Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 74. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Meine Damen und Herren, ich möchte ein paar Glückwünsche aussprechen. Frau Kollegin Pranghofer konnte am 22. Oktober einen runden Geburtstag feiern. Halbrunde Geburtstage begingen am 23. Oktober Herr Staatsminister Hans Zehetmair und, ebenfalls am 23. Oktober, Herr Kollege Sebastian Kuchenbaur.
Im Namen des Hohen Hauses und persönlich gratuliere ich den Genannten sehr herzlich und wünsche ihnen alles Gute sowie Kraft und Erfolg bei der Erfüllung ihrer parlamentarischen Arbeit.
Ich bitte zunächst Herrn Staatsminister der Justiz um die Beantwortung der ersten Frage. Erster Fragesteller ist Kollege Odenbach.
Guten Morgen, Herr Staatsminister, sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem es laut einem Pressebericht der „Süddeutschen Zeitung“ aufgrund von Personalproblemen am Bamberger Landgericht fraglich ist, ob es je zu einem Prozess gegen den früheren Leiter des Bamberger Sozialamtes und zwei seiner Mitarbeiter kommen wird, die von der Staatsanwaltschaft Bamberg des Betrugs und der Untreue beschuldigt werden – sie sollen der Stadt Bamberg und dem Freistaat Bayern zwischen 1991 und 1995 einen Schaden von rund 500000 DM zugefügt habe, – frage ich die Staatsregierung, was sie gegen den eklatanten Personalmangel am Bamberger Gericht zu tun gedenkt und wie sie sicherzustellen gedenkt, dass den Beschuldigten der Prozess gemacht wird.
Staatsminister Dr. Weiß (Justizministerium) : Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich beantworte die Frage wie folgt: Wie in der Presse geschildert, beschuldigt die Staatsanwaltschaft Bamberg einen Beamten der Stadt Bamberg und zwei Privatpersonen, in den Jahren 1994 und 1995 im Zusammenhang mit der Gewährung von Unterkünften für Asylbewerber und deren Verpflegung unberechtigt erhöhte Erstattungsbeträge geltend gemacht zu haben. Das Landgericht Bamberg hat die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht beschlossen. Mit Schreiben vom 25. September 2001 regte das Gericht stattdessen eine
Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 a StPO an und erwähnte in diesem Zusammenhang unter anderem die Belastung der Strafkammer mit einer Vielzahl vordringlicher Haftsachen. Zur Frage der Einstellung des Verfahrens hat sich die Staatsanwaltschaft noch nicht geäußert.
Die hohe Belastung der bayerischen Gerichte und Staatsanwaltschaften aufgrund der angespannten Haushaltslage ist hinlänglich bekannt. Die vom Bayerischen Landtag als dem Haushaltsgesetzgeber ausgewiesenen Richterstellen werden auf Vorschlag der Präsidenten der Oberlandesgerichte entsprechend der jährlich festgestellten Belastungssituation auf die einzelnen Gerichte verteilt. Die Überprüfung der Geschäftszahlen des Landgerichts Bamberg hat keinen eklatanten Personalmangel, wie die mündliche Anfrage unterstellt, ergeben. Die Belastung des Landgerichts Bamberg liegt zwar etwas über dem Durchschnitt des Oberlandesgerichtsbezirks Bamberg und dem Landesdurchschnitt. Trotz dieser Sachlage konnten bisher alle Geschäftsaufgaben des Landgerichts ordnungsgemäß erledigt werden, sodass für den Präsidenten des Oberlandesgerichts kein Anlass bestand, sich um eine Verstärkung zu bemühen.
Die Verteilung der gerichtlichen Geschäftsaufgaben ist Sache des Präsidiums dieses Gerichts, das in richterlicher Unabhängigkeit handelt. Das Präsidium des Landgerichts Bamberg hat die entsprechende Prüfung aufgrund des oben erwähnten Belastungshinweises der Strafkammer bereits eingeleitet. Dessen Entscheidung bleibt abzuwarten. Ich bin sicher, dass auch das angesprochene Strafverfahren, sollte über seine Eröffnung entschieden sein, ordnungsgemäß abgewickelt wird.
Herr Staatsminister, welche Folgen hätte es, wenn der zuständige Richter, wie er bekundet hat, den umfangreichen Prozess wegen Betrugs und Untreue nicht verhandeln kann oder wenn er bereits inhaftierte Kinderschänder, Vergewaltiger, Rauschgiftdealer und Räuber wieder frei herumlaufen lassen muss?
Der Richter hat selbst bereits deutlich gemacht, dass die Haftsachen vorgehen. Die Kinderschänder, Vergewaltiger usw. werden also auf jeden Fall verurteilt. Wenn ein Verfahren nicht rechtzeitig betrieben wird, hat dies zur Folge, dass es zu einer Verjährung kommen könnte. Sie dürfen aber davon ausgehen, dass es dazu nicht kommen wird.
Herr Staatsminister, nachdem die Ermittlungen – von der Bamberger Presse wird das ja als Justizskandal bezeichnet – in diesem Fall fünf Jahre gedauert haben, frage ich Sie, ob dies angesichts der personellen Situation in unseren Staatsanwaltschaften
Die Ermittlungen in Wirtschaftssachen dauern in der Regel sehr lange. Gerade wenn es darum geht, dass Beamte Sozialhilfemittel möglicherweise falsch eingesetzt haben, ist es nachvollziehbar, dass es äußerst schwierig ist, die Akten beizuziehen und genau zu überprüfen. Auf jeden Fall ist es nicht der Normalfall, dass Verfahren so lange dauern. Bei Wirtschaftsstrafsachen, gerade wenn es um Konkurse usw. geht, kann es andererseits durchaus etwas länger dauern. Dies liegt dann aber nicht an der schlechten Besetzung der Staatsanwaltschaft, sondern an der Problematik der Materie.
Herr Staatsminister, welchen Rat würden Sie diesem Richter geben? Wie soll er in der konkreten Situation entscheiden?
Der Richter hat zunächst einmal die Anregung gegeben, das Verfahren nach § 153 a StPO einzustellen, das heißt, dass das Verfahren gegen eine hohe Geldbuße abgeschlossen wird. Zunächst ist zu überprüfen, ob die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten mitmachen. Wenn jemand nicht zustimmen würde, wäre auf jeden Fall das Hauptverfahren zu eröffnen.
Ich möchte jetzt dem Präsidium nicht vorgreifen. So gäbe es beispielsweise die Möglichkeit einer Ersatzkammer oder der Verstärkung der Kammer. Ich will aber deutlich sagen: Der Richter, der dann dort hinkommt, muss woanders abgezogen werden, wo das Personal auch knapp ist. Ich habe im Gegensatz zur Kultusministerin leider keine Personalreserve, die ich einsetzen kann, wenn irgendjemand krank wird oder irgendwo eine Überlastung vorliegt.
Guten Morgen, Herr Minister. Ich frage die Staatsregierung, an welche externe Dienstleister Aufträge zur Durchführung des vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz initiierten Projekts bajTECH 2000 erteilt worden sind, und ich frage, welchen finanziellen Umfang die einzelnen Aufträge jeweils hatten und – die wichtigste Frage – ob diese Auftragserteilung nach öffentlicher Ausschreibung erfolgt ist.
Guten Morgen, Frau Kollegin Stahl. Ich beantworte Ihre Frage wie folgt, Herr Präsident. Bei der Durchführung des Pro
Erstens. Beratung und Unterstützung bei der Auswahl eines Leitverfahrens. Der Auftrag wurde der Firma debis Systemhaus erteilt. Er hatte ein finanzielles Volumen von 190000 DM. Eine öffentliche Ausschreibung wurde nicht durchgeführt.
Zweitens. Beratung und Unterstützung bei der Erstellung einer Voruntersuchung und eines Grobkonzepts für das Projekt bajTECH 2000. Der Auftrag wurde mit einer Vergütung in Höhe von 154000 DM der Firma INFORA GmbH erteilt. Eine öffentliche Ausschreibung wurde nicht durchgeführt.
Drittens. Beratung und Unterstützung bei der Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens. Der Auftrag wurde mit einer Vergütung in Höhe von 83600 DM der Firma UDF Unternehmensberatung GmbH erteilt. Eine öffentliche Ausschreibung wurde nicht durchgeführt.
Viertens. Beratung und Unterstützung beim Projekt– und Beschaffungsmanagement. Der Auftrag mit einem Höchstvolumen von 4816000 DM wurde der Firma INFORA GmbH erteilt. Eine öffentliche Ausschreibung wurde nicht durchgeführt.
Fünftens. Beratung und Unterstützung bei der Konzeption der system– und softwaretechnischen Rahmenbedingungen sowie zur Erstellung von Pflichtenheften für die Lieferung und den Betrieb von PC-Arbeitsplätzen und Systemkomponenten. Der Auftrag mit einem finanziellen Höchstvolumen von 3270400 DM wurde der Firma CSC PLOENZKE AG erteilt. Eine öffentliche Ausschreibung wurde durchgeführt.
Sechstens. Beratung und Unterstützung bei der Auswahl eines Textsystems. Der Auftrag mit einem finanziellen Volumen von 86000 DM wurde der Firma FAST GmbH erteilt. Eine öffentliche Ausschreibung wurde nicht durchgeführt.
Siebtens. Beratung und Unterstützung bei der Erstellung von Fachfeinkonzepten für die Entwicklung von IT-Fachverfahren sowie bei der Konzeption und dem Aufbau eines User-Help-Desk. Der Auftrag mit einem finanziellen Höchstvolumen von 3026000 DM wurde der Firma Siemens Business Services GmbH & Co. OHG erteilt. Eine öffentliche Ausschreibung wurde durchgeführt.
Achtens. Beratung und Unterstützung bei der Qualitätssicherung. Der Auftrag mit einem finanziellen Volumen von 53760 DM wurde der Firma UDF Consulting AG erteilt. Eine öffentliche Ausschreibung wurde nicht durchgeführt.
Neuntens. Realisierung der IT-Fachverfahren des Projekts bajTECH 2000. Der Auftrag mit einem finanziellen Volumen in Höhe von 18147 000 DM wurde der Firma Siemens Business Services GmbH & Co. OHG erteilt. Eine öffentliche Ausschreibung wurde zur notwendigen Sicherstellung einer einheitlichen Entwicklung bei anzupassenden vorhandenen und neu zu entwickelnden Tei
len des Gesamtprogramms nicht durchgeführt. Der Auftrag für die Entwicklung der vorhandenen anzupassenden und in das Gesamtverfahren einzugliedernden Programme wurde nach öffentlicher Ausschreibung erteilt.
Zum Projekt der Firma Siemens Business Services GmbH & Co. OHG möchte ich Sie fragen, ob es hier Folgeprogrammierkosten gibt, und wenn ja, in welcher Höhe. Ist dies ebenfalls ohne Ausschreibung erfolgt, oder wurde für diese Folgekosten eine Ausschreibung vorgenommen?
Staatsminister Dr. Weiß (Justizministerium) : Ich möchte zunächst feststellen, dass es hier eine Schwellenwertgrenze von 200000 Euro gibt. Alle Projekte, die über dieser Summe liegen, müssen europaweit ausgeschrieben werden. Bei Projekten, die unter diesem Betrag liegen, können andere Ausgabe– und Vergabeverfahren angewendet werden. Der Auftrag der Realisierung der IT-Fachverfahren des Projekts bajTech 2000 wurde freihändig an die Firma Siemens Business Services GmbH & Co. OHG in Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben. Der Auftragswert überschreitet zwar den Schwellenwert für die vorgeschriebene Durchführung europaweiter Vergabeverfahren, in diesem Fall tritt jedoch der Ausnahmetatbestand des § 3 a Nummer 2 Buchstabe e VOL/A zu.
Das Staatsministerium der Justiz hat 1996 nach Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens der Firma Siemens Business Services GmbH & Co. OHG den Auftrag zur Realisierung des Verfahrens „Projus Strafsachen“ erteilt. Wesentliche Komponenten dieses Verfahrens sind nunmehr auch für die weiteren, im Rahmen von BajTECH 2000 zu entwickelnden, IT-Fachverfahren nach Anpassung genutzt worden. Eine Aufteilung der Programmentwicklung auf zwei Unternehmen hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Unverträglichkeiten bei den Programmen und deshalb zu erheblichen Nachteilen bei der Nutzung sowie bei der Weiterentwicklung und Pflege der Programme geführt. Zu dieser Einschätzung kam auch ein externes Unternehmen, das zur Prüfung dieser Frage beigezogen worden ist. Aus diesem Grunde wurde der Anschlussauftrag der Firma Siemens Business Services GmbH & Co. OHG erteilt. Wir müssen mit diesem System weiterarbeiten, weil es problematisch wäre, wenn wir zu einer anderen Firma wechseln würden.
Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, dass für ein Folgeprogramm, bei dem mit einem Kosten
umfang von zirca 10 bis 15 Millionen DM zu rechnen ist, keine Ausschreibung erfolgt ist, weil dieses Programm mit dem System kompatibel sein muss?
Frau Kollegin, Sie haben das richtig verstanden. Wir haben dies extra überprüfen lassen, weil wir die Problematik kennen. Wenn ein Auftrag an eine Firma vergeben wird, erhält diese Firma automatisch Anschlussaufträge. Wir haben uns von der TÜV-Informationstechnik GmbH ein Gutachten erstellen lassen. Diese Möglichkeit ist in der VOL/A vorgesehen. Wir haben prüfen lassen, ob wir größere Vorteile bei einer Neuausschreibung hätten. Diese Frage wurde abgewogen. Wenn ich an eine bestimmte Firma gebunden bin, kann ich selbstverständlich nicht mehr so frei handeln. Das Gutachten kam jedoch zu dem Ergebnis, dass dieser Auftrag an die gleiche Firma vergeben werden sollte. Allerdings ist klar – dies steht auch in dem Gutachten –, dass wir uns nicht zu sehr an eine Firma binden sollten.
Damit sind diese beiden Fragen erledigt. Die nächsten Fragen werden an das Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie gerichtet. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Verkehrsverhältnisse in München möglicherweise dazu führen, dass wir in dieser Fragestunde etwas durcheinander kommen. Ich bitte deshalb alle Fragesteller, ins Plenum zu kommen. Der erste Fragesteller ist Herr Kollege Hartenstein. Er ist momentan nicht da. Der nächste Fragesteller ist Herr Kollege Brandl.