Ute Vogt
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Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Wolf, das war ja ein bemerkenswerter Einblick in Ihr Demokratieverständnis.
Was Sie in einer Regierungsfraktion von uns in der Opposition unterscheidet, ist, dass wir ein Demokratieverständnis auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern haben. Wenn wir möchten – was Sie offenbar auch wollen –, dass Bürgerinnen und Bürger sich einbringen, dann geht das nur, wenn sie auch die Chance haben, die gleichen Sachinformationen zu erhalten wie die politische Seite.
In diesem Sinne wünschen wir, dass Bürgerinnen und Bürgern Informationen offenstehen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum hierbei ausgerechnet in Baden-Württemberg eine solche Zurückhaltung herrscht. Es gibt in Deutschland elf Informationsfreiheitsgesetze: eines auf Bundesebene und zehn auf der Ebene der Bundesländer. Sechs Bundesländer – darunter eben auch Baden-Württemberg – weigern sich bis zum heutigen Tag, den Bürgerinnen und Bürgern ihr gutes Recht zuzugestehen.
Ich muss Ihnen sagen, insbesondere auch an die Adresse der FDP/DVP: Es ist schon ein Armutszeugnis, dass es trotz der langen Verhandlungen und der langen Debatten nicht gelungen ist, dieses Gesetz heute mit einer Mehrheit – gern auch jenseits der CDU – durchzusetzen.
Ich will einmal die vollmundigen Ankündigungen zitieren. Nicht nur das Wahlprogramm der FDP/DVP sieht vor, dass es ein solches Gesetz geben soll. Auch Ernst Pfister hat in einem Internetforum verkündet, das Gesetzesvorhaben sei – ich zitiere – „ein richtiger Schritt hin zu mehr Transparenz der Verwaltung“.
Auch Hagen Kluck ist immer für große Worte zu gebrauchen, aber leider nicht für Taten.
Hagen Kluck proklamierte, er wolle – ich zitiere – einen „grundsätzlich freien Zugang zu allen in den öffentlichen Verwaltungen vorhandenen Informationen“. Herr Kluck, ich würde mir wünschen, dass Sie nicht nur laut reden, sondern dass
Sie Ihren Reden wenigstens an diesem Punkt auch einmal Taten folgen lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie all das gelesen hätten, was wir in langen Verhandlungen und durch zusätzliche Aufträge auch für die Verwaltung herausgefunden haben, könnte keiner von Ihnen mehr gegen ein solches Gesetz stimmen. Ich will nur ein paar Beispiele zitieren.
In Nordrhein-Westfalen gibt es eine schwarz-gelbe Regierung, wie Sie sich vielleicht erinnern.
Zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes – so schreiben die Nordrhein-Westfalen –
lasse sich feststellen, dass sich das neue Gesetz insgesamt bewährt habe.
Das Land Schleswig-Holstein – regiert von einer Großen Koalition, auch mit CDU-Beteiligung – verkündet, dass die bisherige Praxis völlig geräuschlos laufe.
Das Land Hamburg, auch Schwarz-Gelb regiert
ja, jetzt sind die Grünen dabei; aber das Gesetz wurde in Hamburg schon unter Schwarz-Gelb gemacht –, verkündet, die positiven Erfahrungen – liebe Kolleginnen und Kollegen, das steht in der hamburgischen Stellungnahme – hätten Anlass gegeben, den Anwendungsbereich des hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes nunmehr zu erweitern.
Die Reihe ließe sich noch fortsetzen. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Man muss nicht immer glauben, dass man als einziges Bundesland immer als Allerletztes dran sein muss, wenn es um moderne Reformen geht, wenn es darum geht, Bürgerinnen und Bürgern ihr gutes Recht zu geben.
Wir können uns da mit Fug und Recht an den guten Erfahrungen anderer Länder und auch des Bundes orientieren.
Ich sage Ihnen: Ich halte das auch deshalb für ein Recht der Bürgerinnen und Bürger, weil die Verwaltung nur deshalb ihre Arbeit erledigen kann, weil die Bürgerinnen und Bürger sie mit Steuergeldern finanzieren. Das ist das Geld der Menschen
im Land, die arbeiten und dafür bezahlen, dass die Verwaltung diese Arbeit leistet. Diese Menschen haben ein Recht darauf, dass die Verwaltung so offen und transparent arbeitet, dass diejenigen, die wissen wollen, was mit ihrem Geld wo gemacht wird, auch – wie es das Informationsfreiheitsgesetz dann auch schaffen würde – einen entsprechenden Einblick haben können.
In diesem Sinne bitte ich Sie: Reden Sie nicht nur davon, dass Sie die Demokratie stärken wollen.
Geben Sie sich einen Ruck! Folgen Sie dem guten Beispiel anderer Länder, und stimmen Sie zu! Auch die FDP/DVP könnte aus diesem nun schlecht begonnenen Tag
dann wenigstens noch ein kleines Bonbon für sich herausholen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Bopp, es ist ja durchaus richtig, wenn die Politik nicht immer dem Zeitgeist folgt. Aber zuweilen muss man sich, finde ich, auch danach umsehen, was sich aktuell um einen herum entwickelt. Zumindest könnte man erwarten, dass politische Entscheidungen auf der Höhe unserer Zeit sind.
„Skandale bringen den Datenschutz voran“ – so haben schon im letzten Monat die „Stuttgarter Nachrichten“ getitelt. In vielen anderen Zeitungen finden Sie beinahe täglich neue Berichte über Probleme und Schwierigkeiten mit dem Datenschutz. Es vergeht keine Woche ohne neue Schlagzeilen. Von Lidl bis Telekom liegt vieles im Argen.
Das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger und die Sensibilität gegenüber dem Umgang mit persönlichen Daten sind gerade in den letzten Wochen und Monaten deutlich gestiegen. Just in diesem Moment kommt die Landesregierung auf den Gedanken, dass man einen Bericht, der hier im Grunde seit Jahrzehnten Jahr für Jahr zu Recht ausführlich diskutiert wird, nur noch alle zwei Jahre vorlegen muss. Ich finde, das wird dem Problem und dem Problembewusstsein nicht gerecht.
Wenn wir diesen Bericht jedes Jahr haben, ist er zum einen kürzer. Denn, Herr Kollege Bopp, es stimmt ja nicht ganz, dass sich die Arbeit bei einem zweijährigen Berichtszeitraum verringere. Denn was berichtet werden muss, sind die Verstöße und die Vorkommnisse im Bereich des öffentlichen Datenschutzes. Wenn Sie dann alle zwei Jahre einen Bericht machen, werden die Berichte halt dicker. Das heißt, die Arbeit ist die gleiche, weil man ja schlichtweg keine einzelnen Vorkommnisse weglassen kann. Das Einzige, was Sie sich sparen, ist vielleicht das Vorwort, das bei zwei Berichten doppelt geschrieben werden muss. Aber das kann es ja nicht ausmachen.
In diesem Sinne sind wir der Meinung, dass es falsch ist, die Berichtsfristen zu verlängern, zumal zum jetzigen Zeitpunkt. Wir sind der Meinung, dass der Datenschutzbericht zumindest einmal im Jahr gegeben werden muss und dass es uns gut ansteht, wenn wir den Datenschutz mindestens einmal im Jahr dadurch auch hier im Plenarsaal zu einem größeren Thema machen.
Wir vonseiten der SPD-Fraktion möchten aber die Gelegenheit wahrnehmen, Sie – wenn Sie schon am Berichtszeitraum etwas ändern wollen – zu bitten, auch an einer anderen Stelle veränderungsbereit zu sein. Denn wenn Sie sich umschauen und umhören, erleben Sie, dass im Moment gerade nicht der öffentliche Bereich im Hauptfokus steht, sondern dass uns die größten Schwierigkeiten derzeit aus dem Bereich des nicht öffentlichen Datenschutzes entgegentreten. Es geht um Firmen, Adresshandel, aber auch das Verhalten Einzelner, den sorglosen Umgang von Bürgerinnen und Bürgern mit ihren
Daten, um große Unwissenheit z. B. bei der Frage, was passiert, wenn man sich mit einer Kundenkarte bei allen möglichen Geschäften registrieren und die damit getätigten Einkäufe speichern lässt.
Deshalb sind wir der Meinung, dass der nicht öffentliche Datenschutz weit mehr Aufmerksamkeit verdient hat und dass es nicht ausreicht, wenn er nur über einen Teilbereich des Innenministeriums kontrolliert wird. Wir wünschen uns einen nicht öffentlichen Datenschutz, wie er in anderen Bundesländern zum Teil ja schon verwirklicht worden ist, der dem öffentlichen gleichkommt, und einen unabhängigen Datenschutzbeauftragten für den öffentlichen und den nicht öffentlichen Bereich.
Wir haben deshalb einen Änderungsantrag eingebracht, der dieses Landesdatenschutzgesetz in dem Sinne zu ändern beabsichtigt, den öffentlichen und den nicht öffentlichen Datenschutz in einer unabhängigen Behörde zusammenzulegen. Das ist kein Zeichen des Misstrauens gegenüber den Menschen, die bisher in diesem Arbeitsbereich tätig sind, aber es muss dem Rechnung getragen werden, dass der nicht öffentliche Bereich eine weit größere Menge an Arbeit verursacht, als bisher mit dem derzeitigen Personal und auch mit der engen Anbindung an das Innenministerium gewährleistet werden kann.
Insofern bitten wir Sie, diesem Änderungsantrag zuzustimmen. Insbesondere richtet sich diese Bitte natürlich an die FDP/DVP-Fraktion, die ja einen gleichartigen Antrag auf Bundesebene eingebracht hat. Es wäre wunderschön, wenn Sie hier einmal sagen würden: An einem solchen Punkt machen wir einmal eine Ausnahme und stimmen einmal mit der Koalition der Vernunft und nicht mit der Zwangsehe.
In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung auch zum Änderungsantrag.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass in der Landesregierung kein einheitlicher Geist in Sachen Integration herrscht, dann ist das jetzt bewiesen, wenn man die beiden vorangegangenen Wortmeldungen vergleicht, die wir hier vonseiten der Regierungskoalition gehört haben.
Herr Kollege Zimmermann, in diesem Fall könnten Sie durchaus etwas Nachhilfe durch die FDP vertragen.
Bei der Lektüre dieses Integrationsplans, Herr Justizminister, hat mir sehr gut gefallen, dass Sie das an den Anfang stellen, was in unserer Gesellschaft häufig zu kurz kommt, nämlich die vielen positiven Beispiele von Integration, die es in unserem Land eben auch gibt. Ich glaube, dass das besonders wichtig ist. Denn wenn Menschen, insbesondere junge Menschen, sich positiv entwickeln sollen, dann gelingt das vor allem durch gute Vorbilder. Diese jedoch findet man häufig nicht in Wohnvierteln, in denen nur Migrantinnen und Migranten leben, wo es soziale Probleme gibt, in Vierteln, aus denen diejenigen, die es „geschafft“ haben, sofort wegziehen. Dort fehlt den Jugendlichen oft das Beispiel dafür, dass Integration in unserer Gesellschaft auch funktionieren kann.
Insofern habe ich mich gefreut, als ich den Integrationsplan las; in ihm steht vieles Richtige drin. Aber die Schwierigkeit bei diesem Bericht ist, dass schon in der Analyse, in dem, was Sie als zentrale Aufgabe im Bereich der Integration formulieren, innerhalb der Landesregierung eine komplette Uneinheitlichkeit herrscht. So steht auf Seite 8 – ich zitiere –:
Dabei geht es nicht um eine einseitige Assimilation dieser Menschen, sondern um ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen und ein gegenseitiges Verständnis.
Das ist richtig.
Aber statt dass wir in Baden-Württemberg genau diese Aufnahme- und Willkommenskultur – wie es an anderer Stelle heißt – praktizieren, wird in derselben Landesregierung, die hier solche Dinge voranstellt, im Innenministerium genau das Gegenteil produziert. Es werden Vorurteile und Misstrauen geschürt. Wer eingebürgert werden will, wird praktisch verdächtigt, Terrorist zu sein,
und der Innenminister ist so naiv, zu glauben, dass er mithilfe eines Fragebogens potenzielle Terroristen als solche entlarven kann. Das ist ein völliger Irrweg. Er führt überhaupt nicht zu mehr Sicherheit, sondern er führt dazu, dass Menschen sich zurückgestoßen fühlen und das Gefühl haben, dass man überhaupt kein Vertrauen in sie hat. Das, was diese Seite der Regierung tut, ist das Gegenteil der geplanten Integration.
Deshalb finde ich insgesamt, Herr Justizminister, dass es notwendig wäre, dass dieser Geist, der zumindest die Einleitung dieses Planes beherrscht, nicht nur in der kleinen FDP/DVPFraktion geteilt wird.
Es gibt ein paar praktische Handlungsanweisungen, die Sie dann auch befolgen könnten. Sie, Herr Kluck, haben davon gesprochen, dass Sie gern das kommunale Wahlrecht für diejenigen, die bei uns im Land leben, einführen würden. Bei uns in Baden-Württemberg sind fast drei Viertel der Ausländerinnen und Ausländer länger als acht Jahre hier im Land. Es wird höchste Zeit, dass sie die Chance bekommen, bei Kommunalwahlen mitzureden, auch wenn sie keine EU-Ausländer sind.
Ich sage Ihnen: Wir haben die Möglichkeit dazu. Das Land Rheinland-Pfalz hat eine Bundesratsinitiative, die darauf zielt, eingebracht. Sie haben die Chance, dafür Mehrheiten zu schaffen. Wir haben die Chance. Aber dann muss das Land BadenWürttemberg auch im Bundesrat dem folgen, was der Integrationsbeauftragte des Landes hier empfiehlt.
Und etwas anderes Praktisches: Herr Kollege Zimmermann hat berichtet, dass im Bereich der örtlichen Vereine tatsächlich Integration stattfindet. Wohl wahr. Aber warum ist dann
in den konkreten Maßnahmen in keinem einzigen Punkt irgendetwas von einer unmittelbaren Förderung zu lesen? 500 000 € bezahlt die Bundesregierung für Sportvereine und Verbände, die sich an diesem Thema aktiv beteiligen. Das Land lobt die Kommunen ob ihres Engagements und gibt keinen einzigen müden Euro dazu. Da erwarte ich, dass Sie nicht nur schöne Worte finden, sondern auch konkrete Taten folgen lassen.
Insgesamt ist der Geist, der auf dem Papier steht, kein schlechter. Aber wir haben von 16 Seiten 13,5 Seiten nur Vorwort, nur guter Geist,
und dort, wo es dann um praktische Maßnahmen geht, Herr Justizminister, werden uns nur die Dinge verkauft, die ohnehin schon geplant sind, oder es gibt den einen oder anderen Prüfauftrag, ob man nicht das eine oder andere tun könnte. Das ist vielleicht ein guter Einstieg, aber es ist noch nicht der Plan, den wir erwartet haben. Es geht darum, dass wir nicht nur loben, nicht nur auffordern und dass diese Landesregierung die Integration nicht nur auf dem Papier ernst nimmt, sondern tatsächlich auch ganz praktisch, indem sie auch etwas in die Hand nimmt und entsprechende Maßnahmen finanziert und nicht nur überlegt, was alles Gutes getan werden könnte. Denn am Ende sind die Kommunen diejenigen, die mit viel, viel Geld diese Leistungen bezahlen, die wir alle toll fänden, wenn sie denn geleistet würden.
In diesem Sinne: Der Plan ist ein schöner Auftakt, aber eben nur ein Auftakt. Lassen Sie uns daraus einen guten Plan mit konkreten Maßnahmen machen, dann haben Sie uns an Ihrer Seite.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich ja über die vielen Angebote zur Zusammenarbeit. Aber ich will in diesem Zusammenhang gleich sagen – weil auch der Kollege Wölfle angegriffen wurde –: Wir wären als Abgeordnete selbstverständlich gern bei der Anhörung dabei gewesen. Aber weder die Abgeordneten noch die Fraktionen haben dazu eine Einladung erhalten.
Dagegen haben wir protestiert. Dann sind unsere Mitarbeiter einfach einmal hingegangen und wurden dann Gott sei Dank auch eingelassen. Wir sind gern zur Zusammenarbeit bereit. Aber dann sollten Sie uns auch zu den relevanten Terminen rechtzeitig eine Einladung zuleiten.
Zweitens möchte ich, Herr Kollege Zimmermann, aufklärend darauf hinweisen: Dass Herr Kollege Wölfle und ich nicht mehr über die Notwendigkeit des Beherrschens der deutschen Sprache gesprochen haben, liegt daran, dass uns diese Forderung in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Es war mitnichten Ihre Partei oder gar die Landesregierung, sondern es war die rot-grüne Bundesregierung, die das verpflichtende Lernen von Deutsch im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes überhaupt erst auf- und eingebracht hat. Insofern ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass Sprache ein Schlüssel dafür ist, dass man sich integrieren kann.
Herr Justizminister, ich bitte darum, dass wir doch einmal die Maßnahmenkataloge durchgehen. Denn Sie haben heute in Ihrer Rede etwas weiter Gehendes gesagt.
Kein Mensch hat Zweifel daran, dass wir den Willen haben, Talente von Kindern zu entwickeln. Aber wenn wir sehen, dass jedes dritte Kind unter sechs Jahren heute einen Migrationshintergrund hat, dann ist klar, dass der Wille allein und die Ankündigung, irgendwann auch einmal Geld fließen zu lassen, nicht ausreichen.
Ich würde mir wünschen, dass bei den Maßnahmen eben nicht nur steht, dass es eine neue Verwaltungsvorschrift gibt – das ist schön und gut und auch schon lange auf den Weg gebracht –, sondern dass darin auch steht: Wo sind die Lehrkräfte? Wie viele Deputate, wie viel konkrete Unterstützung gibt es dafür, dass dann auch tatsächlich unterstützt und gelernt werden kann? Man soll nicht nur eine Prüfung ablegen. Schreiben wir doch das, was Sie zugesagt haben – dass Geld fließt –, in diesen Integrationsplan hinein! Dann wird es ein Plan und eben nicht nur ein Bericht, Herr Minister.
Ich wünsche mir, dass wir noch ein Weiteres in den Blick nehmen. Sie haben hier u. a. den Vorschlag gemacht – nichts Großes –, dass die Landesregierung einmal prüft, ob es für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaft ler einen Integrationsforschungspreis geben soll. Das kann man ja machen.
Aber ich sage Ihnen: Integration ist nicht in erster Linie ein Problem an unseren Hochschulen. Integration ist im Grunde ein Problem des sozialen Hintergrunds. Ob eine Familie integriert ist, ob Kinder eine Chance haben, hängt nicht immer nur von ihrer Herkunft, der Staatsbürgerschaft, ihrem Migra
tionshintergrund ab, sondern ganz häufig vom sozialen Hintergrund der Familie.
Wenn wir in Mannheim feststellen, dass jedes vierte Kind in der ersten Klasse ein Problem mit der Beherrschung der deutschen Sprache hat, dann können wir an diesen Zahlen sehen, dass es eben nicht nur Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund sind, die z. B. Sprachdefizite haben, sondern dass dies auch andere Kinder aus Familien mit schwierigem sozialem Hintergrund betreffen kann. Das Thema Migration kommt sicherlich erschwerend hinzu, aber nicht nur.
Deshalb wünsche ich mir, dass wir auch bei der weiteren Bearbeitung die soziale Frage stärker in den Blick nehmen. Sie haben selbst gesagt, es gehe darum, die Leute aus allen Schichten entsprechend einzubeziehen.
Arbeitslosigkeit ist ein Hauptgrund für soziale Benachteiligung. Wir sind froh, dass wir in Baden-Württemberg geringe Arbeitslosenzahlen haben.
Aber 36 % der Kinder mit Migrationshintergrund besitzen keinen beruflichen Abschluss. Wir wissen schon heute, dass die se Kinder die Arbeitslosen von morgen werden, wenn nicht Maßnahmen folgen, also auch Geld in die Hand genommen wird. Mir wäre es recht, wenn wir damit nicht bis zum SanktNimmerleins-Tag warten würden, sondern diesen Plan tatsächlich zu einem Maßnahmenkatalog machen und nicht nur ausschließlich die Berichte entgegennehmen und entsprechend warme Worte finden.
Danke schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Heinz, ich glaube, dass Sie mit Ihrer Beurteilung des Gesetzentwurfs eher den Vorurteilen von vor einigen Jahren Rechnung tragen als dem, was uns im Moment konkret in Form der Gesetzesinitiative vorliegt. Denn ein Informationsfreiheitsgesetz ist inzwischen Standard in allen modernen Demokratien. Wir haben nicht zufällig nicht nur ein Bundesgesetz, sondern inzwischen auch in mehr als der Hälfte der Bundesländer – und zwar unabhängig von der Frage, ob CDU- oder SPD-regiert – ein solches Gesetz.
Es gibt, Kolleginnen und Kollegen, aus meiner Sicht schon ein parteiübergreifendes Interesse daran, staatliches Handeln durchschaubar zu machen. Der Staat ist kein abstraktes Wesen. Der Staat organisiert das Gemeinwesen stellvertretend für die Bürgerinnen und Bürger. Und wir haben hier im Haus nicht zuletzt mit der Parlamentsreform einen Baustein verwirklicht, um landespolitisches Handeln interessanter und besser nachvollziehbar zu machen.
Aber was für die politischen Entscheidungen gilt, muss doch erst recht für die Umsetzung der politischen Entscheidungen im Verwaltungshandeln gelten. Deshalb, denke ich, sollten wir mit einem solchen Gesetz auch der Tatsache Rechnung tragen, dass es am Ende die Bürgerinnen und Bürger sind, die ja mit ihren Steuergeldern dieses Verwaltungshandeln bezahlen. Deshalb haben die Bürgerinnen und Bürger auch ein Recht darauf, nachzuschauen und sich zu informieren, was im Detail an Verwaltungshandeln passiert.
Ich denke, es ist unser aller Interesse, dass das Vertrauen in den Staat stabilisiert wird, dass es wieder wächst. Der vorliegende Entwurf geht, wie ich finde, sehr weit auch auf Ihre Interessen als Regierungsfraktion zu. Wenn Sie die Bilanz des Bundesgesetzes, das im Grunde dem, was hier eingebracht wird, sehr ähnlich ist, lesen, erfahren Sie, dass die vorgelegten Regelungen sehr positiv bewertet werden. Ich würde gern aus dem Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2006 und 2007 – Bundestagsdrucksache 16/8500 – zitieren. Da heißt es auf Seite 69:
Die Verwaltung ist … nicht unter einer Flut von Informationsanträgen zusammengebrochen. Der entstandene Verwaltungsaufwand hat sich … insgesamt in Grenzen gehalten.
Das ist eine vorläufige Bilanz, und sie hat einen sehr positiven Eindruck hinterlassen. Und wenn Sie sagen, das gelte für den Bund – weil dieser Bericht in der Tat vom Bund ist –, dann dürfen Sie doch trotzdem nicht außer Acht lassen, dass schon sieben andere Bundesländer genau die gleichen positiven Erfahrungen haben
und dass die Kommunen dort froh sind, dass sich die Bürgerinnen und Bürger aktiv beteiligen können.
Denn wer engagierter sein soll, wer sich als Bürgerin oder Bürger einbringen will, der muss doch auch die Möglichkeit haben, den gleichen Informationsstand zu erhalten wie diejenigen, die die politischen Entscheidungen treffen.
Aus meiner Sicht gibt es überhaupt keinen Grund, warum Baden-Württemberg hier wieder das allerletzte Bundesland sein soll –
außer wenn Sie wirklich noch dem alten Gedanken des Obrigkeitsstaats anhängen würden, wonach immer nur der Staat bestimmt und die Bürger außen vor zu bleiben haben.
Wer aber will, dass eine Demokratie lebendig wird, wer einfordert, dass sich Bürgerinnen und Bürger beteiligen können, der darf auch keine Angst davor haben – das braucht er auch nicht –, ihnen die notwendige Information zur Verfügung zu stellen.
Ich hoffe, dass es uns im Sinne einer lebendigen Demokratie in unserem Land gelingt, diesen Gesetzentwurf für BadenWürttemberg nach intensiven Beratungen in den Ausschüssen am Ende zu verabschieden. Das wäre im Sinne des Landes und wäre gerade in unserem Land, in dem so viele Menschen ehrenamtlich tätig sind und in dem sich so viele für das Gemeinwesen engagieren, ein notwendiges Signal an die Engagierten in unserem Land. Wir wollen nicht nur, dass sie eh
renamtlich tätig sind, sondern wollen ihnen dafür auch optimale Voraussetzungen schaffen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich möchte zuallererst dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ein sehr umfassendes Werk und für eine intensive Arbeit, auch eine notwendigerweise kritische Arbeit danken, die der unabhängige Landesbeauftragte mit seinen Leuten vorgelegt hat.
Ich halte es auch für unerlässlich – und das bewährt sich in diesem Fall –, dass der Beauftragte für den Datenschutz eine unabhängige Position hat und deshalb auch zu Schlussfolgerungen kommen kann, wie sie im Bericht niedergelegt sind, die durchaus auch Kritik an Ministerien, an Behörden und an anderen öffentlichen Einrichtungen beinhalten.
In dem Datenschutzbericht wird zu Recht darauf hingewiesen, dass Fortschritt in Sachen Datenschutz anders aussieht als das Sammeln immer weiterer Daten. Ich denke, dass wir alle uns bewusst sein müssen, dass Fortschritt in Sachen Datenschutz nicht selten bedeutet, dass wir als politisch Handelnde dem technischen Fortschritt weit hinterherhinken. Die Technik ist der Gesetzgebung vielfach voraus, und oft wird deutlich, wie z. B. jetzt beim Thema Onlinedurchsuchung, dass die Gesetzgebung auch den Anforderungen, auch den neuen Möglichkeiten, die solche Kommunikationen bieten, nicht gerecht wird. Es war bedauerlich, dass auch die badenwürttembergische Landesregierung erst durch das Verfas
sungsgericht auf die Einhaltung der Grundrechte hingewiesen werden musste. Hätten Sie auf die SPD-Innenpolitiker gehört, wären Sie schon viel früher schlau gewesen.
Wir haben jetzt ein neues Grundrecht in Sachen Datenschutz, ein Grundrecht zur Gewährleistung der Vertraulichkeit und der Integrität informationstechnischer Systeme. Ich glaube, dass ein solches neues Grundrecht auch der Bedeutung des Datenaustauschs innerhalb der Gesellschaft entspricht.
Der Datenschutzbericht sollte also heute nicht nur von uns zur Kenntnis genommen werden – das ist wahrscheinlich eher der kleinste Teil der Übung –, sondern er muss vor allem innerhalb der Behörden und Ministerien zu Konsequenzen führen. Während wir in den Ausschussberatungen den Eindruck hatten – jedenfalls kann ich das für unsere Fraktion sagen –, dass im Bereich der Polizeibehörden und auch des Landeskriminalamts durchaus mit dem Datenschutzbericht gearbeitet wird und dass man sich auch überlegt hat, welche Konsequenzen man für die polizeiliche Arbeit ziehen muss, hatte ich demgegenüber den Eindruck, dass man z. B. im Wissenschaftsminis terium überhaupt nicht bereit ist, die Mahnungen zu beachten und in Zukunft die Anforderungen an den Datenschutz einzuhalten.
Ich hätte schon gern vonseiten der Landesregierung noch einmal die Zusicherung, dass sich das, was wir in Bezug auf die Erfassung von Studierenden erlebt haben, nicht wiederholt. Alle Studierenden, die sich per Gericht gegen Studiengebühren gewehrt haben und daraufhin erfasst und in Listen aufgenommen wurden, müssen sich darauf verlassen können, dass solch ein Verstoß nicht mehr vorkommt. Eine solche Zusicherung fehlt bis heute, und ich hätte sie gern vonseiten der Regierung, und zwar noch in dieser Debatte.
Der Bericht zum Datenschutz im öffentlichen Bereich, über den wir hier reden, ist die eine Sache. Ich glaube aber, dass die weit größere Bedrohung der Bürgerinnen und Bürger nicht aus dem öffentlichen Bereich kommt, in dem wir funktionierende Kontrollmechanismen, eine intensive Beobachtung und jede Menge Vorgaben haben. Ich denke, dass Aufklärung, Überwachung und Überprüfung im nicht öffentlichen Bereich weitaus notwendiger sind. Nehmen Sie Payback-Karten, nehmen Sie alle möglichen Formen von Werbeanfragen, nehmen sie einfache Kreuzworträtsel, die heute nicht dazu dienen, Menschen gewinnen zu lassen, sondern vor allem dazu, Adressen zu erfassen, Leute kennenzulernen und zu schauen, wer welche Interessen hat und wem man welche Produkte verkaufen kann. Hierum müssen wir uns viel stärker kümmern. Das macht mir weit mehr Sorge als alle Bemühungen der öffentlichen Hand in Bezug auf Daten.
Deshalb ist es unser dringlicher Wunsch, dass wir eben nicht abwarten, bis innerhalb Europas ein Gericht entscheidet, sondern dass wir die EU-Datenschutzrichtlinie nehmen – sie liegt bereits vor – und tatsächlich das tun, was bereits die Hälfte aller Bundesländer tut, nämlich dem Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich den gleichen Stellenwert geben wie dem
im öffentlichen Bereich und dessen Überwachung nicht nur bei einem Referat im Innenministerium belassen.
Deshalb wollen wir unseren Antrag aufrechterhalten. Unser Vertrauen in die Landesregierung ist zwar nicht so riesengroß, aber in einem Punkt vertrauen wir schon darauf, dass die Landesregierung in der Lage ist, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der der Richtlinie schon heute entspricht.
In diesem Sinne bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen; denn der nicht öffentliche Bereich braucht viel, viel mehr unsere Überwachung, und die Bürgerinnen und Bürger brauchen in diesem Bereich weit mehr Hilfe und Unterstützung, um sich gegen das Datensammeln Privater zu wehren, als sie es gegenüber den Behörden brauchen, zumal der Datenschutzbeauftragte des Landes ja auch eine sehr gute Arbeit verrichtet.
Guten Morgen, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Guten Morgen, liebe Landesregierung“ kann man angesichts der Tatsache sagen, dass die Landesregierung
plant, im Juni 2008 einen Integrationsplan für Baden-Würt temberg vorzulegen, zwei Jahre nach dem ersten Integrationsgipfel der Bundesregierung, ein Jahr nachdem ein nationaler Integrationsplan beschlossen wurde, bei dem sich auch unser Land zum Handeln verpflichtet hat. Wenn Sie in Baden-Würt temberg im Juni 2008 erst vorlegen, was wir im baden-würt tembergischen Integrationsplan zu tun gedenken, dann soll auf Bundesebene bereits die erste Evaluation der Maßnahmen stattfinden. So etwas Verschlafenes ist nicht angetan, um selbstzufrieden zu sein.
Ich wundere mich schon ein bisschen darüber, wie zufrieden Sie über diese Leistungen sind.
In der von der Robert Bosch Stiftung in Auftrag gegebenen Studie „Standort Baden-Württemberg – Demografie und Zukunftsfähigkeit“ ist zu lesen – ich zitiere –:
Baden-Württemberg benötigt zukünftig nicht nur stabile und gesteuerte Zuwanderung, sondern auch eine bessere Integration der Zugewanderten in Wirtschaft und Gesellschaft. Insbesondere bei der erfolgreichen Integration in Schule und Ausbildung hinkt Baden-Württemberg anderen Bundesländern hinterher.
Weiter heißt es in dieser Studie:
Aber in keinem anderen Bundesland ist die Quote der ausländischen Abiturienten geringer als in Baden-Württemberg.
Es gibt überhaupt keinen Grund – da kann man an die gestrige Bildungsdebatte anschließen –, uns selbstzufrieden zurückzulehnen und zu sagen, bis auf ein paar Bildungs- und Sprachdefizite sei alles in Ordnung. Wenn bundesweit über 10 % der ausländischen Kinder ein Abitur schaffen und in Baden-Würt temberg nur 3,8 % überhaupt die Chance dazu haben, dann liegt hier das Kernproblem. Bildung ist der Schlüssel zur Integration. Dabei haben Sie bislang ziemlich versagt.
Ich denke, dass wir hier die Gelegenheit nutzen müssen, auch ein Signal zu geben, dass wir Integration wirklich wollen.
Ich fand es sehr erfreulich, dass Kollege Kluck dieses Mal so gesprochen hat, wie man sich einen Liberalen aus früheren Jahrzehnten eigentlich vorstellt.
Er hat nämlich deutlich gesagt: Man muss den Menschen auch ihre kulturelle Identität lassen, wenn man möchte, dass sie sich integrieren.
Ich glaube, das ist etwas ganz Entscheidendes, das es zu beachten gilt. Wir müssen den Menschen zeigen, dass wir akzeptieren, wenn sie anders sind. Dass wir erwarten, dass sie unsere Sprache sprechen und sich an Recht, Gesetz und Verfassung halten, ist klar. Auf der anderen Seite müssen wir aber deutlich machen: Anderssein ist nicht schwierig, sondern es gehört dazu, dass man seine Identität behält, wenn man sich als Person in einem Land einbringen will.
Ich bin froh, Herr Justizminister, dass Sie im Vorfeld der Kommunalwahlen auch das schwierige Thema „Kommunalwahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer“ aufgegriffen haben. Man konnte es in der Zeitung lesen. Ich kann Ihnen sagen: Sie haben unsere Unterstützung. Denn Menschen, die viele Jahre und Jahrzehnte hier leben und Steuern bezahlen, müssen auch die Chance haben, mitzubestimmen. Wen wir mit in die Verantwortung nehmen können, den können wir auch in unsere Gemeinschaft aufnehmen.
Insofern wäre ich dankbar, wenn wir an diesem Tag nicht nur darüber reden würden, wie die Situation aussieht, sondern auch darüber, was wir in Zukunft anders machen müssen, um die Integrationschancen zu verbessern. Ein Ansatz dazu war Ihr Vorschlag zum Kommunalwahlrecht für Menschen, die hier schon seit vielen Jahren leben.
Ein anderer Ansatz ist sicherlich das Thema „Sprache und Sprachunterricht“. Wahrscheinlich haben wir in der zweiten Runde noch Gelegenheit, uns dem hier etwas ausführlicher zu widmen.
In diesem Sinne bin ich sehr gespannt darauf, wie Sie diese Vorstellungen in der Koalition umsetzen. Für die SPD-Fraktion kann ich Ihnen jedenfalls signalisieren: Unsere Unterstützung für eine gute und menschenwürdige Integrationspolitik haben Sie.
Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident! Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus der Vereinbarung der BundLänder-Arbeitsgruppe zum Ausbau des Kleinkindbetreuungs angebots:
Die Länder werden durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass die vom Bund zur Verfügung gestell ten Mittel auch tatsächlich und zusätzlich den Kommu nen und Trägern zur Verfügung gestellt werden. Die Län der werden ebenfalls finanzielle Voraussetzungen dafür schaffen, dass die vereinbarten Ziele erreicht werden.
Dies, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Vereinbarung, die auch die Landesregierung von Baden-Württemberg unterschrieben hat. Aber als es in der vergangenen Woche darum ging, auch mit der Umsetzung des mit der Unterschrift Zugesagten Ernst zu machen, hat die Landesregierung nicht gehandelt. Sie lassen die Kommunen im Stich, weil Sie nicht in der Lage sind, Ihre eigene Politik, für die Sie unterschrieben haben, auch in die Wirklichkeit umzusetzen.
Sie sind weder in der Lage, selbst einen Beitrag zu leisten, noch waren Sie in der Lage, auch nur ein Verteilungsverfahren zu vereinbaren. Es wäre ja das Mindeste, dass man, wenn man von jemand anderem – nämlich vom Bund – Geld bekommt, sich dann wenigstens schlaumacht und einigt, wie man das geschenkte Geld an diejenigen weitergibt, die es eigentlich verdient haben.
Ich sage Ihnen: Das Problem liegt leider Gottes tiefer. Denn der Verlauf des Spitzengesprächs zwischen Landesregierung und kommunalen Landesverbänden zeigt: Der wahre Konflikt besteht in diesem Fall gerade nicht zwischen der Landesregierung und den Städten und Gemeinden des Landes, sondern der wahre Konflikt, meine Damen und Herren, besteht zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion.
Selbst eine Sitzungsunterbrechung eines so wichtigen Spitzengesprächs brachte keine Klärung, im Gegenteil: Sie, Herr Ministerpräsident, wurden von Ihrer eigenen Fraktion, Ihrem eigenen Fraktionsvorsitzenden vorgeführt,
weil Sie während der Verhandlung zurückgepfiffen wurden. Das ist ein einmaliger Vorgang, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein Ministerpräsident in einem anderen Bundesland so etwas gefallen lassen müsste.
Das Schlimme ist, dass Ihnen nicht nur der Mut fehlt, Entscheidungen zu treffen. Das Tragische ist vielmehr, dass Ihnen inzwischen gegenüber der eigenen Fraktion offenbar auch die Autorität fehlt, diese Entscheidungen durchzusetzen.
Die Leidtragenden sind die Kommunen, die Städte und Gemeinden, und vor allem die Kinder und die Eltern im Land. „Kinderland“ ist inzwischen eine Art Verhöhnung der tatsächlichen Lebensverhältnisse.
Sie setzen einen gut gewählten Begriff aufs Spiel, und Sie verhöhnen die Kinder im Land, wenn Sie ständig so tun, als würden Sie etwas für sie tun. In Wirklichkeit – ob es um die Bezuschussung von Mittagessen, um ein beitragsfreies Kindergartenjahr oder um andere Themen, die wirklich das Wohl und Wehe der Kinder betreffen, geht – machen Sie nichts anderes als Ankündigungen, Erklärungen und scheitern regelmäßig an der Beharrlichkeit und der ideologischen Verbohrtheit Ihrer eigenen CDU-Fraktion.
Leider ist das kein Phänomen, das nur das Thema Kinder betrifft, sondern es ist etwas, was sich durch alle politischen Entscheidungen der letzten Wochen und Monate zieht: ob es sich um Personalentscheidungen gehandelt hat, bei denen Sie im Streit mit Ihrer Fraktion gelegen sind,
oder, auch wieder in Bezug auf Kommunen und Handwerk, um das Thema „Erhöhung der Wertgrenzen“, bei dem die Landesregierung – auch Sie von der FDP/DVP – eine Zusage ans örtliche Handwerk gemacht hat und der Ministerpräsident versprochen hat, dass die Erhöhung der Wertgrenzen Beachtung finden solle, aber die eigene Fraktion dies im Nachhinein wieder kassiert.
Ich denke, Herr Ministerpräsident, es muss deutlich werden, dass Sie Ihre ureigene Aufgabe als Regierungschef auch wirklich wahrnehmen, nämlich die Aufgabe, Entscheidungen zu treffen, für das, was Sie für richtig halten, einzutreten und zu kämpfen sowie das Vertrauen der eigenen Leute in für das Land entscheidenden Fragen zu bekommen.
Wenn es darum geht, nur zu moderieren und nur noch zu verkünden, ohne dass dem Ganzen Taten folgen, dann – das muss ich Ihnen sagen – tut das besser ein Regierungssprecher, denn der wird dafür bezahlt. Ein Ministerpräsident hat wahrlich andere Aufgaben zu erfüllen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, wenn man Politik macht und Verantwortung in einem politischen Amt hat, dann hat man zuweilen das große Ganze im Auge zu haben
und nicht nur die Frage, ob man persönlich eine Position beibehalten kann oder nicht. Das, was für mich gilt, gilt vielleicht für Sie in besonderem Maße. Wenn man erkennt, dass das Verbleiben im Amt insgesamt mehr Unruhe in den eigenen Reihen, in diesem Fall der Landtagsfraktion, bewirkt – –
Wenn Sie zuhören würden, dann hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe: Das galt für mich.
Im Gegensatz zu Ihnen sind wir nämlich durchaus in der Lage, uns auch selbstkritisch zu beobachten. Das galt für mich, aber das gilt umso mehr für den Ministerpräsidenten. Wenn man spürt, dass man gegebenenfalls mehr Kraft für politische Arbeit freisetzt, wenn man sich selbst etwas zurücknimmt, dann folgt daraus eine Verhaltensweise, die ich für mich habe gelten lassen. Ich glaube jedoch, dass ein Ministerpräsident noch mehr als eine Oppositionsführerin gefordert wäre, zu überlegen, ob es wirklich darauf ankommt, dass man im
mer selbst auf diesem Posten sitzt, oder ob es nicht wichtiger ist, dass Streitigkeiten um Personen aufhören und man den Weg frei macht für diejenigen, die furchtbar drängen und die Ihnen keine Mehrheit mehr für Ihre eigene Politik in diesem Landtag verschaffen.
Das, was Sie uns hier berichtet haben, Herr Ministerpräsident, ist genau das, was Bundesregierung und Landesregierungen gemeinsam vereinbart haben. Diese Landesregierung geht an keinem einzigen Punkt der Vereinbarung über das hinaus, was der Bund ohnehin mit Ihnen vereinbart hat.
Wenn Sie sich rühmen, bis 2013 für 35 % aller Kinder unter drei Jahren – das hat der Herr Ministerpräsident eben bestätigt – Betreuungsangebote bereitzustellen, dann ist das doch überhaupt nicht mehr, sondern genau das, was nach gesetzlichen Vorgaben auch vom Land Baden-Württemberg erwartet wird und was Sie zu erfüllen verpflichtet sind.
Was wirklich erforderlich gewesen wäre und worauf ich gewartet habe, ist, dass Sie uns z. B. erklären, warum das Land Baden-Württemberg für Kinder unter drei Jahren nur 10 % Betriebskostenzuschuss zahlt, während Kindergärten mit Kindern über drei Jahren 30 % erhalten.
Es kann doch nicht sein, dass ein Kind unter drei Jahren weniger wert ist. Sie hätten hier deutlich machen können, dass Sie bereit sind, Kinder gleich zu behandeln.
Mir ist schon klar, dass Sie in Verhandlungen nicht immer jedes Argument und auch nicht jede Zahlungsbereitschaft von vornherein offenlegen können. Aber wir haben jetzt auch beim Streik der Lokführer gelernt: Eine Verhandlung kann nur dann vorangehen
und auch nur dann wirkungsvoll werden, wenn wenigstens ein Angebot auf den Tisch gelegt wird. Das Problem Ihrer Landesregierung ist es doch gerade, dass Sie nach diesem Vorlauf in solche Verhandlungen gehen, ohne auch nur etwas Konkretes auf den Tisch zu legen, über das man überhaupt richtig verhandeln kann.
Es ist doch das Problem Ihrer Landesregierung, dass Sie Ihre Fraktion nicht gemeinsam mit der Regierung zu einem Angebot gebracht haben.
Ich will noch einmal das Thema Betreuungsgeld aufgreifen. Wir sind uns in einem Punkt einig: Wir alle wollen, dass Frauen und Männer Wahlfreiheit haben, dass jeder und jede selbst entscheiden kann, ob das Kind zu Hause erzogen wird, ob es außerhalb der Familie betreut wird, ob man es in eine Ganztagseinrichtung oder in einen Kindergarten geben will. Das sind die Ziele, die wir seit Jahren, seit Jahrzehnten als Sozialdemokraten verfolgen.
Aber was in Baden-Württemberg herrscht, ist doch gerade keine Wahlfreiheit. Wenn in öffentlichen oder kirchlichen Kinderbetreuungseinrichtungen und Kindertagesstätten nur für sieben von 100 Kindern unter drei Jahren überhaupt Platz ist, wenn nur 7 % der Kinder unter drei Jahren überhaupt eine Chance haben, einen Betreuungsplatz zu bekommen, dann ist das keine Wahlfreiheit. Deshalb haben wir ja all die Jahre über so gekämpft.
Ich will Sie bitten, sich beim Thema Betreuungsgeld einmal zu überlegen, ob es wirklich richtig ist, wenn wir zur Betreuung von Kindern, die zu Hause betreut werden, Geldleistungen geben. Natürlich kann man sagen: Es ist gerecht, wenn eine Mutter oder ein Vater, die oder der zu Hause ist, dafür auch etwas bekommt. Das kann man machen, wenn man ganz viel Geld zur Verfügung hat. Dann wären wir die Letzten, die nicht auch dazu bereit wären, jedem, der Kinder erzieht, auch etwas zu geben.
Aber die Politik ist doch aufgefordert, vor allem dort zu helfen, wo Kinder keine guten Lebenschancen haben, wo Kinder – und das gibt es auch in einem Land wie Baden-Würt temberg – in einem Teufelskreis leben, wo Familien seit Generationen z. B. von Sozialhilfe abhängig sind und keine Chance haben, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Diesen Teufelskreis brechen wir nicht auf, wenn wir den Eltern Betreuungsgeld geben. Die Kinder werden dafür aus den Einrichtungen genommen, und zu Hause wird von diesem Geld ein neuer Flachbildschirm gekauft, der dann die Kindererziehung übernehmen soll.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass gerade diese Kinder Unterstützung erhalten und dass nicht alles mit der Gießkanne an alle verteilt wird. Wir haben für die zu sorgen, die sich selbst nicht helfen können.
Ich muss schließlich sagen, Herr Ministerpräsident: Das, was Sie zum Thema IZBB-Mittel gesagt haben,
war schon bemerkenswert. Sie sagten: ein Fehlschlag. Heißt das, dass alle Kommunen, Städte und Gemeinden, die nach Ihrer Verteilung das Geld in Schulen investiert haben, völlig fahrlässig in unnötige Gebäude investiert hätten?
Das ist schon eine interessante Unterstellung. Was heißt das eigentlich für Ihre Arbeit als Landesregierung?
Sie haben für die Verteilung zu sorgen gehabt. In der Tat, Baden-Württemberg hat sich bundesweit mit dem Windhundverfahren blamiert. Wir haben zwischen Baden und Württemberg große Ungerechtigkeiten erlebt.
Es war das Versagen Ihrer Regierung
und Ihrer Fraktionen, die nicht in der Lage waren – im Gegensatz zu fast allen anderen Bundesländern –,
ein Verteilungsverfahren zu wählen, bei dem eine regionale Ausgewogenheit gewährleistet ist und bei dem gewährleistet ist, dass alle Schularten zum Zuge kommen, und bei dem man schlichtweg denen gerecht werden kann, die vor Ort die Schulen mit einem pädagogischen Konzept aufbauen.
Sie hätten es in der Hand gehabt, ohne große Probleme genau dies zu regeln, wie es beispielsweise Rheinland-Pfalz und andere Bundesländer perfekt getan haben. Ich würde doch bitten: Tun Sie nicht so, als sei hier irgendwo vor Ort verantwortungslos gehandelt worden, sondern sagen Sie selbst: Das war ein großes Fehlsteuern der Landesregierung.
Vermeiden Sie das diesmal, indem Sie jetzt in einem gerechten Verteilverfahren die Gelder für die Kinder zur Verfügung stellen, aber nicht, indem Sie permanent versuchen, dann noch das Möglichste für das Land herauszuhandeln, und sagen, es gehe nur darum, dass unser Landeshaushalt in Schach gehalten werde.
Es geht darum, die Städte und Gemeinden – ohne deren Exis tenz und deren Arbeit bräuchte man hier auch keinen Landtag und keinen Landeshaushalt; sie bilden die Basis unserer politischen Arbeit – zu unterstützen. In diesem Sinne erwarten wir von Ihnen, dass Sie sich einigen und mit einem konkreten Vorschlag in Verhandlungen gehen und aufhören, solche Machtspiele zulasten unseres Landes zu spielen. Klären Sie es! Dann treten Sie halt an, Herr Mappus, wenn Sie es nicht abwarten können!
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident! Es ist schon mutig, liebe Kollegen von der CDU, von Ihrer Seite aus einen solchen Reformkurs einzufordern und auch noch so zu tun, als hätten Sie hier den Mut zu Reformen.
Ein Ministerpräsident, der zugegebenermaßen mit einem sehr guten Ergebnis gestartet ist, der großen Wählerzuspruch hatte und aus den eigenen Reihen unterstützt wurde – damals –, hat nicht den Mut gefunden, hier eine notwendige Verwaltungsreform, die diesen Namen verdient und den Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich eine Erleichterung in der Zusammenarbeit mit der Verwaltung bringt, vorzunehmen.
Sie haben bis heute nicht den Mut gefunden, eine Offensive beim Thema „Öffentliches Dienstrecht“ zu schaffen und dort mutig neue Wege zu gehen. Sie haben nicht den Mut, die Schulreform in die Hand zu nehmen,
um den Kindern von klein auf eine Chance zu geben, um die Auslese im Schulsystem zu beenden und die Hauptschule endlich umzuwandeln in eine Gemeinschaftsschule, von der Schülerinnen und Schüler profitieren können.
Das wären mutige Reformen, die unser Land braucht.
Herr Kollege Schüle, es ist doch Ihre Partei gewesen – im Übrigen zusammen mit der FDP –, die in Deutschland das Wort „Reformstau“ überhaupt erst geprägt hat. Es war doch ein Minister Ihrer Partei, der über Jahrzehnte die Bürgerinnen und Bürger entsprechend eingeschäumt hat
mit der Parole: „Die Renten sind sicher“. Es war Ihre Partei unter Helmut Kohl, die die deutsche Einheit organisiert hat und die Kosten dieser Einheit aus den Rentenkassen und aus den Kassen der Sozialversicherung bezahlt hat und dadurch einen Reformdruck erzeugt hat.
Es war am 26. April 1997, zur Regierungszeit von CDU und FDP unter Helmut Kohl, als es damals eine Ruckrede eines Bundespräsidenten Roman Herzog geben musste. Das war Ihre Partei, durch die ein Ruck hätte gehen sollen, was aber ausgeblieben ist.
Es war die Sozialdemokratische Partei zusammen mit der Partei der Grünen, die den Mut hatte, den Reformstau in Deutschland überhaupt erst aufzulösen.
Wir haben den Mut gehabt, Parteitaktik hintenanzustellen, und wir haben den Mut gehabt, auch in den eigenen Reihen durchaus einmal Unbequemes und Schmerzhaftes auf uns zu nehmen, um dann zu erreichen, dass dieses Land vorankommt. Das, was wir heute erleben, ist der Aufschwung, sind die Früchte der Anstrengungen von Gerhard Schröder und der rotgrünen Bundesregierung. Da können Sie noch so viele Aktuelle Debatten beantragen und noch so oft das Gegenteil behaupten.
Sehen Sie, es ist doch nicht mehr als recht, Herr Kollege Schüle, wenn wir – –
Jetzt nicht.
Es ist nicht mehr als recht – ich komme jetzt zu dem, was der Kollege schon im Zwischenruf gefragt hat –, dass wir, wenn wir jetzt die Früchte ernten und der Aufschwung im Moment läuft, auch die Menschen an diesem Aufschwung beteiligen.
Ich frage mich schon, meine Damen und Herren von der CDU, wer denn die Linkspopulisten sind, die Sie so fürchten. Es sind offenbar die linkspopulistischen Teile in den eigenen Reihen.
Sind es die Ministerpräsidenten Wulff und Rüttgers, oder ist es der CDA-Vorsitzende Laumann? Oder ist es die große Mehrheit Ihres CDU-Bundesparteitags, der im November 2006 den Antrag Nr. D 15 mit der Überschrift „Wer den Menschen etwas zumutet, muss ihnen auch eine Perspektive bieten – Hartz IV generell überholen“ beschlossen hat?
Dann folgte der CDU-Bundesparteitag mit seiner Mehrheit einem Vorschlag zur Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds
und zur Erhöhung der Freibeträge bei der Altersvorsorge.
Das sind offenbar die Populisten, gegen die Sie sich wehren zu müssen meinen.
Oder sind sie auch in den eigenen Reihen der CDU im Südwesten?
Ist es der Landeschef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Chris tian Bäumler? Er macht – aus unserer Sicht zu Recht; es wäre hilfreich, wenn Ministerpräsident Günther Oettinger seine Position in der Frage der Mindestlöhne klären würde – deutlich – ich zitiere aus einer Pressemitteilung der CDA –:
Es ist mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar, wenn sich Menschen voll ins Erwerbsleben einbringen, aber von ihrem Lohn nicht leben können.
Meine Damen und Herren, recht hat der Mann. Anstatt dass Sie uns hier die Zeit mit solchen Aktuellen Debatten stehlen,
sollten Sie tatsächlich Ihre Position in den eigenen Reihen klären oder – noch besser – den Reformkurs der Sozialdemokratie so mittragen, dass alle Menschen in Deutschland am Aufschwung beteiligt werden. Das ist eine vernünftige Fortsetzung und auch das gewollte Ergebnis der in Gang gebrachten Reformen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Schüle, wir hatten es ja vorhin hier schon einmal angesprochen: Es ist der Kollege Oettinger, der seine CDU vor dem Linksruck warnt.
Insofern glaube ich, dass das eher in Ihren Reihen ein Thema ist. Nutzen Sie doch die Fraktionssitzung, um sich damit einmal auseinanderzusetzen.
Ich bin auch gern bereit, Herr Minister Stächele, Ihnen den Beschluss des CDU-Bundesparteitags zur Verfügung zu stellen, der sechs Punkte umfasst. Diese brauche ich hier nicht alle aufzulisten. Aber es ist nicht ein Punkt dabei, wie Sie ihn zitiert haben,
der eine völlige Gegenreaktion in Bezug auf den Arbeitsmarkt intendiert, sondern es ging um relativ viele Erleichterungen. Denn der Autor ist Herr Rüttgers gewesen und eben nicht Herr Oettinger.
Ich habe den Antrag, den der CDU-Bundesparteitag beschlossen hat. Dass ein paar von Ihnen da nicht Delegierte geworden sind, ist etwas, was wir nicht zu verantworten haben.
Ich möchte aber gern die Gelegenheit nutzen, jetzt den polemischen Teil zu beenden
und zu sagen: Lassen Sie uns einmal schauen, wo wir uns im Sinne dessen, was Minister Stächele gesagt hat, vielleicht einigen könnten.
Erstens: Es geht darum, dass wir die Gesundungsphase der Wirtschaft nutzen und nicht gefährden. Da sind wir uns einig. Aber jetzt frage ich Sie: Wenn wir z. B. darüber diskutieren, einem Kind, dessen Eltern von Hartz IV leben, 1,35 € für Aufwendungen für Schulbedarf zuzugestehen, dann sollten wir uns doch einig sein, dass es nicht den Aufschwung gefährdet, wenn wir gemeinsam übereinkommen, dass wir hier etwas verändern und für den Schulanfang oder für den Schulwechsel wieder Einmalleistungen einführen müssten. Das wäre ei
ne Veränderung, die niemanden gefährdet und die vielen Kindern helfen würde.
Das Zweite – im Moment leider negativ beschieden – kann ich auch nicht nachvollziehen. Sie, Herr Minister, haben gesagt, es gehe darum, baden-württembergische Interessen vo ranzustellen. Was, wenn nicht das Thema Pendlerpauschale, ist denn ein originäres Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem Flächenland, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, in einem Flächenland, in dem die Menschen darauf angewiesen sind, lange Strecken zu fahren?
Es ist doch nicht verständlich, dass Ministerpräsidenten vieler anderer Bundesländer aus Ihren Reihen einen solchen Vorschlag unterstützen und ausgerechnet Herr Oettinger sich massiv dagegen wehrt, den Menschen, von denen wir Flexibilität und Mobilität erwarten, dafür auch etwas zukommen zu lassen und uns im Sinne des Verfassungsgerichts auch zu korrigieren.
Ich will ein letztes Beispiel anführen, nämlich das Thema Mindestlohn. Nehmen Sie das aktuelle Beispiel der Postdienstleister. Das sind Dienstleister, die uns zu Dumpinglöhnen den Transport von Briefen und Paketen anbieten. Die Steuerzahler, also alle Bürgerinnen und Bürger, die Steuern zahlen, finanzieren es mit, dass der Staat Menschen, die von ihrem Lohn nicht leben können, zusätzlich noch etwas drauflegt, damit ihre Existenz überhaupt gesichert werden kann.
Es kann doch nicht sein, dass wir auf diesem Wege die Tatsache auch noch subventionieren, dass Menschen zu Dumpingpreisen – weil ihnen nur Dumpinglöhne gezahlt werden – Leistungen anbieten und die Steuerzahler das zahlen, was eigentlich der Unternehmer an Lohn entbieten müsste.
Es ist doch ein unhaltbarer Zustand, dass Menschen, die harte körperliche Arbeit verrichten, beispielsweise Verkäuferinnen, die den ganzen Tag auf den Beinen sind und dabei stets freundlich sein sollen, Arbeiter, die Sicherheitsdienste leisten, die an Pforten stehen – und die damit auch dafür sorgen, dass wir in Sicherheit unsere Tagungen und Kongresse abhalten können und dadurch die Möglichkeit haben, die Gesellschaft am Laufen zu halten –, Menschen, die schwere Arbeiten erledigen, mit Löhnen abgespeist werden, wie ich sie zum Teil – das muss ich Ihnen ehrlich sagen – noch nicht einmal als Studentin kennengelernt habe. Ich habe als Studierende einen Stundenlohn von 8 DM für einen Aushilfsjob bekommen. Wenn wir heute jedoch Menschen haben, die für 4 oder 5 € die Stunde schwerste körperliche Arbeit leisten, dann halte ich das für unanständig.
Deshalb bitte ich Sie: Helfen Sie an dieser Stelle mit! Das bedeutet nicht, dass wir den Reformkurs ändern müssten; vielmehr wären Sie da mit Christian Lange, unserem Landesgruppenvorsitzenden, ebenso wie mit unseren vier Regierungsmitgliedern einig, dass wir einen Kurs fahren, der die Reformen weiterentwickelt, sie jedoch so weiterentwickelt, dass auch diejenigen, denen es im Moment nicht so gut geht, mehr davon profitieren, als wir ihnen das in der Vergangenheit ermöglichen konnten.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Großmutter war 18 Jahre alt, als die Frauen in Deutschland zum ersten Mal das Wahlrecht erhalten haben. Das liegt also nur zwei Generationen zurück, und so gesehen könnte man sagen: „Mensch, was haben die Frauen in nur zwei Generationen alles erreicht! Das ist doch ganz gewaltig!“
Ich bin stolz, einer Partei anzugehören, die mit an der Spitze stand, als es darum ging, von Anfang an für diese Frauenrechte einzutreten und zu kämpfen.
Aber dass es mit dem Wahlrecht allein nicht getan war, sehen wir an vielen Aspekten der Realität. Meine Generation reibt sich ja zuweilen verwundert die Augen. Wenn man in die Fünfzigerjahre zurückblickt, stellt man fest: Erst 1958 wurde in Deutschland der „Gehorsamsparagraf“ aufgehoben, der Ehefrauen tatsächlich dazu verpflichtete – ich zitiere –, „in allen das gemeinschaftliche Eheleben betreffenden Angelegenheiten“ dem Mann zu gehorchen. Ehefrauen hatten noch nicht
einmal das Recht, ihren Wohnsitz selbst zu wählen. Sie durften noch nicht einmal das eigene Vermögen, das sie in die Ehe eingebracht hatten, selbst verwalten. Das war 1958 in Deutschland!
Erst 1958 hat man auch die Regelung verändert, derzufolge ein Mann für seine Ehefrau deren Arbeitsverhältnis fristlos kündigen durfte. Dies war eine für den Arbeitsmarkt sehr wichtige Änderung.
Schauen wir nun in die heutige Realität: Welche Freiheiten haben doch die Frauen erreicht! Manche fragen sich: Brauchen wir angesichts solcher Veränderungen in unserer Gesellschaft wirklich eine Frauenförderung? Wenn man die Bildungserfolge von Frauen betrachtet, könnte man meinen, dass die Frauen nun das erreicht haben, was wir uns immer gewünscht haben, und an der Spitze angekommen sind.
Ich habe eine Tabelle mitgebracht, die das Segment derer darstellt, die akademische Ausbildungen absolviert haben.
Für den, der es nicht lesen kann, stelle ich diese Tabelle später gern zur Verfügung, Herr Kollege.
Die Quote der Abiturientinnen beträgt über 50 %. Der Anteil der Studienanfängerinnen liegt auch noch bei etwa 50 %. Bei den weiblichen Studierenden ist die Zahl derjenigen, die die Abschlussprüfungen bestehen, fast genauso hoch wie die Zahl der Studienanfängerinnen. Dann jedoch geht, wie Sie sehen können, die Kurve rapide nach unten. Der Anteil der Frauen unter den Promovenden beträgt weniger als 40 %, bei den Habilitanden sind es unter 25 %. Die Frauenquote bei Professuren beträgt weniger als 15 %, und bei den – für Männer meist selbstverständlich gewordenen – C-4-Professuren sind es unter 10 %.
Das heißt, wir müssen uns darüber Gedanken machen, woran es liegt, dass die Mädchen zwar am Anfang der Bildungskarriere sehr gut dastehen und die besten Voraussetzungen haben, aber im Laufe ihres Berufslebens von diesen guten Voraussetzungen nicht profitieren. Viele sehen als junge Schülerinnen oder Studierende gar nicht, dass sie Unterstützung notwendig haben. Sie sind gut, sie können etwas, sie sind sogar häufig die Besseren. Benoite Groult hat treffend beschrieben:
Die jungen Mädchen glauben, den Feminismus brauche man nicht mehr, die Zeit der Diskriminierung sei vorbei. Das glauben sie so lange, bis sie anfangen zu arbeiten.
Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, beginnt unsere politische Verantwortung. Das Grundgesetz sagt in Artikel 3 Abs. 2 ja nicht nur: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“, sondern im zweiten Satz auch:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Das heißt, das Grundgesetz gibt nicht nur Gleichberechtigung vor, sondern gibt uns auch einen politischen Auftrag.
Da will ich ganz konkret nach Baden-Württemberg schauen, weil wir wollen, dass dieser Frauenplenartag nicht nur wunderbar ist, weil die Männer, wenn hier vorne Frauen reden, einmal ein bisschen leiser sind als sonst, damit man die Chance hat, seine Sätze zu Ende zu bringen, sondern weil wir auch die Möglichkeit haben, hier einmal die Positionen von Frauen zur Geltung zu bringen. Das ist alles wunderbar. Aber hier im Plenarsaal gesprochene Worte allein helfen nichts. Wir brauchen auch praktische Taten zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
Da will ich jetzt das Thema der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie aufrufen. Liebe Kollegin Krueger, ich finde, wir sollten schon deutlich machen, dass es nicht nur eine Frage von Frauen ist, ob Kinder geboren werden. Ich wehre mich dagegen, immer nur zu hören: Weil die Frauen keine Kinder bekommen, gibt es weniger Kinder. Vielleicht gibt es so wenige Kinder, weil auch zu wenige Männer bereit sind, ihre Verantwortung als Väter ganz ernst zu nehmen.