Protocol of the Session on June 26, 2008

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 48. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Dienstlich verhindert sind die Herren Abg. Drexler, Kretschmann und Mack.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Buschle und Röhm erteilt.

Krank gemeldet sind die Herren Abg. Oelmayer, Reichardt und Rüeck.

Aus dienstlichen Gründen haben sich Ministerpräsident Oettinger, Minister Professor Dr. Reinhart und Minister Stächele für heute Nachmittag entschuldigt.

Dienstlich verhindert sind Frau Ministerin Gönner und Herr Minister Professor Dr. Frankenberg sowie Frau Staatsrätin Professorin Dr. Claudia Hübner.

Meine Damen und Herren, im Eingang befindet sich ein Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni 2008, Az.: 1 BvR 1443/08, zu einer Verfassungsbeschwerde betr. gesetzliche Ermächtigung zum massenhaften Abgleich von Kfz-Kennzeichen mit Fahndungsdaten in Niedersachsen.

Ich schlage vor, das Schreiben des Bundesverfassungsgerichts zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und Antwort der Landesregierung – Nachhaltige Hochschulplanung für mehr Studienberechtigte, Studienanfänger, Studienplätze und deren Finanzierung – Drucksache 14/2275

Dazu rufe ich den Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/2908, mit auf.

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Besprechung der Großen Anfrage fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der Fraktion GRÜNE fünf Minuten.

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir können mit der Debatte heute

Morgen nahtlos an die Aktuelle Debatte von gestern anschließen

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

und uns heute mit Blick auf die Hochschulpolitik darüber unterhalten, wo das Bildungsland Baden-Württemberg steht.

Eines ist klar – darüber herrscht sicher Konsens im Haus –: Wir stehen bildungspolitisch vor einer doppelten Herausforderung, die in einem sehr engen Zeitfenster zu bewältigen ist. Wir haben einerseits im Bereich der Schule und auch der frühkindlichen Bildung eine Qualitätsoffensive zu bewältigen. Wir haben einen strukturellen Umbau zu leisten, wir haben den Ausbau von Ganztagsschulen zu leisten – die ganze Palette, über die wir gestern geredet haben. Gleichzeitig haben wir im Bereich der Hochschulpolitik ein enormes Wachstum um ein Drittel, verglichen mit der Ausgangssituation, zu bewältigen, und dies unter Gewährleistung akzeptabler Studienbedingungen. Das ist die enorme doppelte Herausforderung, die innerhalb weniger Jahre zu bewältigen ist.

Der Bildungsbericht – auch gestern ist darüber schon geredet worden – ist an diesem Punkt sehr deutlich und mahnt: Deutschland hat seine Hausaufgaben noch nicht gemacht. Deutschland hinkt im OECD-Vergleich hinterher. In Deutschland ist noch nicht die nötige Quote beim Hochschulzugang erreicht. In Deutschland gibt es noch nicht genügend junge Menschen, die eine Hochschulzugangsberechtigung erreichen, also studieren dürfen. Notwendig wäre eine Quote von 50 % eines Altersjahrgangs. Es ist noch nicht erreicht, dass genügend junge Leute ein Studium aufnehmen. Hier bleibt Deutschland deutlich unter der empfohlenen Quote von 40 %; wir stagnieren bei 36 %, in der Tendenz sinkt die Quote sogar. Wir sind noch weit davon entfernt, dass 35 % eines Altersjahrgangs einen Hochschulabschluss haben. Auch da muss dringend nachgelegt werden.

(Beifall bei den Grünen)

Der Bildungsbericht bescheinigt: Deutschland ist hier seit 2005 unterhalb des OECD-Durchschnitts. Das ist ein Drama. Da müssen wir sehr schnell gegensteuern.

Wenn man sich die Situation in Baden-Württemberg anschaut, stellt man fest, dass es in einem Bereich mit dem Nachziehen ja klappt: Es gibt von Jahr zu Jahr mehr Schulabgänger, die eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben. In den Jahren 2003 bis 2011 haben wir einen Zuwachs von 15 500 zusätzlichen Schulabgängern und -abgängerinnen, die ein Hochschulstudium aufnehmen dürfen. Da ist der doppelte Abiturjahrgang noch nicht eingerechnet. Wenn man den doppelten

Abiturjahrgang 2012 dazunimmt, kommen zusätzlich noch 22 000 junge Menschen dazu, die an die Hochschulen dürfen. Das ist eine gute Nachricht.

Schauen Sie sich aber an, wie sich die Zahl der Studienanfängerplätze im Vergleich dazu entwickelt: In den letzten Jahren gab es in Baden-Württemberg einen Rückgang um 8 %. Daher müssen wir dringend gegensteuern. Die Landesregierung erweckt den Anschein, dass sie das verstanden hat. Vor der letzten Landtagswahl gab sie ein doppeltes Versprechen. Sie hat einen Masterplan zur Schaffung von 16 000 zusätzlichen Anfängerplätzen angekündigt, und sie versprach, dafür zusätzliche Mittel, sowohl vom Land als auch vom Bund, aufzubringen. Für den schönen Plan gab es das schöne Label „Masterplan Hochschule 2012“. Es wurden drei Stufen für das Wachstum festgelegt: Ein Plus von 4 000 Stellen in den Jahren 2007/08, in den Jahren 2009/10 weitere 6 000 Stellen und in den Jahren 2011/12 noch einmal 6 000 Stellen. Damit wäre man bei insgesamt 16 000 neuen Anfängerplätzen.

Mit unserer Großen Anfrage haben wir die Zahlen überprüft und eine erste Bilanz gezogen, wie die Realität aussieht, nachdem die erste Tranche des Masterplans abgelaufen ist. Wir kommen dabei zu einem ganz anderen Ergebnis. Die Landesregierung hat ihr Versprechen doppelt gebrochen, sie ist doppelt gescheitert, weil es nicht ansatzweise zu dem versprochenen und angestrebten Ausbau in der ersten Tranche gekommen ist. Wenn man das Ausgangsjahr 2005 zugrunde legt, sieht man: Die Hochschulen sind im roten Bereich, es sind mehr Anfängerkapazitäten abgebaut worden, als neue hinzugekommen sind. Und – das zweite gebrochene Versprechen – das nötige Geld ist nicht vorhanden, ganz im Gegenteil: Das Geld des Bundes, das in diesem Zeitraum zugesagt war – 18 Millionen € –, ist sozusagen verspielt, weil man mit dem Ausbau nicht in die Puschen gekommen ist.

(Beifall bei den Grünen)

18 Millionen € vom Bund sind zurückzuüberweisen.

Die Landesregierung ist auch deshalb gescheitert, weil sie jetzt noch nicht einmal sagen kann, wie sie die zweite Tranche – sie muss ja bei der ersten Tranche nacharbeiten und gleichzeitig die zweite vorbereiten – finanziert. Das gegenteilige Signal gibt sie an die Hochschulen. Wenn man draußen mit den Unis und den Fachhochschulen redet, hört man: Sie haben ihre Wünsche und Ideen dazu, wie sie weiter wachsen können, beim Ministerium angemeldet. Das Signal aus dem Wissenschaftsministerium ist: Wir können das nicht bezahlen. Die Fachhochschulen wären bereit, im Jahr 2009 3 000 neue Plätze zu schaffen. Das Ministerium signalisiert, höchs tens 1 200 würden finanziert werden. Das Gleiche höre ich auch von der Uni Mannheim.

Diese Bilanz, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doppelt peinlich. Sie ist auch bundesweit gesehen peinlich, denn bundesweit haben wir inzwischen die rote Laterne. Wir sind Schlusslicht beim Ausbau der Studienplätze. „Getoppt“ werden wir nur noch vom kleinen Saarland; direkt danach kommt Baden-Württemberg.

Man fragt sich: Was ist eigentlich schiefgelaufen in diesem Land, dass Baden-Württemberg bei einem solchen Vorhaben nicht in die Puschen kommt? Warum wollen die Studienan

fänger eigentlich überall lieber studieren als hier? Das kann ja nicht wahr sein! Dafür braucht man eine landesspezifische Erklärung. Das hat nichts damit zu tun, dass die Studierenden heutzutage nicht mehr studieren wollten. Sie bewerben sich in großer Zahl an den Hochschulen und gehen am Ende irgendwohin, aber nicht nach Baden-Württemberg. Dafür hat die Landesregierung keine plausible Erklärung. Ich aber habe eine:

Die Landesregierung hat mit den lokalen Auswahlverfahren, mit ihren Zulassungsverfahren das Instrument geschaffen, mit dem die Hochschulen effektiv den Masterplan konterkarieren können. Das geht nach folgendem Strickmuster: Wir nehmen das zusätzliche Geld für neue Studienplätze gern an, und gleichzeitig treten wir bei den bereits bestehenden Studienplätzen so auf die Bremse, dass wir in der Summe weniger Studierende aufnehmen müssen als vorher. Das haben die Universitäten mit großer Kunst vollführt. Das zusätzliche Geld ist in den Hochschulen angekommen, aber in der Gesamtbilanz sind keine zusätzlichen Plätze geschaffen worden. Das kann nicht in Ordnung sein.

Ich erwarte hier von Ihnen, Herr Wissenschaftsminister, eine klare Ansage, mit welchem Instrument Sie dagegenhalten wollen. Ihr Masterplan, so, wie Sie ihn bislang mit dem unsicheren Geld konstruiert haben, funktioniert offensichtlich nicht. Die Hochschulen reagieren darauf nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Es kann nicht sein, dass man jahrelang analysiert und derweil nichts tut. Wir haben noch wenige Jahre Zeit, um über 20 000 Anfängerkapazitäten zusätzlich zu schaffen.

Bei dieser ganzen Angelegenheit reden wir verblüffenderweise über dieselben Personen, über die wir gestern geredet haben, als wir über G 8 gesprochen haben. Wenn hier nicht sofort etwas passiert, dann ist nämlich die ganze „Generation 8“ betroffen, die Generation derer, die schon heute in den Gymnasien sind. Gemeint ist nicht nur der doppelte Abiturjahrgang, sondern genau genommen ist es die ganze Dekade der in den Neunzigerjahren Geborenen. Diese Kinder, die schon heute im Gymnasium sind, sind die doppelt Betrogenen. Sie werden zuerst im G 8 unter Druck gesetzt, in einer Schule, in der sie nicht die nötigen Bedingungen finden, in der der Zeitdruck und der Prüfungsdruck zunehmen, die noch keine Ganztagsschule ist und bei der die individuelle Förderung nicht stimmt.

Wenn sie das Abitur dann nach acht Jahren geschafft haben, stehen sie vor einer Hochschullandschaft, in der sie erstens Aufnahmeprüfungen machen müssen, und zwar flächendeckend – auch das ist hier vor Kurzem beschlossen worden –, und in der sie zweitens keine ausreichende Zahl an Studien plätzen vorfinden.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: So ist es!)

Es kann ihnen also passieren, dass sie erst ein Jahr weniger Zeit haben bis zum Abitur, dann jedoch vor der Tür der Uni stehen und ein Jahr warten müssen, weil sie keinen Studienplatz finden. Das alles trifft dieselbe Generation.

Ich erwarte hier von der Landesregierung ein klares Signal, dass die jungen Menschen der „Generation 8“ am Ende nicht

die doppelt Dummen einer gescheiterten Bildungspolitik sind.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie merken es sicher auch: Die Schüler, die Schülerinnen und die Eltern haben begriffen. Sie kümmern sich inzwischen um das Problem. Sie wissen, dass es nicht nur darum geht, ein paar Übergangsregelungen für den doppelten Abiturjahrgang zu sichern, sondern sie wissen, dass es um ihre Zukunftschancen und die ihrer Kinder geht. Sie organisieren sich inzwischen, sie melden sich auch bei Ihnen, und ich kann hiermit ankündigen, dass wir von unserer Seite alles dafür tun werden, diese Eltern und diese Schüler zu unterstützen. Denn es geht um ihre Zukunftschancen, und es geht letzten Endes auch um die Zukunftschancen des Bildungslandes Baden-Würt temberg insgesamt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Gute Rede!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Schüle.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der Grünen gibt uns Gelegenheit, Kernpunkte unserer Hochschulpolitik aktuell zu debattieren. Wir, die CDU-Landtagsfraktion, arbeiten mit der Landesregierung kontinuierlich daran, den Vorsprung in der Hochschulpolitik im Interesse unserer Studierenden und der Zukunftsfähigkeit unseres Landes konsequent auszubauen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Werner Pfisterer CDU: Sehr gut!)

Das Hochschulausbauprogramm 2012 ist dabei ein weiterer wichtiger konkreter Baustein auf dem Weg, die Spitzenstellung unserer Hochschulen zu sichern und die Hochschulen rechtzeitig voranzubringen. Zum Thema Rechtzeitigkeit eine Vorbemerkung: Wenn es ein Erfolgsgeheimnis – ein wesentliches Erfolgsgeheimnis – dafür gibt, dass die Hochschulen in unserem Land allen Untersuchungen zufolge bundesweit an der Spitze stehen, dann liegt das daran, dass wir entscheidende Weichenstellungen rechtzeitig und vor allen anderen Bundesländern vorgenommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Werner Pfisterer CDU: So ist es! – Zuruf der Abg. Bärbl Mie- lich GRÜNE)