Steffen Zillich
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Last Statements
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir ändern hier heute die Verfassung und auch die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses, um die Beschlussfähigkeit des Parlaments auch in Zeiten der Pandemie, in einer Notlage, zu sichern. Wir tun das auf Antrag von fünf Fraktionen dieses Hauses. Wir tun das nach konstruktiver Debatte und gemeinsam. Ich finde, das ist sehr wichtig.
Wir tun das, indem wir für eine Situation vorsorgen und Regelungen treffen, in der nicht gesichert ist, dass die erforderliche Anzahl von Abgeordneten für die Beschlussfähigkeit, die normalerweise gilt, an einer Plenarsitzung teilnehmen kann, entweder weil Abgeordnete erkrankt sind oder weil sie unter Quarantäne stehen oder Ähnliches. Wir senken diese erforderliche Anzahl unter bestimmten Kriterien, auf die ich noch zu sprechen komme, ab. In dieser Lösung, dass das Beschlussfähigkeitsquorum nicht mehr erforderlich sein soll, liegt natürlich auch zugleich die Problematik: Wir weichen von dem Punkt ab, dass parlamentarische Beschlüsse nur ihre Gültigkeit haben sollen, wenn tatsächlich die Mehrheit der Abgeordneten daran beteiligt sind. Das ist nichts Kleines.
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass in meiner Fraktion die Skepsis groß war, überhaupt an diesem Punkt unsere verfassungsmäßigen Spielregeln zu verändern und damit natürlich auch in Rechte von Abgeordneten einzugreifen.
Ich verrate auch kein Geheimnis, dass diese Skepsis auch dadurch begründet war, dass wir nach unserer Diskussion zumindest lieber nach Wegen gesucht hätten, die ein Zusammentreten auf einem anderen, auf einem elektronischen Wege, die Arbeitsfähigkeit erhalten lassen.
Ich will sagen: An diesem Punkt hatten sich dann natürlich auch die Debatten, die wir im Frühjahr hatten, zwischen den Fraktionen etwas verhakt. Der Verlauf der Pandemiegeschichte, vor allen Dingen in den Wochen nach dem Sommer, hat uns allen gezeigt, dass wir nicht darauf hoffen dürfen, dass wir nicht noch mal in irgendeiner Form vor diese Frage gestellt werden, sondern es war allen klar, dass wir hier eine Lösung finden müssen, und es war auch allen klar, dass das nur funktionieren wird, wenn alle in der Sache verantwortungsvoll und auch bereit sind, einen Schritt auf den anderen zuzugehen. Genau das haben wir als fünf Fraktionen gemacht, in einem sicherlich nicht einfachen Prozess. Aber wir haben jetzt ein Ergebnis vorliegen, das genau diesen wichtigen Punkt, die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes sichert.
Wir haben viel darüber geredet, warum das wichtig ist. Ich will zwei Aspekte nennen. Der erste Aspekt liegt auf der Hand, denn natürlich müssen Gesetzgebung und Grundrechtseingriffe parlamentarisch legitimiert sein, und wenn das Parlament faktisch nicht mehr handlungsfähig ist, dann kann das nicht erreicht werden. Aber es gibt einen weiteren Punkt, gerade im Hinblick darauf, wenn man auf die Debatte und auf die Ausfälle in dieser Debatte, die wir heute als ersten Tagesordnungspunkt hatten, rekurriert. Es ist extrem wichtig, deutlich zu
(Sven Rissmann)
machen, wie der Abwägungsprozess verläuft, wenn es darum geht, Regelungen und Grundrechtseinschränkungen zu treffen. Es liegt in der Natur des parlamentarischen Prozesses, dass es in anderer Art und Weise öffentlich passieren kann, als bei einem rein exekutiven Prozess. Deswegen ist dieser Abwägungs- und Entscheidungsprozess wichtig für eine gesellschaftliche Debatte über das Handeln in Pandemiesituationen überhaupt, und es ist essentiell, damit wir die Akzeptanz und die demokratische Legitimation für das, was wir hier tun, erhalten. Das Parlament muss arbeitsfähig sein.
Uns war wichtig – das ist hier schon gesagt worden –, dass wir bei einer solchen Regelung Missbrauch verhindern müssen. Sie muss befristet sein, sie ist befristet. Sie muss hohe Hürden haben, um eingeschaltet zu werden. Dafür haben wir eine sehr gute Regelung gefunden. Es muss einer Minderheit möglich sein, diese Notlage wieder abzuschalten. Auch dafür haben wir eine sehr gute Regelung gefunden. Es kann nicht sein, dass alle parlamentarischen Entscheidungen einer solchen Absenkung der Beschlussfähigkeit zugänglich sind. Dafür haben wir eine Lösung gefunden. Natürlich kann man damit nicht die Verfassung ändern. Natürlich kann man damit nicht das Parlament auflösen und auch nicht den Regierenden Bürgermeister wählen und anderes. Wir haben zudem gesichert, dass alle Gesetzgebungsentscheidungen, die in einer solchen Sondersituation stattfinden, eine zusätzliche Legitimation – ich will sagen: quasi einer Ratifikation – durch ein vollzähliges Parlament nach der Pandemie erfordern. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, dass wir das geschafft haben.
Nicht zuletzt – ich habe es angedeutet – war meiner Fraktion wichtig, dass wir auch eine Debatte oder eine Entwicklung in Gang setzen, wo wir eine schwierige Rechtssituation haben –, manche mögen sagen: eine etwas anachronistische aber gleichwohl herrschende Rechtsmeinung haben –, nämlich einen Entscheidungsprozess in die Richtung, dass wir auch elektronische Abstimmungen, soweit es in irgendeiner Form möglich ist und rechtlich vertretbar ist, zulassen. Das haben wir mit den verfahrenden Ausschüssen, soweit es rechtlich vertretbar ist, über die Änderung der Geschäftsordnung hinbekommen. Insofern haben wir hier einen Kompromiss gefunden, der dieses Parlament arbeitsfähig hält und wo tatsächlich alle Fraktionen die Kraft gefunden haben, ihre Bedenken hinten anzustellen und eine gemeinsame Lösung zu finden. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Pandemie beschert uns einerseits gigantische Einnahmeausfälle, und das Land stellt erhebliche Mittel für Schutzausrüstungen, für Tests, für Impfzentren, für die pandemiegerechte Ausgestaltung unserer sozialen Infrastruktur, für Sofort- und Überbrückungshilfen, für den Ausgleich von Einnahmeausfällen bei Landesunternehmen und Trägern, für Digitalisierungsbedarfe in Zeiten reduzierter Kontakte und neuer Kommunikationserfordernisse. Daraus erwächst ein enormer Finanzierungsbedarf, den wir mit diesem Nachtragshaushalt decken. Dabei setzen wir explizit den Kurs fort, auf den sich diese Koalition mit dem ersten Nachtrag verständigt hat.
Ich will den hier noch mal skizzieren: Erstens werden wir nicht den zum Scheitern verurteilten Versuch unternehmen, uns aus der Krise heraussparen zu wollen.
Nein, wir werden jetzt nicht alles auf den Prüfstand stellen, damit Verunsicherung in die Stadt tragen und auch noch die öffentliche Nachfrage verknappen. Das gilt explizit auch für die Bezirke, die wir weiter in der Krise abschirmen. Zweitens: Wir werden die coronabedingten Mehrausgaben und die gigantischen Mindereinnahmen durch notfallbedingte Kreditaufnahmen finanzieren. Drittens: Wir werden das Auflegen neuer Projekte und Umschichtungen im laufenden Doppelhaushalt im Haushaltsvollzug restriktiv handhaben. Viertens: Wir werden Reste und Überschüsse, die sich ergeben, weil coronabedingt Ausgaben nicht getätigt werden können, in einer Rücklage sammeln, damit wir – fünftens – in der Lage
sind, Mittel für Investitionen, für Wirtschaftsstützen und konjunkturfördernde Maßnahmen auch über 2021 hinaus bereitzustellen. Das wird nicht reichen, aber es wird dazu beitragen.
Im Konkreten bedeutet das: Wir setzen den erfolgreichen Weg der Soforthilfen fort. Ich will noch einmal daran erinnern: Berlin hat im Frühjahr schnell reagiert, schneller als der Bund und die übrigen Bundesländer. Damit konnten viele Soloselbstständige, Kulturbetriebe, Künstlerinnen und Künstler, Klein- und Kleinstbetriebe im Tourismus, Service und in der Gastronomie, denen von heute auf morgen die Einnahmen weggebrochen sind, zunächst geholfen werden. Berlin hat dabei von Anfang an erkannt, dass es hier auf Schnelligkeit ankommt. Und es hat von Anfang an erkannt, dass es eine Hilfe zum Leben braucht und nicht nur eine Hilfe zur Begleichung von Betriebsausgaben. Alles andere wird der Lebensrealität der genannten Gruppen nicht gerecht.
Die Bundesregierung ist sich dessen wohl mittlerweile bewusst, auch wenn das, was jetzt mit dem Konzept der Neustarthilfe vorgeschlagen wird, eher ein fauler Kompromiss sein dürfte. – Kurzum: Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei allen bedanken, die es ermöglicht haben, dass Berlin hier so schnell und so wirksam reagiert hat.
Weitere Sofortmaßnahmen des Bundes und des Landes schlossen sich an. Bereits im ersten Nachtrag haben wir hierfür Geld zur Verfügung gestellt. Der zweite Lockdown schafft eine neue Situation. Wir wissen nicht, wie lange die Beschränkungen konkret dauern werden. Wir haben heute in der Debatte in der Aktuellen Stunde darüber geredet. Aber wir wissen, dass sie hart treffen werden, dass sie wirtschaftlich hart treffen werden, und wir wissen, dass wir weitere Hilfe brauchen werden. Natürlich steht der Bund hier in der Verantwortung, aber die Signale des Bundes sind hier durchaus ambivalent. Einerseits werden neue Hilfsprogramme, zum Beispiel für die Veranstaltungswirtschaft, angekündigt – das wäre dringend nötig –, andererseits wird besonders von der CDU lautstark gefordert, die Rechnung für die Hilfe den Ländern zu präsentieren. Das wäre katastrophal und auch nicht gerade ein Signal der Solidarität zwischen den Ländern. Der Bedarf an Hilfe ist in den Ländern ganz unterschiedlich, und man sollte hier keinen Keil der Spaltung hineintreiben.
Berlin verlässt sich nicht nur auf den Bund, sondern stellt abermals über den Senatsentwurf hinaus 500 Millionen Euro zur Verfügung. Der Senat ist jetzt gefordert, unter Berücksichtigung der Bundeshilfe schnell zu entscheiden, welche Hilfen fortgesetzt werden, welche Hilfen angepasst werden müssen, wo es neue Instrumente braucht und wo Lücken sind. Wenn Betriebe und Institutionen
(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)
zwar bisher mit Hilfe der Programme noch leben, aber aufgrund des Andauerns von Beschränkungen ohne weitere Hilfe nicht überleben können, dann ist es angesagt, dass wir hier weiter helfen müssen. Was uns weggebrochen ist, bekommen wir nicht wieder. Das brauchen wir aber für die Wirtschaftskraft in dieser Stadt.
Gerade die Kulturwirtschaft durch die Krise zu bringen, ist bei uns eine besondere Herausforderung, ebenso die Veranstaltungswirtschaft. Zum Beispiel sind Stipendienprogramme wichtige Maßnahmen, die fortgesetzt werden dürften, aber es gibt viele andere kleine Maßnahmen, die sicherlich wichtig sind. Vor allem wird es darum gehen, soziale Einrichtungen und Kulturreinrichtungen, aber auch andere pandemiefest zu machen. Und es geht sicherlich auch um Hilfe für Familien in der Krise.
Wir stellen außerdem mit dem Nachtragshaus Mittel für die Einnahmeausfälle der Landesunternehmen bereit. Wir sind interessiert an starken Landesunternehmen. Wir brauchen sie und müssen sie deswegen auch wirtschaftlich in der Krise sichern. Das gilt für die BVG genauso wie für die Messegesellschaft. Das gilt für Kulturbetriebe, für den BER und auch für Krankenhäuser. Dafür stehen insgesamt 320 Millionen Euro zur Verfügung.
Und natürlich werden wir mit dem Doppelhaushalt Bundesprogramme, wenn nötig, kofinanzieren.
Wenn wir über die Beschränkungen in der Pandemie reden, müssen wir immer über die Situation von Menschen reden, die nicht einfach so zu Hause in ihren vier Wänden bleiben können, Menschen, die auf der Straße leben, die in Gemeinschaftsunterkünften, in extremen Wohnverhältnissen leben. Deswegen brauchen wir zusätzliche Unterkünfte, in denen man die Vorgaben des Gesundheitsschutzes einhalten kann. Wir brauchen Quarantänehotels. Und natürlich kostet es mehr, wenn wir Menschen so unterbringen, dass sie auch Abstände einhalten können und gegebenenfalls Quarantäneauflagen eingehalten werden können. Aber wir wollen auch in der Pandemie niemand zurücklassen. Wir wollen eine solidarische Stadt.
Wer das skandalisiert, sagt eine Menge über sich.
Den Schutz von Mieterinnen und Mietern in Milieuschutzgebieten vergessen wir über die Pandemie nicht. Wir füllen den Topf, aus dem wir Zuschüsse für die Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts leisten können, auf. Gerade die letzten Paketkäufe der Deutschen Wohnen und von Heimstaden haben gezeigt, wie effektiv dieses Instrument ist, wenn es gilt, Abwendungsvereinba
rungen zu erreichen, die Mieterinnen und Mieter wirksam über Jahre vor Verdrängung schützen. Das können wir aber nur, wenn wir tatsächlich bereit sind, den Vorkauf auch auszuüben, und der Immobilienmarkt davon ausgehen muss, dass wir das jederzeit tun können und werden. Dafür haben wir jetzt vorgesorgt.
So regelt der Nachtragshaushalt, was für den Augenblick nötig ist. Aber wir sind jederzeit in der Lage nachzusteuern und haben deshalb den Senat aufgefordert, einen weiteren Nachtragshaushalt einzubringen, wenn die Lage es erfordern sollte, etwa weil die Einnahmen sinken, weil wir weitere Maßnahmen finanzieren müssen oder weil es mehr Geld für die Rettung von Landesunternehmen braucht. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, eine Aufgabe konnten wir mit diesem Nachtragshaushalt nicht lösen. Meine Fraktion hat darauf gedrängt, aber wir konnten uns in der Koalition nicht darauf verständigen. Worum geht es? – Wir haben folgendes Problem: Wir wissen jetzt schon, dass die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zum Teil erst in den nächsten Jahren sichtbar werden, wenn die pandemische Notlage hoffentlich überwunden sein wird. Wenn zum Beispiel die Regelungen zum Kurzarbeitergeld ebenso wie die Regelungen zum Insolvenzrecht auslaufen, müssen wir eine Welle von Arbeitslosigkeit und Firmenpleiten befürchten. Zusätzlich müssen wir einen strukturellen Anpassungsbedarf wichtiger Berliner Wirtschaftsbereiche befürchten, die in der Krise besonders hart betroffen sind – Tourismus, Messe, Kultur, Veranstaltungsgeschäft, Gastronomie, aber auch Einzelhandel. Wir wissen nicht genau, ob es dort so weitergehen wird, wie vor der Krise; es ist eher zu bezweifeln. Wir stehen also vor einer Pandemiefolgekrise nach der Pandemiekrise. Die Notlage wirkt in ihren Folgen fort, und wir müssen dann handeln können.
Gleichzeitig werden sich aber die Einnahmeausfälle wegen der Pandemie, also die einnahmeseitigen Folgen der Pandemienotlage, weit über das Jahr 2021 hinaus erstrecken – rund 2 Milliarden Euro pro Jahr weniger in den Jahren ab 2022. Gerade in diesem Jahren tut sich hier also ein Haushaltsloch auf. Die Schuldenbremse – und es wird leider damit zu rechnen sein, dass es sie dann noch gibt, auch wenn sie dann kaum noch einer wollen wird – wird dann verhindern, dass wir Investitionen durch Kreditaufnahmen finanzieren, und ihr Konjunkturausgleichsmechanismus wird uns im Gegenteil in dieser Krise nach der Krise vorgaukeln, wir hätten eine Hochkonjunktur und müssten noch Geld zurücklegen. Damit werden wir uns gesondert auseinandersetzen müssen; wir werden das sicherlich auf die Agenda setzen.
In jedem Fall aber ist es aus unserer Sicht essenziell, dass wir uns jetzt Gedanken machen, wie wir unsere Investitions- und Zukunftsfähigkeit sichern, denn wir haben noch nicht einmal den Investitionsstau der vergangenen
Jahrzehnte abgebaut. Andere Länder machen es uns vor, sie tun das. Sie legen Investitionsfonds auf, um die Folgen der Notlage zu bewältigen. Bayern, Hessen, Sachsen, um nur einige zu nennen, versetzen sich so in die Lage, auch über das Jahr 2021 hinaus Investitionen in die Infrastruktur zu finanzieren und Pandemiefolgen zu bekämpfen. Wenn wir das nicht wenigstens in dem Maße tun, wie andere Länder es sich leisten, werden die Berlinerinnen und Berliner den Unterschied in der Beschaffenheit der öffentlichen Infrastruktur zu sehen bekommen und erleiden müssen.
Hier rechtzeitig zu handeln, wird für Berlin enorm wichtig sein. Die CDU kann bei ihren Südländern, die SPD in Sachsen, die Grünen in Hessen nachfragen. Wie ich gehört habe, ist jetzt auch die Bundestagsfraktion der Grünen offen für dieses Thema. Wir werden dafür sorgen, dass es nicht in Vergessenheit gerät; insbesondere ein Nachlesen beim DIW am heutigen Tage wird dort auch weiterhelfen.
Wir werden weiter darüber reden müssen, wer die Krise zahlt – die abhängig Beschäftigten durch höhere Sozialabgaben, die Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, durch Einschnitte in den Sozialstaat? – Wir schlagen etwas anderes vor. Wir schlagen eine Vermögensabgabe vor.
Große Vermögen mit einer einmaligen Abgabe, gestreckt auf viele Jahre heranzuziehen, wäre sicherlich der gerechte Weg bei dieser Frage. – Danke schön!
Aber die
gehören doch zur Verschwörung dazu! –
Pilze oder Sauna? –
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will es mal ganz kurz machen: Ich finde es schon beachtlich, welches große und falsche politische Rad gedreht wird, um einen Antrag zu begründen, der behauptetermaßen in seiner Auswirkung komplett folgenlos ist. Die rechtliche Auswirkung ist, wie Sie behaupten, gleich null. Insofern erübrigt sich auch hier die Debatte. Wir müssen nicht noch einmal über die Schuldenbremse reden. Ich glaube, die Realität der Krise, in der wir leben, wird die Debatte weiter entfachen, inwieweit es sinnvoll ist, sich auf eine Schuldenbremse zu verständigen. Unsere Position dazu ist bekannt. Dazu muss ich nicht noch einmal etwas sagen.
(Dr. Kristin Brinker)
Das Bemerkenswerte an Ihrem Antrag ist aber – zumindest im Vergleich mit dem, was Sie sonst erklären; in einem Punkt haben Sie nicht recht – Folgendes: Der von Ihnen für eine Streichung vorgesehene Teil eines Artikels der Berliner Verfassung ist nicht komplett totes Verfassungsrecht. Es ist nämlich in dem Fall nicht komplett totes Verfassungsrecht, in dem es die Aufnahmemöglichkeit von Schulden der Höhe nach begrenzt, wenn sie nicht gegen die Schuldenbremse verstoßen, diese Schuldenaufnahmen. Sie haben offensichtlich ein Interesse daran, diese Begrenzung aus der Verfassung zu entfernen.
Das finde ich erstaunlich, nehme es aber zur Kenntnis. Ansonsten lohnt aber eine weitere Debatte darüber nicht.
Da müssen Sie überlegen:
Sind Sie ein Künstler, oder haben Sie Hunger?]
Dieser Applaus ist in Berlin leider viel zu lange ausgeblieben. Ich habe das in Vorbereitung auf diese Rede noch einmal Revue passieren lassen. Sie können sich bestimmt alle noch an den Tag erinnern, wo in Berlin das komplette Leben heruntergefahren wurde, wo Restaurants, Kulturreinrichtungen, Bars usw. geschlossen wurden. Dieser Tag ist jetzt genau 27 Wochen her. Das muss man sich mal vorstellen. 27 Wochen, über ein halbes Jahr, so lange gab es keinen Applaus mehr in den Kulturbetrieben, und das ist schade.
Mittlerweile hat fast alles wieder geöffnet, die Bars haben geöffnet, die Restaurants, die Schulen, die Kitas, der Einzelhandel. Die meisten Kulturveranstaltungen aber fallen bis heute aus. Viele Veranstalter und Kulturschaffende bangen um ihre Existenz. Die Demonstration in der letzten Woche unter dem Hashtag „Alarmstufe Rot“ hat das deutlich gezeigt, und auch wir als FDP teilen die Sorgen und Nöte der Veranstaltungsbranche. Wir sind bei ihnen.
Seit Wochen – und wer im Kulturausschuss sitzt, der kann das bestätigen – drängen wir den Senat dazu, endlich die Wiederaufnahme des kulturellen Lebens stärker in den Fokus zu nehmen. Daher bin ich froh, dass heute
(Daniel Wesener)
dieses Thema im Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde der Parlamentsdebatte steht, denn die Ängste einer gesamten Branche müssen endlich auch hier von der Politik verstanden und ernst genommen werden.
Bevor ich allerdings dazu komme, was man jetzt tun muss, möchte ich noch mal aufzeigen, was der Senat in 27 Wochen nicht getan hat. Bereits kurz nach dem Lockdown erreichten uns zahlreiche offene Briefe von unterschiedlichen Einrichtungen. Diese Briefe beinhalteten Ideen und Konzepte, wie die Theaterbetriebe trotz Pandemie unter Hygieneauflagen weiterspielen könnten. Es waren viele gute Ideen dabei, von denen wir heute wissen, dass es damals bereits funktioniert hätte. Leider ist der Senat weder auf die Betreiber zugegangen, noch hat er sich ihrer Ideen angenommen. Das ist sehr schade.
Und man muss auch feststellen: Kultur war dem Senat anscheinend nicht so wichtig wie andere Projekte. Sie haben lieber Pop-up-Radwege gebaut und die Friedrichstraße autofrei gemacht. Herr Lederer! Wie wäre es denn mit Pop-up-Theatern und Pop-up-Veranstaltungen gewesen? Da kam von Ihnen leider nichts.
Oder wie wäre es gewesen, statt einer autofreien Friedrichstraße aus der Friedrichstraße eine Kulturstraße zu machen, mit Bühnen und Tribünen, um Kulturveranstaltungen dort durchzuführen – im Freien bis hin zum Gendarmenmarkt? Da kam auch von hier überhaupt nichts.
Sie reden von einer Nachnutzung von Tegel, sind aber nicht einmal in der Lage, die leerstehenden Hangars am Flughafen Tempelhof als Veranstaltungsfläche während der Pandemie anzubieten. Warum baut die Gesundheitssenatorin in einer Messehalle ein ganzes Krankenhaus, während der Kultursenator es nicht mal schafft, den Sommergarten des Messegeländes als Bühne zu nutzen?
So ließe sich diese Liste endlos verlängern, und es wäre so wichtig gewesen, die Veranstaltungsbranche hier durch die warmen Sommermonate finanziell zu führen. Leider hat der Senat das versäumt. Die Veranstaltungsbranche war ihm nicht wichtig.
Wissen Sie, was mich als Kulturpolitiker besonders ärgert und wo mir wirklich das Herz blutet? – Als ich gelesen habe, dass es dem Senat wichtiger erschien, Straßenprostitution in stinkenden Plumpsklos an der Kurfürstenstraße zu ermöglichen, die Schauspieler aber nicht auftreten dürfen und die gut belüfteten Theater geschlossen bleiben müssen!
Das ist eine Priorität, die ich nicht nachvollziehen kann. Das, was Sie da gemacht haben, ist im Übrigen auch zutiefst widerlich und frauenverachtend. Was der Senat dort betrieben hat, ist eine Schande. Eigentlich hätte man darüber auch mal eine Aktuelle Stunde machen müssen.
Ein Senat, dem die Straßenprostitution wichtiger ist als das Kulturleben in dieser Stadt, der hat den Herzschlag Berlins nicht verstanden.
Jetzt wird der Senat sagen: Dafür haben wir ja die Kulturschaffenden finanziell unterstützt. – Und auch Sie, Frau Helm, haben viel über Geld gesprochen. Es ist schon erstaunlich, dass gerade der Kultursenator von der Linken, die ja eigentlich den Kapitalismus überwinden möchte, hier als einzige Lösung das Geld vorschiebt.
Das ist schon beeindruckend. Und wie Sie dann das Geld verteilt haben, ist auch zu kritisieren. Sie müssen ja bedenken, dass es Steuergeld ist, das Sie dort verteilt haben, und sie saßen so ein bisschen wie im Vorspann von „Eine schrecklich nette Familie“ – Al Bundy – auf der Couch und haben nach rechts und links die Scheine verteilt, ohne zu gucken, wer das Geld bekommt.
Das ist doppelt schädlich, denn zum einen ist es erarbeitetes Steuergeld, und zum anderen ist es Geld, das in Teilen an Leute verschwendet wurde, die es nicht benötigt und es sich kriminell erschlichen haben. Dieses Geld fehlt in anderen Kultureinrichtungen.
Jetzt komme ich zu unserem Antrag. Herr Jahnke! Sie sagen, wir als FDP würden das Infektionsrisiko nicht ernst nehmen. Ich glaube, sogar Ihre eigene Gesundheitssenatorin wird Ihnen bestätigen können, dass die FDP das Infektionsrisiko zu keiner Zeit unterschätzt hat. Aber erklären Sie mir doch mal bitte, warum Restaurants und Kinos geöffnet sein dürfen, die U-Bahn voll besetzt fahren darf, Kontaktsport erlaubt ist und sogar dieses Parlament mit Abstand in voller Besetzung tagt,
das aber für die Kulturschaffenden nicht möglich sein soll! Die Kulturschaffenden wollen nicht mehr und nicht weniger, Herr Schneider, als das, was wir hier machen, und sie haben es sich verdient.
(Florian Kluckert)
Und sie können es auch leisten. Das hat die Anhörung neulich im Kulturausschuss sehr deutlich gezeigt. Da waren Intendanten, die gesagt haben, sie möchten gern mit einer höheren Auslastung spielen. Und sie haben betont, wie verantwortungsvoll das Publikum mit den Coronaverordnungen umgeht. Sie haben aber auch gesagt, dass es möglich ist, die Theater stärker auszulasten. Ich finde, wenn die Theater danach fragen, dann sollten wir ihnen auch eine Möglichkeit geben, das zu tun, und ihnen das nicht verweigern.
Und das können sie mit unserem Antrag genau tun, denn unser Antrag gibt den Veranstaltern die Möglichkeit, die Spielstätten und Veranstaltungsorte sinnvoll und so auszunutzen, dass man auch noch einigermaßen Geld damit verdienen kann und sich nicht mehr vom Senat abhängig macht. Ein Sprichwort sagt ja, Kultur beginnt im Herzen jedes Einzelnen. Sehr geehrter Herr Lederer, ich würde mir wünschen, dass Sie den Kulturschaffenden auch Ihr Herz öffnen und nicht nur das Berliner Portemonnaie. – Vielen Dank!
Ich frage den Senat – und ich weiß, dass der Senat dazu allenfalls Hinweise geben kann –, ob nicht meine alte Idee der Einrichtung eines Unterausschusses „Kreuzberg“ für die Hobbys des Kollegen Wansner mal wieder aufgegriffen werden sollte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir treffen unter diesem Tagesordnungspunkt zwei wichtige Beschlüsse, wichtige Entscheidungen. Erstens: die Notlagenfeststellung. Wir schaffen damit die Möglichkeit für eine Kreditaufnahme in der Krise, indem wir eine Notlage entsprechend § 2 des Berliner Schuldenbremsenumsetzungsgesetzes und gleichzeitig eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gemäß Artikel 87 der Berliner Verfassung feststellen. Wir beziehen uns dabei auf die Wirtschaftsprognosen der Bundesregierung und die Steuerschätzung. Die Feststellung ist evident. Ich kenne keine ernstzunehmende Stimme, die das anders sieht. Deshalb erübrigt sich hier eine weitere Argumentation.
Ein Wort zu dem, was die AfD mit ihrem Änderungsantrag will: Sie möchten oder beantragen unter anderem, dass die Notlage in zwei Monaten noch mal festgestellt werden muss. Das ist Unsinn, schon denklogisch. Hier wird die Konstruktion der Notlagenfeststellung verkannt. Es geht nicht um die Notlage an einem Stichtag. Es geht auch nicht um die Kreditaufnahme an einem Stichtag, nicht um die Kreditaufnahme an jedem zweiten Dienstag und auch nicht nur bei Vollmond, sondern der Bezug muss immer ein Haushaltsjahr sein. Für diesen Zeitraum wird eine Notlage festgestellt, und über diesen Zeitraum betrachtet darf es eine Neuverschuldung ausnahmsweise geben.
Der AfD-Antrag ist Quatsch, den müssen wir nicht weiter beachten.
Aufbauend auf dieser Notlagenfeststellung beraten wir heute den ersten Nachtrag in zweiter Lesung und werden ihn beschließen. Als der Senat ihn eingebracht hat, adressierte er die dringendsten Coronanotwendigkeiten: notwendige Beschaffung von Schutzausrüstungen, medizinischem Gerät, Aufbau medizinischer Kapazitäten, Liquiditätshilfen für Landesbeteiligungen und natürlich die Hilfsprogramme für diejenigen, deren Existenz auf dem Spiel stand. Ich will noch mal betonen, dass es wichtig war, dass Berlin schnell reagiert hat und dass es so reagiert hat, wie es für Berlin nötig ist. Wir haben viele Kulturbetriebe, viele Künstlerinnen und Künstler, viele Menschen, die in Tourismus, Service und Gastronomie arbeiten. Wir haben besonders viele Klein- und
Kleinstbetriebe und besonders viele Soloselbstständige. Deswegen brauchen die die Hilfe natürlich auch zum Leben und nicht nur für Betriebsausgaben. Die Schnelligkeit und die Entschiedenheit, mit der hier reagiert worden ist, hat viele überrascht, und ich will mich bei allen bedanken, die dies ermöglicht haben.
Wenn dabei Vorurteile gelitten haben, dann ist das nicht schlimm. Dies alles ist weiterhin Gegenstand dieses Nachtrags. Die Koalition hat sich allerdings entschieden, ihn um weitere gewichtige Themen anzureichern. Das ist in diesem Umfang durchaus nicht normal und deshalb besonders begründungsbedürftig.
Corona und die Coronafolgen bedeuten neben vielem anderen vor allem für viele Unsicherheit: für Menschen in Bezug auf Beruf und Einkommen, für die Lebensgestaltung, für die soziale Situation, für die Wirtschaft, für viele Institutionen und Initiativen, die in ihrer Existenz bedroht sind. In einer solchen Situation war es für die Koalition wichtig, dass wir schnell Grundlinien für die Bewältigung dieser Krise beschließen, mindestens finanzpolitisch Berechenbarkeit schaffen, und deswegen haben wir diese Grundlinien diesem Nachtrag hinzugefügt.
Die Grundlinien sind Folgende: Erstens, wir werden nicht den zum Scheitern verurteilten Versuch unternehmen, uns aus der Krise herauszusparen.
Nein, wir werden jetzt nicht alles auf den Prüfstand stellen und damit eine gigantische Verunsicherung in die Stadt tragen und auch noch die öffentliche Nachfrage verknappen. Das gilt explizit auch für die Bezirke, die wir mit diesem Haushalt abschirmen.
Ja, die Schwerpunkte der Koalition, die wir mit dem Doppelhaushalt gesetzt haben: Schulen sanieren und bauen, Verkehrswende, Wohnungsbau, leistbare Mieten, leistungsfähiger öffentlicher Dienst, eine Stadt für alle Bewohnerinnen und Bewohner, die für alle leistbar ist, wo niemand um seinen Platz fürchten muss, eine weltoffene und solidarische Stadt auch für Menschen in Not –, diese Schwerpunkte haben Bestand.
Die zweite Grundlinie: Wir werden die coronabedingten Mehrausgaben und die gigantischen Mindereinnahmen in den Jahren des Doppelhaushaltes zunächst durch Kre
(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)
ditaufnahmen finanzieren. Deshalb erteilen wir mit diesem Haushalt die Ermächtigung, neue Kredite in Höhe von 6 Milliarden Euro aufzunehmen. Wir versehen das mit einem Tilgungsplan, und ich verrate kein Geheimnis, dass sich unsere Fraktion eine längere Laufzeit durchaus gewünscht hätte.
Die dritte Grundlinie: Wir werden das Auflegen neuer Projekte und Umschichtungen im Haushaltsvollzug restriktiv handhaben und dadurch Puffer heben.
Die vierte Grundlinie: Wir werden Reste und Überschüsse, die sich ergeben, weil coronabedingt Ausgaben nicht getätigt werden können und Projekte liegenbleiben, in einer Rücklage sammeln.
Damit werden wir als fünfte Grundlinie in der Lage sein, Mittel für wirtschaftsstützende und konjunkturfördernde Maßnahmen verfügbar zu machen. Hier liegt sicher eine besondere Verantwortung beim Bund, aber wir wissen um die Besonderheiten Berlins. Der Bund scheint jetzt, ohne alles schon endgültig bewerten zu wollen, vor allem die große Gießkanne ausgepackt zu haben. Steuererleichterungen sind das Stichwort. Das wird bei vielen Berliner Problemen nicht helfen, und wir werden mit eigenem Geld ergänzen müssen, damit uns hier nicht das Rückgrat der Wirtschaft wegbricht.
Deswegen müssen wir hier eigene Mittel einsetzen. Mit den heute zu beschließenden Grundlinien erarbeiten wir uns diese.
Weitere Einzelmaßnahmen werden wir mit dem zweiten oder weiteren Nachträgen diskutieren. Das betrifft auch Handlungsnotwendigkeiten für das nächste Jahr. Wir sind dann auch in der Lage, gegebenenfalls den Finanzierungsrahmen und die Perspektive zu erweitern. Unabhängig davon und weil wir schnelles Handeln ermöglichen wollen, haben wir mit diesem Nachtrag dem Senat weitere 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um Soforthilfen zu verlängern oder zu justieren. Das betrifft die Schwerpunkte mittelständische Wirtschaft, also die jetzigen Soforthilfen IV und V, das sei hier ausdrücklich gesagt, um Missverständnisse zu vermeiden. Das betrifft den Schwerpunkt Hilfe für Familien, den Bereich Hilfe für Soloselbstständige und auch das Thema, wie im Bereich von Gewerbemieten durch öffentliche Unternehmen geholfen werden kann. Wir erwarten vom Senat, dass er hier schnell weiterhilft, nachsteuert, auf Bundeshilfen abstimmt und Lücken füllt, wo es nötig ist. Wir werden darüber hinaus mit weiteren Mitteln für den Ankauf von Immobilien und Grundstücken uns in die Lage versetzen, antizyklisch Gelegenheiten zu nutzen, um die öffentliche Infrastruktur zu stärken.
Mit diesem Setting stellt die Koalition die Weichen für einen finanzpolitischen Weg durch die Krise, der nicht
nur auf Sicht beschritten wird, sondern mittelfristig trägt. Die Grundfrage, wer für die Kosten der Krise bezahlt, wird sicherlich vor allem auf Bundesebene beantwortet werden. Das Gerechteste wäre in der Tat, wenn die Kosten der Krise in einem Bund-Länder-Fonds gebündelt und auch darüber finanziert werden würden. Wir würden uns sehr wünschen, dass der Senat und auch die Koalition in diese Richtung auf Bundesebene aktiv werden. – Vielen Dank!
Wenn man so viel politisch
ablehnt, kann man auch vieles streichen! –
Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]
Vielen Dank, Herr Präsident! – Geschätzter Kollege Förster! Ich finde es ein bisschen unglücklich, dass ich in der zweiten Plenarsitzung hintereinander darauf hinweisen muss, dass Dringlichkeit und Wichtigkeit keine identischen Begriffe im Plenarwesen sind, sondern bei Dringlichkeit geht es um Eilbedürftigkeit und nicht etwa um die Frage, ob etwas ein gutes Ergebnis ist, nicht um die Frage, ob etwas besonders wichtig ist.
Erstens: Sie haben angeführt, dass es hier im Plenum nicht beraten worden ist. Es hat offensichtlich eine ausführliche Ausschussberatung stattgefunden.
Ob eine Fraktion einen Gegenstand hier zur Beratung anmeldet, hängt davon ab, wie die Fraktionen sich entscheiden. Wenn es ihnen besonders wichtig ist, nicht abschließend zu beraten oder einer Rede wert, hätte es
Ihrer Fraktion absolut freigestanden, es hier zur Beratung anzumelden. Aber auch das hat mit der Dringlichkeit überhaupt nichts zu tun.
Zweitens: Wenn Sie der Auffassung sind, die Ausschussberatung hätte Fragen offen gelassen und man könne noch nicht in die zweite Lesung im Plenum eintreten, hätten Sie eine Rücküberweisung in den Ausschuss beantragen und nicht etwa gegen die Dringlichkeit reden müssen.
Das hätte Ihnen freigestanden, das haben Sie nicht getan. Die Frage der Eilbedürftigkeit hat mit der Frage einer abgeschlossenen Ausschussberatung reineweg gar nichts zu tun.
Hier geht es – und jetzt begründe ich die Dringlichkeit – darum, dass bestimmte Fristen in der Bauordnung aufgrund der coronabedingten Situation in den Ämtern in den Bezirken nicht einzuhalten sind, und ein Umgang damit soll in dieser Bauordnung gefunden werden. Weil die Situation anhält und fortdauert, ist es dringlich, dass wir darauf reagieren. Deswegen spreche ich hier für die Dringlichkeit. Sie haben jedenfalls inhaltlich nicht gegen die Dringlichkeit gesprochen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grundsteuer macht in Berlin etwas über 800 Millionen Euro pro Jahr an Einnahmen für die Stadt aus. Ich denke, das ist eine Summe, von der die meisten hier im Haus der Auffassung sein sollten, dass wir auf die nicht so einfach verzichten können. Wir halten es im Übrigen auch für gerechtfertigt, dass man gerade in einer Stadt den Flächenverbrauch besteuert und damit an diesen Ressourcenverbrauch einen Beitrag zur öffentlichen Finanzierung knüpft. Wir brauchen diese Einnahmen, und wir sind in der Situation, das ist hier angeführt worden, dass die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt wurde, weil unterschiedliche Wertermittlungskriterien in Ost und West zu einer Ungleichbehandlung geführt haben.
Nun muss sich die CDU entscheiden. Ich habe Sie bisher so verstanden, dass Sie auch der Auffassung sind, wir brauchen diese Steuer. Ich habe Sie bisher so verstanden, dass Sie auch der Auffassung sind, dass das Ziel der Aufkommensneutralität auch eines ist, das Sie teilen. Wenn aber gleichzeitig gilt, dass wir unterschiedliche Wertermittlungskriterien überwinden müssen, dann kann man nicht sagen: Niemand soll mehr bezahlen, denn das
führt entweder zu Mindereinnahmen, und das Ziel der Aufkommensneutralität ist dadurch infrage gestellt. Natürlich, wenn niemand mehr bezahlen soll, kann auch niemand weniger bezahlen, wenn die Aufkommensneutralität insgesamt zielführend sein soll. Das bedeutet aber, dass alle das Gleiche bezahlen, und das bedeutet am Ende, dass wir den Zustand haben, der gerade für verfassungswidrig erklärt worden ist.
Genau den müssen wir überwinden, um weiter die Einnahmen aus der Grundsteuer gewinnen zu können. Wir wollen sie weiter gewinnen.
Insofern muss man sich an dieser Stelle entscheiden. Sie vermeiden eine solche Entscheidung, und das ist inkonsequent.
Nun ist es so, das jetzt nur als allgemeine Anmerkung, dass Sie sich offensichtlich dieses Widerspruchs bewusst sind, denn Sie fügen an die Aussage „niemand soll mehr bezahlen“ ein „insbesondere“ an, was normalerweise nicht nötig wäre, wenn niemand mehr bezahlen soll. Aber Sie sagen ja, niemand soll mehr bezahlen, insbesondere Haus- und Wohnungseigentümer. Die politische Schwerpunktsetzung ist nicht direkt unsere, zumal in dieser Differenzierung, also differenzierungslos.
Haus- und Grundeigentümer sind in sehr unterschiedlichen Situationen, und wenn man soziale Kriterien anlegen will, würde das als Kriterium alleine nicht ausreichen, wenn nicht unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten. Aber allein, so wie Sie es anführen, ist das nicht unsere Schwerpunktsetzung und geht dann so einfach auch systematisch nicht. Deswegen werden Sie sich entscheiden müssen, was Sie an dieser Stelle eigentlich wollen, und werden nicht mit so einem Antrag durchkommen: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. – Was wir aber brauchen, ist, dass wir langsam ein bisschen mehr Transparenz darüber herstellen, wie denn die Auswirkungen für die einzelnen Bereiche tatsächlich sind. Wir werden uns, und das wird möglicherweise aber auch ein Prozess sein, der länger dauert, natürlich auch angucken müssen, ob es notwendig ist, an der einen oder anderen Stelle nachzusteuern. Wenn es bisher Fehleingruppierungen gab,
dann ermöglichen die möglicherweise Nutzungen, die eine richtige Eingruppierung nicht mehr ermöglichen, und dann ist es ein politischer Fakt, mit dem man umgehen muss. Man kann nicht einfach sagen: Das war vorher falsch eingruppiert, Pech gehabt, sondern dann ist es ein politischer Fakt, mit dem man umgehen muss. Das wollen wir auch, und das wollen wir auch tun. Erst einmal
(Dr. Kristin Brinker)
müssen wir aber diese aufkommensneutrale Reform ermöglichen, um überhaupt eine Sicherheit zu haben in der Erhebung. Danach sind wir dann auch in der Lage, uns genauer zu überlegen, wie man an dieser Stelle steuernde Elemente einfügen kann. – Danke schön!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Franziska Becker (SPD): Wollen Sie den Hebesatz? – Torsten Schneider (SPD): Steuern weg und Industrie weg!]
Ich fühle mich sehr geehrt.
Sie haben jetzt mit Vorwürfen nicht gegeizt und reden von Mosaiksteinen. Sind Sie in der Lage, in Ihrem Redebeitrag das, was Sie offensichtlich für vorwerfbar halten, in irgendeiner Form zu substantiieren?
(Stefan Evers)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass wir uns hier vereinbart haben, eine Rederunde zu machen, hat sehr gewichtige Gründe, berührt in der Tat Grundsätzliches. Wir sollten die Rederunde nicht mit taktischen Spielchen belasten, die mal mehr, mal weniger legitim im parlamentarischen Alltag stattfinden. Es geht tatsächlich um eine sehr grundsätzliche Frage, um den Befund, dass einerseits der Senat in einer Situation, die er sich selbst nicht vorstellen konnte, die sich niemand vorstellen konnte, herausgefordert ist, unter den Bedingungen der Pandemie, die wir haben, zu regeln, zu handeln – das ist in der Tat die Stunde der Exekutive – und dass er das auch tut, dafür möchte ich ihm danken, mit sehr viel Arbeit, mit sehr viel Aufwand, dass wir aber gleichzeitig die Situation haben, der Kollege Schneider hat es gesagt, dass diese Regeln, die auf dem Verordnungswege gegeben werden, mit gravierenden Grundrechtseinschränkungen verbunden sind.
Das stellt die Frage nach der Legitimation und die Frage nach der Legitimität automatisch. Beide Fragen stellt es. Es sagt nichts über richtig oder falsch aus. Es sagt etwas darüber aus, dass wir genau in unserem Rechtssystem in der Demokratie dafür nicht nur das exekutive Vermögen, sondern die demokratische Legitimation vorausgesetzt haben, um derart regelnd in das Leben von Menschen eingreifen zu können. Genau das ist das, was hier faktisch unter Druck gerät in allen Parlamenten und wo wir als Parlament sagen müssen, dass es so nicht geht. Wir müssen da rein in den Prozess, nicht weil wir als Parlamentarier klüger sind, sondern weil es dieses System braucht, dieses System von parlamentarischer Kontrolle, dieses System unterschiedlicher Perspektiven auch in der Krisensituation, um solche Regeln erlassen und legitimieren zu können. Das müssen wir uns erarbeiten, so schwierig es auch ist.
Deswegen ist es von extremer Wichtigkeit, dass der Senat – ich verstehe, dass es durchaus einen Lästigkeitsfaktor haben kann in einer Situation, wo man viel zu tun hat, viel Kompliziertes, Überforderndes zu tun hat, dann auch noch daran zu denken – unbedingt das Parlament nach festgelegten Verfahren informieren muss, die zum Teil gar nicht umsetzbar sind, so, wie sie geschrieben sind. Aber wir müssen uns gemeinsame Verfahren geben, damit die Demokratie funktionieren kann. In der Tat, das Parlament ist an dieser Stelle nicht nur in seinem Kontrollauftrag gefragt, sondern es ist auch nach seinem Gesetzgebungsauftrag gefragt, auch bei den Verordnungen.
(Heiko Melzer)
Es ist unsere Verantwortung zu prüfen, ob der Verordnungsweg der richtige Weg ist, die Regeln zu geben. Deswegen muss es einfach so sein, dass wir nicht nur rechtzeitig die Verordnung hierher bekommen. Es ist nicht nur eine Informationsfrage, sondern es geht auch darum, dass die parlamentarische Debatte hier stattfindet. Das ist dann unser Auftrag, wie wir mit diesen Verordnungen umgehen.
Nein! Danke! – Es wird übrigens durchaus gar nicht einfach, weil es auch nicht einfach sein wird, die unterschiedlichen Perspektiven zu einer Positionierung bei diesen Punkten zusammenzubringen. Wir sehen gerade auch hier in den Debatten, wie schwierig es ist. Wir müssen uns aber dieser Mühe unterziehen. Dazu muss das demokratische Spiel funktionieren. Dazu müssen wir in der Lage sein, unsere Arbeit auszuüben. Deswegen muss es funktionieren, dass die Verordnungen zu uns kommen. Deswegen muss uns der Senat einen Weg vorschlagen, wie er auch die Verordnungen ankündigt. Dass es nicht so funktionieren kann, wie es in der Verabredung von vor einigen Jahren steht, das ist uns allen klar. Aber wir brauchen ein Verfahren, das insgesamt getragen ist. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht muss man es auch denen, die dieser Sitzung jetzt zuschauen, erläutern. Wir reden in dieser Debatte nicht über die Wichtigkeit eines Themas, sondern über die Dringlichkeit eines Antrags. Es geht also um die Frage, ob jenseits der normalen Fristen, mit denen Parlamentsanträge eingebracht werden müssen, zum Schutze der Debatte hier, damit sich alle auf eine Debatte vorbereiten können, ein Antrag behandelt werden kann. In welchen Fällen dürfte er behandelt werden? Nicht nach Wichtigkeit, sondern, wenn in der letzten Woche – das ist ungefähr die Antragsfrist – Dinge aufgetreten wären, die neue Erkenntnisse über dieses Thema hätten bringen können, wenn Ereignisse aufgetreten wären, die eine politische Aktion hätten motivieren können. Das können wir nicht erkennen.
Und das ist der Grund, weshalb wir der Dinglichkeit hier entschieden widersprechen.
Dass der 8. Mai der Jahrestag der Befreiung ist, das wissen wir nicht erst seit dieser Woche, sondern seit 75 Jahren.
Dass er glücklicherweise auch so bezeichnet wird, wissen wir seit der Rede von Richard von Weizsäcker. Ich verstehe Ihren Antrag vollkommen richtig, diesen Konsens hier zurückdrehen zu wollen, und weise das zurück.
Dass im Land Berlin der 8. Mai in diesem Jahr ein Feiertag ist, wissen wir auch nicht erst seit dieser Woche, sondern das ist hier wohlbegründet besprochen und so entschieden worden. Deswegen ist es auch Quatsch zu sagen, dass niemand das begründet hätte.
Insofern gibt es für eine Dringlichkeit keinen Grund, sondern es gibt in diesem Haus einen Konsens, was den Umgang mit diesem Tag betrifft. Und es gibt eine weitgetragene Einschätzung, dass es einen Feiertag geben soll. Das ist keine Neuigkeit. Deswegen gibt es keinen Grund für eine Dringlichkeit, die Sie im Übrigen mit keinem Wort in Ihrer Begründung begründet oder auch nur erwähnt haben. Deswegen haben Sie, aus meiner Sicht, diese Dringlichkeitsbegründung auch, was die Geschäftsordnung betrifft, missbraucht.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Nachtragshaushalt stehen wir vor völlig anderen Herausforderungen als wir sie ahnen konnten, als vor wenigen Monaten der Doppelhaushalt beschlossen worden ist. Die eigentliche politische Frage, nicht nur für den Nachtragshaushalt, sondern für das Jahr insgesamt, ist die Frage, wie sich die Herausforderungen zu den Zielen verhalten, die hinter dem Doppelhaushalt gestanden haben, auf die wir uns als Koalition dort verständigt haben. Wie bewältigen wir das? Das ist zugegebenermaßen eine Debatte, bei der diejenigen, die die Ziele noch nie richtig gefunden haben, nicht wirklich gut mitreden können,
(Christian Goiny)
aber zumindest in der Koalition müssen wir uns darüber verständigen.
Die Ziele lauten, dass wir natürlich eine neue Infrastruktur in der Stadt brauchen, dass wir Schulen sanieren und bauen müssen, dass wir eine Verkehrswende brauchen, dass wir den öffentlichen Dienst handlungsfähig machen wollen, ja, auch, dass wir rekommunalisieren wollen, dass wir einen sozial-ökologischen Umbau der Stadt wollen, dass wir eine für alle Bewohnerinnen und Bewohner leistbare Stadt wollen, wo niemand um seinen Platz fürchten muss. Die Probleme, die mit diesen Zielen adressiert werden, bestehen nach wie vor. Keines ist mit Corona verschwunden, vielleicht sind manche aus dem Blick geraten.
In jedem Fall gibt es mit Corona neue Notwendigkeiten. Die allerdringendsten werden mit dem Nachtragshaushalt adressiert: die notwendige Beschaffung von Schutzausrüstung und medizinischem Gerät, der Aufbau medizinischer Kapazitäten, Liquiditätshilfen für Landesunternehmen für wegbrechende Einnahmen, Hilfsprogramme für diejenigen, deren Existenz akut auf dem Spiel stand. Da war es richtig, und das ist bemerkenswert, dass Berlin nicht die Bundesprogramme abgewartet hat, sondern schnell und so reagiert hat, wie es für Berlin eben nötig ist.
Wir haben besonders viele kleine und Kleinstbetriebe, wir haben viele Soloselbständige, die Hilfe brauchen, natürlich auch zum Leben und nicht nur für die Betriebsausgaben.
Wir haben Kulturbetriebe, wir haben Künstlerinnen und Künstler sowie Menschen, die im Tourismus, Service und in der Gastronomie tätig sind, und deswegen musste hier ein besonderer Schwerpunkt gesetzt werden. Die Schnelligkeit und Entschiedenheit, mit der reagiert worden ist, hat viele überrascht. Ich will mich bei allen bedanken, die das ermöglicht haben. Wenn darüber das eine oder andere Vorurteil einen Kratzer bekommen hat und der eine oder andere hämische Kommentar angesichts überlasteter Server am ersten Tag im Halse stecken geblieben ist, macht mich das nicht traurig.
Wir werden sicher über das eine oder andere im Einzelnen zu diskutieren haben. Wir müssen natürlich gucken, wie die einzelnen Förderprogramme miteinander abgestimmt sind, welche Rolle und welche Spielräume die Bundesprogramme noch spielen bzw. bieten. Wir werden, es ist angesprochen worden, über die Frage reden müs
sen, wie wir mit außerplanmäßigen und überplanmäßigen Ausgaben umgehen wollen. Was hier nun aber vorliegt, ist sicherlich etwas, was wir finanzieren werden, ohne dass es uns ins Wanken bringt. Es wird nicht die allergrößte Herausforderung in diesem Jahr sein; die kommen noch. Wir werden sehen, in welcher formalen Form wir sie zu bewältigen haben.
Corona- und lockdownbedingt werden wir in diesem und im nächsten Jahr gigantische Steuerausfälle haben. Die Steuereinnahmen werden einbrechen. Wie kann das anders sein in einer Zeit, in der in vielen Bereichen die Wertschöpfung weitgehend auf Null gefahren ist? Wir werden dazu in den nächsten Wochen eine amtliche Prognose erhalten; es werden Milliardenbeträge sein. Was immer aber auch das Ergebnis dieser Prognose sein wird, es wird ein sehr vorläufiges sein, zumal für 2021.
Wir haben weitere Herausforderungen, die ich benennen will: Wir werden die Wertschöpfung, die wirtschaftliche Entwicklung natürlich wieder ankurbeln müssen, und hier liegt eine besondere Herausforderung beim Bund. Wir wissen aber um die Besonderheiten Berlins und ahnen, dass nicht jedes Konjunkturprogramm des Bundes, das etwa die Auto- oder Werftindustrie adressiert, uns in Berlin hilft. Wir brauchen deshalb eigene Mittel, um Bundesprogramme nicht nur kozufinanzieren, sondern zu ergänzen und um genau die Dinge unterstützen zu können, die Herr Goiny zu Recht angesprochen hat, die die Stadt attraktiv machen und auch den wirtschaftlichen Motor ausmachen.
Wir werden auch weiterhin über die Fortführung und Ergänzung von Hilfsprogrammen reden müssen. Dabei geht es einerseits darum, ggf. Lücken zu schließen, wir müssen andererseits aber auch über die Fortführung von Hilfsprogrammen reden. Wir müssen genau prüfen, wo Betriebe oder Institutionen mithilfe der Programme zwar noch leben, aufgrund des Andauerndes von Beschränkungen ohne weitere Programme aber nicht überleben können. Wir müssen verhindern, dass Strukturen, die wir in der Stadt brauchen, einfach wegbrechen.
Es geht auch um die Begleitung und die Bewältigung von Krisenfolgen. Das betrifft z. B. die notwendige Unterstützung von Kindern und Jugendlichen beim Lernen unter Coronabedingungen: Wo brauchen wir dort eine zusätzliche Unterstützung? – Wir wissen, dass auch diese Krise die Schwachen besonders stark trifft. Deshalb lehnen wir es im Übrigen auch ab, coronabedingt Sozialstandards zu senken. Wenn es aber so ist, dass zum Beispiel in den Unterbringungen für Obdachlose die Infektionsstandards nicht gewährleistet werden können, müssen wir über andere Möglichkeiten reden, auch über Hotels.
Kein Haushalt der Welt kann solche Herausforderungen „wegatmen“, kein Sparprogramm der Welt kann sie
finanzieren. Wir werden deshalb den Weg der Kreditaufnahme gehen müssen. Wir befinden uns in einer Notlage, und selbst die Schuldenbremse, die wir bekanntlich sehr kritisch sehen, sieht hierfür die Möglichkeit der Neuverschuldung vor. Wir halten es für falsch, in dieser Situation die öffentliche Nachfrage durch Sparprogramme weiter zu kürzen oder dadurch Unsicherheit zu verbreiten. Wir wollen eher die Sicherheit schaffen, dass wir jetzt darauf verzichten, zumal der finanzielle Beitrag ohnehin nur ein untergeordneter sein könnte. Das schließt Sparsamkeit natürlich nicht aus, und das heißt vor allen Dingen nicht, dass Mittel, die coronabedingt nicht ausgegeben, nicht eingesammelt werden können. Ich glaube, das ist auch der Weg, wie wir mit den Bezirken verfahren müssen. Das bedeutet aber auch, dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht die Investitionsfähigkeit und die Investitionsentscheidungen für Dinge zurückdrehen, die wir in der Stadt brauchen.
Wir halten beim Thema Investitionen auch die Umwidmung von Investitionsmitteln in Konjunkturprogramme nicht für den richtigen Weg, ganz einfach deshalb, weil dadurch der konjunkturelle Effekt dieser Programme infrage gestellt wird.
Für uns ist deshalb klar: Wir werden die Coronaherausforderungen durch zusätzliche Kreditaufnahmen finanzieren müssen. Das ist bitter, im Übrigen gerade für diejenigen, die die politische Dresche für die Konsolidierung der Vergangenheit bezogen haben, aber es ist notwendig. Der Weg in die Neuverschuldung kann natürlich nur ein vorübergehender, notfallbedingter sein, aber er wird sich sicherlich nicht in ein paar Monaten erledigt haben. Das bedeutet am Ende, davon bin ich überzeugt, dass wir auch in dieser Zeit unsere bisherigen politischen Ziele nicht einfach beiseiteschieben dürfen. Sicher wird nicht alles gleichzeitig gehen, aber wir sollten das, was wir für die Stadt als nötig und richtig erkannt haben, nicht einfach beiseiteschieben.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist in der Tat kein Anliegen, das zum ersten Mal diskutiert wird, sondern in unterschiedlichen Konstellationen vorgebracht wird. Die Kolleginnen und Kollegen Vorrednerinnen und Vorredner haben durchaus schon differenzierte Argumente vorgebracht. Bei der Frage ist es sicher wichtig, zunächst zu entscheiden, ob man generell gegen Altersgrenzen im Beamtenrecht ist. Ist das quasi ein erster Schritt, oder will man auf besondere Konstellationen abstellen? – Ich glaube, dass einiges dagegen spricht, generell gegen Altersgrenzen in Bezug auf das Beamtentum zu sein. Auch die alternde Gesellschaft ist kein gutes Argument.
Zum Zweiten will ich, zumal in der Begründung mit viel Verve über Altersdiskriminierung und Demokratie geredet wird, sagen, dass die legislativen Funktionen unabhängig vom Alter – zumindest oberhalb eines Alters von 18 Jahren – zur Verfügung stehen und insofern das passive Wahlrecht nicht eingeschränkt ist. – Das möge man diskutieren. Da gibt es sicherlich ganz unterschiedliche Zugänge.
Den Rest meiner Redezeit will ich nutzen, um mich beim Kollegen Swyter, der offensichtlich gleich seine letzte Rede hier halten wird, ganz herzlich für die Zusammenarbeit zu bedanken und ihm alles Gute zu wünschen – vielen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In aller Kürze: Erstens, wir halten diesen Untersuchungssauschuss für überflüssig, falsch bis hin zu gefährlich.
[Beifall bei der CDU und der FDP – Franz Kerker (AfD): Mit Sicherheit! – Uh! von der FDP und von der CDU – Marc Vallendar (AfD): Der Ausschuss ist für den Senator gefährlich!]
Ich komme dazu. Wir halten ihn für falsch, weil wir keine Anhaltspunkte dafür haben, was den Umgang mit den Vorgängen in Hohenschönhausen und was den Umgang mit den Vorwürfen sexueller Belästigung betrifft, dass es hier Fragen gibt, die eines Untersuchungsausschusses bedürfen. Im Gegenteil! Wir halten das Handeln der Kulturverwaltung jedenfalls in dieser Wahlperiode für nicht tadelnswert, sondern für vollkommen richtig.
Zweitens: Wir respektieren selbstverständlich das Recht der Oppositionsfraktionen, Untersuchungssauschüsse einzurichten, vollkommen unabhängig von der politischen Bewertung der Mehrheit in diesem Haus und auch vollkommen unabhängig von einer Betrachtung der Frage, inwieweit in dieser oder in anderen Fragen ein Untersuchungssauschuss ein geeignetes Mittel ist. Insofern werden wir uns enthalten. Eine Bemerkung sei erlaubt. Der sehr bereitwillig Griff dazu, Verfahrensweisen zu skandalisieren, legt zumindest einen Verdacht nahe, dass der politische Effekt vor allen Dingen im Tamtam um die Einsetzung bestehen soll und weniger in einem tatsächlichen Aufklärungsinteresse.
Drittens: Wir haben einen Änderungsantrag, übrigens gar nicht überraschend, gestellt. Wir haben von Anfang an angekündigt, dass wir natürlich auch das Agieren der Beauftragten des Bundes im Stiftungsrat mitbeleuchten wollen, wenn ein solcher Untersuchungsausschuss eingerichtet wird, sonst wäre der Blick darauf nicht vollständig. Insofern wird das jetzt auch genau so stattfinden.
Viertens: Wir sehen eine große Gefahr in diesem Ausschuss, und jetzt komme ich dazu, weshalb wir ihn für gefährlich halten, weil wir die Gefahr sehen, dass in einer solchen Dynamik tatsächlich die Vorwürfe sexueller
Belästigung, die Situation der Frauen, die Gespräche, die sie geführt haben, die in der Vertraulichkeit geführten Gespräche mit Frauenbeauftragten und Ähnlichen, an das Licht zumindest der Öffentlichkeit eines Untersuchungsausschusses gezerrt werden. Das hielten wir für ganz falsch und für hochgefährlich und auch für nachhaltig, solche Instanzen wie Frauenbeauftragte beschädigend. Das werden wir versuchen zu verhindern.
Wir werden deswegen in den Verfahrensregeln dafür sorgen, gerne gemeinsam mit den Antragstellenden, dass wir Vorkehrungen dafür treffen, etwa durch die Einsetzung eines Unterausschusses zur Beweisaufnahme, dass ein erhöhtes Maß von Vertraulichkeit und auch die Gewähr von Vertraulichkeit hier gewährleistet wird.
Jetzt bin ich durch.
Kollege Czaja! Wie entscheiden Sie sich denn jetzt bei der Situationsdarstellung? – Ist jetzt alles schön, oder ist jetzt alles nicht schön? – Beides sollten Sie nicht gleichzeitig behaupten; dann könnte man Ihnen nicht glauben.
Es ist wie immer,
(Stephan Lenz)
Hauptthema der AfD ist die AfD! –
So läuft das? –
Ganz sicher? –
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalition beantragt die Vertagung der Tagesordnungspunkte 5 und 6. Ich möchte das wie folgt begründen.
Erstens: Wir haben hier in der vorletzten Plenarsitzung erlebt, wie mit der Folge erheblichen Schadens für dieses Parlament und vor allem für den Verfassungsgerichtshof von Berlin eine Absprache über die Wahl einer Kandidatin nicht funktioniert hat.
Damit ist das jahrelang erprobte Verfahren interfraktioneller Zusammenarbeit gebrochen.
Zweitens: Nun gibt es unterschiedliche Darstellungen darüber, woran das gelegen hat. Ich denke, von der Konsistenz her und auch für den unvoreingenommenen Betrachter kann es hier kaum zwei Meinungen geben.
Aber das kann dahingestellt bleiben. Fakt ist, die Absprachefähigkeit der CDU mit der Mehrheit in diesem Haus steht infrage. Das Vertrauen in den Bestand entsprechender Absprachen besteht nicht mehr.
Drittens: Um neuen Boden für das gegenseitige Vertrauen in Absprachen zu schaffen, brauchte es wenigstens die
Bereitschaft der Fraktionsvorsitzenden – der Fraktionsvorsitzenden! – öffentlich zu erklären, für das Einhalten der Absprachen und damit für die Wahl der Kandidatinnen und Kandidaten in ihren Fraktionen entsprechend der Absprachen zu werben.
Diese Bereitschaft existiert entsprechend der Äußerungen der Führung der CDU seitens der CDU nicht. Was sie stattdessen einfordert, ist ein Mitspracherecht bei der Kandidatinnen- und Kandidatenauswahl, in diesem Fall meiner Fraktion.
Sie versucht also, aus dem Bruch der Absprache einen politischen Landgewinn zu erzielen.
Das widerspricht dem verabredeten und gebrochenen Verfahren und kann natürlich nicht Grundlage für neues Vertrauen sein.
Um weiteren Schaden vom Parlament und möglichen Kandidatinnen und Kandidaten abzuwenden,
wird die Koalition zunächst Wahlen, die von der Absprachefähigkeit zwischen CDU und Koalition betroffen sind, vertagen.
Sechstens: Uns ist bewusst, dass dieser Zustand so schnell wie möglich überwunden werden muss. Wir hoffen, dass auch die CDU die Tragweite der Ereignisse in der vorletzten Plenarsitzung erkannt hat. Der Ball, liegt nun, um hier weiterzukommen, bei der CDU.
Herr Kollege Förster! Sie haben vorgeworfen, dass wir, möglicherweise Politikerinnen und Politiker oder Parteien, die Absicht haben, die politische Achse im Koordinatensystem nach links zu verschieben. – Halten Sie das für verfassungswidrig?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht heute um die landesgesetzliche Ausgestaltung und Umsetzung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Für uns ist gleichwohl die Debatte um die Sinnhaftigkeit der Schuldenbremse an sich keineswegs beendet. Darauf will ich mich zunächst beziehen.
Was ist die Schuldenbremse? – Die Schuldenbremse ist zunächst einmal die Selbstbeschneidung oder Beschneidung des Haushaltsgesetzgebers zugunsten einer vermeintlich höheren ökonomischen Idee.
Wie steht es um Schulden? – Schulden sind zunächst einmal keineswegs per se ökonomisch falsch, sie sind auch nicht per se ökonomisch ungefährlich oder wünschenswert, es kommt eben darauf an.
Für dieses Es-kommt-darauf-an ist die Schuldenbremse weitgehend blind. Das finden wir nicht sinnvoll. Deswegen lehnen wir, kurz gesagt, die Schuldenbremse ab.
Angst vor demokratischen, politischen Entscheidungen sollte nicht das Leitmotiv einer solchen durchaus grundsätzlichen Debatte sein. Politische Entscheidungen bestehen aus Abwägungen von politischen Interessen, von Risiken, von Chancen, von Werten, von Erkenntnissen. Diese Entscheidungen zu treffen, dafür sind Parlamente durch Wahlen legitimiert, darüber müssen sie Rechenschaft ablegen, dafür Verantwortung übernehmen. Die Schuldenbremse beschneidet diese Abwägung zugunsten
(Andreas Wild)
einer Ideenhierarchie mit der Folge eines Tabus. Die politische Reaktionsfähigkeit im ökonomischen Krisenfall soll begrenzt werden durch eine bestimmte fiskalische Idee. Das Prinzip, keine Schulden aufzunehmen, ist wichtiger als die Möglichkeit von verantwortlichen politischen Entscheidungen im Krisenfall, mit der Konsequenz, dass dem Grunde nach zugunsten einer bestimmten ökonomischen Betrachtungsweise politische Entscheidungen auf der Ebene des Königsrechts der Parlaments, dem Budgetrecht, tabu sind. Das ist eine Selbstverzwergung des Parlaments.
Der Gedanke der Volkssouveränität impliziert die Idee, dass in einer repräsentativen Demokratie das Parlament im Grunde in der Lage ist, alle Entscheidungen zu treffen, deshalb Souverän. Diesem Prinzip, das natürlich Grenzen hat – Grenzen in Grundrechten, in Verfahrensgarantien, in Gewaltenteilung, auch in der unterschiedlichen Kompetenz der Ebenen, aber eben nicht in ökonomischen Ideen –, widerspricht die Erwägung, Sachverhalte von parlamentarischen Entscheidungen abzuschirmen, zum Beispiel durch die Schuldenbremse.
Ein weiteres exemplarisches Argument: Die Schuldenbremse hat eine investitionshemmende Wirkung und sie verhindert ökonomisch sinnvolles Verhalten. Die berühmte schwäbische Hausfrau käme im Leben nicht auf die Idee, ihr Häuschen aus den laufenden Einnahmen und auf einmal zu bezahlen. Sie wird diese finanzielle Belastung über Jahre verteilen, denn sie nutzt dieses Häuschen auch über Jahre und hat einen dauerhaften Wert erworben. An einem solchen sinnvollen ökonomischen Verhalten wird die öffentliche Hand durch die Schuldenbremse dem Grunde nach gehindert. Das halten wir nicht für sinnvoll, zumal in Zeiten niedriger Zinsen und eines großen investiven Bedarfs.
Ich will einmal sagen, gerade die Klimakrise ist vor allen Dingen eine Frage von Infrastruktur und Investitionsnotwendigkeiten. Gerade in einer solchen Situation auf der Schuldenbremse zu beharren, das zeigen die bundesweiten Debatten, muss mehr und mehr infrage gestellt werden.
Gleichwohl ist klar: Wir müssen eine landesgesetzliche Umsetzung machen. Die liegt hier vor. Wir haben uns von dem Ziel leiten lassen, die Investitionsfähigkeit wie auch die Flexibilität und Reaktionsfähigkeit im Krisenfall so wenig wie möglich einzuschränken. Deswegen, soweit wir es einschätzen können, die Wahl für dieses konjunkturelle Ausgleichsverfahren. Das hier zu vertiefen, sprengt sicherlich den Rahmen. Deswegen die Entscheidung: Ja, wir wollen bei Landesunternehmen – wie bisher auch, das ist keine Neuigkeit, die wir einführen – die Möglichkeit erhalten, dass sie Kredite für Investitionen aufnehmen können. Das wollen wir nicht durch die
Schuldenbremse einschränken, weil wir grundgesetzlich dazu nicht verpflichtet sind, dies zu tun. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es in jedem Fall sinnvoll ist, dass Landesunternehmen Kredite aufnehmen. Natürlich nicht. Deswegen muss die Ermächtigung im Einzelfall erteilt werden, sollten wir im Einzelfall zu der Einsicht gelangen, dass wir das für richtig halten. Auch hier gilt wieder: keine Angst vor der demokratischen Entscheidung, sondern Verantwortung für die demokratische Entscheidung.
Wir haben im parlamentarischen Verfahren noch einen weiteren Aspekt ergänzt, nämlich die Bewertung von öffentlich-privaten Partnerschaften. Das verweist zunächst darauf, dass die grundgesetzliche Schuldenbremse die Verlagerung finanzieller Lasten in die Zukunft genau nicht gleichmäßig bestraft, sondern eben nur soweit sie Kreditaufnahmen sind, und sie bei Sonderfinanzierungen im Gegenteil sogar befördert. Diese Logik wollen wir mit der Regelung, die wir hier in der landesgesetzlichen Umsetzung haben, umkehren. Das bedeutet nicht, dass wir solche Konstruktionen in der Zukunft vorhaben. Dabei betonen wir, wenn wir von öffentlich-privaten Partnerschaften reden, auf die Eigentumsverhältnisse abzustellen und nicht zuvörderst auf die Rechtsform.
Es ist angemerkt worden – nicht in dieser, aber in der Ausschussdebatte –, dass es eine späte Regelung sei. Ich glaube, bei der landesrechtlichen Umsetzung der Schuldenbremse ist es nicht sinnvoll, einen Wettbewerb um die schnellste Regelung zu machen. Ich glaube, es hat im Gegenteil der Regelung nicht schlecht getan, dass wir in der Lage waren, uns nicht nur andere Regelungen anzuschauen, sondern auch die sich entwickelnde Debatte aus anderen Bundesländern und dem Bund aufzunehmen.
Zum Thema Verankerung der landesgesetzlichen Schuldenbremse in der Verfassung: Es ist nicht mangelnder Mut, sie nicht in der Verfassung zu verankern, sondern eine bewusste Entscheidung. Weil wir uns bewusst sind, dass die Voraussetzungen, die für eine solche Regelung formuliert werden, durchaus vage sind und dass die Wirkungen nicht in vollem Maße voraussehbar sind, weshalb es sich ein Parlament gestatten sollte, Erfahrungen zu sammeln und gegebenenfalls Konsequenzen daraus zu ziehen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist immer schwierig, die Ebenen bei den Bezügen zu halten, die man macht. Also wenn Sie sich auf den Strauß-Kredit beziehen und den in den Zusammenhang mit der Schuldenbremse bringen wollen, dann müssten Sie ja unterstellen, dass es so etwas wie eine demokratisch-parlamentarische Entscheidung in der DDR gegeben hätte, diesen Kredit aufzunehmen. – Das wird doch wohl nicht ernsthaft das sein, was Sie behaupten wollen, oder? – Erstens.
Zweitens: Das Parlament kann eine Entscheidung treffen über die Frage, ob es sich verschulden oder nicht verschulden will; das ist ja alles möglich. – Zunächst einmal: Den linken Regierungen der letzten Jahre vorzuwerfen, sie hätten in den letzten Jahren eine Verschuldungspolitik
betrieben, ist einigermaßen weitgehend und einigermaßen abwegig, Herr Kollege!
Drittens: Erkennen Sie den Unterschied zwischen einer Entscheidung, wie man öffentliche Aufgaben finanzieren will? – Die kann man einerseits bewerten, gut oder falsch finden, da können viele recht haben. Aber die Entscheidung in der Sache einerseits und die Frage, ob man solche Entscheidungen verbieten will oder nicht, ist die Frage, vor der wir grundsätzlich stehen. Sie wollen diese Entscheidung verbieten. Ich will die Freiheit für das Parlament, sich zu entscheiden und dann natürlich auch die Verantwortung dafür zu übernehmen und natürlich auch den Streit der demokratischen Argumente, das Abwägen von Für und Wider. Das halte ich für ein ausreichendes Korrektiv, da braucht man kein Verbot parlamentarischer Entscheidungen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Parlamentarische Demokratie kann nicht funktionieren ohne ein Mindestmaß an Vertrauen in getroffene Absprachen.
Wenn es das nicht mehr geben kann, tun wir jeder parlamentarischen Funktionsweise einen Tort an.
30 Jahre Friedliche Revolution sind zunächst einmal ein Anlass zu erinnern – zu erinnern an mutige Menschen aus der DDR, aus dem Osten Berlins, ohne die die Überwindung der SED-Diktatur nicht möglich gewesen wäre.
Diesen Menschen will ich hier besonders danken – danken für ihren Mut, ihre Entschlossenheit. Sie haben Geschichte geschrieben, sich trotz erlebter Repressionen weiter getraut, friedlich Widerstand zu leisten. Es ist schwierig, sicher ungerecht, hier Namen herauszugreifen, und trotzdem will ich es nicht beim Abstrakten belassen. Ich will deshalb diejenigen nennen, die hier mit diesem Haus zu tun hatten, als Mitglieder dieses Hauses oder als Mitarbeiter von Fraktionen, und die ich deshalb auch kennenlernen durfte. Ich will nennen Irena Kukutz, Reinhard Schult, Sebastian Pflugbeil, Uwe Dähn, Torsten Hilse, Marion Seelig, Bärbel Bohley. Sie hatten den Mut, sie hatten aber auch die Klugheit, die Diktatur an ihrer schwächsten Stelle anzugreifen und damit auch das dringendste Bedürfnis vieler DDR-Bürgerinnen und -Bürger anzusprechen, indem sie an die Öffentlichkeit traten und die öffentliche Debatte einforderten und gleichzeitig anboten. Deshalb konnte der Gründungsaufruf des Neuen Forums zur Initialzündung für eine öffentliche Mobili
(Präsident Ralf Wieland)
sierung, für eine demokratische Bewegung werden, die die Angst und Erstarrung überwand.
Dass die Macht der SED-Führung auch innerhalb der SED und im Staatsapparat weit erodiert war und es hier mehr und mehr Menschen gab, die nicht mehr folgen wollten und den Hardlinern entgegengetreten sind, hat sicher auch dazu beigetragen, dass die Friedliche Revolution nicht in einer Tragödie endete wie der 17. Juni 1953. Aber im September und Anfang Oktober 1989 konnte niemand sicher sein, dass es keine militärische Eskalation gibt. Ich erinnere mich daran, dass ich selbst um den 7. Oktober herum auf Klassenfahrt an der Ostsee war, weitab von den Ereignissen. Aber ich weiß noch, dass wir uns nicht sicher waren, in welches Berlin wir zurückkehren würden, dass wir uns nicht sicher waren, ob die Panzer am 7. Oktober von der Parade die Stadt wieder verlassen würden.
Die Friedliche Revolution ist ein guter Grund, Freiheit und Demokratie zu feiern. Sie leitete eine Hochzeit des demokratischen Engagements ein, die auch mich maßgeblich geprägt hat. Menschen organisierten sich selbst, gründeten Organisationen und Parteien und versuchten, das gesellschaftliche Leben in die Hand zu nehmen. Sie trugen ihre Überzeugungen und Interessen auf die Straßen und suchten gleichzeitig den Ausgleich und die Diskussion am Runden Tisch. Diese Erfahrung hat nach wie vor viel einzubringen in den demokratischen Prozess.
Wir haben hier heute neben der Resolution der vier Parteien noch eine gesonderte Resolution der CDU vorliegen – anders als bei vielen Anlässen in den letzten Jahren. Da gab es im Feld der Aufarbeitung der DDR-Geschichte eine Reihe gemeinsamer Anträge zum Thema „Aufarbeitung der SED-Diktatur evaluieren“, „Rehabilitierung und Ausgleich für in der DDR erlittene Verfolgung und Benachteiligung“ und zur Vorbereitung des 30. Jahrestages der Friedlichen Revolution und auch vor zehn Jahren zur Würdigung des 20. Jahrestages. Heute nun ist die CDU nicht mehr bereit, einen gemeinsamen Antrag mit meiner Fraktion zu stellen. An einer Veränderung des historischen Gegenstandes kann das nicht liegen. Ich sehe auch nicht, dass sich das Verhalten meiner Fraktion hier in den letzten zehn Jahren großartig geändert hätte.
Also hat sich der Blick der CDU auf den historischen Gegenstand, jedenfalls aber ihr politischer Umgang damit verändert, wohl im Zuge einer Diskussion innerhalb der CDU über den Umgang mit einem Wahlergebnis in Thüringen. Das ist einerseits schade, weil es das gemeinsame politische Handeln auf diesem Feld verdeckt und ja wohl auch verdecken soll. Vielleicht hilft es aber andererseits auch dabei, den Blick zu schärfen für die Herausforderungen im Umgang mit Geschichte. Denn dieses Beispiel zeigt etwas, was einerseits normal und selbstverständlich ist, andererseits aber auch oft aus dem Blick gerät. Es
zeigt, in wie starkem Maße die geschichtspolitische Debatte nicht nur vom historischen Gegenstand, sondern von politischen Erwägungen im Hier und Jetzt geprägt ist. Weil das so ist und weil das im Grunde auch so sein muss, ist die gegenseitige implizite Verabredung, Kollege Juhnke, sich weitgehend am Gegenstand zu orientieren und Instrumentalisierungen zu vermeiden, von Bedeutung. Sie liegt aus meiner Sicht der überfraktionellen Zusammenarbeit hier in diesem Hause zugrunde. Ich hoffe, na ja, sie hat Bestand.