Susanna Tausendfreund
Appearances
14/33
14/37
14/40
14/41
14/42
14/43
14/44
14/47
14/54
14/55
14/58
14/59
14/63
14/64
14/67
14/68
14/69
14/70
14/73
14/74
14/82
14/86
14/90
14/93
14/95
14/96
14/97
14/98
14/99
14/101
14/103
14/104
14/109
14/110
14/111
14/115
14/116
14/117
14/119
14/121
Last Statements
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schade, dass dieser Gesetzentwurf aufgrund der Diskontinuität verfallen wird. Wir werden ihn aber Anfang der nächsten Legislaturperiode wieder auf den Tisch bekommen. Dieser Gesetzentwurf dient der öffentlichen Debatte über das Problem, das Herr Kollege Dr. Hahnzog dargestellt hat. Herr Kollege Kreuzer, ich halte es für einen unflätigen Vorwurf, dass angeblich mit diesem Gesetzentwurf, mit dem demokratische Grundregeln eingefordert werden, die Polizeiarbeit durch die SPD behindert würde. Das ist absoluter Quatsch. Die Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes haben gefordert, dass die aus der Wohnraumüberwachung gewonnenen Daten zwingend zu kennzeichnen sind, damit beispielsweise im Falle einer Weitergabe dieser Daten erkennbar ist, aus welcher Maßnahme sie gewonnen worden sind.
Wie soll die Polizei beurteilen, für welchen Zweck diese Daten gewonnen wurden, wenn nicht mehr erkennbar ist, aufgrund welcher Maßnahme sie erhoben worden sind. Herr Kollege Kreuzer, Sie haben sich am Schluss Ihrer Rede bei diesem Thema in einen Widerspruch verwickelt.
Die Korrektur, die die SPD zur Kennzeichnungspflicht der aus der Wohnraumüberwachung gewonnenen Daten vorgeschlagen hat, ist absolut erforderlich, wobei die zugrunde liegenden Befugnisse zur Wohnraumüberwachung bei Polizei und Verfassungsschutz von uns GRÜNEN abgelehnt werden. In den jeweiligen Gesetzgebungsverfahren haben wir dies zum Ausdruck gebracht. Diese Befugnisse ermöglichen nämlich den Lauschangriff in dem grundgesetzlich geschützten Bereich der Wohnung allein auf Verdacht. Bei dieser in Bayern üblichen Holzhammermethode bleibt von der Privatsphäre nichts mehr übrig.
Zuletzt wurden im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens die Befugnisse des Verfassungsschutzes erweitert. Dieses Gesetz gilt seit Januar 2003. Wir haben dabei kritisiert, dass im Huckepack-Verfahren für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität erweiterte Befugnisse für den Verfassungsschutz eingeführt wurden, obwohl vom Bund nur Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vorgegeben waren. Das zweite Gesetzgebungsverfahren hatte die präventive Wohnraumüberwachung durch die Polizei zur Gefahrenabwehr bzw. gegenüber potenziellen Straftätern zum Inhalt. Das war Mitte der Neunzigerjahre. Das gleiche Muster wurde bei der präventiven Telekommunikationsüberwachung versucht. Dieser Gesetzentwurf wurde zurückgezogen, allerdings hat die CSU ihn für die nächste Legislaturperiode wieder angekündigt. Dieses Thema wird uns also weiterhin beschäftigen.
Die Überwachung der Bevölkerung auf Verdacht ist das Modell der CSU. Am liebsten würde sie auch Ausländer abschieben, die nur in Verdacht stehen, mit einer terroristischen Vereinigung in Kontakt zu stehen. Von solchen Maßnahmen werden zwangsläufig viele Unbeteiligte betroffen. Das kann nicht angehen. Die Methode soll anscheinend noch verfeinert werden: Jetzt setzen sich die Justizminister der Länder auch noch dafür ein, dass ein ganzes Heer von Berufsgruppen zu Hilfstruppen der Ermittler degradiert wird.
Hausmeister, Kaminkehrer, Briefträger, Telefontechniker, Elektriker und Installateure sollen jetzt alle dafür herangezogen werden, um Wanzen in den Wohnungen zu positionieren bzw. dann wieder zu entfernen oder den Ermittlern heimlich Zugang in eine Wohnung zu gewähren. Zu Recht wollen die Angehörigen dieser Berufsgruppen das Vertrauensverhältnis, das sie mit ihren Kunden haben, nicht zerstören. Sie wehren sich vehement gegen dieses Vorhaben. Justizministerin Zypries ist dem auch nicht wohlgesonnen.
Die SPD greift in ihrem Gesetzentwurf natürlich nur einen Punkt heraus; beim PAG und beim Verfassungsschutzgesetz gäbe es aber viel Nachbesserungsbedarf. Dabei handelt es sich um die absolute Mindestanforderung, dass die gewonnenen und weiterhin gespeicherten Daten verbindlich gekennzeichnet werden. Für den Umgang mit Daten, insbesondere nach einer Weitergabe an eine andere Behörde, ist zwingend notwendig, dass erkennbar ist, dass diese Daten aus einer Wohnraumüberwachung stammen. Schließlich muss mit diesen Daten, die durch einen massiven Eingriff in die Privatsphäre gewonnen werden, besonders sensibel umgegangen werden.
Nach der Entscheidung des VGH müsste auch aus der Sicht des Verfassungsschutzes der Grund für die Speicherung von weiteren Daten über Dr. Tersteegen weggefallen sein. Es ist aber davon auszugehen, dass weitere Daten, über die potenzielle Mitgliedschaft hinaus, gespeichert sind. Sind Sie bereit, Dr. Tersteegen jetzt – das war ja sein häufig geäußertes Anliegen – Auskunft zu erteilen, was insgesamt beim Verfassungsschutz über ihn gespeichert ist, das heißt welche Daten und welche Informationen?
In Bezug auf die übrigen 73 Betroffenen kam nach Ihren Ausführungen nicht so deutlich heraus, ob diese als potenzielle PDS-Mitglieder gelöscht werden oder nicht. Sie haben nur gesagt, die Liste werde nicht weiter verwendet. Es geht ja hier genauso wie bei Dr. Tersteegen um die Löschung der Information, dass möglicherweise eine PDS-Mitgliedschaft vorliegt oder vorlag.
Fall sein, dass Einzelne dieser Personen gespeichert sind.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Für die Bürgermeister Bayerns war es sicherlich ein neues Gefühl, als sie auf die Straße gingen.
Das oberpfälzische Städtchen Berching hat eine solche Demonstration wohl noch nicht erlebt. Das Problem, nämlich die Finanznot der Städte und Gemeinden, haben die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister eindrucksvoll über alle Parteigrenzen hinweg zum Ausdruck gebracht. Den Kommunen steht das Wasser bis zum Hals. Die Ursachen dieser Finanznot und mögliche Auswege sind in diesem Hause Dauerthema. Wir GRÜNEN haben dieses Problem immer wieder thematisiert und auf die Tagesordnung gebracht. Allgemeine Aussagen, wie sie zum Beispiel Innenminister Dr. Beckstein gestern geäußert hat, wonach die Kommunen nicht im Regen stehen gelassen werden dürften, helfen den Kommunen überhaupt nicht.
Von Bayern aus lediglich auf den Bund zu zeigen, wie das die Staatsregierung und die CSU tun, geht fehl.
Denn die Politik der Bayerischen Staatsregierung ist in hohem Maße für die Finanzmisere der Kommunen verantwortlich.
Jawohl. Den Kommunen wäre bereits mehr als geholfen, wenn der Freistaat die Kosten für die Aufgaben, die ihnen in den letzten Jahren in der Schul– und Bildungspolitik übertragen wurden, übernehmen würde. Für die Einführung der R 6 wurde eine Kostenneutralität versprochen. Tatsächlich verursacht diese Einführung Kosten in der Größenordnung eines dreistelligen Millionenbetrages, auf denen die Kommunen sitzen bleiben. Die Schulsozialarbeit wird nur zu einem Bruchteil finanziert. Bei den Ganztagesschulen bleiben die Kommunen auch auf den Kosten sitzen. Weitere Stichworte sind die Nachmittagsbetreuung und die Computerausstattung an Schulen.
Dagegen klingt Herrn Dr. Stoibers derzeitige Ankündigungspolitik mit nebulösen Sofortprogrammen in Höhe von 100 bis 200 Millionen e einfach lächerlich. Bei den bislang übertragenen Aufgaben missachtet die CSU das Konnexitätsprinzip, wo immer das geht. Das hindert sie jedoch nicht, sich die Einführung des Konnexitätsprinzips in die Bayerische Verfassung auf ihre eigenen Fahnen zu schreiben. Ohne den Druck der Opposition, der kommunalen Spitzenverbände und des drohenden Volksbegehrens wäre diese Änderung nicht zustande gekommen.
Herr Dr. Stoiber verspricht darüber hinaus HauruckMaßnahmen ohne Finanzierungsvorschläge. Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser hat den windigen Vorschlag gemacht, die Soforthilfen für die Kommunen am Jahresende 2003 durch einen verstärkten Reste-Einzug von 223 Millionen e zu finanzieren.
Er weiß also schon heute, was am Ende des Jahres an Haushaltsresten übrig bleiben wird. Wahrscheinlich weiß er auch, was Ende 2004 übrig bleiben wird. Da lassen sich noch einige Versprechen geben. Der verstärkte Reste-Einzug ist ein neuer Deckungsvorschlag. Er ist reiner Humbug. Nachdem Herr Dr. Stoiber die allgemeine Haushaltssperre von 15 auf 20% erhöht hat, statt einen Nachtragshaushalt vorzulegen, ist der Reste-Einzug eine besonders sichere Finanzierungsquelle.
Da bleibt nämlich noch weniger übrig. Das ist der Versuch einer Volksverdummung.
Soll die völlig unzureichende Soforthilfe für die Kommunen auf derart tönernen Füßen stehen? – Nein! Die Handlungsdevise muss heißen: erst rechnen, dann Aufgaben übertragen. Für die Schulgesetze muss jetzt nachhaltig und dauerhaft die Finanzierung durch den Freistaat gesichert werden. Auch hier muss rückwirkend das Konnexitätsprinzip gelten. Damit könnte sich Stoiber seine populistischen Sofortmaßnahmen sparen. Aber daran hat er kein Interesse. Lieber tönt er mit diesen populistischen Sofortprogrammen nach außen, denn das macht mehr her. Aber es hilft weniger.
Genauso wenig Interesse haben Stoiber und die CSU an einer Gemeindefinanzreform auf Bundesebene.
Ja, das sage ich hier. Ich denke an eine Gemeindefinanzreform, die den Kommunen tatsächlich hilft.
Dazu gehört die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer hin zu einer kommunalen Betriebsteuer, so wie es die kommunalen Spitzenverbände in ihrem Modell vorgeschlagen haben. Stattdessen – das sagen Sie unverhohlen – wollen Sie die Abschaffung der Gewerbesteuer und propagieren unverhohlen das BDI-Modell. Hebesätze auf die Einkommensteuer, das wäre ein katastrophales Modell. Es würde zu erheblichen Verwerfungen zwischen den Kommunen führen.
Wir fordern die CSU und die Staatsregierung auf: Unterstützen Sie das Modell der kommunalen Betriebsteuer, beenden Sie in diesem Bereich Ihre Blockadepolitik. Dann würde die Gemeindefinanzreform auf Bundesebene auch schneller vorangehen.
Wenn die Gemeindefinanzreform zum 01. 01. 2004 nicht kommt, dann sprechen wir uns selbstverständlich auch für Zwischenmodelle, das heißt Übergangsmodelle aus. Es ist Taktik bei der CSU, hier eine Blockadepolitik auf Bundesebene zu betreiben.
Das haben wir doch schon erlebt bei Ihrer Blockade des Steuervergünstigungsabbaugesetzes.
Das ist im Bundesrat gescheitert. Allein dadurch, dass Sie im Bundesrat dagegen gestimmt haben, entziehen Sie in diesem Jahr den Kommunen 280 Millionen e, in 2004 rund 1,3 Milliarden e und bis zum Jahr 2006 über 2,6 Milliarden e. Das ist Ihre Doppelzüngigkeit.
Selbst bei den kleinen Erleichterungen stellen Sie sich quer. Stichwort: Zweitwohnungssteuer. Heute haben Sie die Möglichkeit, den Kommunen entgegenzukommen und diese Zweitwohnungssteuer zu ermöglichen. Bayern ist das einzige Bundesland, in dem die Zweitwohnungssteuer verboten ist. Sie würde den Fremdenverkehrsorten zugute kommen. Es ist natürlich nur ein Mosaikstein, aber selbst hier stellen Sie sich quer. Stattdessen propagiert Stoiber eine einmalige Erhöhung des Umsatzsteueranteils für die Kommunen in 2004 auf 3%. Dabei verschweigt er aber, zu wessen Lasten diese Aktion geht. Natürlich wird damit die allgemeine Debatte um eine generelle Mehrwertsteuererhöhung provoziert. Und eine einmalige Maßnahme in 2004 hilft den Kommunen auch nicht. Sie brauchen Einnahmen, die nachhaltig und beständig sind und über die nächsten Jahre hinaus Planungssicherheit geben.
Wir GRÜNEN haben ein 9-Punkte-Programm vorgelegt, das Land, Bund und auch die Europäische Union in die Pflicht nimmt. Es ist das strikte Konnexitätsprinzip hier in Bayern und es ist das strikte Konnexitätsprinzip auch auf Bundesebene. Es ist die Wiederherstellung des Steuerfindungsrechts für die Kommunen, Stichwort: Zweitwohnungssteuer. Es ist die ausreichende Finanzausstattung der Kommunen für bereits übertragene Aufgaben, insbesondere im Schul- und Bildungsbereich, und es ist der konsequente Abbau von Steuervergünstigungen im Bund, wo die Zustimmung Bayerns im Bundesrat benötigt wird und es ist die umfassende Gemeindefinanzreform auf Bundesebene auf der Basis der kommunalen Betriebsteuer. Außerdem ist es die Rücknahme bzw. das Aussetzen der Umlagenerhöhung bei der Gewerbesteuer. Es ist die ausreichende Finanzierung des Gesetzes über die Grundsicherung und es ist der Punkt, dass über die Europäische Union kein Ausverkauf der Daseinsvorsorge stattfinden darf, Stichwort: Trinkwasserversorgung.
Zum SPD-Antrag, der später noch zur Abstimmung kommen wird, werden wir uns der Stimme enthalten, weil wir den Finanzierungsvorschlägen zu den Nummern 2 und 3 nicht zustimmen können.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Je tiefer ich in die Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs der 22 CSUAbgeordneten eingestiegen bin, desto größer sind der Ärger und das Entsetzen in mir geworden. Was Sie mit unserem Rechtsstaat vorhaben, das führt zu einem Überwachungsstaat total, den Sie Bayern überstülpen wollen. Sie wollen die vorsorgliche Telefonüberwachung auf Verdacht in praktisch jeder denkbaren Situation, egal, ob es sich um Personen handelt, die für eine irgendwie geartete Gefahr verantwortlich sein könnten, oder ob es sich um Personen handelt, die vielleicht in Zukunft eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen könnten, oder ob es sich um Personen handelt, die mit den möglichen zukünftigen Straftätern vielleicht in Kontakt stehen könnten, oder ob es sich schlicht um unbeteiligte Dritte handelt, die bei der Gelegenheit einer Telefonüberwachung betroffen sind.
Alle diese Personen sollen munter überwacht werden können, und zwar mit allen Schikanen: das Abhören, Aufzeichnen, Speichern der Telefonate, ob Festnetz oder Mobilfunk, das ist das Abfangen von Telefax, von SMS, von E-Mails, auch des elektronischen Bankverkehrs. Die Dienstleister sollen verpflichtet werden, sämtliche Verbindungsdaten herauszugeben und den elektronischen Datenverkehr für die Polizei zu speichern, Verbindungen können unterbrochen und verhindert werden, Handystandorte können mit dem IMSI-Catcher geortet werden, das alles auf bloßen Verdacht oder weil Unbeteiligte aus technischen Gründen zufällig betroffen sind.
Mit diesem Vorhaben haben Sie einen Frontalangriff auf die Grundfesten unseres demokratischen Rechtsstaates gestartet; diesen Angriff müssen wir stoppen. Kolleginnen und Kollegen von der CSU – vielleicht sind es nur die 22, die würden hier nicht die Mehrheit finden –, ich fordere Sie auf, ziehen Sie diesen Gesetzentwurf unverzüglich wieder zurück.
Die Begründung für diesen Gesetzentwurf ist völlig unglaubwürdig. Für die Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität haben Sie ausreichende Instrumente, dafür haben Sie erst vor kurzem die nachrichtendienstlichen Mittel für den Verfassungsschutz genehmigt, dafür sind vor kurzem die nachrichtendienstlichen Mittel durch den Bund eingeführt worden. Wir brauchen keine zusätzliche Geheimpolizei in Bayern.
Die Begründung mit der Rettung von Verschütteten oder Verschollenen in den Bergen oder der Suche nach verlorenen Kindern zieht nicht. Das wird heute schon über den rechtfertigenden Notstand, § 34 des Strafgesetzbuches erledigt. Wenn Sie dafür eine gesetzliche Grundlage im PAG haben wollen: das wäre kein Problem, wenn Sie es wirklich darauf beschränken würden.
Das Interessante an Ihrem Gesetzentwurf ist aber, der passt überhaupt nicht auf diesen Fall. Genau dieser Fall, dass eine Person, ohne dass sie selbst für eine Gefahr für ein Rechtsgut verantwortlich ist oder dass sie selbst ein potenzieller Straftäter oder eine potenzielle Straftäterin ist, wird von dieser Möglichkeit, dass das Handy geortet werden kann, überhaupt nicht erfasst.
Da enthält dieses Gesetz einen groben handwerklichen Fehler.
Vergleichen Sie den bayerischen Straftatenkatalog mit § 100 a der Strafprozessordnung zur Telefonüberwachung im repressiven Bereich – Herr Kreuzer hat gestern als Begründung angeführt, dass es so etwas sowieso schon gebe und das Sie die Telefonüberwachung bloß von dem repressiven auf den präventiven Bereich ausweiteten usw. – und schauen Sie sich den Katalog einmal an: Er ist in Bezug auf die Straftaten viel weiter gefasst und offen gestaltet durch die Formulierung „insbesondere“ zu Straftaten nach diesen und jenen Vorschriften. Ich habe gestern das schöne Beispiel gebracht mit der Möglichkeit, hier jemanden zu überwachen, der möglicherweise mit jemanden in Kontakt steht, der möglicherweise eine zukünftige Straftat künftig nicht anzuzeigen gedenkt. Das kann es nicht sein.
Der Gesetzentwurf ist so weit gefasst und erreicht praktisch alle Personengruppen, die in einem irgendwie gearteten Verdacht geraten, irgendetwas zu tun oder zu unterlassen. Es reicht also schon aus, dass potentielle Straftäter Ihre Telefonnummer notiert oder Ihnen schon einmal ein E-Mail geschickt haben, damit Sie als so genannte Kontaktperson gelten und überwacht werden können und über Monate hinweg Ihre komplette Telekommunikation überwacht, aufgezeichnet und gespeichert wird. Wir haben es hier mit einer völlig neuen Qualität der Überwachung auf Verdacht zu tun, bei der nicht einmal eine bestimmte Personengruppe geschützt ist, die Berufsgeheimnisträger ist oder ein Zeugnisverweigerungsrecht hat. Ein Zeugnisverweigerungsrecht würde bei solchen Ermittlungsmethoden ins Leere laufen.
Wir haben es mit einem massiven Angriff auf die Pressefreiheit zu tun. Was ist die Pressefreiheit noch wert, wenn Journalisten den Informantenschutz nicht mehr gewährleisten können? Sie fahren einen Angriff auf das Berufsgeheimnis von Rechtsanwälten, Ärzten, Richtern, Steuerberatern, Sozialarbeitern, Drogenberatern, Psychotherapeuten, etc. Auch Abgeordnete können in Zukunft abgehört werden, denn es steht nicht im Gesetzentwurf, dass sie ausgeschlossen sind; es fällt auch nicht unter die Immunität. Wie sollen Sie also denjenigen, die sich vertrauensvoll an Sie wenden, künftig zusichern können, dass alles vertraulich behandelt wird?
Die Berufsverbände, und Kirchen stehen bereits mit Protesten auf der Matte. Ich habe bereits ein Paket an Stellungnahmen von verschiedenen Organisationen erhalten, die gegen dieses Gesetzesvorhaben massiv angehen. Unbeteiligte Dritte können indirekt betoffen werden. Sie werden ebenso wie die Personengruppen behandelt, die Sie direkt abhören wollen. Die gewonnenen personenbezogenen Daten von Unbeteiligten dürfen komplett ausgewertet und müssen erst gelöscht werden, wenn die Abhörmaßnahmen tatsächlich abgeschlossen sind und wenn die Daten von der Polizei nicht mehr benötigt werden. Alle diese Formulierungen sind sehr dehnbar, sodass nicht mehr sichergestellt ist, dass bestimmte Aufbewahrungs- und Löschungsgebote eingehalten werden.
Für die Telefonüberwachung fehlt jegliche Hürde. Man hätte zumindest in den Gesetzentwurf aufnehmen können, dass die Telefonüberwachung das letzte Mittel ist, wenn andere Ermittlungsmethoden nicht mehr greifen. Beim IMSI-Catcher und bei der Unterbrechung und Verhinderung von Gesprächen ist lediglich ein Zusatz aufgenommen worden. Bei der Telefonüberwachung von potentiellen Straftätern ist künftig nicht einmal ein bestimmter Verdachtsgrad erforderlich, sondern der geringste Verdacht reicht bereits aus, dass künftig diese Person eventuell eine Straftat begehen könnte. Es gibt zwar den Richtervorbehalt. Er kann jedoch für jeweils drei Tage komplett umgangen werden. Die Telefonüberwachung kann sogar mündlich vom Dienststellenleiter angeordnet und muss erst anschließend schriftlich bestätigt werden. Wenn der Richter nach den geforderten drei Tagen die Anordnung nicht bestätigt, können die Überwachungsergebnisse trotzdem – auch wenn diese Anordnung rechtswidrig war – verwendet werden. Übrigens entfällt die Anordnung nicht einfach, wenn die Voraussetzungen für die Telefonüberwachung entfallen sind, sondern es kann – auch ohne die Voraussetzungen – weiterhin abgehört werden; da kommt es nur auf die Anordnung selbst an.
Es gibt keine Kontrolle der Maßnahmen, dazu ist im Gesetzentwurf nichts vorgesehen. Ebenso wenig ist sie in anderen Gesetzen erfasst. Es fehlen Berichtspflichten und eine Effizienzkontrolle, wie sie zum Beispiel bei der Wohnraumüberwachung vorgesehen sind. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, welche Folterwerkzeuge sich die CSU ausgedacht hat, um den Rechtsstaat zu knebeln.
Wir werden Sie daran hindern und alles dafür tun, dass Sie dieses Vorhaben nicht im Schweinsgalopp noch vor dieser Sommerpause in dieser Legislaturperiode durchpeitschen können. Auch wenn Sie jetzt einer Anhörung zustimmen, ist ein ganz anderer, nämlich verantwortungsbewusster Umgang mit dem Gesetzentwurf erforderlich.
Wir wollen mit unserer geforderten Anhörung erreichen, dass die Kritiker und Experten zu Wort kommen und dass die Kritikpunkte auf den Tisch gelegt werden. Es gibt auch Randbereiche wie die Frage der Gesetzgebungskompetenz, ob der Bayerische Landtag ein solches Gesetz überhaupt erlassen darf. Herr Kollege Dr. Hahnzog hat es gerade angesprochen. Bei der Anhö
rung in Thüringen war dies ein wesentliches Thema. Die bei der Anhörung in Thüringen anwesenden Vertreter aus Bayern äußerten sich übrigens gegenüber dem Thüringer Gesetzesvorhaben äußerst skeptisch.
Der Gesetzentwurf enthält ferner die Geschichte mit dem automatisierten Kennzeichen-Scanning. Dazu möchte ich ein paar Worte ausführen; denn auch hier gilt es, Kritik anzumelden. Der Gesetzentwurf klingt zunächst harmlos. Aber wenn Sie ihn genau anschauen, versteckt sich darin einiges. Sie wollen das Kennzeichen-Scanning grundsätzlich verdeckt durchführen. In der Regel wird die offene Datenerhebung praktiziert, auch nach dem PAG. Selbst die Videoüberwachung, so haben Sie es festgeschrieben, hat offen zu erfolgen. Des Weiteren ist im Gesetzentwurf nicht festgelegt, dass Sie sich auf Autokennzeichen beschränken, sondern es ist immer nur von Kennzeichen die Rede. Ich befürchte, dass Sie auch biometrische Kennzeichen, die Gesichtsfelderkennung etc. einbeziehen wollen. In der Begründung ist zwar nur von Autokennzeichen die Rede, aber es wird nicht klar abgegrenzt.
Sie haben keine Beschränkung des Abgleichs der Daten mit den Fahndungsdaten aus der INPOL-Datei vorgesehen, sondern die personenbezogenen Halterdaten, die Sie über die Autokennzeichen bekommen, können mit jedweder Polizeidatei abgeglichen werden. Bei der KANDatei haben wir wenigstens noch Speicherfristen. Aber Sie könnten die Daten theoretisch auch mit den Verfahrensakten, die inzwischen auch EDV-mäßig erfasst sind, also mit der Vorgangsdatei abgleichen. Diese müssen nämlich nicht gelöscht werden.
Sie haben in den Gesetzentwurf keine örtlichen Beschränkungen aufgenommen. Sie schreiben in der Begründung so nett, dass treffe auch auf Gebäudepassagen zu. In Gebäudepassagen stehen bekanntlich sehr viele Autos herum. Das sind normalerweise reine Fußgängerbereiche. Warum nennen Sie solche Bereiche, wo Kennzeichen-Scanning notwendig sein soll, aber keine Autos vorhanden sind? Sie wollen die Maßnahme überall dort einführen, wo eine Identitätsfeststellung auch durch einen Polizisten möglich ist, und dass ist praktisch überall.
Sie haben, wenn auch versteckt, zu lange Speichermöglichkeiten aufgenommen. Es steht zwar im Gesetzentwurf, dass die abgeglichenen Daten, die nicht zu einem Ergebnis geführt hätten, sofort wieder gelöscht würden. Aber sobald die Daten weiterhin zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten gebraucht werden, können Sie langfristig gespeichert werden. Bei einer Kombination des Kennzeichen-Scannings mit der Verkehrsüberwachung im Hinblick auf Geschwindigkeitsüberschreitungen haben Sie sofort ein geöffnetes Tor zur Speicherung der Daten in großem Stil. Auch hier ist Kritik anzumelden. Dies ist auch ein Argument dafür, dass wir die Anhörung unbedingt brauchen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Danke schön, Frau Kollegin. – Ich gebe bekannt, dass die SPD-Frak
tion namentliche Abstimmung über ihren Antrag beantragt hat. Wir werden nicht vor 13.35 Uhr abstimmen können.
Das Wort hat nun Herr Dr. Kempfler.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der CSU, Sie haben anscheinend Ihren eigenen Gesetzentwurf nicht richtig gelesen. Das mag daran liegen, dass er wahrscheinlich aus der Feder des Innenministeriums stammt.
Wenn Sie den Gesetzentwurf richtig gelesen hätten und in allen Einzelheiten durchdacht hätten, in welchen Fällen die Telefonüberwachung möglich ist, dann wüssten Sie, welche überbordenden Befugnisse Sie der Polizei einräumen wollen. Es sind geheimdienstliche Mittel, praktisch gegen jeden Bürger und jede Bürgerin einsetzbar. Alle können betroffen sein; das merken Sie, wenn Sie sich die Fallbeispiele einmal genau ansehen. Sie haben keine Verdachtsschwelle mit aufgenommen für diejenigen, die im Verdacht stehen, eventuell in der Zukunft eine Straftat zu begehen. In der Gesetzesbegründung ist genau aufgeführt, dass Sie keine Verdachtsschwelle für erforderlich halten.
Herr Dr. Kempfler, das, was Sie zu den Kontaktpersonen gesagt haben, stimmt nicht. Es reicht, dass die Mitteilung eines potenziellen Straftäters entgegengenommen wird. Sie muss gar nichts mit der möglichen Straftat zu tun haben. Es geht um eine Mitteilung, die mit der Straftat nichts zu tun haben braucht. Wenn diese von jemand entgegengenommen wird, dann gilt diese Person bereits als Kontaktperson. Das kann natürlich bei einem Pressevertreter sehr wohl der Fall sein. Damit ist ein Angriff auf die Pressefreiheit gegeben.
Die Daten Dritter wurden angesprochen. Sie sagen, dass es nicht der Fall sei, dass Dritte so einfach überwacht werden können. Schauen Sie doch einmal in Ihren Gesetzentwurf. Die Telefonüberwachung darf stattfinden, auch wenn Dritte betroffen sind. Daten Dritter dürfen erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen unvermeidbar ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei der Telefonüberwachung technisch unvermeidbar ist, dass Daten Dritter mit erhoben werden.
Herr Huber, der Gipfel der Unverschämtheit ist Ihr Vorwurf, dass wir gegenüber der Polizei ein grundsätzliches Misstrauen hegen. Diese Behauptung ist wirklich eine alberne Unterstellung.
Das entspricht überhaupt nicht den Tatsachen. Die Polizei muss selbstverständlich die technischen Mittel und die personelle Ausstattung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung erhalten. Aber die Polizei muss in ihren
Befugnissen begrenzt sein. In einer Demokratie darf man der Polizei keine ausufernden Rechte einräumen, sondern hier muss die staatliche Gewalt für die Bevölkerung einsichtig begrenzt sein. Das hat nichts mit einem Misstrauen gegenüber der Polizei zu tun. Wir wollen die Polizei vernünftig ausstatten, aber nicht mit geheimdienstlichen Mitteln und nicht so, dass wir hier in Bayern, wie Sie es vorhaben, einen Überwachungsstaat bekommen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wäre das Thema nicht so ernst und wären die geplanten Grundrechtseingriffe nicht so gravierend, könnten wir uns bei der CSU für die Wahlkampfmunition bedanken; denn diesmal haben Sie die Schamgrenze überschritten.
Sie haben so weit überzogen, dass nicht nur die Opposition und die Bürgerrechtsorganisationen auf die Barrikaden gehen; denn – ich spreche zunächst zur Telefonüberwachung – der Inhalt Ihres Gesetzentwurfes ist eine Katastrophe für unseren Rechtsstaat, und die Wellen der Empörung schlagen Ihnen bereits sehr hoch entgegen.
Sie ignorieren die berechtigten Interessen und Rechte der Berufsgeheimnisträger und das Zeugnisverweigerungsrecht. In der öffentlichen Diskussion ist momentan vor allem Ihr Angriff auf die Pressefreiheit. Was ist die Pressefreiheit und damit die Kontrollfunktion der vierten Gewalt im Staate noch wert, wenn Journalisten den Informantenschutz nicht mehr gewährleisten können?
Sie starten auch einen Angriff auf das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt, zwischen Patient und Arzt. Auch das Beichtgeheimnis steht bei Ihnen auf dem Spiel. Bei der von Ihnen geplanten Telefonüberwachung gäbe es auch keine Immunität für Abgeordnete. Die Liste der Berufe ließe sich um Richter,
Steuerberater, Notare, Drogenberater, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter etc. beliebig erweitern.
Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wollen die Polizei zu einer Geheimorganisation machen. Ist das die Gesamtfraktion, oder sind das nur die 22 Abgeordneten, die den Gesetzentwurf unterschrieben haben? Wie steht eigentlich der Rest Ihrer Fraktion dazu? – Unter dem Gesetzentwurf steht nicht „und Fraktion CSU“. Sie sollten vielleicht einmal erklären, wie sich das verhält. Die Position des Innenministeriums ist zumindest klar; der Gesetzentwurf wird von dort unterstützt und ist wahrscheinlich auch dort geschrieben worden.
Sie wollen Bayern zu einem Überwachungsstaat machen. Ohne ausreichende Begründung und Rechtfertigung soll die Polizei praktisch jeden Bürger und jede Bürgerin mit Abhörmaßnahmen überziehen können. Der Bevölkerung wollen Sie das damit verkaufen, dass Ihr Vorhaben für die Terrorismusbekämpfung und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität notwendig ist und dass Sie damit verirrte Wanderer und verloren gegangene Kinder wiederfinden wollen. Das glaubt Ihnen wirklich niemand. Die Instrumente für die Terrorismusbekämpfung und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität besitzen Sie bereits, und die verloren gegangenen Kinder, die ein Handy dabeihaben, können Sie im Rahmen des rechtfertigenden Notstands über den IMSICatcher orten. Das funktioniert schon heute.
Hinter Ihrem Gesetzentwurf verbirgt sich eine ganz andere Qualität. Sie treten den Rechtsstaat mit Füßen, und das auf eine perfide Art und Weise.
Die Regelungen zur Telefonüberwachung bei der Gefahrenabwehr sind sehr weit gefasst. Die Telefonüberwachung auf Verdacht gegenüber potenziellen zukünftigen Straftätern ist nicht einmal an einen bestimmten Verdachtsgrad gekoppelt. Der Straftatenkatalog ist wesentlich umfangreicher als der in § 100 a StPO vorgesehene, auf den Sie, Herr Kreuzer, sich berufen haben, und außerdem ist dieser Katalog nicht abgeschlossen. Dort gibt es auf alle Fälle Abgrenzungsschwierigkeiten. Auch bei möglicherweise drohenden Straftaten, die nichts mit Terrorismus oder organisierter Kriminalität zu tun haben, sollen in Zukunft alle Register der Überwachung gezogen werden. Die Maßnahmen greifen nicht nur gegenüber potenziellen Straftätern, sondern auch vollumfänglich gegenüber potenziellen Kontakt- und Begleitpersonen, die im Verdacht stehen, Kontakt zu potenziellen Straftätern zu haben. Das schönste Beispiel ist, wenn jemand im Verdacht steht, Kontakt zu haben zu jemand, der im Verdacht steht, eine zukünftig geplante Straftat nicht anzuzeigen. Dann können Sie den gesamten Personenkreis vollumfänglich abhören.
Wenn daneben unbeteiligte Dritte betroffen werden, dann ist Ihnen das komplett egal. Die gewonnenen Daten dürfen ausgewertet werden und brauchen nicht gelöscht zu werden. Für die Telefonüberwachung fehlt jegliche Hürde. Sie hätten zumindest aufnehmen kön
nen, dass sie nur dann zulässig ist, wenn andere Ermittlungsmethoden nicht zum Erfolg führen. Der Richtervorbehalt kann umgangen werden. Auch wenn die Voraussetzungen für die Telefonüberwachung weggefallen sind, kann weiter munter abgehört werden, weil die Anordnung nicht entfällt.
Also: Wir führen die Debatte morgen weiter. Im Übrigen gibt es auch bei dem Kennzeichenscreening einige Punkte, die zu kritisieren sind. Darüber werden wir im Ausschuss sprechen. Auch hier haben Sie ganz tief in die Kiste dessen gegriffen, was Sie der Polizei unbedingt ermöglichen wollen und was nach unserer Auffassung viel zu weit geht.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist so. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe auf:
Tagesordnungspunkt 2 j
Gesetzentwurf der Abgeordneten Glück, Dr. Fickler, Dr. Kempfler und anderer (CSU)
zur Änderung des Bestattungsgesetzes (Druck- sache 14/12262)
Erste Lesung –
Wird der Gesetzentwurf vonseiten der Antragsteller begründet? – Das ist so. Dann bitte ich Frau Dr. Fickler.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht einzusehen, dass die verschiedenen ehrenamtlichen Katastrophenhelfer nach wie vor eklatant ungleich behandelt werden, je nachdem, ob sie der Feuerwehr und dem Technischen Hilfswerk oder den freiwilligen Hilfsorganisationen angehören. Diese Ungleichbehandlung erfolgt, obwohl die Helfer der freiwilligen Hilfsorganisationen ähnliche Tätigkeiten ausüben und beim Einsatz im gleichen Maße wichtig sind und obwohl Feuerwehren, Technisches Hilfswerk und alle anderen freiwilligen Organisationen gesetzlich verpflichtet sind, ihre Helfer einzusetzen.
Es gibt keine sachliche Begründung dafür, dass die ehrenamtlichen Helfer der Wasserwacht, des Arbeitersamariterbundes oder der Lebensrettungsgesellschaft keinen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit haben, während Mitarbeiter der Feuerwehren oder des THW einen solchen Anspruch schon haben. Auch den Arbeitgebern der betroffenen Helfer ist nicht vermittelbar, dass es im einen Fall Ersatzleistungen für die ausgefallene Arbeit gibt, im anderen Fall dagegen nicht. Es liegt auf der Hand, dass die rechtliche und finanzielle Gleichstellung der Helfer sachdienlich und im Sinne der Motivation der Helfer und der Qualität des Katastrophenschutzes ist. Das gilt dem Gunde nach auch für die Sachaufwendungen der Hilfsorganisationen.
Eine Angleichung wäre die logische Konsequenz. Schließlich handelt es sich beim Katastrophenschutz um einen staatliche Aufgabe. Alleine die Mittel fehlen. Schon 1995 hat es aus dem Hause des Innenministers eine Initiative gegeben, welche genau dieses Ziel verfolgte. Diese Initiative hatte den Landtag allerdings nie erreicht, denn Ihr Finanzminister, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, hat dieses Vorhaben ausgebremst, nachdem die Hilfsorganisationen verständlicherweise nicht bereit waren, die Kosten für Lohnfortzahlung und Verdienstausfall alleine zu übernehmen. Eine solche Initiative hat es also schon einmal gegeben. Wir sollten sie wieder aufgreifen. Ihr Prüfungsantrag auf Drucksache 14/11386 zur Helfergleichstellung, welcher im Haushaltsausschuss bereits beschlossen wurde, verfolgt auch das Ziel einer Angleichung der Regelungen für die verschiedenen Organisationen. Gleichzeitig wird in diesem Antrag nach Möglichkeiten gesucht, dass die Kosten nicht davonlaufen. Dieses Ansinnen ist legitim, und deshalb wurde dieser Antrag von uns auch unterstützt.
Nach dieser Vorgeschichte wäre es aber schlichtweg albern, wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, den Gesetzentwurf der SPD ablehnen würden, nur weil er von der falschen Partei kommt. Wie Sie Ihre Wählerinnen und Wähler verprellen, bleibt natürlich Ihnen überlassen. Wir sollten allerdings gemeinsam den Gesetzentwurf zur Grundlage für eine längst überfällige Neuregelung machen. Das wäre das richtige Signal für die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die sich schließlich für das Allgemeinwohl einsetzen.
Herrn Finanzminister Faltlhauser – leider ist er gerade nicht da – werden wir noch etwas kneten müssen. Wenn wir das gemeinsam tun, werden wir das, so glaube ich, schon schaffen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Ettengruber.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, etwas Ruhe einkehren zu lassen, damit ich die Begründung dieses Gesetzentwurfs vornehmen kann. Ich weiß, dass wir gerade das sehr wichtige und brisante Thema „Transrapid“ behandelt haben.
Bei diesem Gesetzentwurf geht es um die Erhebung der Beiträge zur Tierseuchenkasse. Dies ist ein scheinbar
unwichtiges Thema, allerdings handelt es sich dabei um ein Musterbeispiel für Bürokratismus. Aus der bisherigen Regelung der Erhebung der Beiträge zur Tierseuchenkasse wiehert förmlich der Amtsschimmel. Die Tierseuchenkasse muss nämlich zunächst eine Meldung an die Landratsämter machen. Die Landratsämter geben diese Meldung an die Gemeinden weiter. Die Gemeinden stellen daraufhin den Landwirten Bescheide aus. Die Landwirte zahlen dann entweder an die Gemeinde oder erheben Widerspruch.
Dann muss das Widerspruchsverfahren bei der Gemeinde durchgeführt werden. Wenn gezahlt wird, leiten die Gemeinden das Geld an die Tierseuchenkasse und eine Liste über die Erhebung an die Landratsämter weiter. Die Landratsämter geben die Liste wieder an die Tierseuchenkasse. Das ist ein vermeidbarer Kreislauf. Auch die kommunalen Spitzenverbände fordern schon lange, dass die Tierseuchenkasse ihre Beiträge selbst erhebt.
Durch die einfache Streichung einer Vorschrift könnten wir hier Bürokratie abbauen und zu einer vernünftigen Regelung kommen. Dass die Staatsregierung das manchmal auch so sieht, erkennt man daran, dass sich nahezu zum gleichen Datum die Vorschrift, die wir gestrichen haben wollen, wiederfindet in dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Aufhebung einiger Rechtsvorschriften. Es wäre ein sinnvolles Verfahren, wenn unser Gesetzentwurf hier durchläuft, der gesetzestechnisch genauer ist und auch noch die Aufgabenzuweisung der Beitragserhebung an die Tierseuchenkasse beinhaltet; in dem Vorschlag der Staatsregierung ist das nicht enthalten. Sie sollten also die Nummer 45 des Gesetzentwurfes der Staatsregierung herausnehmen und unserem Gesetzentwurf zustimmen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich kurz zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion Stellung nehmen. Wir begrüßen die Ansätze, die hier gefordert worden sind, nämlich dass neue Wahlvorschläge bei einer Nachwahl eingereicht werden können und die Kosten für die Nachwahlen auf den Wahlvorschlagsträger zurückfallen, aus dessen Reihen der Wahlfälscher kommt. Das ist der richtige Ansatz.
Das Problem in Dachau ist noch lang nicht erledigt nach der Verurteilung von Herrn Aechtner, CSU-Mitglied, und den Nachwahlen zum Stadtrat, zum Kreistag und demnächst der Wiederholung der Stichwahl zum Bürgermeister. Die Verurteilung hat durch die Vereinbarung des Gerichts mit dem Angeklagten nicht dazu beigetragen, dass die Vorgänge umfassend geklärt worden sind. Den aufgetauchten Hinweisen darauf, dass schon bei früheren Wahlen durch Herrn Aechtner Wahlfälschungen vorgenommen wurden, konnte nicht nachgegangen werden. Das wäre allerdings sowieso verjährt gewesen. Es ist aber auch nicht der Frage nachgegangen worden, ob weitere Personen involviert waren und wie die Zusammenhänge genau sind. Es ist einfach eine Vereinbarung getroffen worden – Deckel zu, Angelegenheit erledigt.
Aber der Wahlskandal wird bei der Bevölkerung in Dachau noch lange nachwirken.
Dankenswerterweise haben wir auf unseren Antrag hin einen Bericht der Bayerischen Staatsregierung bekommen, wo es sonst noch zu Unregelmäßigkeiten bei den Kommunalwahlen gekommen ist. Wir haben einen Ergänzungsantrag nachgeschoben, weil hier nur die Fälle aufgelistet worden sind, die von der Rechtsaufsichtsbehörde beanstandet wurden. Die Fälle, wo Wahlanfechtungen aus der Bevölkerung gekommen sind, wo es vorher keine Beanstandungen durch die Rechtsaufsichtsbehörde gab und wo Urteile gefällt worden sind, sind nämlich in diesen Bericht nicht aufgenommen worden. Hier soll noch eine Ergänzung stattfinden, damit wir ein vollständiges Bild haben. Denn es hat weitere Fälle gegeben, zum Beispiel die Wiederholung der Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Gräfelfing, die in diesem Bericht nicht auftaucht.
Es ist nicht einfach, Korrekturen am Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz durchzuführen, ohne das Wahlrecht gerade bei der Briefwahl einzuschränken und ohne rechtsstaatliche Wahlgrundsätze zu verletzen. Wir haben uns in unserem Gesetzentwurf auf zwei Punkte konzentriert, mit denen wir Abhilfe schaffen wollen. Wir haben das deshalb getan, weil in dem Bericht der Staatsregierung keine Ansätze zu erkennen sind, wie die Staatsregierung Korrekturen am Wahlrecht vornehmen will. Es wurde geschrieben, dass das Wahlrecht eigentlich in Ordnung sei und dass man nicht viel machen könne und dass viele Verstöße auf der Mißachtung des Wahlrechts beruhten.
Einer der beiden Ansätze, die wir uns vorstellen, ist, dass wir das Fälschungsrisiko bei der Briefwahl minimieren wollen. Das ist nicht leicht, ohne die Briefwahlmöglichkeiten einzuschränken. Es muss aber zumindest sichergestellt sein, dass derjenige, der die Briefwahl auf dem Benachrichtigungskärtchen beantragt, wenigstens persönlich die Briefwahlunterlagen in die Hand bekommt. Das wollen wir erreichen, indem die Briefwahlunterlagen nur persönlich ausgehändigt werden oder zumindest mit der Post zugeschickt werden, damit keine Boten zwischengeschaltet werden können. Es gibt Situationen, wo selbsternannte Wahlhelfer zum Beispiel in einem Altenheim herumlaufen, sich die Unterschriften für die Beantragung der Wahlunterlagen geben lassen, mit 40 bis 50 dieser Karten zu der Gemeinde gehen, sich die Wahlunterlagen aushändigen lassen und diese ins Heim bringen. Was auf dem Weg dorthin geschieht, das ist die große Frage. Hier liegen die großen Möglichkeiten zur Wahlfälschung.
Deshalb wollen wir sicherstellen, dass die Wählerin und der Wähler die Wahlunterlagen persönlich in die Hand bekommen und dass zwischengeschaltete Personen, die hilfreich zur Seite stehen wollen, nicht die Möglichkeit bekommen, ohne Wissen der Betroffenen die Stimmzettel auszufüllen. Das war in Dachau das Problem, wo 3500 der eidesstattlichen Versicherungen, mit denen belegt wird, dass der Wähler selbst gewählt hat, verschwunden sind.
Das zweite Problem, das wir ausräumen wollen, ist die ungute Situation, dass der Wahlausschuss ein Wahlergebnis als richtig feststellen muss, obwohl er überzeugt ist, dass dieses Wahlergebnis nicht richtig sein kann. Das war ebenfalls das Problem in Dachau. Deswegen wollen wir die Möglichkeit schaffen, dass die Entscheidung sofort an die Rechtsaufsichtsbehörde abgegeben werden kann. Damit sparen wir uns das ganze Verfahren mit Androhung der Ersatzvornahme und Zeitverzögerungen. In Dachau sind Wochen vergangen, bis der Wahlausschuss endlich die Entscheidung getroffen hat, die er treffen musste, obwohl er überzeugt war, dass er ein falsches Wahlergebnis feststellt. Diese Entscheidung soll an die Rechtsaufsichtsbehörde abgegeben werden können, die sowieso die Wahl überprüfen muss. Damit wird ein Zwischenschritt eingespart, und die ehrenamtlich Tätigen in den Wahlausschüssen werden nicht einem Gewissenskonflikt ausgesetzt.
Die Nichtigkeitserklärung bzw. die Berichtigung kann dann schneller erfolgen. Damit tritt erst gar nicht die
Situation ein, dass ein möglicherweise unrechtmäßiges Gremium in Amt und Würden gesetzt werden muss, wenn auf Rechtsmittel verzichtet wird. Das normale Wahlanfechtungsverfahren mit seinen gerichtlichen Möglichkeiten wird durch unseren Gesetzentwurf nicht beeinträchtigt; wir wollen nur eine Verfahrensabkürzung.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Gibt es Wortmeldungen? – Herr Heike, bitte.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Unser Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes enthält die Aufhebung des Verbots, örtliche Verbrauchs- und Aufwandssteuern zu erheben. Das ist die Rückgabe des Steuerfindungsrechts an die Städte und Gemeinden. Dabei geht es uns in erster Linie nicht um die Erschließung neuer Finanzquellen für die Städte und Gemeinden, so notwendig diese auch wären, es geht uns vielmehr um das Ende der Bevormundung der Kommunen.
Unser Gesetzentwurf ist ein Beitrag zur kommunalen Selbstverwaltung, denn es reicht nicht aus, die kommunale Selbstverwaltung verbal hochzuhalten, sondern dieses Anliegen muss auch umgesetzt werden. Das gilt gerade für den Bereich der Finanzhoheit, dazu gehört auch das kommunale Steuerfindungsrecht. Davon ist nur noch die Hundesteuer übrig geblieben. Mit der Aufhebung des Verbots, kommunale Steuern zu erheben, wird es nicht zum Wildwuchs so genannter Bagatellsteuern kommen. Die Gemeinden wissen nämlich genau, wie kontraproduktiv es beispielsweise wäre, eine Speiseeissteuer zu erheben. Nur in Bayern ist es Städten und Gemeinden verboten, eigene Verbrauchs- und Aufwandssteuern wie zum Beispiel die Zweitwohnungssteuer zu erheben. In anderen Bundesländern ist dies nicht so. Auch dort kommt es nicht zu einem Wildwuchs bei Bagatellsteuern.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es muss nicht alles verboten werden, was vielleicht nicht sinnvoll ist. Das können die Gemeinden sehr wohl selbst entscheiden. Bei einigen Gemeinden besteht auch die Notwendigkeit, diese Entscheidung zu treffen, und zwar in den Fremdenverkehrsorten. Das ist der zweite Schwerpunkt unseres Gesetzentwurfs. Wir wollen es den Fremdenverkehrsorten ermöglichen, die dringend notwendige Zweitwohnungssteuer wieder zu erheben. Die betroffenen Gemeinden müssen die gesamte Infrastruktur für die vielen Ferienwohnungen und Feriengäste vorhalten, die hierfür notwendigen Finanzmittel aber sind ihnen verschlossen. Die Staatsregierung hat diese Einnahmequelle verstopft. Ich erinnere an den Fall der Gemeinde Hindelang, die eine Satzung erlassen hatte. Die Staatsregierung hat diese Satzung nicht genehmigt. Der Markt Hindelang hat dagegen geklagt und sich 1988 das Recht zur Erhebung einer Zweitwohnungssteuer erstritten. Daraufhin hat die Staatsregierung kurzerhand mit der Mehrheit der CSU hier im Hause das Verbot einer Zweitwohnungssteuer erlassen und in das Kommunalabgabengesetz aufgenommen. Das ist eine Bevormundung der Gemeinden par excellence. So wird die kommunale Selbstverwaltung von CSU und Staatsregierung ausgehöhlt.
Diesen unbefriedigenden Zustand wollen wir beenden. Wir wollen Subsidiarität statt staatlichem Dirigismus. Unser Vorschlag entspricht im Übrigen auch den Empfehlungen der Enquete-Kommission zur Förderung des Föderalismus und steht ganz im Sinne eines innerbayerischen Föderalismus, der noch immer ein Schattendasein fristet.
Herr Kollege Ettengruber, ich habe ausführlich dargelegt, dass es uns mit diesem Gesetzentwurf nicht um neue Finanzierungsquellen und die finanzielle Rettung der Gemeinden geht, sondern um die kommunale Selbstverwaltung. Die Gemeinden sollen eben selbst darüber entscheiden und es soll keinen staatlichen Dirigismus mehr geben, mit dem die Steuerfindung von vornherein ausgeschlossen wird.
Einig sind wir uns bei der Forderung nach einer umfassenden Gemeindefinanzreform. Das ist unsere Forderung. Und das schieben wir in Berlin auch kräftig an. Hier in Bayern könnten Sie dafür sorgen, dass die Kommunen nicht in die Finanznöte geraten, in der sie sich jetzt befinden. Gerade die vielen Leistungsgesetze im Rahmen der Bildungs- und Schulgesetzgebung, die in der letzten Zeit verabschiedet worden sind, haben den Kommunen deutliche Kostensteigerungen gebracht.
Darüber haben wir in diesem Hohen Hause schon oft diskutiert. Da hätten Sie zeigen können, dass Sie zu den Gemeinden stehen und sich um die Finanzierungsmöglichkeiten kümmern. Aber Sie haben es nicht getan. Uns geht es jetzt darum, dass Konnexitätsprinzip einzuführen und umzusetzen. Da werden wir sehen, ob wir inhaltlich zusammenkommen können.
Und jetzt zum Kollegen Boutter eine Anmerkung. Sie haben gesagt, Sie behielten sich einen eigenen Gesetz
entwurf oder Änderungsanträge vor. Ich darf daran erinnern, dass Sie bereits im November einen solchen Gesetzentwurf eingebracht haben, in dem Sie sich aber darauf beschränkten, das Verbot der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aufzuheben.
Sie haben das im November so gefordert.
Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass bereits im Jahre 1998, also in der letzten Legislaturperiode ein Gesetzentwurf von Ihnen mit der Forderung auf den Tisch kam, das Verbot komplett aufzuheben, genauso wie wir es jetzt beantragen. Vielleicht lohnt es sich, einmal die alten Protokolle nachzulesen. Da haben Sie jedenfalls genau das gefordert, was wir heute erneut einbringen.
Herr Präsident, Herr Minister Beckstein, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur Herr Hofmann, der heute Geburtstag hat, wird heute beschenkt, sondern wir alle; denn heute ist Nikolaustag, und Herr Minister Beckstein hat uns über Nacht wieder einmal die Stiefel mit Päckchen und Paketen gefüllt. Ich werde sie hier auspacken und die Haken und Ösen präsentieren.
Danach wissen wir, ob wir uns über die Geschenke freuen dürfen, oder ob wir unserem Nikolaus Beckstein die Geschenke wieder zurückgeben.
Als erstes hat er uns die Gebetsmühle mitgebracht, denn gebetsmühlenartig sind seine Schimpftiraden in Richtung Berlin. Er hat zwar eine freundliche Diskussion gefordert, aber man muss schon sagen, was Sache ist. Diese Gebetsmühle bekommt er postwendend zurück.
Herr Beckstein, spielen Sie hier nicht den Krampus mit Ihrer fortwährenden Oppositionspolitik aus der bayerischen Regierung heraus, nur weil Sie Otto Schily nicht beerben durften.
Lassen Sie mich zunächst zu den Kommunalfinanzen kommen. Gerade die Politik der Staatsregierung ist in hohem Maße dafür verantwortlich, dass die finanzielle Lage der Kommunen immer schwieriger wird. Sie ist sicher nicht allein dafür verantwortlich, aber in hohem Maße. Wer ist beispielsweise für die Kirch-Pleite und damit für die Gewerbesteuereinbrüche an den Medienstandorten verantwortlich? Wer bürdet denn den Städten und Gemeinden immer mehr Leistungen auf, ohne dafür ausreichenden finanziellen Ausgleich zu schaffen? Ich nenne die Schülerförderung, die Computerausstattung
an den Schulen, die Kosten für die Einführung der R 6 und der M-10-Klassen oder die Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer an den kommunalen Schulen. Wer hat sich denn über Jahre hinweg mit Händen und Füßen gegen das Konnexitätsprinzip, also das Prinzip „Wer anschafft, muss auch zahlen“, und die Reform des Finanzausgleichs gewehrt. Der Finanzausgleich ist auch in diesem Jahr wieder völlig unzureichend ausgefallen. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich zwar einverstanden erklärt, aber was sollten sie denn machen? Sie bekommen einfach nicht mehr.
Von einer nur annähernden Einhaltung des Konnexitätsprinzips gerade bei den letzten Gesetzesvorhaben kann nicht die Rede sein. Davon ist überhaupt nichts zu spüren.
Getrieben durch die kommunalen Spitzenverbände und die Opposition hier im Hause, die einen langen Atem haben, und vor allen Dingen wegen des drohenden Volksbegehrens haben Sie und Edmund Stoiber offenbar klein beigegeben. Dieses Nikolauspräsent der Festschreibung des Konnexitätsprinzips in der bayerischen Verfassung nehmen wir gern entgegen, wenn es denn wirklich ernst gemeint ist. Das sehen wir aber erst dann, wenn Sie Ihren Worten auch Taten folgen lassen.
(Beifall der Frau Abgeordneten Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In Berlin sorgen wir jedenfalls dafür, dass die Gemeindefinanzen langfristig auf gesunde Füße gestellt und verstetigt werden. Die Vorschläge aus der Gemeindefinanzenreformkommission für eine kommunale Betriebssteuer, die die Gewerbesteuer ersetzen soll, sind hierfür sehr ermutigend.
Das Grundsicherungsgesetz wieder aufheben zu wollen, ist ein völlig falscher Weg und darüber hinaus äußerst unsozial. Denn mit dieser Grundsicherung erreichen wir insbesondere eine Personengruppe, die bislang durch alle Raster gefallen ist, nämlich ältere Frauen aus kleinen Verhältnissen, die zu bescheiden sind, um zum Sozialamt zu gehen. Statt über zusätzliche Kosten durch das Grundsicherungsgesetz zu lamentieren, sollten Sie lieber die Zeit für Bedarfs- und Kostenermittlungen nutzen, damit wir endlich Zahlen auf den Tisch bekommen. Dann werden wir sehen, ob es tatsächlich zusätzliche Kosten verursacht oder nicht. Dass der Bund die Kosten nach Abrechnung übernehmen muss, darüber besteht kein Zweifel.
Vom Bund muss allerdings die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zurückgenommen werden, da die ursprünglich prognostizierten Mehreinnahmen nicht eingetreten sind. In diesem Punkt, Herr Beckstein, sind wir uns einig. Sie lassen aber gern unter den Tisch fallen, dass dieser Umlagebetrag zwischen Bund und Ländern aufgeteilt wird. Wir fordern deshalb von der Bayerischen Staatsregierung, ihre eigenen Zuflüsse aus der Gewerbesteuerumlageerhöhung an die Kommunen weiterzugeben. Sperren Sie sich nicht gegen die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der gewerbesteuerlichen Organschaft. Dann würden die Gewerbesteuern wieder dort abgerechnet, wo auch die Einnahmen anfal
len. Dadurch würde das Gewerbesteueraufkommen wieder deutlich ansteigen.
Lassen Sie mich zur Wohnungsbau- und Städtebauförderung kommen. Im nächsten Paket hat Herr Beckstein ein – ich würde einmal sagen – faules Ei versteckt. Er hat sich selber darüber beklagt. Es handelt sich um die Kürzungen bei der Wohnungsbauförderung um sage und schreibe 100 Millionen e. Zunächst sollten es nur 86 Millionen sein, aber die so soziale CSU-Fraktion hat noch einmal beispielhaft nachgelegt und um 14 Millionen e reduziert – eine schöne Bescherung. Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass ein erheblicher Teil des verbleibenden Rests von 186 Millionen e noch dazu nur virtuell vorhanden ist, da es sich um Verpflichtungsermächtigungen handelt. Bei der Städtebauförderung sieht es nicht besser aus. Hier wird von 88 Millionen e um 12 Millionen e auf 76 Millionen e gekürzt.
Das laute Schimpfen auf die Sparpolitik in Berlin dient wie immer nur der Verschleierung der eigenen Mangelwirtschaft. Aber dieser Kahlschlag in der Wohnungsbauund Städtebauförderung wird deutliche Spuren hinterlassen, denn hier entsteht sozialer Zündstoff. Konflikte werden durch diese Sparmaßnahmen weiter geschürt. Allein in München – hier ist die Lage besonders prekär – stehen 40000 Wohnungssuchende vor dem Wohnungsamt Schlange. Hier wäre ein ordentliches Sonderprogramm erforderlich, da die Stadt allein diese Herausforderung nicht stemmen kann.
Erst an diesem Mittwoch hat Herr Staatsminister Dr. Beckstein sein Projekt zur Förderung der Innenstadtentwicklung in den Städten und Gemeinden vorgestellt. Mit den Kürzungen der Wohnungsbauförderung und der Städtebauförderung stellt sich dieses Projekt als Luftnummer dar. Das war wieder einmal nur eine PR-Aktion.
Der Bund hält seine Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau zwar auf niedrigem Niveau; das gebe ich zu. Es ist sehr ärgerlich, dass auch hier in den letzten Jahren gekürzt wurde. Die Mittel wurden aber schon seit 1995 schrittweise gekürzt. Deshalb ist es nicht korrekt, alles auf die jetzige Bundesregierung zu schieben. Der Bund hat seine Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau zwar auf niedrigem Niveau, aber immerhin weiter konstant gehalten. Das auch für Bayern wichtige Programm „Soziale Stadt“ wird fortgesetzt.
Die Mittel für die Altbausanierung und das CO2-Förderprogramm werden sogar erhöht. Unseren Antrag in diesem Hause, auch die bayerischen Mittel für die ökologischen Modernisierungsmaßnahmen zu erhöhen, haben Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dagegen abgelehnt. Der Bund investiert jährlich 150 Millionen e in die Altbausanierung, denn hier besteht erheblicher Investitionsbedarf. Das ist auch ein Bereich, der für die
Bauwirtschaft sehr interessant ist. Zusammen mit dem CO2-Förderprogramm will der Bund für die Jahre 2003 und 2004 jährlich insgesamt 350 Millionen e in die Sanierung und den Bestand investieren. Zu Kohls Zeiten waren es gerade einmal 20 Millionen e. Ich denke, diese Zahlen muss man auch nennen, nicht immer nur die Positionen, bei denen gekürzt worden ist.
Angesichts der geringen Mittel, die in Bayern für den sozialen Wohnungsbau und die Städtebauförderung übrig geblieben sind, ist es dringend erforderlich, diese Mittel zielgenau und effizient einzusetzen. Die Prioritäten müssen auf die Ballungsräume gelegt werden, denn dort herrscht eklatanter Wohnungsmangel. Das neue Wohnraumförderungsgesetz sieht diese Prioritätensetzung durch eine Regionalisierungskomponente vor, mit der den Bundesländern freie Hand bei der Verteilung der Gelder gegeben wird. Diese Regionalisierungskomponente wäre im Übrigen auch bei der Eigenheimförderung erforderlich.
Nötig ist eine flexiblere Gestaltung bei der Förderung. Bei der einkommensorientierten Förderung, der EOF, sind die Vorgaben so starr, dass Wohnungsbauunternehmen schon vor Baubeginn und Antragstellung wissen müssen, welche Mieter mit welchem Einkommen in die einzelnen Wohnungen einziehen werden. Das geht an der Praxis und den Realitäten vorbei. Absoluter Mangel herrscht auch bei den Studentenwohnungen. Dieser Mangel schlägt sich allerdings nicht in einem erhöhten Förderansatz im Haushalt nieder.
Das nächste faule Ei ist der Straßenbau. Besonders ärgerlich ist es, dass beim Straßenbau nicht gespart wird. Die jüngste Kürzung beim Wohnungsbau und bei der Städtebauförderung um nochmals 6 Millionen e vom letzten Dienstag wurde auf Antrag der CSU sogar zugunsten des Straßenbaus vorgenommen. Darüber hinaus werden beim Straßenbau die Mittel nicht nur nicht gekürzt, sondern völlig unvernünftig eingesetzt.
Der Anteil der Ausgaben für die Bestandserhaltung der Staatsstraßen an den Gesamtausgaben für den Straßenbau ist weiterhin zu gering. Schwerpunkt muss die Bestandserhaltung sein. Nicht einmal unser Antrag auf Umschichtung von 10 Millionen e von den Straßenneubaumitteln zu den Mitteln für den Erhalt kam durch.
Beim Bau von Ortsumfahrungen spielt es anscheinend keine Rolle, wie viele Autos dann tatsächlich auf diesen Straßen fahren und ob die bisherige Ortsdurchfahrt überhaupt entlastet wird. Anscheinend schwimmen wir beim Straßenbau immer noch im Geld.
Ich komme zur Sicherheitspolitik und dabei zunächst zur allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung. Die GRÜNEN stehen für eine Sicherheitspolitik mit Augenmaß, bei der mit einer guten Sozial- und Bildungspolitik und effektiven Präventionsprojekten der Kriminalität im Ansatz vorgebeugt wird. Videoüberwachungsprojekte, Sonderaktionen gegen Graffitisprayer oder das Einsammeln von
Schulschwänzern durch die Polizei kann ich nur eine PR-Aktion der Staatsregierung werten, die die Polizeikräfte noch dazu von der eigentlichen Arbeit abhalten und die Sicherheit und den Schutz der Bevölkerung nur vortäuschen.
Eine scheinbar saubere Stadt ist nicht gleichzeitig frei von Kriminalität, nur weil die Kriminalität aufgrund der Videoüberwachung in andere Bereiche verdrängt wird. Sachbeschädigungen durch Sprayer werden nicht verhindert durch strikte Verbote und härtere Strafen. Dort, wo Kommunen Flächen für Graffitikünstler zur Verfügung stellen, geht das Sprayerproblem plötzlich merklich zurück. Der Schlüssel ist der Kontakt zur jeweiligen Szene.
Die Ursachen für notorisches Schulschwänzen können nur bekämpft werden, wenn sich jemand wirklich um die Jugendlichen kümmert und sie nicht nur bei der Schule wieder abgibt. Dafür brauchen wir natürlich qualifiziertes Personal aus der Sozial- und Jugendarbeit und die Jugendbeamten der Polizei.
Mit der bayerischen Linie in der Drogenpolitik wird die Problematik der Beschaffungskriminalität verschärft, wenn nicht sogar erst geschaffen. Die gravierende Anzahl von Einbrüchen und Diebstählen, die von Süchtigen nur wegen ihrer krankhaften Sucht verübt werden, kann vermieden werden, wenn die Süchtigen nicht mehr kriminalisiert werden und wenn ihnen echte Hilfestellung angeboten wird.
Ein besonderes Augenmerk richten wir GRÜNE auf den Schutz von Kindern und Frauen vor häuslicher Gewalt. Hier benötigen wir neben der gesellschaftlichen Problematisierung dieses Tabuthemas mehr Sensibilität und Kompetenz bei den Polizeibeamtinnen und – beamten, um Gefahren für Opfer oder potenzielle Opfer frühzeitig zu erkennen und darauf adäquat reagieren zu können.
Statt Becksteins Hilfssheriffs, den Sicherheitswächtern, die höchstens das subjektive Sicherheitsgefühl erhöhen können, wollen wir in den Städten und Gemeinden die Präventionsbeiräte unterstützen und aufwerten, damit sie sich möglichst in allen Kommunen etablieren können. Hier können alle relevanten Gruppen zusammen mit der Polizei an Präventionsprojekten arbeiten und ortspezifisch reagieren. Mit diesen Konzepten kann die Polizei bei der Bekämpfung der sogenannten Alltagskriminalität auch entlastet werden. Großen Handlungsbedarf sehen wir bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, bei Wirtschafts- und Steuerdelikten der Kategorie Schreiber, Pfahls, Strauß und Co, bei der Bekämpfung von Menschen- und Waffenhandel, von Gewaltverbrechen und bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus.
An dieser Stelle noch eine Anmerkung zum Demonstrationsrecht. Das Recht auf Demonstration ist uns sehr wichtig. In der letzten Zeit hat Minister Beckstein immer wieder versucht, unter dem Vorzeichen der Verhinderung von Demonstrationen der Rechtsextremen eine
Gesinnungskomponente ins Demonstrationsrecht hineinzubringen. Demonstrationen lassen sich aber nicht wegen des Inhalts, der dabei vermittelt werden soll, verbieten. Dem Rechtsextremismus muss mit demokratischen Mitteln entgegengewirkt werden. Mit Ihren Vorschlägen, das Demonstrationsrecht in dieser Weise zu verschärfen, sind Sie auch im Bundesrat nicht durchgedrungen.
Beim Rechtsextremismus möchte ich noch auf den Einsatz der V-Leute hinweisen. Wir halten es für höchst problematisch, dass in großer Anzahl vom Landesamt für Verfassungsschutz geführte V-Leute in den Vorständen der NPD tätig sind und vom Staat bezahlt werden.
Jetzt zur Bekämpfung des Terrorismus. Die Bedrohung durch international agierende Organisationen muss ernst genommen und mit tatsächlich geeigneten Mitteln bekämpft werden. Statt des permanenten Rufs nach Gesetzesverschärfungen steht es an, den Sicherheitsbehörden die nötige Ausstattung, Ausbildung und Qualifikation des Personals an die Hand zu geben. Was nützen zum Beispiel erweiterte Abhörbefugnisse, wenn bisher schon mögliche Mitschnitte von Gesprächen mangels Fremdsprachenkenntnissen von den Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht übersetzt werden können oder solche Mitschnitte wegen der Datenflut auf Halde liegen.
Außerdem heiligt nicht jeder Zweck die Mittel. Auch die Terrorbekämpfung seit dem 11. September 2001 darf nicht noch mehr zum Vehikel für überzogene Eingriffsrechte des Staates in Freiheits- und Bürgerrechte werden. Mit gläsernen Bankkonten haben wir keine Probleme, wenn damit internationale Geldströme verfolgt werden sollen. Wir wollen aber nicht den gläsernen Bürger, von dem der Staat jederzeit weiß, warum er oder sie sich gerade an einem bestimmten Ort aufhält. Wir wollen keine zentrale Datei über biometrische Daten der Menschen. Wir wollen, dass die Unschuldsvermutung weiterhin gilt und dass ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht auf bloßen Verdacht hin ausgewiesen werden können. Wir wollen nicht, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht gestellt und ausgegrenzt werden. In diesen Bereich fallen natürlich auch die verdachtsunabhängigen Ermittlungen, wie zum Beispiel Schleierfahndung und ähnliches.
Herr Beckstein, Sie würden am liebsten Herrn Bush nacheifern und einen „bavarian patriotic act“ erlassen,
aber selbst in Amerika gibt es inzwischen massiven Widerstand gegen den „american patriotic act“, bei dem Grundrechte und Menschenrechte außer Kraft gesetzt werden.
Ich komme zum nächsten Nikolauspaket von Minister Beckstein, zum Sicherheitspaket Nummer 3. Es gärt ja schon ein bisschen länger und wird immer wieder aufgewärmt. Mit nicht minder spitzen Fingern sollte es ange
fasst werden. Hier kann nur ein Grundsatz gelten: „return to sender“. Kaum eine Kabinettssitzung, kaum ein Innenministertreffen, kaum eine Bundesratssitzung vergehen, ohne dass Beckstein seine Folterinstrumente gegen den Terrorismus auspackt. Er meint primär die Anhänger von Osama bin Laden, trifft aber unbeteiligte, zufällig ins Visier der Ermittler geratene Bürgerinnen und Bürger z. B. mit einer durchaus fehlerbehafteten Zentraldatei für biometrische Daten aller Bundesbürger. Sie haben schon ein paar Tests gemacht, die etwas in die Hose gegangen sind, weil es eben auch eine hohe Fehlerquote gibt. Ganz nebenbei strickt er sich das Instrumentarium zur Entrechtung der für Ihn potenziell verdächtigen ausländischen Bevölkerung.
Ganz eklatant ist die Regelausweisung, die Herr Beckstein beim bloßen Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Organisation möchte. Man kann sich ausmalen, welche menschlichen Schicksale es zur Folge haben kann, wie viele Familien zerrissen werden, wenn eine solche Regelausweisung Wirklichkeit werden sollte. Wenn der Betroffene, der keine Chance hat, seine Unschuld zu beweisen, erst einmal über die Grenze gebracht worden ist, fühlt sich niemand mehr für eine Fehlentscheidung verantwortlich. Aus den Augen – aus dem Sinn.
Dieses sogenannte Sicherheitspaket 3 ist auch diskriminierend. Im Ausländerzentralregister sollen die Religionszugehörigkeit – Sie haben das noch einmal vehement verteidigt, Herr Minister – und die ethnische Zugehörigkeit gespeichert werden. Ich halte es für höchst problematisch, wenn die Religions- oder ethnische Zugehörigkeit bereits Indiz für die potenzielle Gefährlichkeit einer Person sein sollen.
Herr Beckstein, Sie haben vorhin das Beispiel der Tschetschenen angesprochen. Dieses Beispiel geht aber an der Sache völlig vorbei. Andere Bundesländer haben für Tschetschenen inzwischen einen Abschiebestopp verhängt. Bayern nicht.
Berlin hat das zum Beispiel getan. Es ist ein Unterschied, ob jemand, der aus einem Land kommt, in dem ihm Tod oder Folter drohen, in dem er verfolgt wird, diese Angaben freiwillig im Rahmen eines Verfahrens macht, um ein Bleiberecht zu bekommen oder nicht abgeschoben zu werden. Es ist etwas anderes, wenn diese Person die Angaben gezwungenermaßen machen muss, wenn die Angaben gespeichert und zwischen allen Behörden ausgetauscht werden. Es macht einen Unterschied, wenn diese Angaben dann als Indiz verwendet werden, ob jemand potenziell gefährlich ist oder nicht. Im Moment erleben wir das mit Menschen, die aus dem Irak hierher kommen. Bei ihnen ist man sehr hellhörig und glaubt, solche Leute könnten nur vom dortigen Regime geschickt worden sein, denn ein Verfolgter habe überhaupt keine Chance, dieses Land zu verlassen. Damit ist jeder Iraker in Deutschland ein potenzieller Terrorist.
Die Begründung von Herrn Beckstein für den Einsatz des Sicherheitspakets Nummer 3 ist klar. Er muss sich gegenüber den ohnedies sehr weit gehenden Vorstellungen des Bundesinnenministers abheben. Er muss über das hinaus, was derzeit Gesetzeslage ist, Forderungen erheben, um überhaupt mit einer eigenständigen Position aufzutauchen. Das geschieht auf dem Rücken der ausländischen Bevölkerung, und das verurteile ich.
Becksteins Kampf gegen das mehr als notwendige Zuwanderungsgesetz hake ich unter demselben Kapitel ab. Interessant wird die Geschichte, wenn wir den öffentlich verkündeten Anspruch mit der Wirklichkeit des Herrn Innenministers, der in Bayern bleiben musste, vergleichen. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis er das Terrorismusbekämpfungsgesetz des Bundes in Landesrecht umsetzte, wenn auch in seiner konkreten Ausführung unter unserem Protest. Die Erklärung ist einfach: Er war im Wahlkampf unterwegs und hat sein Sicherheitspaket landauf, landab verkündet. Die Zeit war zu knapp, die „Otto-Kataloge“ 1 und 2 umzusetzen.
Ich werde den Rest der Rede zu Protokoll geben.
Dann verbleibt mir nur noch, mich zu bedanken.
Ich bedanke mich herzlich für die haupt- und ehrenamtliche Arbeit in den Kommunen, bei der Feuerwehr, den Rettungsdiensten und dem Katastrophenschutz. Ich danke den Polizistinnen und Polizisten und den Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden. Ich bedanke mich, auch wenn wir häufig sehr unterschiedlicher Meinung sind. Dank auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Innenministerium. Zum Schluss habe ich für Herrn Beckstein am Nikolaustag noch ein kleines Geschenk. Ich werde es Ihnen am Rande der Sitzung überreichen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn alles immer so unproblematisch ist in der PKG, dann können wir ja ein Verhältnis 2 : 2 : 1 machen. Dann wären die GRÜNEN auch endlich vertreten.
Wenn wirklich auf alle Fragen eine Antwort gefunden wird, dann braucht sich die CSU dort auch nicht die Mehrheit zu sichern. Dann wäre allen Genüge getan und wir würden auch nicht immer so schimpfen.
Zu den Gesetzentwürfen, zunächst zum SPD-Antrag: Die Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten der Arbeit des Verfassungsschutzes durch die PKG ist nötig und überfällig. Deswegen unterstützen wir diesen Gesetzentwurf. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist schließlich eine Behörde, die im Geheimen operiert. Der Verfassungsschutz beobachtet Personen ohne ihr Wissen, hört sie ab, liest deren Briefe, Faxe und E-Mails. Personenbezogene Daten werden gesammelt, gespeichert und mit anderen Stellen ausgetauscht. Verdeckte Ermittler und V-Leute werden ausgesandt. Diese geheimdienstlichen Tätigkeiten, die massiv in die Freiheit und Bürgerrechte der Bevölkerung eingreifen, müssen endlich wirksamer kontrolliert werden können.
Welche Rechte hat die PKG heute? Sie sind unzureichend. Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums sind darauf angewiesen, was ihnen von den Mitarbeitern des Landesamtes vorgetragen wird. Dieses Gremium darf sich damit nicht abspeisen lassen. Vertrauen ist zwar gut, aber echte Kontrollmöglichkeiten sind besser.
Deswegen wird Einsichtnahme in die Akten und Dateien gefordert, die Anhörung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamtes und auch die Einschaltung von Sachverständigen. Das sind gute Vorschläge, die unterstützenswert sind und die eine effektive parlamentarische Kontrolle ermöglichen, die schließlich auch eine demokratische Notwendigkeit ist.
Der Gesetzgeber ist diese Kontrolle den Bürgerinnen und Bürgern schuldig, da die sehr weit gehenden Grundrechtseingriffe schließlich durch Gesetze ermöglicht worden sind. Eine effektive Kontrolle ist auch die wesentliche Vorbeugemaßnahme, damit sich ein Geheimdienst nicht verselbstständigen kann. Die bisherigen Kontrollmöglichkeiten der PKG sind halt typisch bayerischer Art: Wir haben da zwar so ein Gremium, aber echte Rechte hat es halt einfach doch nicht.
Es steht ja schließlich im Gesetz, was die PKG machen darf und was nicht. Man hört so das eine oder andere über Unzufriedenheit von einzelnen Mitgliedern dieses Kontrollgremiums, obwohl sie ja über Inhalte nichts erzählen dürfen und dies auch nicht tun. Die PKG ist ein zahnloser Tiger, ist sozusagen nur ein Feigenblatt, damit es halt auch so etwas wie Kontrolle im Gesetz gibt. Was Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der CSU, für ganz normal halten, verstößt für mich gegen grundlegende demokratische Selbstverständlichkeiten, und das ist genau das, was ich zu Beginn eingefordert habe. Ich
kritisiere den fortwährenden Ausschluss der GRÜNEN, die hier im Parlament vertreten sind, aus diesem Gremium. Wir werden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass wir hier hinein wollen. Es ist zwar nicht so, dass wir am Gitter rütteln.
Aber irgendwann schaffen wir es, spätestens in der nächsten Legislaturperiode. Aber Sie können uns ja jetzt schon einen Sitz abtreten.
Sie sind selbst schuld, wenn wir Ihre Geheimniskrämerei immer wieder anprangern, die Arbeit des Verfassungsschutzes hinterfragen, kritisieren und natürlich auch die Frage der Existenzberechtigung immer wieder stellen, weil wir eben nicht in die Lage versetzt werden, selbst mit kontrollieren zu können. Dann ziehen wir halt die Diskussion immer wieder in den Innenausschuss. Das können wir natürlich immer machen, Herr Heike. Uns beiden macht das besonders viel Spaß. Aber Sie könnten es einfach auch anders haben.
Das wäre sachgerechter und demokratischer.
Die Führungsspitze des Landesamtes für Verfassungsschutz hätte – wir haben dort Gespräche geführt – übrigens überhaupt nichts dagegen, wenn die GRÜNEN im Parlamentarischen Kontrollgremium vertreten wären.
Mit den mangelhaften Kontrollbefugnissen des Parlamentarischen Kontrollgremiums verstoßen Sie gegen verfassungsrechtlich relevante Vorgaben des Bundes. Denn der Bundesgesetzgeber knüpft die zusätzlichen Befugnisse und auch die bestehenden Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz an entsprechende Kontrollbefugnisse, so wie sie auf Bundesebene gelten. Diese sind eben nicht vergleichbar. Wir haben hier mindere Kontrollbefugnisse als auf Bundesebene, bezogen auf den Bundesverfassungsschutz. So kann es nicht angehen.
Jetzt ganz konkret und aktuell – und so komme ich auch auf den Gesetzentwurf der Staatsregierung – verstoßen Sie erneut gegen diese Vorgabe der gleichwertigen Kontrollinstanzen. Sie wollen zusätzliche weitgehende Befugnisse einräumen, die in Brief- und Fernmeldegeheimnis, in Datenschutz, in Berufsfreiheit etc. eingreifen, ohne dass eben eine adäquate Kontrolle gewährleistet wäre, und das alles unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung.
Sie beschränken sich nicht auf die Terrorismusbekämpfung. Es ist gerade eine sehr günstige Gelegenheit: Im Huckepack-Verfahren erweitern Sie die Kompetenzen des Verfassungsschutzes auf die Bereiche Organisierte Kriminalität und Inlandsextremismus. Dazu möchte ich sagen: Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist für mich eine originäre Polizeiaufgabe und nicht primär beim Verfassungsschutz anzusiedeln.
Nicht zu finden sind notwendige Konkretisierungen, Verfahrensvorgaben und auch Beschränkungen dieser neuen Befugnisse, die mit diesem Gesetz eingeräumt werden. Diese sucht man vergeblich. Hier setzt auch die Kritik des Datenschutzbeauftragten an. Ich spreche die Notwendigkeit einer besonderen Kennzeichnung von Daten an, die zum Beispiel aus der Wohnraumüberwachung, also aus Abhörmaßnahmen stammen. Dadurch ist die absolute Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger betroffen. Dazu kann man nur sagen: Fehlanzeige, also keine besondere Kennzeichnung dieser Daten, obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits 1999 bezogen auf die Telefonüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, also durchaus vergleichbar, die Vorgabe der Kennzeichnung solcher Daten gemacht hat.
Gegenüber der Telefonüberwachung ist die Wohnraumüberwachung sogar noch der stärkere Eingriff. Diese Daten werden dann auch weitergegeben. Die Daten, die aus einer Wohnraumüberwachung gewonnen werden, können an Dritte weitergegeben werden, und zwar nicht nur an öffentliche Stellen, sondern auch an Private. Hier – weitere Fehlanzeige – fehlt es an einer Beschränkung dieser neuen Möglichkeit auf klar definierte Einzelfälle. Dies ist eben nicht der Fall. Klare Beschränkungen wären notwendig, um ein unkontrolliertes Vagabundieren persönlicher Daten zu verhindern.
Dritter Punkt: Einsatz des „IMSI-Catchers“. Auch hier fehlen Beschränkungen auf Fälle des Staatsterrorismus oder der Gefährdung der Völkerverständigung. Weitere Fehlanzeige. Auch das hat der Datenschutzbeauftragte kritisiert; denn gerade vom Einsatz des „IMSI-Catchers“ – Sie wissen, das betrifft die Ortung über das Handy – sind viele Unbescholtene zufällig betroffen. Diese werden mit dem „IMSI-Catcher-Staubsauger“ sozusagen mit aufgesogen.
Es wäre in Ordnung gewesen, wenn Sie sich, Herr Regensburger, auf die Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes des Bundes beschränkt hätten. Dieses Gesetz hier zeigt aber eine sicherheitspolitische Maßlosigkeit zulasten des Datenschutzes und zulasten der Bürgerrechte zu einem Zeitpunkt, zu dem noch überhaupt nicht überprüft worden ist und untersucht wurde, ob die Maßnahmen des Bundesterrorismusgesetzes der Terrorismusbekämpfung überhaupt dienen. Um dies evaluieren zu können, hat ja der Bundesgesetzgeber einen Überprüfungszeitraum festgelegt; dieses Gesetz gilt eben nur für einen kurzen Zeitraum von, ich glaube, drei Jahren. Genau diesen Überprüfungszeitraum vermisse ich in Ihrem Gesetz, Herr Regensburger. Dieser wäre notwendig gewesen, um tatsächlich überprüfen zu können, ob die Maßnahmen im angedachten Umfang hilfreich oder ob sie überzogen sind.
Wir haben unsere Änderungsanträge gestellt. Sie vonseiten der CSU haben sie zurückgewiesen. Somit müssen wir Ihren Gesetzentwurf natürlich ablehnen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Staatssekretär Regensburger.
während sie bei uns zu Recht einen Vertrauensvorschuss genießen. Das heißt nicht, dass sie ohne Kontrolle bleiben können. Ich bin mir auch sicher, meine Damen und Herren von der Opposition, dass der Gesetzentwurf vom Bundesinnenminister Schily völlig anders als das ausgesehen hat, was nun schließlich auf dem rot-grünen Koalitionsaltar herausgekommen ist.
Jetzt aber zur Position der Staatsregierung. Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, das Terrorismusbekämpfungsgesetz des Bundes und die Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses durch das Artikel-10-Gesetz in Landesrecht umzusetzen und es auch im notwendigen Umfang zu ergänzen. Dabei wahrt es die Belange und die Balance zwischen dem Grundrecht eines jeden Einzelnen auf Schutz seiner personenbezogenen Daten und der vom Staat zu garantierenden Sicherheit. Auch wenn eine absolute Sicherheit natürlich nicht geschaffen werden kann, so haben die Bürger doch verstanden, dass Freiheit ohne Sicherheit nicht möglich ist und deswegen ein verhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung möglich sein muss, wenn nur dadurch Gefahren für die innere Sicherheit und für den Bürger selbst abgewehrt oder zumindest begrenzt werden können.
Die mit diesem Gesetz verbundenen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind nicht nur verhältnismäßig, sie sind auch auf vielfache Weise abgesichert. Die parlamentarische Kontrolle ist sowohl in Bezug auf die Eingriffe in den Schutzbereich des Artikels 13 Grundgesetz hinsichtlich der Wohnungen als auch hinsichtlich der Auskunftsrechte gegenüber Banken, Fluggesellschaften, Post- und Telekommunikationsdiensteanbietern in vollem Umfang gewährleistet. Von einer Minimalkontrolle, von der Prof. Gantzer im Innenausschuss gesprochen hatte, bzw. von einer nicht gleichwertigen Kontrolle im Vergleich zur Bundesregelung, wie Frau Tausendfreund behauptete, kann deswegen keine Rede sein. Im Gegenteil: Wir haben die nach Bundesrecht erforderlichen Verfahren 1: 1 in das Bayerische Verfassungsschutzgesetz übernommen. Hier zu behaupten, die parlamentarische Kontrolle dieser Maßnahmen in Bayern und im Bund wäre nicht gleichwertig, ist schlicht falsch.
Der Gesetzentwurf von Prof. Gantzer und Frau SchmittBussinger zur Ausdehnung der Rechte des parlamentarischen Kontrollgremiums wiederholt einen im Wesentlichen inhaltsgleichen Gesetzentwurf aus dem Jahr 1999,
der bereits damals wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zurückgewiesen werden musste. Die erweiterten Rechte für das parlamentarische Kontrollgremium würden dazu führen – Sie haben das vorher schon angesprochen –, dass es gleichsam zu einem ständigen Untersuchungsausschuss umgestaltet würde. Nach der bayerischen Verfassung kann aber ein Untersuchungsausschuss nur von Fall zu Fall und mit einem ganz bestimmten Untersuchungsauftrag eingesetzt werden, jedoch nicht zum Zwecke einer fortlaufenden, vorbeugenden Kontrolle.
Ich möchte kurz die wichtigsten Änderungen im Bereich des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes herausgreifen. Wir haben durch dieses Gesetz die landesrechtlichen Verfahrensregelungen getroffen, um die durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingeführten Auskunftsrechte gegenüber Banken, Luftfahrtgesellschaften, Post-, Telekommunikations- und Telediensteanbietern nutzen zu können. Auf Landesebene haben wir ebenfalls eine Regelung zum Einsatz des IMSI-Catchers eingeführt, welche im Bundesverfassungsschutzgesetz nur dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorbehalten ist. Diese Befugnisse haben wir über die Bekämpfung des internationalen Terrorismus hinaus zu Recht auch auf die Gebiete des gewaltbereiten Inlandsextremismus und der Organisierten Kriminalität ausgedehnt. Die innere Sicherheit wird nämlich sowohl durch den Terrorismus als auch durch die organisierte Kriminalität oder durch den gewaltbereiten Inlandsextremismus bedroht.
Die neuen Befugnisse sind gerade zur Aufdeckung der in diesen Bereichen existierenden sehr verschachtelten Strukturen, in denen man mit herkömmlichen Methoden der Erkenntnisgewinnung bald an Grenzen stößt, von ganz eminenter Bedeutung.
In den Ausschüssen wurden vor allem folgende Punkte diskutiert. Die Opposition und der Landesbeauftragte für den Datenschutz, den wir, Herr Kollege Dr. Gantzer, durchaus ernst nehmen – er hat aber nicht das Alleinvertretungsrecht für Datenschutz –, forderten eine Kennzeichnungspflicht für Daten, die aus einer Wohnraumüberwachung stammen.
Eine solche Kennzeichnungspflicht wird jedoch weder durch die Verfassung noch durch Bundesrecht gefordert. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur strategischen Fernmeldekontrolle äußert sich nur zur Frage zur Kennzeichnung von Daten, die aus Telefonüberwachungsmaßnahmen stammen. Zum Schutz von Daten, die aus einer Wohnraumüberwachung stammen, enthält die Entscheidung keine Aussage. Wie man an den Vorschriften der Strafprozessordnung und des Bundesverfassungsschutzgesetzes sieht, wird unsere Auffassung offensichtlich auch vom Bundesgesetzgeber in vollem Umfange geteilt. Auch diese Regelungen enthalten nämlich keine Kennzeichnungspflicht für Daten aus der Wohnraumüberwachung.
Bei der Übermittlungsregel für Daten, die aus einer Wohnraumüberwachung stammen, wurde kritisiert, dass der Übermittlungszweck der Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu unbestimmt wäre. Auch diese Kritik ist unbegründet. Der Gesetzent
wurf sieht vor, dass Daten unter anderem zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Personen, übermittelt werden dürfen. Diese Regelung ist notwendig, um die Vielgestaltigkeit der möglichen Sachverhaltsvarianten berücksichtigen zu können. Eine Übermittlung muss dann möglich sein, wenn eine Anordnung der Lauschmaßnahme auch zu diesem Zweck möglich wäre. Nach dem Grundgesetz ist dies zulässig zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Nichts anderes haben wir in unserem Gesetz geregelt.
Wenn wir den Vorstellungen der SPD und des Bundesdatenschutzbeauftragten entsprechen würden, wären zum Beispiel Datenübermittlungen über geplante Straftaten nach §§ 125, 125 a Strafgesetzbuch – Landfriedensbruch – nicht zulässig. Die Polizei könnte dann nicht informiert werden, dass eine Gruppe Skinheads oder Autonomer plant, eine öffentliche Veranstaltung in massiver Weise zu stören. Dass eine Übermittlung bei Bagatellfällen nicht zulässig sein soll, ergibt sich daraus, dass Übermittlungen nur zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Personen, erfolgen können.
Es wurde weiterhin kritisiert, dass unser Gesetzentwurf hinsichtlich der Auskunftsrechte und des Einsatzes des „IMSI-Catchers“ auf die Organisierte Kriminalität ausgedehnt wurde. Auch die Ausdehnung zur Bekämpfung des gewaltbereiten Inlandsextremismus sei nach Auffassung der Opposition zu unbestimmt. Da frage ich mich, ob die Opposition die militanten Rechtsextremisten schon wieder vergessen hat. Die Sicherheitspolitik so kurzfristig zu betreiben, kann nämlich im wahrsten Sinne des Wortes tödlich sein.
Der Bürger will, dass er und sein Eigentum geschützt werden, egal, ob er durch den Terrorismus oder durch die Organisierte Kriminalität gefährdet wird. Da die Organisierte Kriminalität ein vergleichbares Bedrohungspotential wie der Terrorismus aufweist, muss der Staat auf diesem Feld die gleichen Waffen zu seiner Bekämpfung einsetzen können. Im Übrigen stellen die komplizierten Anordnungsverfahren neben dem Verhältnismäßigkeitsprinzip sicher, dass eine Einholung von Auskünften in Bagatellfällen ohnehin nicht angeordnet werden kann.
Die Forderung der SPD im Innenausschuss, Datenübermittlungen an Private nur zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuzulassen, ist ebenfalls nicht sachgerecht und außerdem praxisfremd. Dies würde die Gefahren in den anderen Beobachtungsbereichen des Verfassungsschutzes sträflich vernachlässigen. So könnte zum Beispiel ein Parteivorsitzender nicht informiert werden, wenn seine Sekretärin der Spionage verdächtigt ist. Ein Unternehmer könnte nicht gewarnt werden, dass in seinem Unternehmen Bestrebungen der Organisierten Kriminalität gefördert werden. Wer solche Regelungen fordert, versteht entweder nichts von der Sache oder schätzt die Sicherheitslage völlig falsch ein.
Wir brauchen nämlich – mehr als bisher – auch die enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, wenn wir die Organisierte Kriminalität und den Terrorismus wirklich wirksam bekämpfen wollen. Dies gilt auch für den Bereich des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes bei lebens- und verteidigungswichtigen Einrichtungen, der für die innere Sicherheit von überragender Bedeutung ist, da verhindert werden muss, dass terroristische Vereinigungen versuchen, Personen gezielt in derartige Einrichtungen einzuschleusen oder dort bereits Beschäftigte für ihre Zwecke anzuwerben. Die neuen Regelungen des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes ergänzen daher die bundesrechtlichen Regelungen.
Der Gesetzentwurf ist insgesamt ein wichtiger Beitrag für die innere Sicherheit in unserem Land. Die auf Bundesebene bestehenden Defizite, wie zum Beispiel die Einschränkung der Auskunftsrechte für den Bereich des auslandsbezogenen Terrorismus sowie die Einräumung der Befugnis zur Nutzung des „IMSI-Catchers“ nur durch das Bundesamt für Verfassungsschutz wurden daher in dem uns rechtlich möglichen Maße korrigiert.
Gleichzeitig werden die Rechte der G-10-Kommission gestärkt und die parlamentarische Kontrolle der neuen Maßnahmen sichergestellt. Der Gesetzentwurf stärkt daher die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz und führt dabei Schutzmechanismen ein, die sicherstellen, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch in Zukunft nicht ausgehöhlt, sondern in vollem Umfang gewahrt wird.