Barbara Höll
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Frau Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss noch einmal für alle, die es noch nicht mitbekommen haben, klarstellen: Die Fraktion der demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten ist hier die größte Oppositionspartei und es ist unser Recht und unsere Pflicht, dass wir bei allen politischen Prozessen, die laufen, sehr kritisch schauen und analysieren und natürlich eine Große Anfrage stellen, und das eben nach anderthalb Jahren des Wirksamwerdens der Gesundheitsreform. Was erwarten Sie denn? Ihre Lobreden machen Sie sich schon selber!
Wir sind hier dafür da, wirklich kritisch zu analysieren, und das tun wir.
Eine solche Reform muss sich doch immer zwei Fragestellungen aussetzen – unabhängig davon, dass das Gesundheitswesen in Deutschland seit zwanzig Jahren ständig reformiert wird, ohne dass die grundlegenden Probleme gelöst sind:
1. Genügt die Reform ihren eigenen Ansprüchen?
Herr Kollege Porsch, gern.
Herr Kollege Porsch, ich kann nur feststellen, dass ich glaube, manchmal ticken bei einigen Menschen die Uhren sehr verschieden; das wird die Ursache sein.
Ich denke also, an zwei Ansprüchen muss sich jede Reform messen lassen:
1. Genügt sie ihren eigenen Ansprüchen? – Dazu ist ja schon klipp und klar gesagt worden: natürlich nicht. Sie haben nicht einmal Ihre eigenen Zielstellungen umgesetzt und das lässt sich nach anderthalb Jahren schon klar absehen: Die Senkung der Beiträge erfolgte nicht, und es ist auch keine wirkliche Umstrukturierung im Gesundheitswesen erfolgt.
2. – Das ist eigentlich die wichtigere Fragestellung: Genügt Ihre Reform den Anforderungen, die die Gesellschaft an sie stellt? Und da muss ich leider klipp und klar nein sagen, denn die Reform geht nun einmal in die grundlegend verkehrte Richtung. Sie ist ein schwerer Schlag gegen das solidarische Gesundheitswesen; sie ist letztendlich der Schritt in die Auflösung des solidarischen Prinzips.
Ich finde es schon sehr bedenklich, wenn dann hier immer nur die Eigenverantwortung bemüht wird. Bei Ihnen wird doch Gesundheit immer mehr von einem Gut zu einer Ware.
Machen wir es doch einmal konkret: Ich soll also eigenverantwortlich für meine Gesundheit handeln. Nun treibe ich Sport, dafür bekomme ich vielleicht von meiner Krankenkasse einen Bonus. Nun kann es ja zum Beispiel sein, dass ich gerne Fußball spiele, und Fußball ist eine sehr risikobehaftete Sportart. Zieht mir meine Krankenkasse das dann wieder ab, weil es doch gar nicht so gut für meine Gesundheit ist?
Wie ist das denn nun mit Raucherinnen und Rauchern? Werden die demnächst die Behandlung ihrer Leiden, die vielleicht auch infolge des Konsums von Tabak entstehen, nicht mehr erstattet bekommen, oder wie? Wohin
wollen Sie, wenn Sie immer nur die Eigenverantwortung in dieser Art und Weise bemühen?
Frau Herrmann, ich finde es sehr bedenklich, wenn Sie hier im Plenum den Ärztinnen und Ärzten mangelndes Qualitätsbewusstsein vorwerfen. Letztlich untergraben Sie ihre Autorität und stellen das Engagement der Ärztinnen und Ärzte infrage.
Ich möchte Ihnen noch einen Vorschlag unterbreiten, wie Sie den Krankenstand weiter senken können. Mein Sohn hat vor kurzem das Abitur gemacht. Als er im Februar krank war, musste er einen Krankenschein abgeben. Das ist sehr teuer erkauft; das könnten Sie doch sein lassen. Er geht zum Arzt, muss zehn Euro Praxisgebühr bezahlen und zahlt alle Medikamente selbst. Letztlich bezahlt er sich die Krankschreibung, die er abgeben muss, wenn er länger als drei Tage von der Schule fernbleibt, selbst. Die Medikamente hätten wir uns nach einer ordentlichen Beratung durch den Apotheker vielleicht auch selbst zusammengestellt. Der Arztbesuch in dem Sinne war überflüssig. Streichen Sie die Regelung zur Krankschreibung; dann haben Sie die Kosten noch einmal gesenkt!
Es gibt noch viele Möglichkeiten. Ihrer Kreativität sollten Sie da keine Grenzen setzen.
Sie beschwören die Prophylaxe. Dazu gibt es im Gesundheitsreformgesetz durchaus positive Ansätze. Aber wie ist es zum Beispiel beim Glaukom? Die Vorsorgeuntersuchung wird heute selbst bei stark kurzsichtigen Menschen und bei Diabetikern im Regelfall nicht mehr bezahlt. Ich bekomme von der Ärztin die Auskunft: Das tragen wir nicht mehr, auch nicht in Ihrem Fall!
Wie ist es mit den Sehhilfen? Ich halte es für sehr kurzsichtig, wenn gesagt wird, es werde schon eine Angleichung erfolgen. Die Gesundheitsstrukturreform betrifft insbesondere – und verstärkt über die Kinder – Frauen.
Ich weiß nicht, ob ich meine Rede unterbrechen soll.
Man hat halt Pech gehabt, wenn man es sich geleistet hat, zwei, drei oder vier Kinder zu haben, die vielleicht irgendwann eine Brille brauchen. Häufig wird im Zusammenhang mit den Gestellen von „Mode“ gesprochen. Dabei machen die Brillengestelle oftmals nur noch einen Bruchteil dessen aus, was die Gläser kosten. Mit den Gläsern muss ich aber sehen. Hier sind Schritte eingeleitet worden, die völlig verkehrt sind.
Ja.
Herr Gerlach, den Disput können wir jetzt sicher nicht in aller Ausführlichkeit führen. Der Grundwiderspruch liegt darin, dass Menschen heute überlegen müssen, ob sie überhaupt zum Arzt gehen oder ob es nicht besser ist zu versuchen, sich selbst zu kurieren oder die Krankheit weiterzuschleppen. Die Menschen können nicht mehr in dem Bewusstsein leben: Ich fühle mich nicht gut, weiß nicht, woran es liegt, und gehe zum Arzt. – Viele Menschen verkneifen sich das aus besagten Gründen, nämlich Praxisgebühr und Zuzahlung. Wenn der Hausarzt in dringenden Fällen empfiehlt, durch einen Facharzt etwas abklären zu lassen, dann gibt es bei diesem meist lange Wartelisten. Die Situation ist wirklich sehr verfahren. Ich sehe keinen Widerspruch in dem, was ich gesagt habe.
Ja, Frau Strempel.
Frau Strempel, da gebe ich Ihnen Recht. Aber geben Sie mir Recht, dass es eine ganze Reihe von Kindern gibt, die bereits das 18. Lebensjahr vollendet haben, über keinerlei Einkünfte verfügen, weil sie zum Beispiel Schüler einer Abiturklasse sind, und trotzdem Praxisgebühr bezahlen müssen? Die Ausgaben für Sehhilfen und anderes kommen hinzu. Geben Sie mir ferner Recht, dass der Kinderarzt, wenn es sich um Menschen unter 18 Jahren handelt, bereits heute zu den Eltern sagt: Dieses oder jenes Medikament wäre für Ihr Kind sehr günstig. Aber ich kann Ihnen
darüber nur ein grünes Rezept ausstellen; denn die Kosten übernimmt die Krankenkasse nicht mehr. – Es kann doch wohl nicht sein, dass die Kosten für medizinisch indizierte Leistungen bzw. Medikamente auch bei Kindern unter 18 Jahren selbst getragen werden müssen. Das ist die Situation, in der wir uns befinden.
Insbesondere für Frauen ist es heute wahnsinnig kompliziert. Das beginnt bei der Schwangerschaft. Ich verstehe nicht, wenn mir die Gynäkologin sagt: Dieses und jenes wäre gerade in der Schwangerschaft aus medizinischer Sicht für Sie und das ungeborene Kind sehr gut, aber dass müssen Sie selbst zahlen! – Entweder ist es medizinisch notwendig, dann soll die Krankenkasse die Kosten übernehmen. Das ist meine Erwartungshaltung in einem solidarischen System. Wenn die Leistung nicht medizinisch notwendig ist, weil es sich zum Beispiel um die fünfte, sechste oder siebente Ultraschalluntersuchung handelt, dann kann ich das selbst bezahlen. Das ist aber eine völlig andere Situation.
Insgesamt müssen wir feststellen, dass die Gesundheitsstrukturreform auch keinen spezifischen Beitrag dazu leistet, dass wir in Richtung auf eine frauengerechte Gesundheitspolitik einen Schritt vorankommen. Im gesamten System orientieren sich die Therapie und die Kriterien für den Behandlungserfolg an der Situation und der Stellung von Männern im Leben.
(Der Vogel fliegt nach wie vor im Plenarsaal umher. Eine Abgeordnete stellt Futter bereit. – Volker Bandmann, CDU: Wir haben gestern die Vogelschutzgebiete beschlossen! – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Dabei haben wir den Landtag vergessen!)
Jetzt wird versucht, dem Vöglein richtig zu helfen. Das ist hier sicherlich schwierig; aber wir haben Sonnenblumenkerne.
Eine frauengerechte Gesundheitspolitik sollte auf Fehlentwicklungen hinweisen und die verengte medizinische Sicht auf Frauengesundheit auch durch mehr psychosoziale Sichtweisen zu Gesunderhaltung, Krankheitsbehandlung und Rehabilitation verändern.
Ich denke – insoweit befinde ich mich in Übereinstimmung mit Frau Dr. Bühren, der Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes –, es müsste ein politischer Anspruch sein, dass alle Verbesserungen im GKV-Modernisierungsgesetz grundsätzlich dahin gehend erfolgen, dass nicht ein Geschlecht, vor allem Frauen, benachteiligt und dadurch das GKV-Grundprinzip der Solidarität verletzt wird.
Die Praxis ist eine andere. Wir müssen feststellen, dass Frauen in unserer Gesellschaft etwa ein Drittel weniger verdienen als Männer. Damit haben Frauen geringere Renten. Zuzahlungsregelungen treffen sie deutlich härter. Die Reduktion von Leistungsansprüchen durch das neue Gesetz betrifft Frauen ebenfalls wesentlich härter. Das wirkt sich auch auf die Fallpauschalen aus. Frauen leben in der Regel länger. Oftmals sind sie in der Situation, dass ihr Partner vor ihnen stirbt und sie danach allein sind. Wenn sie einen Partner haben, ist er selten pflege
erfahren. Andererseits sind Frauen selbst zu 83 % Hauptpflegepersonen von vorzeitig entlassenen Familienmitgliedern. Dies hat wiederum drastische Auswirkungen auf ihre Berufstätigkeit und die spätere Rente von Frauen.
Auf den Fakt, dass Frauen von direkten Streichungen wesentlich stärker betroffen sind, habe ich schon hingewiesen. Das betrifft zum Beispiel das Entbindungsgeld. Ich habe nichts dagegen, dass es aus dem Leistungskatalog der Krankenversicherung gestrichen worden ist, weil es eine steuerfinanzierte Leistung sein müsste. Wenn aber die Streichung vorgenommen wird, ohne gleichzeitig die steuerfinanzierte Weiterzahlung sicherzustellen, dann handelt es sich klar um einen Schritt gegen die Frauen, um eine Benachteiligung.
Von Kürzungen oder Streichungen sind auch frauenspezifische Heil- und Hilfsmittel betroffen. Auf Jodpräparate habe ich schon hingewiesen. Als weiteres Beispiel nenne ich Kompressionsstrümpfe, die von Frauen wesentlich häufiger als von Männern benutzt werden müssen.
Gut finden wir, dass es jetzt eine angemessenere Beteiligung von Frauen und Männern als Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmer an klinischen Studien gibt. Das ist aber nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein.
Wir finden, dass die Zuzahlungen abgeschafft gehören. Wenn sie dann aber noch da sind, müssten sie wenigstens so ausgestaltet sein, dass sie dem Prinzip der solidarischen Finanzierung entsprechen und Frauen deshalb anders behandelt werden müssten.
Schwangere Frauen sollten grundsätzlich von jeglichen Kosten und Zuzahlungen für Prävention und Therapie freigestellt werden.
Ich möchte das noch ausweiten. Ich denke, wir haben noch ein großes Feld bezüglich der Situation von Kindern. Auf einige Aspekte habe ich schon hingewiesen. Man kann das fortführen.
So gibt es bereits jetzt Impfempfehlungen von der sächsischen Impfkommission, zum Beispiel gegen Hirnhautentzündung, Meningitis, welche nicht von den Krankenkassen getragen werden. Hier gibt es im Interesse einer differenzierten, den verschiedenen Lebenslagen angemessenen Situation von Kindern, Frauen und von Männern, viel zu tun.
Wir denken, dass dieses Gesetz, nach dem wir heute gefragt haben, ein falsches Gesetz ist. Es geht in die falsche Richtung. Wir finden auch, dass wir in Sachsen dies weiter analytisch und kritisch begleiten müssen. Davon zeugt übrigens auch die Beantwortung einiger Fragen, sprich: viel mehr die Nichtbeantwortung von Fragen, denn ich muss sagen, wenn ich in Antwort 17 auf die Frage: Wie haben sich Gewinne und Verluste der Krankenhäuser in Sachsen im Jahr 2004 zum Beispiel entwickelt?, lese, dass dazu der Staatsregierung keine Angaben vorliegen, finde ich das nicht sehr aussagekräftig. Ähnlich ist es auch bei der Frage 31, ob denn die stärkere Beachtung der Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln durch Ärztinnen und Ärzte in Sachsen
Auswirkung gezeitigt hat. Das sind Dinge, die muss ich erst einmal wissen, um sie dann bewerten zu können.
In diesem Sinne danken wir noch einmal für die Beantwortung der Fragen, hoffen aber, dass sie den Intentionen in unserem Entschließungsantrag folgen können, zu dem wir uns später noch äußern.
Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem heutigen Antrag knüpfen wir unmittelbar an die Probleme an, über die wir gerade gestern hier gesprochen haben und zu denen sich die Regierungskoalition schon eindeutig geäußert hat – in der Mehrheit für eine Mehrwertsteuererhöhung; die SPD ist dagegen. Man kann feststellen: Sie brauchen Geld. Wenn man Politik gestalten will, braucht man Geld. Man kann mehr Geld einnehmen, zum Beispiel das Wirtschaftswachstum ankurbeln, die Steuern erhöhen, man kann Ausgaben reduzieren durch eine stringente Sparpolitik oder Kredite aufnehmen. Eigentlich wollte die Bundesregierung keine Kredite aufnehmen – sie hat es trotzdem getan, die Neuverschuldung ist angewachsen, der Schuldenberg der öffentlichen Hand insgesamt hat eine neue Rekordhöhe erreicht. Sparpolitik wurde nur auf dem Rücken der Kleinen durchgeführt und die Steuern und Abgaben, die immer reduziert werden sollten, wurden reduziert – allerdings sehr differenziert zugunsten der Wohlhabenden in dieser Gesellschaft, und sie wurden unter anderem durch die Ökosteuer insbesondere zulasten derjenigen erhöht, die wenig oder kein Einkommen haben.
Wort und Tat klafften sehr weit auseinander; im Resultat haben wir eine eklatante Schieflage in der Bundesrepublik Deutschland. Es gab unter Rot-Grün eine verschärfte Umverteilung von unten nach oben – eine sehr konsequente Fortsetzung der Politik der schwarz-gelben Regierung – und wir meinen, es ist notwendig, dem endlich Einhalt zu gebieten.
Wir meinen, dass es notwendig ist, wieder wesentlich stärker zum Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zurückzukommen. Wir möchten die Staatsregierung auffordern, in dieser Richtung aktiv zu werden. Dass mehr Geld hereinkommt – jawohl, dafür sind wir auch; wir haben auch einen konkreten Vorschlag, so dass wir mit der Vermögensbesteuerung 24 Milliarden Euro und durch eine Reformierung der Erbschaftsteuer zwölf Milliarden Euro einnehmen könnten. Wir meinen, wir brauchen mehr Geld, aber wir müssen sehr genau überlegen und endlich umsteuern. Wir müssen umsteuern von oben nach unten.
In Vorbereitung der heutigen Rede habe ich versucht, mir noch einmal neue Zahlen herauszusuchen, wie denn Vermögen in Deutschland verteilt ist. Ich zitiere aus einer Seite im Internet: Begibt man sich auf die Suche
nach Zahlenmaterial über Millionäre in Deutschland, so entsteht der Eindruck, dass es nicht nur versteckte Armut, sondern auch versteckten Reichtum gibt; derart wenige Daten finden sich. 0,08 % aller Steuerpflichtigen wurden im Jahre 1995 als Einkommensmillionäre ausgewiesen. Ja, es ist wirklich so: Ein Nebeneffekt der Nichtweitererhebung der Vermögensteuer ab dem Jahre 1997 besteht darin, dass wir keine wirklich verlässlichen Daten haben; wir haben aber sehr gute Schätzungen.
Die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik sieht so aus, dass etwa zwei Drittel aller Haushalte nur ein geringes oder gar kein Vermögen haben. Im Durchschnitt entfallen im Westen 128 000 Euro auf einen Haushalt, im Osten 40 000 Euro. Aber bekanntermaßen ist es mit dem Durchschnitt so eine Sache, denn sehr viele – etwa ein Viertel aller Haushalte – verfügen höchstens über 7 500 Euro. Dafür verfügen 5 % der Bevölkerung über 25 % des Gesamtvermögens.
Wir bitten Sie und schlagen Ihnen vor, dass Sie hier herangehen, die Voraussetzungen zur Wiedererhebung der Vermögensteuer zu schaffen. Dieses viele Vermögen, welches in der Bundesrepublik existiert – Schätzungen sprechen von derzeit etwa 2,459 Billionen Euro; eine Zahl, die man sich so kaum vorstellen kann – verteilt sich auf etwa 760 300 Menschen. Bei diesen 760 300 Menschen ist also ein Vermögen, welches über einer Million Euro liegt. Wir meinen, dass es sehr wohl möglich und auch notwendig ist, dass die öffentliche Hand endlich wieder gestärkt wird und Geld einnimmt.
Nun könnte natürlich gesagt werden, auch der Staatsregierung sind die Hände gebunden, es gibt ja schließlich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, nach dem keine Substanzbesteuerung erfolgen darf. Darauf möchte ich kurz eingehen, denn wir meinen, dem ist nicht so. Das Bundesverfassungsgericht hat damals in dem Urteil ausgesagt, dass sehr wohl keine Substanzbesteuerung erfolgen soll, aber erstens ist dieses Urteil auch mit einem Stimmverhalten von sieben zu eins erfolgt; der Richter Böckenförde hatte sich klar dagegen ausgesprochen und seine Einwendungen in einem Minderheitenvotum ausführlich dargelegt.
Zweitens wird aber in diesem Urteil kein Verbot ausgesprochen, Vermögen weiterhin zu besteuern. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dahin gehend zu interpretieren, die Steuer dürfe überhaupt nicht mehr erhoben werden, ist eine sehr eigentümliche Reaktion. Nachdem Schwarz-Gelb beschlossen hatte, die Steuern nicht mehr zu erheben, fand ich es sehr enttäuschend, dass auch Rot-Grün an dieser Politik nichts geändert hat.
Wir meinen: Wenn hier reformiert und eine Besteuerung vorgenommen wird, indem ein Steuersatz von nur 0,7 bis 1,5 % aufgelegt wird, bleibt man natürlich oberhalb jeglicher Substanzbesteuerung; denn selbst wenn das Geld als Tagesgeld angelegt würde – die entsprechenden Zinssätze liegen derzeit bei 2,5 % –, würde noch nicht
einmal der gesamte Zinszuwachs weggesteuert. Wir meinen, dass es möglich sein muss, hier gemeinschaftlich tätig zu werden.
Unser Konzept sieht vor, dass ein vermögensteuerfreier Grundbetrag von 300 000 Euro pro Person gegeben sein muss. Damit ist natürlich sichergestellt, dass jedes Einfamilienhaus, jedes selbst genutzte Wohneigentum in dieser Größenordnung steuerfrei bleibt. Niemand braucht Angst zu haben, dass Oma ihr klein Häuschen verkauft werden muss, weil es besteuert wird. Blödsinn! Es geht darum, bei den wirklich großen Vermögen anzusetzen.
In der Diskussion der letzten Jahre war ein ständiges Argument gegen die Vermögensbesteuerung – Gleiches gilt für die Erbschaftsbesteuerung –, dass uns die konkrete Zahlenbewertung insbesondere des Immobilienvermögens fehlen würde. Hier muss endlich zeitnah bewertet werden. Diese Auflage hat das Bundesverfassungsgericht uns Politikern schon drei- oder viermal ins Stammbuch geschrieben. Die Mehrheit des Bundestages war und ist nicht bereit – auch aus den Ländern sind keine entsprechenden Signale erfolgt –, in diese Richtung vorwärts zu gehen. Es ist möglich. Dazu gibt es eine lange Fachdiskussion und entsprechende Vorschläge. Wir schlagen regionalisierte Pauschsätze vor, die im Abstand von jeweils drei Jahren neu betrachtet werden müssen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der in der Diskussion eine große Rolle spielt, betrifft das Betriebsvermögen. Das Betriebsvermögen mittelständischer Unternehmen sollte nach Meinung der noch Regierenden von der Erbschaftsbesteuerung ausgenommen werden. Das kann ich nicht nachvollziehen. Nach Auskünften auch der Industrieverbände ist in den letzten Jahren nicht ein Fall bekannt geworden, dass jemand wegen der Erbschaftsteuer einen Betrieb nicht übernommen oder diesen aufgegeben hätte. Bereits heute kann man die Erbschaftsteuer zinslos über zehn Jahre stunden.
Es muss natürlich sichergestellt sein, dass die Erbschaftsbesteuerung beim Betriebsvermögen so erfolgt, dass die Betriebsweitergabe nicht gefährdet ist. Aber das gleich wieder dahin gehend zu interpretieren, die Erbschaftsteuer müsse de facto abgeschafft werden, das kann es doch nicht sein. Wir meinen, eine Reform ist notwendig. Hier haben wir die Möglichkeit, bei den Menschen, die über sehr viel Einkommen verfügen, entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit Geld einzunehmen, um eine weitere Verbesserung der Kinderbetreuung – diese ist immer noch notwendig – und der Bildungsangebote zu erreichen.
In diesem Sinne werben wir für unseren Vorschlag. Schließen Sie sich uns im Interesse einer Reform der Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung an! Lassen Sie – damit spreche ich insbesondere die SPD an – von solchen Vorschlägen wie der Reichensteuer ab! Sie ist in ihrer Ausführung lächerlich, weil Sie einem Reichen, zum Beispiel einem Millionär, in den letzten Jahren bei der Einkommensteuer eine Ersparnis von 100 000 Euro beschert haben. Mit Ihrem Vorschlag einer Reichensteuer würden Sie ganze 20 000 Euro zurückholen. Das ist albern. Diese Arbeit lohnt sich nicht. Machen Sie eine richtige Vermögensbesteuerung! Dann kämen wir tatsächlich ein Stück weiter.
Ich danke Ihnen.
Herr Kollege, würden Sie mir aber zustimmen, dass insbesondere der jetzige Finanzminister in den vergangenen Jahren immer wieder betont hat – auch öffentlich –, dass er zu einer gewissen Reform insbesondere der Erbschaftsbesteuerung bereit wäre, wenn aus den Ländern das Signal käme? Genau aus diesen Gründen hat die PDS in den letzten Jahren mehrfach und in mehreren Landesparlamenten immer wieder – das gebe ich zu – einen entsprechenden Antrag eingebracht.
Das hat nichts mit meiner persönlichen Profilierung zu tun. Wir wollten darauf hinweisen, dass aus den Ländern ein Signal kommen müsste, dass Geld eingenommen werden kann und soll. Wie Ihnen bekannt ist, gehört die Erbschaftsteuer zu den Ländersteuern. Das müssen wir jetzt nicht ausdiskutieren. Stimmen Sie mir also zu, dass unser Antrag sehr wohl ein Zeichen setzt und wir als Landesparlament insoweit eine wichtige Rolle spielen?
Herr Morlok, können Sie mir zustimmen, dass es im deutschen Steuerrecht einen grundlegenden Unterschied zwischen Vermögen und Einkommen gibt? Wenn Sie jetzt über die Einkommensbesteuerung gesprochen haben, ist das ein Thema. Die Vermögensbesteuerung ist ein anderes Thema, weil aus einem Vermögen eine zusätzliche Leistungsfähigkeit des Individuums erwächst.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Debatte und
werbe trotz dieser Debatte noch einmal eindringlich für unseren Antrag. Uns geht es darum, dass wir mehr soziale Gerechtigkeit herstellen, soziale Gerechtigkeit wiederherstellen wollen, indem wir Ihnen hier vorschlagen, gemeinsam dafür zu streiten, dass dort besteuert wird, wo Leistungsfähigkeit ohne eigenes Zutun erwächst. Das ist doch der Punkt! Die Funktionsweise dieser kapitalistischen Gesellschaft ist ja, dass abstrakt jeder alles werden könnte – aus eigener Kraft, mit eigenem Tun. In der Realität sieht es natürlich sehr unterschiedlich aus. Die Startbedingungen sind verschieden etc. pp. Aber wer so viel Einkommen hat, aus welcher Quelle auch immer, dass er daraus noch Vermögen bilden kann, ist natürlich in einer anderen Situation. Wer dann vielleicht noch über eine Erbschaft oder über eine Schenkung Geldvermögen, Immobilienvermögen erhält, dem wächst eine Leistungsfähigkeit zu, die nicht aus eigener Initiative gespeist ist. Dass dieses Denken richtig ist, dass das auch die Grundlage dafür bildet, dass das Gemeinwesen auf diese erhöhte Leistungsfähigkeit, die aus einem großen Vermögen aus Schenkungen und Erbschaften erwächst, zugreift, darin fühle ich mich unter anderem bestärkt durch eine Person wie Ted Turner, der im vorletzten Wahlkampf in den USA in einem Club der Millionäre gefordert hat, die Erbschaftsteuer heraufzusetzen, weil die öffentliche Hand zu wenig Geld hat. – So viel auch noch einmal zu dem anderen Geist, der in anderen Staaten herrscht.
Wir schlagen Ihnen vor, deshalb in diesen Bereichen wirklich zuzugreifen mit einer Besteuerung, die verfassungskonform ausgestaltet werden kann und die im Übrigen – das wiederhole ich – auch erstmals den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden wird. Denn das Bundesverfassungsgericht hat mehrmals die Gleichbehandlung verschiedener Vermögensarten – und in diesem Sinne dann auch eine zeitnahe Besteuerung – angemahnt. Das betrifft die Ungleichbehandlung des Immobilienbesitzes.
In diesem Sinne möchten wir dafür werben, dass die Initiativen unterstützt werden, dass wir jetzt auch im Vorwahlkampf ein deutliches Zeichen aus Sachsen senden, so wie es im Nichtvorwahlkampf unter anderem aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gesandt wurde. Das ist nicht zu vergessen. Es ist eine Mehrheit der Bundesländer zu schaffen, sodass eine Erbschaftsbesteuerung, eine Schenkungsbesteuerung und die Vermögensbesteuerung neu begutachtet, sodass sie sozial gerecht ausgestaltet werden und ein wirklicher Beitrag für das Gemeinwesen geleistet wird.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Pecher, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, wegen 2 % Mehrwertsteuererhöhung sei in Deutschland noch niemand verhungert oder erfroren, dann ist das einfach nur zynisch und menschenverachtend.
Sie als Sozialdemokrat sollten nachdenken, bevor Sie hier so reden. Das ist überhaupt nichts Schlechtes: Erst den Kopf einschalten, dann den Mund aufmachen!
Sie meinen, Herr Ministerpräsident Milbradt täte für Sachsen etwas Gutes, wenn er sagt, wir könnten auf den Länderanteil verzichten, wenn die Erhöhung komme. Ich kann verstehen, wenn Herr Milbradt meint, er müsse Frau Merkel im Kampf mit den Männern des AndenPaktes stärken. Das sei ihm gegönnt. Er ist solidarisch mit einer Frau. Vielleicht wird das mit einem Ministerposten belohnt. Das wissen wir nicht. Er ist aber als
Ministerpräsident für die sächsische Bevölkerung gewählt. Für sie soll er sich stark machen.
Ich schalte meinen Kopf zuerst ein. Das können Sie wissen.
In Sachsen mussten zum 31.12. vergangenen Jahres 139 944 Personen von Sozialhilfe leben. 37,4 % davon waren Jugendliche unter 18 Jahren. In der gesamten Diskussion um die Mehrwertsteuererhöhung habe ich noch nicht gehört, dass der Ministerpräsident aufgestanden wäre und gesagt hätte: Natürlich werden wir in Sachsen zum Ausgleich die Ansprüche auf Sozialgeld erhöhen! Natürlich werden wir für Rentnerinnen und Rentner einen Ausgleich schaffen! – Mir ist davon nichts bekannt; vielleicht Ihnen.
Frau Hermenau, ich finde es gut, wenn Sie in nachfolgender Selbstkritik sagen, die Ökosteuer sei „Gemurkse“ gewesen. Natürlich war sie das! Jegliche Mehrwertsteuererhöhung ist eine Erhöhung der indirekten Besteuerung und hat nichts mit der Leistungsfähigkeit der Menschen zu tun. Sie bezieht sich auf den Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung.
Wird die Mehrwertsteuer in dieser Weise erhöht, kann ich als Einzelne, insbesondere dann, wenn ich nur ein sehr geringes Einkommen habe, nicht ausweichen. Zudem fließen die daraus erzielten Einnahmen natürlich in den Bundeshaushalt und die Länderhaushalte.
Der behauptete Zusammenhang, wir bräuchten das Geld, um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken, ist nur hypothetisch. Es ist nicht so, dass der aus der Mehrwertsteuererhöhung gewonnene Euro zur Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge verwendet würde. Das ist Blödsinn. Es handelt sich um einen politischen Begründungszusammenhang, und dieser muss aufgeknackt werden.
Wenn Sie wirklich etwas tun wollen, dann müssen Sie anderswo anpacken. Da haben wir leider – wir haben es auch heute wieder gehört – eine schwarz-rot-grün-gelbe neoliberale Einheitsfront, die immer weiter an der Mär „Senkung der Lohnnebenkosten“ strickt. Blödsinn! Vielleicht sollte sich der Herr Kollege von der CDU einmal bemühen und das Konzept der PDS erst einmal lesen. Wir haben uns in unserem Steuerkonzept schon sehr detailliert geäußert. Dort finden Sie sogar etwas zur Mehrwertsteuer. Wir schlagen Ihnen nämlich eine Senkung der Mehrwertsteuer vor:
genau! – für arbeitsintensive Dienstleistungen, für die Tourismusbranche und für apothekenpflichtige Medikamente. Damit würde die Wirtschaft wirklich angekurbelt.
Wenn Sie rechnen würden, würden Sie das feststellen. Ich nehme das Beispiel einer Handwerkerstunde, die
mich 43 Euro kosten würde. Der darin enthaltene Mehrwertsteueranteil – bei 16 % Mehrwertsteuer – beträgt 5,93 Euro. Die gesetzlichen Sozialaufwendungen betragen ganze 4,70 Euro. Eine Senkung um fünf Prozentpunkte würde eine Ersparnis von 60 Cent bringen. Toll! Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte verteuert die Handwerkerstunde noch einmal um fast einen Euro. Wenn Sie die Mehrwertsteuer tatsächlich um zwei Prozentpunkte erhöhen, dann ist das ein großes Programm zur Vernichtung vieler kleiner Existenzen.
Das Problem ist: Wer bestellt sich denn heute einen Maler nach Hause?
Nur sehr wenige Menschen. Warum? Weil sie es sich einfach nicht leisten können. Was glauben Sie, wie toll der Prozess ins Rollen kommt, wenn Sie die Handwerkerstunde weiter verteuern?! Ich halte die Diskussion für sehr verfehlt.
Wir erwarten ein richtiges Konzept. Wir erwarten, dass Sie sich den Herausforderungen stellen und eine wirkliche Reform der sozialen Sicherungssysteme angehen. Wenn Sie sagen, Sie bräuchten sowohl im Land als auch im Bund Geld, dann erwarten wir von Ihnen, dass Sie dort anpacken, wo man Geld holen kann. Greifen Sie nicht auf so eine kleine, billige Reichensteuer zurück, die fast nichts bringt! Erheben Sie endlich wieder die Vermögensteuer! Reformieren Sie die Erbschaft- und Schenkungsteuer! Gestalten Sie die Einkommensteuer so aus, dass sie wirklich unten entlastet und oben belastet! Starke Schultern können auch mehr tragen.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Krauß, wie heißt das? Getroffene Hunde bellen. Ich verstehe nicht, warum Sie so persönlich angreifend werden mussten gegenüber Herrn Neubert, völlig unsachlich.
Ich möchte mit einem Lied beginnen, welches mir meine Tochter in der vorigen Woche in der Krippe vorgesungen hat: „Sag mir, wenn du bei mir bist, wie dir so zumute ist!“; von Gerhardt Schöne. Das lernen unsere Kinder derzeit in der Krippe.
Ich muss sagen, Herr Leichsenring, Sie haben sich mit dem, was Sie hier geboten haben, mit Ihrer Vorstellung
einer wirklich völkischen Kindertagesstätte, entlarvt. Meine Tochter würde ich nie dorthin schicken!
Herr Weiss, das Problem heute sehe ich ein bisschen anders. Sie sagten, junge Menschen stehen oft vor der Gründung einer Familie. Das Problem ist doch, dass oftmals nicht die jungen Menschen die Familien gründen, sondern das dem mittleren Mittelalter oder dem alten Mittelalter überlassen, einfach weil sie sich nicht trauen.
Bekanntermaßen verzichtet sogar ein Drittel der Akademikerinnen ganz auf die Realisierung ihres Kinderwunsches. Das Alter zur Realisierung steigt immer weiter an. Das sollte uns doch zu denken geben.
Bei der Kinderbetreuung als Voraussetzung zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben uns andere europäische Länder wesentliche Dinge voraus. Schauen wir nach Frankreich oder in die skandinavischen Länder. Dort ist der Anteil der berufstätigen Frauen wesentlich höher. Und – man höre und staune – wie neue Studien zeigen: Wenn der Anteil von Frauen zum Beispiel im Management hoch ist, wenn überhaupt Frauen drin sind und einen beachtlichen Teil erbringen, dann steigt die Effektivität der Betriebe, verbessert sich das Betriebsklima. Ja, sogar die Gewinne steigen an. In diesem Sinne ist es wirklich richtig, wenn man durchaus einmal darüber nachdenkt, was Kinderbetreuung mit wirtschaftlicher Entwicklung zu tun hat.
Aber das kann und sollte nicht der Hauptpunkt sein für das, was wir hier diskutieren. Richtigerweise haben Sie gesagt, die Landespauschale wurde erhöht. Gut, wir freuen uns, wenn Sie PDS-Forderungen umsetzen, wenn auch nicht sofort, sondern mit einer kleinen Verspätung.
Investitionen von 15 Millionen Euro – auch gut. Da werden Sie nichts von uns dagegen hören. Aber wenn ich nur in meiner Heimatstadt Leipzig schaue, frage ich mich, selbst wenn wir alle 15 Millionen allein für Leipzig bekommen würden, ob wir damit den Sanierungsstau der Kindertagesstätten in der Stadt auflösen könnten.
Da habe ich noch nicht einmal Dresden, Chemnitz, Aue, Zwickau, Görlitz oder andere Städte dazugerechnet. Die Frage wird auch sein, inwieweit die Kommunen in der Lage sind, ihren fünfzigprozentigen Anteil aufzubringen. Das hat auch etwas mit der Landespolitik zu tun.
Ich denke, es ist richtig, dass Sie das Schulvorbereitungsjahr in Ihren Koalitionsvertrag aufgenommen haben und jetzt auch umsetzen wollen, obwohl da noch einiges unklar ist. Aber ungeachtet dessen bleibt natürlich – und das hat die Anhörung eindeutig gezeigt –, dass der derzeitige Personalschlüssel in den Kindertagesstätten absolut unzureichend ist. Sie wissen, dass alle verkürzt arbeiten, dass die Betreuerinnen und Erzieherinnen, meistens sind es ja Frauen, keine Zeit für Vorbereitungen, für Nachbereitungen, für Qualifizierungen haben.
Das sieht dann eben so aus: Als ich vor vier Wochen in die Tagesstätte kam und meine Tochter abgab, hing ein Zettel am Aushang: „Wir freuen uns, die Möglichkeit zu haben, dass unsere Erzieherinnen eine Qualifizierung nutzen können. Bitte, können Sie es als Eltern nicht ermöglichen, dass wir für diese vier Tage Ihre Kinder gar nicht in der Einrichtung haben oder möglichst verkürzt.“ – So ist die Realität; da müssen wir unmittelbar einhaken.
Sonst nützen alle schönen Sprüche nichts und auch nicht die drei Stunden, die Sie jetzt verankern wollen.
Kinder sollen und wollen sich unbeschwert entwickeln. Sie wollen, was sie in den Familien oftmals nicht mehr haben, den Kontakt mit Gleichaltrigen bzw. über ein, zwei, drei, vier Jahre in gemischten Gruppen sein. Sie wollen behütet werden. Dafür brauchen sie aber vor allem und in erster Linie professionelle, liebevolle Betreuung von den Erzieherinnen und Erziehern. Bildung anzubieten erfordert ja von den Erwachsenen, die die Möglichkeit haben, mit den Kindern zu arbeiten, dass sie wissen, wie es für die Kinder am besten ist, sich diese Bildung anzueignen.
Hierauf sollte unser Hauptaugenmerk gerichtet sein. Dafür werden wir als PDS weiter streiten. Ich muss sagen, ich bin wirklich froh, dass man jetzt schon im Vorwahlkampf für die noch nicht beschlossene Bundestagswahl merkt, dass auch die anderen Parteien von den demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten lernen. Die PDS hat bereits 1999 im Bundestag einen Antrag eingebracht mit der Forderung nach einer kostenlosen Betreuung der Kinder von null bis 14 Jahre. Hier im Landtag haben wir die Forderung aufgemacht – Sie brauchen sie nur mit Ihrer Mehrheit umzusetzen –, wenigstens als ersten Schritt einen kostenfreien Hort einzuführen.
Wir freuen uns darauf, wenn bei Ihnen die Erkenntnis wächst. Unsere Unterstützung haben Sie zur Umsetzung unserer Anträge.
Ich bedanke mich.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass aber gerade in den Großstädten ein Prozess läuft, Kinderkrippenplätze in Kindergartenplätze umzuwidmen, um den Bedarf zu decken, und deshalb viele Eltern überhaupt keine andere Möglichkeit haben, als die Tagespflege als letzten Anker zu nutzen; dass hier also keine freie Wahlmöglichkeit existiert?
Frau Lay, könnte es sein, dass man das Grundgesetz und dort speziell den Artikel 6 so interpretieren könnte, dass der besondere Schutz für Ehe und Familie gegeben ist, aber sich daraus nicht unmittelbar die Privilegierung ableitet?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gansel, wenn man Ihre Rede gehört hat und dann ins Handbuch schaut, ist man schon erstaunt, warum bei Ihnen noch nicht alle verheiratet sind, wieso Sie sogar Kollegen haben, die unverheiratet auch noch Väter geworden sind. Das entspricht doch Ihren Verständnissen überhaupt nicht.
Dem Rest des Hauses ist das wirklich egal. Ich glaube, zumindest für meine Fraktion kann ich da sprechen. Ich habe das auch von anderen gehört. Wir treten dafür ein, dass sich jeder Mensch frei entscheiden kann, in welcher Art und Weise er sein Leben gestaltet, in welcher Lebensweise, in welcher Lebensform er Partnerschaften erleben möchte.
Die moderne Gesellschaft ist nun einmal vielfältig. Wenn man in ihr lebt, ist man eigentlich auch gezwungen, dieses endlich wahrzunehmen. Es gibt verheiratete Paare mit Kindern oder ohne Kinder, unverheiratete Paare mit Kindern und ohne Kinder. Es gibt allein erziehende Mütter, ein paar weniger allein erziehende Väter. Es gibt Seniorenwohngemeinschaften, Wohngemeinschaften von Jugendlichen. Es gibt noch Großfamilien. Aber es gibt auch Menschen, die sich dafür entscheiden, allein zu leben. Es gibt die so genannte Kernfamilie, die bis ins Alter zusammenlebt, weil es immer mehr Mode wird, dass das „Hotel Mama“ auch noch von 40- und 50-jährigen Söhnen genutzt wird. Die Formen sind sehr, sehr verschieden. Menschen entscheiden sich und wir als Partei des Demokratischen Sozialismus fordern und treten dafür ein, dass eine Gleichbehandlung dieser verschiedenen Lebensweisen erfolgt. Damit befinden wir uns auf dem Boden des Grundgesetzes, denn im Artikel 2 ist das Recht auf die freie Entfaltung jedes Menschen auf seine Persönlichkeit festgeschrieben. Das verwirklicht sich nun einmal zuallererst und zuförderst in der gewählten Form der Lebensweise. Selbstbestimmung ist für uns deshalb ein wirklich wichtiges Recht. Natürlich erfordert das private Leben die Regelung rechtlicher Fragen verschiedener Richtungen, ob es bei Kindern um das Sorgerecht geht, ob es um das Adoptionsrecht geht, die Mitentscheidung im Krankheitsfall, um Erbrecht im Falle des Todes und das Eintrittsrecht in einen Mietvertrag, Zeugnisverweigerungsrecht und vieles andere mehr. Die Frage ist nun: Ist es nicht eigentlich notwendig, unsere Gesellschaft so neu zu organisieren, dass allen Men
schen, unabhängig davon, in welcher Art und Weise und welcher Form sie zusammenleben, mit wem sie zusammenleben, diese notwendigen rechtlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, so dass jeder selbstbestimmt sein Leben regulieren kann? Was geht das eigentlich den Staat an?
Wir treten für die Entprivilegierung einer bestimmten Lebensweise und für die Gleichbehandlung aller ein. Der Schritt von Rot-Grün zu sagen, wir wollen das Privileg der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften öffnen, mag eine unmittelbare Hilfe und demjenigen zugänglich sein, der sich dafür entscheidet. Trotzdem bleibt unsere Forderung, diese Privilegierung nicht weiter zu zementieren und damit alle anderen Lebensformen davon auszuschließen.
Besonders schlimm ist es, weil es unmittelbare materielle Konsequenzen gibt. Ich finde, es kann nicht angehen, und es ist eine sehr negative Bilanz der rot-grünen Regierungszeit, dass es inzwischen dazu gekommen ist, dass wir reale Schlechterstellungen bestimmter Lebensweisen haben, die dazu noch mit Kindern leben. Ich spreche von Alleinerziehenden, die durch Ihre Regelung in der Steuergesetzgebung schlechter gestellt werden als Ehepaare mit Kindern. Ich finde, das geht an der Realität vorbei, denn wenn etwas förderungswürdig ist und Privilegien in einer gewissen Weise verdient, dann ist es das Leben mit Kindern und die Pflege von Angehörigen, Freunden, je nachdem, für wen man Pflegearbeit leistet.
Es gilt diese realen Schlechterstellungen zu beseitigen und die Privilegien auf die Gruppen zu konzentrieren, wo das notwendig ist. Meine Kollegin Frau Lay erwähnte schon die Bedarfsgemeinschaften. Es kann doch nicht angehen, den Kreis von Menschen immer mehr zu erweitern, die durch die Unterhaltsregelung finanziell füreinander einstehen müssen, die aber von den gesamten rechtlichen Regelungen ausgeschlossen sind. Ein Ehepaar hat wenigstens noch das Ehegattensplitting – auch wenn ich das perspektivisch abschaffen möchte –, aber das ist noch ein gewisser Ausgleich für die Unterhaltsverpflichtung, die mit der Eheschließung besteht. Aber nur die Unterhaltsverpflichtung auszuweiten, ohne irgendein Äquivalent anzubieten, halte ich für völlig fatal und geht in die falsche Richtung.
Wir sind der Meinung, es wäre gut, wenn es das Thema der heutigen Debatte „Gleiche Rechte für alle Formen der Partnerschaft“ gar nicht geben müsste. Deshalb fordern wir in letzter Konsequenz gleiche Rechte für alle Lebensweisen. Lassen Sie uns heute gemeinsam darauf hinwirken, dass die unmittelbare Ungleichbehandlung abgeschafft wird, aber perspektivisch gleiche Rechte für alle Lebensweisen hergestellt werden, dann hätten wir keinen Anlass mehr für eine solche Debatte.
Danke.
Herr Kollege Dulig, ich bin nicht Mitglied im Schulausschuss und etwas verunsichert. Ich würde gern etwas von Ihnen wissen. Mein Kollege André Hahn sagte vorhin in seiner Rede, dass Sie öffentlich festgestellt haben, dass die Ergebnisse des Koalitionsausschusses nicht eingehalten wurden. Jetzt sagen Sie, der Minister wird sich nachher äußern, und irgendwie wäre es doch nicht so, wie das in unserem Antrag ist. Ich weiß nun wirklich nicht, wie Ihre Position ist. Das würde mich in dem Punkt interessieren. Ganz genau: Ist das, was Sie im Koalitionsausschuss vereinbart haben, eins zu eins umgesetzt worden oder nicht?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Berichtsantrag der Koalitionsfraktionen zur Entwicklung der Hospizangebote in Sachsen richtet den Blick auf den häufig tabuisierten letzten Lebensabschnitt: auf das Sterben. Es ist gut, wenn wir uns als gewählte Volksvertreterinnen und Volksvertreter heute offensiv diesem Thema zuwenden. In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Initiative. Im Angesicht von Sterben und Tod sind viele Menschen hilf- und sprachlos, eine individuelle Auseinandersetzung und Vorbereitung auf die letzte Phase des Lebens findet oftmals nicht statt. Die Endlichkeit jedes Lebens wird gegebenenfalls noch im Abschluss einer Lebensversicherung realisiert, aber darüber hinaus nicht. Gemeinhin wird ein plötzlicher Tod als gütige Schicksalsfügung verstanden, obwohl gerade dies bedeutet, dass man selbst und die nahe stehenden Angehörigen des bewussten Abschiednehmens als Teil des Trauerprozesses beraubt werden. Das friedliche Einschlafen im Kreise der Familie bleibt andererseits für immer mehr Menschen unerreichbar. Das Fehlen von Familienmitgliedern, große
regionale Entfernungen oder auch die Einweisung in ein Krankenhaus kurz vor dem Tod stehen dem entgegen.
Vor diesen sich objektiv verändernden Bedingungen wächst die Bedeutung der Palliativpflege und -medizin sowie der stationären und ambulanten Hospizarbeit; denn deren Mittelpunkt sind der sterbende Mensch und seine Angehörigen.
Die meisten Menschen erleben ihr Sterben als einen Prozess. Uns als Politikerinnen und Politiker kann und muss es darum gehen, dass die Bedingungen dafür geschaffen und genutzt werden können, dass auch in dieser letzten Phase ein weitgehend selbstständiges, selbstbestimmtes und beschwerdefreies Leben möglich ist. Genau dort setzt die Hospizarbeit an: Menschen bereits im Vorfeld die Sicherheit zu geben, dass sie in der Sterbephase nicht einsam sein werden und unter unerträglichen Schmerzen leiden müssen.
Wenn Menschen wissen und sicher sein können, dass sie am Ende ihres Lebens relativ beschwerdefrei sein können und dass sie sich nicht zuletzt – dank unserer hospizlichen Versorgung – einsam und abgeschoben fühlen müssen, dann gibt es auch in Zukunft in Deutschland keinen Raum für eine Diskussion über aktive Sterbehilfe.
Ich bin sicher, die Hospizbewegung in Sachsen wird sich auch weiterhin einsetzen für die Sterbebegleitung durch befähigte Ehrenamtliche in Zusammenarbeit mit den Fachkräften aus den Bereichen Pflege, Medizin, Sozialarbeit und Seelsorge und auch dafür, Sterbenskranke und ihnen nahe stehende Menschen zu ermutigen. Dafür gilt allen in diesem Bereich Tätigen unser Dank und unsere Anerkennung.
Wichtig ist und bleibt allerdings die Unterstützung durch die Politik. Hier muss ich mein Unverständnis über den Umgang mit Ihrem Antrag ausdrücken. Sie fordern von der Staatsregierung einen Bericht, aufgeschlüsselt auf vier Bereiche. Ich halte dies für dringend erforderlich, schließlich befinden wir uns gerade noch im letzten Jahr der Umsetzung der Rahmenvereinbarung nach § 39a Abs. 2 Satz 6 SGB V zu den Voraussetzungen der Förderung sowie zu Inhalt, Qualität und Umfang der ambulanten Hospizarbeit vom 3. September 2002.
Aufgrund dieser Vereinbarung kam es zu einer gewissen Umstrukturierung innerhalb der Hospizarbeit. Es ist notwendig, sowohl vor diesem Hintergrund als auch in Kenntnis der von der damaligen Sozialministerin Frau Weber am 16. Mai 2003 hier im Haus benannten Defizite die Situation tatsächlich gründlich zu analysieren und gegebenenfalls Handlungsoptionen abzuleiten.
Wenn Sie heute aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung den Berichtswunsch als bereits erfüllt ansehen, so kann ich Ihnen nicht folgen. Gerade in dieser sensiblen Frage sollten wir Parlamentarier mit diesem Anspruch nicht zu lax umgehen. Spätestens nach dem Studium der für diesen Monat angekündigten Veröffentlichung des Forschungsberichtes von ZAROF sollten wir uns erneut mit diesem Themenkreis befassen. Verglichen mit den Erfordernissen ist der Stand in Sachsen absolut unbefriedigend.
Hierbei ist politische Gestaltung gefragt. Trotz des bisherigen Einsatzes haben wir die Situation, dass in Sachsen die hospizliche Versorgung von Sterbenden bei zirka 1,6 % und bei der palliativen Versorgung bei zirka 1,7 % liegt. Das ist absolut zu wenig.
Bei dem, was Sie eben aufgezählt haben, sind das alles Forderungen, hehre Ansprüche, bei denen aber nicht untersetzt ist, wie sie tatsächlich umgesetzt werden sollen. Wenn wir im Parlament über dieses Thema diskutieren, sollten wir uns auch zu unserer Verantwortung bekennen und aus einer gründlichen Analyse ableiten, wie wir mit der weiteren Entwicklung des Hospizwesens umgehen wollen.
Ja.
Also mit Ihrem letzten Satz haben Sie das faktisch bestätigt. Ich denke, es ist hier nicht angebracht, darüber zu diskutieren, ob es 1,7 % oder 2,2 % sind; es ist insgesamt viel zu wenig. Sie selbst haben es mit den Zahlen aus Großbritannien verglichen. Ich denke, wir sollten uns nicht über die Zahl hinter dem Komma streiten. Mir ist es natürlich bekannt – deshalb habe ich auf diese Rahmenvereinbarung hingewiesen –, dass eine grundsätzliche finanzielle Absicherung gegeben ist. Trotzdem haben wir einen Prozess der Umstrukturierung. Ich denke, wir sind in der Pflicht nachzufragen, wie der Stand in Sachsen ist und ob die Strukturierung schon abgeschlossen ist. Wo gibt es tatsächlich noch Lücken? Dabei denke ich zum Beispiel an die Versorgung im ländlichen Raum.
Deshalb wünsche ich mir eine tiefer gehende Behandlung und halte das, was die Staatsregierung geantwortet hat, für eine erste Auskunft, aber nicht für das, was ich mir unter einem Bericht vonseiten der Staatsregierung vorstelle. Ich meine, dass wir uns wirklich mit dem Thema noch befassen müssen. Klar ist auch eines: Einen weiteren Ausbau insbesondere der ambulanten Versorgung werden wir nicht hinbekommen, wenn nicht weitere Zuschüsse vom Land kommen, eine Förderung vom Land erfolgt.
Deshalb sollten wir sehr wohl tiefgründiger analysieren und diskutieren, wie wir damit umgehen wollen. Das ist ein Feld, auf dem unser Einsatz auf alle Fälle gefragt ist und wir nicht weiterkommen, indem wir nur an das Ehrenamt appellieren und danken, sondern wir müssen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Das ist unsere Pflicht.
Da keine ideologischen Schranken bestehen, haben wir die Möglichkeit, gemeinsam voranzukommen.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Plenardebatte begann mit dem politischen Meinungsaustausch zum Antidiskriminierungsgesetz und endet mit der Diskussion zur frühkindlichen Förderung, zwei Themen, die scheinbar nicht viel miteinander zu tun haben, aber sich doch im Wesentlichen um dasselbe Thema drehen: Wie gelingt es uns Politikerinnen und Politikern, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Menschen ihr Leben eigenverantwortlich selbst gestalten und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können? Für die Antragstellung zur Frühförderverordnung des Freistaates Sachsen gebührt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dank; denn es geht darum, die Situation von Kindern, die behindert oder von Behinderung bedroht sind, zu verbessern, um ihnen später als Erwachsene eben zu ermöglichen, ihr Leben möglichst selbstbestimmt leben zu können und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Auf dem 13. Symposium zur Frühförderung, veranstaltet von der Universität Potsdam im März dieses Jahres, musste leider festgestellt werden – in einer Resolution wurde darauf hingewiesen –, dass das SGB IX zwar im Jahr 2001 verabschiedet wurde und darin festgeschrieben ist, dass behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen nach dem SGB IX und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen Leistungen erhalten sollen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen.
Es kam allerdings nicht im Zuge der Verabschiedung des Sozialgesetzbuches IX zu einer Verabschiedung von gemeinsamen Empfehlungen und damit einer wirklichen gesetzlichen Rahmenvereinbarung, die für alle Bundesländer gilt. Letztlich haben sich die Leistungsträger untereinander zerstritten und der politische Druck war nicht ausreichend stark, so dass wir eine Situation haben, dass bisher in keinem einzigen Bundesland dazu eine wirklich tragfähige gesetzliche Regelung verabschiedet wurde.
Trotzdem ist natürlich die Arbeit für und mit behinderten Kindern weitergegangen. Es gibt inzwischen Konzepte einer komplexen Behandlung von Früherkennung und Frühförderung. Das ist jetzt auf einen festen Boden
zu stellen. Darum geht es hier in diesem Antrag und ich bin froh, dass signalisiert wurde, dass Sachsen tatsächlich etwas tun wird. Meines Erachtens ist es überfällig – denn wenn man überlegt, dass bei der Frühförderung ein Zeitraum von sechs Jahren gilt und inzwischen schon vier Jahre ins Land gegangen sind, also fast schon eine Generation von Kindern bisher nicht in den Genuss gekommen ist –, das jetzt auf eine stabile Grundlage, auf der die Förderung erfolgt, zu stellen; es ist gut, dass es nun endlich geschehen soll.
Ich hoffe, dass vor diesem Hintergrund die Ankündigung der Staatsregierung, etwas zu tun, auch damit verbunden ist, dass dies dann schnell geschieht, denn viel Zeit geht ins Land und wir haben ansonsten eine Verunsicherung von Kindern, Eltern und von Fachleuten, die sich auf diesem Gebiet engagieren.
Wir unterstützen den Antrag und hoffen, dass hier bald etwas in die Wege geleitet wird.
Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Vorschlag eingebracht, die Mittel zur Förderung der Gleichberechtigung von Frau und Mann aufzustocken – wohl wissend, dass bei den Titeln 686 01, 686 02, 686 03, die ja gegenseitig deckungsfähig sind, die Regierungskoalition selbst eine Aufstockung um 100 000 Euro vorgenommen hat. Das ist aber bei weitem zu wenig und Ihre Aufstockung ist ja eigentlich nur der Not geschuldet, dass Sie erkannt haben, dass durch die noch nicht erfolgte Zusammenlegung der Dachverbände von Frauenorganisationen, so wie Sie es geplant haben, hier noch Geld gebraucht wird bzw. Sie auch eingesehen haben, dass Sie das Modellprojekt Täter-Opfer-Programm nicht einfach so auslaufen lassen können, sondern hier wirklich mehr Geld brauchen.
Insgesamt haben wir es aber doch damit zu tun, dass in dem Bereich Gleichstellung von Frau und Mann mit Ihrem Haushaltsgesetz eine große Kürzung eingetreten ist, und zwar von etwa 500 000 Euro, und ich finde, wenn man die Gleichstellungspolitik der Geschlechter zu einem Schwerpunkt machen will, dann kann man hier nicht kürzen, sondern müsste wenigstens den Ansatz der Vorjahre beibehalten.
Deshalb haben wir als PDS in den Ausschussberatungen eine Reihe von Anträgen eingebracht, die sich nicht nur auf die Gleichstellung von Frau und Mann beschränken, sondern wir haben das noch weiter untersetzt, zum Beispiel durch den Antrag auf ein Gender-Kompetenzzentrum – darüber haben wir hier im Hause schon debattiert – für einen Wettbewerb um familienfreundliche Unternehmen – auch etwas, womit Zeichen gesetzt werden können und was auch nicht so teuer ist –, für ein Landesmodellprojekt „Audit Beruf und Familie“. Das haben Sie alles abgelehnt. Wir haben uns jetzt für die Debatte im Hause darauf beschränkt, den einen Antrag einzubringen, mit dem wir eine Erhöhung von 270 000 Euro wollen, wonach es dann möglich ist – bei gutem Willen, so er vorhanden ist; das sehe ich leider nach den bisherigen Ausführungen zu unserem Haushalt zum Einzelplan 08 nicht –, dass man zur Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter doch wieder gezielter etwas machen könnte.
Das ist etwas, das uns gerade in Sachsen auf den Nägeln brennen sollte, und da helfen eben nicht nur die schönen Worte, die im Plenum ausgesprochen wurden, wie wichtig es ist, kinderfreundlich und jugendfreundlich zu sein, etwas für die Familie machen zu wollen. Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass gerade aus Sachsen
überproportional viele Frauen abwandern, und das hat ganz viel mit den Rahmenbedingungen zu tun.
Dass wir gerade hier in Sachsen weit weg sind von der Gleichstellung der Geschlechter und dass es eben viel mit der Wirtschaft zu tun hat, hat auch damit zu tun, dass gerade in der Wirtschaft die Bedeutung der Gleichstellung der Geschlechter noch nicht ausreichend erkannt ist.
Deswegen haben wir unsere Anträge so eingebracht, zum Beispiel ein Familien-Audit bei den Unternehmen einzuführen. Das könnte man unter diesem Titel und deshalb möchten wir Ihnen die Chance geben, uns hier zu unterstützen und dem zuzustimmen. In diesem Sinne hoffe ich auf ein positives Votum.
Danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 1998 gab es eine Wechselstimmung, 16 Jahre Kohl waren genug. Allerdings sahen sich die Wählerinnen und Wähler bald schon von Rot-Grün getäuscht. Nur zwei Zahlen: Der Spitzensteuersatz wurde in anderthalb Legislaturperioden um elf Prozentpunkte gesenkt. Jahrzehnte vorher war er auf 53 % festgeschrieben worden. Die Renten wurden dem Finanzminister ausgeliefert, von der Lohnentwicklung abgekoppelt, Teilprivatisierung der Renten. Unter dem Stichwort „Reform“ wurde die Zerstörung des Sozialstaates vorangetrieben. Vor zwei Jahren dann die Zusammenfassung:
Agenda 2010, Hartz-Kommission, Gesundheitsreform, Rentenreform. Gesundheitsreform bedeutet im Klartext: 9 Milliarden Euro Entlastung für die Arbeitgeber, 15 Milliarden Euro Belastung für Patientinnen und Patienten und Kassenmitglieder. Die Hartz-Kommission bedeutet – in schrittweiser Umsetzung von Hartz I bis Hartz IV – insbesondere für die sächsischen Kommunen eine absolute Verschärfung der sozialen Situation und der Haushaltslage der Kommunen.
Ich nehme als Beispiel nur einmal meine Heimatstadt Leipzig. Mein derzeitiger Oberbürgermeister war als einziger Ostdeutscher Mitglied der Hartz-Kommission und hat dies mit vorangetrieben und mit zu verantworten. Wenn die Arbeitslosigkeit 1998 noch bei 30 000 Menschen lag, lag sie Ende 2004 bei 44 000 und im Februar 2005 bei 52 000 Menschen in meiner Stadt. Ende 2004 hatten wir inzwischen 35 000 Sozialhilfebezieher in der Stadt, das heißt, fast jeder vierte sächsische Sozialhilfebezieher kommt aus Leipzig.
In Leipzig wurden mehr als 50 000 Anträge zu Hartz IV versandt. Es muss davon ausgegangen werden, dass mindestens 60 000 Menschen betroffen sind. Wahrscheinlich wird die Zahl im Laufe des Jahres noch um fünf- bis sechstausend ansteigen. Die Verschuldung der Stadt nimmt dramatisch zu und die Risiken für den Haushalt steigen weiter an.
Ich denke, wir reden hier bei der Agenda 2010 nicht nur über eine verheerende Sozialpolitik, sondern wir reden eben auch über einen ökonomisch völlig falschen Kurs. Deutschland ist nun einmal ein hoch entwickeltes Industrieland, in dem hohe Löhne gezahlt werden. Das ist Fakt. Aber wir sind gerade dabei, diesen Vorteil, den wir als hoch entwickeltes Industrieland haben, zu verspielen – technikbasierte und wissensbasierte Innovationen zu entwickeln.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel dafür. Nehmen Sie die EinEuro-Jobs. Was hatten wir für Diskussionen gehabt, was man alles als Ein-Euro-Jobber erledigen kann?! Selbst die Kinderbeaufsichtigung in der Schule! Wozu brauchen wir überhaupt noch eine Berufsausbildung? Wozu brauchen wir teilweise noch Studiengänge, wenn das alles schon Langzeitarbeitslose erledigen können? Das ist doch auch eine Entwertung unseres Vorteils, den wir hier haben.
Es geht eben weit darüber hinaus, dass Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt vernichtet werden. Es geht wirklich langfristig um eine Entwertung des Systems, des Wissenspotenzials, das wir hier in Deutschland haben. Unsere Wettbewerbsposition muss gestärkt werden, aber nur, indem wir die Vorteile stärken. Die ganze Diskussion über die Lohnnebenkosten ist eine Gespensterdiskussion.
Sie haben das Beispiel Großbritannien eben gehört. In anderen Ländern, in Großbritannien beispielsweise, ja, in neun von den 15 alten EU-Staaten gibt es Mindestlöhne. Auch in Großbritannien gibt es einen Mindestlohn. Unser EU-Kommissar Herr Verheugen hat der Regierung kürzlich Folgendes ins Stammbuch geschrieben: Wenn wir einen Mindestlohn hätten, bräuchten wir bestimmte Diskussionen nicht zu führen.
Das Schlimme an der Agenda 2010 ist, dass sie letztendlich in allen Stufen in einer großen Koalition von RotGrün und Schwarz-Gelb durchgeführt wurde, und unser Ministerpräsident Herr Milbradt hat im Vermittlungsausschuss in den gesamten Verhandlungen diese Dinge mitgetragen. Zum Teil wurden sie durch ihn noch verschärft. Ich wünsche mir – und deshalb führen wir heute die Debatte –, dass CDU und SPD aus Sachsen heraus ein anderes Zeichen senden können.
Wenn wir heute in der Presse lesen: Merkel oder Schröder – wer hat denn nun die besseren Konzepte?, dann sind die Unterschiede doch nur marginal. Ein Konzept haben sie beide nicht. Greifen Sie die Anregungen auf, die wir Ihnen in unserer Agenda Sozial auf den Tisch gelegt haben, dann können Sie tatsächlich sowohl auf die Parteivorsitzende als auch auf den Regierungschef einwirken, und dann könnten wir in der Diskussion einen neuen Ansatz wagen, weg von der falschen Entwicklung, in der wir uns ökonomisch, bildungspolitisch als auch sozial befinden!
Ich danke Ihnen.
Herr Jurk, können Sie mir irgendwelche Beispiele nennen, bei denen Menschen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben und ein Partner davon verdient, der eine Partner aber aufgrund des hohen Verdienstes des anderen – meistens sind es die Männer, die verdienen – Leistungen erhalten oder Angebote vom Arbeitsamt bekommen? Es ist doch so, dass dieser Partner vom Arbeitsamt gar keine Leistungen erhält. Das ist meine erste Frage. Zweitens haben Sie gesagt, dass alle krankenversichert sind. Bei nicht verheirateten Paaren, bei denen ein Partner keine Leistungen bezieht, ist dieser nicht krankenversichert. Wie sind diese Personen auf einmal in die Krankenversicherung einbezogen? Das ist etwas, was sich mir noch nicht erschließt. Für sie gibt es nämlich nicht die Familienversicherung.
Herr Jurk, ich rege mich zwar ein bisschen auf, aber ich stelle Ihnen lieber eine Zwischenfrage.
Sie wissen, dass es seit 1999 mehrere Steueränderungen gab, darunter auch massive Entlastungen im Unternehmensteuerbereich. Das geschah immer mit den Ankündigungen, dass damit Arbeitsplätze entstehen, weil die frei gewordenen Gewinne alle investiert würden und deshalb ein Boom auf dem Arbeitsmarkt entstehen würde. Mich würde dazu interessieren, wie erfolgreich diese Reformen der rot-grünen Regierung Ihrer Meinung nach waren.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche natürlich jetzt über die Bäuerinnen, aber auch über die Bauern. Wir haben als PDS zwei Sachen beantragt: erstens die Gründung eines sächsischen Kompetenzzentrums für Gender Mainstreaming und
zweitens die Auflage eines sächsischen Gender-Reports.
Diejenigen von Ihnen, die schon länger mit in diesem Hohen Hause sind, werden natürlich sofort sagen: Das ist doch nicht ganz so neu. Das stimmt.
Aber ich bin neu in diesem Hause und habe mich natürlich darüber informiert, was alles schon besprochen wurde, welche Positionen es hier gab, und ich habe mich gefreut, im Koalitionsvertrag auf Seite 45 folgende Bemerkung zu finden: „Die Koalitionspartner werden in der Staatsverwaltung Gender-Mainstreaming einführen und umsetzen. Darauf muss das Führungs- und Leitungspersonal der öffentlichen Einrichtungen gezielt vorbereitet werden.“ Das ist eine ganz klare Ansage, die aber nun untersetzt werden muss. Für diese Untersetzung sind unsere beiden Anträge mehr als hilfreich; denn wie wollen Sie etwas einführen, wenn Sie nicht Bescheid wissen, wenn nicht richtig analysiert wurde, wie die Situation in Sachsen ist, welche Benachteiligungen es aufgrund des Geschlechts gibt.
Die Stellungnahme, die uns die Sozialministerin gegeben hat, sagt einfach: Es ist nicht notwendig, noch einen Gen
der-Report aufzulegen. Ihrer Meinung nach ist alles schon da. Es gibt genug Daten. Ich glaube, diese Einschätzung ist nicht richtig. Die geschlechtsspezifische Sicht auf Politik in Sachsen ist ja noch nicht so sehr alt. Erst seit dem Jahr 2000 wird hier im Haus darüber diskutiert.
Es gab Anträge zu einem Frauenreport, zu einem Männerreport und dann zu einem Gender-Report, der eben etwas Neues darstellt, weil er nicht allein nur die Situation von Frauen oder die Situation von Männern betrachtet, sondern durchgängig die Frage stellt, inwieweit politische Entscheidungen geschlechtsrelevant sind. Gerade die Entscheidungen, die auf den ersten Blick scheinbar überhaupt keine Auswirkungen haben und scheinbar nicht unterschiedlich auf Männer und Frauen wirken, gilt es dabei besonders zu hinterfragen.
Ich muss allerdings auch feststellen, dass nach meinem Eindruck die Frau Ministerin Weber etwas mehr Feeling für dieses Gebiet hatte. Bei Frau Orosz habe ich so ein bisschen zweideutige Stellungnahmen gefunden. Sie haben einmal gesagt, dass diese Schrift „Gender Mainstreaming in Sachsen“, das Einzige, was wir hier in Sachsen als Papier haben, nicht Grundlage Ihrer Politik ist. Das ist eine Informationsschrift. Immerhin sind dort zusammengefasst bestimmte Analysen und auch Handlungsvorschläge gemacht worden. Es ist also etwas mehr.
In einer anderen Stellungnahme sagen Sie dann, dass es doch die Grundlage Ihrer Politik ist. Vielleicht können Sie das dann heute noch etwas aufklären.
Es ist richtig, wenn Sie darauf verweisen, dass es schon eine Reihe von Analysen und Zahlen in verschiedenen
Berichten gibt. Sicher gibt es im Seniorenbericht und im Kinder- und Jugendbericht Zahlen und geschlechtsspezifische Erhebungen. Aber die Erfassung ist absolut unzureichend und die Zahlen sagen noch nicht genug aus, wenn die Verkreuzungen nicht da sind, das heißt die Datenverschränkung. Sonst haben wir ganz schnell einen Datenberg, der ein Datenfriedhof ist, weil eben keine direkten Aussagen und Schlussfolgerungen wirklich aus den Daten gezogen werden können.
Die Erstellung eines Gender-Reports dient auch der Sensibilisierung derjenigen, die in den Ministerien und in den öffentlichen Einrichtungen arbeiten. Wir brauchen die Analyse; denn dadurch ist es erst möglich, Interventionsschritte aufzuzeigen und zu bestimmen, welche Maßnahmen politisch gewollt sind und wie sie durchgeführt werden können. Der nächste Schritt ist die Evaluierung, um festzustellen, ob Maßnahmen tatsächlich in dem von uns gewünschten Sinne gegriffen haben oder nicht.
Wir meinen deshalb, es ist notwendig, den Gender-Report aufzulegen und kontinuierlich fortzuschreiben. Es gibt dafür gute Beispiele. Ich verweise ausdrücklich auf Sachsen-Anhalt, wo jährlich ein Gender-Report vorgelegt wird.
Eine Handlungsoption, die in der Informationsschrift „Gender-Mainstreaming im Freistaat Sachsen“ vorgestellt wurde, war die Gründung eines sächsischen Kompetenzzentrums für Gender. Dieses Kompetenzzentrum, welches wir hier beantragen, ist keine zusätzliche Einrichtung, in der in erster Linie wissenschaftlich geforscht wird. Es gibt an verschiedenen Orten in Sachsen einzelne Forschungsrichtungen zur Frage der Geschlechterspezifik. Es geht darum, eine Einrichtung zu gründen, in der praxisbezogen eine Vernetzung erfolgt, gleichzeitig natürlich eine Verbreiterung des Ansatzes und die Vorbereitung und Durchführung von Trainingsmaßnahmen. Es geht um eine nationale und internationale Vernetzung. Das sind Voraussetzungen, um Ihren Anspruch aus dem Koalitionsvertrag erfüllen zu können, Führungs- und Leitungspersonal der öffentlichen Einrichtungen auf Gender-Mainstreaming vorzubereiten. Das hat ganz viel damit zu tun, die Menschen zu sensibilisieren und zu schulen.
Mein Eindruck ist, dass wir in Sachsen sehr viel Nachholbedarf haben. Wenn ich mir nur anschaue, wie die Geschlechterfrage gesetzesbegleitend eine Rolle spielt, so bin ich erstaunt, wenn ich Anfang dieses Monats eine Antwort auf meine Kleine Anfrage bekomme, in der mir die Checkliste über die gleichstellungspolitische Relevanz von Gesetzesvorhaben mitgeschickt wird. Immerhin stehen ganze drei Fragen auf dem Zettel. Nun mag es sein, dass wir in Sachsen besonders klug sind, aber die Checklisten, die beim Bund oder bei der EU vorliegen, um sach- und fachgerecht die Auswirkungen von Gesetzen auf die Geschlechterproblematik bewerten zu können, sind ein bisschen umfangreicher und tatsächliche Hilfen. Ich glaube, die drei hier aufgeführten Fragen sind dafür relativ wenig, aber Ausdruck dafür, dass wir bei der Umsetzung eines wirklichen Ansatzes zum Gender-Mainstreaming erst am Anfang stehen.
Ich möchte mit Ihnen nicht weiter darüber diskutieren, dass wir eine Ungleichbehandlung der Frauen im öffent
lichen Leben haben. Das wissen wir, wir brauchen uns nur hier im Haus umzusehen. Selbst bei der politischen Teilhabe an der Landespolitik ist die Verteilung sehr unterschiedlich, ob das auf der Ministerbank ist, wo wir immerhin zwei Ministerinnen haben, aber nicht einmal 50 %. Wir haben zwei Fraktionen, in denen wenigstens 50 % der Abgeordneten Frauen sind. Das ist wirkliche Teilhabe, da Frauen selber ihre Positionen vertreten. In anderen Fraktionen sieht es sehr viel schlechter aus. Weil die Situation in der Politik, in der Wirtschaft, in den Inhalten des Bildungswesens oftmals so ist, ist es notwendig, diesen Antrag wieder aufzugreifen, das Kompetenzzentrum zu installieren, die Daten zu erfassen, um eine Grundlage für eine Analyse und politische Handlungsoptionen zu haben. In diesem Sinne werbe ich besonders bei denen, die auch schon in den vergangenen Jahren für diesen Ansatz waren, um Unterstützung für unsere Anträge und freue mich auf die Diskussion.
„Mitten in den großen Umwälzungen, in denen wir uns alle befinden, werden sich die Frauen vergessen sehen, wenn sie selbst an sich zu denken vergessen.“ – Ein Zitat aus der „Frauenzeitung“ Nr. 1 vom 21. April 1849. Luise Otto, später Luise OttoPeters, hat dies geschrieben. Ich denke, Frau Schwarz, das ist ein Wort, welches leider immer noch große Aktualität hat, und ich wünschte mir, dass die Frauen, die sich beteiligen, damit sich ihre Situation verbessert, kein zu kurzes Gedächtnis haben und zu dem stehen sollten, was sie einmal verkündet haben. Frau Schwarz, seien Sie sicher: Wenn ich mich hier hinstelle, mache ich meine Hausaufgaben, und ich habe mir natürlich angeschaut, was im Hause wie diskutiert wurde. „Das Anliegen unseres Antrages war es, eine differenzierte und umfassende Darstellung der Lebensverhältnisse von Frauen im Freistaat Sachsen zu bekommen, die für uns Grundlage ist, Handlungsstrategien zu entwickeln.“ – So O-Ton Frau Dr. Schwarz am 28. Februar 2003 – zwei Jahre her. Jetzt haben Sie gesagt, das sei alles überholt. Die Zeit ist wohl sehr schnelllebig, denn immerhin haben Sie am 15. Januar 2004 – vor gerade einem Jahr – beantragt, dass der Landtag beschließen möge, die Handlungsempfehlung des vom Staatsministerium für Soziales vorgelegten Konzepts zur Umsetzung von Gender Mainstreaming auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Bereichen im Freistaat Sachsen in die Praxis umzusetzen.
Hört, hört! kann man da nur sagen. Ich denke, nach den Ausführungen, die Frau Ministerin gemacht hat, ist das in einem Jahr noch nicht umgesetzt. Der Ansatz, den Sie vertreten, ist ein völlig anderer; denn Sie sagen, das sei alles nicht mehr notwendig. Sie haben außerdem am 26. Januar vergangenen Jahres ein Kompetenzzentrum zu Gender Mainstreaming im Landtag beantragt. Auch das ist auf einmal überholt. Toll, wie sich so die Meinung ändert, wenn man von der Oppositionsbank auf die Regierungsbank wechselt.
Das finde ich sehr traurig.
Ich finde aber noch etwas sehr bedenkenswert: Wenn Sie hier – –
Aber klar!
Nein. Erstens, Frau Schwarz, entspricht das, was umgesetzt wird, nicht Ihrer Strategie; denn Sie sind noch im vergangenen Jahr davon ausgegangen, dass ein eigenständiges Zentrum zur Bündelung notwendig ist, um eine wirklich kontinuierliche Arbeit leisten zu können, und Sie sind auch im vergangenen Jahr noch davon ausgegangen, dass die Handlungsempfehlungen tatsächlich umgesetzt werden sollen, und das ist ein anderer, weil umfassenderer Ansatz als das, was jetzt versucht wird. Ich negiere nicht, dass von der Frau Ministerin etwas versucht wird und dass es Anfänge gibt. Diese werden auch von uns unterstützt. Aber das ist nicht das, was Sie im vergangenen Jahr noch wollten und was wir immer noch wollen.
Es wird sich für mich nicht erschließen, liebe Frau Kollegin, wenn Sie sich einerseits hier hinstellen und betonen, dass das GISA in Sachsen-Anhalt eine gute Arbeit macht, dass man mit ihnen zusammen arbeitet und ihre Erfahrungen nutzt, und gleichzeitig sagen, dass ein Gender
Report prinzipiell Stückwerk bleibt. Der jährliche Gender-Report des GISA ist ein wesentlicher Bestandteil Ihrer Arbeit. Einerseits loben Sie das Institut und nun sagen Sie: Die machen doch sowieso nur Stückwerk,
weil sie sich im Wesentlichen auf den Gender-Report, auf die jährliche Fortschreibung des Gender-Reports konzentrieren. Das kann man doch eigentlich im Kopf nicht ganz zusammenkriegen.
Gerade in der Woche, in der wir hier einen Jahrestag begehen, den 140. Jahrestag der Gründung des Allgemeinen Bildungsvereins in Leipzig, in der wir den 8. März, den Internationalen Frauentag, gefeiert haben, sind wir hier mit unserem Darauf-Dringen, den Gender-Ansatz tatsächlich auch durchzusetzen und anders anzustoßen, sehr aktuell, weil Frauen sich hier bemühen, ihre Situation zu ändern, indem sie die Situation beider Geschlechter verbessern. Dafür brauchen wir eine Datenerhebung, dafür brauchen wir eine Bündelung der Kräfte, und deshalb haben wir diese Anträge gestellt und werben um Unterstützung.
Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon eine sehr interessante Debatte. Frau Herrmann, ich bin Ihnen erst einmal dankbar dafür, dass Sie sich – im Gegensatz zu den Vertretern und der Vertreterin der FDP – wenigstens Mühe gegeben haben, in dieser Debatte faktenreich zu argumentieren. Allerdings finde ich es schon interessant, wenn Sie gegen das Splitting sind; denn auf Bundesebene haben Sie dem derzeit geltenden Modell, welches die Fortexistenz des Ehegattensplittings beinhaltet, zugestimmt. Dort haben Sie sich genauso von der geltenden Beschlusslage verabschiedet wie zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. Aber als kleiner Koalitionspartner auf Bundesebene musste das wahrscheinlich so
sein. Verständlich auch, dass die SPD hier überhaupt nicht spricht, weil sie natürlich sofort in Kalamitäten käme zwischen dem, was ihr großer Koalitionspartner CDU hier fordert, und dem, was sie in Berlin machen, und es etwas schwierig wäre zu lavieren: Wohin will ich mich nun eigentlich orientieren? Es ist verständlich, dass sie sich in diese Diskussion überhaupt nicht eingebracht hat. Nun ganz kurz zur rechten Seite. Ich meine, man könnte sich natürlich auch einmal informieren. Zum Beispiel gab es im Bundestag bereits in der 12. Legislaturperiode, ab 1992, eine Enquete-Kommission zum demografischen Wandel der Bevölkerung. Sie hat über mehrere Jahre gearbeitet und umfangreiche Dinge hervorgebracht. Es ist ja nun nicht so, dass alle anderen auf der Wurstpelle hergeschwommen sind.
Zum Antrag der FDP-Fraktion. Prof. Schneider sagte: Kinder sind Anstrengungen wert. – Ich hätte mir das auch wirklich gewünscht. Ich finde, dass Ihr Antrag ein kleines bisschen oberflächlich erarbeitet worden ist.
Man kann nicht eine große Bundesratsinitiative fordern und dann sagen: Jetzt wollen wir aber nur darüber diskutieren und wollen ein bisschen untersuchen und das sollen dann auch die anderen machen. Dann auch noch am Schluss zu sagen: „Wenn man diskutiert hat, kann es nur noch eine logische Schlussfolgerung nach vorangegangener Untersuchung geben und diese wird unweigerlich zur Einführung eines Familiensplittings führen“, das ist doch ein Armutszeugnis für Sie als Politiker.
Ich bitte Sie! Hat denn Politik immer nur eine Möglichkeit der Überprüfung? Das stimmt doch überhaupt nicht. Man muss sich dann schon die Mühe machen, sich auch mit anderen Ansätzen auseinander zu setzen. So viel Arbeit und so viel Mühe können gerade unsere Kinder von den Politikerinnen und Politikern durchaus erwarten.
Sehr interessant ist auch, wie Sie in Ihrem Antrag mit hehren Zielen beginnen, Sie wollten die Kinder fördern, Sie wollten anpassen an die modernen Lebensformen, aber dann landen Sie im Steuerrecht. Da frage ich mich schon: Wo ist Ihr Blick auf die Realität? – Der Kinderwunsch und die Realisierung des Kinderwunsches hängen wohl nicht nur vom Steuerrecht ab. Das hat vielleicht auch noch ein bisschen etwas damit zu tun, wie die Arbeitswelt aussieht, wie die Kinderbetreuungsangebote aussehen, und mit vielen anderen Dingen, aber Sie beschränken sich jetzt nur auf das Steuerrecht.
Familienfreundlichkeit ist eben wesentlich mehr.
Wenn wir aber über die finanzielle Situation von Familien sprechen wollen, dann machen wir es doch einmal ganz konkret: Ich komme aus Leipzig. In Leipzig wohnen etwa 32 000 allein erziehende Mütter und Väter. Zu über 90 % sind es Mütter, sind es Frauen. Also gehen wir einmal von etwa 30 000 Müttern aus. Für einen Großteil dieser Frauen und ihrer Kinder greift Ihr Modell überhaupt nicht. Sie wissen nicht oder wollen es nicht
wissen, dass in Deutschland Kinder das Armutsrisiko Nummer 1 sind. Ein Kind oder zwei Kinder zu bekommen führt oftmals dazu, dass man überhaupt keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt hat, und damit hat man auch kein zu versteuerndes Einkommen. Da können Sie mit einem Splittingmodell kommen, wie Sie wollen, es nützt den Frauen und den Männern überhaupt nicht.
Sie sind darauf angewiesen, dass sie Arbeit bekommen, dass Betreuungsmöglichkeiten vorhanden sind. Wenn man Familien tatsächlich fördern will, dann soll man bei den Kindern ansetzen.