Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Desaster bei der Maxhütte markiert das Ende eines langen Siechtums dieses Unternehmens, eines Unternehmens, an dem sich der Freistaat Bayern nicht nur da und dort versucht hat, sondern an dem er Miteigentümer ist.
Es ist noch keine zwei Jahre her, da hat sich Edmund Stoiber als Retter dieses Unternehmens feiern lassen. Jetzt muss wieder Otto Wiesheu ran, der Scherbensammler. Meine Damen und Herren, Wiesheu muss immer ran, um mit Schaufel und Besen zusammenzukehren, was der Wirtschaftspolitiker Stoiber wieder einmal an Porzellan in diesem Lande zerdeppert hat.
Apropos Porzellan: Beim Stahlwerk Maxhütte zeigt sich dasselbe wie bei der Porzellan- oder bei der Textil- und bei einigen anderen klassischen Industrien: Die HighTech-Propagandisten und Silicon-Valley/Bavaria-Architekten sind immer dann ratlos und konzeptionslos, wenn es um die effektive Begleitung der vom Strukturwandel betroffenen Branchen und Regionen geht. Denn die bayerische Erfahrung lehrt: Sie können durch noch so viele Privatisierungsmilliarden nicht so viele Softwareentwickler in Germering generieren, wie Sie durch eine verfehlte Politik in den klassischen Industrien an Arbeitsplätzen verlieren. Das ist die Bilanz der letzten Jahre.
Die Maxhütte, meine Damen und Herren, ist nur ein prominentes und zugleich momentan das jüngste Beispiel für eine Serie von Pleiten, Pech und Pannen, die Herr Stoiber zu verantworten hat.
Bei der LWS fing es mit 500 Millionen DM, die versenkt wurden, noch soft an. Bei der Landesbank war es dann schon über eine Milliarde. Der fortgesetzte Fehlschlag bei Hutschenreuther war ein Vorspiel für das, was bei der Maxhütte passiert ist. Die Schneider Rundfunkwerke folgten dem Desaster beim Grundig-Konzern. Hinzu kommt Fairchild-Dornier. Dazu gesellen sich der Deutsche Orden und die Schmidt-Bank. Schließlich der Supergau beim Superspezi Leo Kirch.
Herr Wiesheu, Sie haben uns in diesem Hause zusammen mit Herrn Huber mehrfach die grandiose Politik der Staatsregierung bezogen auf den Medienstandort Bayern erklärt. Sie haben uns sibyllinische Antworten auf die Vorgänge bei Kirch gegeben. Sie haben hier und heute – dazu fordere ich Sie auf – die Gelegenheit, uns endlich darzustellen, wie es dort weitergehen soll, meine Damen und Herren.
Der gesamte Befund ist viel drastischer, als an diesen sechs, sieben Beispielen deutlich wird. Meine Damen und Herren, im Jahre 2001 verzeichnete der Freistaat Bayern knapp 4000 Pleiten. Was sagt uns das? – Das ist ein Anstieg um 28%. Das sind 28% mehr Pleiten als im Jahr zuvor. Der Anstieg in ganz Deutschland lag bei 14%, in Bayern bei 28%. Stoibers Politik produziert doppelt soviel Insolvenzen wie im Rest Deutschlands. Das sagt uns dieser Befund, meine Damen und Herren.
Während Bayern in diesem Jahr beim Wirtschaftswachstum vom zweiten Länderplatz auf den vierten oder fünften Länderplatz zurückgefallen ist, hat sich der Freistaat Bayern im Gegensatz dazu beim Zuwachs der Arbeitslosigkeit mit mehr als 12% endgültig den negativen Spitzenplatz gesichert. Das eine hat mit dem anderen zu tun. Wer eine Politik betreibt, die doppelt so viel Pleiten wie im übrigen Deutschland produziert, muss sich nicht wundern, wenn er in einem Vergleichsjahr mehr zusätzliche Arbeitslose als in jedem anderen Bundesland erntet, meine Damen und Herren.
Dass die bayerische SPD bei ihrer kritischen Betrachtung der Stoiberschen Wirtschaftspolitik mehr und mehr Bündnispartner findet, wundert dann freilich letztlich nicht. Ich darf dazu ein paar Zitate bringen, etwa aus dem „Neuen Tag“ vom 7. Juni. Da heißt es: „Die Zweifel an Stoibers Wirtschaftskompetenz wachsen.“ Das ist wahrscheinlich aus einem alten SPD-Text abgeschrieben. Ich sage ja, dass die Partnerzahl wächst. Der CDUWirtschaftsrat sagt, ein Richtungswechsel soll gemacht werden, „weg vom Staatsinterventionismus hin zu einer wachstumsfördernden Wirtschaftspolitik“. Dem kann ich nur zustimmen.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ein zweites Zitat bringen, um zu bekräftigen, was ich gesagt habe. Das „Handelsblatt“, ganz gewiss keine linke Postille, schreibt: „Die Insolvenz der bayerischen Maxhütte nährt Zweifel
am ordnungspolitischen Kompass des Unionskanzlerkandidaten.“ Titel: „Der Mythos der Wirtschaftskompetenz verblasst." Ich zitiere: „Kein Wunder freilich. Es ist nur eines von etlichen Beispielen für die quasi staatskapitalistische Wirtschaftspolitik Stoibers, und es ist kein Geheimnis, dass diese in Brüssel als geradezu absurde Ideen und als anachronistisch abgebügelt werden.“ Das schreibt das „Handelsblatt“ vom 7. Juni. Dasselbe „Handelsblatt“, das ich bewusst gewählt habe, damit Sie nicht sagen können: Ihr mit euren Blättern, schreibt: „Maxhütte-Pleite bringt Stoiber in Erklärungsnot.“ – Nicht nur diese Pleite. Ich habe ein interessantes Zitat gefunden, das ich Ihnen auch nicht vorenthalten will. Man hört da und dort, dass Sie im Herbst eine Koalition mit der FDP anstreben, was die Wähler verhindern mögen. Falls Sie das dennoch vorhaben, soll Herr Brüderle bei der FDP eine wesentliche Rolle spielen. Herr Brüderle ist immerhin gewesener Wirtschaftsminister und stellvertretender FDP-Vorsitzender. Ich zitiere: „FDP-Parteivize Rainer Brüderle warf dem Kanzlerkandidaten der Union vor, mit seiner Wirtschaftspolitik Milliarden Euro Steuergelder versenkt zu haben. Stoibers wirtschaftspolitische Strategie ist kein Zukunftsmodell für Deutschland, sagte Brüderle dem Handelsblatt und sprach Stoiber jegliche Kompetenz in Sachen Wirtschaftspolitik ab.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was brauchen Sie denn noch an guten Ratschlägen von vermeintlich guten Freunden, um endlich jenen Kurs zu gehen, zu dem wir Ihnen schon lange raten. Hören Sie auf mit dem klassischen Staatsinterventionismus. Dieser ist mit den DDR-Kommunisten gestorben. Machen Sie eine Wirtschaftspolitik, die wachstumsfördernd wirkt, keine interventionistische Politik mit Liquiditätshilfen.
Wir brauchen in diesem Land Kapital für den Mittelstand. Dafür haben Sie kein wirkungsvolles Konzept,
obwohl Sie nach Ihren Worten die beste Landesförderbank haben. Wir brauchen endlich eine Strukturpolitik, die die Branchen und die Regionen, die vom Strukturwandel betroffen sind, mindestens genauso fördert wie die Hightech-Branchen, die im Grunde genommen keine Hilfe brauchen, weil sie alleine wachsen. Auf sie wird von Ihnen absolut einseitig gesetzt. Wir brauchen mehr Investitionen in Bildung und Ausbildung. Es ist kein Wunder, dass die Arbeitslosigkeit dort am höchsten ist, wo der Ausbildungsstand am geringsten und die Ausbildungsplätze am wenigsten sind. Das sind die Parameter für eine Wirtschaftspolitik, die notwendig ist, damit wir vom Pleiten-, Pech- und Pannenplatz 1 und vom Platz 1 beim Zuwachs der Arbeitslosigkeit in Deutschland endlich wegkommen. Wir wollen diese Debatte führen, damit wir von Ihnen endlich hören, wie wir aus dieser Lage herauskommen.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich habe gedacht, dies wäre eine Aktuelle Stunde zur Maxhütte, aber das Wort Maxhütte fiel bei Herrn Hoderlein nur einmal.
Aussagen zur Maxhütte? – Fehlanzeige. Mit Sicherheit ging es Ihnen auch nicht um die Maxhütte. Ihnen ging es um eine Kurzrede zur Bundestagswahl, aber sie ging daneben. Sie haben das Thema verfehlt.
Sie haben zur Maxhütte weder eine Anmerkung noch einen Vorschlag noch eine Idee noch sonst irgend etwas gebracht. Das ist typisch SPD. Der erste Redner in einer aktuellen Stunde soll doch die aktuelle Stunde begründen! Das hat er nicht getan.
Moment einmal. Ich habe Ihnen auch zugehört. Ich habe auch gehört, was Herr Hoderlein für die SPD zur Maxhütte offensichtlich zu sagen hat.
Herr Kollege Maget, in der nächsten Woche wird zu diesem Thema vermutlich wieder Polemik gemacht. Sie werden – wie ich gehört habe – in der nächsten Woche mit Herrn Kollegen Stiegler die Maxhütte besuchen. Herr Kollege Stiegler kann ohne Polemik überhaupt nicht leben.
Das können Sie jederzeit. Ich wäre nur dankbar, wenn Ihre Bundespolitiker auch einmal Hilfen des Bundes mitbringen würden und sich nicht auf Ankündigungen beschränkten.
Ich mache so weiter, wie Herr Hoderlein begonnen hat. Herr Hoderlein hat die Intonierung vorgegeben. Sie müssen sich jetzt ein paar Fakten zur Maxhütte anhören.
Wir haben im Jahre 1994 einen Vorschlag zur Restrukturierung der Maxhütte eingereicht. Dieser Vorschlag war mit einer erheblichen Finanzmittelausstattung von etwa 200 Millionen DM verbunden. Die Abdeckung der bis dahin gewährten 75 Millionen DM war in diesem Paket
enthalten. Die SPD hat dem sowohl im Haushaltsausschuss als auch im Wirtschaftsausschuss zugestimmt. Diese Politik war einvernehmlich. Sie wissen, dass bis dahin von der Europäischen Union Subventionen für ECO-Stahl genehmigt worden sind. Diese Subventionen beliefen sich auf 385 Millionen DM und auf 900 Millionen DM. Für das Unternehmen Freital in Sachsen wurden 330 Millionen DM genehmigt. Insgesamt wurden im Jahre 1994 europaweit meines Wissens 1,5 Milliarden DM genehmigt. Die Hilfen für die Maxhütte wurden jedoch nicht genehmigt. Wir durften keine Mark auszahlen. Dagegen wurde geklagt. Diese Klage haben die Kläger vor dem Europäischen Gerichtshof verloren. Dem Freistaat waren somit bei diesem Konzept die Hände gebunden.
Im weiteren Verlauf wurde ein Antrag auf Insolvenz gestellt, interessanterweise nicht vom technischen oder vom kaufmännischen Geschäftsführer, sondern vom Personalchef. Ich bezweifle auch heute noch, dass dies die erste Aufgabe eines Personalchefs ist. Die eigentliche Absicht war, den Eigentümer auszutauschen. Offenbar wollte man Herrn Aicher loswerden und dafür Herrn Grossmann holen, weil dieser der Belegschaft schöne Augen gemacht hatte. Herr Grossmann kam und hat verhandelt, bzw. die Verhandlungen auf mich abgeschoben. Dies galt auch für die Verhandlungen mit den Banken. Er wollte die Kredite serviert bekommen. Nachdem wir die Verhandlungen abgeschlossen hatten, wollte er zusätzliche Leistungen, die wir ihm nur illegal, nicht aber mit Zustimmung der EU hätten geben können.
Ein früherer Ministerpräsident von Niedersachsen, der inzwischen Kanzler ist, hat einmal bei der Übernahme eines Stahlwerks dem Übernehmer 60 Millionen DM auf einem Umweg zugeschoben. Dieser Tatbestand ist heute bekannt. Deshalb kann ich darüber öffentlich sprechen. Die Masche war ganz einfach: Dem Übernehmer wurde gesagt, er könne ein neues Modell ausprobieren, um einen vorhandenen Schlackenberg zu entsorgen. Wenn das nicht funktionieren sollte, könnte er das Geld behalten. Selbstverständlich hat diese neue Methode nicht funktioniert, weil auf diese Weise das Geld für die Betriebsübernahme eingeschoben werden konnte. Die Sache wurde ruchbar, woraufhin die EU ein Verfahren mit dem Ergebnis einleitete, dass Herr Grossmann zurückzahlen musste. Meine Damen und Herren, derartige Methoden kamen für mich in Bayern nie in Betracht. Es ist einfach unsinnig, jemanden mit Subventionen zur Übernahme eines Betriebes zu bewegen, wenn danach alles auffliegt. Deswegen habe ich klar Nein gesagt. Zu den Leistungen möchte ich nichts sagen, weil darüber vertraulich gesprochen wurde. Dies war der eigentliche Grund für das Scheitern. Die Primär-Ursache lag nicht bei Herrn Aicher.
Die IG-Metall und der Betriebsrat waren daraufhin bezüglich Herrn Grossmann desillusioniert. Danach stieg niemand mehr ein. Aus diesem Grunde musste bei einem nicht zwingend notwendigen Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter den Betrieb weiterführen. Wenn ein Betrieb Insolvenz angemeldet hat, ist er aber schwerer zu führen als im Normalfall, weil sowohl die Kunden als auch die Lieferanten dem Betrieb schärfere Bedingungen diktieren. Dies war für den weiteren Weg der
Maxhütte bestimmend. Dann haben sich Investoren gemeldet, zum Beispiel Herr Scholz aus Baden-Württemberg und Veneto. Beide Investoren haben letztlich abgesagt.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Glück?
Herr Staatsminister, können Sie uns darüber informieren, unter welchen Umständen es zum Insolvenzantrag kam? Haben Sie Kenntnisse darüber, warum Herr Schösser sein Aufsichtsratsmandat niedergelegt hat?
Herr Kollege Glück, nach meinen Informationen wurde der Insolvenzantrag vom Personalchef ohne das Wissen der beiden anderen Geschäftsführer gestellt. Die Absicht war, den bis dahin amtierenden Eigentümer, Herrn Aicher, loszuwerden. Nach meiner Kenntnis hat Herr Schösser den Aufsichtsrat der Maxhütte verlassen, weil er mit dem Kurs der IG-Metall bzw. des Betriebsrats nicht einverstanden war. Er war der Auffassung, dass diese Sache daneben gehen würde. Das war der Hintergrund. Ich möchte das nicht weiter vertiefen.
Die Verhandlungen mit Herrn Scholz und Veneto wurden bei mir stunden- und tagelang geführt. Wir haben diesen Unternehmen klargemacht, dass wir alles tun werden, was EU-rechtlich möglich ist. Was EU-rechtlich nicht geht, können wir nicht machen. Wir verfügen über gewisse Erfahrungen mit der EU, sodass wir ziemlich genau sagen können, was geht und was nicht geht. Beide Unternehmen haben die Verhandlungen in die Länge gezogen und am Ende erklärt, dass sie kein Interesse mehr hätten. Der Insolvenzverwalter geht davon aus, dass es sich bei einem potenziellen Investor aus Kanada um eine Luftnummer handelt.