Uwe Biester
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Last Statements
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir im ersten Satz unseres Antrages vom 16. April 2002 festgestellt haben, dass sich die
wirtschaftliche Lage der niedersächsischen Werkunternehmer in den letzten Jahren, insbesondere aufgrund massiver Forderungsausfälle und einer steigenden Anzahl von Insolvenzen, erheblich verschlechtert hat, dann gilt diese Lagebeschreibung heute sicherlich unverändert fort. Zusätzlich verschärfen bereits beschlossene oder geplante Gesetze der rot-grünen Regierung die Situation für das Handwerk auf unerträgliche Weise:
Ein-Mann-AG, Verwässerung der Bedeutung der Meisterbriefe, Vermögensteuer, Ökosteuer, Energiebesteuerung, deutliche Verschlechterung der Eigenheimzulage usw. Die konjunkturelle Aussicht bleibt dramatisch schlecht. Deutschland ist, was das Wirtschaftswachstum angeht, im Jahre 2002 Schlusslicht in Europa.
Das Handwerk muss auf breiter Front Mitarbeiter entlassen.
All dies, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, lässt Sie ganz offensichtlich kalt. Sie verweigern sich auf Druck Ihres grünen Koalitionspartners selbst solchen gesetzlichen Verbesserungen, denen nicht die geringste Ideologie anhaftet.
Sie wissen genauso gut wie ich, dass die rechtlichen Probleme für Werkunternehmer im Wesentlichen darin liegen, dass sie vorleistungspflichtig sind. Zuerst muss also der Werkunternehmer leisten. Er erhält sein Geld nur, falls eine Abnahme in mangelfreiem Zustand erfolgt. Das Eigentum an seinen eingebauten Sachen verliert er mit Verbindung dieser Sachen mit dem Grundstück.
Diese Gesetzeslage bietet dem Kunden - das wissen Sie auch - zahlreiche Möglichkeiten, seine Zahlungen zu verweigern. Wegen relativ minimaler Mängel wird die Abnahme verweigert, es werden unverhältnismäßig hohe Geldbeträge zurückbehalten., oder aber Mängel werden schlicht und ergreifend behauptet und ein lang dauernder Rechtsstreit wird provoziert. Oder die Werkverträge werden so gestaltet, dass nicht der Grundstücks
eigentümer, sondern ein anderer der Besteller ist, mit der Folge, dass man seine Forderung nicht an dem Grundstück sichern kann.
Das alles wissen Sie. Ich frage Sie deshalb: Warum wollen Sie nicht handeln? Warum wollen Sie sich einem Voraburteil in Bausachen verweigern? Warum verweigern Sie sich Regelungen, durch die das Mittel der Bauhandwerkersicherungshypothek praxisgerechter gestaltet werden soll? Was haben Sie gegen einen Eigentumsvorbehalt an eingebrachten Sachen? - Es ist ja nicht so, dass der Unternehmer, wenn er sein Geld nicht bekommt, die Sachen ausbauen muss. Aber nach unserer Auffassung soll er wenigstens die Möglichkeit haben, die eingebauten Sachen auszubauen, wenn er es für richtig hält.
Warum wollen Sie nicht dem Subunternehmer helfen, der nach derzeitiger Rechtslage mit ansehen muss, dass der Hauptunternehmer seine Forderung realisiert, während er selber kein Geld bekommt? Was ist daran verwerflich, wenn Sie einem solchen Subunternehmer ein gesetzliches Pfandrecht an der Werklohnforderung des Hauptunternehmers einräumen?
Ihre Passivität, Ihre Untätigkeit ist uns völlig unverständlich. Das gilt auch für Herrn Minister Pfeiffer, der nicht anwesend ist. Der Justizminister hat einen Hang - das wissen wir - für Strafrecht und Strafprozessrecht. Deshalb hält er sich möglicherweise nicht so gern mit zivilrechtlichen Fragestellungen auf. Wir meinen aber, dass in der jetzigen Situation Handlungsbedarf besteht.
Sie wollen den Antrag, den wir gestellt haben, erstaunlicherweise für erledigt erklären. Sie suggerieren damit praktisch, die Sache sei erledigt, man sei offensichtlich dieser Probleme Herr geworden. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Das wissen Sie auch. Obwohl bei einer Anhörung zu diesen Fragen im Rechtsausschuss des Bundestages am 12. Juni praktisch alle Sachverständigen unsere Vorschläge begrüßt haben, hat es keine Gesetzesänderung gegeben.
- Weil ich das Protokoll gelesen habe und weil ich deshalb weiß, dass es so ist. - Eine Erledigung ist auch nicht deshalb eingetreten, weil man diese Gesetze nun gerade nicht geschaffen hat. Die aufgezeigten Probleme sind eben nicht gelöst. Unsere
Forderung, über den Bundesrat eine entsprechende Initiative nunmehr neu zu ergreifen, ist und bleibt hoch aktuell.
Wir werden deshalb Ihren Beschlussvorschlag, unseren Antrag für erledigt zu erklären, ablehnen und werden mit Freude die Organisationen des niedersächsischen Handwerks über diese Debatte informieren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Buß, lassen Sie mich bitte mit der Frage beginnen: Gemeinsamer Antrag, ja oder nein? Wir müssen diesem Antrag bescheinigen, dass er ein nicht unbedingt brandneues Thema aufgreift, sondern das, was hier besprochen wird, ist bereits wiederholt besprochen worden. Es ist nur nie vorangebracht worden. Das ist also ein bekanntes Thema in einer Art und Weise, die sich gut liest. Das will ich gar nicht bestreiten. Aber auch hier gilt das Gleiche, was auch für das heute Morgen schon einmal diskutierte Thema Verwaltungsreform gilt. Das war zwar auch alles richtig, aber gleichwohl entstand bei den Abgeordneten ein gewisser Frust, weil wir es seit Jahren sagen, aber noch gar nichts getan worden ist. Das gilt auch für dieses Thema. Wir reden immer wieder darüber, wie wichtig die Binnenwasserstraßen sind, dass wir da etwas tun müssen, dass sie ausgebaut werden müssen, weil wir ansonsten Nachteile haben. Aber wir stellen fest: Der Zustand ist, wie er ist, nämlich zum Teil so beklagenswert, wie Sie es hier völlig zu Recht dargestellt haben.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns den Sinn des vorliegenden Antrags einmal zu vergegenwärtigen versuchen, dann sollten wir uns am Besten einmal die Landkarte vorstellen. Im Westen liegen die ARA-Häfen Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Sie liegen am Rhein mit einem optimalen Binnenwasserstraßenanschluss über den Rhein auch in den Mittellandkanal. Im Osten liegt Hamburg an der Elbe mit dem Elbeseitenkanal. Das ist nicht ganz so optimal wie die Rheinschiene. Es gibt dort aber immer noch vernünftige Binnenwasserstraßenanschlüsse, um auch von dort in den Mittellandkanal zu gelangen. Dazwischen liegen die niedersächsischen und bremischen Häfen, bei denen es leider völlig anders aussieht. Wir haben den Hafen Emden, der am Dortmund-Ems-Kanal liegt. Das ist keine optimale Anbindung. Zu den
Gründen dafür komme ich gleich noch. Dann haben wir die Häfen an der Weser mit all den bekannten Problemen der Mittelweser. Das sind also keineswegs optimale Bedingungen. Das zeigt, dass jeder Verkehr von Gütern, die auf den Binnenwasserstraßen weiter transportiert werden sollen, sinnvollerweise über Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen abgewickelt wird, nicht aber über die niedersächsischen Häfen.
Das gilt zumindest für die größeren Schiffe, wie schon gesagt worden ist. Aber auch für die Binnenschifffahrt gilt, was auch sonst gilt: Je größer das Binnenschiff ist, desto preiswerter ist der Transport. Deshalb geht auch dort der Trend hin zu immer größeren Schiffseinheiten - nicht mehr nur noch das 110-Meter-Schiff, über das wir diskutieren, sondern in zunehmendem Maße auch Schubverbände und größere Schiffe mit einer Länge bis zu 140 m. Das schaffen die hier angesprochenen Binnenwasserstraßen Weser und Dortmund-EmsKanal nicht.
Jetzt wollen wir uns einmal sehr realistisch Ihre Forderung vor Augen führen, die Niedersächsische Landesregierung aufzufordern, auf die Bundesregierung einzuwirken, dort etwas zu verändern. Wir haben die Bereisung ja gemeinsam durchgeführt. Was hatte die Schifffahrtsdirektion zum Dortmund-Ems-Kanal gesagt? - Keine Chance! Dafür wird es keine Mittel geben! - Dieses Ergebnis der Anhörung kommt in diesem Entschließungsantrag aber überhaupt nicht zum Ausdruck.
Wie ist die Situation bei der Mittelweser? - Alle Beteiligten - auf der einen Seite Bremen, auf der anderen Seite Niedersachsen - haben sich dort sehr lange über die Frage unterhalten, wie sehr ausgebaut werden soll, insbesondere die Schleusen. Niedersachsen sagt: 110 m. Bremen sagt - nicht zuletzt, weil die Schleuse in Bremen-Hemelingen auf 140 m ausgebaut worden ist -: 140 m. - Die Beteiligten haben sich trefflich gestritten und haben sich nicht einigen können. Eine bessere Situation für den Bund gab es ja gar nicht, als zu sagen: Einigt ihr euch erst einmal darüber, wo es lang gehen soll, und dann sehen wir weiter.
Bei der Bereisung hat uns die Schifffahrtsdirektion gesagt, man sei sich nun wohl darüber einig, dass es 110 m sein sollen, dass sich das rechnen könne und dass man dies auch finanzieren könne und wolle. Wer aber einmal mit der bremischen Hafenwirtschaft spricht, der wird leider feststellen müssen, dass das nicht der Fall ist. Die bremische
Hafenwirtschaft hat sich zum Beispiel bei einer Veranstaltung in Nordenham dazu geäußert. Ich habe die Beteiligten dort gefragt. Die sagen: Nein, nein, 110 m reichen uns nicht. Ein Ausbau auf 110 m wäre in der heutigen Zeit, in der man weiß, dass die Verbände schon auf 140 m Länge zugehen, unsinnig. - Eine Einigung ist also nicht in Sicht. So lange eine Einigung nicht in Sicht ist, ist ebenso wenig auch ein Ausbau in Sicht.
Im Ergebnis kann ich daher zusammenfassend sagen: Wünschenswert wäre all das, was Sie fordern. Realisiert werden kann dies bei dieser Bundesregierung angesichts der Haushaltslage des Bundes aber wahrscheinlich nicht. Damit werden die niedersächsischen Häfen auch weiterhin fürchten müssen, dass sie auch bei der Frage des optimalen Binnenwasserstraßenanschlusses in Zukunft Probleme mit einem optimalen Binnenwasserstraßenanschluss haben werden. Der Antrag ist richtig. Wir fürchten aber, dass er hier leider keine Veränderungen herbeiführen wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausschussberatungen und auch die eine oder andere öffentliche Äußerung der Landesregierung haben es gezeigt: Bei dem Thema Bekämpfung der Jugendkriminalität prallen sehr unterschiedliche Auffassungen aufeinander. Das beginnt bereits bei der Beurteilung der Ausgangslage. Die Landesregierung bagatellisiert das Thema. Der Justizminister spricht davon, dass die Zahlen in der Jugend
kriminalität rückläufig seien. Der Innenminister äußert sich zu diesem Thema dahin gehend, dass er sehr einseitig und aus meiner Sicht auch diskriminierend dieses Phänomen den Aussiedlern zuschiebt.
Die Fakten sind jedoch andere. Sie haben soeben dankenswerterweise den Bericht zur inneren Sicherheit von 1992 bis 2001 vorgelegt. Ich zitiere aus Seite 168, auf der die Zahlen aufgeführt sind. Wir haben im Bereich der Gewaltkriminalität bei Jugendlichen, d. h. der Tätergruppe von 14 bis 18 Jahren, eine Zunahme von 98,2 % - das ist eine Verdoppelung - und bei Heranwachsenden, d. h. der Tätergruppe von 18 bis 21 Jahren, von 51 %. Nehmen wir die Raubdelikte, so ist bei Jugendlichen eine Zunahme von 146,3 % und bei Heranwachsenden von 66,4 % zu verzeichnen. Bei der gefährlichen Körperverletzung beträgt die Zunahme bei Jugendlichen 85,7 % und bei Heranwachsenden 51,1 %. Die Jugendkriminalität ist stetig angestiegen. Sie stagniert derzeit auf einem sehr hohen Niveau. Sie verschließen die Augen davor, wir wollen handeln.
Es sind gerade diese Gewaltdelikte und nicht, um das ganz klar zu sagen, das Schwarzfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln, die uns bedrücken und die aus unserer Sicht eine staatliche Reaktion erfordern. Täter, die zu solchen Gewaltdelikten fähig sind, sind nicht mit den üblichen Zuchtmitteln des JGG wie Ermahnung, gemeinnützige Arbeit oder Vergleichbares zu erreichen.
Wie reagiert nun der Staat darauf? - Gerade bei diesen Gewaltdelikten werden Heranwachsende fast immer als Jugendliche und nicht als Erwachsene - und demgemäss nach Jugendstrafrecht behandelt. Das ist in den Beratungen im Rechtsausschuss sehr deutlich geworden.
Diese Zahlen sind eigentlich sehr erstaunlich. Bei den Straßenverkehrsdelikten werden heranwachsende Täter zu 39,65 % nach Jugendstrafrecht, aber zu 60,35 % nach Erwachsenenstrafrecht behandelt werden. Wie sehen die Zahlen bei Raub aus? - Bei Raub werden heranwachsende Täter zu 97,37 % als Jugendliche und nur zu 2,63 % als Erwachsene behandelt, bei räuberischer Erpressung zu 98,4 % als Jugendliche und nur zu 1,6 % als Erwachsene.
Wie kann es sein, das bei Straßenverkehrsdelikten zwei Drittel der heranwachsenden Täter keine Entwicklungsdefizite haben, also wie erwachsene
Täter behandelt werden, aber bei räuberischer Erpressung und Raub nahezu 100 % der Täter Entwicklungsverzögerungen haben sollen und deshalb nicht nach Erwachsenenstrafrecht, sondern nach Jugendstrafrecht behandelt werden sollen?
- Das kann ich mir erklären. Das ist der Wille des Richters, ein bestimmtes Strafmaß nicht zu übersteigen.
Wir wollen vor diesem Phänomen nicht die Augen verschließen, und man kann darauf auch nicht so reagieren, dass man - wie Sie, Herr Minister - sagt, das liegt außerhalb unserer Möglichkeiten, das ist Richterrechtsprechung, da können wir nicht ran.
Die Richter wenden die Gesetze an, die wir ihnen vorgeben. Ändern wir das Gesetz, ändern wir damit natürlich auch die Rechtsprechung. Die Lösung dieser Frage liegt auf der Hand: Wir brauchen in der Frage „Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht?“ schlicht eine Umkehr der Beweislast.
Wir meinen auch, das Täter, die solche Gewalttaten begehen, nicht mit 68er-Methoden, also nach dem Motto „lasst uns mal darüber reden“ zu behandeln sind, sondern wir meinen, dass hier zwingend ein Nachjustieren im Bereich des Sanktionenrechts erforderlich ist.
Wir fühlen uns darin auch durch die Erkenntnisse aus den Ausschussberatungen bestärkt. Es waren die Praktiker, es war der Staatsanwalt, und es war der Richter, die unsere Vorschläge uneingeschränkt befürworteten, und es waren die Theoretiker, die der Meinung waren, dass Strafen überhaupt keinen präventiven Charakter hätten und dass man nur mit Präventionsmaßnahmen zurecht käme.
Um das ganz eindeutig zu sagen und damit hier keine Schieflage entsteht: Wir von der CDU meinen, wir brauchen beides. Natürlich brauchen wir präventive Maßnahmen, damit Jugendliche gar nicht erst in die Kriminalität hinabgleiten. Aber wir brauchen auch ein deutliches Strafensystem, damit der Jugendliche merkt, dass der Staat bereit ist, auf dieses Phänomen der Gewaltkriminalität zu reagieren.
Wie sieht die Meinung der Landesregierung z. B. zu der Frage aus: Können Strafen überhaupt wirken? Wir fordern in Nr. 5 unseres Entschließungsantrags ein beschleunigtes Jugendverfahren. Als der Antrag erstmalig im Januar beraten wurde, äußerte sich der Minister Pfeiffer insofern dazu, als er alle unsere Vorschläge in Bausch und Bogen verwarf und in einer Presseerklärung am 25. Januar wörtlich verbreiten ließ: Die Forderungen der CDU-Fraktion sind samt und sonders untauglich, der Kriminalität und Gewalt von und unter Jugendlichen wirksam zu begegnen. - Neun Monate später gibt sich der Minister geläutert. In seiner Presseerklärung vom 12. September 2002 führt er nun aus, dass beschleunigte Jugendverfahren für jugendliche Intensivtäter durchaus geeignet seien. Es heißt, damit bekämen die jugendlichen Täter die Konsequenzen ihres strafbaren Handelns unmittelbar zu spüren, was sowohl - man höre und staune einen präventiven als auch einen erzieherischen Effekt habe. Was gilt denn nun, Herr Minister? Wirken Strafen präventiv oder nicht präventiv? Wollen Sie beschleunigte Jugendverfahren, oder wollen Sie diese nicht? - Ihre Haltung in diesem Punkt ist bisher schwammig und inkonsequent.
Wir erinnern auch an ein Verbrechen im September 2002 in Baden-Württemberg. Da hat ein Sexualstraftäter zum Messer gegriffen und eine junge Frau aus sexuellen Motiven angegriffen. Dieser Täter hatte gerade eine zehnjährige Jugendstrafe wegen dreifachen Mordes verbüßt. Zum Zeitpunkt der Begehung der Tat war er Heranwachsender. Er ist natürlich nach Jugendstrafrecht behandelt worden und dementsprechend für einen dreifachen Mord nach zehn Jahren aus der Haft entlassen worden. Diesem Opfer, meine Damen und Herren, werden Sie nicht erklären können, dass der Staat diese neue Tat nach so kurzer Zeit nach einem vorher begangenen dreifachen Mord nicht verhindern konnte.
Wir fordern deshalb in unserem Antrag: Erwachsenenstrafe für Heranwachsende als Regelfall und Jugendstrafe als Ausnahme, beschleunigte Verfahren aus präventiven Gründen, Einführung einer Meldepflicht und eines Fahrverbotes als Sanktionen im Jugendgerichtsgesetz und ein Jugendarrest auch neben einer verhängten Jugendstrafe zur Bewährung, damit die Sanktionen unmittelbar auch für den Jugendlichen spürbar werden. Meine Damen und Herren, dies ist neben Präventivmaßnahmen angemessen, geboten und geeignet, der be
trüblichen und bedauerlichen Gewaltkriminalität wirksam entgegenzuwirken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Bockmann hat bei dem vorherigen Tagesordnungspunkt ein neues Bewertungskriterium eingeführt, indem sie gesagt hat, man sollte Anträge vorab mit der Fragestellung prüfen, ob es sich bei einer Beratung über den Antrag nicht um Vergeudung von parlamentarischen Ressourcen handelt. Ich finde, wenn die Sozialdemokratische Partei diesen Antrag, den wir jetzt beraten, vor Einbringung an diesem Kriterium gemessen hätte, dann wäre er vielleicht nicht gestellt worden. Dieser Antrag ist letztlich nichts anderes als ein Hinterherhinken hinter einer0 Entwicklung, die seitens der Landesregierung bereits vollzogen worden ist, was selbstverständlich war, weil es nicht anders geht.
Die elektronische Kommunikation, meine Damen und Herren, hat im Wirtschaftsleben seit langer Zeit Einzug gehalten. Anwaltskanzleien korrespondieren und kommunizieren auf diese Weise miteinander. Aber auch im Verwaltungsbereich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass z. B. zwischen einem Liegenschaftsamt einer Kommune und einem Notar Vertragsentwürfe per E-Mail versandt werden. Es ist deshalb nur natürlich und zu begrüßen, dass sich die Justiz dieser Entwicklung öffnet.
Wir müssen aber sehen - der Antrag trägt dem Umstand auch Rechnung -, dass wir bei der Justiz erst am Beginn einer derartigen Entwicklung sind. Es bedarf noch der Klärung vieler offener Fragen sowie sächlicher, finanzieller und personeller Voraussetzungen.
Wir diskutieren den Antrag ausschließlich unter dem Gesichtspunkt elektronische Kommunikation. Das kann jedoch nur der Anfang sein. Wir brauchen im Ergebnis die elektronische Aktenverwaltung bis hin zur elektronischen Sachbearbeitung, damit die mit dieser Technik verbundenen Einsparmöglichkeiten vollständig genutzt werden. Dazu bedarf es noch einer ganzen Anzahl von Vorgaben, die wir einmal miteinander erörtern sollten.
Wir brauchen auf der Seite der Gerichte die entsprechende Hardware. Diese ist zwar bereits vorhanden, aber der PC muss ans Internet angeschlossen sein. Ferner muss er über die entsprechende Aufrüstung verfügen, damit die elektronische Signatur beigefügt werden kann sowie Verschlüsselungen und Entschlüsselungen - Stichwort: Datenschutz - vorgenommen werden können. Das,
Herr Minister Pfeiffer, wird Geld kosten. Wir müssen die Anwender in der Justiz rechtzeitig schulen und auf diesen Vorgang vorbereiten. Auch das wird Geld kosten. Es wird auch Zeit kosten, Zeit, die für die Bearbeitung der normalen laufenden Arbeiten nicht mehr zur Verfügung stehen wird.
Ich erinnere sehr nachdrücklich an die Probleme bei der Einführung des Kostenprogrammes P 53 und an die aktuellen Probleme bezüglich des elektronischen Grundbuches. Das, was z. B. beim Amtsgericht Wolfenbüttel passiert ist, dass nämlich ein Grundbuchamt praktisch einen Monat lang nicht arbeitsfähig war, weil man die Art und Weise, wie man die Einführung vornehmen sollte, nicht so vorgeplant hat, dass der laufende Betrieb weitergeführt werden kann, ist ein klassisches Beispiel dafür, was nicht geschehen darf. Die Gerichte, insbesondere im Bereich der Geschäftsstellen, sind bis an die Grenze des Vertretbaren belastet. Sie können zusätzlich auf sie zukommende Aufgaben nicht verkraften. Die Einführung einer neuen Technologie ist, bis es tatsächlich zu einer Einsparung kommt, zunächst einmal eine zusätzliche weitere Belastung.
Sie müssen des Weiteren, Herr Minister, einige Festlegungen treffen, z. B. welches Dateiformat zugelassen wird und wie die elektronische Akte, die es in Zukunft geben wird, verwaltet wird; das kennen wir unter dem Begriff Aktenordnung; die Papierakte passt nicht auf die elektronische Akte. Sie müssen bundesweit Festlegungen treffen, damit in Deutschland kein elektronischer Flickenteppich entsteht, und Sie müssen einen ständigen Austausch mit den Anwendern dieser neuen Technologie organisieren, also mit den Anwälten.
In der Einführungsphase wird sich den Geschäftsstellen eine neue Aufgabe stellen, die sie so nicht kennen. Ich will das mit einem Beispiel verdeutlichen: Der Anwalt macht von der Möglichkeit Gebrauch, den Scheidungsantrag auf elektronischem Weg, per E-Mail, an das Familiengericht zu richten. Empfänger dieses Antrages soll die Ehefrau sein, die derzeit noch nicht über einen Internetzugang verfügt und in dieser Phase anwaltlich auch noch nicht vertreten ist. In diesem Fall muss aus einer elektronischen Post eine papierene Post gemacht werden. Das muss die Geschäftsstelle durchführen. Die Anwälte werden sich freuen; die müssen also nicht die ganze Stempelei machen, die für die Zustellung erforderlich ist. Das sind Dinge,
die in der Einführungsphase von den Geschäftsstellen zusätzlich zu bewältigen sein werden.
Wenn dann die Dame, die den Antrag bekommen hat, auf papierene Art und Weise antwortet, muss der Prozess wieder rückwärts ablaufen. In diesem Fall muss aus der papierenen Antwort wieder ein elektronisches Dokument gemacht werden, um es dann dem Anwalt per E-Mail zukommen zu lassen.
Es gibt also eine Fülle von Problemen, denen wir uns in diesem Zusammenhang stellen müssen, die sich aber auch den ausgewählten Gerichten stellen.
Ich stelle für die CDU-Fraktion fest, dass auch für die Justiz die Tür zum Internet-Zeitalter aufgeschlossen ist; geöffnet ist sie aber - wie gesagt noch nicht, weil es noch einer weiteren Erprobungsphase bedarf, deren Einführung wir als CDU-Fraktion begrüßen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 3461 schlägt Ihnen der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen mehrheitlich, nämlich mit den Stimmen der SPD-Fraktion, vor, den auf eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Richterwahlgesetzes zielenden Antrag der Fraktion der CDU abzulehnen. - Mit Rücksicht auf den Zeitablauf der heutigen Sitzung würde ich gern den Rest des Berichtes zu Protokoll geben.
Dies, nachdem die Ausschussmehrheit in den Beratungen zunächst geneigt war, nach Möglichkeiten für eine gemeinsame Entschließung zu suchen.
Anknüpfend an die ausführliche erste Beratung des Antrages in der 87. Plenarsitzung am 26. Oktober 2001, in der nicht nur deutlich geworden war, dass alle Fraktionen einen gewissen Änderungsbedarf sahen und der Justizminister seinerseits bereits recht konkrete Reformvorschläge artikuliert hatte, hatten es die Vertreter aller Fraktionen trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte zunächst für möglich gehalten, unter Einbeziehung dieser Vorschläge zu einer gemeinsam getragenen Entschließung zu kommen.
Davon ist die Ausschussmehrheit in einer weiteren Beratungsrunde jedoch abgerückt. Sie machte geltend, nach einer nochmaligen näheren Betrachtung der in dem CDU-Antrag enthaltenden vier Punkte zeige sich, dass die Fraktion lediglich einen davon mittragen könne. Anders als offenbar der CDU-Fraktion gehe es ihr in Übereinstimmung mit dem Justizminister darum, das Verfahren zur Wahl der Bundesrichter insgesamt transparenter zu gestalten, es aber nicht umfassend zu verändern. Denn dazu bestehe kein hinreichender Anlass.
Dem vermochten sich die Vertreterinnen und Vertreter der CDU-Fraktion nicht anzuschließen. Unverkennbar - so ihr Einwand - bleibe die Position des Justizministers weit hinter den Überlegungen ihrer Fraktion zurück. So enthalte das Richterwahlgesetz in der derzeitigen Fassung erhebliche Mängel. Besonders gravierend sei, dass es nicht die Möglichkeit gebe, sich um ein Richteramt zu bewerben, sondern der Richterwahlausschuss allein auf Vorschlag entscheide. Das Gesetz eröffne der Politik einen zu starken Einfluss; dem Gedanken der Bestenauslese werde hingegen zu wenig
Rechnung getragen. Wenn sich nun zeige, dass die SPD Fraktion sich außerstande sehe, darauf einzugehen, fehle in der Tat die Grundlage für eine gemeinsame Entschließung.
Ohne weitere inhaltliche Diskussion beendete der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen daher seine Beratungen mit der mehrheitlich getragenen Empfehlung, den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2778 abzulehnen.
Namens des Ausschusses habe ich sie zu bitten, dieser Empfehlung, der sich der mitberatende Ausschuss für innere Verwaltung angeschlossen hat, zu folgen, d. h. den Antrag der Fraktion der CDU abzulehnen.
Mit Einverständnis des Herrn Präsidenten würde ich gerne für die CDU-Fraktion die inhaltliche Stellungnahme direkt anschließen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war ein beispielloser Justizskandal, der 2001 offenkundig gemacht hat, dass das Richterwahlgesetz dringend reformbedürftig ist. Die grüne Justizministerin Schleswig-Holsteins schlägt einen Richter vor, der zwar Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen ist, der aber sonst durch besondere richterliche Leistungen nicht aufgefallen ist.
- Er ist dadurch aufgefallen, dass er die Legalisierung weicher Drogen bundesweit gefordert hat und dass er „ein Recht auf Rausch“ gefordert hat.
Ein SPD-Bundestagsabgeordneter, der Mitglied des Wahlgremiums ist, schlug eine Richterin vor, die sich an ihrem Landgericht zunächst um die Position einer Vorsitzenden Richterin am Landgericht beworben hatte und einer Konkurrentin unterlegen war, weil sie nicht die erforderlichen Qualifikationen im Vergleich zu den Konkurrentinnen hatte. Dieser Richterin ist durch das politisch besetzte Wahlgremium BGH-Tauglichkeit verliehen und attestiert worden.
Dieses, meine Damen und Herren, sind Vorgänge, zu denen der Präsidialrat des Bundesgerichtshofes
sehr eindeutig Stellung genommen hat, indem er in seiner juristisch-fachlichen Bewertung beiden Kandidaten bescheinigt hat, für dieses Amt „nicht geeignet“ zu sein. Das ist die Note sechs. Dann ist es auch nicht mehr eine Frage der Akzeptanz, sondern dann hat sich hier gezeigt, dass sich nicht die Qualität der Bewerber, sondern eine parteipolitische Loyalität der Treuesten durchgesetzt hat.
Deshalb, Herr Minister Pfeiffer, ist Ihre Einschätzung der Situation, dass es keine Qualitätsfrage, sondern eine Akzeptanzfrage sei und dass man diese Akzeptanzproblematik dadurch beherrschen könne, dass man dem Präsidialrat im entsprechenden Gremium ein verstärktes Anhörungsrecht einräume, meiner Meinung nach falsch und zu kurz gegriffen.
Unmittelbar bevor wir unseren Antrag eingebracht haben, haben Sie sich in der Öffentlichkeit ebenfalls dieses Themas angenommen und ein sechsseitiges Papier herausgebracht, in dem Sie den Vorschlag gemacht haben, dem Präsidium in dem Wahlgremium ein verstärktes Anhörungsrecht jedenfalls dann einzuräumen, wenn sein Votum von dem beabsichtigten Wahlvotum abweicht, um dann die Möglichkeit zu haben, dies auch mündlich zu begründen. Ich frage Sie, Herr Minister Pfeiffer: Haben Sie das auch umgesetzt? Haben Sie etwa eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, indem Sie diese Forderung dann auch auf den Weg gebracht und erhoben haben, oder haben Sie zumindest im Bereich der Justizministerkonferenz diesen Ihren Vorschlag zur Abstimmung gebracht?
Diese Fragen sind deshalb berechtigt, weil es einen weiteren Fall gibt, bei dem Sie eine Ankündigung gemacht haben, indem Sie z. B. gesagt haben, Sie fordern die Wiedereinführung einer Kronzeugenregelung, und Sie werden sich dafür einsetzen, dass das Land Niedersachsen dies zum Gegenstand einer Bundesratsinitiative macht. Unsere Nachfrage im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen hat ergeben, dass das mitnichten der Fall ist.
Also die konkrete Frage - Sie werden vielleicht auch noch Stellung nehmen -: Haben Sie im Falle des Richterwahlgesetzes Ihre Ankündigung wahr gemacht und auf den Weg gebracht, oder ist es bei der bloßen Ankündigung geblieben?
Abgesehen davon, dass Sie mit Ihrem Vorschlag unserer Auffassung nach zu kurz greifen, meinen
wir, dass die Notwendigkeit einer Änderung durch den Sachverhalt, den ich geschildert habe, auf der Hand liegt. Es kann nicht nur darum gehen, verstärkt im Wahlausschuss zu diskutieren, sondern es muss darum gehen, die Qualitätsentscheidung wieder in den Vordergrund zu schieben. Darauf zielt unser Antrag mit den zwei wesentlichen Forderungen, erstens die Bundesrichterstellen öffentlich auszuschreiben, damit jede Richterin und jeder Richter die Möglichkeit hat, sich zu bewerben, und zweitens die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen eines Bewerbers durch den Richterwahlausschuss anhand eines rechtlich verbindlichen Anforderungsprofils zu prüfen.
Um die hier eingetretene Diskussion zu beenden, ist es aus unserer Sicht dringend erforderlich, deutlich zu machen, dass es uns um die Qualität der Richter geht. Dies sind die einzig denkbaren Möglichkeiten, sie wieder zu stärken.
Herr Minister und meine Damen und Herren Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und von der SPD, wir sind mit dieser Forderung bundesweit keineswegs allein geblieben. Es gibt nicht nur eine Bundesratsinitiative des Landes Baden-Württemberg zu dieser Frage - der dortige Justizminister Goll von der FDP hat sich dieses Themas angenommen -, sondern auch der Landtag von Schleswig-Holstein hat diese Fragen diskutiert und hat sich mit den Stimmen der Sozialdemokraten, mit den Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und mit den Stimmen der CDU gerade für diese Punkte ausgesprochen, nämlich erstens öffentliche Ausschreibung und zweitens konkretes Anforderungsprofil.
Meine Damen und Herren, nicht nur die Politik, sondern auch die Fachwelt haben das Richterwahlgesetz anlässlich dieses Vorfalls diskutiert. Anfang Juni dieses Jahres haben sich alle 25 Präsidenten der Oberlandesgerichte in Deutschland zusammengefunden und haben diese Frage diskutiert. Alle 25 OLG-Präsidenten haben hinterher öffentlich gemacht: Wir fordern eine öffentliche Ausschreibung der freien Richterstellen, damit der Qualität wieder ein größerer Stellenwert zukommt als dem politischen Einfluss auf dieses Gremium.
Meine Damen und Herren, Politik und Fachwelt sind sich eigentlich in diesem Punkt einig. Nur die Mehrheit in diesem Hause ist offensichtlich nach wie vor anderer Meinung und bleibt bei ihren Reformbemühungen zum Richterwahlgesetz nicht nur auf halbem Weg, sondern auf einem Fünftel Weg stehen, indem sie lediglich diskutieren will. Nein, meine Damen und Herren, wir brauchen mehr: Wir brauchen eine Änderung auch im Sinne einer Ausschreibung und eines Anforderungsprofils.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei Bemerkungen muss man dazu noch machen.
Wenn Sie sagen, niemand hat die Qualität bezweifelt, dann ist für Sie praktisch der Präsidialrat des Bundesgerichtshofes ein Niemand, denn er hat sie bezweifelt. Das ist eindeutig.
Ich nehme mit Befriedigung zur Kenntnis, dass Sie hiermit wiederum öffentlich angekündigt haben, sehr wohl eine Bundesratsinitiative zur Kronzeugenregelung auf den Weg bringen zu wollen. Sagen Sie bitte Ihren Mitarbeitern des Hauses, dass Sie im Ausschuss nichts Gegenteiliges sagen, denn da ist Gegenteiliges gesagt worden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat in dieser Legislaturperiode wiederholt Anträge eingebracht, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, nämlich die aus unserer Sicht dringend erforderliche Reform des Jugendstrafrechtes. Der heutige Antrag reiht sich in die Kette dieser Anträge ein.
Der Antrag gründet auf einer eigentlich völlig unstrittigen Erkenntnis, die da lautet, dass der spezialpräventive Charakter einer Sanktion, also die auf den Täter zielende Abschreckungswirkung, umso eher erreicht wird, je zeitnaher sie auf die Tat folgt. Das Verfahren muss also schlicht und ergreifend beschleunigt werden.
Wir wissen, dass die vorhandenen Mechanismen der Strafprozessordnung und des Jugendgerichtsgesetzes hierzu nicht ausreichen. Das beschleunigte Verfahren der Strafprozessordnung wird für Jugendverfahren gesetzlich ausgeschlossen. Das vereinfachte Jugendverfahren der §§ 76 ff. des Jugendgerichtsgesetzes gilt nur für solche leichteren Verstöße, bei denen allenfalls Weisungen des
Gerichtes oder vergleichbare Maßnahmen in Betracht kommen.
In den Fällen aber, in denen wir es z. B. mit einem Intensivtäter zu tun haben und wir dessen Kette von Straftaten schnellstmöglich abbrechen und unterbrechen wollen, oder in den Fällen, in denen ein Opfer vor Wiederholungstaten des gleichen Täters geschützt werden muss, oder aber wenn eine schnelle Ahndung schon deshalb erforderlich ist, weil wir die Signalwirkung dieser Ahndung sowohl gegenüber dem Täter als auch gegenüber seinem Umfeld erreichen wollen, fehlt bisher die Möglichkeit einer effektiven Beschleunigung.
Auf diese Situation zielt unser heutiger Antrag eines vorgezogenen Jugendverfahrens ab. Hierzu bedarf es keiner Gesetzesänderung, sondern es bedarf nur unter Federführung des Justizministeriums einer Verfahrensvereinbarung zwischen den beteiligten Organisationen, sprich: Polizei, Staatsanwaltschaft, vor allen Dingen auch Jugendamt und Gericht. In Hessen und Schleswig-Holstein sind diese Verfahren zum Teil bereits seit zwei Jahren erfolgreich praktiziert worden. In Brandenburg sind sie jetzt für alle Jugendgerichte flächendeckend eingeführt worden. Der Erfolg dieser Maßnahmen ist prägnant: Bei Jugendlichen und Heranwachsenden, deren Taten in diesem vorgezogenen Jugendverfahren geahndet wurden, ist eine wesentlich geringere Rückfallquote festzustellen. In den einschlägigen Szenen, aus denen heraus solche Straftaten von Jugendlichen begangen worden sind, zeigen sich die präventiven Wirkungen dieser vorgezogenen Verfahren auf Täter und auf Umfeld sehr deutlich.
Die Einführung dieser Verfahren erfordert auch keinen zusätzlichen Geldeinsatz. Sie erfordert lediglich den abgesprochenen und gemeinsamen Willen der am Verfahren Beteiligten. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft müssen einen Kriterienkatalog erarbeiten, um bereits zu Beginn der Ermittlungen festzulegen, ob eine vermutete Straftat für ein vorgezogenes Jugendverfahren geeignet ist oder nicht. Die dann erforderlichen Handlungen der staatlichen Organe müssen parallel zueinander verlaufen und nicht, wie heute häufig üblich, zeitlich aufeinander gestaffelt. So muss das Jugendamt sehr frühzeitig eingeschaltet werden; etwa dann, wenn die Einlassungsfrist auf eine Anklageschrift noch läuft, muss das Jugendamt bereits eingeschaltet werden. In diesen Fällen ist es erreichbar, vom Beginn der Ermittlungen bis zur Erhebung der Anklage und zur Hauptverhandlung
mit einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen auszukommen.
Also allein durch organisatorisch mögliche Maßnahmen, die unter Federführung des Ministeriums ergriffen werden müssen, ist es möglich, mit den vorhandenen Gesetzen diese Verfahren zu beschleunigen, was für die Effizienz von erheblicher Bedeutung ist. Wir hoffen deshalb auch auf eine breite Zustimmung zu diesem Antrag im Plenum.
Frau Ministerin, das Bundesland Hamburg verfügt im Gegensatz zum Bundesland Bremen über ganz erhebliche Erweiterungsflächen für seine Hafengebiete und hat deshalb durchgesetzt, dass in diesem Drei-Punkte-Papier einem neuen JadeWeserPort die Funktion eines Ergänzungshafens zugewiesen werden sollte. Ist die Landesregierung bereit, nach dem Ausstieg von Hamburg diese Einschränkung aufzugeben und den Hafen vollwertig als zeitnah zu errichtenden Containerhafen zu realisieren?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch nach der Beratung dieses Antrages im zuständigen Ausschuss für Häfen und Schifffahrt gilt die gleiche Feststellung, wie wir sie bei der ersten Beratung im Plenum bereits getroffen haben. Der Antrag ist inhaltlich sicherlich nicht falsch. Der Antrag wird uns aber politisch keinen Millimeter weiterbringen. Er ist, um es einmal deutlich und drastisch zu formulieren, ein Beispiel für folgenlose politische Lyrik. Sehen wir uns den Antrag einmal an. Im ersten Absatz steht:
„Von der Liberalisierung, Globalisierung und Umstrukturierung des Welthandels ist die Seeschifffahrt stark betroffen.“
Das ist richtig.
„Die jährliche Wachstumsrate liegt zurzeit bei 6 %.“
Das ist richtig. Da liegt sie aber auch, wenn wir das nicht beschließen. Der letzte Satz im ersten Absatz lautet:
„Das bedeutet eine Umstellung der deutschen Häfen, wollen Sie wirtschaftspolitisch in der Weltspitze mitreden“
- auch das ist richtig
„und den Hafen ‚Rotterdam‘ nicht zu einem europäischen ‚MainPort‘ anwachsen lassen.“
Das ist nur bedingt richtig. Rotterdam ist ein „MainPort“. Die Frage ist, ob er der einzige „MainPort“ in Europa sein soll oder nicht.
Wenn man sich den Antrag durchliest, könnte man meinen, dass der Verfasser dieses Entschließungsantrages bald etwas zu einem Tiefwasserhafen sagt. Aber er hat die Kurve bekommen und macht
damit einen Antrag ausschließlich zum Thema Short Sea Shipping.
Der Kollege Klein hat bereits darauf hingewiesen - hier stimme ich nicht mit ihm überein -, dass sich die Landesregierung im Bereich Häfen- und Schifffahrt auf den Tiefwasserhafen fokussiert. Es ist sicherlich richtig, dass das ein zentrales Projekt ist. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Klein, meine ich aber auch, dass es zu Recht ein ganz zentrales Projekt ist.
Ihre Feststellung, dass spätestens mit dem Ausstieg Hamburgs dieses Projekt den Bach heruntergeht, widerspreche ich ausdrücklich. Das ist falsch, um es ganz deutlich zu sagen.
- Sie kommen ja aus Cuxhaven. - Wir werden über das Thema Tiefwasserhafen natürlich noch bei der Dringlichen Anfrage miteinander zu sprechen haben. Eines hat die Landesregierung jedoch falsch gemacht. Die Landesregierung unterlag einer Fehleinschätzung, als sie glaubte, eine Vereinbarung der drei Länder Hamburg, Bremen und Niedersachsen sei trotz der für jedermann erkennbaren unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessenlagen dieser drei Beteiligten tragfähig. Das konnte nicht gut gehen und hat uns Zeit gekostet. Durch die Entscheidung und die endgültige Äußerung aus Hamburg wissen wir, wo es lang geht, und sind auf dem richtigen Weg. Nach wie vor unterstelle ich nämlich, dass die beiden großen Parteien hier im Hause diesen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven haben wollen.
Noch eine Bemerkung zum Kollegen Robbert und der Bedeutung des Lkw-Verkehrs in diesem Zusammenhang: Es ist schon etwas gefährlich, sich hier im Plenum hinzustellen und ganz pauschal von kriminellen Machenschaften in diesem Gewerbe zu sprechen, ohne dabei zu differenzieren. Ich erkenne nicht, dass man das gesamte Gewerbe der Lkw-Spediteure diskreditieren kann.
- Er hat zwei Fälle genannt, aber nicht differenziert. Er hat diese kriminellen Machenschaften als
Begründung dafür herangezogen, warum es auch in Zukunft Lkw-Verkehre geben wird. Die Begründung lautet anders und besteht schlicht und ergreifend darin, dass im Rahmen einer Transportkette ein Produkt irgendwann einmal auch auf einen Lkw kommt. Ob es dann über eine Strecke von 10 km oder 100 km transportiert wird, spielt keine Rolle. Der Umladevorgang auf den Lkw findet auf jeden Fall statt und hat zur Folge, dass der Lkw eine echte Transportalternative darstellt. Daran wird auch dieser Entschließungsantrag nichts ändern.
In der Analyse sind wir uns einig. In dem Antrag steht Richtiges. Allerdings ist dieser Antrag aus unserer Sicht überflüssig, wenn auch nicht falsch. Da er inhaltlich richtig ist, können wir ihm zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir uns bei der Beschreibung der Ausgangslage offensichtlich sehr, sehr einig sind.
Sie ist, mit einem kurzen Wort skizziert, wie folgt: Es dauert einfach zu lange, bis eine berechtigte fällige Forderung vor deutschen Gerichten durchgesetzt und - im Extremfall - mit deutschen Gerichtsvollziehern zwangsvollstreckt worden ist. Wenn wir es mit einem Unternehmen des Bauhandwerks zu tun haben, das immerhin in Vorleistung getreten ist, also selbst schon Geld ausgegeben hat, unter Umständen auf sein Geld warten muss und möglicherweise auch noch mit einer zu dünnen Eigenkapitaldecke versehen ist, dann bekommt es Liquiditätsprobleme, und am Ende dieser Kette droht das Insolvenzverfahren.
Wenn wir uns in der Beschreibung der Situation einig sind, dann sollten wir eigentlich auch die Möglichkeit haben, uns bei der Behebung dieser Situation einig zu werden. Wir sehen doch in der Praxis, dass die im Zivilrecht und Zwangsvollstreckungsrecht bestehenden gesetzlichen Grundlagen offensichtlich nicht ausreichen, dieser von uns gemeinsam beklagten Situation Herr zu werden.
Ich sehe allerdings ein Problem, und insoweit will ich den Sozialdemokraten und der Fraktion der Grünen Folgendes sagen: Sie haben angekündigt, dass Sie sich mit diesem Thema in der Arbeitsgruppe der Bund-Länder-Kommission befassen werden. Ich habe da so meine Zweifel. Diese Zweifel sind auch berechtigt, weil wir wissen, dass das Bundesjustizministerium in der Vergangenheit schlicht nichts getan hat. Vielmehr sind wir auch hier auf einen weiteren Fall einer rot-grünen Blockadepolitik gestoßen.
Als wir das letzte Mal in diesem Zusammenhang ein Gesetz geändert bzw. geschaffen haben - das war im Jahre 2000 das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen -, hat der Bundesrat parallel dazu erkannt, dass das Gesetz noch nicht ausreichen würde. Er hat einen Beschluss gefasst und an die Bundesregierung die Forderung gerichtet, dass
sich die angesprochene Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Verbesserung der Zahlungsmoral“ mit weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen befassen solle.
Was aber hat die Bundesregierung getan? - Gar nichts. Dann gab es am 13. Juni 2001 eine Justizministerkonferenz in Trier, bei der sich die Justizminister dieses Falles wieder angenommen und gefordert haben, dass diese Arbeitsgruppe nun tatsächlich von der Frau Ministerin einberufen werden solle. Was hat die Ministerin getan? - Gar nichts.
Gerade wegen dieses Nichtstun auf Bundesebene haben die Länder Thüringen und Sachsen ihre Initiative ergriffen. Sie haben gesagt: Na gut, wenn von dort nichts kommt, müssen wir als Bundesrat das Thema wieder an uns ziehen und initiativ werden.
Als Justizpolitiker, Herr Minister Pfeiffer, vermisse ich eine Äußerung von Ihnen zu diesem Thema. Wir haben nachgesehen, ob Sie sich - wie zu manchen anderen Themen auch - dazu geäußert haben. Das ist, soweit wir das festgestellt haben, nicht der Fall.
Das verwundert umso mehr, weil Sie bei Gerichten und Gerichtsvollziehern hospitiert haben und Ihnen sehr bewusst geworden sein müsste, dass hier etwas im Argen liegt.
Ich vergleiche das einmal mit der Situation im Strafrecht. Wir haben im Strafrecht erkannt, dass wir uns in der Vergangenheit in unserer Blickrichtung sehr auf den Täter fokussiert haben und dass das Opfer dadurch manchmal in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Wir haben dort eine Kehrtwendung vollzogen; wie ich meine, völlig zu Recht. Wir haben gesagt, dass wir das Opfer jetzt in den Vordergrund unserer Überlegungen treten lassen.
Ich meine, dass wir ein gleiches Umdenken auch im Zivilrecht gebrauchen könnten. Auch im Zivilrecht haben wir viel über den Schuldnerschutz gesprochen: Wie können wir dem Schuldner helfen? Aber den Gläubiger haben wir in unseren Überlegungen vernachlässigt. Auch hier könnten wir eine Kehrtwendung vollziehen und sagen: Schützt bitte auch einmal den Gläubiger!
In der Initiative, die die Länder Thüringen und Sachsen ergriffen haben, haben sie das vorhandene Gesetzeswerk sehr umfassend auf die Fragestellung überprüft: Wie kann man unter dem Gesichtspunkt „Gläubigerschutz“ zu gesetzgeberischen Veränderungen kommen?
Ich möchte zwei oder drei der herausragenden Punkte, die von großem Neuerungswert sind, vorstellen. Das eine ist die Einführung eines Eigentumsvorbehalts auch bei eingebauten Sachen. Die derzeitige Rechtslage ist dogmatisch sauber, aber leider in der Praxis völlig unbefriedigend. Da muss der Handwerker die Fenster, die er einbaut, bestellen und bezahlen. Dann baut er sie ein, und allein durch die Tatsache, dass er sie eingebaut hat, hat er sein Eigentumsrecht an diesen Sachen verloren und kann keinen Eigentumsvorbehalt mehr geltend machen, weil die Fenster durch den Einbau wesentlicher Bestandteil des Hauses geworden sind und sich das Eigentum am Haus damit bei den eingebauten Sachen fortsetzt. Das muss natürlich nicht so sein. Das kann man auch anders regeln. Ich meine, wenn man einem nicht zahlungswilligen Kunden nicht nur sagen kann „Pass auf, du wirst mit einem Klageverfahren überzogen“ – der sagt dann sowieso „Ich habe kein Geld; nimm die Hälfte, und wir haben uns geeinigt“ -, sondern wenn man sagen kann „Ich kann dir die Fenster auch wieder ausbauen, dann zieht es, und dann wird es kalt in deinem Haus“, dann ist das eine Maßnahme, die letztendlich die rechtliche Position des Bauhandwerkers verbessert. Er erhält dadurch ein legales und legitimes Mittel, um seine Forderung durchzusetzen.
Das mache ich gerne.
Wir können das Wort „Fenster“ auch durch das Wort „Heizkörper“ oder das Wort „Normtür“ ersetzen. Sie müssen sich aber auch die Frage stellen, ob es nicht noch unbefriedigender ist, erleben zu müssen, dass man sein Geld nicht bekommen hat, aber der Kunde die Gegenstände in seinem Haus nutzt und dort wohnt. Das ist doch noch unbefriedigender.
Ich möchte noch einen zweiten Punkt, den diese Gesetzesinitiative beinhaltet, kurz ansprechen. Das ist der Versuch, auch die rechtliche Stellung eines Subunternehmers zu verbessern, der - wie wir alle wissen -, was die Preisgestaltung seiner Arbeit und möglicherweise auch die Durchsetzung von Forderungen angeht, ohnehin schon am Ende der Kette steht. Ein solcher Subunternehmer soll nach der Gesetzesinitiative ein gesetzliches Pfandrecht an der Forderung des Hauptunternehmers gegenüber dem Auftraggeber bekommen, um seine Forderungen auf diese Art und Weise sicherzustellen. Das wurde in anderen Ländern mit Erfolg in das Gesetz aufgenommen. Das halten auch wir für eine richtige und zutreffende Maßnahme.
Meine Damen und Herren, wir sind uns einig in der Beschreibung der Situation. Wir haben hier eine Gesetzesinitiative, von der wir überzeugt sind, dass sie, was die staatliche Reaktion des Gesetzgebers angeht, angemessen ist, dass sie geeignet ist, dieser Situation Herr zu werden. Ich bitte Sie deshalb abschließend um eine konstruktive Mitberatung in den entscheidenden Ausschüssen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn der geneigte Leser dieses Antrages die Überschrift „Möglichkeiten zur Stärkung der maritimen Verbundwirtschaft durch Short Sea Shipping“ zur Kenntnis nimmt, dann baut eine solche Überschrift natürlich eine gewisse Spannung auf. Dann sagt er sich: Da bin ich aber mal gespannt, welche Maßnahmen jetzt empfohlen werden, was denn die SPD-Fraktion vorschlägt, welche Maßnahmen mit welchen Mitteln zu realisieren sind. Wenn er dann den recht kurzen Entschließungsantrag weiter liest, kommt er zum Schluss zu den drei Punkten, zu denen die Landesregierung aufgefordert werden soll, nämlich erstens Ergebnisse eines Projekts vorzulegen, zweitens über eine Kooperationsmaßnahme zu berichten und drittens Überlegungen anzustellen.
Das ist doch viel Theorie, die mit einem solchen Antrag verbunden ist. Es lässt sich natürlich theoretisch sehr gut darüber diskutieren, dass es für einen Versender einer Ware eigentlich nur vernünftig sein kann, dafür auch ein Schiff zu verwenden, dass es doch allein schon aus ökologischen Gründen sehr vernünftig sein kann, von der Straße lieber auf Bahn oder auf Schiffe zu gehen, und dass auch die Staugefahr auf unseren Autobahnen wesentlich gemindert werden würde, wenn man das Schiff in Anspruch nehmen würde.
Nur, meine Damen und Herren, wir wissen alle: Die Wirklichkeit in unserem Lande sieht anders aus. Es ist ein Vorgang, den wir nicht durch Mehrheit im Landtag beschließen können. Die Frage, welcher Verkehrsträger in Anspruch genommen wird, entscheidet ausschließlich der Markt. Der Markt stellt folgende Überlegung an. Er sagt sich: Heutzutage wird in einer Verkehrskette erwartet, dass ein Versender sagt, das Produkt soll von Tür zu Tür gebracht werden. Wenn es von Tür zu Tür gebracht werden soll, muss es irgendwann auf den Lkw. Das geht gar nicht anders. Das sagen auch diejenigen, die Short Sea Shipping bevorzugen. Die wissen auch ganz genau: Irgendwann kommt der Verkehrsträger Lkw zum Einsatz. Wenn denn der Verkehrsträger Lkw ohnehin zum Einsatz kommt, ist es häufig sehr viel preiswerter, ihn gleich auf einer längeren Strecke fahren zu lassen.
Wir wissen alle, dass das Teuerste an einem Verkehrsvorgang das Umladen von einem Verkehrsträger auf einen anderen Verkehrsträger ist, weil entsprechendes Gerät benötigt wird, weil entsprechende Menschen benötigt werden, weil entsprechende Zeit benötigt wird. Das Laden auf einen Lkw, wenn der kostengünstig ist, und lieber eine längere Strecke zu fahren, ist zurzeit schlicht und ergreifend das wirtschaftlich Bessere und wird damit von den Versendern in Anspruch genommen.
Wenn wir dies wirklich ändern wollen, müssen tatsächlich konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man ansetzen kann. Die eine Möglichkeit: Man macht es auf repressive Art und Weise. Man greift also repressiv in einen vorhandenen Verkehrsträger ein. Ich verteure also z. B. den Lkw, indem ich eine Ökosteuer einführe. Das ist ein Argument, das wir für völlig verfehlt halten, jedenfalls dann, wenn nicht parallel dazu etwas anderes passiert. Eine solche repressive Maßnahme führt schlicht dazu, dass wir im europäischen Wettbewerb entsprechende Nachteile in Kauf nehmen müssen.
Die Alternative ist, dass man dann auch wirklich in andere Verkehrsträger investiert, dass man dann auch wirklich etwas tut. Da müssen wir uns natürlich sehr selbstkritisch die Frage stellen: Ist denn das in der Vergangenheit geschehen? Wie lange hat denn beispielsweise der Ausbau des Mittellandkanals gegenüber den ursprünglichen Planungen gedauert? Wie oft ist denn diese Maßnahme immer weiter gestreckt worden? Warum sind denn die Binnenhäfen am Mittellandkanal teilweise noch immer nicht über Stichkanäle angeschlossen? Warum ist das denn nicht passiert?
Da müssen wir uns auch fragen: Ist es denn, wenn man Short Sea Shipping will, wenn man in diesem Bereich etwas erreichen will, sinngebend, dass im Rahmen der Budgetierung angesparte Haushaltsmittel nicht für investive Maßnahmen im Bereich der Seewirtschaft verwandt werden, sondern zur allgemeinen Tilgung von Haushaltslöchern des niedersächsischen Haushalts?
Es klaffen also der Anspruch, der mit diesem Antrag erhoben wird, und die Wirklichkeit krass auseinander. Wir können natürlich darüber debattieren, wir werden sicherlich eine einheitliche Meinung herbeiführen. Ich fürchte nur, dass wir mit diesem Antrag nicht viel für Niedersachsen bewegen werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
„Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahme von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorge
nommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.“
Das, was ich soeben vorgelesen habe, ist nicht die rechtspolitische Meinung der CDULandtagsfraktion, sondern der Gesetzeswortlaut des § 81 a der Strafprozessordnung.
Auf dieser Grundlage sind nicht nur tausende von Blutproben, auch zwangsweise, entnommen worden - natürlich immer dann, wenn bei einer Tat Alkoholbeeinflussung eine Rolle spielte -, sondern auch Brechmittel, ebenfalls zwangsweise, verabreicht worden, wenn ein Täter im Bereich der Rauschgiftkriminalität angesiedelt war und der dringende Verdacht bestand, dass er Rauschmittel verschluckt hat.
Nur um einmal die Intensität des Einsatzes von Brechmitteln in das richtige Licht zu setzen: Auf der Grundlage der eben zitierten Vorschrift dürfen Gehirnflüssigkeiten entnommen werden, darf Rückenmarksflüssigkeit entnommen werden, dürfen Hirnkammerfüllungen und -belüftungen zur Ermöglichung von Röntgenaufnahmen durchgeführt werden. All das ist auf der Grundlage dieser Vorschrift zulässig, vorausgesetzt, dass die angeordnete Maßnahme zur Erreichung des damit verfolgten Zweckes verhältnismäßig ist.
Wie muss die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Rauschgiftdelikten aussehen? Auf der einen Seite gibt es Täter, die aus nackter Gewinnsucht den Körper und die Gesundheit anderer massiv schädigen,
ihnen im wahrsten Sinne des Wortes den Tod bringen. Etwa 1 700 Drogentote gab es in Deutschland im Jahr 2001. Im gleichen Jahr gab es in Deutschland 150 000 Opiatsüchtige. Fast der Hälfte aller Jugendlichen in Deutschland wurde einmal Drogen angeboten mit dem Ziel, sie aus Gewinnsucht in die Sucht, in die Abhängigkeit zu treiben, wobei ihr Tod billigend in Kauf genommen wurde. Zur Kette von der Herstellung der Droge über deren Einfuhr nach Deutschland bis hin zur Verteilung an den Endabnehmer gehört gerade derjenige Täter, der das letzte, mehrfach gestreckte Gramm Heroin an den Süchtigen verkauft. Herr Innenminister Bartling, einem solchen Straftäter wollen Sie nicht das einmalige Unwohlsein zumuten, das mit
der Verabreichung eines Brechmittels verbunden ist.
Da redet der Justizminister landauf, landab von Opferschutz. Er betont den Vorrang des Opferschutzes vor dem Täterschutz. Er möchte sogar, dass der Opferschutz in der Niedersächsischen Verfassung verankert wird. Wie handelt aber die Landesregierung? Sie schützt den Täter vor einem geringen körperlichen Eingriff. Sie erweckt damit nach außen den Eindruck, die Not und das Elend der Opfer zu negieren.
Herr Minister, der Anlass Ihres Erlasses ist die Tatsache, dass in Hamburg Ende 2001 ein Tatverdächtiger verstorben ist, dem man über eine Sonde ein Brechmittel zwangsweise eingeführt hat. Ich mag Ihnen noch konzedieren, dass ein so tragischer Fall Anlass sein könnte, zu fragen, ob man von dem Einsatz von Brechmitteln durch eine Nasensonde absehen sollte. Deshalb aber den Einsatz von Brechmitteln generell verhindern zu wollen, das vermag ich in der Tat nicht einzusehen.
In Osnabrück ist die Situation so, dass Brechmittel injiziert werden. Die Mediziner bestätigen, dass die Verabreichung durch eine Injektion völlig ungefährlich ist. Wenn Sie mit Ihrem Erlass auch diese Maßnahme verbieten, dann verschieben Sie damit aus unserer Sicht die Koordinaten von Recht und Unrecht in einer für uns nicht hinnehmbaren Art und Weise.
Nun muss ich zu dem wahrlich unappetitlichen Teil der Argumentation kommen, die lautet: Ob mit oder ohne Brechmittel, die verschluckte Droge kommt früher oder später ans Tageslicht. Es entbehrt aber nicht einer gewissen Überheblichkeit, von einem Schreibtisch des Innenministeriums aus die Frage zu beantworten, welche Form der Beweissicherung den Polizisten denn zumutbarer ist. Vielleicht hätten Sie einmal Ihre Beamten befragen sollen? Zum Beispiel hat Osnabrücks Polizeichef Rolf Bringmann erklärt, dass als Alternative die Verabreichung von Abführmitteln für die Polizeibeamten in der Tat unzumutbar sei.
Ich erinnere auch an den Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut. Er hat darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Brechmitteln, wie in Osnabrück geschehen, zur Beweissicherung notwendig, für den Täter ungefährlich und für den Polizeibeamten noch eher erträglich ist als der Einsatz von Abführmitteln.
Ein Letztes: Ihr Erlass negiert die mit dem Einsatz von Brechmitteln verbundene abschreckende Wirkung völlig. Der Täter, der weiß, dass ihm sofort ein Brechmittel verabreicht wird, wenn er Drogen geschluckt hat, wird sich sehr genau überlegen, ob es sich für ihn lohnt, tatsächlich Drogen zu verschlucken. Wir meinen, dass der Staat zeigen muss, dass er bereit ist zu handeln. Er muss vermeiden, dass der Eindruck entsteht - das hat GdPChef Witthaut aus Anlass Ihres Erlasses so festgestellt -, dass der Dealer besser als unsere Kinder geschützt wird.
Herr Minister, gehört nicht zur Frage der Prüfung der Verhältnismäßigkeit auch die Frage, welchen Zweck man mit dieser Maßnahme verfolgt? Der Zweck besteht ja darin, die Allgemeinheit vor Drogentoten, vor Drogenabhängigen zu schützen. Da fällt es auf, dass Ihnen diese Zahlen nicht bekannt sind, obwohl Sie die Verhältnismäßigkeitsfrage geprüft und in diesem Sinne entschieden haben.
Herr Minister, Sie haben bei der Beantwortung der Frage 3 gesagt, die Alternative bestünde darin, einen Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr zu erlassen, um so die Zeit zu überbrücken, bis es zu einem natürlichen Abgang kommt. Wie viele Haftbefehle in dieser Form sind erlassen worden?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Jugendgerichtsgesetz, ein Gesetz aus dem Jahre 1953, regelt die staatlichen Reaktionen auf strafrechtliche Verfehlungen junger Menschen von Beginn der Strafmündigkeit an mit vollendetem 14. Lebensjahr bis zum Erreichen des Status eines Erwachsenen mit vollendetem 21. Lebensjahr.
Dem Straftäter, der zum Zeitpunkt der Tat beispielsweise 20 Jahre und elf Monate alt war, begegnet das Jugendgerichtsgesetz mit Instrumenten wie richterliche Ermahnung, richterliche Weisung, Auflagen und ähnlichen Mitteln, die nach dem Gedanken des Gesetzes gar nicht als eine strafrechtliche Sanktion gemeint sind, sondern als ein Mittel der Erziehung. Das geschieht immer wieder deshalb, weil der Jugendrichter auch bei Heranwachsenden dazu neigt, ihnen nach dem Grundsatz „im Zweifel lieber für den Angeklagten“ zu ihren Gunsten zu bescheinigen, dass sie in ihrer geistigen Entwicklung eher einem Jugendlichen als einem Erwachsenen gleichen. Dies, meine Damen und
Herren, geschieht in Norddeutschland übrigens ungleich öfter als in Süddeutschland.
Dieser Angeklagte, den ich eben geschildert habe, ist seit etwa drei Jahren zivilrechtlich voll verantwortlich, weil voll geschäftsfähig, für all das, was er tut, was er unterschreibt und was er an Verpflichtungen eingeht. Dieser Angeklagte darf seit fünf Jahren wählen und seit drei Jahren gewählt werden. Er darf seit drei Jahren Auto fahren. Geht es nach einigen Diskussionen, die wir in jüngster Zeit verfolgt haben und in denen der Vorschlag unterbreitet wurde, den Führerschein ab 17 Jahren zuzulassen, dürfte er dann schon seit fast vier Jahren Auto fahren. Er hat seinen Wehrdienst oder Wehrersatzdienst absolviert, jedenfalls solange es in Deutschland noch Wehrgerechtigkeit gab. Er hat seine Berufsausbildung abgeschlossen, ist vielleicht schon verheiratet und hat vielleicht schon ein Kind.
Dieser sozialen Entwicklung, immer früher mit Rechten versehen, immer früher auch selbständig in einer Gesellschaft zu sein und zu leben, trägt das Jugendgerichtsgesetz nicht mehr Rechnung. Insbesondere was das System der Sanktionen angeht, weist das Gesetz nach so vielen Jahren des Bestandes einfach entsprechende Defizite auf.
Dieser Mangel wird immer bedrückender, wenn man sich das Kriminalitätsgeschehen des Jahres 2000 in Niedersachsen ansieht: 7 000 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren, 8 930 Heranwachsende im Alter von 18 bis 20 Jahren, also insgesamt 15 930 Verurteilte, hat es im Jahre 2000 in Niedersachsen gegeben, bei denen das Jugendgerichtsgesetz in Niedersachsen Anwendung fand.
Die Zahl der Straftaten junger Menschen hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Sie stagniert auf diesem hohen Niveau. Auf der einen Seite gibt es also eine viel zu hohe Zahl von Straftaten junger Menschen, auf der anderen Seite haben wir ein Gesetz, das im Bereich der Sanktionen völlig veraltet ist und diesem Umstand nicht mehr Rechnung trägt.
Wie reagiert die Politik darauf? - Wir haben vor vielen Jahren über etwas diskutiert, was von der damaligen Justizministerin Frau Merk ins Spiel gebracht worden ist. Natürlich kann man die Zahl der Straftaten reduzieren, indem man einigen Delikten den Charakter einer Straftat nimmt und sie zu einer Ordnungswidrigkeit herabstuft, z. B. Ladendiebstahl. Aus unserer Sicht ist dies zum Glück
nicht zum Tragen gekommen; denn das bedeutet in der Tat, das Pferd von hinten aufzuzäumen.
Man kann auch eine Politik der ruhigen Hand betreiben, wie es die SPD auf Bundesebene tut, also gar nichts tun. Man kann auch das tun, was die SPD-Fraktion in Niedersachsen tut: Man kann Änderungsvorschläge der CDU-Fraktion jahrelang ablehnen, um sie dann irgendwann als eigenes Gedankengut doch zu übernehmen, wie dies bei den unzähligen Vorschlägen der CDU-Fraktion zum Bereich der inneren Sicherheit geschehen ist,
denen die SPD-Fraktion irgendwann nach vielen Jahren der Diskussion gefolgt ist.
Wir werden sehen, wie unser heutiger Antrag „Änderung des Jugendstrafrechts - Konsequente Bekämpfung der Jugendkriminalität“ von den SPD-Kollegen in den Ausschüssen behandelt werden wird. Egal, wie es sein wird, ich prophezeie Ihnen eines: Zu gegebener Zeit werden auch Sie diesem Antrag zustimmen.
Neben der Zahl der Straftaten, über die ich berichtet habe, haben wir im Bereich des Jugendstrafrechts folgende weitere Feststellungen zu treffen. Beim Jugendstrafrecht geht es nicht mehr nur um so genannte Bagatelldelikte wie Ladendiebstahl. Nein, die Zahl der Gewaltdelikte hat erheblich zugenommen. Das gilt auch für Körperverletzung und gefährliche Körperverletzung. Viele der Täter kommen aus Familien, in denen die Eltern ausländischer Herkunft sind. Das ist ein Zeichen für eine fehlende Integration und damit verbundener Gettoisierung. Verbunden mit Arbeitslosigkeit und Frust ist dies ein Nährboden für kriminelles Verhalten insbesondere aus der Gruppe heraus.
Wir haben auch festzustellen, dass junge Menschen in Norddeutschland wesentlich häufiger straffällig werden als junge Menschen im Süden unserer Republik. Ursache ist die hohe Arbeitslosigkeit. Ursache ist auch die Scheidungshäufigkeit, die den jungen Menschen den Halt in der Familie nimmt. Das hat übrigens der damalige Leiter des Kriminologischen Instituts der Universität Hannover und heutige Justizminister Professor Pfeiffer festgestellt.
Diese Ursachen müssen wir natürlich in erster Linie präventiv bekämpfen. Das Strafrecht steht dabei nicht im Vordergrund, um diesem Einwand gleich entgegen zu treten. Meine Damen und Her
ren von der SPD-Fraktion, Sie hätten also eine Wirtschaftspolitik betreiben müssen, die Arbeitsplätze für Jugendliche schafft. Sie hätten durch Ihre Politik tatsächlich für eine Integration ausländischer Jugendlicher Sorge tragen müssen. Sie hätten eine Schulpolitik betreiben müssen, mit der auch Werte vermittelt werden, z. B. Respekt vor fremdem Eigentum oder die einfache und schlichte Tatsache, dass den Rechten des Einen immer Pflichten Anderer gegenüberstehen.
Am Ende wird aber auch dann, wenn man präventiv tätig ist, für einen verbleibenden Teil von dennoch straffällig werdenden Jugendlichen das Mittel des Jugendstrafrechts stehen. Für diesen Teilbereich schlägt Ihnen die CDU-Fraktion insgesamt sechs Änderungen vor, die ich kurz ansprechen und begründen möchte.
Erstens möchten wir, dass Richter bei der Verurteilung jugendlicher Straftäter neben einer Bewährungsstrafe auch Jugendarrest anordnen können. Wir haben die Feststellung zu treffen – das ist im Übrigen im Erwachsenenstrafrecht nicht viel anders -, dass sehr häufig jemand eine Bewährungsstrafe lieber in Kauf nimmt als eine Sanktion, die er tatsächlich sofort spürt. Eine Jugendstrafe zur Bewährung bringt dem Täter zunächst einmal keine strafrechtliche Sanktion, zumindest spürt er sie nicht unmittelbar. Wenn sie aber mit einem Einstiegsarrest kombiniert wird, spürt er, was er mit seinem Tun eingegangen ist, und merkt, welchen Weg er beschritten hat.
Wir wollen zweitens das Fahrverbot im Jugendstrafrecht auch für solche Straftaten verankert wissen, die keinen Bezug zum Straßenverkehr haben. Im Bereich des Jugendstrafrechtes soll es natürlich spürbare Sanktionen des Staates geben. Nichts ist im Zeichen der Mobilität und des Wunsches der Jugendlichen nach Mobilität effektiver, als diese Möglichkeit denjenigen vorübergehend zu beschneiden, die straffällig geworden sind.
Wir wollen drittens die Verhängung einer Sanktion „Meldepflicht“, die den Jugendlichen zwingt, sich in einer gewissen Regelmäßigkeit bei einer Behörde zu melden, womit er nicht frei und uneingeschränkt seine Zeit verplanen kann.
Wir wollen – das ist ganz wichtig – viertens, dass die Straftaten Heranwachsender in Zukunft anders beurteilt werden als es heute der Fall ist. Wir haben heute die Regel, dass ein Heranwachsender wie ein Jugendlicher behandelt wird. Wir wollen das genau
umgekehrt haben. Wir wollen, dass ein Heranwachsender in der Regel wie ein Erwachsener behandelt wird, und dass es eine Ausnahme darstellt, wenn er wie ein Jugendlicher behandelt wird, eine Ausnahme, die dann auch entsprechend schlüssig zu begründen ist. Nur mit einer solchen Änderung werden wir der tatsächlichen Entwicklung unserer Gesellschaft gerecht.
Wir wollen fünftens, dass das beschleunigte Verfahren, das wir aus dem Erwachsenenstrafrecht und auch aus dem Strafrecht für die Heranwachsenden kennen, auch auf Jugendliche angewendet werden kann. Gerade bei Jugendlichen ist es doch unbestreitbar so, dass eine staatliche Sanktion aus dem Strafrecht so schnell wie möglich kommen sollte, um auf den Jugendlichen einzuwirken. Das können wir bei Jugendlichen mit einem beschleunigten Verfahren tun.
Wir wollen sechstens, dass immer dann, wenn ein Jugendlicher zu einer gegen ihn anberaumten Verhandlung nicht erscheint, die Möglichkeit eines Vorführhaftbefehls besteht. Es geht also nicht darum, einen solchen Jugendlichen wegen einer solchen Sache auf Dauer in Haft zu nehmen, sondern ein Vorführhaftbefehl soll erzwingen, dass der Jugendliche zu dem gegen ihn terminierten Hauptverhandlungstermin erscheint.
Wir meinen, dass es dringend an der Zeit ist, die hier beschriebenen Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes auf den Weg zu bringen. Mit unserem Antrag wollen wir die entsprechende Diskussion ein weiteres Mal in den einschlägigen Ausschüssen des Niedersächsischen Landtages bewirken mit dem Ziel, dass das Land Niedersachsen über eine Bundesratsinitiative aktiv wird und aus anderen Bundesländern bereits vorhandene Initiativen unterstützt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe etwas gegen einfache Antworten. Ich würde niemals sagen, an der Situation, die wir hier im Zusammenhang mit dem Jugendstrafrecht diskutieren, sind die Ausländer schuld.
Aber ich würde auch niemals sagen, Herr Minister Pfeiffer - ich bedauere, dass Sie das in dieser Form zum Ausdruck gebracht haben -, daran sind die Aussiedler schuld.
Ich widerspreche Ihrer Äußerung, dass die Zahl der Straftaten Jugendlicher zurückgegangen ist. Das steht auch im Widerspruch zu Äußerungen, die Sie - Anfang Januar in der Welt - selbst gemacht haben.
Sie haben dort konzediert, dass die Zahl der Straftaten Jugendlicher auf sehr hohem Niveau stagniert. Sie geht also nicht zurück. - Sie haben versucht, das damit zu begründen, dass Sie gesagt haben, das ist nicht aufgeklärt worden, es hat mehr Verfahren gegeben. Aber Fakt ist: Es gibt diese hohe Anzahl von Straftaten auch heute.
Wir haben dieses Muster „Was habt ihr von 1990 bis 1998 getan?“ auch heute zu Genüge erlebt. Ich sage Ihnen: Wir reden hier über etwas, was das Land Niedersachsen tun kann. Hier sind Sie schon lange - zu lange - an der Regierung.
Sie schulden uns - das vermisse ich in Ihrem Beitrag - eine Aussage dazu, was Sie dagegen tun wollen.
Sie beschreiben Ursachen. Sie appellieren an den Rückgang der innerfamiliären Gewalt. Aber was Sie konkret im Bereich des Jugendstrafrechts tun wollen, dazu haben Sie in Ihren Ausführungen nicht einen einzigen Satz gesagt.
Herr Minister, wenn von 300 Gebührenbescheiden 50 % rechtskräftig geworden sind, heißt das, dass sich wahrscheinlich 50 % im Widerspruchsverfahren befinden. Meine Frage: Ist daran gedacht, dass man von der Verfolgung des Gebührenanspruches nach eingelegtem Widerspruch aus Gründen der Opportunität oder anderen Gründen Abstand nimmt?
Herr Minister, eingedenk der Tatsache, dass es die Bahn keineswegs immer gut mit dem Lande Niedersachen meint - Stichworte sind der Zustand von Strecken, die Einstellung von InterRegioVerbindungen und Vergleichbares -, frage ich Sie: Warum ist es Ihres Erachtens schlicht abwegig, mögliche Regressforderungen zu prüfen, wenn aufseiten der Bahn Pflichtverletzungen begangen worden sind?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlass für den Antrag „Beschleunigung der Verfahren bei den Kammern für Handelssachen“ der CDU-Landtagsfraktion ist eher wirtschaftspoliti
scher denn rechtspolitischer Natur. Kommen wir noch einmal auf die Diskussion zurück, die wir über den Zustand der Wirtschaft, insbesondere in Niedersachsen, unter dem Tagesordnungspunkt 19 geführt haben.
Es gibt in Niedersachsen praktisch kein Wirtschaftswachstum mehr. Manche Leute sagen, wir bewegten uns gen Null-Wachstum. Manche sagen sogar, eine Rezession stehe unmittelbar bevor. Der Wirtschaft in Niedersachsen fehlen Aufträge, insbesondere der Bauwirtschaft und dem Handwerk. Viele Betriebe haben Liquiditätsprobleme, obwohl wir ein ausgesprochen günstiges Zinsniveau haben. Wir haben bundesweit eine steigende Zahl von Insolvenzen zu verzeichnen, in Niedersachsen ist diese jedoch überproportional.
Dieser Zustand der Wirtschaft fordert uns in allen Bereichen der Politik zum Handeln auf; auch im Bereich der Justizpolitik. Liquiditätsprobleme haben häufig ihre Ursache in der schlechten Zahlungsmoral der Kunden, d. h. sie bezahlen ihre Rechnungen spät oder unter fadenscheinigen Gründen gar nicht. Das ist unstrittig. Ich erinnere daran, dass beispielsweise auf Bundesebene ein Gesetz zur Beschleunigung des Zahlungsverkehrs, zur Regelung eines frühzeitigen Verzugsbeginns, zur Festlegung eines wesentlich höheren gesetzlichen Zinssatz beschlossen worden ist. Es nützt natürlich nichts, verbesserte Rechte zu haben, wenn ich man nicht durchsetzen kann. Hier setzt der Antrag der CDU-Landtagsfraktion an.
Wir möchten eine Diskussion anstoßen, damit das Justizministerium überlegt, welchen Beitrag es leisten kann, um der Wirtschaft in Niedersachsen zu helfen. Unserer Meinung nach kann nur die Beschleunigung der gerichtlichen Verfahren dabei helfen. Die Rechtsstreitigkeiten zwischen Kaufleuten, die Rechtsstreitigkeiten um Handelsgeschäfte finden in den Kammern für Handelssachen statt. Wir fragen uns: Haben wir genug Handelsrichter? Wie lange dauern die Verfahren vor den Kammern für Handelssachen? Können sie beschleunigt werden? - Folgt man Vertretern der Wirtschaft, folgt man Wirtschaftsverbänden, ist eine Beschleunigungsnotwendigkeit und Beschleunigungsmöglichkeit gegeben.
Diese Fragestellung bezieht sich nicht nur auf die Kammern für Handelssachen, sondern auf alle Abteilungen von Gerichten. Sie stellt sich also beispielsweise auch bezogen auf das gerichtliche Mahnverfahren. Es gibt genügend Betriebe, die
keine große Anzahl an Mahnverfahren haben und somit nicht das automatisierte Mahnverfahren nutzen können, sondern auf die Mahnabteilung beim Amtsgericht angewiesen sind. Wir fragen uns, ob es sein muss, dass ein ganz normaler Mahnantrag, der beim Amtsgericht eingereicht wird, erst nach Wochen bearbeitet werden kann und kein Mahnbescheid zugestellt werden kann. Muss es weitere Wochen dauern, bis der Vollstreckungsbescheid ergeht? - So dauert bei manchen Gerichten das Mahnverfahren wesentlich länger als ein normales Prozessverfahren.
Auch das Thema Gerichtsvollzieher gehört hierzu. Was nützt es uns, wenn es ein Urteil gibt, wenn man einen Vollstreckungsbescheid hat, ihn aber nicht durchsetzen kann? Wir haben hier schon öfter - aber leider ohne Erfolg - diese Frage diskutiert. Wir alle wissen, dass die Gerichtsvollzieher in Niedersachsen überfordert sind. Wir wissen, dass sie eine große Anzahl von Aufträgen zu bearbeiten haben. Wir wissen, dass zusätzliche gesetzliche Aufgaben auf die Gerichtsvollzieher zugekommen sind, z. B. die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, die früher den Rechtspflegern bei den Amtsgerichten oblag. Das ist ein Zustand, den wir zwar sehen, den wir aber bis heute nicht abgestellt haben.
Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Rechtsdurchsetzungskette. Wir müssen schnelle gerichtliche Verfahren haben, wir müssen Wege haben, um das Recht auch schnell durchzusetzen; denn wir alle wissen: Wie bei jeder Kette bestimmt auch bei der Rechtsdurchsetzung das schwächste Glied das Tempo.
Diese Diskussion will die CDU-Landtagsfraktion mit ihrem Antrag im Interesse der Wirtschaft anstoßen. Wir freuen uns auf eine entsprechende Information des Ministeriums im Ausschuss darüber, wie dem abgeholfen werden kann. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bereitschaft des Bürgers, sein Recht nicht selbst in die Hand zu nehmen, sondern es in die Hände von Richterinnen und Richtern zu legen, bedingt, dass jeder Bürger auf die Unabhängigkeit des Gerichts und auf die persönliche und fachliche Eignung des Richters
und darauf vertrauen darf, dass die Rechtsanwendung und die Rechtsfortbildung durch die obersten Gerichte von solchen Richterinnen und Richtern gestaltet werden, die die Besten ihres Standes sind.
Wir wissen aber auch, dass sich nicht alle Entscheidungen eines Gerichts im unpolitischen Raum bewegen, sondern, im Gegenteil, die Politik neigt zunehmend dazu,