Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 98. Vollsitzung des Bayerischen Landtages. Presse, Rundfunk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Wie Sie sehen, ist diese erteilt worden.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich einen Glückwunsch aussprechen. Unser Kollege Friedrich Loscher-Frühwald feiert seinen Geburtstag. Ich gratuliere dem Kollegen im Namen des Hohen Hauses und natürlich auch persönlich. Ich wünsche ihm alles Gute für das neue Lebensjahr, vor allem Gesundheit und Erfolg bei der Erfüllung der Aufgaben im Parlament.
Wir haben heute mit 90 Minuten eine lange Fragestunde. Ich bitte zunächst Herrn Staatssekretär Freller für das Staatsministerium für Unterricht und Kultus um die Beantwortung der ersten Fragen. Erster Fragesteller ist Herr Kollege Strasser.
Herr Staatssekretär, warum war das Bayerische Staatsministerium entgegen früher abgegebenen Zusagen und Versprechungen bisher nicht bereit, einem Standort Höchstädt für eine Realschule – selbständig oder als Außenstellen – grünes Licht zu geben, nachdem dies zum Schuljahr 2001/2002 bereits erfolgen sollte, und wann ist definitiv mit einer endgültigen Entscheidung zu rechnen?
Herr Abgeordneter Strasser, Errichtungsvarianten der genannten Art wurden sowohl mit den Betroffenen erörtert als auch rechtlich und insbesondere unter Gesichtspunkten des Bedarfs sowie möglicher Auswirkungen auf die im fraglichen Bereich vorhandenen drei privaten und zwei staatlichen Realschulen geprüft. Ausreichend sichere Aussagen über das für ein differenziertes Unterrichtsangebot erforderliche dauerhaft ausreichende Schüleraufkommen waren bisher nicht möglich. Die Entscheidung wurde deshalb wiederholt zurückgestellt, um weitere verwertbare Erkenntnisse zur Geburtenentwicklung und zum Schüleraufkommen zu gewinnen. Ob die Zahlen des begonnenen Schuljahres 2002/2003 eine klarere Entscheidungsgrundlage bieten, wird in diesen Wochen geprüft.
Ergänzend möchte ich Folgendes hinzufügen: Es gab in der Tat auf Initiative von Abgeordnetem Winter schon weitreichende Verhandlungen mit einem privaten Träger, die in die Zusage mündeten, dass eine Auslagerung der fünften und sechsten Klassen nach Höchstädt möglich wären. Dieser private Träger hat allerdings kurz vor der Umsetzung zurückgezogen.
Herr Staatssekretär, da es in Nordschwaben – Donauwörth, Lauingen und in anderen Standorten – natürlich einen unwahrscheinlichen Zulauf gibt, frage ich Sie: Gibt es in Ihrem Ministerium Überlegungen, wie die Entwicklung der Realschulen in Nordschwaben insgesamt verlaufen sollte? Man muss den Eltern rechtzeitig sagen, wie es im kommenden Schuljahr aussehen soll.
Wie ich bereits in der Beantwortung Ihrer ersten Frage hervorgehoben habe, wird im Moment geprüft, wie die Geburtenentwicklung verläuft und wie sich das Schüleraufkommen in dieser Region weiterentwickelt. Auch die Zahlen des neuen Schuljahres werden sicherlich in die Überlegungen mit einfließen, ob wir Ausweitungen brauchen.
Herr Staatssekretär, mir geht es um diese Überprüfungen. Wir hätten einfach gerne einen klaren Zeitpunkt, weil dies wichtig für die Kreisgremien und alle Gremien vor Ort ist. Es wäre schön, wenn Sie sagen könnten, im November oder Dezember oder zu irgendeinem bestimmten Zeitpunkt seien die Überprüfungen abgeschlossen. Das Wort „Überprüfung“ höre ich von dem Staatsministerium bereits unwahrscheinlich lange. Es wird immer wieder überprüft. Können Sie definitiv sagen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt Ja oder Nein gesagt wird?
Herr Abgeordneter, das ist in dieser definitiven Form nicht möglich, weil der Zeitraum für die Erhebung der Zahlen davon abhängig ist, was in den umliegenden Landkreisen und im gesamten Regierungsbezirk an Zahlenmaterial erhoben werden muss, d.h. wir können nicht innerhalb kürzester Zeit so verbindlich prüfen, dass eine klare Aussage möglich ist. Aber ich sichere Ihnen gerne zu, dass eine rasche Überprüfung erfolgen wird.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen aus Ihren eigenen Verhandlungen mit dem Landkreis Dillingen bekannt, dass alle Zusagen für eine Außenstelle vorlagen, dass Ihr Haus sogar die personalrechtlichen Förderfragen weitgehend abgeklärt hat und bereit war, eine Gesetzesänderung anzustoßen? Wie die Insider wissen, könnte bei privaten Schulen beim Wechsel von der Außenstelle zur Hauptstelle eine Förderunterbrechung eintreten. Auch dies ist nach meinem Kenntnisstand damals schriftlich positiv beantwortet worden.
Ich habe einleitend eine Frage gestellt. Das ist jetzt der Zwischensatz. Herr Präsident, in drei Jahren ist viel geschehen, und das kann ich nicht in einer Sekunde zum Ausdruck bringen.
Ich kann die Frage beantworten. – Herr Abgeordneter Winter, ich kann mich erinnern, dass Sie mit den Verantwortlichen des Landkreises bei mir waren – es müsste im Frühjahr 2001 gewesen sein – und aus nachvollziehbaren Gründen sehr auf die Außenstelle Höchstädt gedrängt haben. Allerdings hat sich dabei herausgestellt – was jetzt auch Gegenstand der Antwort war –, dass die Errichtung einer staatlichen Schule so ohne weiteres nicht möglich gewesen ist. Wir haben Ihnen aber im Gespräch die Zusage gegeben, dass der private Träger, wenn er eine Außenstelle errichten will, mit den Klassen fünf und sechs anfangen kann, und haben – ausgesprochen wohlwollend im Hause weiterbegleitet – dem Träger auch in Aussicht gestellt, sehr schnell das entsprechende Genehmigungsverfahren durchzuziehen. Wie gesagt: Der Träger hat sich nicht mehr gemeldet bzw. ist offenkundig von seinem Vorhaben abgekommen.
Herr Staatssekretär, inwieweit sind die im sogenannten Kienbaum-Gutachten vorgeschlagenen Einsparmaßnahmen im Schulsport umgesetzt worden, und wie stellt sich die derzeitige Situation des Schulsports bezüglich der Unterrichtsversorgung der dritten und vierten Sportstunde und des Basissportunterrichts und die Zahl der Sportstudierenden dar?
Herr Abgeordneter Egleder, die durch das Kienbaum-Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bewältigung des Schülerbergs werden nicht fortgeführt und haben in Gänze nicht gegriffen.
Richtungweisend sind zum einen der Beschluss des Bayerischen Landtags, dass seit dem Schuljahr 1999/2000 die verfügbaren Sondermittel auch zur Beschäftigung hauptberuflicher Lehrkräfte umgeschichtet werden können, und zum anderen die fortlaufende Erhöhung der für den Ausgleich der Kienbaum-Maßnahmen im Bereich des Schulsports zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel. Bei den zweiten Nachtragshaushaltsverhandlungen 2002 konnte eine nochmalige Steigerung der hierfür eingestellten Mittel um 1,534 Mio. e auf nunmehr insgesamt 22,9 Mio. e erreicht werden.
Damit ist die Staatsregierung ihrem Ziel, an allen Schularten mittelfristig eine Rückgewinnung der dritten Sportstunde an den von den Kienbaum-Maßnahmen betroffenen weiterführenden Schulen sicherzustellen, einen wichtigen Schritt näher gekommen. Die von der Staatsregierung initiierten Maßnahmen haben wie folgt gegriffen:
Im Schuljahr 2000/2001 konnte der Rückgang des Sportunterrichts gestoppt werden, im darauffolgenden Schuljahr konnte sogar erstmals wieder ein Aufwärtstrend an den weiterführenden Schulen verzeichnet werden. Trotz weiterhin steigender Schülerzahlen ist der Bayerischen Staatsregierung damit die Trendwende bei der Umsetzung ihres Ziels der schrittweisen Rückgewinnung der dritten Sportstunde gelungen.
Diese positive Entwicklung wird durch den Beschluss des Bayerischen Landtags unterstrichen, dass die Rückkehr zu drei Wochenstunden Sportunterricht zunächst in den Jahrgangsstufen 5 und 6 – das ist der erweiterte Basissportunterricht – erfolgen solle.
Dieses Ziel wurde im abgelaufenen Schuljahr an den Gymnasien bereits vollständig und an den Realschulen fast vollständig erreicht. Im laufenden Schuljahr wird auch in allen Klassen der Jahrgangsstufen 5 und 6 an den Hauptschulen die vollständige Erteilung der dritten Sportstunde Wirklichkeit werden, da in den Anweisungen des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zur Klassenbildung entsprechende Vorgaben gemacht wurden. Darüber hinaus sind in allen Schularten den Schulleitern für das laufende Schuljahr vom Kultusministerium verbindlich zu erreichende Sportstundenindizes vorgegeben worden, die zu einer weiteren Steigerung der Landesindizes führen werden.
Ein Weiteres wird die in der neuen Stundentafel für die Gymnasien verbindliche Festlegung tun, dass in den Jahrgangsstufen 5 und 6 vier Wochenstunden und in den Jahrgangsstufen 7 und 8 drei Wochenstunden Sport zu erteilen sind.
Die aufgezeigten Maßnahmen verdeutlichen den hohen Stellenwert, den die Staatsregierung dem Schulsport als unaustauschbarem Bestandteil in der Gesamterziehung unserer Schülerinnen und Schüler beimisst.
Zur Frage der Zahl der Sportstudierenden teilte das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Folgendes mit: Seit 1987 ist die Zahl der lehramtsorientierten Sportstudierenden für alle Schularten kontinuierlich gestiegen und hat ihren Höhepunkt im Jahr 1997 erreicht. Die Gesamtzahl 1987 betrug 1955, die Gesamtzahl 19976380, was mehr als eine Verdreifachung ist.
Zwischen 1998 und 2000 war die Zahl der Sportstudierenden rückläufig, da die Zahl der Studienanfänger als Folge der durch die Kienbaum-Maßnahmen eingetretenen Bedarfsminderung stark zurückging. Die Gesamtzahl der Studierenden lag im Jahr 2000 jedoch immer noch um mehr als 70% über der Gesamtzahl des Jahres 1987.
In den letzten beiden Jahren hat sich die Zahl der Studienanfänger wieder stabilisiert. Es ist davon auszugehen, dass sie wieder steigen wird, wenn die Abiturienten erkennen, dass sich durch die derzeit anrollende Pensionierungswelle und die Rückgewinnung der dritten Sportstunde erneut ein hoher Bedarf an Sportlehrern abzeichnet.
Herr Staatssekretär, ist der Staatsregierung bekannt, dass wir inzwischen in Bayern offiziell von einem Bewegungsnotstand bei unserer Jugend, insbesondere bei der Schuljugend, sprechen müssen? Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um Verbesserungen im Schulsport zu erreichen? Denn die Erreichung der dritten Sportstunde wird mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen, was man in Anbetracht der Tatsache, dass darüber hinaus sehr viel Basissportunterricht ausfällt, nicht hinnehmen kann.
Herr Abgeordneter Egleder, Sie wissen ebenso gut wie ich, wie viele Sportstunden stattfinden, dass die Grundschule überhaupt nicht von den Kürzungen betroffen war und wir eine Fülle von Maßnahmen, zum Beispiel die „bewegte Grundschule“, die Aktion „Schule und Vereinssport“, „Sport nach 1“ und vieles mehr, ergriffen haben. Das zeigt, dass der Sportunterricht in Bayern einen hohen Stellenwert hat. Die von mir geschilderten Maßnahmen zeigen, dass wir bestrebt sind, den Sportunterricht auszubauen. Ich kann deshalb Ihre Auffassung, die Schuljugend hätte einen Bewegungsnotstand, nicht teilen. Die mangelnde Bewegung Jugendlicher, die Sie als Bewegungsnotstand bezeichnen, müsste meiner Meinung nach auch innerhalb der Familie diskutiert werden.
Es ist zwar erfreulich, wenn wir mehr Sportunterricht erteilen können, aber 45 Minuten mehr oder weniger Sportunterricht können nicht die mangelnde Bewegung im häuslichen Bereich ausgleichen. Ich appelliere an die Eltern, darauf zu achten, dass sich die Kinder bewegen. Dies muss schon im Vorschulalter geschehen. Die Eltern müssen darauf achten, dass die Kinder viel laufen, dass sie wandern und in den Vereinen Sport treiben. Ich bin der Auffassung, dass der Staat nicht die Bewegung jedes Menschen bzw. jedes Schülers garantieren kann.
Wir können zwar die Rahmenbedingungen an den Schulen schaffen, was auch geschehen ist, ich würde mir aber auch wünschen, dass weniger Entschuldigungen für Kinder ausgestellt werden, die eigentlich durchaus in der Lage wären, am Sportunterricht teilzunehmen. Oft werden die Kinder mit teils fadenscheinigen Argumenten entschuldigt. Das sind in der Regel die Kinder, die den Sportunterricht dringend nötig hätten.
Sportlehrer klagen immer wieder darüber, dass viele Schülerinnen und Schüler nicht am Sportunterricht teilnähmen, weil sie mit fadenscheinigen Begründungen
entschuldigt würden. Dies ist vor allem in Anbetracht der gut ausgestatteten Sportstätten und des hervorragenden Personals nicht hinnehmbar. Ich würde mir wünschen, Herr Egleder, dass wir gemeinsam eine Aktion starten, um dies zu ändern.