir diesen Prozess schonungslos angehen und Fehler finden und analysieren.
Die nächsten Extremwetterereignisse werden, wie ich gesagt habe, schon kommen. Wenn dann die Leitstelle – das will ich hier an dieser Stelle in der ersten Runde sagen – der Polizei in der Polizeidirektion Görlitz in Spitzenzeiten nur noch 50 % der Notrufe bearbeiten kann, weil der Auflauf zu hoch ist, dann müssen wir uns fragen, ob wir etwas anders, etwas besser machen müssen, weil die mehr als 500 Anruferinnen und Anrufer, die über den Polizeinotruf nicht durchgekommen sind, in diesem Moment natürlich in erhebliche Verunsicherung gestürzt worden
sind. Eigentlich geht man davon aus, wenn man in unserem Land die 110 oder 112 wählt, dass dann auch Hilfe am anderen Ende der Leitung ist.
Den Rest können wir dann in der zweiten Runde bereden.
Danke.
Danke, sehr geehrter Herr Präsident! Für meinen Kollegen Löffler noch einmal ganz langsam und schlicht: Natürlich haben unsere Einsatzkräfte ihr Bestes gegeben und sie geben ihr Bestes, und sie haben natürlich das im Rahmen ihrer Möglichkeiten Beste getan. Niemand hat davon geredet, dass dies nicht funktioniert habe. Ich habe davon gesprochen, dass es dann, wenn es ein Mehr an Katastrophenlage gegeben hätte – davon bin ich überzeugt, und wenn Sie sich damit beschäftigt haben, werden Sie es ebenso sehen –, eine Schwierigkeit in den Einsatzabteilungen der freiwilligen Feuerwehren geben würde.
Die in den Brandschutzbedarfsplänen gern einmal beschriebenen Sollstärken sind selten die tatsächlichen Iststärken, wenn der Alarm ausgelöst wird. Sie wissen aber ganz genau wie ich, dass es doch durchaus manchmal eine Frage ist, wie viele Kameradinnen und Kameraden es tatsächlich im Ernstfall zum Gerätehaus schaffen
können. Das ist auch gar kein Vorwurf an die Kameradinnen und Kameraden. Ein flexibler Arbeitsmarkt, der davon ausgeht, dass Menschen bis zu 100 Kilometer auf Arbeit fahren können, muss auch davon ausgehen, dass dann, wenn man in 100 Kilometern Entfernung von einem Brand zu Hause hörte, das Losfahren relativ sinnfrei wäre, es sei denn, es wäre tatsächlich eine Großschadenslage.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es sozusagen versuchen in der Schnelle zu machen, nämlich ein Verständnis darstellen, das wir wohl alle hier haben: Wir brauchen eine Wertschätzung für Feuerwehren. Das heißt ehrlicherweise: Lassen Sie uns doch tatsächlich noch einmal darüber reden, wie wir es hinbekommen, dass wir eine Ehrenamtsrente gestalten. Lassen Sie uns vielleicht einmal darüber reden, wie wir es hinbekommen, dass nicht – so wie vorhin gerade passiert – bei jeder Aufwandsentschädigung gleich so getan wird, als wenn es Gehalt wäre. Ich finde gute Aufwandsentschädigungen für Angehörige der freiwilligen Feuerwehr richtig, nicht nur deshalb, weil sie Aufwendungen für Sprit oder Ähnliches haben. Zumindest diejenigen von uns, die in Kommunalparlamenten verankert sind, wissen, dass man dort auch Aufwandsentschädigungen bekommt, weil wir absichtlich pauschal unsere Kosten abdecken müssen. Damit meine ich nicht 3,50 Euro, die irgendwann in den Topf geworfen werden, damit es am Ende zum Kasten Bier oder zur Bratwurst reicht, sondern ich meine eine Aufwandsentschädigung, die Menschen tatsächlich ihren Aufwand entschädigt und in gewissem Maß denjenigen Menschen Danke sagt, die in ihrem Ehrenamt ohne jede andere Vergütung bereit sind, zur Not auch ihr Leben zu opfern, um unser Leben zu retten. An dieser Stelle möchte ich nicht, dass Aufwandsentschädigung als etwas Ähnliches wie Gehalt verunglimpft wird.
Ich möchte, dass wir über Unterstützung für Familien reden, über eine familienfreundliche Politik innerhalb der Feuerwehren, die es möglich macht, dass Eltern, dass Frauen und Männer sozusagen ohne Geschlechterdiskriminierung in der Feuerwehr tätig werden können. Da gibt es noch eine ganze Menge zu tun.
Ich möchte, dass wir gute Technik haben, und ich möchte selbstverständlich, dass wir darüber reden, dass es nicht sein kann, dass Freiwillige, die weitergebildet werden, seit Jahren in Warteschleifen geschickt werden, weil sie keine Plätze in der Landesfeuerwehrschule bekommen. Es kann auch nicht sein, dass Leute von der freiwilligen Feuerwehr zur Ausbildung der Jugendfeuerwehr, wie sie jedes Jahr in der Jugendfeuerwehrwoche stattfindet, Urlaub nehmen müssen. Sie bilden unseren Nachwuchs aus – diejenigen Menschen, die uns letztendlich schützen und retten sollen, die uns bergen sollen, die dafür da sind, uns aus dem Feuer zu holen – und müssen dafür Urlaub nehmen! Ich bin dafür, dass sie dafür freigestellt werden, und zwar auf Kosten des Freistaates, dass sie Bildungsurlaub bekommen, aber dass sie nicht ihren privaten Urlaub,
der zur Erholung bestimmt ist, dafür nehmen müssen, die Menschen auszubilden, die uns in Zukunft retten sollen.
Ja, wenn wir über Rettungsdienst reden, dann müssen wir auch darüber reden, dass wir im hauptamtlichen Teil natürlich nach Bedarf ausbilden und dass wir genügend Notfallsanitäter zur Verfügung haben, wenn wir sie brauchen. Der Fehler, den wir bei den Lehrerinnen und Lehrern in Sachsen gemacht haben, sollte uns bei den Notfallsanitätern nicht passieren. Es ist zwingend notwendig, dass die Wagen dann, wenn sie ausrücken, mit Fachpersonal besetzt sind.
Aber gern doch.
Ich wiederhole mich gern. Ich sprach von der Jugendausbildungswoche, die jedes Jahr Ende März stattfinden muss.
Nein, Entschuldigung, die stattfindet, nicht stattfinden muss. Sie haben recht.
Wenn Sie bei denjenigen Kameradinnen und Kameraden nachfragen, die dort dafür sorgen, dass diese Ausbildungswoche stattfindet, dann werden Sie hören, dass die meisten von ihnen Urlaub eingereicht haben, damit sie diese Woche für unsere Jugendfeuerwehren durchführen können, und dafür in der Regel keine Freistellung bekommen. Dass sie für die Einsatzzeiten freigestellt werden, ebenso für Ausbildungszeiten, die für den Einsatz notwendig sind, steht hoffentlich außer Frage. Wenn dem nicht so ist, bitte ich darum, dass der Landesfeuerwehrverband noch einmal laut aufschreit; denn das wäre noch einmal ein Skandal im Skandal, wenn dem nicht so wäre, wie Sie es gerade beschrieben haben.
Ich redete also über die Jugendausbildungswoche. Lassen Sie mich die letzten 51 Sekunden dazu nutzen, vielleicht noch zwei Dinge anzusprechen.
Beim Rettungsdienst habe ich gesagt: Selbstverständlich müssen wir an dieser Stelle nachsteuern. Aber ich glaube, der großflächige Stromausfall, der hier übrigens noch gar nicht zur Sprache gekommen ist, hat uns auch etwas anderes gezeigt: Wir müssen auch noch einmal darüber nachdenken, wie wir eigentlich die Bevölkerung alarmieren und wie bei uns Bevölkerungsschutz funktioniert. Wenn ich davon ausgehe, dass der Strom im Durchschnitt 20 Minuten lang ausfällt, dann ist das überhaupt kein Problem, weil dann meine Handys noch Akkustrom haben und BIWAPP und NINA noch funktionieren. Wenn er tagelang ausfällt, dann wird es eng, und so wie bei den früheren Analogtelefonen, die ich einfach mit Strom versorgt habe und die daraufhin funktioniert haben, ist das heute nicht mehr. Computer und Hightech-Telefone funktionieren eben nicht ohne Strom, Heizungen funktionieren nicht mehr ohne Strom. Ich glaube, es wäre angezeigt, auch angesichts der Gewissheit, dass diese Sturmlagen wieder auf uns zukommen, –
– dass wir darüber noch einmal intensiv in den Fachausschüssen ins Gespräch kommen, wie wir für solche Situationen gewappnet sind, damit nicht Leute tagelang sozusagen in der Kälte sitzen, weil wir es nicht hinbekommen haben, den Strom anzustellen. Das kann passieren; aber wie wir darauf reagieren, darüber sollten wir beraten.
Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigentlich mit etwas anderem anfangen, aber ich stelle in der Debatte fest, dass bis auf die AfD-Fraktion niemand in diesem Raum Verständnis dafür hat, was Siemens tut, und das ist auch gut so. Denn das, was Siemens hier tut, ist unverständlich.
Ich möchte das aus einer anderen, nämlich nicht der Sicht eines Wirtschaftspolitikers sehen, sondern aus der Sicht von jemandem, der aus Görlitz kommt und den eine ganze Menge mit diesem Werk verbindet. Mein Opa, mein Vater, meine Mutter, meine Schwester, mein Onkel, meine Tante haben in diesem Werk gearbeitet bzw. arbeiten noch dort. Ich selbst habe dort meine ersten praktischen Erfahrungen bei der Ferienarbeit gemacht, bin da essen gegangen, bin acht Mal im Kinderferienlager gewesen
und habe später als Baufacharbeiter den Umbau der Hallen von Siemens begleiten dürfen.
Solche Geschichten werden Ihnen ganz viele Görlitzerinnen und Görlitzer erzählen. Dieses Werk ist nämlich nicht nur Arbeitgeber, dieses Werk ist imageprägend für diese Stadt. Dieses Werk ist das Grundrauschen, das diese Stadt braucht, um Innovationskraft für eine ganze Region zu entwickeln. Es ist ja nicht so, dass wir in der Oberlausitz keine innovativen Kräfte hätten, dass wir keine neuen Ideen oder Ansiedlungen hätten. Daran haben 27 Jahre Billiglohnpolitik nichts geändert. Es gibt in Görlitz und in der gesamten Umgebung Menschen, die sich aufgemacht haben. Sie haben Pensionen gegründet, haben Ideen
gehabt, haben kleine Handwerksunternehmen oder Läden gegründet, um ihr wirtschaftliches Auskommen zu haben. Auch für die ist es wichtig, dass ein Werk wie Siemens stabil produziert. Genauso ist es übrigens bei Bombardier in Görlitz.
Wenn alle sagen, 8,2 % Rendite müssen doch reichen, dann sage ich, das muss auch reichen. Einem Unternehmen, das gewinnbringend produziert und dann sagt, jetzt mache ich mal den Standort zu, dem müssen wir in die Arme fallen. Ich habe dazu heute schon ganz viel gehört. Ich bin auch tatsächlich erstaunt. Als Mitglied einer Partei, die sich den Kapitalismus durchaus als ein überwindbares Konstrukt vorstellen kann und darauf hinarbeitet, bin ich ziemlich erstaunt darüber, wie viele antikapitalistische Reden ich heute schon gehört habe. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis!
Mir ist an dieser Stelle wichtig zu sagen, dass das Überleben von Siemens nicht nur mit den Arbeitsplätzen der Siemensianerinnen und Siemensianer zusammenhängt. Das ist es auch, aber die Putzfrau, die Pension in der Nähe, der Mittelstand, die Kneipen, das Lebensgefühl in der Oberlausitz sind sehr davon geprägt, ob wir die Arbeitsplätze haben.
Und wenn mir jemand sagt, die Politik kann nix machen, dann erinnere ich mich mal an etwas anderes. Seit 27 Jahren erleben wir Niedriglohn, Deindustrialisierung, Leuchtturmpolitik und wie trotzdem Kreativität und Ideenreichtum leben. Ich habe erlebt, dass mein Vater seine „eigene“ Gießerei bei Siemens abreißen musste und kurz nach der Wende aus dem Betrieb – ich sage es mal ganz vorsichtig – eher ausgespuckt als gehen gelassen wurde. Da ist viel zerbrochen und trotzdem hat er immer stolz hinter seiner Produktionsstätte gestanden.
Die Leute haben versucht es wieder aufzubauen und zu einem der innovativsten Unternehmen zu machen. Das haben sie nicht nur für sich getan, das haben sie für die ganze Region getan. Das haben sie getan, damit die Leute, wenn sie an dem Backsteinbau auf der Melanchthonstraße vorbeifahren, sagen können, das ist unser Werk, das haben wir sozusagen geschaffen durch alle geschichtlichen Zeiträume hindurch.
Und nun kommt die Unternehmensspitze und sagt, wir machen das einfach mal dicht. Dann sagen viele, die Politik kann nichts machen. Ich sage, doch – sie kann. Erinnern Sie sich an solche Kapitel wie die Bankenrettung? In der Nacht haben wir Millionen in Bewegung gesetzt.
Wir haben die Commerzbank teilverstaatlicht und andere Dinge getan. Wir haben als Politik reagieren können. Ich erwarte, wenn es um die Millionen geht, die Aktionäre bekommen, wenn es um die Millionen von Banken und Boni geht, dass jetzt mit der gleichen Energie die Arbeits
plätze bei Siemens gerettet werden, mit der gleichen Energie und dem gleichen Engagement wie SiemensArbeiter, die diese Werte überhaupt erst geschaffen haben. Ich erwarte, dass jetzt ihre Produktionsstätte für die Oberlausitz und das Land gesichert wird und wir ganz klar sagen, das Problem mag hier zwar Kapitalismus heißen, aber in erster Linie haben wir sicherzustellen, dass Aktiengewinne hier nicht vor Menschen gehen.
Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jesidische Mädchen wurden im Tausch gegen ein paar Packungen Zigaretten verkauft. „Jeder, der an unserem Zimmer vorbeikam und Gefallen an uns fand, sagte: ‚Los gehen wir!‘ Da waren 48 IS-Mitglieder in dem Haus, und wir zwei Mädchen, zwei Jesidenmädchen.“ – Diese Zitate stammen von der jungen Jesidin, welche nach ihrer Befreiung in einer Sendung der „Deutschen Welle“ zu Wort kamen. Eigentlich könnte man an dieser Stelle annehmen, dass es keiner weiteren Rede, keines weiteren Werbens für den Antrag bedarf. Eigentlich könnte man erwarten, dass die hier vertretenen demokratischen Parteien sich vereint hinter den Antrag stellen. Nächstenliebe, Solidarität, Frauenrechte und der Schutz von Kindern gegenüber Gewalterfahrung werden nun einmal von CDU und SPD wie von den GRÜNEN und den LINKEN als Grundlage ihres politischen Handelns angenommen.
Auf den Punkt gebracht, steht es im Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nun geht es heute nicht um das große Rad, es geht nicht darum, ob wir vor den Festungsmauern Europas wöchentlich Massengräber schaffen, nur um etwas zu verteidigen, was es schon seit Langem – ich betone hier: zum Glück – nicht mehr gibt. Es geht nicht darum, ob wir aus Liebe zur Vielfalt Ja zu einer multikulturellen Welt sagen oder ob es – wie es einige hier glauben – eine genetische Reinheit und Überlegenheit eines biodeutschen Volkskörpers gibt.
An diesem Punkt werden wir uns tatsächlich nicht einig. Ich werde davon überzeugt bleiben, dass kein Mensch illegal einreist, um mal zu schauen, wie es sich in einer Gemeinschaftsunterkunft schläft, oder glaubt, dass Flucht ein Spaziergang oder eine gemütliche Kreuzfahrt auf dem Mittelmehr ist. Flucht hat Ursachen, und wir sind hier im Kern Europas nicht unschuldig.
Darum geht es aber heute nicht. Der Antrag der GRÜNEN möchte etwas, was – bis auf vielleicht einige wenige wirkliche Rassisten – jeder unterschreiben könnte. Es geht um 500 Menschen. Es geht darum, 500 jesidischen Frauen zu ermöglichen, ihr Leben wieder frei und ohne Trauma leben zu können. Wir können den Frauen die Versklavung, den Missbrauch, das Gefoltertwerden, die Erfahrung, nicht nehmen. Sie werden die grausamen Stunden, Tage und Monate immer als Teil ihres Lebens mittragen.
Wir können aber etwas anderes tun: Wir können ihnen und ihren Kindern wieder eine Zukunft geben, eine Zukunft, in welcher sie eine bessere Gesellschaft aufbauen, ihre Kinder in die Schule schicken und als selbstbewusste, emanzipierte Frauen den Fundamentalisten, egal, aus welcher religiösen Richtung sie stammen, entgegen
treten können. Starke, selbstbewusste Frauen, die um ihre Rechte kämpfen, sind ein Garant gegen alle diejenigen, die glauben, sie wären etwas Besseres, egal, ob als Prediger, als Nation oder was auch immer.
Es fehlt mir also die Vorstellung, warum man diesem Antrag nicht folgen sollte. Aus Erfahrung vermute ich aber zumindest mal drei Dinge: Erstens. Wir können nicht die ganze Welt retten und wir dürfen sächsische Kommunen nicht überfordern. – Blödsinn! Wir reden hier nicht über 60 Millionen Flüchtende, wir reden hier über 500 Frauen. Es überfordert keine Kommune. Fragen Sie doch mal nach. Die meisten Landkreise haben auf Empfehlung des Freistaates Kapazitäten geschaffen, die im Durchschnitt zu 30 % leerstehen. Leerstehende Kapazitäten zahlt ihnen aber niemand. Insoweit würde eine Aufnahme von zusätzlichen Geflüchteten, in dem Fall von 500 Frauen, die Kommunen sogar entlasten. Aber das ist ein Nebengleis, an dem ich mich gar nicht festhalten möchte.
Der zweite Wunsch: Den Frauen muss vor Ort geholfen werden. Wir haben es gerade gehört. Richtig, wenn die Bedingungen vor Ort dies zulassen. Tun sie aber nicht. In einer Region, in welcher Krieg herrscht, werden die meisten Kapazitäten für die Versorgung von abgesprengten Gliedmaßen, aufgeschossenen Bauchdecken oder für die Lebensrettung nach Bombeneinschlägen benötigt. Wir können froh sein, dass dies alles nicht unsere medizinischen Kapazitäten bindet. Wir können und sollten daraus aber auch eine Verpflichtung ableiten, dieses Glück zu nutzen und zu helfen, in diesem Fall 500 jesidischen Frauen.
Die dritte Argumentation, die Auswahl von 500 jesidischen Frauen – diese Forderung ist korrekterweise schon gekommen –, kann nur ungerecht sein. Stimmt, das ist sie. Aber deswegen sollten wir es nicht lassen. Es geht um ein Zeichen, ein Symbol, eine besondere Handlung, die Vorbild sein kann. Es geht um akute Hilfe, um das Aufzeigen von Möglichkeiten. Wollten wir allen helfen, müssten wir Waffenexporte stoppen und die schmutzigen Deals mit Verbrechern und Diktatoren, seien sie von der AKP oder seien sie Präsident des Tschad, beenden und unsere arrogante Postkolonialpolitik endlich zu Grabe tragen. Hier geht es aber tatsächlich nur um 500 Frauen, denen wir helfen können und sollten.
Können Sie sich noch an die Schlagzeilen „Tausende Jesiden sind aus dem Sindschar-Gebirge geflohen und wurden von Kräften der kurdischen Volksbefreiungsarmee, von Einheiten der YPG und YPJ befreit“ erinnern? Es waren eben nicht die Einheiten von Barzani, welche wir mit Waffen beliefert hatten. Es waren die Einheiten, die wir gleichzeitig auf Bitten von Erdogan weiter kriminalisieren, die die Kurdinnen und Kurden, die Jesiden, auf dem Berg befreiten.
Die Flucht, welche auch mit dem Tod hätte enden können – es gab weder Wasser noch Essen auf dem Berg im Sindschar-Gebirge –, hatte einen Grund: In den Wochen zuvor wurden Zehntausende Jesiden ermordet. Viele von
ihnen waren übrigens Christen. Das ist mir zwar nicht wichtig, aber für einige in diesem Haus ist es ein besonderes Merkmal, wenn es um ihre Hilfsbereitschaft geht. Es wurden aber nicht nur Tausende ermordet, sondern auch 7 000 Frauen in die Sklaverei des IS geführt. Viele davon haben ihr Martyrium nicht überlebt.
Den überlebenden Frauen wollen wir heute mit unserer Zustimmung zu diesem Antrag ein Zeichen geben: Ihr seid nicht allein. Wir können euch helfen und wir werden euch helfen.
Ich möchte meine Rede mit den Worten der jesidischen Frau beenden, die im Programm der „Deutschen Welle“ sagte: „Es war mir egal, ob ich gefasst werden würde. Beides, Flucht oder Tod, alles ist besser, als dort zu bleiben.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist es an der Zeit, über den Schatten zu springen – ob aus Solidarität oder Nächstenliebe ist mir egal. Lassen Sie uns den 500 Frauen helfen, so schnell wir können. Stimmen Sie diesem Antrag zu!
Danke.
Ich werde mir Mühe geben. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche löste ein Dachstuhlbrand ein Feuer in einem Altenheim in Wilhelmshaven aus. Das Feuer wurde gegen 19:00 Uhr bemerkt, als viele Bewohner noch nicht im Bett waren und von Pflegern versorgt wurden. Die Mitarbeiter des Wohnheimes begannen schnell, das Gebäude zu evakuieren. Als die Feuerwehr eintraf, brannte das gesamte Heim. Alle 66 Bewohner sowie ein Besucher konnten in Sicherheit gebracht werden, sieben Menschen kamen mit Rauchvergiftung ins Krankenhaus, und das gesamte Heim wird nun abgerissen. Dass nicht die „Tagesschau“ oder andere Nachrichten diese Meldung auf Platz 1 hatten, verdanken wir neben dem schnellen Reagieren des Personals und der Rettungskräfte vor allem dem Umstand, dass um 19:00 Uhr die meisten Bewohnerinnen und Bewohner noch nicht in ihren Betten lagen.
Es ist die Kernaufgabe eines Staates, seine Bürger zu schützen. Dies sind auch Personen, die sich überwiegend in Sonderbauten nach § 2 Abs. 4 Nr. 9 bis 12 Sächsische Bauordnung befinden und im Ernstfall das Gebäude nicht schnell genug oder nur mit fremder Hilfe verlassen
können. Die Haupttodes- bzw. -verletzungsursache bei einem Brand ist die Bildung von Rauch.
Meine Partei kritisiert seit Jahren die Kommerzialisierung und den Kostendruck im Bereich der Pflege und in den Krankenhäusern. Immer weniger Personal muss sich meist um immer schwerere Fälle kümmern. Die Folge: In einer Sonderlage, wie sie ein Brand nun einmal darstellt, sind nicht genügend Helferinnen und Helfer zur Stelle. Wo schon im Normalbetrieb das Personal knapp wird, ist es im Notfall eben zu knapp.
Hinzu kommen zwei weitere Punkte, welche eine technische Aufrüstung von Sonderbauten nach § 2 Abs. 4 Nr. 9 bis 12 erfordern. Einer ist die von uns allen sicherlich begrüßte Zunahme von Seniorenwohngemeinschaften und häuslicher Betreuung. Ein Effekt aber ist, dass die Schwere der Fälle in Seniorenheimen zunimmt. Die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner, die dem Feuertod nicht mehr allein entrinnen können und auf Hilfe angewiesen sind, wird größer.
Der zweite Sachverhalt wäre – zumindest in Teilen – änderbar, sollten die konservativen Vertreter hier im Haus einmal über ihren Schatten springen: Ich spreche von der Einsatzbereitschaft der freiwilligen Feuerwehr. Zumindest für die Sonderbauten, welche nicht an einem der wenigen Standorte einer Berufsfeuerwehr stehen, gilt: Die Tageseinsatzbereitschaft und die technische Ausstattung der örtlichen Wehr ist – ich betone: nicht wegen der Leistung der Kameradinnen und Kameraden – oft ein zusätzliches
Risiko für Pflegeheime, Krankenhäuser und ähnliche Bauten.
Auch wenn wir weiterhin gegen Gesundheit als Ware und für mehr Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen kämpfen werden, so wollen wir mit genauso viel Nachdruck unserer Forderung Ausdruck verleihen, den bestmöglichen technischen Schutz zu gewährleisten. Wer sich heute weigert, Sonderbauten nach § 2 Abs. 4 Nr. 9 bis 12 Sächsische Bauordnung mit aktiven Schutzeinrichtungen zu versehen, der kommt der unterlassenen Hilfeleistung sehr nah, und ich möchte nicht den Beweis erheben, da es um das Leben von älteren Menschen, von Pflegebedürftigen oder Menschen in Krankenhäusern geht, Menschen, denen wir – denken wir einmal an unsere Eltern oder Großeltern – oft unsere eigene Unversehrtheit zu verdanken haben. Meine Eltern leben – noch – in ihren eigenen vier Wänden. Sollten sie aber einmal in ein Heim ziehen müssen, dann möchte ich ihnen auch aus Dankbarkeit – oder extra deshalb – den bestmöglichen Schutz zukommen lassen sowie im Übrigen auch eine bessere Ausstattung und mehr Personal – also ein am Menschen orientiertes Gesundheitssystem ohne Kapitalinteressen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau wie bei der sinnvollen Einführung einer Pflicht für Rauchmelder handelt es sich hier um einen Antrag, der auf zukünftige Investitionen abzielt. Eine Zustimmung belastet also weder den sächsischen Haushalt – dieses Argument können Sie folglich nicht vorbringen –, noch erwarten wir von Investoren oder Betreibern etwas Unmögliches. Die von uns geforderte und nach der Beschlussfassung auch hoffentlich in der Bauordnung verankerte Pflicht in Sonderbauten ist eine plan- und kalkulierbare Forderung.
In den kommenden Beratungen werden wir sehen, ob wir uns gemeinsam auf mehr Schutz für Menschen in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen einigen können. Wir werden sehen, ob parteipolitische oder koalitionsvertragsgefesselte Erwägungen vor mehr Sicherheit für Bewohner und Personal stehen oder ob es dieses Haus schafft, über den Schatten eigener Schubladen zu springen und für die Zukunft den bestmöglichen technischen Schutz für Sonderbauten zu gewährleisten.
Wenn Sie glauben, dies könnte sich durch Einsicht und Freiwilligkeit lösen lassen, dann möchte ich Ihnen zum Schluss sagen: Sie irren. Seit Jahren haben Sie den Kostendruck auf Einrichtungen erhöht bzw. dessen Erhöhung zugelassen. Gesundheit – und damit auch das
Betreiben von Pflegeheimen oder ähnlichen Bauten – ist durch großkoalitionäre Entscheidungen zur Ware verkommen; deshalb muss es Pflicht werden und darf nicht freiwillig sein, weil freiwillige Leistungen durch die Kostenträger nicht akzeptiert werden.
Wenn Sie also das Prinzip nicht ändern wollen – was natürlich das Beste wäre –, dann schaffen Sie wenigstens die Voraussetzungen für einen technisch optimalen Schutz. Verstehen Sie mich aber bitte nicht falsch: Ihre falsche Politik bei der Finanzierung von Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen ist nur der zwingende Grund der Einführung von aktiven Löschanlagen. Sie wäre aber genauso sinnvoll, wenn das Gesundheitssystem wieder am Menschen und nicht an den Kapitalinteressen ausgerichtet wäre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie den Bewohnerinnen und Bewohnern, den Pflegerinnen und Pflegern, den Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr, den Rettungsärzten und Sanitätern eine Chance zu überleben bzw. ihren Job zu machen, wenn der Fall eintritt, der hoffentlich nie eintritt. Stellen Sie sicher, dass es nie und nimmer zu einer Meldung kommt, die da heißt: „Nach einem Brand im Pflegeheim XY trauern wir um die Opfer. Politiker versprechen den Angehörigen Hilfe und fordern Aufklärung.“ Wenn Sie so wie ich diese Schlagzeile nicht lesen wollen, dann lassen Sie uns in den kommenden Beratungen zu diesem Antrag konstruktiv und lösungsorientiert diskutieren und der Intention unseres Antrages folgen!
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die weitere Beratung in den Fachausschüssen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute den 23. und 24. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Sie umfassen die Jahre 2014, 2015 und 2016.
Haben Sie jetzt vor, jeden Satz zu bestätigen? Dann würde ich langsamer lesen.
Die Unterrichtung der Abgeordneten des Sächsischen Landtags durch den Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes gehorcht mittlerweile einer gewissen Routine, und zwar einer Routine auf beiden Seiten. Das ist gar nicht abwertend gemeint. Die Berichterstattung und die Befassung im Landtag verdeutlichen eine gewisse Normalität in der Tätigkeit des Landesbeauftragten. Spektakuläre Ereignisse bzw. Vorkommnisse sind nicht zu verzeichnen. Es sind die Mühen der alltäglichen Arbeit, mit denen der Landesbeauftragte zu kämpfen und in denen er sich zu bewähren hat. Es gilt erst recht, die Situation der Behörde nach der Verabschiedung des sogenannten Landesbeauftragtengesetzes durch die Mehrheit des Sächsischen Landtags im vergangenen Jahr anzuschauen. Im Gesetz wurde der Aufgabenkreis des Beauftragten für die Stasi-Unterlagen erweitert und seine Rechtsstellung verbessert.
Meine Fraktion hatte vor allem den erweiterten Bildungsauftrag kritisiert, weil damit Doppelstrukturen geschaffen werden und Überschneidungen mit anderen Einrichtungen zustandekommen. Den Bildungsauftrag erfüllen hierzulande die Landeszentrale für politische Bildung und die Gedenkstätten. Der Landesbeauftragte selbst hat eingeräumt, mit der Aufgabenerweiterung personell überfordert zu sein. Dass sich die Personalsituation nicht gebessert hat, klingt ein wenig versteckt in einer Passage des Tätigkeitberichts 2015/2016 an, in der es um die Zusammenarbeit mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten geht. Ich zitiere: „Über die Arbeit der Stiftung berichtete diese selbst. Aus Sicht des Landesbeauftragten geschieht dies auf der Homepage und in regelmäßigen Newsletters überzeugend. Der Landesbeauftragte will und kann nicht einzelne, immer wieder vorgetragene Problempunkte bewerten, aber ein Zusammenhang ist ihm aus seiner jahrelangen Mitarbeit im Stiftungsrat offensichtlich.“
Nein.
„Die personell ausreichende Besetzung der Geschäftsstelle scheint eine Grundvoraussetzung zu sein, eine so ambitionierte und wichtige Stiftung aktions- und problemlösefähig zu halten. Das würde auch die Arbeit des Landesbeauftragten unterstützen.“ Mit anderen Worten: Der Landesbeauftragte möchte gern so ambitioniert, aktions- und problemlösefähig wie die Stiftung Sächsische Gedenkstätten arbeiten, kann es aber nicht, weil ihm das dafür nötige Personal fehlt.
An dieser Stelle sei mir ein Wort über die Stiftung sächsische Gedenkstätten erlaubt, zu deren Zusammenarbeit sich der Landesbeauftragte in seinem Tätigkeitsbericht wie folgt äußert: „Die Zusammenarbeit und Kooperation mit Gedenkstätten und mit der Stiftung sächsische Gedenkstätten hat wie bisher einen hohen Stellenwert in der Arbeit des Landesbeauftragten. Mit der Gedenkstätte ‚Geschlossener Jugendwerkhof Torgau‘ und der Gedenkstätte ‚Bautzner Straße‘ konnte eine Reihe von gemeinsamen Veranstaltungen realisiert werden. Mit der Gedenkstätte Bautzen wurde ein Kooperation für den Tag des offenen Denkmals geschlossen. Insbesondere durch die Mitgliedschaft im Stiftungsrat der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft war der Landesbeauftragte in die Arbeit der Stiftung und damit mittelbar in die der Gedenkstätten eingebunden. In Einzelfällen konnten auch Forschungsvorhaben von Gedenkstätten durch Landesbeauftragte gefördert werden.“
Der Landesbeauftragte ist Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung sächsische Gedenkstätten. Dass es Querelen in der Stiftung gibt, weshalb die Stiftung einer Evaluierung unterzogen werden wird, dazu hätte man sich doch ein Wort im Tätigkeitsbericht gewünscht. So viel berechtigte Kritik an der Arbeit der Stiftung kann doch nicht einfach ignoriert werden! Das tangiert auch die Arbeit des Lan
desbeauftragten, der immerhin im Stiftungsrat vertreten ist und die Tätigkeit der Stiftung mit zu verantworten hat. Insoweit ist es dann doch nicht „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Wir sind gespannt auf die zukünftigen Berichte und werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Danke.
Frau Präsidentin, vielen Dank. – Sie haben jetzt lange und ausführlich über den Missbrauch der Notaufnahme geredet. Mit Ihrer als Beispiel gebrachten Ärztin, die augenscheinlich ohne
vorhergehende Analyse losgefahren ist, müsste man vielleicht auch noch einmal reden.
Aber teilen Sie mit mir die Auffassung, dass ein Großteil der Besuche oder der Anrufe bei Notärzten, also die Notrufnummer, a) auf die Unkenntnis des kassenärztlichen Hausnotrufes und b) auf die Ausdünnung der ärztlichen Verfügbarkeit von Hausärzten im ländlichen Raum zurückzuführen ist? Es ist doch so, dass man schlichtweg ganze Räume hat, in denen man in der Woche kaum noch einen Hausarzt findet, zu dem man gehen kann. Die einzige Möglichkeit, wenn man Angst um seine Gesundheit hat, ist dann sozusagen die Notaufnahme des zum Glück meistens noch vorhandenen Krankenhauses in der Nähe. Es gibt also dafür sehr viele Ursachen und nicht nur den vorsätzlichen Missbrauch.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Klepsch, zwei Anmerkungen. Meine Kollegin Frau Schaper musste zu einem anderen Notfall, zum CFC nach Chemnitz. Auch da sollen zumindest für die eingefleischten Fans einige Rettungsmaßnahmen eintreten. Insoweit bitte ich in ihrem Namen um Entschuldigung.
Als zweite Vorbemerkung möchte ich gern, dass wir über den Entschließungsantrag kapitelweise abstimmen, was
ich hiermit beantrage, also über die Punkte I, II und III einzeln.
Ich möchte ihn dennoch einbringen und mit Punkt I beginnen. Sie haben es alle gelesen. Punkt I ist die Danksagung oder der Dank dieses Landtags an die haupt- und ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sind in der Woche vor Weihnachten, und ich glaube, gestern habe ich kurz gehört, dass man im Kontext des Gesamtantrages auch einer Danksagung nicht zustimmen kann. Ich hoffe, die letzten 24 Stunden des Überlegens haben dazu geführt, dass Dank nicht zwingend in den Kontext eines anderen Zusammenhangs gestellt werden kann und dass gerade die Vertreterinnen und Vertreter der Partei, die „christlich“ im Namen führt, kurz vor Weihnachten einmal über ihren Schatten springen und tatsächlich den Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern Danke sagen, die zu den Festtagen, Silvester und Ähnlichem, in Bereitschaft stehen werden, um Notfälle, die hoffentlich nicht eintreten, zu beheben, um da zu sein, wenn wir sie dringend brauchen.
Ich glaube, dieser Dank sollte nicht an einem vorgegebenen Dogma der Nichtzustimmung zu Anträgen der Opposition scheitern. Dank an dieser Stelle ist, glaube ich, fraktionsübergreifend angebracht. Insoweit bitte ich bei Punkt I genauso um Ihre Zustimmung, wie ich bei den anderen Punkten auch dafür werben möchte.
Stellen wir also fest: Es gibt eine unzureichende Datenlage, und die muss geändert werden. Alle meine Vorredner haben das deutlich signalisiert. Stellen wir also fest: Wir haben die Hilfsfristen nicht erreicht, und das muss geändert werden. Stellen wir fest: Wir brauchen eine andere Situation, wenn es um das Personal geht. Es kann nicht sein, dass wir Überstunden vor uns herschieben, dass Rettungsdienste nicht besetzt werden, dass Notärzte nicht antreten können.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie, zuzustimmen. Ich möchte Sie dazu auffordern, zu überlegen, was Sie wollen. Wollen Sie, wenn der Arm schmerzt, die Luft eng ist oder der Partner mit Atemnot neben Ihnen liegt, dass Mitarbeiter kommen, die selbstverständlich ihren Dienst tun, die länger brauchen als 12 Minuten, die Überstunden vor sich herschieben, die deshalb Probleme auch mit der Familie bekommen? Oder wollen Sie, dass hoch motivierte Mitarbeiter, die ordentlich bezahlt sind, die ihr Fach verstehen, anrücken und innerhalb weniger Minuten vor Ort sind, um Ihnen oder Ihrem Partner zu helfen? Entscheiden Sie selbst.
Wenn Sie a) wollen, brauchen Sie nichts zu ändern. Wenn Sie b) wollen, stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu und sorgen Sie dafür, dass der Rettungsdienst auf einer Grundlage steht, dass er tatsächlich retten kann, und zwar besser, als er heute schon ist, wobei dabei nicht behauptet werden soll, dass er schlecht ist.
Aber verbessern kann man es immer. Danke dann für Ihre Zustimmung.
Danke schön. – Herr Wippel, können Sie mir Ihren Satz, wir seien – Sie sagten, „DIE LINKE ist“ – sozusagen von Teilnehmern der Demonstration angegriffen worden, genauer erläutern? Können Sie mir genauer erläutern, wer sozusagen aus unseren Reihen nach Ihrer Kenntnis dies getan haben und wie dies geschehen sein soll? Als Augenzeuge vor Ort sind mir nur Übergriffe auf unsere Demonstration,
und zwar vonseiten der von Ihnen gerade genannten eventorientierten Jugendlichen bekannt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sozusagen aus unserer Demonstration heraus jemand angegriffen wurde. Können Sie mir eventuell die Frage beantworten, wer das gewesen sein soll?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Schiemann, Sie haben mich und meine Kollegen bezichtigt, sozusagen Straftaten begangen zu haben oder zumindest in der Nähe von Straftätern gewesen zu sein. Ich würde Sie bitten, die Möglichkeit der Reaktion auf diese Kurzintervention dazu zu nutzen, mir zu erklären, welche Straftaten wir, meine Kollegen bzw. ich, vor Ort in Bautzen am 09.09. nach Ihrer Auffassung begangen haben.
Mir ist zumindest a) nichts zugegangen und b) bin ich zumindest zu der Zeit, als ich an der Demonstration am 09.09. teilnahm und gegenüber Polizeikräften, die vor dem Eintreffen der Verstärkungskräfte aus Dresden tatsächlich unterbesetzt waren, sehr wohl bemüht gewesen, die Provokation, die von der beendeten Demonstration der Neonazis ausgegangen ist, zu deeskalieren. Wir können zumindest davon ausgehen, dass, wenn nicht das Verhalten vieler Demonstrationsteilnehmer an diesem Tag so besonnen gewesen wäre, die Kräfte der Polizei nicht für ein Dazwischengehen ausgereicht hätten.
Ich glaube, dass die Mehrheit der Teilnehmer an der Demonstration, deren Motto die Demokratie war, der Überzeugung gewesen ist, dass es sich um einen friedlichen Protest gehandelt hat. Dass es Ausnahmen davon gegeben hat, ist hier oft genug gesagt worden. Aber ich kann weder für die Anmelderin noch eine Kollegin oder einen Kollegen meiner Fraktion noch für mich selbst sehen, wo wir Straftaten begangen haben sollen. Da Sie das so explizit benannt haben, wünsche ich mir, dass Sie klar und deutlich aussprechen, wo das gewesen sein soll.
Ansonsten weise ich diese Anschuldigungen, die hart an die Beleidigung herangehen, zurück. Auch Ihnen ist bei der Verteidigung Ihrer Heimatstadt nicht jede Lüge erlaubt. Auch Sie sollten bei der Wahrheit bleiben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein bisschen
haben mir die einreichenden Fraktionen eine schlaflose Nacht bereitet, ich habe immer überlegt, was wollen sie eigentlich mit dem Tagesordnungspunkt 25 Jahre Deutsch-Polnisches Jugendwerk.
Das, was drauf steht. Ich habe in der Rede von Herrn Ursu gehört, dass es darum geht zu sagen, was wir alles prima gemacht haben, und ich bin meinem Vorredner sehr dankbar, dass er wenigstens auf den Kern zurückgekommen ist: das im Antrag stehende Deutsch-Polnische Jugendwerk. Es ist tatsächlich eine 25-jährige Erfolgsgeschichte, die wohl kaum jemand von den demokratischen Fraktionen in diesem Hause infrage stellen wird.
Da gibt es so ein altes Sprichwort, das heißt „Getroffene Hunde bellen“. Ich will zumindest sagen, dass die AfDFraktion gerade geraunt hat, als ich die demokratischen Fraktionen nannte und sie sich augenscheinlich nicht dazuzählt. Aber das ist ihre Selbstdefinition. Getroffene Hunde bellen.
Ich werde einfach weitermachen. Am 17. Juni 1991, als wirkliche Europäer – die beiden Außenminister waren Europäer, wie wir sie heute viel dringender bräuchten – auf Anregung des damals schon existierenden DeutschFranzösischen Jugendwerkes das Deutsch-Polnische
Jugendwerk gründeten, war ihnen wohl klar, was sie da schaffen.
Es geht letztlich darum, tatsächlich Millionen von Jugendlichen das Nachbarland näherzubringen. Es ist gelungen – die Zahlen sind gerade genannt worden –, Hundertausende von Jugendlichen in das jeweilig andere Land zu bringen. An dieser Stelle sage ich es sehr deutlich: Wenn Jugendliche – ich habe als junger Mensch in Görlitz durchaus auch von diesem Deutsch-Polnischen Jugendwerk profitiert – das Nachbarland mit Fahrrädern erkunden, dann ist das allemal besser, als wenn sie es mit Panzern erkunden.
Das hat auch mit dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk zu tun.
Ich glaube, dass wir mit diesem Jugendwerk einen Beitrag leisten wie mit anderen Initiativen auch, die nicht in einen Fördergenuss gekommen sind, die sich aber seit Jahren damit beschäftigen, wie man es hinbekommt, dass wir miteinander und nicht nur übereinander reden, dass vielleicht der eine oder andere Polenwitz auf deutscher Seite am Stammtisch verschwindet, weil er schlicht plump und rassistisch ist und eigentlich nicht mehr an den Stammtisch gehört, und dass Vorurteile abgebaut und nicht bekräftigt werden. Viele kleine Initiativen haben das tagtäglich in ihrer Arbeit gemacht. Das Deutsch-Polnische Jugendwerk hat seinen Teil dazu beigetragen.
Heute brauchen wir diese Grundlage, heute, wo Europa tatsächlich gerade einen Rechtsruck erlebt, wo das Modell
Europa infrage gestellt wird und wo Nationalisten tatsächlich wieder die Oberhand zu gewinnen scheinen.
Auch wenn es an dieser Stelle vielleicht abwegig klingt, aber auch mein Vorredner hat es gesagt: Ich hoffe, dass wir heute in England, in Großbritannien eine Entscheidung finden, die proeuropäisch ist, die Ja zur Europäischen Union sagt, und ich hoffe – das gebe ich auch offen zu –, dass die Kräfte in Polen, die unter anderem in meiner Nachbarschaft, in Zgorzelec, erst vor Kurzem demonstriert haben, nämlich mit Europafahnen in der Hand, für ein demokratisches und freies Europa, tatsächlich gewinnen.
Alles andere, das Zurück zum Nationalstaat, wie es in Polen gerade von der polnischen Regierung trotz Bekundungen zum jetzigen Besuch der Kanzlerin immer wieder hervorgebracht wurde, wie wir es in der alltäglichen Praxis erleben, wollen wir nicht.
Herr Ursu hat die positiven Dinge erwähnt und gesagt, wir dürfen die anderen nicht vergessen. Wir erleben aber gerade, wie Menschen abgezogen werden, die sich für die deutsch-polnische Versöhnung eingesetzt haben. Wir sehen gerade, wie auf polnischer Seite ganze Führungsebenen bei Polizei, Verbänden und Ähnlichem ausgetauscht werden, und das nicht nur, weil das Parteibuch das Falsche ist, sondern auch weil der politische Ansatz falsch ist.
Es ist unsere Verantwortung, dass wir jetzt die Kräfte stärken, die dagegenhalten. Gerade die jungen Menschen, denen es mittlerweile egal ist, ob es ein polnischer oder ein deutscher Freund ist, die selbstverständlich die gemeinsame Sprache sprechen und die selbstverständlich ihre Freizeit gemeinsam gestalten, genau diese Jugendlichen sind die Basis, auf die wir aufsetzen können, wenn es darum geht, –
– einen europäischen Gedanken weiterzubringen.
Alles andere können wir gern noch im zweiten Teil bereden.
Danke.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade überlegt, wie nachdenklich wir selber sein sollten, auch anlässlich eines solchen Feiertages. Es ist nicht so, dass die deutsche Seite – und hier wurde gerade an den Kniefall von Willy Brandt erinnert – nicht auch einen Lernprozess durchgemacht hätte, der vor 25 Jahren in diesem Vertrag geendet ist. 1950 wurde in Görlitz oder korrekterweise in Zgorzelec im Dom Kultury der damalige Vertrag zwischen Polen und der DDR unterschrieben. 1969 bzw. 1970 war das für die alte Bundesrepublik noch nicht selbstverständlich.
1990 hatten wir die Chance, nicht nur durch den Zweiplus-Vier-Vertrag, sondern auch durch die Unterzeichnung von Grenzverträgen, endlich einen Schlussstrich unter eine Debatte zu setzen, die beiden Seiten nicht gutgetan hat. Die eine, weil sie ständig in der Ungewissheit lebte, ob das große Deutschland neben ihm nicht doch etwas wiederhaben will, was ihm nicht mehr gehörte, was aber einmal durchaus dem deutschen Staatsgebiet zugehörig war, was aber infolge des Zweiten Weltkrieges, den die Deutschen begonnen haben – und auch da ist es richtig, heute noch einmal an den Überfall auf die Sowjetunion zu erinnern –, dann an Polen gegangen ist. Auch die Polen haben Gebiete an ihrer Ostseite an die Sowjetunion übertragen müssen.
Diese Angst schwang bei vielen polnischen Menschen mit, aber auch die Arroganz, die so manche deutsche Vertriebenenvertreter im Umgang mit Polen an den Tag gelegt hatten. Eine große Chance war dieser Vertrag.
Ich möchte die letzten drei Minuten für eine ganz persönliche Geschichte nutzen. Ich wurde 1974 in Görlitz geboren. 1980 – daran können sich vielleicht einige erinnern – gab es Solidarność, es herrschte Kriegsrecht, und die Grenzen wurden geschlossen. Mein Bruder, der 15 Jahre älter ist, konnte noch vor 1980 relativ frei über diese Grenze gehen. Ich habe diese Grenze so erlebt, dass ich einen Passierschein von meiner Schule brauchte, um an die Partnerschule zu gehen. Einmal im Jahr fand ein Friedenslauf statt. Da konnte man ohne Kontrolle über die Grenze hinüber als Freundschaftslauf.
Dann kam das Jahr 1990. – Herr Heidan, warten Sie doch mal ab! – Das Jahr 1990 hieß, die Außengrenze der Europäischen Union ging an der Oder-Neiße-Linie entlang.
Was wir da erlebt haben – vielleicht kann sich mancher daran erinnern –, heißt zum Beispiel Taxifahrer-Prozesse.
Es gab Flüchtlinge, die sozusagen bei dem Versuch, diese Grenze zu überschreiten, auch ums Leben gekommen sind.
Dann kam das Jahr, in dem Polen dem Schengener Abkommen beigetreten ist und die Grenzen geöffnet wurden. Für mich war das ein Riesentag. Ich werde auch alles dafür tun, dass das heute nicht wieder infrage gestellt wird, weil man glaubt, dass nationalstaatliche Grenzen irgendetwas mit Sicherheit zu tun haben.
Ich will Ihnen eine kleine Geschichte aus dem EuropaMarathon erzählen, der vor Kurzem stattfand. Da sollten junge Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, um sich in Sicherheit zu bringen – unbegleitete Jugendliche –, auf Wunsch eines Trägers mitlaufen. Der EuropaMarathon geht über beide Grenzen. Die polnischen Sicherheitsorgane haben darauf hingewiesen, dass, wenn unbegleitete Jugendliche polnischen Boden betreten, diese Gefahr laufen, verhaftet und in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden, weil sie in Polen keine Aufenthaltsgenehmigung hatten. Das ist eine Entwicklung, bei der ich an die Politik appelliere, dass wir darüber reden müssen, wie wir das nicht zur allgemeinen Praxis werden lassen und wie wir nicht zu der Praxis kommen, dass dichte Grenzen irgendetwas sichern könnten. Wir dürfen auch nicht glauben, dass wir, wenn wir noch mehr Videokameras an Grenzübergänge schrauben, ein Signal der Verständigung setzen.
Heute begehen wir hier in der Aktuellen Stunde die 25 Jahre Deutsch-Polnisches Jugendwerk. Wir sollten uns an den positiven Beispielen dieses Jugendwerkes ein Beispiel nehmen und immer hinterfragen, ob das, was wir tun, –
– tatsächlich auf der polnischen Seite auch als Freundschaft verstanden wird.
Ich gehe davon aus, dass der Herr Präsident ähnlich flexibel wie bei meinen Vorrednern ist.
Danke schön.
Inwieweit sich bei mir der Wille verstärken sollte, mit Ihnen darüber zu diskutieren, mag die Zeit zeigen.
Ich möchte Sie zumindest darauf hinweisen, dass wir im sächsischen Parlament und vor sächsischen Politikerinnen und Politikern gesprochen haben. Einige davon, wie Sie eben, haben auch erhöhte Grenzsicherungsmaßnahmen unter anderem mit Videokameras gefordert. Ich halte das für den falschen Weg.
Ich habe die Kolleginnen und Kollegen hier im Haus um Folgendes gebeten: Wir als Deutsche müssen, bei dem, was wir tun, prüfen, wie das auf polnischer Seite verstanden wird. Ich werde selbstverständlich meinen polnischen Kolleginnen und Kollegen empfehlen, dass sie ebenfalls prüfen, wie es auf deutscher Seite verstanden werden könnte. Das gehört dann vielleicht in den deutschpolnischen Stadtrat oder auf gemeinsame Sitzungen und nicht in den Sächsischen Landtag. Hier waren Sie die Adressatinnen und Adressaten, nicht die polnischen Parlamentarierinnen und Parlamentarier.
(Beifall bei den LINKEN – Dr. Frauke Petry, AfD: Dann erklären Sie den Bürgerinnen und Bürgern, wer das bezahlt! – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das hat niemand verstanden! – Dr. Frauke Petry, AfD: Das Protokoll hat es verstanden, keine Sorge!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wiederhole nicht, was mein Kollege Herr Scheel gesagt hat, wenn es darum geht, was die Visafreiheit angeht, aber ich will schon mein Erstaunen kundtun:
Als ich das Thema dieser Aktuellen Debatte gelesen habe, habe ich mir gedacht: Wow, jetzt ist ihnen gar nichts mehr zu blöde! Jetzt nimmt die AfD die Kurden in Solidarität und sagt: Wir stellen uns schützend vor Kurden und Armenier. Ganz ehrlich: Ihre Bodentruppen sind es, die hier durch das Land rennen und genau gegen diese Kurden, die hier Schutz suchen – egal, ob sie aus Syrien oder der Türkei kamen – Stimmung machen. Sie hetzen doch gegen diese Flüchtlinge.
Aber ich habe festgestellt, dass es Ihnen gar nicht darum geht. Es geht Ihnen um etwas ganz anderes: Sie wollen verhindern, dass Menschen, die in Not sind, nämlich die um ihre Verteidigung kämpfenden Kurdinnen und Kurden, aus der Türkei flüchten konnten und dass Erdoğan und seine AfD, seine AKP – Entschuldigung, ein Freud‘scher Versprecher –
Krieg gegen das eigene Volk führt. Sie wollen verhindern, dass Menschen, die in Not geraten sind, hierher kommen. Nichts anderes tut im Übrigen dieser unsägliche Deal, den wir mit der Türkei abgeschlossen haben.
Erst gestern bzw. heute haben wir wieder in den Nachrichten gehört – wer es hören konnte –, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken müssen, weil wir es nicht schaffen, legale Zugänge nach Europa zu schaffen. Wir bekämpfen Schleuser mit Militär, wir machen einen Pakt mit Erdoğan als Diktator in der Türkei. Aber wir schaffen es nicht, einen legalen Zugang zu schaffen, damit diese Flüchtlingskrise endlich mal nicht mit Toten an den Grenzen endet, sondern mit vernünftigen Asylentscheidungen. Das wäre eine Forderung, mit der wir endlich dazu kommen würden, den Kurdinnen und Kurden, die bedroht sind, zu helfen und nicht den Kurdinnen und Kurden zu verbieten, wenn sie Hilfe brauchen, nach Europa zu flüchten.
Ja, gerne.
Ich versuche, diese Frage einmal herunterzubrechen. Sie fragen mich jetzt, ob ich Erdoğan die Möglichkeit geben möchte, die über drei Millionen Kurdinnen und Kurden aus ihrem Land zu vertreiben. Nein, das werde ich nicht. Meine Solidarität gilt den Kurdinnen und Kurden. Ich werde alles dafür tun
sofern es in meiner Macht steht –, dass sie nicht aus ihren traditionellen und übrigens seit mehr als 1 000 Jahren bewohnten Gebieten vertrieben werden können. Aber wenn sie flüchten müssen, dann werde ich die Grenze öffnen und sagen: „Kommt her! Wir bieten euch den Schutz, den wir euch bieten können“.
Ich werde nicht sagen: „Ihr seid alles Terroristen!“ Ich werde sie sozusagen nicht vor die Tür setzen und nicht im Mittelmeer ersaufen lassen, wie das die Forderung Ihrer Partei ist.
Danke.
Um es klar und deutlich zu sagen: Ich glaube, der AfD ging es bei diesem Antrag nicht um die Visafreiheit. Es ging ihr auch an keiner Stelle darum, ob der Sächsische Landtag dafür überhaupt zuständig ist. Es ging ihr einzig und allein darum, ihre strategische Ausrichtung, nachdem Flüchtlinge nicht mehr in großer Zahl nach Sachsen kommen, jetzt darauf zu richten, dass man eine islamische