Erwin Teufel
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Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich darüber, dass das Präsidium des Landtags diesen Punkt auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt hat, weil mir das die Möglichkeit gibt, zu einem Bereich Stellung zu nehmen, der mir in meiner politischen Arbeit ganz besonders wichtig war. Ich finde es beglückend, dass man nicht nur eine hohe Übereinstimmung, sondern eine fast vollständige Übereinstimmung aller Fraktionssprecher zu diesem Thema feststellen kann. Ich möchte mich dafür ausdrücklich bedanken.
Die Landesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion umfassend über die vielfältigen und privilegierten Beziehungen Baden-Württembergs zu Frankreich berichtet. Ich verweise darauf, weil mir das die Möglichkeit gibt, mich auf einige wichtige Punkte zu konzentrieren.
Meine Damen und Herren, wer über die Gegenwart und über die Zukunft der Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und Deutschland auf der einen Seite und Frankreich auf der anderen Seite spricht, kommt nicht an der Vergangenheit vorbei. Kollege Rust hat auch damit begonnen.
Ich zitiere André Malraux, den großen französischen Politiker und Philosophen:
Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit buchstabieren.
Heute vor 60 Jahren, am 20. April 1945, sind französische Streitkräfte, französische Panzer, von Freudenstadt kommend in meine Heimatgemeinde gekommen. Das ist meine allerälteste, präzise Kindheitserinnerung. Ich habe den Tag vor mir vom Morgen bis zum Abend: französische Panzer, brennende Häuser, herumirrendes Vieh, Menschen, die in großer Not am Löschen waren, mehr als 15 Gebäude in Flammen.
Es war keine gute Besatzungszeit in den ersten Tagen, Wochen und Monaten. Man muss das aussprechen. Sie war geprägt vom Abbau von Maschinen in den Fabriken, der Demontage von Gleisen der Bahn, die bis zum heutigen Tag nicht wieder eingebaut sind, einem Kahlschlag in unseren Wäldern und einer mangelhaften Lebensmittelversorgung der Bevölkerung. Das ist ein Teil der Wahrheit. Der zweite Teil ist: Dem voran ging der Überfall Deutschlands auf Frankreich, die Einnahme von Paris und eine für Frankreich
demütigende und schwere deutsche Besatzungszeit mit dem Zusammentrieb und der Ermordung vieler französischer Juden.
Meine Damen und Herren, auf unseren Friedhöfen in Baden-Württemberg stehen drei Gefallenendenkmäler nebeneinander: eines aus dem Krieg von 1870/71, eines aus dem Ersten Weltkrieg und eines aus dem Zweiten Weltkrieg. Über Jahrhunderte hinweg hat man alle 20, 30 Jahre all das wieder zusammengeschlagen, was vorher mühselig aufgebaut worden war. Man hat die Feindschaft geradezu gepflegt und von einer Generation zur nächsten tradiert.
Ganz besonders hat die badische und natürlich auch die pfälzische Grenzlandschaft gelitten. Es war eine ausgewiesene tote Zone, in der aus diesem Grund nicht investiert werden durfte, eine Evakuierungszone. Im Grunde hat diese Landschaft am Rhein überhaupt erst nach dem Zweiten Weltkrieg vergleichbare Entwicklungschancen bekommen wie alle anderen Regionen in Baden-Württemberg und in Deutschland.
Man sagt, die Menschen lernen nicht aus der Geschichte. Die Deutschen, die Franzosen, die Europäer haben aus der Geschichte gelernt – spät genug. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine völlig neue Politik eingeleitet. Der Erste, der die Hand ausgestreckt hat, war der französische Außenminister Robert Schuman. Die ausgestreckte Hand wurde seinerzeit von Konrad Adenauer angenommen. Jean Monnet war der Architekt einer neuen Zusammenarbeit in Europa.
Charles de Gaulle hat dies später aufgenommen und hat in Ludwigsburg im Schlosshof vor 4 000 jungen Menschen eine große Rede an die deutsche Jugend gehalten. Ich vergesse nicht, dass ich als junger Mensch damals auf dem Schlosshof in Ludwigsburg dabei sein konnte.
Und heute? Heute ist ein Krieg zwischen Deutschland und Frankreich undenkbar. Heute gibt es nicht einmal mehr Grenzkontrollen an den deutsch-französischen Grenzen. Heute ist der Rhein nicht mehr Grenze, sondern Brücke.
Heute – das muss man sich einmal vorstellen – liegt in Frankreich bei Umfragen nach dem beliebtesten Land und dem beliebtesten Volk Deutschland auf dem ersten Platz und liegt in Deutschland bei entsprechenden Umfragen Frankreich auf dem ersten Platz. Eine solche Entwicklung muss man sich einmal vorstellen. Was für ein Wandel, was für ein Wunder, was für ein Ereignis!
Und dies ist – das ist das Entscheidende – eben nicht nur das Ergebnis deutsch-französischer und französisch-deutscher Politik, nicht nur das Ergebnis von Regierungshandeln, das Ergebnis des Freundschaftsvertrags zwischen den beiden Ländern. Vielmehr ist die deutsch-französische Freundschaft heute in den Herzen der Menschen verankert. Den entscheidenden Beitrag dazu haben unsere Städte und Gemeinden mit den Städtepartnerschaften geleistet – das muss man heute einmal mit aller Anerkennung sagen –,
wobei die mit Abstand meisten in Deutschland, nämlich über 400, zwischen baden-württembergischen und französischen Gemeinden bestehen.
Jeder weiß aus eigener Erfahrung, wie viele Menschen sich aus unseren Vereinen, auch aus unseren Gemeinderäten heraus vor Ort für die deutsch-französische Zusammenarbeit ehrenamtlich engagieren.
Zu nennen sind weiter der Schüler- und der Studentenaustausch, das Engagement vieler einzelner Bürger, die gute Nachbarschaft zum Elsass, die enge institutionalisierte Zusammenarbeit im Oberrheinrat und in der PAMINA-Region.
Ich nenne ferner Französisch als erste Fremdsprache in der Grundschule entlang des Rheins als Sprache des Nachbarn, die Landesgartenschau in Kehl – auf beiden Seiten des Rheins gestaltet und ausgerichtet und mit einer Brücke verbunden – sowie den Eurodistrikt Straßburg – Kehl/Ortenau. Von mehreren meiner Vorrednerinnen und Vorredner wurde er ausdrücklich als ausbaufähig und ausbaunotwendig angesprochen. Das ist auch meine Meinung.
Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg pflegt in jeder Hinsicht privilegierte Beziehungen zu Frankreich. Die einzige Hürde, die ich in den französisch-deutschen und in den deutsch-französischen Beziehungen heute noch sehe, ist das Sprachproblem. Ich habe mich vier Jahre als Beauftragter der Bundesrepublik Deutschland für die deutschfranzösischen Kulturbeziehungen bei den zweimal jährlich stattfindenden Gipfeltreffen intensiv mit meinen französischen Partnern darum bemüht. Wir sind nur Trippelschritte vorangekommen.
Es ist zu Recht gesagt worden, dass wir an unseren Gymnasien einen hohen Prozentsatz an Schülern haben, die Französisch als Zweit- oder als Drittsprache lernen. Da es für die Nachbarregionen von entscheidender Bedeutung ist, dass die Breite der Bürger die Sprache des Nachbarn versteht, danke ich allen, die vor Ort mitgeholfen haben – Abgeordnete, Bürgermeister, Kammern der Wirtschaft –, dass entgegen vielfältigen Bedenken von Eltern in den Schulen entlang des Rheins Französisch in der ersten Grundschulklasse eingeführt werden konnte.
Wir haben an einigen Gymnasien unseres Landes bilinguale Züge einrichten können. Ich würde es für ausbaufähig halten, über die Fremdsprache Französisch hinaus einige weitere Fächer – ein zweites, drittes und vielleicht viertes Fach – in Französisch zu unterrichten,
und umgekehrt auch in Frankreich.
Ich denke an die deutsch-französische Hochschule, die wir gegründet haben – dies geschah durch die Zusammenarbeit von deutschen und französischen Hochschulen – mit gemeinsamen Bildungsplänen, mit der Möglichkeit zu promovieren und Abschlüsse zu erwerben, die in beiden Staaten anerkannt sind. Das ist ein Ergebnis auch meiner langjähri
gen Bemühungen gewesen. Wir haben zudem an einer ganzen Reihe von Universitäten integrierte Studiengänge.
Wir in Baden-Württemberg fördern – das halte ich für bemerkenswert, nachdem Frankreich sich aus den Kulturinstituten zurückgezogen hat – die vier Kulturinstitute Frankreichs in Baden-Württemberg.
Wir haben nicht nur Schüleraustausch, sondern auch Lehreraustausch, partiell sogar auch eine gemeinsame Lehrerausbildung von elsässischen und baden-württembergischen Lehrern. Was für ein Fortschritt!
Am Donnerstag letzter Woche fand eine Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin statt. Es ist beschlossen worden, dass ein französisch-deutsches Geschichtsbuch herauskommen soll – kein Geschichtsbuch über die deutsch-französischen Beziehungen, sondern ein Geschichtsbuch über unsere gemeinsame Geschichte in Europa. Das Buch wird in den nächsten Monaten erarbeitet und vom Klett-Verlag verlegt. Dieses gemeinsame Geschichtsbuch halte ich ebenfalls für ein bemerkenswertes Ereignis und für einen großen Fortschritt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beziehungen BadenWürttembergs zum Elsass sind eng, und sie stehen in einem Prozess ständiger Vertiefung. Viele von Ihnen arbeiten daran mit.
Nun ist ein zweites Problem angesprochen worden, über das wir sprechen müssen und um das ich mich seit Monaten intensiv bemühe. Die INTERREG-Programme waren eine ganz große Hilfe, nicht nur in den Beziehungen vor Ort zu Frankreich, sondern auch zur Schweiz und zu Österreich, zu Vorarlberg. Die Europäische Union hält an den INTERREG-Programmen und auch an der Fördersumme fest.
Die deutsche Bundesregierung sagt – mit guten Gründen; das will ich dazusagen –, wir müssen uns auf die Außengrenzen zu den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union konzentrieren. Dagegen habe ich gar nichts. Das darf aber keine Ausschließlichkeit begründen. Wir können das eine oder andere INTERREG-Programm auf eigene Füße stellen, aber wenn man die gesamte Förderung wegnähme, würde unglaublich viel zusammenbrechen, was in den letzten Jahren aufgebaut worden ist.
Deshalb habe ich – bei allem Verständnis dafür, dass INTERREG-Programme an den Außengrenzen nach Osteuropa neu aufgelegt werden müssen – die dringende Bitte, dass wir, alle vier Gruppierungen hier im Landtag, unsere Bemühungen in Berlin verstärken, um der Forderung Nachdruck zu verleihen, dass die INTERREG-Förderung – wie es Brüssel selbstverständlich ermöglicht – auch an unseren Binnengrenzen aufrechterhalten wird.
Ich denke an den großen Fortschritt der Institutionalisierung, die durch das Karlsruher Abkommen vor einigen Jahren zustande gekommen ist. Heute können Gemeinden ohne
die zuvor bestehende, viel Zeit in Anspruch nehmende Genehmigungspflicht von Paris und Bonn bzw. Berlin nach den gleichen Grundsätzen, wie wir sie im nationalen Recht haben, über die Grenze hinweg Zweckverbände bilden.
Ich denke an das Programm für den Austausch von Beamten zwischen Baden-Württemberg und dem Elsass. Ich denke an das deutsch-französische Doktorandenprogramm der Universität Freiburg und der Universität Straßburg. Ich denke auch an das Kompetenzzentrum für grenzüberschreitende und europäische Fragen in Kehl, an das sich jeder aus der Wirtschaft und auch jeder Bürger unseres Landes wenden kann. Das hat sich außerordentlich bewährt.
Meine Damen und Herren, in Baden-Württemberg – ich erwähne das wegen des Punktes, den ich nachfolgend ansprechen möchte, nämlich der Frage des französischen Generalkonsulats in Stuttgart – sind bedeutende Institutionen der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Ich denke an das von Theodor Heuss und Carlo Schmid gegründete DeutschFranzösische Institut in Ludwigsburg, d a s Kompetenzzentrum in Deutschland für Frankreich. Ich denke aber auch an das hoch renommierte Frankreich-Zentrum der Universität Freiburg. Ich denke an die Deutsch-Französische Filmakademie in Ludwigsburg. Ich denke an sagenhaft viele, nämlich 246 Hochschulpartnerschaften zwischen badenwürttembergischen Hochschulen und französischen Bildungseinrichtungen des tertiären Bereichs.
Zu Recht ist angesprochen worden, wie stark die Handelsbeziehungen und die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Baden-Württemberg und Frankreich sind. Im Verkehrsbereich haben wir einiges erreicht. Ich denke an eine Landesstraße und eine Landesbrücke von Altenheim nach Eschau, die vor zwei oder drei Jahren eingeweiht worden ist.
Es bleibt die große Forderung – auch der französischen Seite –, die wir von Baden-Württemberg aus nachdrücklich unterstützen, im Rahmen der großen europäischen Verkehrsmagistrale auf der Schiene zwischen Paris und Budapest, die über Straßburg, Kehl, Karlsruhe, Stuttgart und Ulm in den Süden führen soll, nun die Mittel für den Rheinübergang zwischen Straßburg und Kehl bereitzustellen, damit der TGV zu dem Zeitpunkt, zu dem er in Straßburg ankommt, auch von uns abgenommen und mit der Rheinschiene verknüpft werden kann – aber nicht nur mit der Rheinschiene, sondern eben auch mit der Weiterführung über Karlsruhe nach Stuttgart und Ulm. Darüber habe ich in der letzten Woche ein ausführliches Gespräch mit dem EUKommissar für Verkehrsfragen, Barrot, einem Franzosen, geführt, und er hat mir nicht nur Unterstützung für dieses Projekt zugesagt, sondern auch eine nachdrückliche Förderung und Forderung vonseiten der Europäischen Union, damit dieses Projekt bald realisiert werden kann. Das liegt im Interesse Baden-Württembergs. Ich halte das für eine wichtige Zukunftsaufgabe.
Meine Damen und Herren, dies alles kulminiert nun in der Frage der zukünftigen Repräsentanz Frankreichs in BadenWürttemberg. Es gibt vonseiten der französischen Regierung konkrete Überlegungen, das französische Generalkon
sulat in Stuttgart aufzugeben. Ich möchte hier zwei Dinge vorausschicken. Das erste ist: Die Entscheidung liegt in der Souveränität der französischen Regierung. Zweitens: Ich habe Verständnis dafür, dass dann, wenn Deutschland, die Vereinigten Staaten, Großbritannien und nun auch Frankreich an diese Sache herangehen, weil sie unglaublich viele neue Botschaften, etwa in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, aber auch in Entwicklungsländern einrichten müssen, dies alles bei der gegenwärtigen Haushaltslage in all diesen Ländern nur durch den Abbau von konsularischen Vertretungen gemacht werden kann. Wenn ein Nachbar das Gleiche tut, was wir selber machen, kann man ihm das nicht vorwerfen. Aber die entscheidende Frage ist, wo die verbleibenden Generalkonsulate in Deutschland ihren Sitz haben. Da muss ich aus der Sicht Baden-Württembergs wirklich sagen: Mir scheint, dass da die erste Priorität BadenWürttemberg heißt.
Unser Land hat die längste Grenze zu Frankreich. 25 000 Franzosen leben in Baden-Württemberg; in keinem deutschen Land leben auch nur annähernd so viele Franzosen. Die kulturellen Beziehungen zu Frankreich sind in keinem Land enger als in Baden-Württemberg.
Zu Recht sind die wirtschaftlichen Beziehungen angesprochen worden. Nach den Vereinigten Staaten ist Frankreich für uns das Exportland Nummer 2, und für Frankreich ist Baden-Württemberg das Exportland Nummer 1 in Deutschland.
Meine Damen und Herren, kein Land hat engere Beziehungen zu Frankreich als sein unmittelbarer Nachbar, nämlich Baden-Württemberg. Ein Generalkonsulat gibt Frankreich ein Gesicht in Baden-Württemberg. Ich möchte ausdrücklich mit allem Respekt sagen: Seit ich es überhaupt überschauen kann, hat Frankreich Spitzendiplomaten nach Stuttgart geschickt, bis zum heutigen Tag. Diese Diplomaten haben die deutsch-französischen Beziehungen wirklich entscheidend gefördert.
Wir legen in der Antwort auf die Große Anfrage dar, das Generalkonsulat habe eine informelle Funktion, eine kulturelle Funktion und eine Mittlerfunktion, und wir begründen dies in unserer Antwort ausführlich. Diese Frage hat also für die Landesregierung von Baden-Württemberg einen ganz hohen Stellenwert.
Wir bemühen uns seit Monaten auf allen uns zugänglichen Ebenen darum, dass sich der Sitz eines der in Deutschland verbleibenden Generalkonsulate Frankreichs in BadenWürttemberg befindet. Dabei kommt es uns nicht auf eine Passstelle an, sondern es kommt auf eine hochrangige politische, diplomatische Vertretung Frankreichs in unserem Land an. Ich denke, dass wir dafür auch die Unterstützung des ganzen Hauses haben.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir abschließend noch ein persönliches Wort zu diesem Thema: Die deutschfranzösische Aussöhnung und Zusammenarbeit war mir immer ein besonderes Anliegen. Es ging mir um Frieden und um gute Nachbarschaft am Oberrhein. Es ging mir um eine
friedliche Zukunft der jungen Generation. Deshalb habe ich als Bürgermeister eine Partnerschaft mit einer französischen Stadt begründet. Ich vergesse nicht, was mir der französische Bürgermeisterkollege bei der ersten Begegnung gesagt hat – er war 73 Jahre alt und in zwei Weltkriegen gegen Deutschland dabei –: „Ich will diese Partnerschaft, damit sich die junge Generation unserer beiden Städte kennen lernt. Denn wer sich kennt, schießt nicht aufeinander.“
Deshalb war mir die Zusammenarbeit mit dem Elsass und auch mit Rhône-Alpes ein so wichtiges Anliegen. Deshalb habe ich mich vier Jahre lang als Kulturbeauftragter um die Pflege der deutschen Beziehungen zu Frankreich gekümmert. Deshalb bin ich seit Jahren Vorsitzender der Freundschaftsgruppe des Bundesrats zum französischen Senat. Ich hatte die Ehre, vor zwei Jahren als einziger Deutscher zur Feier des Jubiläums des Elysée-Vertrags vor dem französischen Senat zu sprechen.
Meine Damen und Herren, wer um unsere Geschichte weiß und wer an die Zukunft unserer Kinder denkt, der muss sich aktiv für die deutsch-französischen Beziehungen und für die europäische Zusammenarbeit einsetzen.
Deshalb hoffe ich auch auf eine Zustimmung des französischen Volkes in der Abstimmung über den europäischen Verfassungsvertrag. Es gibt keine Alternative zu einem geeinten Europa!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal als Vorspann sagen – ich habe das in den letzten Wochen auch oft in der Öffentlichkeit und in Gesprächen mit Kommunalpolitikern gesagt –, damit man die nachfolgenden Sätze nicht als einen Angriff auf die Bundespolitik und ein Ablenken von unseren eigenen Problemen versteht: Der Bund hat eine katastrophale Haushaltslage, alle Länder haben eine katastrophale Haushaltslage, und die Kommunen haben eine katastrophale Haushaltslage.
Die Ursachen sind doch auf allen drei Ebenen die völlig gleichen. Man braucht doch keine höhere Mathematik, das kleine Einmaleins reicht doch aus, um auszurechnen, dass, wenn man über 5 Millionen Arbeitslose hat, wenn 5 Millionen Menschen keine Sozialbeiträge und keine Steuern bezahlen, aber aus öffentlichen Kassen Leistungen bekommen, es zu einem Zusammenbruch der sozialen Sicherungs
systeme und zu Einnahmeverschlechterungen im Haushalt kommt.
Es ist doch eine Binsenweisheit, dass Deutschland unter den 25 Ländern der Europäischen Union nicht mehr an der Spitze des Wirtschaftswachstums steht, sondern – als stärkste Volkswirtschaft – am Ende der Entwicklung. Es ist doch natürlich immer dann – –
Was soll denn das? Also, so ein Quatsch! Wenn Sie 30, 40 oder 50 Jahre Landespolitik überblicken, dann wissen Sie ganz genau, dass immer dann, wenn wir in eine Baisse geraten, Baden-Württemberg ein unterdurchschnittliches Wachstum hat und am stärksten betroffen ist. Sobald wir wieder in eine Hausse kommen, hat Baden-Württemberg wieder ein überdurchschnittliches Wachstum.
Das können Sie an Grafiken, die über den Verlauf der letzten 50 Jahre erstellt wurden, wirklich ablesen.
Was soll das also eigentlich? Das sind Zwischenrufe, die nur vom Problem ablenken sollen. Ich möchte bei einer solchen Debatte doch auch einmal über die Ursachen reden können. Wahrheit ist doch, dass im letzten Jahr beispielsweise alle Wirtschaftsinstitute und auch die Bundesregierung mit einer prognostizierten Wachstumsrate von 2 % in den Januar hineingegangen sind und dass dann buchstäblich jeden Monat die Prognose für dieses Wachstum nach unten korrigiert worden ist. Im Januar dieses Jahres gab es die gleiche Situation, und bereits jetzt, im Februar, haben wir wieder eine Reduzierung der Wachstumserwartung.
Wie sollen denn dabei eigentlich Arbeitsplätze entstehen? Wie sollen denn eigentlich die Steuereinnahmen – ich komme nachher auf die Einnahmeausfälle noch im Detail zu sprechen – zunehmen, wenn wir nicht wieder eine wachsende Volkswirtschaft haben?
Das Zweite: Die gerade für Baden-Württemberg besonders bedeutende und viel erschreckendere Zahl als die, die jeden 5. eines Monats mit der neuen Arbeitslosenstatistik veröffentlicht wird, ist die, dass wir in Deutschland vom 1. Januar bis zum 31. Dezember pro Tag 1 200 Arbeitsplätze verlieren. Der neue BDI-Präsident hat gerade diese Zahl genannt. Sie stimmt; es sind zwischen 1 000 und 1 500 Arbeitsplätze pro Tag. Die Arbeitsplätze, die neu entstehen, machen nur einen verschwindend geringen Prozentsatz im Vergleich zu den verloren gegangenen Arbeitsplätzen aus. Von den neu entstehenden Arbeitsplätzen kommt ein volles Drittel aus Baden-Württemberg. Über mehrere Jahre hinweg entstanden über ein Drittel der neuen Arbeitsplätze in
Deutschland in Baden-Württemberg – und das, obwohl die Einwohnerzahl Baden-Württembergs nur 13 % der deutschen Bevölkerung beträgt.
Unsere Wirtschaft leistet nach wie vor Herausragendes,
denn sie hat die gleiche miserable Binnennachfrage wie alle anderen deutschen Unternehmen. Wir leben vom Export. Wie sich das Verhältnis vom Euro zum Dollar entwickelt hat und noch entwickelt, können Sie alle verfolgen. Es ist eine herausragende Leistung der Wirtschaft unseres Landes, dass trotz der ständigen Abwertung des Dollars eine solche Exportleistung zustande kommt.
Aber die große Sorge, die ich im Land habe, ist: Der große Mittelstand ist längst mit Produktion und zunehmend auch mit Dienstleistung, Forschung und Entwicklung nach Osteuropa und Südosteuropa, nach Asien, nach China gegangen. Der kleine Mittelstand kann nicht ausweichen. Der Handwerksbetrieb und der mittlere Mittelstand machen sich im Augenblick lautlos auf. Neue Investitionen finden in großer Zahl in unseren südost- und osteuropäischen Nachbarländern statt.
Der Präsident des ifo-Instituts hat es an einem Schaubild deutlich dargestellt: Wenn man die Löhne in Westdeutschland gleich 100 setzt, sind sie in Ostdeutschland 80 und in Tschechien, in der Slowakei, in Ungarn, in Polen 14. Deswegen stehen viele mittlere mittelständische Betriebe, Zulieferbetriebe zur Automobilindustrie, vor der Frage: Verlieren wir unsere Kunden, denn diese haben entsprechende Angebote von Anbietern aus Ost- und Südosteuropa, oder gehen wir selbst hinaus, damit wir zu Mischkalkulationen kommen und uns noch über Wasser halten können? Es findet also derzeit auch und gerade aus Baden-Württemberg ein lautloser Auszug von Investitionen mittelständischer Unternehmen in Nachbarländer der Europäischen Union statt.
Die Kleinen können nicht ausweichen. Die für mich erschreckendste Zahl der letzten Wochen ist: In den letzten sechs Jahren hat das Handwerk 1 Million Betriebe und 2 Millionen Arbeitsplätze verloren. Das stand nicht einmal in einer Lokalzeitung. Denn wenn ein Handwerksbetrieb, ein Einzelhandelsgeschäft aufgibt oder seine Mitarbeiterzahlen halbiert, dann steht das nicht einmal im Lokalteil der Zeitung.
Nur wenn Opel, wenn Karstadt-Quelle, wenn die Deutsche Bank Tausende von Arbeitsplätzen abbauen, ist das wochenlang in den Medien. Aber die Summen sind sehr viel größer im Mittelstand, im Handwerk und im Einzelhandel, und es entstehen zum Ausgleich des Abbaus von Arbeitsplätzen nicht ausreichend zusätzliche Arbeitsplätze.
Wir haben einen Einbruch der Steuereinnahmen. Das Loch der deutschen Staatskasse ist so groß wie noch nie in einem Jahr. Das Staatsdefizit überschreitet zum dritten Mal in Folge die erlaubte Grenze. Meine Damen und Herren, man muss doch einmal zur Kenntnis nehmen, wenn man wie Sie,
Herr Kretschmann, ausschließlich auf die Verschuldung blickt, dass wir in Baden-Württemberg im Jahr 2004 noch nicht einmal die Steuereinnahmen des Jahres 1999 erreicht haben, aber eine riesige Steigerung von Sachausgaben und leider auch von Personalausgaben zu verzeichnen haben, obwohl wir Personal abgebaut haben. Warum haben wir denn zu den Notmaßnahmen der Kündigung von Tarifverträgen, der Arbeitszeiterhöhung, der Streichung von Urlaubsgeld und der Kürzung des Weihnachtsgelds gegriffen? Weil wir in purer Not gewesen sind, weil die Einnahmen wegbrechen und wir auf der anderen Seite nicht in eine immer noch höhere Verschuldung gehen können.
Meine Damen und Herren, wir hatten auch in den letzten Jahren Sparhaushalte. Lieber Herr Kretschmann, bitte nehmen Sie einmal zur Kenntnis: Ich bin im Januar 1991 Ministerpräsident geworden. Sie können es selber nachprüfen: Im Februar 1991 kam die seit Jahrzehnten allererste Steuerschätzung, bei der die Steuereinnahmen nach unten gegangen sind. Dann können Sie die Entwicklung weiterverfolgen: Halbes Jahr für halbes Jahr, Jahr für Jahr sind die Steuerschätzungen weiter nach unten gegangen.
Nun können Sie über die früheren Landesregierungen sagen, was Sie wollen. Sie setzen dann auf das schlechte Gedächtnis Ihrer Zuhörer. Aber es stimmt eben nicht. Herr Mayer-Vorfelder – Sie können über ihn sagen, was Sie wollen – hat als Finanzminister einen strikten Sparkurs gefahren und hatte die Unterstützung des Ministerpräsidenten. Die Koalitionsrunden von 1992 bis 1996 mit dem Koalitionspartner SPD und die danach mit dem Koalitionspartner FDP/DVP waren tagelange Sitzungen – tagelange Sitzungen! – mit Streichungsaktionen. Auf der Ausgabenseite des Haushalts haben wir ab 1992 Milliardenbeträge eingespart, um nicht zu einer noch höheren Verschuldung zu kommen.
In den Jahren 2005 und 2006 – ich komme mit weiteren Fakten darauf zu sprechen – war der Haushaltsausgleich eine kaum beherrschbare Aufgabe: Wir hatten eine Finanzierungslücke von insgesamt 3,6 Milliarden im Jahr 2005 und rund 3,8 Milliarden im Jahr 2006, und zwar – das muss ich, wenn Sie, Herr Kretschmann, die Schulden jetzt in Euro darstellen, an dieser Stelle auch sagen – Euro! Man stelle sich einmal vor – und Sie sind schon lange im Landtag –, wir hätten vor einigen Jahren Haushaltslücken von 7 und mehr Milliarden Mark in einem einzigen Jahr gehabt! Wir sind weit davon entfernt gewesen, aber das ist die Herausforderung, vor der wir heute stehen.
Wir haben Kürzungen im Umfang von 1 Milliarde 44 Millionen € im Jahr 2005 und 1 Milliarde 342 Millionen € im Jahr 2006 vorgenommen. Wir haben für Einnahmeverbesserungen in Höhe von 559 Millionen € im Jahr 2005 und 429 Millionen € im Jahr 2006 sorgen können.
Die für die von der Verfassung festgelegte Obergrenze maßgebliche Nettoneuverschuldung liegt in den Jahren 2005 und 2006 bei 1 Milliarde 940 Millionen €. Meine Damen und Herren, im Unterschied zur Bundesregierung haben wir die Entwicklung eben nicht laufen lassen, sondern einen verfassungskonformen Haushalt vorgelegt.
Im Unterschied zu zehn anderen Landesregierungen haben wir eben nicht einen verfassungswidrigen Haushalt vorgelegt,
so schwierig es war; und wir haben Lücken auch mit Maßnahmen geschlossen, wie wir sie vor einigen Jahren nicht getroffen haben und auch nicht getroffen hätten. Ich sage das genau so offen.
Aber ich sage an dieser Stelle auch: Ohne die Leistungen des Landes in den Länderfinanzausgleich wären wir selbst in einer so schwierigen Lage schuldenfrei. Das Land Baden-Württemberg würde sich überhaupt nicht verschulden.
Herr Kretschmann, das ist jetzt keine unsolidarische Bemerkung gegenüber anderen. Ich habe mich stets zum Länderfinanzausgleich bekannt, aber ich möchte nur einmal darauf hinweisen, dass andere klassische föderative Staaten und klassische Demokratien keinen horizontalen Finanzausgleich kennen, beispielsweise unser Nachbarland, die Schweiz, beispielsweise die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Beide haben keinen horizontalen Finanzausgleich.
Meine Damen und Herren, deswegen ist es schon einmal angebracht, zu sagen: Selbst in einer solchen Notsituation wie der des Jahres 2005 wäre Baden-Württemberg ohne Leistungen in den Länderfinanzausgleich schuldenfrei, und zwar auch insgesamt. Wir haben mehr in den Länderfinanzausgleich gezahlt, als die Gesamtverschuldung des Landes Baden-Württemberg beträgt.
Weil es aber zehn Nehmerländer und vier Zahlerländer gibt, kommen Sie auf demokratischem Weg über Mehrheiten in den Parlamenten zu keinen Veränderungen. Ich habe mich immer zum Länderfinanzausgleich bekannt, aber ich habe immer auch gesagt, dass ich für einen gerechten Länderfinanzausgleich bin.
Eine Totalnivellierung, eine Nivellierung bis auf 98 % halte ich nicht für gerecht. Immer noch hält sich das Gerücht, die beiden süddeutschen Länder seien die reichen Länder in Deutschland. Ich frage dann immer: Vor dem Länderfinanzausgleich oder nach dem Länderfinanzausgleich?
Vor dem Länderfinanzausgleich sind wir das sehr wohl. Aber nach dem Länderfinanzausgleich ist alles eben planiert, und wir stehen in diesem Landesparlament bei den Haushaltsplanberatungen überhaupt nicht besser als die Parlamente in anderen deutschen Ländern.
Meine Damen und Herren, das Land hat in der Personalreduzierung getan, was es konnte. Da haben wir überhaupt keine Nachhilfe gebraucht. Wir haben ab 1992 in zehn Jahren 10 000 Stellen abgebaut, und trotzdem gab es nicht einen Euro Einsparung. Warum? Weil die gesamten 10 000 Stellen, die wir im administrativen Bereich eingespart ha
ben, in neue Lehrerstellen und in neue Polizeibeamtenstellen umgeschichtet worden sind. Ich denke, dass wir auch heute noch darin übereinstimmen, dass diese neuen Lehrerstellen notwendig gewesen sind. Denn erfreulicherweise haben wir in diesem Zeitraum jedes Jahr am Einschulungstag 30 000 Grundschüler mehr eingeschult als im vorherigen Jahr. Dieses Land hatte im Unterschied zu fast allen anderen Ländern die Kraft, zusätzliche Lehrerstellen zu schaffen – bis in dieses Jahr hinein. In der laufenden Legislaturperiode schaffen wir noch einmal 5 500 Stellen.
Die gesamten Personaleinsparungen sind von einem Bereich erbracht worden, der nur 18 % der Landesbediensteten umfasst, nämlich dem klassischen Kern der Verwaltung. Wir konnten bei den Lehrern, bei den Hochschulen – diese sind „vollgelaufen“ –, bei der Polizei, bei der Justiz und im Strafvollzug keine Personalkürzung vornehmen. Diese Bereiche umfassen 82 % des Personals.
Diese konsequente Einsparungspolitik ist im Übrigen natürlich ein sehr zweischneidiges Schwert, weil junge Leute keine Chancen mehr haben, eingestellt zu werden. Jeder verhält sich mikroökonomisch vernünftig, und makroökonomisch ist es eine Katastrophe, wenn überall immer mehr Personal abgebaut wird. Dies führt mit zur Arbeitslosigkeit.
Meine Damen und Herren, seit dem Jahr 1991 sind inzwischen insgesamt 17 000 Stellen in der Landesverwaltung eingespart worden.
Ich muss fragen: Wer hatte den Mut zur Einführung der 41Stunden-Woche? In der Wirtschaft niemand. Baden-Württemberg geht mit der Einführung der 41-Stunden-Woche voran. Wir hatten den Mut, aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder auszutreten, um auch für gerechte Verhältnisse innerhalb der Verwaltung zu sorgen, sodass in unserem Land Angestellte wenigstens stufenweise zur gleichen Arbeitszeit kommen wie die Beamten.
Jetzt muss ich noch etwas zur Verschuldung sagen. Wir standen 1999 kurz vor der Nettonullneuverschuldung. Der Finanzierungssaldo wies damals noch ein Minus von 50 Millionen € aus. So nahe waren wir vor wenigen Jahren an der Nettonullneuverschuldung – aufgrund der kontinuierlichen Sparpolitik der Neunzigerjahre. Danach kam Jahr für Jahr ein geradezu ebenso katastrophaler Einbruch der Steuereinnahmen – 2004 zum achten Mal in Folge – wie Anfang der Neunzigerjahre.
Sie legen immer so großen Wert auf eine mittelfristige Finanzplanung. Jetzt möchte ich einmal auf die mittelfristige Finanzplanung des Jahres 1999 zurückkommen, die ja bis zum Jahr 2004 reichte. Hätten wir die Steuereinnahmen erzielt, die in der mittelfristigen Finanzplanung des Jahres 1999, die in diesem Haus verabschiedet worden ist, veranschlagt waren, dann hätten wir heute schon die Nettoneuverschuldung.
Was habe ich gesagt?
Wir hätten heute eine Nettoneuverschuldung von null. Genau so. Jetzt haben wir’s. Vielen Dank.
Zur Wahrheit finden wir immer im Dialog. Vielen Dank.
Wir hatten gegenüber der ersten Steuerschätzung für 2004 Steuerausfälle von 3,1 Milliarden €. Das ist die Situation, wie sie entstanden ist. Nun kann man doch beim besten Willen nicht Debattenbeiträge eröffnen und völlig losgelöst von dieser Entwicklung einfach irgendeine Zahl und damit verbunden einen Vorwurf in das Land hinausposaunen.
Meine Damen und Herren, ich habe das alles übrigens auch schön grafisch dargestellt. Ich stelle es Ihnen einmal zur Verfügung. Es ist wirklich eindrucksvoll.
Dann muss man, glaube ich, schon auch noch sagen, wie das Umfeld ist. Der Kollege Oettinger hat schon darauf hingewiesen, dass wir immerhin noch am zweitbesten dran sind. Herr Kollege Kretschmann, wir haben eine Verschuldung, die ich nicht nur für schlecht halte, sondern auch für nicht verantwortbar, doch ist sie unumgänglich. Wir liegen jedoch damit in der Pro-Kopf-Verschuldung besser als jedes Land, das die SPD regiert oder in dem die Grünen an der Regierung beteiligt sind. Das möchte ich einmal mit allem Nachdruck sagen.
Bei uns beträgt die Verschuldung 3 345 € pro Kopf der Bevölkerung, in Nordrhein-Westfalen 5 271 €, in Niedersachsen 5 431 €, in Rheinland-Pfalz 5 460 €, im Saarland 6 555 €
gut, aber im Saarland und in Niedersachsen waren andere länger als wir an der Regierung; das darf man, glaube ich, auch einmal sagen – und in Schleswig-Holstein 6 599 €. Man muss hinzufügen, dass Bayern besser ist als BadenWürttemberg. Bayern hat die geringste Verschuldung, Baden-Württemberg die zweitniedrigste.
Meine Damen und Herren, ich möchte dann Ihr Bewusstsein für das Thema Ausgleichssysteme schärfen, weil ich meine, dass zu den wichtigsten Aufgaben baden-württembergischer Politik auch gehört, gegenüber dem Bund und gegenüber Europa unsere berechtigten Interessen wahrzunehmen. Vom Länderfinanzausgleich habe ich bereits gesprochen. Daneben gibt es den Umsatzsteuerausgleich. Es gibt den Fonds „Deutsche Einheit“. Und es gibt eine Fülle anderer Ausgleichssysteme. Im Jahr 2004 hat Baden-Württemberg 2 Milliarden 148 Millionen € in den Länderfinanzausgleich im engeren Sinne bezahlt. 31,8 % des Gesamtvolumens werden von Baden-Württemberg gedeckt. Hinzu kommt, dass wir in den Fonds „Deutsche Einheit“ bezahlen. Wir rutschen in der Tat nach diesen Ausgleichssystemen vom dritten auf den elften Platz ab. Diese Folgerung muss man sich einmal vor Augen halten.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es eine beständige Aufgabe sein muss, hier zu gerechteren Verhältnissen zu kommen. Baden-Württemberg zahlt, und zwar überall. Wir bluten aus, und es geht bei uns an die Substanz der Infrastruktur. Schauen Sie sich beispielsweise einmal an, welche Straßenbaumittel noch im Haushalt stehen. Ich glaube, es geht auch an die Substanz unserer Bundesstraßen. Schauen Sie sich einmal an, was uns heute für den Ausbau der Bundesstraßen zur Verfügung steht. Ich meine, es ist auch nicht in Ordnung, dass zwar fünf Jahre nach der Wiedervereinigung die Schienen in den neuen Bundesländern, die von der russischen Besatzungsmacht abgebaut worden sind, also zweite Gleise, wieder eingebaut sind, dass aber zweite Gleise in Baden-Württemberg, die von der französischen Besatzungsmacht zwischen Horb und Hattingen abgebaut worden sind, 60 Jahre nach dem Krieg und nach der Besatzungszeit nicht wieder eingebaut sind.
Anhand dieser Beispiele will ich nur aufzeigen: In BadenWürttemberg geht es an die Substanz der Infrastruktur. Infrastruktur ist ein Zentralbereich, die Voraussetzung guter Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung.
In Bereichen, meine Damen und Herren, in denen wir selbst zuständig sind,
steht Baden-Württemberg erheblich besser da.
Ich möchte an dieser Stelle nur einmal das Beispiel Forschung und Entwicklung erwähnen – alles Dinge, auf die Sie nicht hinweisen. Hier liegt Baden-Württemberg mit Ausgaben in Höhe von 1 131 € pro Kopf an der Spitze aller Länder in Deutschland. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 631 € pro Einwohner. Wir ziehen also den Bundesdurchschnitt nach oben. Unsere Ausgaben für die Forschung und die Entwicklung sind doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.
Forschungsausgaben sind aber nichts anderes als das, was ein Bauer im Frühjahr macht, wenn er sät. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass man später ernten kann. Ich kann nur sagen: Damit legen wir die Grundlage für die Sicherung der Arbeitsplätze von morgen und übermorgen.
Wir ernten bereits. Baden-Württemberg hat die beste Erwerbstätigenentwicklung in den letzten zehn Jahren, nämlich 350 000 neue Arbeitsplätze. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit in Deutschland, und zwar Monat für Monat. Wir haben auch die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland.
Das alles ist doch eine hervorragende Basis für die Landespolitik heute und morgen. Nichts ist ungefährdet. Ich habe vorhin den Abzug von Arbeitsplätzen dargestellt. Deswegen sage ich: Aus meiner Sicht sind die Prioritäten für die
Landespolitik: Vorrang für Arbeitsplätze, Vorrang für Ausbildungsplätze
und Vorfahrt für die Familie, die nach wie vor Hilfe am allernötigsten hat, weil Familien mit Kindern nachgewiesenermaßen das geringste verfügbare Pro-Kopf-Einkommen haben.
Hier geht es auch um Zukunftschancen der kommenden Generation. Wir investieren in die Köpfe der Menschen. Vorfahrt für Bildung – im Vorschulalter, in der Schule, in der Berufsschule, an den Hochschulen und in der Forschung.
Umbau der Verwaltung – mit all den Folgerungen, die der Kollege Dr. Noll zu Recht aufgezeigt hat –: Wir sind dabei. Der Staatssekretär im Staatsministerium hat den Sonderauftrag. Ganz systematisch – es ist ein Bohren harter Bretter – versuchen wir, Normen zu reduzieren und Bürokratie abzubauen. Aber Sie könnten uns dabei helfen! Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Wir haben eine Bundesratsinitiative mit 43 Punkten eingebracht – weil Bundesrecht betroffen war. Nach vielen Gesprächen mit anderen Ländern haben wir im Bundesrat eine Mehrheit bei 39 dieser Punkte zustande gebracht. Die Bundesregierung hat bis zur Stunde nicht einen einzigen Punkt aufgegriffen und umgesetzt – keinen einzigen!
Meine Damen und Herren, heute kommen viele Gesetze von der europäischen Ebene und vom Bund. Wo wir selbst zuständig sind, handeln wir. Aber andere sollten zum Thema Bürokratieabbau nicht nur Sonntagsreden halten, wie es beispielsweise der Kanzler und Herr Clement tun, sondern sollten dies auch umsetzen,
zumal dann, wenn man es ihnen mundgerecht vorlegt.
Ich möchte – und glaube, das ist auch gefordert, wenn Fraktionsvorsitzende konkrete Punkte ansprechen – auf die einzelnen Punkte, die genannt wurden, noch eingehen.
Der Kollege Oettinger hat die Studiengebühren angesprochen. Wir werden dafür sorgen, dass es nicht am Vermögen oder am Geldbeutel des Vaters liegt,
ob in diesem Land jemand studieren kann oder nicht. Dafür werden wir sorgen.
Wir werden aber auch dafür sorgen, dass sich die Betreuungsrelation an unseren Universitäten bei steigenden Studentenzahlen nicht verschlechtert, sondern verbessert.
Deswegen müssen den Universitäten zusätzlich zu den normalen Haushaltsmitteln Studiengebühren zur Verfügung gestellt werden.
Nachlaufende Studiengebühren sind ein verkraftbares Modell, vor allem wenn wir nicht über 500 € pro Semester hinausgehen. Sie sind verkraftbar, weil der aufgenommene Kredit erst zurückbezahlt werden muss, wenn ein Akademikereinkommen vorliegt.
Deswegen ist das keine soziale Belastung.
Rechnen Sie sich einmal die Summen und die Zinsen aus, wenn andere für die Banken ins Obligo gehen. Ich glaube, dann kann man nicht davon sprechen, dass das unzumutbar sei.
Die Messe ist von mehreren Rednern angesprochen worden, vom Kollegen Oettinger positiv, von Ihnen, Herr Kretschmann, negativ. Ich sage Ihnen: Ein Dutzend Veranstalter der Stuttgarter Messe auf dem Killesberg haben mit ihrem Abzug gedroht,
wenn die Messe nicht vom Killesberg wegkommt. Wir hätten also nicht den Status quo gehalten, sondern wir wären nennenswert zurückgefallen, wenn wir nicht gehandelt hätten.
Baden-Württemberg als Industrieland Nummer 1 braucht eine leistungsfähige Messe.
Deswegen war es richtig, dass wir diese Aufgabe nicht allein der Stadt Stuttgart überlassen haben,
sondern in eine Mitträgerschaft und Mitfinanzierung mit 50 % hineingegangen sind. Die Standortentscheidung war richtig. Es ist der Standort Nummer 1, die einzige Messe, die fußläufig vom Flughafen aus erreichbar ist, und wir werden dort auch noch einen ICE-Bahnhof bauen – davon bin ich fest überzeugt –,
wenn die Mehrheit des Parlaments auch weiter mutig ist.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Oettinger hat die Baden-Württembergische Bank und ihre Entwicklung angesprochen. Wie hat es ausgesehen? Die BW-Bank drohte abzuwandern; es sind viele Versuche gescheitert, das öffentlich-rechtliche Bankensystem zu fusionieren. Wir haben in den letzten Jahren eine einzige Erfolgsentwicklung. Sie beruht auf der Leistung der Führung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank. Die Bank ist unter allen Banken an vierter Stelle, unter allen Landesbanken heute an erster Stelle, während sie früher unter „ferner liefen“ lag.
Die Stuttgarter Börse hatte jeder abgeschrieben. Sie ist heute die zweitgrößte Börse in Deutschland. Wir können zum ersten Mal von einem Bankenplatz Stuttgart und damit auch von einem Bankenplatz Baden-Württemberg sprechen.
Aber wir betreiben den Ausbau dieser Banken ja nicht als Selbstzweck. Banken haben eine dienende Funktion. Banken müssen der mittelständischen Wirtschaft und der Wirtschaft insgesamt Kredite zur Verfügung stellen. Banken müssen Investitionen finanzieren. Banken müssen in der Fläche für ihre Kunden, für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, da sein. Banken müssen weiter den Wohnungsbau finanzieren, und Banken müssen künftig auch Studiengebühren vorfinanzieren. Meine Damen und Herren, deswegen haben wir das Bankwesen in unserem Land ausgebaut.
Herr Drexler, Sie haben den Verkauf von EnBW-Anteilen an die EdF angesprochen. Auch hier muss ich sagen, es gibt ein arabisches Sprichwort, das heißt: Der Ruf der Propheten beruht meist auf dem schlechten Gedächtnis ihrer Zuhörer. Es ist einige Jahre her, dass wir unsere Anteile an der EnBW verkauft haben. Die Tageszeitungen von damals hat man nicht aufgehoben, sondern abgelegt. Deswegen erinnert sich niemand mehr so ganz genau daran, wie das alles gewesen ist.
Ja, ja.
Über viele Jahre stand ich nicht an der Spitze derer, die eine Privatisierung von Teilbereichen unserer Energieversorgungsunternehmen gefordert haben.
Es gab ja schon früher Privatisierungen. Das Badenwerk hat uns einmal zu 100 % gehört – am Ende war es nur ein sehr viel geringerer Prozentsatz.
Mein Anliegen war ein ganz anderes. Ich habe zu allen wichtigen Infrastruktur- und Dienstleistungsbereichen gesagt: Ich kann nicht in eine weit entfernte Zukunft schauen, wohl aber in eine überschaubare Zukunft, in die man normalerweise blicken kann. Für sie gilt: Baden-Württemberg hat wettbewerbsfähige Strukturen bei der Stärke seiner Wirtschaft und seiner Kommunen, bei mehr als 10 Millionen Einwohnern, und zwar unter einer Voraussetzung: dass wir unsere Kräfte bündeln. Deswegen bin ich die vielen Fusionen angegangen – um die Kräfte zu bündeln.
Ich habe gesagt: Privatisierungen im Bereich der Energieversorgungsunternehmen kann es erst dann geben, wenn al
les beieinander ist. Wir haben – übrigens mit Unterstützung des Landtags – Jahre dafür gearbeitet, um alles zusammenzubringen. Ein großes Energieversorgungsunternehmen in Baden-Württemberg kann in strategischer Partnerschaft mit einem anderen Unternehmen überleben. Andernfalls wäre alles untergegangen und das baden-württembergische Energieunternehmen würde sich heute in anderen deutschen Landeshauptstädten befinden. Diese Prognose kann man wirklich belegen.
Zu dem Zeitpunkt, zu dem alles beieinander war, gab es allerdings auch keinen Grund mehr, zu sagen: „Jetzt muss trotzdem eine Privatisierung verhindert werden.“ Zielsetzung des Verkaufs der Landesanteile waren eine europaweit wettbewerbsfähige EnBW, eine europaweit wettbewerbsfähige baden-württembergische Energiewirtschaft sowie ein strategischer und standortpolitischer Nutzen für das Land und seine Arbeitsplätze.
Diese Maximen haben wir aufgestellt. Keine Privatisierung ist jemals mit solcher Sorgfalt vorbereitet worden wie diese. Wir haben uns durch ein Fachinstitut der Dresdner Bank externen Rats bedient. Wir haben diese Zielsetzung vorgegeben. An diesen Maximen hat sich die Regierung beim Verkauf der Landesanteile orientiert.
Zur Begleitung des Verkaufs wurde unter meinem Vorsitz ein Lenkungsausschuss gebildet,
dem ein halbes Dutzend Personen angehörte. Wir haben nach jeder Lenkungsausschusssitzung jeweils am selben Tag auch unsere strategischen Partner – die Vertreter der OEW – verständigt.
Parallel dazu ist ein Aktionärsausschuss eingerichtet worden, der immer auf der Höhe der Informationen gewesen ist. Dort haben wir auch einen Vertreter der kommunalen Landesverbände, Herrn Oberbürgermeister Doll, einbezogen, weil in der Tat Verbindungen zu Stadtwerken ständig gesehen werden mussten.
Im September 1999 beschloss der Lenkungsausschuss, mit vier Bewerbern –
der EdF, dem RWE, dem Bayernwerk und einem Konsortium aus den VEW und einer anderen Gruppe – weiter gehende Gespräche zu führen. Am 15. November 1999 verständigte sich der Lenkungsausschuss darauf, mit der EdF weitere konkrete Gespräche mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses zu führen.
Der Landtag beschäftigte sich auf der Grundlage einer Regierungserklärung am 25. November 1999 mit dem Verkauf der Landesanteile an der EnBW. Das war natürlich vor Vertragsabschluss.
Am 19. Januar 2000 wurde von der Landesstiftung und der EdF der Vertrag über den Verkauf der Landesanteile an der EnBW von 25,01 % unterzeichnet. Dies erfolgte zu einem
Preis, von dem jeder sagt, dass er vorher nicht zu erzielen gewesen wäre und dass er auch nachher zu keinem Zeitpunkt mehr zu erzielen gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, die EdF fördert – das hat der Landtag beschlossen, und das ist so in den Vertrag aufgenommen worden –, soweit es aktienrechtlich nach EURecht und deutschem Recht zulässig ist, im Sinne einer dauerhaften Partnerschaft mit der EnBW folgende Punkte: Die Eigenständigkeit der EnBW muss langfristig gewahrt bleiben. Sie darf nicht in eine unternehmensvertragliche Abhängigkeit zur EdF-Gruppe geraten. Die Standorte der EnBW in Karlsruhe und Stuttgart müssen erhalten bleiben.
Die künftige Entwicklung der EnBW muss insbesondere den Standort Baden-Württemberg in Bezug auf Arbeitsplätze, Produktionsstätten, Wertschöpfung und Investitionen in den bestehenden Gewichtungen zwischen den Standorten Karlsruhe, Stuttgart und allen weiteren Standorten beachten und erhalten. Die Erzeugungsanlagen der EnBW und die Wertschöpfung bei der Stromerzeugung müssen im Land im bisherigen Umfang erhalten bleiben.
Ich schildere im Augenblick, was der Landtag beschlossen hat und was alles in den Vertrag hineingenommen worden ist.
Und es ist gut, dass wir uns dieses vor Augen führen, wenn wir über dieses Thema diskutieren.
Die EnBW wird in nationale und internationale Partnerschaften eingebunden, die ihre Position im deutschen und europäischen Energiemarkt stärken und ausbauen. Bezugsrechte der Aktionäre der EnBW bei Kapitalerhöhungen gegen Geldeinlagen werden nicht ausgeschlossen. Im Interesse der EnBW und aller anderen Aktionäre wird mittelfristig eine stärkere Börsenverankerung betrieben.
Im Vertrag nahm das Land davon Kenntnis, dass die EdF und ein regionaler Partner – nämlich die OEW – eine Gesellschaftervereinbarung abschließen werden. Alles dies ist im Detail abgesprochen worden. Das Land hat diese Interessen der OEW gegenüber der EdF auch vertraglich abgesichert. Ich muss hier festhalten, dass die EdF bis zum heutigen Tag ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllt hat.
Im Augenblick beschäftigt uns, dass nach dem Land einige kommunale Verbände ihre Anteile an der EnBW verkaufen wollten und dass die EnBW – nicht das Land, aber die EnBW – Käufer zur Zwischenfinanzierung gefunden hat; jetzt müssen diese Anteile zurückgenommen werden. Dieser Punkt ist nicht vertraglich geregelt, er hat sich zwischen
dem Land und der EdF überhaupt nicht abgespielt. Das Land hat die Rechte der OEW im Rahmen des Vertrags mit gesichert. Es kam auch vonseiten der OEW zu den entsprechenden Abmachungen.
Meine Damen und Herren, das ganze heutige Problem könnte gelöst werden, wenn man nun – das hat Günther Oettinger vorher zu Recht aufgezeigt – mit wachsenden Anteilen an die Börse ginge. Mir kommt es nur darauf an, darzutun, dass das Land Baden-Württemberg mit größter Sorgfalt und in Abstimmung mit Beratern und mit dem Parlament in zwei Lenkungsgruppen sowie unter Information der Fraktionsvorsitzenden der Oppositionsparteien – auch darüber hat es Gespräche gegeben – diese Anteile verkauft hat
und dass wir die Parität, die ich für ein wichtiges Anliegen halte – darin unterscheide ich mich überhaupt nicht von irgendjemand anderem; ich möchte mich ausdrücklich zu diesem Ziel bekennen –, auf Wunsch der OEW über die OEW seinerzeit auf Jahre hinaus abgesichert haben. Sie wissen, dass es dafür eine zeitliche Begrenzung gegeben hat.
Meine Damen und Herren, ich füge nur noch einen Satz hinzu: Hätten wir die Landesanteile nicht an die EdF verkauft, sondern an ein deutsches Unternehmen, dann gäbe es keine selbstständige EnBW mehr. Bei denjenigen, die so verfahren sind, können Sie das feststellen: Dort gibt es keine selbstständigen Anbieter mehr. Sogar die letzten selbstständigen Namen werden in diesen Tagen und Wochen aufgegeben. Das konnten Sie in der Zeitung lesen. Insofern, glaube ich, war es schon wichtig, dass wir uns ein selbstständiges Energieunternehmen in Baden-Württemberg gesichert haben.
Der Kollege Drexler hat die Medienpolitik angesprochen. Mit dem minimalen Geld, das uns zur Verfügung stand, hat Herr Minister Palmer, wie ich finde, eine ausgezeichnete Filmpolitik für die Landesregierung geleistet – das möchte ich einmal festhalten –,
indem er andere Partner zur Kooperation gewonnen hat.
Zweitens: Wir haben vom „Nullstandort“ aus in Ludwigsburg eine Filmakademie gegründet und ausgeweitet. Diese Filmakademie in Ludwigsburg gehört heute zu den ersten oder ist gar die erste Ausbildungsstätte auf ihrem Gebiet in Deutschland. Das sieht man inzwischen international so.
Um diese Filmakademie in Ludwigsburg herum haben sich inzwischen nicht weniger als 48 Existenzgründungen ergeben, für die die Filmakademie Humus gewesen ist. Da sind zum Teil sehr kleine Unternehmen dabei, aber sie sind im Wachsen.
Diese Filmakademie wollen wir nun durch eine Akademie für darstellende Kunst ausbauen. Wir werden dem Aufsichtsrat der Landesstiftung in der nächsten Aufsichtsratssitzung einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Meine Damen und Herren, auch auf diesem Gebiet haben wir
konsequent, mit minimalem Aufwand, glaube ich, denkbar ordentliche Ergebnisse erreicht – zwar nicht so spektakulär wie andere deutsche Länder, aber dafür auch ohne die Zusammenbrüche, die andere deutsche Länder in ihrer Medienpolitik erleben mussten.
Nun kommt Herr Kollege Drexler und hält uns zum 37. Mal vor, dass wir die Mittel für den Mietwohnungsbau herunterfahren.
Übrigens werden diese Mittel auch im Bundeshaushalt heruntergefahren. Aber das interessiert ja nicht. Hier interessiert der Landeshaushalt.
Meine Damen und Herren, es ist eine ganz simple Sache. Herr Rommel hat immer wieder auf diese simple Sache hingewiesen: Man kann Geld nur einmal ausgeben. Wenn das Land Baden-Württemberg in x Bereichen bei den Ausgaben und Investitionen an der Spitze aller deutschen Länder liegt, dann ist ganz klar, dass es im Landeshaushalt – zumal wenn wir nach dem Länderfinanzausgleich nicht besser gestellt sind als jedes andere Land –
auch Bereiche geben muss, in denen wir nicht entsprechende Steigerungsraten, sondern Kürzungen gehabt haben.
Jetzt nenne ich Ihnen einmal einen Bereich, in dem wir mit riesigem Abstand an der Spitze aller deutschen Länder liegen.
Die Bildungsausgaben in diesem Doppelhaushalt machen im Jahr 2005 33,9 % des gesamten Haushalts aus und im nächsten Jahr 33,6 % des ganzen Haushalts. Meine Damen und Herren, wir liegen um fast zwei Prozentpunkte vor dem zweitplatzierten Land. Wir liegen mit den Bildungsausgaben in unserem Landeshaushalt um ganze Prozentsätze – bei Prozentsätzen meine ich: 1 % sind immer 500 Millionen € – vor jedem anderen Land. Ich sage Ihnen: Die Zukunft des Landes Baden-Württemberg entscheidet sich mehr bei diesen Bildungsausgaben als bei den Ausgaben für den Mietwohnungsbau. Das möchte ich hier einmal festhalten.
Und jetzt nenne ich Ihnen einmal die Zahlen pro Kopf der Bevölkerung im Ländervergleich: Schleswig-Holstein gibt für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur 622 €, das Saarland 665 €, Rheinland-Pfalz 641 €, NordrheinWestfalen 733 €, Niedersachsen 717 €, Hessen 711 €, Bayern 757 € und Baden-Württemberg 840 € pro Kopf der Bevölkerung aus. Baden-Württemberg liegt damit an der Spitze aller deutschen Länder.
Meine Damen und Herren – das sage ich dazu: ich bestreite die Zahlen nicht –: Sie nennen nur die Zahlen, die Ihnen passen. Die anderen nennen Sie nicht.
Also, Herr Drexler,
wenn es Ihnen in erster Linie um Baden-Württemberg und erst danach um die SPD und um die Oppositionspolitik geht – und ich unterstelle, dass das der Fall ist –, dann müssten Sie sich von Herzen über diese Zahlen freuen.
Jetzt sagt der Herr Drexler, wir würden für die vorschulische Erziehung weniger ausgeben als für die Öffentlichkeitsarbeit, also für die Landeswerbung. Damit er das behaupten kann, addiert er die Gesamtausgaben für die Sympathiekampagne des Landes Baden-Württemberg, seitdem sie überhaupt besteht,
und vergleicht sie dann mit den Jahresausgaben für die vorschulische Erziehung. Also, wissen Sie, im Grunde ist es eine Beleidigung des Parlaments,
wenn man mit solchen Rosstäuschermethoden arbeitet.
Was ist denn die Wahrheit? Die Wahrheit ist, dass wir im Land Baden-Württemberg dank der Landesstiftung – aus Haushaltsmitteln haben wir es so wenig geschafft wie die übrigen 15 Länder – aus den Erkenntnissen der PISA-Studie bezüglich der Fähigkeit junger Menschen zu verstehendem Lesen die Folgerung gezogen haben und als erstes Land in Deutschland in Kindergärten flächendeckend einen Sprachtest sowie eine Sprachförderung für diejenigen beschlossen haben,
die diesen Sprachtest nicht bestehen. Das ist die Wahrheit.
Wahrheit ist auch – und damit kommt man ja vielleicht in der Öffentlichkeit an, wenn die Bürger die näheren Umstände nicht kennen –: Wir geben 5,1 Millionen € pro Jahr für die Sympathiekampagne des Landes Baden-Württemberg aus. Meine Damen und Herren, allein der Steigerungsbetrag für Öffentlichkeitsmittel im Haushalt der Bundesregierung in diesem Jahr ist höher als dieser Betrag – allein der Steigerungsbetrag! Die Bundesregierung gibt 86,8 Millionen € pro Jahr für Öffentlichkeitsarbeit aus –
aber mit einem großen Unterschied: Die Bundesregierung macht Werbung für die Regierung, und wir machen Werbung für das Land. Das ist der große Unterschied.
Die Bundesregierung plant allein für die Fußballweltmeisterschaft eine zusätzliche, nicht in diesem Betrag enthaltene Summe für eine Imagekampagne in Höhe von 10 Millionen €.
Und da kommen Sie hier her und kritisieren eine Sympathiekampagne des Landes, die mit riesigem Abstand die erfolgreichste Sympathiekampagne ist, die ein deutsches Unternehmen oder ein deutsches Land je durchgeführt hat. Inzwischen spricht der Bundespräsident von der Sympathiekampagne des Landes, es spricht der Bundeskanzler anerkennend von der Sympathiekampagne des Landes, aber bis zum Oppositionsführer im Landtag ist das alles noch nicht durchgedrungen.
Die letzte Bemerkung von Herrn Drexler galt der Ganztagsschule. Er hat die Aussage gemacht: „Sie wollen nicht die Ganztagsschule.“ Kollege Dr. Noll hat bereits darauf hingewiesen: Es gab in diesem Land 350 Ganztagsschulen,
bevor man in Berlin überhaupt auf diese Idee gekommen ist. 350!
Nur, Herr Kollege Drexler: Wir machen so etwas bedarfsgerecht und nicht flächendeckend mit dem Geld von anderen. Das machen wir bedarfsgerecht.
Nennen Sie mir einmal einen einzigen Antrag, den eine Gemeinde für eine Ganztagsschule gestellt hat und der abgelehnt worden ist. Nennen Sie mir mal einen! Alle sind genehmigt worden.
Wir denken sehr wohl noch an die Kosten für die Eltern, an die Kosten für die Kommunen und an die Kosten für das Land. Sie reden davon, dass wir uns verschulden und dass wir nirgendwo Geld haben, und wollen ohne Rücksicht auf den Bedarf Ganztagsschulen schaffen.
Wir gehen vom Bedarf aus. Wir haben keine Vorbehalte gegen Ganztagsschulen
außer dem Finanziellen.
In der Tat. Das ist, glaube ich, angesichts der Haushaltslage keine Schande. – Wir haben Vorbehalte gegen die Gesamtschulen, die Sie jetzt unter anderem Namen wieder propagieren.
Da haben wir allerdings Vorbehalte. Da sage ich Ihnen: Es war nicht der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, sondern es war der Ministerpräsident von Niedersachsen – falls Sie sich noch an den Namen Glogowski erinnern; das war der Nachfolger von Herrn Schröder –,
der wörtlich gesagt hat: Wenn ein Kind aus Süddeutschland nach Niedersachsen zieht, muss es sich zuerst zwei Jahre hängen lassen, bis es niedersächsisches Niveau erreicht.
Er hat nicht Recht behalten, denn die PISA-Studie hat ergeben: Die Differenz beträgt nur eindreiviertel Jahre, also nicht ganz zwei Jahre.
Aber, meine Damen und Herren, dass es eine Differenz gibt, verdanken die Bürgerinnen und Bürger und die jungen Menschen in Baden-Württemberg der Tatsache, dass es seit Bestehen dieses Landes nur CDU-Kultusminister und CDUMinisterpräsidenten gegeben hat.
Meine Damen und Herren, wenn hier nachgeredet wird, Schüler seien nicht mehr ausbildungsfähig – ich weiß, dass die Aussage jemand anders gemacht hat –, dann würde ich eigentlich von Menschen, die es besser wissen, weil sie im Parlament sitzen, erwarten, dass sie dem widersprechen und wissen, dass in der PISA-Studie Baden-Württemberg trotz hoher Migrationszahlen unter den Schülern auf dem zweiten Platz gelandet ist
und in der IGLU-Studie auf Platz 1 gelandet ist. Wir haben nicht nur die besten Universitäten; wir haben auch hervorragende Schulen.
Sie haben gesagt, im Kindergarten entscheide sich, ob ein Kind die deutsche Sprache lernt. Es ist noch kein Jahr her, da habe ich in einer Debatte über das Nachzugsalter, das bei 16 Jahren war und das die Union auf 14 Jahre herabsetzen wollte – Rot-Grün war hier im Land und auf Bundesebene dagegen –, gesagt:
Weder 16 noch 14, noch 10, noch 8, noch 6 ist richtig, denn wenn ein Kind mit sechs Jahren in der Grundschule die deutsche Sprache nicht beherrscht, dann wird es zu keinem Schulabschluss und zu keinem Lehrabschluss kommen,
sondern ein Kind müsste mit drei Jahren nach Deutschland kommen, damit es in den Kindergarten geht
und nach drei Jahren über die gleichen Kenntnisse in deutscher Sprache verfügt wie ein deutsches Kind. Das habe ich damals gesagt.