Protocol of the Session on July 12, 2000

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 44. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde, Ihre Zustimmung voraussetzend, erteilt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich noch einen Glückwunsch auszusprechen. Herr Staatsminister Miller feiert heute Geburtstag. Ich gratuliere ihm im Namen des Hohen Hauses und persönlich sehr herzlich und wünsche ihm für das neue Lebensjahr alles Gute, vor allem Gesundheit und viel Erfolg bei der Erfüllung seiner Aufgaben in Parlament und Staatsregierung.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2 j

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung der Bayerischen Haushaltsordnung (Drucksache 14/3979)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird seitens der Staatsregierung begründet. Dazu erteile ich Herrn Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser das Wort.

Guten Morgen Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Bayerische Staatsregierung legt dem Landtag heute einen Gesetzentwurf vor, der in Deutschland einmalig ist. Der Haushalt ohne Neuverschuldung soll in der Bayerischen Haushaltsordnung verankert werden.

(Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich stelle fest, dass die Opposition schon da und wach ist. Der Entwurf sieht vor, dass ab dem Jahr 2006 der Haushalt regelmäßig ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden soll. Ausnahmsweise bleibt eine Kreditaufnahme bis zur Höhe der Investitionen möglich, um den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen oder aus einem vergleichbar schwer wiegenden Grund. Darüber hinaus sind neue Kredite nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig. Die Anschluss- und Umfinanzierung bestehender Kredite ist selbstverständlich weiterhin zulässig.

Der Verzicht auf neue Schulden ist unabdingbar, um die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates dauerhaft zu erhalten. In Bayern hat die Kreditmarktverschuldung – einschließlich interner Grundstockverschuldung – 1999 immerhin 36,8 Milliarden DM betragen. In Deutschland lag die Staatsverschuldung 1999 mit 61,1% des Bruttosozialproduktes oberhalb des nach dem Vertrag von Maastricht zugelassenen Grenzwertes. Vor dem Hinter

grund, dass in der politischen Auseinandersetzung immer wieder von dem großen Schuldenberg, der hinterlassen worden sei, die Rede ist, bitte ich Sie zu sehen, dass wir für die Wiedervereinigung insgesamt 1,2 Milliarden DM aus dem Haushalt bezahlen mussten, und zwar zusätzlich zu den übrigen Herausforderungen der Politikgestaltung.

Insofern halte ich es für völlig unzulässig, die Schuldenhöhe der Bundesrepublik Deutschland mit der Verschuldung eines anderen europäischen Staates zu vergleichen. Denn die außergewöhnlichen Herausforderungen der Wiedervereinigung mussten andere Staaten nicht bewältigen. Die Sonderbelastung jederzeit zu berücksichtigen – dies an die Adresse der Opposition – ist ein Gebot der Fairness angesichts des historischen Glücksfalls der Wiedervereinigung.

Der Schuldenberg darf nicht weiter wachsen. Die steigende Zinsbelastung schränkt den politischen Gestaltungsspielraum immer mehr ein. Zwar liegt die Zinsbelastung des bayerischen Staatshaushalts deutlich unter der Quote des Bundeshaushalts von 20%. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die öffentliche Hand insgesamt pro Jahr rund 140 Milliarden DM Zinsen zahlt. Obwohl Bayern weit bessere Daten als alle anderen Länder und der Bund aufweist, liegt die Zinsbelastung pro Jahr immerhin bei rund 2 Milliarden DM. Diese Belastung darf nicht noch weiter zunehmen. Das in den letzten Jahren niedrige Zinsniveau kann sich bei positiver wirtschaftlicher Entwicklung wieder erhöhen. Schon daraus ergeben sich erhebliche Risiken für die bisherige jährliche Zinsbelastung von 2 Milliarden DM. Wenn der Schuldenberg weiter ansteigt, ist der Anstieg der Zinsbelastung unausweichlich.

Zusammen mit den steigenden Versorgungslasten der öffentlichen Hand ergibt sich daraus eine für viele Gebietskörperschaften dramatische Finanzlage. Die Zahl der Versorgungsempfänger des Freistaats Bayern wird sich von derzeit rund 85600 bis zum Jahr 2030 ungefähr verdoppeln. Das ist nicht mehr so weit weg, seit wir das Jahr 2000 schreiben; die psychologische Grenze in unseren Köpfen ist gefallen. Die Ausgaben für Versorgungsbezüge betrugen im Jahr 1999 rund 4,5 Milliarden DM. Bis zum Jahr 2030 wird sich der Anteil der Versorgungsausgaben an den Gesamtausgaben von derzeit rund 7,4% auf 13,5% erhöhen, wie wir hochgerechnet haben. Dagegen lässt sich nichts machen; das ist heute sozusagen schon auf dem Weg. Deshalb müssen wir uns auf Bereiche konzentrieren, wo wir handeln können: bei der Verschuldung und bei der Zinsbelastung.

Hinzu kommt bei den Ländern der hohe Anteil der Personalkosten für das aktive Personal. In Bayern liegt die Personalkostenquote bei mehr als 42%; in den übrigen Ländern gilt 40% plus x. Die freie Spanne, aus der alle übrigen Ausgaben bestritten werden müssen, droht daher immer mehr zu schrumpfen. Dem müssen wir entschlossen gegensteuern. Es geht um die Vermeidung von Belastungen für die nächste Generation mit Hilfe einer nachhaltigen Haushaltspolitik im Sinne von Verantwortung für die Jungen, die nach uns kommen.

Es geht auch um die Frage: Was ist zu tun, damit dieser Landtag etwa im Jahr 2030 noch gestalten kann? Gott sei Dank haben wir viele junge Menschen unter uns, die höchstens 30 Jahre alt sind.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo?)

Bei Ihnen da drüben nicht, aber bei uns gibt es viele junge, dynamische Menschen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CSU – Unruhe)

Diese jungen Menschen sitzen möglicherweise auch noch in 20 Jahren hier im Landtag. Aber wenn sich nichts ändert, werden sie dann nicht mehr viel gestalten können. Als der jetzige Bayerische Ministerpräsident, ich und einige andere 1974 damit begonnen haben, in diesem Hause Politik zu machen, betrug die Investitionsquote in Bayern mehr als 25%. Damals konnte man mehr gestalten, mehr entscheiden, mehr machen als heutzutage. Derzeit ist Bayern mit einer Investitionsquote von 15% Spitzenreiter unter den deutschen Bundesländern. Dieser Wert liegt aber um zehn Prozentpunkte unter dem, der vor mehr als 25 Jahren üblich war. Das ist der Punkt.

Mit dem, was wir jetzt auf den Weg bringen, geben wir also ein Signal für die künftige Politikergeneration, ein Signal im Hinblick auf Gestaltung. Wir werden also nicht nur eine Entlastung der jungen Generation erreichen, sondern auch Handlungsspielraum für künftige Regierungen und Landtage schaffen. Diese nachhaltige Finanzpolitik müssen wir im Interesse der nachfolgenden Generationen umsetzen. Was für alle anderen Politikfelder gilt – von der Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze bis zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen –, muss auch, sogar erst recht für die Sicherung der finanziellen Handlungsfähigkeit gelten.

Die kommenden Generationen werden aufgrund des demographischen Wandels ohnehin hohen Belastungen ausgesetzt sein. Wir müssen daher alles tun, um die Verschiebung von Lasten in die Zukunft zu vermeiden. Die steigende Lebenserwartung führt zu einer starken Zunahme der Zahl der Leistungsempfänger im Rentenalter. Gleichzeitig schrumpft der beruflich aktive Teil der Bevölkerung aufgrund des Geburtenrückgangs, der durch die Zuwanderung hinreichend qualifizierter Menschen nicht ausgeglichen, sondern allenfalls gelindert werden kann. Die kommende Generation wird schon aus diesem Grund mit steigenden Kosten der Alters- und Gesundheitsversorgung zu kämpfen haben. Der Größenordnung dieser Belastung sind wir uns heute gar nicht bewusst. Umso wichtiger ist es, dass wir durch den in diesem Hause gestaltetem Haushalt und das Finanzgebaren des Staates gegensteuern.

Vor dem dargestellten Hintergrund ist es nicht zu verantworten, dass wir heute, in einer guten Zeit, nach 50 Jahren Frieden und Mehrung des Wohlstands, nicht dazu bereit sind, die Rechnung für das, was wir heute konsumieren, selbst zu zahlen, sondern diese mit leichter Hand an unsere Kinder weiterreichen. Ich sage dies auch mahnend mir selbst. Ich kann mich daran erinnern,

dass ich in den Siebziger- und den Achzigerjahren gemeinsam mit Politikerinnen und Politikern der anderen Parteien Konstruktionen gewählt habe, die die eben angesprochenen Lastenverschiebungen zur Folge hatten. Die Nettoneuverschuldung ist ein technokratischer Begriff, mit dem vieles verschleiert werden kann. Je größer eine Volkswirtschaft ist, umso besser kann sie Nettoneuverschuldung verkraften. Aussagen wie diese trüben den Blick dafür, dass jede Nettoneuverschuldung das Aufhäufen neuer Schulden auf den hohen Schuldenberg bedeutet. So simpel ist es.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben doch wir nicht getan! – Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich so echauffieren, muss ich an sozialdemokratisch regierte Bundesländer denken, etwa an Nordrhein-Westfalen. Der dortige Finanzminister kommt manchmal traurig auf mich zu und sagt: Sie haben es gut.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Herr Kollege Steinbrück sagt: Sie haben es gut. Sie haben eine Zinsquote von rund 3%. Die bei uns liegt bei mehr als 8 %. Die Differenz von fünf Prozentpunkten ist ein politischer Spielraum, um den ich Sie beneide. Schönes Bayern! – Dass die Situation bei uns so günstig ist, ist ein Erfolg der Bayerischen Staatsregierung.

(Beifall bei der CSU – Kaul (CSU): Da schweigt die bayerische Opposition! – Weitere Zurufe von der CSU – Unruhe)

Nein, ich will in dieser Frage keine künstliche Differenz zwischen der Opposition und der Staatsregierung aufbauen. Denn ich habe den Eindruck, dass es zu dem, was wir hier vorlegen, keine Alternative gibt und dass die Opposition dies auch sieht.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Eine langfristig tragfähige Finanzpolitik ist die Grundlage für Geldwertstabilität und ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum. Die Haushaltspolitik der öffentlichen Hand hat unmittelbare Auswirkungen auf den Kapitalmarkt: Je geringer die Inanspruchnahme durch die öffentlichen Hand ist, umso billiger können sich Wirtschaftsunternehmen am Kapitalmarkt finanzieren. Der Verzicht auf neue Schulden ist damit die beste Standortsicherungsmaßnahme für die Bundesrepublik Deutschland.

Lassen Sie mich an dieser Stelle – gleichsam in Klammern – eine Bemerkung einfügen. Die Zuständigkeit für die gigantischen Volumina, um die es beim Schuldenmanagement geht, nicht mehr der Bundesbank, sondern einer Schulden-GmbH zu übertragen, das halte ich für einen falschen, für einen gefährlichen Weg. Denn wenn ich in der Hoffnung auf hohe Finanzierungsvorteile für den Bund die Zuständigkeit einer Schulden-GmbH übertrage, hat dies zur Folge, dass sich der Bund von einem langfristigen, ausgewogenen Schuldenmanagement auf ein Portfolio der Kurzfristigkeit umstellt. Das ist überaus

gefährlich für die Haushalte. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man einen derartigen Weg beschreiten kann. Abstrus wird derlei insbesondere, wenn man mit dem Gedanken, eine ganz andere Politik zu betreiben, eine derartige GmbH gründet, dort aber dieselben Personen handeln, die zuvor im Finanzministerium für die Problematik zuständig waren, und das zu höheren Preisen. Ich halte dies für einen skandalösen Vorgang.

Finanzpolitik hat immer auch Auswirkungen auf die Geldwertstabilität. Der damalige deutsche Finanzminister, Dr. Theo Waigel, hat seinerzeit aus guten Gründen den Stabilitäts- und Wachstumspakt durchgesetzt.

(Strasser (SPD): Das schlechteste Beispiel!)

Ich sage es noch einmal: Theo Waigel hat aus gutem Grund den Stabilitäts- und Wachstumspakt in Europa durchgesetzt. Das ist Faktum; das weiß doch jeder. Durch diesen Pakt werden die Teilnehmerstaaten der Wirtschafts- und Währungsunion verpflichtet, nahezu ausgeglichene Haushalte zu erreichen oder sogar Haushaltsüberschüsse zu erzielen. Ich erwähne dies, weil wir alle vor allem die berühmten 3 bzw. 60% im Kopf haben. Die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts gehen über diese Kriterien hinaus. Dieser enthält die Verpflichtung, eine Nettoneuverschuldung von 0% zu erreichen. Das ist der Weg; dahin geht der Druck.

Sechs EU-Staaten haben 1999 bereits Haushaltsüberschüsse erzielt. Das muss die Bundesrepublik Deutschland zur Kenntnis nehmen. Das muss langfristig auch Deutschland schaffen. Ich füge hinzu: Der Freistaat Bayern muss und wird in dem Zusammenhang eine Vorreiterrolle übernehmen. Es ist uns in der Vergangenheit gelungen, in der Finanzpolitik beispielgebend zu sein. Wir werden dies auch in den nächsten Jahren schaffen. Hier stehen wir großen Herausforderungen gegenüber.

In den USA beispielsweise war über viele Jahre hinweg eine ungeheuer hohe Verschuldung zu konstatieren. In diesem Jahr aber werden sie einen kaum noch zu glaubenden Haushaltsüberschuss vorweisen können: Sie werden einen Überschuss in Höhe von etwa 210 bis 230 Milliarden Dollar erzielen. Die USA wollen daher nicht mehr an ihrem Plan festhalten, ihre gesamten Staatsschulden in den nächsten 13 Jahren zu tilgen. Nein, sie wollen einen neuen Tilgungsplan vorlegen, nach dem sie ihre Schulden noch schneller zurückzahlen.

Das ist eine interessante Frage. Wir sind gegenwärtig im Bund und in den Ländern dabei, über einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung zu diskutieren. Die nächste Frage lautet logischerweise: Wann zahlen wir unsere bestehenden Schulden zurück? Die Amerikaner sind bereits soweit.

Wir müssen uns überlegen, wie man den aufgelaufenen Berg Schritt für Schritt abbauen kann. Wir müssen unsere Schulden in Höhe von 36,8 Milliarden DM zurückzahlen. Der vorliegende Gesetzentwurf dient dazu, das weitere Anwachsen der Schulden zu verhindern. Die Rückzahlung der Schulden steht noch aus. Die gleichen Gründe, die für einen Abbau der Neuverschuldung sprechen, legen auch einen Abbau der bestehen

den Schulden nahe. Die geringer werdende Zinslast schafft langfristig neue Spielräume. Wie das Beispiel der Vereinigten Staaten zeigt, muss man auch nach dem Erreichen des ausgeglichenen Haushalts den eingeschlagenen Weg der nachhaltigen Finanzpolitik entschlossen weitergehen.

Wie machen das die Amerikaner? Die Amerikaner haben deutliche Wachstumsraten und bleiben in ihrem Haushaltsgebaren deutlich unterhalb des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts. Sie betreiben eine strenge Haushaltspolitik trotz sprudelnder Steuereinnahmen aus dem Wachstum. Exakt so müssen wir es auch machen. Das ist der einzige Weg. Ich werde immer wieder gefragt, wo wir einsparen wollen. Wir sparen, indem wir auf allen Gebieten zurückhaltend sind, obwohl wir deutliche Wachstumsraten haben. Das ist unser Weg. Die Amerikaner haben dies beispielhaft vorgemacht.

Die Neufassung des Artikels 18 Absatz 1 Bayerische Haushaltsordnung ist eine finanzpolitische Innovation von größter Bedeutung: Erstmals wird in Deutschland der ausgeglichene Haushalt ohne Neuverschuldung per Gesetz zum Normalfall erklärt. Wir machen keine vagen Versprechungen, von denen wir vermuten, dass wir sie möglicherweise nicht mehr einhalten müssen. Wir machen keine vagen politischen Absichtserklärungen. Wir schaffen eine politische Verpflichtung, die diesen Landtag ebenso bindet wie alle Finanzminister der Zukunft.

(Kaul (CSU): Herr Staatsminister, im Jahr 2002 werden wir das auch im Bund ändern!)

Herr Kollege Kaul, das ist eine gute Aussage. Wenn die Union in Berlin die Regierung übernimmt, können wir das auch ins Bundesgesetzblatt schreiben. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Länder die Kompetenz haben, auf Landesebene Vorgaben zum Abbau der Neuverschuldung zu beschließen. Sie sind gemäß Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz in ihrer Haushaltswirtschaft selbstständig und voneinander unabhängig. Bei der Ausgestaltung ist der Landesgesetzgeber hingegen nicht völlig frei; denn die bundesrechtlichen Vorgaben in Artikel 109 Absatz 2 Grundgesetz sowie in Artikel 109 Absatz 3 Grundgesetz müssen beachtet werden. Danach haben die Länder bei ihren finanz– und wirtschaftspolitischen Maßnahmen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. In den Sechzigerjahren wurde diese keynesianische Politik in unserer Verfassung niedergelegt. Ich halte es für falsch, dass das heute noch in unserer Verfassung steht. Es ist jedoch ein Faktum.

In Artikel 18 der Bayerischen Haushaltsordnung muss deshalb dem Haushaltsgesetzgeber – unbeschadet des Staatsziels eines Haushalts ohne Neuverschuldung – die Möglichkeit eingeräumt werden, Nettokredite zur Finanzierung des Haushalts jedenfalls dann aufnehmen zu können, wenn dies notwendig ist, um den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Wir können uns nicht aus dieser Vorgabe ausklinken. Das ist in der Verfassung vorgegeben. Deshalb müssen wir dies aufnehmen.

Allerdings möchte ich unseren Wirtschaftspolitikern sagen: Ich bezweifle, dass wir mit unserem Landeshaushalt oder einer Erhöhung unserer Nettoneuverschuldung einen Beitrag zum Ausgleich oder zur Verbesserung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts leisten können. Wir befinden uns in einem europäischen Binnenmarkt. Höhere Beträge aus dem Landeshaushalt können nach meiner Ansicht nur wenig zu einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht beitragen. Dies ist jedoch eine politische Bemerkung meinerseits. Wir sind verpflichtet, diesen Paragraphen so zu formulieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal deutlich zwischen dem, was im Grundgesetz steht und dem, was wir wollen, unterscheiden. Im Artikel 115 des Grundgesetzes steht, dass eine Nettoneuverschuldung der Normalfall ist. Ich interpretiere diesen Artikel so. Die Höhe dieser Nettoneuverschuldung ist lediglich durch die Summe der Investitionen gedeckelt. Wenn über diese Summe der Investitionen hinaus gegangen wird, muss dies begründet werden. In diesem Fall wird das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht herangezogen. Unsere Formulierung enthält zu der Formulierung des Grundgesetzes einen fundamentalen Unterschied: Bei uns wird der Normalfall, dass die Nettoneuverschuldung Null beträgt. Wir wollen einen ausgeglichenen Haushalt. Jede Mark, die über diese Untergrenze hinausgeht, muss mit dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht oder sonstigen besonderen Herausforderungen begründet werden. Dies ist der Unterschied zu dem, was der Bundesgesetzgeber im Grundgesetz vorschreibt. Auf diesen Unterschied wollte ich ausdrücklich hinweisen.