Eugen Roth

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Schlecker ist eine schwierige Situation, die in einer dramatischen Lage mit riesigen Auswirkungen und mit einem sehr großen Strukturgewicht, was den Handel betrifft, dank des Einsatzes der dortigen Kolleginnen und Kollegen, dank der dort vorhandenen Betriebsrätinnen und Betriebsräte und dank ihrer Gewerkschaft Verdi zu einem einigermaßen erträglichen Ende gebracht werden kann. Zumindest scheint dies nach dem derzeitigen Verhandlungsstand möglich zu sein. Deshalb möchte ich mich zu
allererst bei den Kolleginnen und Kollegen von Schlecker ganz herzlich bedanken. Ich war gestern Abend, wie viele andere aus diesem Haus, auf der Betriebsversammlung. Sie hat mich berührt, weil sich diese Frauen immer noch Sorgen machen, wie es mit Schlecker weitergeht, auch wenn sie von Kündigung bedroht sind. Angesichts dieses Verantwortungsbewusstseins sollten sich ein Herr Anton Schlecker und die Konsorten, die die gegenwärtige Lage zu verantworten haben, schämen, wenn sie sehen, wie ihre Verkäuferinnen und Verkäufer noch zum Unternehmen stehen, während er sich vom Acker gemacht hat.
Ich will einmal einen zitieren. Es ist der zuständige Verdi-Sekretär Alex Sauer, ein junger Mann, der bei Verdi dieses schwierige Geschäft zu machen hat, dem auf der gestrigen Veranstaltung permanent die Tränen in den Augen standen und der darauf hingewiesen hat, dass die Schlecker-Frauen schon jetzt Sozialgeschichte geschrieben haben. Es geht auf keine Kuhhaut, was bei Schlecker in den letzten Jahren alles passiert ist: Man hat die Verkäuferinnen auf die Toiletten verfolgt und dort Überwachungskameras installiert, man hat eine private Leihfirma geholt, teilweise wurde vom Parterre in die erste Etage umgezogen, und unterwegs hat man den Betriebsrat verloren - sprich: man hat ihm gekündigt und ihn unter fadenscheinigsten Argumenten hinausgeworfen und so weiter. All das zeigt: Wer so mit Mitbestimmung umgeht, der hat auch im Management nichts drauf. Und umgekehrt: Herzliches Dankeschön auch von diesem Haus an die tapfere Betriebsratssprecherin Astrid Klein von Verdi, an Verdi-Sekretär Alex Sauer, an Steffi Recknagel im Fachbereich Handel von Verdi, aber auch an Steffi Nutzenberger, die aus dem Verdi-Landesbezirk Saarland kommt und mittlerweile stellvertretende Bundesvorsitzende ist. Die Leistungen dieser Personen sind schon toll, und ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen, die in ähnlichen schwierigen Arbeitsumständen sind: Schließt euch einer starken Gewerkschaft an; dann habt ihr die stärkste Hilfe. Das ist für die Schwachen das Stärkste, was es gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Nun zum derzeitigen Sachstand. Er ist ja schon sehr weit fortgeschritten. Wir, die SPD-Fraktion, wie auch alle hier im Hause stellen uns ohne Wenn und Aber hinter den Verhandlungsstand, den die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi erreicht hat, und versuchen, unseren Beitrag dazu zu leisten, dass er umgesetzt wird. In diesem Zusammenhang möchte ich durchaus auch einmal die saarländische Landesregierung loben, stellvertretend Herrn Staatssekretär Gerhard Wack.
Ja, das ist berechtigt. Das ist nicht nur eine Floskel. - Lieber Kollege Wack, auch Sie waren auf der gestrigen Betriebsversammlung. Die Sachlichkeit, die überzeugenden Argumente und der Auftritt wurden ja schon durch den Applaus dieser Kolleginnen belohnt, und das hat wesentlich dazu beigetragen, dass unter diesen Extrembedingungen mit einer möglichst objektiv-perspektivischen Vorgehensweise zu rechnen ist. Dafür auch mein herzlicher Dank von dieser Stelle.
Nun haben wir die Situation, dass einem die Finanzierungen für einen Herrn Anton Schlecker, dem ja ob man es will oder nicht - am Ende auch aus der Patsche geholfen wird, nicht nur Freude bereiten. Wir sehen natürlich vordergründig die insgesamt 25.000 Beschäftigten. Es sind zu über 90 Prozent Kolleginnen. Rund 14.000 Arbeitsplätze könnten nach derzeitigem Stand gerettet werden; das wäre ja schon einmal mehr als die Hälfte. Und es besteht die Chance, über eine Transfergesellschaft und auch über dezentrale Transfergesellschaften relativ viele - man geht von 60 bis 70 Prozent aus - in neue, vertretbare und adäquate Beschäftigungsverhältnisse zu überführen. Das macht die Dimension, die Einzigartigkeit des Falles aus. Hinzu kommt, dass es fast ausschließlich Frauen sind, die wegen der relativ geringen Einkünfte nicht sehr mobil sein können, die Kinder zu betreuen haben. Wenn wir immer die Familienfreundlichkeit dieser Gesellschaft loben, kann die öffentliche Hand nicht abseits stehen und bei so etwas zuschauen, auch wenn es einem durchaus schwerfällt, wenn man an die Ursache dieses GAUs denkt.
Von daher war es ein wichtiges Signal, dass das Saarland im Rahmen seiner Anteile, die errechnet wurden, eine Basis gelegt hat. Mehr ist es im Moment noch nicht, aber immerhin: Es ist gelungen. Und jetzt hoffen wir natürlich, dass auch andere Bundesländer nachziehen. Eben ist Nordrhein-Westfalen genannt worden, das in der quantitativen Wucht erheblich stärker betroffen ist als wir. Es befindet sich derzeit ebenfalls in der Situation, dass quasi eine Zwischen-Landesregierung amtiert, mit all den Schwierigkeiten, die hier bekannt sind. Von daher haben wir Verständnis dafür, dass dort dreimal abgewogen wird, bevor etwas gemacht wird. Aber wir hoffen, dass uns das saarländische Beispiel ein Stück weiterhelfen wird, weil damit auch eine Botschaft gegeben ist.
Wir wünschen uns natürlich vor wie nach, dass sich der Bund an dieser Geschichte beteiligt. Die rheinland-pfälzische Sozialministerin und sozialpolitische Sprecherin der SPD-geführten Bundesländer, Malu Dreyer, hat dies ja bereits öffentlich angebracht. Es
war gestern in der Saarbrücker Zeitung veröffentlicht. Jeder konnte nachlesen, dass es durchaus auch begründbar wäre, wenn der Bund mitmachen würde. Vielleicht kann der Bundeswirtschaftsminister die ideologische Brille absetzen, so sage ich es einmal, trotz all der Bedenken, die durchaus nicht ganz unberechtigt sind, und seinem Herz einen Stoß geben. Ich glaube, es ist öffentlich nicht vermittelbar, dass man sagt, dies sei allein Ländersache. Das ist das Eine.
Aber was tun wir, ohne die Kanone aufzufahren? Denn es sind Verhandlungen. Man muss mit Fingerspitzengefühl herangehen. Man muss sehen, wie ein Argument das andere gibt. Wir wissen auch, dass durch mehrere Tarifverträge von Verdi abgesichert bereits morgen in der Handwerkskammer des Saarlandes das sogenannte Profiling der Transfergesellschaft für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen beginnen wird. Sie haben bereits gestern schriftlich die Androhung einer Kündigung bekommen. Das ist alles sehr schnell gegangen. Wenn sie in einer Transfergesellschaft ankommen, wenn die Transfergesellschaft verankert wird - es geht immerhin noch um die Absicherung von 71 Millionen Euro -, dann würden diese Kündigungsklagen nicht zur Anwendung kommen. Es ist eine dezentrale Transfergesellschaft, es sind eigentlich Transfergesellschaften, die hier vorgesehen sind. Das hat auch BÜNDNIS 90/GRÜNEN gefordert. Es ist die Transfergesellschaft weitblick-personalpartner aus Mannheim, die auch gestern Abend anwesend war. Den Kolleginnen und Kollegen ist ganz klar mit auf den Weg gegeben worden, dass sie keinerlei absehbar große Nachteile haben, wenn sie in diese Transfergesellschaft eintreten. Es ist ja eine freiwillige Geschichte. Dann hätten sie aber durchaus die Chance auf Weitervermittlung und Transfer in neue Arbeitsstellen. Dies soll durch öffentliche Förderung und nicht zuletzt auch durch die Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit offensiv begleitet werden, die gestern Abend bereits anwesend war und auf erste Fragen konkret Antworten gegeben hat.
Kurz und gut, wir unterstützen diesen Prozess. Wir werden den Anträgen der anderen Fraktionen zustimmen. Wir werden uns bei einem Antrag enthalten, das ist der Antrag der LINKEN. Er geht in die richtige Richtung. Ich glaube, hier gibt es eine große Seelenverwandtschaft zu dem, was ich gesagt habe.
Lieber Rolf, das Modell Stahlstiftung kann aber zum jetzigen Zeitpunkt der Verhandlungen, zu dem schon alles Mögliche abgeschlossen ist, auch wenn man ernsthaft darüber nachdenken würde, überhaupt nicht mehr zum Tragen kommen. Wir sollten darauf aufpassen, dass wir den Kolleginnen und Kollegen in dieser verwirrenden und schwierigen Si
tuation jetzt nicht noch Dinge in den Kopf setzen, die im Moment rein vom Zeitablauf nicht mehr zum Tragen kommen können. Deshalb werden wir uns an der Stelle enthalten, wohl wissend, dass es positiv und gut gemeint ist.
Ich möchte an diesem Punkt zur Stahlstiftung eigentlich noch nichts sagen. Ich kann es später gerne tun, wenn es gewünscht ist. Mit den Gründern der Stahlstiftung, wozu interessanterweise auch Dr. Peter Hartz gehört, um nur einen stellvertretend für viele andere zu nennen, habe ich mich auseinandergesetzt und die Frage gestellt, ob dies ein Modell für die jetzige Situation wäre oder nicht. Das Ergebnis für die jetzt aktuelle Situation lautet nein. Aber das soll das andere jetzt nicht verwischen. Das Wichtigste ist: Die Schlecker-Frauen im Saarland und in Deutschland wissen, das saarländische Landesparlament, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier stehen an ihrer Seite. - Danke.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vier Tage vor der Landtagswahl am kommenden Sonntag wiederholen wir eine Debatte, die wir bereits vor vier Wochen in diesem Plenum fast inhaltsgleich geführt haben. Damals mit dem klaren Ergebnis, dass eine umfassende Überarbeitung oder Neustrukturierung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik des Saarlandes auch unter Einbeziehung wesentlicher gesellschaftlicher Kräfte, von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bis zu den Arbeitgebervereinigungen, ausführlich beraten werden soll. Das hat der Ausschuss für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport am 29. Februar mit der Gegenstimme der heutigen Antragstellerin festgestellt. Mittlerweile sind insgesamt 32 Organisationen und Verbände eingeladen worden, die teilweise ihre Stellungnahme abgegeben haben.
Es wird heute versucht, der saarländischen Öffentlichkeit vorzuführen, es ginge hier nur um ein Ja oder Nein bei dem Mindestlohn. Das ist nach meiner Auffassung zutiefst unglaubwürdig und ist der Öffentlichkeit auch nicht die Wahrheit eingeschenkt.
Ich will zu dieser Frage der Glaubwürdigkeit nur anmerken, Kollegin Claudia Willger, in den zurücklie
genden Jahren der sogenannten Jamaika-Delegation haben Sie alleine hier -
Mehr war es ja bald nicht, sagen wir Jamaika-Regierung. - Sie haben in der Zeit alleine hier im Landtag vier Mal dem Thema Mindestlohn Ihre Zustimmung verweigert.
Sie haben im Bundesrat bei mindestens zwei Initiativen, zuletzt am 09. Dezember 2011, Ihre Zustimmung verweigert beziehungsweise für eine Neutralisierung der saarländischen Landesregierung gesorgt. Jetzt stellen Sie sich hierher und tun so, als würden Sie vier Tage vor der Landtagswahl den Mindestlohn retten und wir, die SPD, wären angeblich die Verräter. Damit wird wirklich die gesamte Debatte um den Mindestlohn völlig auf den Kopf gestellt.
Ja. Ich bitte den Herrn Vizepräsidenten, die Uhr anzuhalten.
Abg. Willger (B 90/GRÜNE) mit einer Zwischenfrage: Teilen Sie auch die Einschätzung, die seitens der SPD oft geteilt worden ist, dass der Koalitionsvertrag von Jamaika mit vielen grünen Inhalten gefüllt war, dass wir sehr viele von diesen Punkten umgesetzt haben, dass wir selbst bezogen auf das Thema Mindestlohn und das Thema Tariftreuegesetz erhebliche Fortschritte erreicht haben? Teilen Sie diese Auffassung?
Es steht mir schwerlich an, Ihren Koalitionsvertrag von 2009 zu beurteilen, aber eines fällt mir dabei auf - da haben Sie mir als Handballer gerade den Ball auf den Siebenmeter gelegt -: Offensichtlich war Ihnen das Thema Mindestlohn nicht so wichtig wie zum Beispiel die Verschärfung des Nichtraucherschutzes, ansonsten wären wir bei dem Thema etwas weiter gekommen!
Also, noch einmal, damit das der Öffentlichkeit klar ist - - Herr Kollege Ulrich - - Herr Präsident, ich kann bei dieser Lautstärke leider nicht reden.
Ich kann auch lauter, aber das habe ich nicht mehr gemacht, seitdem ich nicht mehr auf den Kreuzungen stehe. Deswegen bitte ich Sie zuzuhören oder Fragen zu stellen. - Wir wollen - um der geneigten Öffentlichkeit zu zeigen, dass es um wesentlich mehr geht als um das wichtige Thema Mindestlohn - einmal eine kleine Tour d’ Horizon machen, worüber wir in dieser Anhörung reden wollen, warum wir diese 32 Organisationen eingeladen haben. Wie gesagt, sie haben schon teilweise Stellungnahmen abgegeben. Die wären obsolet, wenn wir jetzt einfach Ja oder Nein sagen würden.
Da ist zum einen wie gesagt das Thema gesetzlicher Mindestlohn. Die SPD im Saarland - nur, damit das noch einmal erwähnt sei - hat seit dem November des Jahres 2003 einen Beschluss für einen gesetzlichen Mindestlohn. Kollege Meiser, ich sehe das anders als Sie eben. Wenn die Kollegin Ries sich da vehement zu Wort meldet, ist das für mich etwas Normales, weil damals Isolde mit mir noch gekämpft hat. Das Thema Mindestlohn ist ja nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht.
Das war, Herrmann, schon nicht so ohne. Die Gewerkschaften wollten den damals, 2003, noch nicht. Wir haben unsere Klärung 2006 beim DGB-Bundeskongress herbeigeführt, und das aus bestimmten Gründen. Das ist ein Punkt.
Der nächste Punkt ist das sogenannte echte Tariftreuegesetz. Da würde auch eine Lohnuntergrenze eine Rolle spielen. Dann kommt das Thema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, Equal-Pay-Regelungen ab dem ersten Tag, eventuell mit einem sogenannten Sozialzuschlag. Auch das ist ein nicht ganz unkritisches Thema.
Dann geht es darum, transparente und an niedrigen Quoten von Zeit- und Leiharbeit orientierte Wirtschaftsförderung zu betreiben. Das ist ein ganz breites Thema, etwas, was im Land sehr stark beeinflusst werden kann, wesentlich stärker als die Mindestlohndebatte. Ob wir das so hinbekommen und was die Saarwirtschaft und die Gewerkschaften dazu meinen, werden wir sehen. Der dauerhaft geförderte öffentliche Beschäftigungssektor ist das nächste Thema. Dann die Trägerlandschaft. Die Träger sind auch eingeladen, Landesarbeitsgemeinschaft für Beschäftigung & Qualifizierung. Wie sichern wir die ab? Temporär ist das gelungen seit dem letzten Landtag, aber nicht dauerhaft. Das ist also ein sehr
starkes landespolitisches Thema, das uns weiter beschäftigen wird.
Letztendlich geht es noch um Gleichstellungsfragen angefangen von gleicher Lohn für gleiche Arbeit, für Frauen und Männer, also geschlechterneutral, bis hin zur Vertretung von Kolleginnen in Aufsichtsräten, in Aufsichtsgremien bis hin zu einem Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft.
All das, was ich verkürzt wiedergebe, auf das Thema Mindestlohn ja oder nein zu reduzieren, geht an dem, was in diesem Landtag abgelaufen ist und jetzt abläuft, völlig vorbei und hat mit den Debatten, die wir hier anstoßen wollen, nichts zu tun. - Bitte schön.
Abg. Willger (B 90/GRÜNE) mit einer Zwischenfrage: Hat die SPD-Fraktion bei den Fragen, die sie vorhin aufgeworfen hat, eigentlich noch ein Erkenntnisproblem? Immerhin sind in diesem Antrag noch einmal Forderungen aufgenommen worden, die die SPD an anderer Stelle bereits in den letzten -
Das sind immerhin Punkte, die in SPD-Anträgen enthalten waren. Welche neuen Erkenntnisse erwarten Sie sich eigentlich davon? Sind die Positionen der Fraktionen nicht längstens klar?
Wenn das alles so klar wäre, dann weiß ich nicht trotz Ihres Hinweises auf den Koalitionsvertrag -, warum Sie das bisher noch nicht mit uns umgesetzt haben. Das verschließt sich mir.
Das war ja eine lange Zeit. Aber ich will in Beantwortung dieser Frage, bevor ich wieder zur normalen Rede komme, nur ein Beispiel nennen, das wir heute in unserem Antrag angesprochen haben. Ich werde noch gleich zu dem Thema Tarifmindestlohn kommen. Ich möchte nur einmal einen Abschnitt aus unserem vierseitigen Antrag vortragen, der fast deckungsgleich mit dem vom 15. Februar ist und überschrieben ist mit „Gute Arbeit sichert Wohlstand und gesellschaftliche Teilhabe“. Ich zitiere aus diesem Antrag: „Die Betriebsräte in den Entleihbetrieben brauchen zudem Mitbestimmungsrechte zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Einsatzes der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer und des Umfangs und der Dauer der Leiharbeit. Folgerichtig sollen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl für die be
triebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerte mitgezählt werden. Die Befristung eines Leiharbeitsverhältnisses, die Koppelung der Befristung an einen Arbeitseinsatz (Synchronisation) außerhalb der Probezeit und der Einsatz als StreikbrecherIn muss gesetzlich verboten werden. Der Landtag des Saarlandes fordert daher die Landesregierung auf, entsprechende Initiativen nicht nur auf der Bundesebene zu unterstützen: Auch die Kriterien für Wirtschaftsförderung des Landes müssen so verändert werden, dass das Prinzip ‚gleicher Lohn für gleiche Arbeit’ zum Förderkriterium wird“.
Dazu finde ich beispielsweise in dem Antrag von BÜNDNIS 90/GRÜNE keinerlei Aussage. Das ist bei aller Liebe doch ein Thema mit großer Tragweite. Das ist nur eines, das ich jetzt herausgegriffen habe. Ich könnte noch einige hier aufzählen, wo selbst wir oder ich nicht so vermessen sind zu glauben, dass wir nur der Wirtschaft unseren Antrag abgeben müssen und dann wird der einfach umgesetzt. Was also Ihre Frage betrifft, ob es hier noch Erkenntnisprobleme gibt, ob es hier noch Kommunikationsbedarf gibt, so ist das natürlich der Fall, dass es da noch Kommunikationsbedarf gibt. Liebe Frau Willger, Ihre Partei hat sich Bürgerbeteiligung auf die Fahne geschrieben. Wenn Sie jetzt sagen, wir brauchen keine, wir können einfach abstimmen, verstehe ich das auch wieder nicht, aber gut.
Aber ich sage zum dritten und letzten Mal für heute, damit es ganz klar ist, auch für die Presse: Hier geht es nicht um eine Abstimmung Mindestlohn ja oder nein. Hier geht es um etwas mehr. Wir werden uns natürlich sehr engagiert und entschieden dafür einsetzen. Deswegen habe ich die liebe Isolde Ries zur Zeugin genommen, aber alle anderen auch.
Ich möchte etwas zu diesem Tarifmindestlohn sagen, der im Moment im Gespräch ist seitens der CDA, CDU. Zunächst einmal stelle ich fest, dass das eine nicht ungehörige Bewegung innerhalb der CDU ist. Wir hatten vor einiger Zeit hier noch Debatten, die wesentlich weiter voneinander entfernt liefen als das, was sich jetzt andeutet. Dennoch glaube ich, dass es schwierig werden wird, damit in den prekären Bereich - genau dort, wo wir hinein wollen - hineinzukommen. Aber das wird ein Punkt sein, den man zum Beispiel auch mit den Arbeitgeberverbänden diskutieren muss. Deswegen freue ich mich auf Diskussionen mit denen.
Es ist nicht so, dass ich mit denen nicht reden würde, weil ich von meiner Herkunft her Gewerkschafter bin. Gerade im Gegenteil. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaftsverbände haben sehr enge Beziehungen, durchaus kontrovers, aber auch Stabilität gewährend. Deshalb will ich mit denen darüber reden, will von ihnen wissen, wenn sie das Modell, das die
SPD favorisiert, nicht wollen, wie sie prekäre Beschäftigung und den Missbrauch an dieser Stelle eindämmen wollen. Da muss ich mich mit einem Herrn Giersch unterhalten - auch gerne -, mit einem Herrn Brenner und einem Herrn Malter, mit wem auch immer. Natürlich passiert das permanent. Das entgeht Ihnen vielleicht,
aber das ist bei uns gelebte Wirklichkeit in Dauer. Wir dürfen jetzt, wenn in dieser Situation ein so umfassender Rundumschlag gemacht wird, weil - sage ich einmal - jetzt Bewegung in die CDU gekommen ist, wo ich zum ersten Mal den Eindruck habe, da tut sich wirklich etwas, nicht nur Forderungsweltmeister bleiben, sondern wir müssen auch wirklich etwas umsetzen. Das ist doch das Spannende, das verstehen die in der Wirtschaft auch! Ich habe dafür einen Sensor, weil ich mit denen regelmäßig zu tun habe. Deshalb werden wir das jetzt nicht als „Wahlkampfgeplänkel“ unter Wert verhandeln, sondern wir werden das ordentlich - und ich hoffe, mit Ihrer konstruktiven Beteiligung - auch nach der Wahl abarbeiten. Am 28. wird der Ausschuss noch dieses Parlamentes zusammentreten, das wird den ganzen Tag dauern. Das wird viel Arbeit sein, aber wir erledigen diese Arbeit gerne und werden dies auch mit allem Respekt vor allen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern tun. Also mein Fazit: Der Mindestlohn-Partei in der SPD Deutschlands, nämlich der SPD Saar, hier mit solchen Spielchen zu Leibe rücken zu wollen, da bin ich fast beleidigt. Das ist eigentlich unter unserem Niveau, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Abschließend will ich hoffen, dass wir in dieser Debatte am Ende vielleicht sogar etwas Sozialgeschichte schreiben können. Das geht allerdings nur, wenn wir alle mitnehmen, weil das nicht mit knappen Mehrheitsentscheidungen zu machen ist. Von daher bin ich überzeugt, dass das, was sich mittlerweile auch in der Wirtschaft verfestigt hat, dass diese Dinge, was gute Arbeit betrifft, nicht nur Folterinstrumente für die Wirtschaft sind, sondern gerade für gute Unternehmerinnen und Unternehmer eigentlich sehr hilfreiche Instrumente sein können. Da geht es um den Standort, wir wollen hier nicht als angebotsorientierter billiger Jakob den Wettbewerb bestreiten und immer mehr junge Menschen verlieren, sondern wir wollen auf Qualität setzen, besser statt billig. Dass wir diesen Weg gehen, dass das im Saarland mehrheitsfähig wird, dafür streiten wir. Eine persönliche Anmerkung wird Sie dann auch nicht sehr überraschen: Ich bin mir sicher, dass wir dafür einen Ministerpräsidenten Heiko Maas brauchen. - Danke schön.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns seitens der SPD-Fraktion entschlossen, das Thema etwas brei
ter aufzumachen und in den saarländischen Gesamtkontext zu stellen. Wir sind nämlich der Auffassung, dass die Frage, die heute behandelt wird, weit über einzelne Problemfälle hinausgeht und dass eine sehr grundsätzliche Frage berührt wird, die Frage, wie das Saarland im Standortwettbewerb bestehen und Zukunft gewinnen will oder aber auch verspielen kann. Vor diesem Hintergrund meinen wir, dass gute Arbeit - ein Thema, das vor einigen Jahren vom Deutschen Gewerkschaftsbund und seinen Einzelgewerkschaften eingebracht wurde - für uns als Standortfrage zu behandeln ist und nicht nur im Zusammenhang mit Beispielen wie Höll oder Betrieben, die vorher existiert haben.
Mir hat gut gefallen, was Klaus Meiser vorhin gesagt hat. Er hat auf die Wirtschaft und die guten Betriebe hingewiesen, wie ich sie einmal nenne. Das steht auch anhand der Erfahrungen mit Tarif- und Sozialpartnerschaft - völlig außerhalb der Diskussion. Und wenn wir bestimmte Vorkehrungen treffen, schützen wir ja gerade auch diese guten Betriebe. Wir halten sie zum Teil davon ab, Unsinn zu machen, und schützen sie. Man darf das nicht zu laut sagen, denn im Grunde handelt es sich bei dem, was wir da andenken und entwickeln wollen, um Schutzgesetze für gute saarländische Betriebe. Ich drücke es einmal so aus: Da gibt es diesen Interessengegensatz gar nicht. Deshalb sollte man ihn auch nicht konstruieren. Statt dessen sollte man sich fragen, was „gute Arbeit“ heißt. Im Zusammenhang mit meinen Ausführungen zur Wirtschaftsförderung werde ich mich schwerpunktmäßig an die Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN wenden, denn dort haben wir einen Hebel.
Ich möchte mehrere Themen nennen, die sich hinter dem Begriff „gute Arbeit“ verbergen. „Gute Arbeit“ ist kein Begriff wie „Guten Morgen“ oder „Guten Abend“, sondern „gute Arbeit“ beinhaltet 15 Dimensionen von Arbeit. Dazu gehören zum Beispiel das Betriebsklima, der psychische Arbeitsdruck, der Arbeitsschutz und natürlich auch auskömmliche und sichere Arbeitsstellen und so weiter. Dies verbirgt sich hinter dem Thema „gute Arbeit“. Wir sind der Auffassung, dass wir als Teil von „guter Arbeit“ einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen werden, um eine Untergrenze einzuziehen. Das verstößt mitnichten gegen irgendwelche tariflichen Aspekte. Denn es geht um Sektoren, in denen keine, kaum oder eine nicht wirksame gewerkschaftliche Vertretung existiert.
Als Gewerkschafter sage ich, dass dies früher umgekehrt diskutiert wurde. Die Gewerkschaften wollten ursprünglich den gesetzlichen Mindestlohn nicht, weil sie gesagt haben, man würde ihnen etwas von ihrer Tarifhoheit wegnehmen. Wir haben aber einen Denkprozess durchlaufen. Wir mussten erleben, wie in Sektoren, aus denen wir zum Teil mit brutaler Ge
walt herausgehalten wurden, plötzlich die Menschen ausgeliefert waren und mit Hungerlöhnen oder sittenwidrigen Löhnen abgespeist wurden. Teilweise wurden Tarifverträge abgeschlossen, die weit unter dem von uns genannten Level waren, aber ansonsten hätten die Leute überhaupt keinen Tarifvertrag bekommen. All dies sind Dinge, die man nicht hinnehmen darf. Denn das Modell der sozialen Marktwirtschaft, nennen Sie es nach Ludwig Erhard oder Willy Brandt oder anderen, fußt nicht darauf, dass wir unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinter’s Licht führen, dass wir sie ausbeuten, sondern dass wir sie gerecht behandeln. Das muss das Zukunftsmodell des Wirtschaftsstandortes sein. Deshalb der gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto. Das ist nichts Weltbewegendes. Damit ist man immer noch unter der Armutsschwelle und unter den Durchschnittslöhnen in Deutschland. Aber selbst das haben wir noch nicht. Deshalb ist die Position der Gewerkschaften, die Forderungen nicht ständig höher zu schrauben, solange wir diese Stufe nicht erreicht haben.
Es gehört für uns natürlich auch ein echter Tarifvertrag dazu, ein echtes Tariftreuegesetz mit eingezogener Untergrenze. Diese kann gerne überschritten werden, aber es soll eine Untergrenze sein. Wo Steuergelder eingesetzt werden, lieber Kollege Bernd Wegner, haben wir eine besondere, eine ethische Verpflichtung, mit diesem Geld sorgsam umzugehen. Wir können nicht diejenigen, die falsche Geschäftsmodelle auf der Basis von Dumpinglöhnen ausarbeiten, mit Steuergeldern unterstützen. Das versteht in der Bevölkerung niemand.
Wir müssen einen repräsentativen Tarifvertrag haben und wir brauchen sinnvolle Nachkontrollen. Ohne Kontrolle ist das Gesetz nur Makulatur. Das ist ein weiterer Aspekt für öffentliche Auftragsvergabe unter dem Label „gute Arbeit“.
Ich komme zum Thema Wirtschaftsförderung, das natürlich sehr spannend ist. Wir wissen schon länger, dass Zeit- und Leiharbeit leider in manchen Bereichen nicht mehr zum Abdecken von Spitzen gebraucht werden, sondern dass es darum geht, Stammbelegschaften auszuwechseln. Ein ganz berühmtes Beispiel, wo es allerdings eine Auseinandersetzung gab und es wieder zurückgeschraubt wurde, war BMW in Leipzig. Jetzt ist man bei BMW sicherlich nicht notleidend, man ist dort auch nicht schwach gewerkschaftlich organisiert. Man ist über die IG Metall organisiert. BMW wollte es zum Geschäftsmodell in Deutschland machen, dass man quasi nur noch Vorarbeiter hat und ansonsten die Belegschaften rotieren. Wenn dies so geschehen würde, würden wir unseren gesamten Arbeitsmarkt so durcheinander bringen, dass das nichts mehr mit dem Modell von Ludwig Erhard oder Willy Brandt zu
tun hätte. Bei BMW ist man von diesem Modell auch wieder abgekommen. Als sich die Dinge rundgesprochen hatten und man gesehen hat, welche Fehlerquoten die Produktion hatte, ist man ein Stück weit davon abgekommen.
Wir haben aber Branchen, wo es leider noch gängige Art ist, über Leiharbeit und neuerdings über das Phänomen der Werkverträge vorzugehen. Das ist eine rechtlich komplizierte Sache. Von der Kollegin Willger und auch vom Kollegen Bierbaum ist das Beispiel Höll genannt worden. Dort ist es eklatant. Man muss aufpassen, wie man mit dem Thema umgeht. Zunächst einmal ist es uns wichtig, dass die 200 Arbeitsplätze, die im Moment noch gehalten werden - die anderen sind in der Transfergesellschaft - möglichst auch dauerhaft gehalten werden. Das ist das unmittelbare Interesse. Was dort unsäglich schlecht gelaufen ist, auch im Hinblick auf die europäische Freizügigkeit, die Klaus Meiser angesprochen hat, ist, dass man in relativ dramatischer Weise osteuropäische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hierher gebracht hat, während ein Drittel der Stammbelegschaft nach Hause geschickt wurde. Das Ganze ist mit Werkverträgen geschehen. Man kann davon ausgehen, dass das formaljuristisch sogar sauber ist. Das macht es so kompliziert. Es ist mit Werkverträgen geschehen, nach denen diese Leute 12 bis 16 Stunden arbeiten und dafür einen Tageslohn von 37 Euro brutto erhalten. Davon werden noch die Kosten für ihre Gemeinschaftsunterkunft, der Transport zur Arbeit und wieder zurück sowie die Arbeitsmaterialien abgezogen.
Die Kollegin Willger ruft mir zu, dass auch die Sozialversicherung noch abgezogen wird. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Modell dürfen wir nicht zulassen. Wir dürfen nicht zulassen, dass dies das gängige Geschäftsmodell bei uns wird. Denn am Ende - und das gehört auch zur Wahrheit dazu -, als die Rumänen drin waren und die anderen Arbeitnehmer draußen, war an die Wand ein Hakenkreuz gemalt. Dies sage ich, falls es dem ein oder anderen noch nicht ganz klar war, wie gefährlich solche Strategien sind. Dort, wo wir einen Hebel haben, müssen wir so etwas auch mit unseren Möglichkeiten der Wirtschaftsförderung abstellen. Wir müssen aufpassen, dass dies nicht gängige Praxis wird. Denn das hat Nebeneffekte, die wir alle nicht wollen.
Es wäre aber „schön“, wenn es nur um eine Firma ginge, denn dann wäre das Problem überschaubar. Es sind allerdings mehrere. Ich möchte einige nennen, obwohl ich nicht weiß, ob mir das zum Vorteil gereicht. Ich tue es trotzdem. Ich nenne die Firma Schwamm. Sie hat sich diese Woche in der Saar
brücker Zeitung geäußert und gesagt ist, sie bezahle annähernd Tariflohn. Da muss man schon genau hinhören. Sie hat gesagt, sie habe auch eine Mitarbeitervertretung. Wenn sie das hat, heißt das, sie hat kein Gremium auf der Basis des Betriebsverfassungsgesetzes.
Ich hatte vor einigen Jahren ein Gespräch mit dem jungen Herrn Thielen, der mir damals offenbart hat, sie könnten ihre Tarifbindung nicht mehr halten, weil Konkurrenten sie durch Dumpingprozesse unterwanderten. Wir haben so etwas Ähnliches bei Kunzler. Kunzler hat einen Tarifvertrag mit einer sogenannten christlichen Gewerkschaft, irgendeinem Sprengel des CGB, den sie zu Dumpinglöhnen abgeschlossen haben, im Sinne von Tarifsvertragsfreiheit. Auch das hat Höll in schweres Fahrwasser gebracht. Man muss sich die Frage stellen, ob wir das so wollen, ob wir das so hinnehmen und ob es Freiheit ist, dass die Leute so nach unten gezogen werden.
Wir haben aber auch ein umgekehrtes Beispiel. Es gibt die Firma Schröder, die am teuersten ist, weil sie nach Tarifbindung arbeitet. Ich persönlich kann allerdings nicht feststellen, dass die Qualität gelitten hätte - im Gegenteil. Oft ist es so, dass gerade in den Betrieben, in denen mitbestimmt gearbeitet wird und wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter echte, gesetzlich garantierte Mitbestimmungsrechte haben, das Geschäftsmodell erfolgreicher ist als bei den anderen. Also muss man diese andere Ideologie doch einmal sein lassen, dass das Umgekehrte richtig wäre.
Jetzt stellt sich die Frage, was man in Sachen Wirtschaftsförderung tun kann. Die CDU hat einen umfassenden Begriff gewählt, nämlich die Veränderung der Wirtschaftsförderungskulisse unter anderem durch die Begrenzung von Leiharbeit. Man bezieht sich aber nur auf die Leiharbeit. Die LINKE hat die Werkverträge erwähnt. Wir gehen darüber hinaus und sagen, es müssen einige Komponenten hinzukommen. Das thüringische Modell, eingeführt von SPD-Wirtschaftsminister Matthias Machnig zusammen mit Christine Lieberknecht, die es in der Großen Koalition abgedeckt hat, ist eines, das sich auf die Gemeinschaftsaufgabe der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur beschränkt.
Zunächst einmal müsste man hinsehen, was bisher gut gelaufen ist und wo es Probleme gibt. Darüber hinaus meinen wir aber, dass bei der Wirtschaftsförderung überhaupt einmal Transparenz hergestellt werden muss, wer denn nach welchen Kriterien Wirtschaftsförderung erhält, ob die Stellungnahme des Betriebsrates eingeholt wird, ob die Mittel mit dem Betriebsrat abgestimmt sind, ja oder nein.
Ich könnte mir vorstellen, dass da einige sagen: Wo kommen wir denn da hin, wenn wir das machen,
was der Roth sagt? Ich kann Ihnen sagen, wo wir hinkommen. Der DGB in Niedersachsen - übrigens in engem Dialog mit der niedersächsischen Regierung, die meines Wissens von einem Herrn McAllister gestellt wird - hat entsprechende Gutachten, wie man eine derartige soziale Wirtschaftsförderung umsetzen könnte, um „gute Arbeit“ zum Benchmark in den Ländern zu machen, weil da ja auch um Köpfe gekämpft wird. Gerade die jungen Leute kucken, ob sie in Regionen ziehen, wo sie per se 10 Prozent weniger verdienen und ungesicherte Verhältnisse haben, oder ob sie in saubere, geordnete Verhältnisse mit guter Arbeit kommen. Das heißt, hier geht es noch mal um das Standortargument.
Wir müssten deshalb schauen, ob das Thüringer Modell praktikabel wäre, allerdings ergänzt um weitere Komponenten der Transparenz. Ich habe eben beispielsweise die Frage einer Stellungnahme des Betriebsrates angesprochen. Wenn Geld an eine Firma gegeben werden soll, müsste ja zunächst einmal gefragt werden: Hat die überhaupt einen Betriebsrat? - Dann wird das also alles etwas spannender.
Wir reden immer davon, dass wir, wenn wir das Geld des Steuerzahlers ausgeben, an der Stelle ein bisschen aufpassen sollten. Der DGB in Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt hat Gutachten, wonach das geht. Der hat auch Gutachten zur wirtschaftlichen Wirkung, die belegen, dass das in höchstem Maße sinnvoll ist. In dem Fall sind wir der Meinung, dass das, was die LINKE zu Recht initiiert hat, erweitert werden müsste um die Dinge, die wir noch eingebracht haben.
Ich möchte abschließend noch kurz die anderen Punkte erwähnen. Zum öffentlichen Beschäftigungssektor mache ich jetzt keine Ausführungen mehr. Aber das Thema Frauenerwerbsquote und ungerechte Bezahlung der Frauen bei gleicher Arbeit möchte ich noch einmal kurz ansprechen. Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Auseinandersetzung mit unserem saarländischen Arbeitgeberverband, der mir unterstellt hat, wir würden da Äpfel mit Birnen vergleichen. Das stimmt nicht. Wir haben, lieber Bernd Wegner, mehrere Beispiele, die belegen, dass für die gleiche Arbeit Lohnunterschiede von bis zu 23 Prozent bestehen. Das geht nicht, vor allem wenn wir darüber reden, dass wir eventuell ein Fachkräfteproblem bekommen. Da brauchen wir gar nicht so weit zu kucken, sondern müssen zuallererst auf unsere Frauen kucken und sie besser bezahlen; denn dort ist das Potenzial für künftige Fachkräfte. Da spielt der Lohn eine sehr zentrale Rolle.
Ich bin persönlich auch der Auffassung, dass sich das klimatisch nur ändern wird, wenn in Gremien auch Frauen in Führungspositionen kommen, gerade in der Privatwirtschaft. In politischen Gremien haben wir das ja schon - ein Beispiel sitzt neben mir -,
aber in der Privatwirtschaft haben wir das nicht. Dort ist es noch die absolute Ausnahme, dass der Vorstand weiblich ist. Da müsste man etwas tun. Wenn das nicht geht, müsste der Gesetzgeber zusehen, dass er das per Gesetz macht.
Ich möchte zum Schluss noch kurz auf die anderen Anträge eingehen. Wir beantragen, das Ganze in die zuständigen Ausschüsse zu überweisen, denn an jedem Antrag ist was dran, aber überall gibt es auch was zu kritisieren. Wir sind sehr breit aufgestellt. Wir wollen das Thema „gute Arbeit“ als Überschrift und Rahmen für alles. Ich nehme einmal den Antrag der CDU. Da wird man über das Thema Mindestlohn noch etwas genauer reden müssen. Was heißt denn das, was da andeutungsweise beschrieben ist? Ich bin der Auffassung, dass das, was die LINKE eingebracht hat, gut ist. Man wird aber bei dem Thema Werkverträge noch etwas nacharbeiten müssen, weil das, wie ich mir habe sagen lassen, formaljuristisch sehr kompliziert ist. Das, was BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebracht haben, ist ein qualitativ guter Antrag. Bis vor einiger Zeit hat man Anträge dieses Kalibers hier nicht lesen können, aber sei’s drum - jetzt ist die Zeit, in der so etwas kommt. Aber die Frage regionaler und branchenspezifischer Mindestlöhne ist etwas, worüber man reden müsste. Die Gewerkschaften wollen nicht, dass wir die Mindestlöhne nach Regionen und Branchen festsetzen.
Weil wir als SPD-Fraktion dieses Thema für ein wichtiges Standortthema halten, nicht nur für irgendetwas aus der Ecke Sozialpolitik oder Arbeitsmarktpolitik, sondern für ein standortrelevantes Thema im Wettbewerb mit anderen, beantragen wir, es in die entsprechenden Ausschüsse zu überweisen. Das müsste mindestens der Ausschuss für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport sein, aber auch der Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft.
Ansonsten sollten wir mithelfen, dass Dinge, wie sie bei Höll und bei anderen passiert sind, nicht mehr vorkommen. Das hat unser Saarland und unser saarländischer Zusammenhalt nicht verdient. Ich esse weiterhin Höll-Lyoner - das sage ich ganz bewusst -, denn es geht nicht um Boykott oder einen ähnlichen Quatsch. Aber es geht darum, mit den Verantwortlichen nachhaltig über die Probleme zu reden und notfalls auch Schrauben anzuziehen, damit ein Geschäftsmodell, das so angelaufen ist wie dieses, auf Dauer keine Zukunft hat, im Saarland allemal nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich schwerpunktmäßig auf das Thema Arbeitsmarktpolitik im Saarland, die unter dem Diktat der leeren Kassen stattfinden muss, aber unter dem Vorzeichen steht, dass die Arbeitsmarktstatistik gut aussieht. Wir haben gehört, dass die registrierte Arbeitslosigkeit so niedrig ist wie seit 31 Jahren nicht mehr. Es ist ein bizarrer Trend. Der gilt analog auch ein Stück weit für die wirtschaftliche Konjunktur. Zwar ist um uns herum Krise angesagt, die nicht überwunden ist, und dennoch scheinen bei uns die statistischen Daten noch relativ gut zu sein.
Nun braucht man kein Prophet zu sein. Es gibt Berufenere als mich - beispielsweise den von mir nicht immer geliebten Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Situation in Deutschland -, die sagen, das werde sich alles abkühlen und sei nicht von ewiger Dauer. Nur, man sollte das jetzt auch nicht schlechtreden, im Moment ist es nun mal so. Allerdings muss man mit diesen Dingen, gerade was den Arbeitsmarkt betrifft, vorsichtig umgehen, und zwar deshalb, weil auf dem Arbeitsmarkt im Bund wie auch im Saarland quasi eine Zweiteilung stattfindet.
Es gibt eine Gruppe, die von den positiven Konjunkturverläufen nicht mehr erreicht wird. Wir erleben, dass insbesondere bei der Arbeitsmarktvermittlung diejenigen, die in der Arbeitslosenversicherung sind,
nicht in der Grundsicherung, also im SGB III, sehr schnell wieder vermittelt werden, dass sich die Arbeitsvermittler auch auf diese Gruppe konzentrieren, weil sie selbst unter einem enormen Druck stehen, möglichst schnell gute statistische Ergebnisse zu erzeugen. Das hilft aber nicht den Langzeitarbeitslosen, die zum Teil sehr gute Talente aufweisen, jedoch zu alt sind. Die Handicaps bestehen nicht nur darin, dass jemand krank oder dem Alkohol verfallen ist, sondern auch darin, dass man 50 Jahre oder älter ist und dann als schwer vermittelbar gilt. Daher rate ich trotz aller positiven Anzeichen in manchen Statistiken dazu, mit viel Fingerspitzengefühl an dieses Thema heranzugehen. Denn diejenigen, die nicht vermittelt werden können, obwohl sie Aktenschränke voller Bewerbungen haben, sollten nicht auch noch diskriminiert werden. Das will in diesem Hause wohl auch niemand, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben über das Thema Weiterbildung und Qualifizierung ausführlich gesprochen, so auch die Kollegin Willger in der Debatte am 21. September. Eines ist klar: Wenn man Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen will, braucht man vernünftige Trägerstrukturen. Ich füge hinzu - das hat die Ministerin schon gesagt -, wir brauchen die saarländischen Trägerstrukturen. Wir brauchen keine Träger, die aus der Republik mit Dumpingstandards kommen und den schnellen Euro verdienen wollen, aber die Spezialitäten des saarländischen Arbeitsmarktes gar nicht wirklich kennen. Wir brauchen vielmehr unsere qualifizierten saarländischen Träger.
Ich muss mich meinem Freund und Kollegen Rolf Linsler anschließen. Ich hatte mir auch die Frage gestellt, wie die Landesregierung das technisch gemacht hat mit diesen 1,5 Millionen. Die SPD hatte nämlich einen Abänderungsantrag zum Haushalt gestellt mit einem Plus von 2 Millionen zur Förderung von Langzeitarbeitslosen. Mir geht es jetzt nicht um das Delta von 500.000, es geht mir um die Richtung. Wir hatten es also in den Landeshaushalt eingebracht. Was Sie jetzt machen, ist wohl eine Umschichtung, die gerade eben erläutert wurde. Das war für uns auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar, jetzt ist es nachvollziehbar. Wir werden das auch unterstützen. Gleichwohl werden wir natürlich nicht alle Maßnahmen unterstützen, nur um hier auf Friede, Freude, Eierkuchen zu machen.
Ich sage eines dazu, und das sage ich durchaus anerkennend, weil unsere Zusammenarbeit in den letzten Tagen und Wochen gut war, Frau Kollegin Bachmann; das muss hier auch einmal erwähnt werden. Ich habe geschmunzelt, als ich die Presseerklärung gesehen habe, die sich mit dem Thema vom vergangenen Montag befasst aus dem Ministerium für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport. „Minis
terin Bachmann: Die Kürzung der Bundesmittel für den zweiten Arbeitsmarkt ist eine Fehlentscheidung.“ Ich will das gar nicht weiter vorlesen. Da hätte man auch SPD oder DGB drüber schreiben können. Nur, meine herzliche Bitte ist, dass wir hier nicht einen Sturm im Wasserglas entfachen. So etwas im Saarland zu publizieren, ist das eine. Es Frau von der Leyen nachhaltig beizubringen, ist das andere, am besten auch noch der Bundeskanzlerin, weil die meines Wissens die Richtlinienkompetenz hat. Dazu ermuntere ich. Dabei haben Sie unsere volle Unterstützung, weil die Arbeitsmarktpolitik ansonsten zerschlagen wird. Das sollten wir nicht nur im Saarland zur Kenntnis nehmen, sondern gemeinsam in Berlin vertreten. Das ist mein Werben.
Wir hatten Proteste des Saarland-Sozialgipfels. Das sind über 30 Organisationen und Verbände inklusive der Kirchen, Jugend- und Wohlfahrtsverbände, die gestern der Ministerpräsidentin eine Unterschriftenliste übergeben haben. Auch denen möchte ich für ihren engagierten Einsatz danken, weil es nicht darum geht - das sage ich auch an die Adresse des Kollegen Kühn -, dass wir jetzt quasi die Segel einziehen können, weil im Moment die Statistik gut ist, und dann den angeblich überbordenden Haushalt für Arbeit und Soziales entsprechend streichen können. Die Partei des Kollegen Kühn steht im Bund hierbei immer auf der Bremse. Nein, jetzt, in dieser Phase, in der es noch klappt, ist die Verpflichtung und die Chance da, sich konkret um die Langzeitarbeitslosen zu kümmern und dafür zu sorgen, dass diese Zweiteilung auf dem Arbeitsmarkt nicht zementiert wird.
Mir hat das eben von Hermann-Josef Scharf vorgetragene Gedicht sehr gut gefallen. Es ist am Ende eine Frage von Menschenwürde und Humanität. Da sollten wir nicht um die einzelnen Eurocent feilschen. Das ist unsere Auffassung bei dieser Frage.
Wir werden am Ende unabhängig vom Ausgang nicht darum herumkommen, einen dauerhaft geförderten öffentlichen Beschäftigungssektor, für den die SPD seit Längerem vehement eintritt, umzusetzen. Wir halten es für völlig falsch, dass unter dem Etikettenschwindel der Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt im Bund die Gesetzeslage so geschaffen wurde, wie sie ist. Das wird diesen Menschen nicht gerecht. Wir halten es im öffentlichen Gemeinwesen für sinnvoll, einen öffentlichen Arbeitsmarkt, der dauerhaft gefördert wird, zu integrieren.
Die SPD hat dafür die entsprechenden Mittel auch unter schwierigen Bedingungen bereit gestellt. Das ist bei uns ja keine Veranstaltung mehr, auch wenn wir Opposition sind, wo wir gerade so mit den Millio
nen herumschachern, weil wir im Moment nicht in der Regierungsverantwortung stehen. Unser Fraktionsvorsitzender Heiko Maas erwartet gleich die Deckungsvorschläge. Jeder darf immer nur dann einen Vorschlag machen, wenn er auch sagt, wo das Geld hergenommen wird. Heiko Maas und Reinhold Jost haben gestern ausführlich begründet, wie wir uns das vorstellen.
Ich sage damit Folgendes. Wir wollen diesen Schwerpunkt. Wir bleiben am Thema öffentlicher Beschäftigungssektor dran. Wir haben profunde Unterstützung, beispielsweise von der Aktion Arbeit des Bistums Trier. Da fühlen wir uns in einer angenehmen und wissenschaftlich gut gerechneten Gesellschaft. Deshalb dürfen wir jetzt nicht so tun, als sei das alles in Ordnung. Das will hier, so glaube ich, auch niemand. Insofern ist das mit den 1,5 Millionen ganz gut.
Es ist allerdings auch - darauf möchte ich der Vollständigkeit halber hinweisen - eine Korrektur dessen, was der frühere Wirtschafts- und Arbeitssuperminister des Saarlandes Hanspeter Georgi im Doppelhaushalt 2005/2006 herausgeschnitten hatte. Damals sind nämlich quasi alle Landesmittel ohne ESF-Mittel herausgekürzt worden. Das wird etwas korrigiert. Wir wünschen uns, dass das nicht nur für ein Jahr korrigiert wird. Ohne sich den Spitznamen Cassandra einfangen zu wollen, braucht man kein großer Prophet zu sein, um zu sehen: Diese komische Blase, die wir im positiven Sinn im Moment am Arbeitsmarkt haben, wird nicht von ewiger Dauer sein. Deshalb will die SPD einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor mit unseren saarländischen Trägerinstituten. - Herzlichen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion hat den Antrag „Kollaps der aktiven Arbeitsmarktpolitik stoppen - Menschen in Arbeitslosigkeit wirklich helfen“ eingebracht, weil wir glauben, dass auch in den Ländern ein Aufschrei erfolgen müsste zu dem, was im Moment durch die deutsche Bundesregierung an sogenannter Arbeitsmarktreform geplant ist.
Bekanntlich wurde ein Gesetzentwurf unter der Überschrift „Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitmarkt“ in den Deutschen Bundestag eingebracht. Das ist allerdings nach unserem Kenntnisstand ein völliger Etikettenschwindel, weil es darum geht, die Gesetzeslage bei der Förderung von Eingliederungsmaßnahmen der Haushaltslage anzupassen, und nicht darum, tatsächlich eine Verbesserung der Eingliederungschancen insbesondere für von Langzeitarbeitslosigkeit betroffene Menschen am Arbeitsmarkt vorzunehmen.
Wir wissen aus Gesprächen mit den Trägern, was die Weiterbildung und Qualifizierung insbesondere von Langzeitarbeitslosen betrifft, aber auch von jungen Menschen, die teilweise ohne jeglichen Abschluss auch bei uns im Saarland leben, dass die Dinge, wenn sie so umgesetzt würden wie geplant, zu einem völligen Kollaps bei der Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit führen würden, dass ein Trägersterben einsetzen würde, wie wir es in dieser Dimension bisher - Gott sei Dank - noch nicht erleben mussten.
Gestatten Sie mir eine kleine Replik zu dem einen oder anderen Thema, das wir heute schon in diesem Haus diskutiert haben. Wenn ich höre, dass wir bei einem sogenannten Vierten Pavillon um die 40 Millionen Euro in den Sand gesetzt haben, wenn ich höre, dass wir Steuerflüchtlingen einen Steuernachlass - so nenne ich es mal - von ungefähr 20 Milliarden Euro gewähren, die sie eigentlich erbringen müssten, um das, was sie illegal ins Ausland transferiert haben, halbwegs ordnungsgemäß mit den deutschen Steuerbehörden abzurechnen, und wenn ich dann sehe, wie man bei der Bewältigung von Haushaltsnotlage und Krise den Arbeitslosen zu Leibe rückt, dann ist das an Ungerechtigkeit nicht mehr zu überbieten.
Was heißt das für uns und warum diskutieren wir das im Saarland? Wir könnten ja sagen, das müsse nur im Deutschen Bundestag diskutiert werden. Es wird uns, wie gesagt, hart treffen. Wenn die Dinge wie geplant umgesetzt würden, würden im Bereich SGB II und SGB III von 2012 bis 2015 im Saarland insgesamt fast 367 Millionen Euro fehlen - ich habe mich nicht versprochen, ich rede von 367 Millionen Euro für den Zeitraum 2012 bis 2015. Gleichzeitig haben wir die Situation, dass das Saarland leider einen überdurchschnittlich hohen Prozentsatz verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit hat trotz aller konjunkturellen Hochs, die wir in jüngster Zeit erfreulicherweise erleben durften, die sich aber zumindest abzukühlen scheinen. Dann wird die ganze Party wie es in der Wirtschaftssprache heißt - vorbei sein und dann ist an diesen Menschen der sogenannte Aufschwung völlig vorbeigegangen. Hier hat sich kaum etwas bewegt, ich will nicht sagen nichts, aber kaum etwas.
Gleichzeitig wissen wir, dass die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds eine höchst sensible Angelegenheit sind. Es ist dünnes Eis, das bereits hörbar zu knirschen beginnt. Wir wissen, dass die Mittel, die bis 2013 geplant sind, schon bis Ende 2011 so fest gebunden sind, dass im Grunde für etwas Weiteres nichts mehr übrig ist. Was die neue Förderperiode bringt, wissen wir überhaupt noch nicht. Wir müssen eher darum kämpfen, dass die Mittel nicht noch verringert werden.
Dass die Situation nicht ganz undramatisch ist, belegt auch die Regierungserklärung der Frau Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer vom 24. August, in der sie selbst auf das Problem hingewiesen hat. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus der Seite 10: „Die jüngsten Pläne des Bundes, in der Regionaldirektion der Agentur für Arbeit die Eingliederungshilfen um rund ein Drittel zu kürzen, halte ich in dieser Höhe für sehr bedenklich. Es besteht die Gefahr, dass dann nicht mehr ausreichend Mittel zur Förderung der beruflichen Qualifikation zur Verfügung stehen. In diesem Punkt sehe ich - wie im Übrigen auch andere Ministerpräsidenten auf Bundesebene noch erheblichen Gesprächsbedarf.“ Das war vor drei Wochen.
Es gibt weitere Verlautbarungen von den Sozialverbänden, von der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, von der Landesarbeitsgemeinschaft für Weiterbildung und Qualifizierung, von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, die sich auch dem Thema sehr kritisch genähert hat, und letztlich auch vom Landkreis St. Wendel, der sich als Optionskommune schriftlich an die Ministerien und an die Fraktionen gewandt hat. Das heißt, die Dimension der Problematik ist unstreitig. Wenn das so ist, müssten wir uns überlegen, gemeinsam zu handeln, etwas zu tun, weil die Auswirkungen - auch wenn es letztlich in Berlin im Deutschen Bundestag beschlossen wird - sich bei uns vor Ort massiv auswirken werden. Wir werden der Langzeitarbeitslosigkeit nicht mehr vernünftig zuleibe rücken können, wir werden den Menschen nicht mehr helfen können.
Es ist zu hören, dass etwa 60 Prozent dieser Träger, die unbedingt notwendig sind, um an dem Thema zu arbeiten, existenziell gefährdet sind, massive Entlassungen vornehmen müssen. Das heißt, die Menschen, die sich dort um Langzeitarbeitslose kümmern, sind der perversen Situation ausgesetzt, selbst in höchstem Maße durch solche politischen Fehlentscheidungen von Arbeitslosigkeit bedroht zu sein. Ich hoffe, dass wir in diesem Parlament etwas hinbekommen. Denn Dinge mit einer solchen Tragweite, was die Sozialempfindlichkeit betrifft, möchte ich ungern einem Herrn Rösler allein überlassen. Das lässt mich eher schaudern, als dass ich darauf vertrauen könnte, dass mit diesem Thema verantwortungsvoll umgegangen wird.
Ich möchte auf Vorschläge hinweisen, die wir in unserem Antrag formuliert haben, was man denn nun tun könnte. Zuerst einmal wäre es wichtig, dass wir über den Bundesrat initiativ werden. Die Frau Ministerpräsidentin hat das selbst angedeutet. Es wäre interessant zu erfahren, wie weit diese Gedanken seit dem 24. August gediehen sind, ob etwas Konkretes eingeleitet wird oder ob es nicht zitierfähige Hintergrundgespräche gibt. Am Ende ist alles wichtig. Aber es wäre sehr wichtig, dass wirklich gemeinsam
etwas unternommen wird. Insbesondere müssten die Rechtsansprüche aus den Rechtskreisen des SGB II - das ist die Grundsicherung, wo die Langzeitarbeitslosen ihre finanzielle Unterstützung herbekommen - und des SGB III, der klassischen Arbeitslosenversicherung, was Förderung von Bildung und Weiterbildung betrifft, weiter gestärkt werden.
Es wird eine Wende auf die Arbeitsmarktpolitik zukommen dergestalt, dass man künftig mehr präventiv tätig werden muss, um sich schon frühzeitig bei drohender Arbeitslosigkeit durch Weiterbildung und Qualifizierung auf veränderte, flexiblere Arbeitsmärkte einstellen zu können. Es wird eine Kultur der zweiten Chance geben müssen - das ist das Neue -, natürlich gepaart mit der Anforderung, Fachkräfte auch aus dem Heer der Langzeitarbeitslosen zu rekrutieren. Das ist möglich, weil dort nicht nur die „Bildungslosen“ zu finden sind, sondern leider immer mehr auch hoch- und höchstqualifizierte Menschen. Insofern wird es einen Dreh brauchen.
Wir werden das Fördern wieder priorisieren müssen. Das Thema der Arbeitsgelegenheiten, die in sich durchaus auch kritisch zu sehen sind, wird insbesondere von der kommunalen Schiene sehr stark reklamiert, gerade auch vom Landkreis St. Wendel. Es wird ein Zusammenbrechen verschiedener Maßnahmen befürchtet, wenn das so drastisch wie geplant zurückgeführt würde. Man hat jetzt gehört - so berichtet die Financial Times Deutschland -, es sei ein Einlenken geplant. Das ist alles noch recht nebulös, hier müsste etwas Butter bei die Fische.
Die Beschäftigungsförderung für die Langzeitarbeitslosen nach 16e SGB II soll noch weiter eingestampft werden, indem man aus dem Eingliederungstitel noch maximal 5 Prozent dafür zur Verfügung stellen will. Das wird bedeuten, dass die Agenturen und die Weiterbildungsträger damit nichts mehr werden anfangen können. Die werden es nicht mehr umsetzen können. Das rechnet sich nicht. Dort müssten die Mittel ebenfalls zumindest auf 20 Prozent des Eingliederungstitels erhöht werden. Wir wissen, dass das gerade im Saarland eine sehr gute Maßnahme gewesen ist, die überdurchschnittlich in Anspruch genommen wurde. Das war etwas Gutes. Aber es droht uns, dass wir für das, was wir gut gemacht haben, noch bestraft werden. Wir müssen einen dauerhaft geförderten öffentlichen Beschäftigungsmarkt, der diesen Namen auch verdient, für Langzeitarbeitslose aufbauen. Es wäre außerdem wichtig, dass es eine gegenseitige Deckungsfähigkeit beim Aktiv-Passiv-Transfer gäbe. Das sagen einem alle, die bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und in der Hilfe für Arbeitslose engagiert sind.
Ich habe auf die drohende gravierende Finanzierungslücke bei ESF-Mitteln hingewiesen. Bezüglich der Trägerstrukturen brauchen wir schnell eine Initiative und ein massives Einwirken über den Bun
desrat auf die Bundesregierung, weil uns sonst die Dinge als Scherbenhaufen vor die saarländische Haustür gekehrt werden. Wir wissen, dass das schwierig ist. Das wird kein Spaziergang werden. Es hat für mich als Gewerkschafter einen wirklich schalen Beigeschmack, wenn man Folgendes sieht. Wir hatten eine Krise. Teilweise haben wir sie noch; sie wirkt sich langfristig aus. Wir kommen dort, wo es um Finanztransaktionssteuern und andere Dinge geht, nicht richtig zu Werk. Zu Werk kommen wir aber dort, wo man arbeitslosen Menschen, die sich vermeintlich nicht wehren können, an die letzten Reste von Würde und Geldbeutel geht. Das muss wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Deswegen wären wir froh, wenn unser Antrag Gehör und Unterstützung finden würde. - Herzlichen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch einige wenige Bemerkungen machen. In der Tat, wenn man aufmerksam zuhört, gibt es viele inhaltliche Überschneidungen, beispielsweise was den Gründungszuschuss betrifft. Ich hatte ihn explizit nicht erwähnt. Aber richtig ist, dass er natürlich auch zu den Nachbesserungsbedarfen zählt. Das beachtlichste Argument ist nach meiner Auffassung die Frage, die die Kollegen Willger aufgeworfen hat: Würde es überhaupt etwas bringen, jetzt zu versuchen, bei dem derzeitigen Diskussionsstand nochmals über den Bundesrat konzertiert tätig zu werden? Ich glaube, ja. Am 08. Juli ist dieser sehr umfassende Bericht abgegeben worden. Am 24. August hat die Ministerpräsidentin unseres Landes noch einmal darauf hingewiesen, dass es da immer noch Gesprächsbedarf gibt. Das heißt, vom 08. Juli bis vor drei Wochen - meines Wissens sogar bis
heute - war das aus unserer Sicht noch nicht zur vollen Zufriedenheit gelöst, im Gegenteil. Von daher möchte ich nach dem Motto "Versuch macht klug" dazu aufrufen, auch aus den Ländern heraus zu dieser Problemlage relativ massiv Stellung zu nehmen.
Herr Scharf, Sie haben von Zuspitzung gesprochen. Natürlich ist es ein Stück weit das Recht der Opposition zuzuspitzen. Aber es ist nicht nur das klassische „Oppositionsgeklingel“, sondern nach dem, was wir auch aus den Trägerstrukturen heraus gehört haben, ist diese Situation im Moment dramatischer, als sie es vorher war. Der Arbeitsmarkt hat sich scheinbar gut entwickelt. Das Problem ist aber die Zweiteilung! Der Aufschwung geht an einem bestimmten Teil der Bevölkerung völlig vorbei, und dieser ist bei uns nicht klein.
Die Frau Ministerin hat dankenswerterweise die Unterbeschäftigung erwähnt. Es nützt ja nichts, sich froh zu machen und so zu tun, als wären die Leute gut versorgt. Die sind ja morgen wieder auf dem Arbeitsmarkt, wie es immer so heißt, freigesetzt. Das heißt, wenn die Maßnahmen auslaufen, sind die ganz normal als arbeitslos registriert. Da darf man sich nichts vormachen. Die Problematik besteht insbesondere auch bei jungen Menschen. Es gibt diese Entwicklung aber auch bei den sogenannten Lebensälteren ab 50, bei denen sich kaum was bewegt hat, von denen insgesamt im SGB II immer noch 10.500 Frauen und Männer registriert sind. Das sind trotz dieser konjunkturell positiven Rahmenbedingungen, die sich aber leider wieder abkühlen, nur ungefähr 200 weniger als im Jahr zuvor. Dieser Punkt muss einem Sorge bereiten.
Was die Zahlen betrifft: Ich bin gern bereit, die Zahlen mit den Fraktionen auszutauschen. Ich habe mir diese Zahlen nicht einfach so einfallen lassen, sondern diese Zahlen hat die Bundestagsfraktion der SPD ausgerechnet, die ja in diesem Gesetzgebungsprozess drin ist. Sie hat für das Saarland ausgerechnet, dass uns unter dem Strich insgesamt Sozialkürzungen in den Jahren 2012 bis 2015 in Höhe von 367 Millionen drohen. Nun mag man sagen: „Das hat Ihre Fraktion gemacht, das muss man nachrechnen.“ Das sehe ich ja ein. Aber selbst wenn die sich vielleicht um 20 Millionen verrechnet hätten, wäre das immer noch ein immenser Betrag, der uns Sorge bereiten muss.
Er muss uns deshalb Sorge bereiten, weil wir ja hier eine Umstellung hatten. In den Jahren 2005/06 hat damals Hanspeter Georgi, wie Sie alle noch wissen, die klassischen Mittel für Landesarbeitsmarktpolitik um 23 Millionen verringert. Das war eigentlich eine riesige Sparaktion. Man hat es aufgefangen über ESF-Mittel, aber das ist eine heikle Sache, das wissen alle. Das rächt sich jetzt, weil wir in Zeiten der Schuldenbremse kaum die Möglichkeit haben werden, die Verluste aus Landesmitteln auch nur annä
hernd auszugleichen. Also ist es den Schweiß aller Edlen wert, dafür zu streiten, zumal - ich will das nicht weiter ausführen, ich möchte ja nicht als Kassandra in die Geschichte eingehen - die Konjunktur sich abzukühlen droht! Was wir bisher diskutieren, steht unter dem Vorbehalt relativ guter Konjunkturbedingungen. Aber was, wenn sich die Konjunktur wirklich weiterhin abkühlt? Es darf nicht passieren, wie wir es aus der Bundestagsfraktion hören, dass das Gesetz dem Haushalt angepasst wird, wie es nun einmal oft passiert.
Das ist die Brutalität, die sich dahinter verbirgt: Vor dem Hintergrund scheinbar guter Arbeitsmarktzahlen werden ganze Kohorten von Menschen abgeschrieben, die keine Chance haben. Ich glaube, das will in diesem Hause keiner. Deswegen bin ich noch ein letztes Mal hier ans Mikrofon getreten. Vielleicht kann ja doch noch eine Zustimmung erfolgen. Ich finde, der Antrag ist sehr argumentativ aufgebaut, er ist nicht radikal. Die Überschrift bringt die Problematik auf den Punkt. Die Zahlen sind seriös. Sollten Sie doch nicht zustimmen, hoffe ich, dass zumindest in den berühmten informellen Gesprächen mit aller Vehemenz diesem Problem zu Leibe gerückt wird. Wir können die Dimension, die da über uns hereinbricht, wirklich nicht stemmen. Der Antrag ist kein Oppositionsgeklingel, sondern es steckt ein riesiges Problem dahinter.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will versuchen, mich relativ kurz und prägnant zu äußern, weil am 15. Juni - das ist noch nicht so lange her die SPD-Fraktion einen Antrag eingebracht hat mit dem Titel „Mindestlöhne gesetzlich verankern“. Insofern erspare ich mir, Sie noch einmal mit all diesen Ausführungen, die sehr umfassend waren, zu langweilen.
Ich möchte auf den Punkt kommen. Natürlich spielt bei den Kolleginnen und Kollegen der LINKEN die Aussage der CDU-Landesvorsitzenden und Ministerpräsidentin, dass sie für einen Mindestlohn eintreten wolle, eine Rolle. Dann will die Opposition natürlich sehen, wie es damit auf dem parlamentarischen Prüfstand aussieht oder ob das nur ein öffentliches Nachdenken war, das ohne Konsequenzen bleibt. Wir haben mittlerweile feststellen können, dass das Thema Mindestlohn im positiven Sinne in der Bevölkerung eigentlich durch ist. Wir wissen, es gibt riesengroße Zustimmung, keine Wackelmehrheiten, sondern quer durch die Parteizugehörigkeiten bis hin - so habe ich mir sagen lassen - zur FDP. Eine Auswertung hat ergeben, dass 54 Prozent der Wählerinnen und Wähler der FDP für einen gesetzlichen Mindestlohn sind.
Bei den anderen gehen die Quoten entsprechend höher. Die SPD verfolgt das Ziel ebenfalls schon seit einiger Zeit. Ich kenne auch noch das Ringen um die Mindestlöhne aus der gewerkschaftlichen Situation heraus, das aber auch schon im Jahr 2006 beendet wurde. Was nicht zieht, ist das Argument, mit den
Mindestlöhnen beschädigten wir die Tarifautonomie. Das geht am Thema vorbei. Wir wissen, es gibt tarifierte Bereiche, die hinten und vorne nicht auskömmlich sind, wo beispielsweise im Hotel- und Gaststättengewerbe, bei Friseurinnen und Friseuren oder Floristinnen auch seitens der DGB-Gewerkschaften tarifierte Mindesteinkommen vorliegen von unter 6 Euro brutto die Stunde.
Da muss man sich die Frage stellen, warum die das überhaupt tarifiert haben. Ganz einfach deshalb, weil man überhaupt mal jenseits von Wildwest einen Tarifvertrag als Einstieg haben wollte. Würden dort Mindestlöhne gezahlt, weil sie gesetzlich verankert sind, wie sie auch in einem Modell in Großbritannien, bei der sogenannten Low Pay Commission, mit den Arbeitgeberverbänden vereinbart wurden, wäre das für eine gewerkschaftliche und tarifliche Bindung mittelbar förderlicher, als wenn Menschen völlig dem Hire and Fire ausgesetzt sind, zu Hungerlöhnen oder zu nicht auskömmlichen Einkommen. Also bitte nicht immer Tarifautonomie gegen den gesetzlichen Mindestlohn ausspielen. Die Gewerkschaften sind aus gutem Grund längst über diese Schiene hinweg. Von daher bitte ich, nicht weiter auf diese Weise zu argumentieren.
Es gibt ein weiteres Argument, das längst überholt ist, Mindestlöhne würden Arbeitsplätze vernichten. Es hat uns leider Zeit gekostet, weil Gutachterstreitigkeiten aufkamen. Die letzte mir bekannte Langzeitstudie stammt von der Universität Berkeley in den USA, die in US-Bundesstaaten untersucht hat, wo es Mindestlohn gibt und wo nicht und wie sich das ausgewirkt hat. Die Universität Berkeley steht nicht im Verdacht, dass sie vom DGB gesponsert wird, lieber Kollege Horst Hinschberger.
Aber dort ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass die Arbeitsplatzwirksamkeit sogar erhöht wurde dort, wo auskömmliche Löhne gezahlt wurden. Ich könnte weitere Gutachten nennen, zum Beispiel von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die feststellt, dass es sogar zu einem erheblichen Arbeitsplatzaufwuchs käme. Verdi hat einmal zusammen mit der heutigen Eisenbahn-Verkehrsgewerkschaft ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben. Lange Rede, kurzer Sinn, eigentlich sind wir auch über das Stadium des Gutachterstreits längt hinweg, es müsste jetzt endlich etwas getan werden.
Im Moment kursiert ja das Modell der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft innerhalb der CDU. Ich habe nicht ohne Grund die FDP-Anhängerschaft erwähnt, sehe aber derzeit in der Partei wenig Bewegung pro Mindestlohn, bei BÜNDNIS 90/GRÜNE ohnehin und bei der CDU geht das in Richtung des CDA-Vorschlages, den der Kollege Egbert Ulrich eben angesprochen hat. Danach gibt
es Überlegungen, einen Lohn, zum Beispiel in der Zeitarbeitsbranche, für allgemeinverbindlich zu erklären und als gesetzliche Untergrenze heranzuziehen. Dabei müssen wir sehen, dass durch all die Debatten, die bisher geführt wurden, Zeit verloren ging.
Ich habe erlebt, wie sich der Deutsche Gewerkschaftsbund und parallel die SPD oder umgekehrt die SPD und der Deutsche Gewerkschaftsbund bewegt haben von 7,50 bis mittlerweile 8,50 Euro. Die LINKE ist bei 10 Euro. Wenn wir noch ein bisschen warten, kommen auch wir dorthin, aber dann muss die LINKE wieder anheben. Das ist durchaus alles gerechnet. Das sind keine willkürlich gegriffenen Zahlen, da ist etwas dran. Wir reden immer von Bruttobeträgen. Wenn ich sehe, dass in Luxemburg für Ungelernte brutto 10,16 Euro gezahlt werden, in Frankreich 9 Euro, in den Niederlanden 8,74 Euro, in Belgien 8,58 Euro, in Irland und Großbritannien inklusive Wechselkursumrechnung um die 7 Euro, dann hat sich das alles ganz schön nach oben entwickelt, in Großbritannien übrigens auch verbunden mit Arbeitsplatzgewinnen und nicht mit -verlusten.
Von daher ist die Forderung der LINKEN, für einen allgemein gültigen, gesetzlichen, branchenübergreifenden Mindestlohn einzutreten, etwas, was man vertreten kann. Die Höhe wurde extra weggelassen, weil diese Differenzen, über die wir diskutieren, im Grunde Schräubchenkunde in der Umsetzung ist. Es geht um die politische Grundsatzerklärung und es ist höchste Zeit, dass wir so etwas machen. Unser Credo in der SPD war immer, dass wir das gerade hier in einem Dreiländereck, wo wir mittlerweile die negative Verwerfung sind, angehen müssten.
Lassen Sie mich deshalb abschließend noch mal auf eine Initiative der Christlichen Gewerkschaft in Belgien hinweisen, der CSC. Die macht eine Kampagne unter dem Motto: Das deutsche Wunder Heinrich verdient 4,18 Euro die Stunde, helft Heinrich, lasst Europa nicht dem deutschen Beispiel folgen! So ist der Slogan dieser Kampagne, nachzulesen unter www.helpheinrich.de. Wir sollten uns also nicht weiterhin lächerlich machen, gerade auch gegenüber unseren Nachbarn in der Großregion.
Ich glaube, eine CDU, die jetzt auch einen CDA-Vorsitzenden im Landtag sitzen hat, die auch eine Ministerpräsidentin hat, die öffentlich über einen Mindestlohn nachgedacht hat, sollte endlich springen, denn es gilt der alte Grundsatz: Worte begeistern Taten reißen mit. - Herzlichen Dank.
Sehr verehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die Uhr möchte ich keine breite Mindestlohndebatte führen. Aber wenn die Kollegin Kuhn-Theis das wünscht, kann ich das sofort ändern.
Ich denke, dass die Argumente über Mindestlohn auch in diesem Hause im Prinzip hinreichend ausgetauscht sind und wir mit unseren Initiativen zur Umsetzung von gesetzlichen flächendeckenden Mindestlöhnen bisher leider keinen Erfolg hatten. Uns hat zum heutigen Antrag bewogen, dass wir Bewegungen aufseiten der CDU erkennen, zum Beispiel bei der Bundesversammlung der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft, wo Beschlüsse zur Übernahme aus der Leih- und Zeitarbeit und für einen sogenannten nachgelagerten Mindestlohn gefasst wurden. Darüber hinaus gibt es die Aussagen der neu gewählten CDU-Landesvorsitzenden des Saarlandes, der Kollegin Annegret Kramp-Karrenbauer, die im Wesentlichen auf dem Landesparteitag der CDU in Dillingen am 28. Mai die Forderungen der CDA ebenfalls öffentlich vorgetragen hat, in dem Sinne, dass man in diese Richtung gehen solle.
Wir finden das richtig. Wir haben deshalb einen - wie ich finde - moderaten Antrag verfasst, der recht umfangreich und argumentativ ist, sodass ich nicht mehr auf alles einzugehen brauche. Wir gehen davon aus, dass mittlerweile auch bei ehemaligen sogenannten Mindestlohngegnern die Argumente widerlegt werden konnten. Ich beziehe mich zum Beispiel auf eine Studie der Universität Berkeley - einer Elite-Universität der USA -, die in einer Langzeitstudie dargelegt hat, dass Mindestlöhne keine Arbeitsplätze vernichten. Das ist die bisher beste Studie, die es zu diesem Thema gibt. Man hat das in den USA über 15 Jahre lang untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass auf keinen Fall Arbeitsplätze vernichtet werden, eher sogar leichte Beschäftigungsgewinne zu verzeichnen sind.
Eine spannendere Studie ist diejenige der Prognos AG im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, die errechnet hat, welche wirtschaftlichen Entlastungswirkungen gesetzliche Mindestlöhne hätten. Man hat den gewerkschaftlichen Mindestlohn von 8,50 Euro als Anhalt genommen. Das Institut kam dazu, dass rund 15 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten davon positiv betroffen seien. Das sind ungefähr 5 Millionen Menschen. Man geht davon aus, dass die öffentlichen Haushalte von eigentlich ungerechtfertigten Lohnsubventionen in Höhe von 7 Milliarden Euro entlastet würden.
Ein Blick in das Saarland. Der Landkreistag des Saarlandes hat ausgerechnet, dass hierzulande alleine bei der sogenannten Aufstocker-Problematik 30 Millionen gespart werden könnten. Es gibt eine weitere Studie der Bertelsmann-Stiftung, die ebenfalls festgestellt hat, dass es eine Einkommenslücke beziehungsweise ein Gerechtigkeitsdefizit in der Lohnspreizung gibt und dass gesetzliche Mindestlöhne dem abhelfen könnten. Das heißt alles in allem: Die Argumente, die früher immer dafür ange
führt wurden, dass Mindestlöhne für die Wirtschaft eigentlich schädlich seien, sind widerlegt.
Zur Höhe. Wir haben in unserem Antrag den Betrag von 8,50 Euro gewählt. Das ist die Gewerkschaftsforderung. Die Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN fordern bekanntermaßen 10 Euro. Diese Forderung kann man begründen; sie ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Aber die Gewerkschaften fordern deshalb 8,50 Euro, weil sie nicht als Forderungsweltmeister in die Annalen eingehen wollen, sondern sukzessive, Schritt für Schritt etwas erreichen wollen. Blicken wir auf unsere europäischen Nachbarn, dann sehen wir, dass sie uns schon ein Stück weit enteilt sind. In Belgien gibt es einen Mindestlohn von 8,58 Euro, Frankreich liegt mittlerweile bei 9 Euro, und in Luxemburg werden für Ungelernte 10,16 Euro gezahlt. Wir sehen also, wie die Sache mit dem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn in unserem unmittelbaren Umfeld voranschreitet. Das heißt, wenn man jetzt nur sehr moderat ansetzt, wird man durch den Zeitablauf immer wieder nach vorne getrieben. Wenn der Mindestlohn auskömmlich sein soll, um ein Leben bestreiten zu können, muss in der Forderungshöhe entsprechend nachgelegt werden. Deshalb gelten die 8,50 Euro mindestens jetzt. Aber wenn man noch lange wartet, muss man die Forderung hochschrauben. Wie man dies tun kann, hat Großbritannien vorgemacht: Dort gibt es eine sogenannte Low Pay Commission, die aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt ist. Es ist also auch eine flexible gesellschaftsnahe Entscheidung möglich.
Warum müssen wir eine solche Entscheidung vielleicht auch im Saarland treffen? Das Saarland ist ein Dienstleistungsstandort, und wir haben uns schon oft darüber gestritten, dass beispielsweise die sogenannten Fakten der Arbeitskammer durchschnittliche Lohnrückstände zwischen 6 und 8 Prozent darlegen. Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten ein Zitat vorbringen, das die Regionaldirektion Rheinland-Pfalz/Saarland der Bundesagentur für Arbeit am 07. Juni veröffentlicht hat. Es ging um eine Studie für Arbeitsmarkt- und Berufsforscher über die Absolventen der Hochschule für Technik und Wirtschaft, die als wichtiges Fachkräftepotenzial gebraucht werden. Ich zitiere nur kurz: „Die Verdienstmöglichkeiten sind in anderen Wirtschaftsräumen meist etwas besser als an der Saar. Ingenieure können außerhalb der Landesgrenzen pro Jahr etwa 6 Prozent mehr verdienen, Architekten etwa 5 Prozent. Bei Informatikern und Betriebswirten fallen die Differenzen geringer aus.“ Das heißt, dass wir durchaus auch unter dem Aspekt der Fachkräftesicherung eine Lohnuntergrenze einziehen müssten, die ja auch eine politische Botschaft ist. Insofern, denke ich, wäre das auch landesspezifisch von großem Sinn. Wir müssen also weg von dem Grun
dirrtum, dass wir wirtschaftlich erfolgreich sind, wenn wir Lohnsenkungswettbewerbe durchführen. Stattdessen müssen wir sehen, dass der Standort Saarland gerade auch im Dienstleistungsbereich durch auskömmliche gesetzliche Mindestlöhne attraktiver wird.
Das heißt am Ende: Wenn solche Ankündigungen kommen, Frau Kollegin Kramp-Karrenbauer, würden wir natürlich gerne sehen, dass Taten folgen. Ich denke, unser Antrag ist nicht vermessen; er ist in seinen Forderungen wirklich sehr moderat formuliert. Er liegt auf dem Tisch. Sie könnten uns folgen oder zumindest den Antrag passieren lassen, statt ihn abzuschmettern. Dies wäre ein gutes Zeichen.
Ganz zum Schluss will ich noch ein Beispiel bringen, das mich schon irgendwie berührt hat. Zunächst hat es mich gefreut, weil es meiner Argumentation hilft, doch bei näherem Hinsehen freut es mich als interregional tätigen Gewerkschafter eigentlich nicht. Der Belgische Christliche Gewerkschaftsbund hat eine Kampagne unter der Überschrift „Help Heinrich“ gestartet. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „Das deutsche Wunder Heinrich verdient 4,18 Euro die Stunde. In Deutschland gibt es keinen Mindestlohn. Zahlreiche aktive Beschäftigte leben in Armut. Lasst Europa nicht dem deutschen Beispiel folgen!“ Ich kann das von der Tendenz her nur unterstützen. Lasst uns also in diesem Fall das deutsche Beispiel zu einem guten Beispiel wenden! Ein Signal könnte von unserem Saarland ausgehen, wenn wir zum Beispiel heute unserem Antrag die Zustimmung geben. - Herzlichen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Wegner, Form und Inhalt, wie Sie den Antrag der JamaikaKoalition begründet haben, halte ich für stark abwegig. Sie haben im Grunde genommen gegen Ihren eigenen Antrag gesprochen. Ich will auf zwei Stellen eingehen. In dem Antrag der Regierungsfraktion heißt es in Absatz 3: „Es ist nicht hinnehmbar, dass Unternehmen in Deutschland die Zeitarbeit zur Kostendämpfung nutzen und fest angestellte Mitarbeiter entlassen, um sie anschließend dauerhaft durch billigere Zeitarbeiter zu ersetzen.“ - Sie stellen das in Ihrem Antrag als Tatsache fest. Aber Sie, Herr Wegner, haben es bestritten. In dem Antrag heißt es weiter, um die Dimension der Leiharbeit in saarländischen Unternehmen richtig einschätzen zu können, müssten entsprechende Untersuchungen durchgeführt werden. Dann sagen Sie aber beim nächsten Tagesordnungspunkt, bei uns sei alles super, die Wirtschaft brumme, es gehe aufwärts, wir hätten dieses Problem nicht. Wenn Sie also erst analysieren müssen, was stattfindet, wie wollen Sie dann beim nächsten Tagesordnungspunkt bereits die Feststellung haben? - Da haben Sie aber sehr schnell analysiert. Ich finde, Ihr Beitrag wurde der Dimension des Problems und Ihrem eigenen Antrag nicht gerecht. Wenn Sie schon von Populismus sprechen, so würde ich auch die eigenen Argumente etwas sorgfältiger abwägen.
Wir müssen leider feststellen - hier stimmen die LINKE und die SPD im Saarland überein -, dass der Missbrauch von Leiharbeit, das Unterbieten regulä
rer Branchentariflöhne und die Verdrängung von Stammbelegschaften zur Regel geworden sind und nicht mehr die Ausnahme. Schlecker ist ein prominentes Beispiel, aber leider nicht das einzige. So hatten wir beim Saarland Sozialgipfel, einer Verbindung aus Kirchen, Wohlfahrts- und Jugendverbänden sowie aus Gewerkschaften - gewissermaßen eine saarländische Volksfront von rechts bis links und wieder zurück -, am 30. November Herrn Markus Breitscheidel zu Gast, einen investigativ tätigen Journalisten, der sein Buch „Arm durch Arbeit" vorgestellt hat. Er ist speziell auf das Leiharbeiterproblem eingegangen und hat dargestellt, wie schlimm es in Großbetrieben ist. Ein Beispiel war Opel. Er hat weiter ausgeführt, wie es in mancher Großbäckerei aussieht. Wir kennen das auch von Herrn Wallraff. Jetzt so zu tun, als sei das Problem vernachlässigbar und wegzuschieben, als könne es noch ein paar Analysen vertragen - die dann hoffentlich aber nicht so lange dauern wie beim Tariftreuegesetz -, das geht wirklich an der Situation generell und speziell im Saarland völlig vorbei.
Sie haben die CGZP, die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und PersonalService-Agenturen, angeführt. Sie ist ein weiterer Beleg in dieser ganzen Sache. Sie wurde auf Drängen richtiger Gewerkschaften vor das Bundesarbeitsgericht gezogen. Wahrscheinlich hätten Sie gesagt, das sei alles nicht so schlimm und gehöre zum Pluralismus. Es kam das Verbot des Bundesarbeitsgerichtes. Nicht von ungefähr macht die IG Metall derzeit eine Kampagne mit Namen „Gleiche Arbeit Gleiches Geld“.
Dieser Kampagne hat sich beispielsweise - wie ich finde, zu Recht - Herr Dr. Norbert Blüm angeschlossen. Es sind noch andere dabei, aber ich nenne jetzt einmal ganz bewusst Norbert Blüm, der sein gewerkschaftliches Herz dort nicht verleugnet und an der richtigen Stelle mitkämpft. Auch das sollte Ihnen zu denken geben.
Wenn es darum geht, die Situation im Saarland etwas näher zu beleuchten, dann halte ich die Arbeitskammer des Saarlandes für eine seriöse Quelle, nicht für eine unseriöse; da unterscheiden wir uns anscheinend. Es würde Sinn machen, einmal nicht solche Abwehr- und Ausweichdiskussionen zu führen, sondern, wenn man diese Analysen hat, auch mit diesen Analysen umzugehen. Dann könnten wir uns die ganzen Zwischenschritte im Interesse des Saarlandes, der Saarländerinnen und Saarländer schenken und gleich zum Thema kommen.
Ich verweise auf das, was Heinz Bierbaum gesagt hat: Die Arbeitskammer des Saarlandes hat detailliert nachgeprüft und aufgrund von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit beziehungsweise der statisti
schen Ämter in Bund und Land belastbar nachgewiesen, dass bei uns der Boom überwiegend ein Leiharbeitsboom ist, dass bei uns der Aufwuchs an Arbeitsplätzen um 8.000 zum Stand 26. April zu einem großen Teil - rund 3.000 - in Leiharbeit gemündet ist. Das sind natürlich die Ersten, die aus dem Betrieb wieder draußen sind, wenn unsere Wirtschaft einmal stottert. Da ist also nichts mit Sicherheit. Der Klebeeffekt hat sich überwiegend als Märchen erwiesen. Das ist eine Geschichte - ja, da stehe ich auch dazu -, die auf Rot-Grün zurückgeht. Wir sind uns aber nicht zu schade, diese Dinge noch einmal nachzujustieren, wenn wir merken, dass diejenigen, denen wir Vertrauen geschenkt hatten, diese Regel systematisch missbraucht haben. Sie haben damit unser politisches Vertrauen missbraucht, wir müssen das neu regulieren; das ist unser Anliegen.
Letzte Bemerkung. Kollege Wegner, Sie haben gesagt, Sie kennen im Saarland keinen Betrieb, der über 50 Prozent Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer hat.
Über 30 Prozent - ich kenne eine höhere Zahl. Sie können ja selbst einmal rechnen, wie viele das sind. Wir haben die Firma Vivento, ein Ableger der Telekom auf dem Eschberg - da kann man zu Fuß hingehen -, dort sind von rund 410 Beschäftigten rund 270 in Leiharbeit und Zeitarbeit mit Löhnen im Spitzenbereich von brutto rund 8 Euro, auch für Feiertags- und Nachtarbeit. Das Schlimme bei der Sache ist: Es sind überwiegend Frauen. Das ist etwas, was man auch nicht unterschlagen darf. Die Problematik ist also, dass dies auf dem Rücken der Frauen, der Kolleginnen ausgetragen wird. Das darf so nicht weiterlaufen.
Nun hat bezeichnenderweise in Thüringen eine CDU-SPD-Koalition gesagt: Genug geschwätzt, wir wollen jetzt mal was machen. Analysen und Betroffenheitsrhetorik, das kann noch jahrelang so weitergehen, das hilft aber den Beschäftigten nicht und schadet am Schluss noch dem Standort. Es schadet dem Standort deshalb, weil die Kultur des „hire and fire“ letztendlich dazu führt, dass auch gesunde Unternehmen nicht stabilisiert, sondern destabilisiert werden. Im Übrigen geht es natürlich an dem Thema Fachkräftesicherung völlig vorbei, Thema verfehlt.
Die haben gehandelt, die haben das in ihrer Richtlinie berücksichtigt. Frau Christine Lieberknecht von der CDU und Wirtschaftsminister Matthias Machnig von der SPD haben das gemacht, weil sie gesagt haben, wir wollen das Image des Billigstandortes loswerden, insbesondere im Kampf um die Fach
kräfte. Diese Überlegung ist richtig. Leider ist unser schönes Saarland das Thüringen des Westens. Wir konkurrieren mit Bremen um das Schlusslicht, was atypische und prekäre Beschäftigungsverhältnisse betrifft. Da muss es doch einmal möglich sein, einen kleinen Schritt zu gehen - das ist ja noch kein Riesenkonzept -, der dort praktisch schon gegangen wird und auch von der CDU mitgetragen wurde. Die sind ja bestimmt nicht auf den Kopf gefallen, sondern haben sich etwas dabei gedacht. Es müsste doch möglich sein, das auch bei uns umzusetzen.
Ich habe es eben erwähnt: Ich habe damals die Geschichte mit dem Tariftreuegesetz erlebt, 2008 bis 2010 haben wir geprüft. Wenn Jamaika nicht gekommen wäre, hätte es wahrscheinlich überhaupt kein Tariftreuegesetz gegeben. Wenn wir jetzt noch einmal prüfen, dann rennt uns das Thema weg. Es führt leider zu einer Erosion unseres Landes und der Arbeitskräfte im Standorte-Wettbewerb von innen. Es ist nicht etwas, was man beiläufig machen kann, sondern es ist etwas, was in den Fokus der entsprechenden politischen Planungen gerückt werden muss. Von daher bitte ich einfach darum, sich das noch einmal zu überlegen. So schlimm kann das ja nicht sein. Mir ist nicht bekannt, dass Thüringen untergegangen wäre, seit die das gemacht haben. Deren Prüfungen werden nicht vollkommen anders ausfallen als unsere. Wenn Sie mir eine Stunde Zeit geben, bringe ich Ihnen alle Zahlen, die Sie brauchen, unter anderem Zahlen der Arbeitskammer des Saarlandes, qualitativ zehnmal besser als die des Instituts der deutschen Wirtschaft, das Sie als seriös ansehen. Ich weise nur darauf hin, dass die vom Arbeitgeberverband finanziert werden, also nicht von irgendwelchen Firmen, die dort drin sind. Man könnte bei dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit auf Knopfdruck alles sofort kriegen, was man will.
Ich habe den Eindruck, es fehlt hier an politischem Willen. Ich sage Ihnen abschließend: Wenn Sie meinen, dass diese weitere Erosion in Richtung Billigzipfel im Südwesten der Republik -
Sie haben so gesprochen, Kollege Wegner, im Gegensatz zu dem, was in eurem Antrag steht!
Wenn das der Weg des Saarlandes in die Zukunft sein soll, sage ich Ihnen: Dieser Weg kann uns das Scheitern bringen! Deshalb bieten wir eine konkrete Lösung an. Zeigen Sie doch mal, dass Sie politischen Willen haben. Sie könnten das durchaus beschließen.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Kühn hat gesagt, die von uns vorgeschlagene Regelung sei „so unnötig wie ein alpiner Steinschlag“.
„Steinschaf-Verordnung“ das hört sich etwas schwülstig an, wird der Ernsthaftigkeit des Problems aber nicht wirklich gerecht. Ich möchte noch einmal kurz die Rahmendaten nennen. Der Beschäftigungszuwachs, den wir im Moment feststellen, geht nachweislich zu mindestens 38 Prozent auf das Konto der Leiharbeitsbranche. Das ist der zweithöchste Wert in Westdeutschland nach Bremen. Wir sind auf dem Weg, die Bremer in dieser negativen Entwicklung zu überholen. Es wurde gesagt, wir würden Unternehmer unter Generalverdacht stellen. Darum geht es ja überhaupt nicht! Wenn alles so gut ist, wie Sie sagen, wäre es ja überhaupt kein Problem, unseren Antrag heute hier zu beschließen, weil ja alle Unternehmen einwandfrei arbeiten.
Dann bräuchten Sie die Regelung gar nicht zu fürchten, man hätte die politische Botschaft entsprechend gesetzt und alle guten Unternehmer hätten damit überhaupt kein Problem.
Die Argumentation von Ihnen, Kollegin Willger, muss ich ernst nehmen, ob das das richtige Instrument ist. Vivento habe ich nur deshalb genannt, weil dort und in anderen Unternehmen leider durchaus eine Leiharbeitsquote von 30 Prozent erreicht wird, manchmal sogar 50 Prozent. Bei diesen ganzen Arbeitnehmerüberlassungsfirmen geht sie gegen 100 Prozent, und es sind überwiegend Frauen. Das ist das Problem bei der Sache.
Wir sind auch nicht der Auffassung, dass wir mit einem einzigen Instrument das Problem lösen könnten, das soll ja überhaupt nicht das Ziel der Operation sein. Aber es wäre wenigstens einmal ein konkreter Schritt!
Jetzt wissen wir beispielsweise, dass bei den Verhandlungen um die Grundsicherung auch die Frage des Equal Pay massiv von den Liberalen torpediert worden ist. Deswegen sind die Liberalen nach meiner Auffassung auch zu Recht bei 4 Prozent. Damit sind sie meiner Meinung nach noch überbewertet. Aber das ist meine persönliche Auffassung.
Die Bevölkerung hat nämlich erkannt, dass sie sich von der Politik nicht an der Nase herumführen lassen will. Wenn Sie natürlich nur für einige wenige in den Champagneretagen Politik machen, müssen Sie so weiterreden, wie Sie das getan haben.
Ich habe eben auf die Initiative „Gleiche Arbeit Gleiches Geld“ hingewiesen. Frau Willger hat gesagt, unser Antrag sei nicht die Lösung aller Probleme. Das stimmt. Aber ich bleibe dabei: Es wäre ein deutliches politisches Signal, praktikabel und ein wichtiger erster konkreter Landesschritt! Das ist der Punkt!
Bitte schön.
Abg. Willger (B 90/GRÜNE) mit einer Zwischenfrage: Herr Kollege Roth, können Sie uns ein Beispiel nennen, wo eine Firma oder ein Unternehmen Förderungen aus diesem Topf der Gemeinschaftsaufgabe erhält und gleichzeitig Missbrauch bei der Leiharbeit betreibt?
Frau Kollegin Willger, das brauche ich gar nicht! Ihre Argumentation ist nicht zielführend. Umgekehrt wird ein Schuh draus! Wir wollen die Botschaft setzen: Wenn Sie von uns gefördert werden wollen, wollen wir nicht, dass Sie Ihr Geschäft auf dem Rücken von Leiharbeitnehmern machen!
Und wenn dann ehrliche Unternehmerinnen und Unternehmer kommen, wie Sie sagen, ist das ja kein Problem. Die können das locker abhaken. Von daher wäre es einfach wichtig, dieses Signal zu setzen und nicht weiter hier zu „schwätze“, wie bedauerlich das ist, wie schlimm der Zustand ist, „awwer gemacht hammer widder nix“.
Ich will ein Beispiel nennen, worauf wir abzielen. Es gibt die Initiative „Gleiche Arbeit - Gleiches Geld“, von der IG Metall Anfang dieses Monats gestartet. Ich zitiere - mit Ihrer Erlaubnis - nur in Grundzügen. Es geht darum, Leiharbeit auf eine neue Grundlage zu stellen, nicht, sie abzuschaffen. Es geht erstens darum, dass gleiches Geld für gleiche Arbeit die Regel für Leiharbeit sein muss. Zweitens geht es um etwas, worüber wir hier in diesem Hause unterschiedlicher Auffassung sein werden, nämlich um einen gesetzlichen Mindestlohn, der im Übrigen staatliche Subventionsleistungen in Milliardenhöhe einsparen würde; die Herren Unternehmer, die immer gegen Subventionen sind, lassen sich nämlich hier vom Staat subventionieren. Ein dritter Punkt ist die Forderung nach der Beendigung des Heuerns und Feuerns, indem das sogenannte Synchronisationsverbot wieder eingeführt wird. Das vierte Instrument, das genannt wird, ist die Einführung einer Höchstverleihzeit. Es kommen andere Argumente dazu. Das haben so bekannte Personen wie Dr. Herbert Ehrenberg, Dr. Norbert Blüm, Walter Riester, Berthold Huber und Detlef Wetzel unterzeichnet.
Im Ergebnis gibt es bundesweit großes Lob für diese Thüringer Initiative seitens der Gewerkschaften und nur verhaltene Kritik seitens der Arbeitgeberverbände, denn die wissen, im Prinzip ist das richtig. Wenn solche gesellschaftlichen Gruppen solche Vorschläge aus ihrer tagtäglichen praktischen Lebenserfahrung heraus machen, würde ich mir gut überlegen, ob ich dem Institut der deutschen Wirtschaft, dem Arbeitgeberinstitut in Köln, folge würde oder meinem Volk, das hier vor der Haustür wohnt.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird dem Antrag der Fraktion DIE LINKE ebenfalls nicht zustimmen. Ich lege allerdings Wert darauf, dass wir uns mit der Thematik etwas anders auseinandergesetzt haben. Ich meine, die überraschend streitige Debatte vorhin, mit diesen Zungenschlägen, wird dieser sensiblen Thematik nicht gerecht.
Ich möchte einmal auf den Antrag der LINKEN eingehen und ihn zitieren. „Der Landtag wolle beschließen: Auch im Saarland wurden Kinder in Einrichtungen der katholischen Kirche Opfer sexuellen Missbrauchs. Der Landtag des Saarlandes fordert die Deutsche Bischofskonferenz auf, die Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer nach dem Vorbild der österreichischen Unabhängigen Opferschutzkommission zu gestalten.“ - Das ist der Antrag, zwei Sätze. Dann kommen Ausführungen zu den finanziellen Staffelungen, wie sie in Österreich vorgenommen worden sind.
Wir sind der Auffassung, dass diese Kurzbehandlung dem Thema nicht gerecht wird. Wir wissen aus der Forschung, dass die meisten Fälle sexuellen Missbrauchs im familiären Umfeld geschehen. Von daher verbietet es sich eigentlich schon, irgendwelche Differenzierungen vorzunehmen, zu fragen, ob das jetzt alleine an die Adresse der Deutschen Bischofskonferenz zu richten ist, oder historische Vergleiche anzustellen und und und - das Thema ist wesentlich schwieriger. Es wird auch erheblich runder an diesem runden Tisch „Sexueller Missbrauch“ behandelt, an dem fast 60 Organisationen unter der Federführung der Bundesregierung teilnehmen.
Ein wesentlicher Punkt, präventiv mit diesem Thema umzugehen - und das kommt in diesem Antrag überhaupt nicht zum Ausdruck -, wäre, einmal an die Verjährungsfristen heranzugehen, sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich. Die traumatisierten Opfer finden nämlich oft nicht die Gelegenheit und die Kraft, aus dem Trauma heraus gegen die Täter vorzugehen, und es wäre ein erster Schritt gemacht, wenn dies entsprechend ausgeweitet würde. Dazu ist im Deutschen Bundestag auch bereits ein Gesetzesantrag eingebracht worden, mit dem man sich auf diesen Weg begeben hat.
Eine zweite Geschichte ist das, was sich um das Thema Prävention herum abspielt und vorangebracht werden muss. Das ist umfassend dargestellt in einem Papier unserer Partei, der SPD, unter der Überschrift: „Hinsehen, handeln, helfen“ - Maßnahmenpaket gegen Missbrauch. Ich darf nur einmal kurz aufzählen, was sich im Wesentlichen dahinter verbirgt. Es müssen Beratungsstellen und Hilfsangebote flächendeckend ausgebaut werden. Sie müssen finanziell abgesichert und besser bekannt gemacht werden. Es müssen private und öffentliche Einrichtungen mit verbindlichen Regelungen versehen werden und klare, einheitliche Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsfällen erlassen werden. Die Aus- und Weiterbildungsinhalte für Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, müssen systematisch überprüft werden, um das Thema „sexuelle Gewalt“ umfassend zu berücksichtigen. Die entsprechenden Berufsgruppen sind ja oft gar nicht auf diese Verbrechen eingestellt. Die Erforschung der Bedingungen und Ursachen sexueller Gewalt und die Evaluation der Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen müssen intensiviert werden. Letztendlich hatten wir, die SPD, gefordert, dass auch eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz erfolgen sollte. - Ich kann das hier nur aufzählen und nicht ausführen, weil es den ganzen Nachmittag füllen würde, wenn ich über unser Papier referieren würde.
Ich möchte einmal darauf eingehen, was nach unserer Kenntnis die katholische Kirche, und da unser
heimisches Bistum Trier, bisher unter der Leitung von Bischof Dr. Stephan Ackermann gemacht hat. Man hat neben den Richtlinien, Eckpunkten etc., die auch alle im Internet veröffentlicht sind und die man sich herausziehen kann, um das nachzulesen, unter anderem einen Präventionsfonds aufgelegt mit 500.000 Euro zur Förderung von Präventionsprojekten. Man hat die Übernahme von Kosten für Psychotherapie oder Paarberatungen beschlossen. Man hat auch materielle Leistungen in Anerkennung des Leides in Aussicht gestellt, die sich auf vollen Schadensersatz in unbegrenzter Höhe beziehen und in erster Linie von den Tätern zu erbringen sind. Hierbei sind für den Fall, dass dies warum auch immer von den Tätern nicht erbracht werden kann, in einem ersten Schritt 5.000 Euro als Anhaltsbetrag genannt, also nicht als abschließender Betrag. Letztendlich hat man eine Sonderregelung für besonders schwere Fälle mit besonders schweren Folgen in Aussicht gestellt, die in keiner Form finanziell gedeckelt sind. Das sind alles Leistungen freiwilliger Art ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Wir erinnern uns aber noch sehr gut an die Diskussion, die in diesem Zusammenhang in den vergangenen Monaten öffentlich geführt wurde.
Nun zu dem österreichischen Modell. Das österreichische Modell hat diese Abstufungen, die die Kollegin Kugler eben dargestellt hat. Verehrte Kollegin, aus Ihren Ausführungen ist die eigentliche Intention, was euer Wille ist, besser zum Ausdruck gekommen als in dem Antrag, der uns hier vorliegt. Diese umfassende Geschichte geht aus diesem Antrag nämlich überhaupt nicht hervor. Ihre Ausführungen dazu waren etwas objektiver und haben die Geschichte etwas geöffnet. Bei diesem österreichischen Modell ist aber festzustellen, dass das von den dortigen Opferschutzverbänden nicht akzeptiert wird. So ist beispielsweise bekannt, dass die Opferplattform Betroffene kirchlicher Gewalt selbst dieses Modell als Beleidigung der Opfer bezeichnet hat.
Am Ende müssen wir aufpassen, dass man das nicht so debattiert, dass in erster Linie bestimmte Entschädigungshöhen maßgebend sind. Das Thema ist viel schwieriger und auch viel ekliger und kann nicht auf diese einfache Art und Weise abgearbeitet werden. Es wird insgesamt von uns allen gefordert, ob wir in der Politik, in Verbänden oder wo auch immer Verantwortung tragen, dass es eine Kultur des Hinsehens, des Handelns und des Helfens geben sollte. Das ist leider nicht Alltag, und man wird sicherlich - unabhängig von Organisationsformen - immer dort besonders hinsehen müssen, wo es Abhängigkeitsverhältnisse gibt. Wir haben das ja auch an einer berühmten Schule erlebt, die immer als Eliteinternat bezeichnet wurde. Das hat aber mit der Deutschen Bischofskonferenz nichts zu tun. So etwas gab es auch in anderen Bereichen. Wir haben einen traurigen Fall in der Nachbarschaft in Rhein
land-Pfalz, da ging es um Sportvereine. Ich möchte diese ganze Geschichte hier nicht noch einmal aufwärmen.
Im Ergebnis glauben wir, dass wir diesen runden Tisch „Sexueller Missbrauch“ unterstützen müssen. Hierzu hat die SPD mit einem umfassenden Papier vom 06. Juli 2010 ihren Beitrag geleistet. Wir hätten uns gewünscht, dass trotz der Vielzahl von Verbänden an der einen oder anderen Stelle noch mehr hinzugekommen wäre. Man sollte Notrufnummern und Stellen, die sich mit dieser Thematik befassen, besser bekannt machen. Man sollte aber das Thema auf jeden Fall nicht verengen und den Blick auf keinen Fall nur auf die katholische Kirche richten. Das würde den Opfern und ihrem Schutz nicht gerecht. Vielen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Am 01. Mai 2011 - in gut 14 Tagen - tritt die völlige Freizügigkeit auch für Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn ein. Dies begrüßen wir seitens der SPD-Fraktion ausdrücklich. Europa kommt damit wieder ein Stück voran. Es ist eine wichtige Entwicklung, nicht zuletzt ein Friedensprojekt - das wird bei allen Problemen, die man im Alltag hier und da hat, leider oftmals vergessen -, die sehr viele Chancen mit sich bringt, für uns im Saarland mehr Chancen als Risiken. Spätestens zum
01. Januar 2014 wird die Freizügigkeit für Pflegekräfte ebenfalls für Bulgarien und Rumänien hergestellt werden.
Wir müssen allerdings aufpassen, weil die Erfahrungen, beispielsweise mit der Freizügigkeit im Baugewerbe, gezeigt haben, dass es durchaus nicht wenige gibt, die Europa einen Bärendienst erweisen und versuchen, im Zuge dieser Entwicklung Lohn- und Sozialdumping zu betreiben. Deshalb ist es Auffassung der SPD-Fraktion, dass diese Entwicklung eine Zeit lang sehr aufmerksam mit bestimmten Regeln begleitet werden muss. Dabei muss uns insbesondere ein Prinzip leiten, damit Lohn- und Sozialdumping nicht im Zuge der Freizügigkeit die Oberhand gewinnen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort!
Das wird sich nicht von alleine einstellen, man wird etwas tun müssen. Wir schlagen in unserem Antrag insbesondere vor, dass die Aufnahme der Leiharbeit in das Arbeitnehmerentsendegesetz erfolgt - und zwar generell - und dass die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns umgesetzt wird im Rahmen einer gemeinsamen Initiative in Saar-Lor-Lux, Wallonien und Rheinland-Pfalz, also in unserer Großregion. Wir gehen dabei von 8,50 Euro aus. Das ist auch die Zahl, die in den Gewerkschaften diskutiert wird. Ob es 8,50 oder 10 Euro sind - das sage ich ganz bewusst an die Kollegen der Fraktion DIE LINKE -, ist ein Detail. Im Kern, denke ich, geht es in die gleiche Richtung.
Wir bitten darum, dass der Grundsatz des Equal Pay im Arbeitnehmergesetz und im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz umgesetzt wird. Man müsste insbesondere auf mögliche Ausweichreaktionen über Werkverträge aufpassen. Das ist so ähnlich wie die Generalunternehmerhaftung, wie eine generelle Werkvertragshaftung. Ohne mich lang und breit über Werkverträge auszulassen, kann ich sagen, dass das natürlich auch an das Thema der Scheinselbstständigkeit knüpft, dass man die gesamte Last auf die einzelnen Beschäftigten umwälzt, sie im Lohn und in den sozialen Maßnahmen noch drückt und das Ganze als Werksvertrag tituliert, um quasi eine juristische Ausweichreaktion zu vollziehen. Die entsprechenden Beispiele sind bereits bekannt, sie sind nicht rein hypothetischer Natur, sondern sie kommen aus der Lebenswirklichkeit. Deshalb muss versucht werden, diese Ausweichmöglichkeiten zu begrenzen.
Man müsste bestimmte An- und Abmeldepflichten, die aus dem Gewerberecht nach unserer Auffassung unsinnigerweise herausgenommen worden waren, noch einmal aufnehmen, um entsprechende Kontrollen überhaupt durchführen zu können. Das Thema Scheinselbstständigkeit - ein weiterer Punkt muss entsprechend umgesetzt werden, es muss darauf geachtet werden, dass Menschen, die zu
Hungerlöhnen abhängig arbeiten, nicht auch noch wie Selbstständige etikettiert werden. Eine wichtige Regulierung wäre möglich, wenn man Mitbestimmungsrechte von Betriebs- und Personalräten auch auf entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausweiten würde. Das ist bisher nicht der Fall. Es leuchtet nicht ein, warum das nicht gemacht worden ist.
Wir sollten versuchen, über Institutionen des Sozialdialogs in unserer Region wie beispielsweise die im frankophonen Raum bekannten Wirtschafts- und Sozialräte oder bei uns der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion für gleiche Standards in der Region zu sorgen. Dort sind Arbeitgeber, Gewerkschaften, Regierungen beteiligt, eine Form des Sozialdialoges, wie es das bis dato in unserer Großregion nur in einer einzelnen Region gibt. Es gibt es noch auf europäischer Ebene. Man könnte und müsste diese Instrumente wesentlich stärker nutzen.
Ein Stichwort ist beispielsweise die Umsetzung Task Force, liebe Kollegin Kuhn-Theis. Da geht es endlich voran, wie ich jetzt mitbekommen habe. Die Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle ist das nächste Stichwort. Das wird hier wie eine Selbstverständlichkeit hingenommen, aber es gibt da im Moment strukturelle Umorganisationsprobleme. Wir sollten als Parlament einer wichtigen Teilregion im Herzen dieser Großregion darauf achten, dass dort nicht der Motor generell ins Stottern kommt. Ich nenne den Wirtschafts- und Sozialbericht der Großregion, den wir beschlossen haben. Es gibt keine grundsätzlichen Auseinandersetzungen bei uns darüber. Aber er ist nicht mehr so selbstverständlich, weil es einen Personalwechsel gab. Es stellt sich also die Frage, wie das nachpersonalisiert wird. Am Ende geht es wie immer im Leben leider auch um Geld, in dem Fall um kleines Geld, aber trotzdem um Geld. Das kann man nicht einfach so aus der Tasche holen. Wir bitten die Landesregierung, im Rahmen ihrer Kompetenzen darauf zu achten, dass dort nicht grundsätzlich Sand ins Getriebe kommt.
Wir sollten darauf achten, dass der Arbeitsmarkt und die Auswirkungen dieser völligen Freizügigkeit auch weiterhin analysiert und beobachtet werden. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat dies getan, hat uns im Ausschuss für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport - ich bin immer froh, wenn ich den Namen hingekriegt habe - darüber berichtet. Es hat gesagt, dass sie für 2009/2010 eine Untersuchung durchgeführt haben. Sie sehen eigentlich relativ wenig Auswirkungen in unserer Region. Nur, jetzt geht es erst los. Das heißt, ich hoffe, dass diese Arbeiten nicht 2010 beendet wurden, sondern die Untersuchungen jetzt intensiviert werden. Ich denke, da könnten wir einen Push geben, damit dies auch passiert.
Wir sollten - sehr wichtig - versuchen, entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Sprache ihres Herkunftslandes über Sozial- und Arbeitnehmerrechte zu informieren. Es gibt da gerade in Richtung mittel- und osteuropäische Staaten sehr gute Beispiele, die der DGB in Berlin, in Brandenburg und in Sachsen zusammen mit den dortigen Agenturen für Arbeit geliefert hat. Ich bin der Auffassung, bei dem, was wir an Sozialdialog in der Großregion haben, dürfte das - jetzt spreche ich etwas gegen das eigene Haus - auf der anderen Saar-Seite nicht einzig Aufgabe von Verbänden in einer privaten Initiative sein, sondern man könnte vielleicht andocken an das, was in Sachsen, in Brandenburg in Richtung Tschechien und Polen passiert ist, sich dranhängen, vielleicht zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss. Das wäre eine Idee, die sich daraus ergibt.
Und last but not least, am kommenden Freitag findet eine Sitzung des Deutschen Bundesrates statt. Zu dieser Sitzung haben die Länder Hamburg und Rheinland-Pfalz zur Arbeitnehmerfreizügigkeit einen Antrag eingebracht, der in wesentlich umfassenderer Form, als ich das jetzt in der Kürze und „à point“ mit Blick auf die weitere Tagesordnung hier getan habe, mögliche Maßnahmen vorschlägt. Es wäre natürlich gut - und deshalb fordern wir die saarländische Landesregierung dazu auf -, wenn Sie diesen Antrag kommenden Freitag im Bundesrat unterstützen könnten. Dann hätte man aus dieser Debatte heraus auch direkt etwas erreicht. Dann käme richtig Swing in die Geschichte eines Übergangs zur Freizügigkeit ohne Ruckeln, ohne Sozialdumping, was letztendlich Europa stärken würde. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, die Tarifgemeinschaft Verdi, GdP, GEW und DBB Tarifunion, haben in der Tarifrunde am 10. März in der dritten Runde ein Ergebnis erzielt, das einen Kompromiss darstellt und sicherlich nicht das Wunschergebnis der Beschäftigten im öffentlichen Dienst war. Es ist aber ein Ergebnis, das den Verhandlungsführern zu Recht, wie ich finde - unter den gegebenen Rahmenbedingungen vertretbar erschien. Derzeit laufen die Mitgliederbefragungen zur Zustimmung. Die Tarifkommissionen haben eine Zustimmung empfohlen.
Ich will kurz erläutern, worum es geht, damit man erkennen kann, dass hier nicht ein Wolkenkuckucksheim gefordert wird, sondern dass es um ganz geerdete Forderungen geht. Es ist von Arbeitgebern im öffentlichen Dienst - angeführt von Herrn Möllring, Finanzminister im Kabinett in Niedersachsen, CDU -, von Frank Bsirske und Frank Stöhr ausgehandelt worden, dass es zum 01. April 2011 eine 1,5-prozentige lineare Erhöhung der Gehälter und Ausbildungsvergütungen geben soll. Zum 01. Januar 2012 soll es eine 1,9-prozentige lineare Erhöhung der Gehälter und Ausbildungsvergütungen plus eine Erhöhung des Tabellensockelbetrages von 17 Euro geben, für Auszubildende von sechs Euro. Es soll eine Einmalzahlung von 360 Euro für die Monate Januar bis März 2011 geben, für Auszubildende von 120 Euro. Außerdem soll zum 01. Januar 2012 eine neue Regelung zur Eingruppierung der Beschäftigten der Länder in Kraft treten. Nicht erreicht wurde die Eingruppierung von Lehrerinnen und Lehrern, die Debatte ist Ihnen bekannt.
Das alles, mein Kollege und Freund Rolf Linsler hat es bereits angesprochen, spielt sich in einer Zeit ab, in der die Commerz-Credit-Bank und andere Banken - die vom öffentlichen Dienst und vom Staat Hilfe bekommen mussten, weil sie gnadenlos versagt haben - ihren Managern schon wieder Spitzenboni in Millionenhöhe auszahlen. Auch wir im Saarland mussten Konjunkturprogramme auflegen - was richtig war -, um diesen Versagern aus der Patsche zu helfen.
Vor diesem Hintergrund halten wir es in der SPDFraktion für nicht vertretbar, dass dieses Tarifergebnis, das einem Teil des öffentlichen Dienstes zugute kommen wird, weil die Leute es sich erstritten haben, nicht auf die Beamtinnen und Beamten übertragen wird. Deshalb fordern wir glasklar die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung auf die saarländischen Beamtinnen und Beamten.
Um wen geht es denn überhaupt? Es geht um die Kollegen, die hier stellvertretend sitzen, um Polizisten und Polizistinnen, um Lehrerinnen und Lehrer, um Feuerwehrleute. Es geht um die Leute, die genau dort reinlaufen, wo andere weggehen und rauslaufen. Die können wir doch nicht dadurch bestrafen, dass wir ihnen eine Minusrunde auferlegen! Ich bin erstaunt, ich kann ehrlich gesagt gerade in Richtung der CDU - das mögt ihr mir verzeihen - nur den Kopf schütteln. Das lässt sich durch keine Haushaltsnotlage rechtfertigen. Es ist einfach eine schlechte Behandlung, ich hätte beinahe gesagt: eine Misshandlung, der saarländischen Beamtinnen und Beamten und geht nach meiner Auffassung auf keine Kuhhaut.
Wir wollen seitens der SPD keinen Flickenteppich, wir wollen keine Spaltung der Belegschaften, auch deshalb fordern wir diese Übertragung. Nun hat Finanzminister Peter Jacoby, er ist anwesend, öffentlich angekündigt, dass er den Tarifvertrag nicht übertragen kann und will. Auch Ministerpräsident Peter Müller, er ist leider im Moment nicht anwesend, hat das mehrfach gesagt. Zuletzt habe ich es am 17. März gehört, bei der Verdi-Landeskonferenz.
Meine lieben Herren Minister und Herr Ministerpräsident! Das widerspricht zum einen dem, was Sie darüber hatten wir am 01. Juli des Jahres 2009 hier an gleicher Stelle gestritten; ich durfte damals auch sprechen - allen saarländischen Beamtinnen und Beamten mit der damaligen Gehaltsmitteilung zum Juni 2009 schriftlich mitgeteilt hatten - da haben Sie den lieben Kolleginnen und Kollegen auch noch gesagt, Sie freuen sich auf eine weitere hoffnungsvolle Zusammenarbeit - und was der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes mittlerweile als verfassungswidrig festgestellt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Schreiben von den Kolleginnen und Kollegen gut aufgehoben wurden und Ihnen vielleicht noch einmal vor die Nase gehalten werden. Wenn man schon rechtswidrig in Wahlkämpfe eingreift, aber die Leute am Ende auch noch - Entschuldigung - bescheißt, dann geht das einfach nicht.
Es gibt eine Menge von Zitaten, die belegen, dass das früher kontinuierlich abgelehnt wurde. Ich habe eine Zitatensammlung aufgemacht. Ich will sie gar nicht alle vorlesen. Stellvertretend nenne ich natürlich den Regierungschef Ministerpräsident Müller. Er hat immer wieder gesagt, wir müssen die Vorleistungen, die die Beamtinnen und Beamten erbracht haben, anerkennen. Er sprach in dem Zusammenhang mehrfach von der Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche. Ich darf weiter die Umsetzung der Föderalismusreform I erwähnen. Das ist ja etwas, was ein relativ kleiner Beamtenapparat wie hier in den saarländischen Ministerien nur sehr schwer leisten kann.
Wir haben insgesamt Leistungsverdichtungen festzustellen infolge von Personalabbau. Wir stellen fest, dass die Kolleginnen und Kollegen hier in Uniform nicht mehr rundkommen, dass das immer schwieriger wird. Dann wird geredet von leistungsgerechter Bezahlung und Besoldung. Wir stellen fest, dass nach Jamaika-Logik ein ganz neues Ministerium aus dem Hut gezaubert wurde, das Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz. Meine Kollegin Hoffmann-Bethscheider, die Connie, hat einmal ausgerechnet, dass dort alleine 14 B-Stellen neu geschaffen worden sind.
Es gibt, glaube ich, bei der Polizei insgesamt nur zwei oder drei davon. 14 neue B-Stellen! Dann diese Stelle für Nachhaltigkeit. Zwei aus Jamaika haben sich gestritten. Da hat man gesagt, dann machen wir eben zwei Stellen, und so weiter und so fort. Eine Weitspringerin wurde Chefin des Landesprotokolls in der Staatskanzlei. Wie wollt Ihr denn dann den Kolleginnen und den Kollegen bei der Polizei und bei der Feuerwehr erklären, für die wäre kein Geld da? Das versteht doch kein Mensch!
Die treuen Staatsdienerinnen und Staatsdiener können das nicht nachvollziehen. Damit Sie nicht meinen, ich würde mich hier künstlich erregen - es mag Leute geben, die das können, aber bei mir ist das etwas weniger ausgeprägt -, zitiere ich mit Erlaubnis ein paar Schreiben. Zunächst einmal ein Schreiben von der Gewerkschaft der Polizei an den Ministerpräsidenten vom 18. März. Nur den ersten Absatz: „Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Empörung, Wut, Verärgerung, Enttäuschung, aber auch Resignation, das waren die häufigsten Stimmungsbilder, die wir von der GdP angesichts Ihrer medialen Festlegung zur ‚Nicht-Übertragung’ des ÖD-Tarifabschlusses auf BeamtInnen und VersorgungsempfängerInnen bei den saarländischen Polizeibeschäftigten flächendeckend wahrnehmen mussten beziehungsweise konnten.“