Protocol of the Session on February 20, 2020

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 54. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie, unsere Gäste, Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreterinnen und Medienvertreter sehr herzlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, sich von den Stühlen zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Gestern Nacht sind bei einem Anschlag in Hanau elf Menschen zu Tode gekommen, unter ihnen wohl auch der Attentäter. Etliche Menschen wurden verletzt.

Wir haben noch keine Gewissheit über das eigentliche Tatmotiv des Attentäters. Es macht jetzt auch keinen Sinn, hier an diesem Ort darüber zu spekulieren. Wir sollten dennoch einen Moment innehalten und unsere Gedanken zu den Opfern und ihren Angehörigen lenken, um unsere Anteilnahme zu bekunden. Wir sind erschüttert über das Geschehen, von dem wir erst vor wenigen Stunden erfahren haben. Verbrechen dieser Art verursachen nur Leid, weil sie nur ein Ziel kennen: zu zerstören. – Sie sind und bleiben sinnlos. – Wir alle hoffen, dass es nicht noch mehr Tote zu beklagen gibt. Unsere Gedanken sind bei den Menschen in Hanau.

[Gedenkminute]

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren der Opfer von den Plätzen erhoben haben.

Ich habe dann noch einiges Geschäftliches mitzuteilen. Es gab einen Mandatswechsel: Herr Harald Wolf von der Fraktion Die Linke hatte sein Mandat niedergelegt und wurde in der letzten Plenarsitzung verabschiedet. Bei der Fraktion Die Linke ist nachgerückt Frau Franziska Leschewitz. – Herzlich willkommen im Abgeordnetenhaus und auf gute Zusammenarbeit!

[Allgemeiner Beifall]

Dem Kollegen Daniel Buchholz von der SPD-Fraktion darf ich zum heutigen Geburtstag gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!

[Allgemeiner Beifall]

Ebenfalls heute Geburtstag hat der Kollege Bernd Schlömer von der FDP-Fraktion. Auch Ihnen herzlichen Glückwunsch!

[Allgemeiner Beifall – Zuruf: Dieser Blumenstrauß ist größer! – Torsten Schneider (SPD): Die inneren Werte zählen! – Heiterkeit – Weitere Zurufe von der SPD und der FDP]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, jetzt haben wir uns ausreichend humorvoll über die Größe der Sträuße ausgetauscht.

[Beifall von Stefan Förster (FDP)]

Bevor ich zu weiteren Mitteilungen komme, muss ich auf die letzte Plenarsitzung vom 30. Januar 2020 und die anschließende Ältestenratssitzung zurückkommen.

In der letzten Plenarsitzung gab es von der Frau Kollegin Kofbinger einen beleidigenden Zwischenruf, der auch gerügt wurde. Ergänzend möchte ich mitteilen, dass sich der Parlamentarische Geschäftsführer in der Ältestenratssitzung für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dafür noch zusätzlich entschuldigt hat.

Im Ältestenrat wurde seitens der AfD-Fraktion eingeräumt, dass der Abgeordnete Lindemann Senator Geisel als „Lügensenator“ bezeichnet hat. – Herr Abgeordneter Lindemann! Ich rufe Sie dafür nachträglich zur Ordnung!

Während der Aussprache zu der Volksinitiative „Klimanotstand Berlin“ erfolgte vom Abgeordneten Krestel der Zwischenruf „Klimafaschisten!“ – Herr Abgeordneter Krestel! Ich rufe Sie dafür nachträglich zur Ordnung!

Insgesamt möchte ich daran appellieren, dass wir hier auch eine Vorbildfunktion haben und alle uns bemühen müssen, bei unserer Wortwahl jenseits der Notwendigkeiten, auch zu streiten und zu debattieren, auf eine angemessene Debattenkultur zu achten. Es gibt vielleicht eine einfache Formel: Demokraten sollten sich einfach wie Demokraten benehmen.

[Allgemeiner Beifall]

Als Geschäftliches habe ich mitzuteilen: Der Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 18/1408 „Elektrofahrzeuge weiter fördern – Umweltbonus verlängern“, der in der 33. Sitzung am 15. November 2018 federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Energie und an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz sowie an den Hauptausschuss überwiesen wurde, wurde von der antragstellenden Fraktion nunmehr zurückgezogen.

Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Coronavi

rus: Berlin ist vorbereitet“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Schee

reskrise, Bildungskrise, SPD-Schrecken ohne Ende: Mindestlohnpanne bei Schulessenausschreibung, immer mehr Elternklagen zur Kitabetreuung“

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Corona

virus: Berlin ist vorbereitet“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum

Thema: „Coronavirus: Berlin ist vorbereitet“

− Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „Demokratie

notstand – Linksblock auf dem Weg zur SED 2.0 – Antifa bewaffneter Arm“

− Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Schules

sencateringchaos beenden: Berliner Vergabegesetz abschaffen, Ausschreibungen vereinfachen und beschleunigen“

Die Fraktionen haben sich auf das Thema der Fraktion der SPD „Coronavirus: Berlin ist vorbereitet“ verständigt. Somit werde ich gleich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Die anderen Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Sodann verweise ich auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, die dort verzeichneten Vorgänge unter den Tagessordnungspunkten 5, 6, 6 A, 16 und 30 bis 32 sowie 45 in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch zur Dringlichkeitsliste höre ich nicht. Dann sind diese Ergänzungen der Tagesordnungen einvernehmlich so beschlossen.

Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt. Auch die Konsensliste ist damit so angenommen.

Ich komme zu den Entschuldigungen des Senats: Der Regierende Bürgermeister ist ab etwa 18.15 Uhr wegen der Eröffnung der Berlinale abwesend. Frau Senatorin Pop ist ab etwa 18.30 Uhr wegen der Eröffnung des Festivals „Eat! Berlin“ abwesend.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Coronavirus: Berlin ist vorbereitet

(auf Antrag der Fraktion der SPD)

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. In der Runde der Fraktionen beginnt die Fraktion der SPD. – Herr Kollege Isenberg, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einigen Wochen kamen die Meldungen über den neuartigen Coronavirus mit den Bildern aus China zum ersten Mal über die Fernsehapparate – ich muss zugeben, sie machten Angst. Bei mir persönlich, das sage ich auch ganz offen, ist die Besorgnis noch nicht

gewichen, und ich glaube, es geht vielen von uns so. Insofern ist es gut, dass wir uns heute die Zeit nehmen, ausführlich über dieses Thema zu debattieren.

Wir sehen Bilder von Menschen, die in Krankenhäusern tot in Säcken liegen, wir sehen überfüllte Krankenhäuser, wir sehen abgeschottete Städte, und ich sage ganz klar: Ich bin froh, dass wir das sehen. Ich bin froh, dass wir die Weltgesundheitsorganisation WHO haben – in der übrigens einige große Industrieländer Beitragsrückstände haben, Deutschland zum Glück nicht –, die diesen Prozess koordiniert und hier eine Kaskade an notwendigen Maßnahmen in Gang gesetzt hat und China diese umsetzt, um einen unbekannten Virus – unbekannt in der Implikation seiner Tödlichkeit, seiner Bedrohung oder Nichtbedrohung, ich betone: unbekannt auch in Hinblick auf seine Nichtbedrohung – zu managen, einzudämmen. Das ist gut. Ich weiß, dass sich die Situation täglich ändern kann, aber ich finde es auch sehr gut zu sehen, dass 89 Prozent der Neuerkrankten aus einer Provinz kommen, die entsprechend abgeschottet ist, und die Hoffnung international noch vorhanden ist, dass diese Eindämmungspolitik erfolgreich ist.

Vor diesem Hintergrund muss man sich vergegenwärtigen, wo wir stehen. Wir haben andere große Infektionskrankheiten, die die Welt umkreisen. Dazu gehört auch die Grippe, die jährlich auftaucht, trotz aller schon vorhandenen Schutzmaßnahmen. Bisher haben wir beim Coronavirus keine Schutzmaßnahmen im Sinne einer Impfung – es dauert normalerweise bei neuen Viren auch mindestens zwei Jahre, bis die verfügbar werden. Aber bei der Grippe ist das der Fall, und die Grippe ist leider alltäglich, und zum Glück haben wir dort die Möglichkeit, sich impfen zu lassen – was man auch tun sollte. Und trotzdem haben wir vor zwei Jahren auch hier in Berlin die Situation gehabt, dass 1 000 Grippetote – in Deutschland 20 000 im Jahr – zu verzeichnen waren. Diese Bedrohungslage für die öffentliche Gesundheit existiert bei dem Coronavirus zur Zeit nicht. Zwei Prozent der Fälle in China sind tödlich, die meisten in der Region, und dort in der Regel auch mild verlaufend.

Ich bin froh zu sehen, dass die chinesischen Behörden richtig arbeiten, und ich bin sehr froh zu sehen, dass die deutsche Bundesregierung das tut, was möglich ist, um eine Verbreitung auch in Deutschland einzuschränken. Die dem nationale Pandemieplan entsprechenden Maßnahmen sind in Gang gesetzt worden, die Maßnahmen der Ämter in Bayern verhalten sich dementsprechend: Nachzuvollziehen, wo Personen mit möglicherweise Infizierten oder gar Infizierten Kontakte hatten, diese Menschen zu identifizieren und erst mal über eine lange Zeit zu isolieren. Es ist richtig, was Bayern da tut. – Herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen in Bayern! Denn es ist kein Parteithema, es ist ein parteiübergreifendes Thema, über das wir hier reden.