Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 39. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Dienstlich verhindert sind Herr Minister Köberle und – heute Vormittag – Herr Staatssekretär Mappus.
Meine Damen und Herren, im E i n g a n g befindet sich der Antrag des Finanzministeriums vom 22. Januar 2001 – Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2001. Er ist Ihnen als Drucksache 13/1656 zugegangen. Ich schlage vor, den Antrag an den Finanzausschuss zu überweisen. – Hiergegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Große Anfrage der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung – „Föderalismusreform – Partnerschaft in Vielfalt“ – Drucksache 13/1026
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Eigentlich ist die Sache klar: Im Grundgesetz ist das Subsidiaritätsprinzip in zwei Artikeln klar ausgeprägt. Artikel 30 lautet:
Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt.
Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.
So weit, so gut – so weit ein Regel-Ausnahme-Prinzip, das aber in der Praxis und durch die Änderungsgesetze zum Grundgesetz namentlich im Jahr 1968 umgekehrt und ausgehöhlt worden ist.
Mit der Großen Anfrage der CDU-Fraktion, mit einer umfassenden Antwort der Landesregierung, für die wir ausdrücklich dankbar sind, und einem gemeinsamen Antrag der vier Fraktionen des Landtags, den ich vom Inhalt her beachtlich finde und der auch stilbildend sein kann, werfen wir heute eine umfassende Debatte auf, ob und gegebenenfalls wie dem Subsidiaritätsprinzip, den Ländern und dem Föderalismus durch eine Trendumkehr Stärkung gegeben, mehr Gewicht verschafft und dem Landesparlament wieder eine zentrale Funktion gegeben werden kann.
Wir wollen eine Neuorientierung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Wir glauben, dass der Bund zu viel Aufgaben wahrnimmt, dass der Bund zu stark in die Länderkompetenzen hineinregelt und Vorgaben macht und dass den ursprünglichen und richtigen Säulen unseres Staates – starke Länder und ein Bund als Bundesstaat, der hinzukommt, der aber nicht alles überdecken darf – wieder Achtung verschafft und dass eine Änderung in den bundesrechtlichen Kompetenzen erreicht werden muss.
Wir haben in den letzten Jahrzehnten folgende Entwicklung erlebt: Durch die Rahmengesetzgebung regelt der Bund viele Grundsätze, die in der Länderbefugnis ihre Detailregelung haben. Ich nenne das Hochschulwesen und die Agrarpolitik, ich nenne aber auch weite Bereiche des Umweltrechts und die Naturschutzpolitik. Durch die konkurrierende Gesetzgebung hat der Bund Stück für Stück Aufgaben an sich gezogen, die früher den Ländern zugehörig waren und die ihnen dadurch entzogen worden sind.
Durch die Schaffung der Gemeinschaftsaufgaben hat der Bund die Länder ins Boot geholt, und es ist eine Grauzone, eine Mischkompetenz entstanden, der logischerweise die Mischfinanzierung gefolgt ist. Ich gestehe selbstkritisch zu: Vieles hat seinen Ursprung in der Finanzreform von Bund und Ländern, die 1969 von der Großen Koalition im Deutschen Bundestag und vom Bundesrat beschlossen worden ist.
Wir müssen Fehlentwicklungen korrigieren. Wir müssen gründlich analysieren, wo es Fehlentwicklungen gibt, und müssen mit allem demokratischem Nachdruck dafür eintreten, dass in den nächsten eineinhalb Jahren die einmalige Chance zur bundesstaatlichen Reform genutzt und eine Stärkung der Länder erreicht werden kann.
Der Prozess der letzten Jahrzehnte lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der Bund hat sich Kompetenzen geholt. In einem weiten Umfeld waren die Länder zur Abgabe von Aufgaben bereit, damit sie auch von Ausgaben entlastet werden, und umgekehrt sind die Landesregierungen durch die Zustimmungspflicht im Bundesrat entschädigt worden. Statt im Parlament initiativ zu sein, waren sie an der Bundesgesetzgebung beteiligt. Statt als starke Regierungen in den Landtagen zu sagen, was Sache ist, haben sie über den Bundesrat eine Nebenpolitik betrieben, haben sie eine Nebenregierung zu Bundeskanzler und Bundesregierung aufgemacht.
Die Leidtragenden waren die Landtage. Denn das Ganze war ein Vertrag zulasten der Parlamente auf föderaler Ebene. Deswegen ist es die Hauptverantwortung der Landtage – von uns – zu erreichen, dass im Rahmen der Föderalismusreform nicht nur geredet, sondern auch nachhaltig in die Artikel des Grundgesetzes eingegriffen werden kann.
Die Formel muss lauten: Rückübertragung von Aufgaben, die der Bund wahrnimmt, auf die Länder und Verringerung der Zustimmungspflicht des Bundesrats, damit das Ganze im Grunde genommen keine Einbahnstraße, sondern eine Zweibahnstraße, ein Gesamtpaket werden kann, bei dem sich Bund und Länder wieder finden können.
Wie immer geht es auch um die Finanzen. Wir hatten in den letzten Jahren eine Fehlentwicklung dahin gehend, dass Aufgaben, Ausgaben und Einnahmeerzielungskompetenz nicht auf einer Ebene parallel angesiedelt sind. Instanzen und Ebenen erfüllen Aufgaben, die mit Ausgaben verbunden sind, aber sie haben keine Hoheit für die Einnahmeerzielung. Die Steuergesetzgebung wird vom Bund dominiert. Auch Steuern, die den Ländern und Gemeinden zustehen, finden sich im Bundesgesetzblatt wieder. Deswegen lautet eine weitere zentrale Forderung, dass bei Steuern, die den Ländern und Kommunen zustehen, auch die Kompetenz zur Regelung dieser Steuern auf die Landtage übergeht. Wir brauchen eine föderale Steuergesetzgebungskompetenz.
Ich nenne erstens die Kraftfahrzeugsteuer. Sie steht allein den Ländern zu, wird aber im Bundesgesetzgebungsprozess geregelt.
Ich nenne zweitens die Erbschaftsteuer, die Schenkungsteuer. Ich nenne die Grunderwerbsteuer, die den Ländern – in Baden-Württemberg auch den Kommunen – zusteht. Ich nenne die Grundsteuer, die Feuerschutzsteuer. Ich nenne die Rennwett- und Lotteriesteuer, und ich nenne im Blick auf die Unternehmensteuerreform der nächsten Monate auch die Gewerbesteuer. Ich fordere eine umfassende Überführung der gesetzgeberischen Kompetenzen für die Steuern, die den Ländern und Kommunen zustehen, auf die Landtage in Deutschland – weg von Bundestag und Bundesrat –, auf die föderalen Parlamente ein.
Schauen wir uns einmal die Kompetenzordnung des Grundgesetzes an. Nach meiner Überzeugung brauchen wir die Rahmengesetzgebung in Zukunft nicht mehr. Ich stelle die Rahmengesetzgebung ausdrücklich infrage. Wir regen an, die Rahmengesetzgebung ersatzlos entfallen zu lassen.
Die konkurrierende Gesetzgebung benötigen wir auch in Zukunft. Es gibt ausschließliche Kompetenzen beim Bund, die unstrittig sind – ich nenne die Außen- und Sicherheitspolitik, sofern sie nicht auf die europäische Ebene übergehen soll, ich nenne das Zollrecht; es gibt noch andere wichtige Bereiche der Bundespolitik –, und in der konkurrierenden Gesetzgebung haben wir ein sinnvolles Scharnier, das sich aber derzeit nur in eine Richtung bewegen kann. Bei der konkurrierenden Gesetzgebung ist der Bund Handelnder, die Länder werden behandelt. Dort, wo der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch macht, ist entschieden worden, und die Länder und die Landtage werden im Grunde genommen gar nicht mehr gefragt.
Wäre es nicht richtig, bei der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes ein Zugriffsrecht der Länder zu schaffen? Das heißt, wenn in den einzelnen Aufgabenbereichen Regelungsbedarf besteht und der Bund handelt, dann ist es so weit so gut. Wenn die Länder aber abweichende Regelungen schaffen wollen, haben sie ein Rückführungsrecht und entscheiden durch Zugriff, ob die Aufgabe nicht föderal und abweichend besser und einzelfallgerechter geregelt werden kann. Ich glaube, dass die konkurrierende Gesetzgebung auch eine Zweibahnstraße werden muss und nicht nur einseitig der Bund entscheiden darf, was den Ländern verbleibt, sondern auch einzelne Länder – nicht unbedingt alle – entscheiden können müssen, ob sie die Gesetzgebung in diesen Bereichen übernehmen wollen.
Ich nenne das Umweltrecht, das Naturschutzrecht, die Landschaftspflege, die Bodenschutzpolitik, das Wasserrecht. Ich nenne das Presse- und Medienrecht. Ich nenne aber auch das Beamtenrecht. Ich glaube, dass bei aller Gleichheit der Grundlagen des Berufsbeamtentums in wichtigen Fragen, zum Beispiel bei den Zuwendungen, den Leistungsprämien und den ergänzenden Zuschlägen, nicht bundeseinheitlich eine Regelung gefunden werden muss, sondern entlang des regionalen Arbeitsmarkts und der Dienstleistungen, die von Land zu Land unterschiedlich sind, die Länderebene in eine parlamentarische Zuständigkeit kommen muss.
Wenn man neue Aufgaben einfordern will und hier in diesem Haus weitgehend Gleichklang darüber besteht, dann sollte man auch Folgendes ansprechen dürfen: Derjenige, der neue Aufgaben einfordert und wie wir beklagt, dass eine Schieflage zulasten der Landtage entstanden ist, sollte
seine Hand auch dann mahnend erheben, wenn der Bund in neue Aufgaben, in originäre Länderaufgaben einzugreifen versucht. Ich glaube zum Beispiel, dass es falsch wäre, dem Vorschlag des Bundeskanzlers zu folgen und einen einzigen Landtagswahltermin für die föderalen Parlamente einzuführen. Ich lege auch in Zukunft auf eigene Kompetenzen, eigene Aufgaben, klares Profil und einen eigenen Wahltermin für jedes Bundesland großen Wert.
Genauso kritisch frage ich an, ob es denn wirklich geboten ist, dass die Aufgabe der Ganztagsbetreuung, die Einrichtung von Ganztagsschulen oder gar die Bildungsplanung durch einen Bildungsrahmenplan zwingend Sache des Bundes sein muss oder ob hier nicht auch in Zukunft die klassische Kernaufgabe der föderalen Ebene erhalten und gegen den Bund verteidigt werden muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke ausdrücklich den drei anderen Landtagsfraktionen für eine hervorragende, pragmatische und auf einem großen gemeinsamen Nenner stattfindende Zusammenarbeit. Wir haben einen Antrag vorgelegt, der sich sehen lassen kann und der nicht der kleinste gemeinsame Nenner ist. Wir wollen diesen Antrag heute beschließen und wollen dann gemeinsam mit den Landtagspräsidenten bei dem Konvent der Landtage Ende März unseren Beitrag dazu leisten, dass das badenwürttembergische Konzept bundesweit durchgesetzt werden kann.
Meine weitere Bitte ist deshalb: Wir sind in den nächsten Wochen gefragt, bei anderen Fraktionen in anderen Ländern dafür zu werben,
dass unser Antrag, unser Konzept zur Stärkung der föderalen Ebene nicht in Baden-Württemberg stecken bleibt, sondern in den Landtagen aller Länder, in den Fraktionen aller Länder, in den Parteien aller Länder mehrheitsfähig werden kann.
Die Umsetzung geht natürlich nur über die MPK, nur über die Regierungschefs der Länder und den Bundeskanzler selbst. Ich zitiere Gerhard Schröder, der noch am 1. September des Jahres 1998 beim Festakt „50 Jahre Parlamentarischer Rat“ Folgendes ausgeführt hat: