Winfried Mack

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Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Mit der heutigen Verfassungsänderung si chert der Landtag von Baden-Württemberg sein parlamenta risches Beteiligungsrecht bei europäischen Rechtsetzungs- und Vertragsänderungsverfahren. Wenn neues EU-Recht im Kompetenzbereich der Länder entstehen soll, muss der Land tag zustimmen.
Die bisher gängige Auffassung, nach der ein Landtag das Ab stimmungsverhalten der Landesregierung im Bundesrat nicht an seinen Willen binden könne, kann hinsichtlich der Recht setzung im „Staatenverbund“ EU – so hat es das Bundesver fassungsgericht im Maastricht-Urteil genannt – nicht mehr gelten. Wir betreten mit der heutigen Verfassungsänderung staatsrechtliches Neuland, das sicher auch noch einige Gene rationen von Studenten befassen wird.
Für den vom Grundgesetz garantierten Kompetenzbereich der Länder ist der Landtag das einzige vom Staatsvolk direkt le gitimierte demokratische Verfassungsorgan. Der Bundesrat ist nicht nur ein Bundesorgan; er ist auch nicht unmittelbar legi timiert. Damit ist unser heutiger Schritt aus der Sicht der Lan desverfassung genauso wie aus dem Blickwinkel des Arti kels 79 Abs. 3 des Grundgesetzes, nämlich der Ewigkeitsga rantie, zwingend. Damit gewährleisten wir den Legitimations strang hin zur Europäischen Union. Damit sichern wir auch die Existenz der parlamentarischen Demokratie in unserem Land – so, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil gefordert hat. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seinem Lissabon-Urteil im Hinblick auf den Deut schen Bundestag gefordert. Aber dies gilt genauso für den Landtag von Baden-Württemberg.
Wenn Baden-Württemberg als erstes Land in Deutschland die se Klausel in seine Verfassung aufnimmt, zeigen wir im Land Selbstbewusstsein und Gestaltungswillen. Mögen andere ihr Land als Freistaat bezeichnen, und mögen Verfassungsunkun dige immer wieder von „deutschen Bundesländern“ reden. Den Begriff „Bundesländer“ kennt weder das Grundgesetz noch die Landesverfassung. Baden-Württemberg ist ein Land, und zwar ein starkes Land, das zu Hause kraftvoll gestaltet und das Deutschland und Europa mitgestaltet.
Im EU-Jargon ist von „Multilevel Governance“ die Rede. Die se kann nur gelingen, wenn folgende zwei Eckpfeiler gege ben sind: die demokratische Legitimation aller Ebenen und der strikte Aufbau Europas nach dem Grundsatz der Subsidi arität.
Mehr denn je brauchen wir in diesem Haus unseren Europa ausschuss, der neben der Landesregierung, Herr Minister, nicht nur unsere staatlichen Kompetenzen sichert und über diese wacht, sondern genauso Europapolitik mitformuliert. Die Abstimmungsmaschinerie Bundesrat kann dies für uns nicht erledigen. Der vorliegende Entwurf für eine Verfas sungsänderung – das muss man wirklich hervorheben – ist ein Meisterstück unseres Europaausschusses.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch Herrn Landtags präsident Straub sowie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbei tern, Frau Göbbel in Brüssel und Herrn Hönle hier in Stutt gart, danken.
Landtagspräsident Straub hat bereits am Tag der Verkündung des Lissabon-Urteils als Erster und bisher Einziger öffentlich darauf hingewiesen, dass neben dem Bundestag genauso die Landtage an dem vom Bundesverfassungsgericht zwingend geforderten Zugewinn parlamentarischer Mitwirkungsmög lichkeiten teilhaben müssen.
Ich möchte auch allen Fraktionen danken. Denn diese Verfas sungsänderung kommt zustande, weil alle Fraktionen an ei nem Strang ziehen. Daran zeigt sich, dass man in diesem Haus kurz vor Ende der Legislaturperiode jenseits des Wahlkampfs weiterhin zukunftsträchtige Beschlüsse verabschieden und die Verfassung ändern kann.
Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Welche Folgerungen wir aus dem Streit über Stuttgart 21 und der Schlichtung zu Stuttgart 21 ziehen, wird große Aufmerksamkeit auf sich ziehen, nicht nur in Baden-Württemberg selbst, sondern genauso im übri gen Deutschland, in Österreich, in der Schweiz und in ande ren Ländern.
Ich kann hier nahtlos an das anschließen, was der Herr Bun despräsident vorhin gesagt hat. Es geht darum, eine zeitgemä ße Bürgerbeteiligung in einem Staat zu organisieren, der für wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt steht. Der Konflikt um Stuttgart 21, liebe Kolleginnen und Kolle gen, ist – wenn man genau darüber nachdenkt – keine Frage danach, ob wir mehr direkte Demokratie brauchen oder ob wir an der bewährten repräsentativen Demokratie festhalten. Wenn wir die Berichte aus anderen Ländern mit mehr direkt demokratischen Elementen lesen, dann stellen wir deutlich fest, dass über das Thema Politikverdrossenheit dort nicht an ders diskutiert wird als bei uns.
Wir müssen uns um die repräsentative Demokratie selbst küm mern. Das ist unsere erste Aufgabe. Dabei ist unsere erste Auf gabe, vor der eigenen Haustür zu kehren und zu überlegen, ob wir selbst, alle Parteien miteinander, gewisse Fehler gemacht haben. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte einmal in Bezug auf Stuttgart 21 und den Konflikt um Stuttgart 21 ge schrieben: „Politiker müssen ihr Handwerk wieder neu ler nen.“
Ob es in dieser umfassenden Art und Weise darum geht, weiß ich nicht. Aber sicher ist: Wir müssen vor der eigenen Tür keh ren, wir müssen überlegen, wo wir Fehler, die wir gemacht haben, beheben können.
Dabei geht es in erster Linie darum, dass wir Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger frühzeitig aufnehmen und ernst nehmen. Vielleicht war der Verweis auf Planfeststel lungsbeschlüsse und Planfeststellungsverfahren bei Stuttgart 21 im einen oder anderen Fall zu frech. Wenn ein Bürger ein echtes Anliegen hat, müssen wir dieses Anliegen aufgreifen. Wenn ein Bürger sagt: „Ich habe Angst, weil mein Haus di rekt über einem Tunnel steht, und ich habe Angst, dass mein Haus genauso absäuft wie das Stadtarchiv in Köln“, dann kön nen wir nicht sagen: „Hier hast du einen Planfeststellungsbe schluss; das sind die Akten, und da steht das alles drin.“ Viel mehr müssen wir diese Sorge ernst nehmen. Das Gleiche gilt für viele andere Themen.
Deswegen, glaube ich, sind wir uns in diesem Haus alle einig, dass die Schlichtung zu Stuttgart 21 ein großer Erfolg war. Das Motto von Ministerpräsident Stefan Mappus „Alles auf den Tisch, alle an den Tisch“ war das richtige Motto. Deswe gen sind wir auch zu einer deutlichen Befriedung der Situati on gekommen. Die Schlichtung war ein großer Erfolg, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Heiner Geißler hat gesagt, es müsse Schluss sein mit „Basta!“ Worauf hat er sich dabei bezogen? Er hat sich darauf bezo gen, dass in der Vergangenheit beispielsweise mit den HartzBeschlüssen Pakete auf den Tisch gelegt wurden und dann zu den Parlamenten gesagt wurde: „Vogel, friss oder stirb!“ Und zu den Menschen wurde gesagt: „Vogel, friss oder stirb!“
Deswegen müssen wir schauen, wie wir bei Themen, die die Gestaltung unserer Zukunft anbelangen – –
Jetzt hören Sie erst einmal zu, und dann reden wir darüber. Zuhören gehört auch zu einer vernünftigen demokratischen Kultur.
Wenn Sie eine Landtagsdebatte führen wollen und das Volk befragen wollen, bevor Sie die EnBW als börsennotiertes Un ternehmen kaufen wollen, dann sagen Sie es bitte. Aber das ist doch ein ganz anderes Thema.
Geißler hat sich mit seiner Aussage, es müsse Schluss sein mit „Basta!“, darauf bezogen, dass wir eine demokratische Kul tur brauchen, dass wir Projekte diskutieren wollen.
Ich glaube nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger von uns in Zukunft nicht auch Vorschläge für Projekte – auch für große Projekte – erwarten. Um unser Land voranzubringen, brau chen wir diese Vorschläge. Aber wir müssen als Volksvertre ter vorausgehen, und wir müssen dann die Beteiligung der Be völkerung auf Augenhöhe organisieren. Darum wird es in Zu kunft gehen.
Wer „Schluss mit Basta-Politik“ sagt, der muss auf der ande ren Seite auch sagen: „Wir brauchen ausführliche Diskussio nen.“ Aber, Herr Kollege Wölfle, wir brauchen keine endlo sen Diskussionen.
Herr Wölfle war derjenige, der gesagt hat: „Wir wollen eine Schlichtung, wir wollen
Heiner Geißler als Schlichter haben.“ Dann lese ich in der „Südwest Presse“ vom 6. Dezember 2010 – Zitat Wölfle –:
Wir sind nicht dafür da, den Schlichterspruch zu realisie ren. Wir kämpfen nicht dafür, das umzusetzen, nicht 1 : 1 und auch nicht 2 : 1.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gehört zu einem Wesensmerkmal der Demo
kratie, dass man, wenn man sich für etwas eingesetzt hat, wenn man einen Beschluss gefasst hat, dazu auch steht
und nicht das Weite sucht und nicht mehr versucht, sich schließlich zu der ganzen Situation nicht mehr zu bekennen. Sonst meint die Bevölkerung, wir führten sie an der Nase he rum.
Genauso muss gelten: Gesetze gelten für jedermann.
Herr von Herrmann von den Parkschützern –
dieses Zitat müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – empfiehlt seinen Aktivisten, auch in Zukunft etwas weiter zu gehen, als legal ist, und ganz bewusst Gesetze zu überschreiten.
Im Sinne einer wehrhaften Demokratie dürfen wir solche Or ganisationen und solche Aussagen niemals dulden.
Klar ist: Wenn in einer Demokratie Volksabstimmungen statt finden, dann müssen sie auch akzeptiert werden. Am ersten Adventssonntag – das ist noch gar nicht lange her – gab es in der Schweiz eine Volksinitiative, die sogenannte Ausschaf fungsinitiative der Schweizerischen Volkspartei. Worum ging es? Straffällig gewordene Ausländer sollen ohne irgendein Verfahren abgeschoben werden. Was war die Folge? In Zü rich und Bern musste die Polizei an jenem Abend mit Gum mischrot und Tränengas gegen Demonstranten vorgehen und die Parteibüros der Schweizerischen Volkspartei sichern – nach einer Volksinitiative! Wo ist da die Befriedungsfunkti on, die diesen Volksabstimmungen immer zugesprochen wird, wenn schließlich solche Ausschreitungen folgen?
Daran sehen wir, welche Gefahren entstehen können. Die Mi narettentscheidung brauche ich nicht zu erwähnen. Wir haben darüber bereits bei der Ersten Beratung dieses Gesetzentwurfs diskutiert.
Ich möchte die „Neue Zürcher Zeitung“ zitieren, die in Bezug auf das Nachbarland Deutschland gesagt hat, es gebe dort ei ne „naive Euphorie für Plebiszite“. Dies sollten wir uns auf der Zunge zergehen lassen.
Wenn wir jetzt darüber diskutieren, auch direktdemokratische Elemente in unsere bewährte Verfassung einzubringen, darf ich daran erinnern, dass der Herr Bundespräsident heute an diesem Pult dazu das Richtige gesagt hat: Wir stehen nicht am Ende der Debatte, sondern wir stehen am Anfang der Debat te. Solche Elemente der direkten Demokratie kann man nicht hoppla hopp einführen, sondern man sollte sich das genau überlegen.
Wir wollen auch die umfassende Beteiligung der Bevölke rung. Denn wir wollen, dass die Bevölkerung auch weiterhin hinter ihrer Verfassung steht. Was wir aber nicht wollen, Herr Kollege Sckerl, ist das, was Sie hier bei der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs gesagt haben. Sie haben gesagt:
Dieses Demokratiemodell
das wir jetzt haben –
hat sich restlos verbraucht.
Dieser Meinung sind wir definitiv nicht, sondern wir wollen auf unserem Demokratiemodell aufbauen.
Die überwiegende Mehrheit in Baden-Württemberg und Deutschland bekennt sich zur Landesverfassung und zum Grundgesetz.
Deswegen wollen wir dazu in der nächsten Legislaturperiode eine Enquetekommission einsetzen.
Wir wollen eine Enquetekommission einrichten, die sich mit all diesen Punkten beschäftigt.
In dieser Enquetekommission muss einmal grundlegend über die Frage diskutiert werden, was wir tun können, um die re präsentative Demokratie weiter zu stärken. Ich habe bei der Ersten Beratung gesagt – ich möchte das Zitat von Theodor Heuss noch einmal bringen –:
Eine Volksinitiative ist eine Prämie für jeden Demagogen.
Was will die Schweizerische Volkspartei erreichen? Sie will doch nicht das erreichen, was sie mit ihren Volksabstimmun gen macht – vielleicht dies auch. Hauptsächlich will sie aber erreichen, dass sie an die Macht kommt. Sie will das System in der Schweiz überwinden.
Wir haben gesagt, dass wir bei der Beratung des Gesetzent wurfs der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE, Druck sache 14/6866, den wir jetzt unter Tagesordnungspunkt 1 be handeln, gleich auch über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, der unter Punkt 4 der
heutigen Tagesordnung aufgeführt ist, diskutieren. Deswegen möchte ich den Gesetzentwurf von CDU und FDP/DVP hier in einem Satz erläutern. Da geht es auch um einen Punkt, der in der Koalitionsvereinbarung steht.
Wir wollen das in Artikel 60 Abs. 5 Satz 2 der Landesverfas sung vorgesehene Quorum für eine Volksabstimmung von ei nem Drittel auf ein Viertel absenken. Wir glauben, dass dar über im Haus Einigkeit besteht und dass dies auch im Vorfeld der dazu geplanten Enquetekommission schon beschlossen werden könnte.
Wir wollen aber auf jeden Fall ein Quorum erhalten. Denn wenn man sieht, wie wenige Bürger sich teilweise an den Volksabstimmungen beteiligen, dann erkennt man, wie wich tig und notwendig ein solches Quorum ist.
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Debatte zu dieser Enquetekommission in der kommenden Legislaturpe riode. Baden-Württemberg wird nicht eine „Dagegen-Repu blik“ werden, sondern Baden-Württemberg wird ein Land mit einer modernen repräsentativen Demokratie bleiben,
das die Infrastruktur schafft, die wir in einem modernen Land brauchen. Wir werden zukunftsfähige Bahnstrecken genauso bauen wie Umgehungsstraßen, wir werden Pumpspeicher kraftwerke genauso bauen wie Stromleitungen an die Nord see, wir werden Bildungs- und Forschungseinrichtungen bau en, und wir werden dies zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern bewerkstelligen.
Herzlichen Dank.
Herr Kollege Dr. Schmid, Sie haben vorhin gesagt, es könne nicht sein, dass Börsenrecht, also Bundesrecht, Landesverfassungsrecht bricht. Ist Ihnen Artikel 31 des Grundgesetzes bekannt, wonach Bundesrecht Landesrecht bricht und auch einfaches Bundesrecht Landes verfassungsrecht bricht?
Herr Präsident! Der Herr Staats sekretär hat um Zustimmung gebeten. Wir können dieser Bit te entsprechen.
Vielen Dank.
Herr Kollege Kretschmann, Sie sprechen über die Quoren bei Volksbegehren und Volksab stimmung. Sind Sie bereit, anzuerkennen, dass das mit der momentanen Debatte überhaupt nichts zu tun hat, sondern dass diese Debatte vielmehr mit dem zu tun hat, was der Prä sident des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt hat? Er sag te nämlich, dass, wenn Parlamente, wenn viele Parlamente entschieden haben, wenn alle Gerichte entschieden haben, nicht hinterher noch einmal eine Volksabstimmung kommen kann.
Kennen Sie die Aussage des Präsidenten des Bundesverfas sungsgerichts, dass dies im Regelfall schlicht und ergreifend nicht mehr möglich ist?
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! In Deutschland und in Baden-Württem berg ist der Staat als repräsentative Demokratie ausgestaltet. Herr Sckerl hat gerade gesagt: Bürger wollen Mitsprache. Ja, Herr Sckerl. Ich glaube, es ist Allgemeingut: Bürger sind zur Mitsprache in der repräsentativen Demokratie geradezu auf gefordert.
Das Modell unserer repräsentativen Demokratie ist lebendig und nicht überholt.
Unsere Landesverfassung von 1953 folgt dem Vorbild des Grundgesetzes. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wie auch der Landesverfassung waren geprägt von den Erfahrun gen der Weimarer Republik mit ihren Referenden. Die Mög lichkeit, auch Referenden abzuhalten, kam durch Conrad Haußmann, den Vorsitzenden des Verfassungsausschusses der Weimarer Nationalversammlung, in die Weimarer Verfassung.
Haußmann wurde eine gewisse Vorliebe für das Schweizer System nachgesagt.
Das erste Referendum wurde 1926 von SPD und KPD einge bracht und zielte auf die entschädigungslose Enteignung der deutschen Fürstenhäuser.
Langsam. – Das Referendum scheiterte; das Ergebnis war aber nach Meinung des damaligen parteilosen Kanzlers Lu ther ein „ungeheures Sprengpulver, das in das Volk hineinge worfen worden ist“.
Nein, es gab ein zweites Referendum, nämlich ein von der NSDAP, den Deutschnationalen, dem Stahlhelm und dem Alldeutschen Verband initiierter Volksentscheid gegen den Young-Plan. Dieses Referendum scheiterte im Dezember 1929 ebenfalls.
Es bot den beteiligten Gruppen aber die Möglichkeit, gegen den Versailler Vertrag und die so genannten Erfüllungspolitiker zu agitieren, welche den Repa rationsforderungen der Siegermächte des Ersten Weltkriegs nachkommen wollten.
Diese beiden Beispiele zeigen: Direktdemokratische Elemen te sind nicht unbedingt dazu angetan, zu den Ergebnissen zu führen, die uns von Bilderbuchautoren vorgeführt werden.
Nein, die gestatte ich im Mo ment nicht.
Direkte Demokratie kann Populismus und Polemik massiv fördern.
Denken Sie nur an die vielen gescheiterten Referenden in der Schweiz zu europäischen Fragen und zur Europäischen Uni on.
Erinnern wir uns, Herr Kollege, an die Abstimmung in der Schweiz zum Minarettverbot vor knapp einem Jahr, einge bracht von der SVP und der Kleinpartei Eidgenössisch-De mokratische Union. Alle anderen Schweizer Parteien – alle anderen! – hatten sich dagegen ausgesprochen. Aber gut 57 % der Bevölkerung in der Schweiz haben dafür gestimmt, Arti kel 57 der Schweizer Verfassung – dieser Artikel klärt das Ver hältnis zwischen Religion und Staat – folgendermaßen zu än dern: Das Bauverbot für Minarette soll als „geeignete Maß nahme zur Wahrung des Friedens zwischen den Mitgliedern unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften“ festgeschrieben werden.
Hinterher wurde gesagt, der Erfolg der Initiatoren sei völlig überraschend gekommen. Wer aber die Plakate der Befürwor ter genau angeschaut hat – eine Frau im schwarzen Tschador vor einer Schweizer Fahne mit raketenähnlichen Minaretten; jeder von uns erinnert sich noch an dieses Plakat –, musste mit diesem Ergebnis rechnen. Ein einziges Plakat hat damals die Emotionen so hochkochen lassen, dass alle Sachargumen te bei der Entscheidungsfindung nichts, aber auch gar nichts mehr gegolten haben.
Wollen wir das riskieren?
Sind wir in den vergangenen 57 Jahren nicht vielmehr mit un serer repräsentativen Demokratie gut gefahren?
Ein Volksentscheid führt auch nicht automatisch zu einer Be friedung in der Bevölkerung. Im Gegenteil: Nach einem er bittert geführten politischen Kampf kann eine tiefe Spaltung der Gesellschaft zurückbleiben.
Es ist noch lange nicht gesagt, dass die Ergebnisse dann auch von allen politischen Gruppierungen anerkannt werden. So haben die Schweizer Grünen angekündigt,
gegen die Minarettentscheidung und gegen das Votum des ei genen Volkes den Europäischen Gerichtshof für Menschen rechte in Straßburg anzurufen.
Theodor Heuss von den Liberalen – auch ein guter Mann, Herr Kollege –
hat formuliert:
Eine Volksinitiative ist eine Prämie für jeden Demagogen.
Dem Demagogen geht es nicht darum, im ersten Anlauf bei einer Volksabstimmung zu siegen. Er findet aber in dem Volks begehren die Plattform, um seine Botschaften, seine Polemik zu platzieren und sich mediale Aufmerksamkeit zu sichern,
die er sonst nie und nimmer bekommen würde.
Vielleicht könnt ihr ein bisschen ruhiger sein. Jetzt hört ihr mir zu; wir hören euch auch zu.
Deshalb möchte ich davor warnen, das zu beschließen, was uns SPD und Grüne in diesem Gesetzentwurf vorschlagen: ei ne Verankerung der Volksinitiative – Herr Stickelberger hat es erläutert – in unserer Landesverfassung.
Danach wäre der Landtag verpflichtet, binnen sechs Monaten über den Gegenstand einer jeden Volksinitiative einen Be schluss zu fassen. 10 000 Unterschriften sollen ausreichen, um irgendeine Initiative ins Parlament einzubringen. Ich fra ge mich: Wieso soll ich dann noch in eine Partei eintreten, in der ich zunächst einmal viele von meiner Position überzeu gen muss, ehe die Fraktion meiner Partei den Vorschlag ins Parlament einbringt?
10 000 Unterschriften sind schnell zu bekommen – für ein Mi narettverbot ganz schnell.
Das ist nur eine Frage des organisatorischen Geschicks.
Es würde der politischen Kultur und dem inneren Frieden in unserem Land nicht guttun, wenn wir den Demagogen stän dig ihre Prämie auszahlen müssten.
Zusammenfassend möchte ich für meine Fraktion sagen: Das Instrument einer Volksinitiative, wie es vorgeschlagen ist, leh nen wir ab.
Volksbegehren und Volksabstimmung sind in unserer Verfas sung seit 1974 verankert. Diese plebiszitären Elemente ergän zen unsere repräsentative Demokratie.
Im Koalitionsvertrag haben wir eine Senkung des Quorums für eine erfolgreiche Volksabstimmung von einem Drittel auf ein Viertel der Wahlberechtigten vereinbart. Für diesen Vor schlag hat sich aber bisher hier im Haus keine verfassungsän dernde Mehrheit gefunden. Damit bleibt es vorerst bei der ver fassungsrechtlich gültigen Regelung.
Wir haben nichts gegen plebiszitäre Elemente in einem ver nünftigen Umfang.
Die CDU bekennt sich aber zur repräsentativen Demokratie als einer grundlegenden Festlegung unserer Verfassung.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich habe gemäß § 88 der Geschäftsord nung um eine persönliche Erklärung zur Berichtigung einer unrichtigen Wiedergabe meiner Ausführungen gebeten. Der Kollege Stickelberger hat mich offensichtlich gründlich miss verstanden. Ich habe den Vorstoß von SPD und Grünen in kei ner Art und Weise mit Volksabstimmungen in der Weimarer Zeit verglichen, die von Nazis und anderen in Gang gebracht wurden. Vielmehr habe ich ausschließlich – ich glaube, von dieser Seite des Hauses ist das auch allgemein so verstanden worden, auch vom Herrn Innenminister – auf historische Vor gänge hingewiesen und sonst gar nichts.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich kann es kurz machen. Es geht um die Umsetzung der EU-Berufsqualifikationsrichtlinie. Wir wol len, dass das Architekturstudium bei uns in ganz Europa an erkannt wird. Deswegen brauchen wir die vierjährige Gesamt regelstudienzeit. Daneben wird noch geregelt, dass sämtliche Rechtsformen einer Kapitalgesellschaft in Zukunft auch für Architekturbüros geöffnet sind. Das sind die wesentlichen Re gelungsinhalte.
Wir haben bei den Ausschussberatungen festgestellt, dass wir dieses Gesetz einstimmig mittragen. Deswegen glaube ich, dass das auch hier so erfolgen kann.
Ich darf vielleicht noch einen Satz sagen. Stuttgart selbst ist eine Architektenstadt. An der Universität in Stuttgart gibt es eine ausgezeichnete, weltweit anerkannte Architekturausbil dung. Auch an einigen Fachhochschulen in Baden-Württem berg gibt es eine sehr gute Architekturausbildung. Mit dem heutigen Tag kann man sagen: Man kann sich darauf freuen, was diese guten Architekten aus dem heutigen Gleisfeld im Rahmen von Stuttgart 21 in Zukunft machen werden.
Wir freuen uns darauf und stimmen diesem Gesetz zu.
Vielen Dank.
Herr Abg. Kretschmann, ist Ih nen die Pressemitteilung der Fraktion GRÜNE vom 9. Juni 2009 bekannt, in der die Grünen erklären, sie würden der Bürgschaft nicht zustimmen?
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die CDU-Fraktion und die Regierungsko alition haben ein Ziel: Nettonull beim Flächenverbrauch. Die ses Ziel wollen wir langfristig erreichen.
Angesichts der demografischen Entwicklung ist dies möglich. Herr Abg. Walter,
im Jahr 2008 ist der Flächenverbrauch in Baden-Württemberg immerhin bereits deutlich gesunken.
Wir brauchen diese Nettonull zum Erhalt unserer Naturres sourcen und unserer Kulturlandschaft. Deswegen werden wir entschlossen handeln, ohne aber das Kind mit dem Bade aus zuschütten.
Wir wollen, dass sich unsere Städte und Gemeinden weiter entwickeln können. Aber ich glaube, jeder kluge Bürgermeis ter und jeder kluge Gemeinderat wird heute Innenentwicklung betreiben, soweit das in irgendeiner Weise machbar ist,
und zwar schon aus finanziellen Gründen, weil man sich näm lich die Infrastruktur überhaupt nicht mehr leisten kann.
Denken Sie beispielsweise an das Thema „Wasser und Ab wasser“. Wir werden uns schon in wenigen Jahren weit ver zweigte Netze in der Gemeinde nicht mehr leisten können. Deshalb müssen wir uns auf die Innenentwicklung konzent rieren.
Kompakte Siedlungsstrukturen bieten vielfältigen Nutzen: le bendige Ortskerne, kurze Wege, kostengünstige Verkehrser schließung, ÖPNV-Anschluss, bessere Angebote zur Deckung des täglichen Bedarfs, bessere Erschließung der sozialen Ein richtungen, bessere soziale Kontakte, vom Kindergarten bis zur Seniorenbegegnungsstätte.
Damit möchte ich wohlgemerkt kein einseitiges Plädoyer für die Stadt und gegen den ländlichen Raum halten. Aber klar ist, dass sich auch der ländliche Raum beim Flächensparen bewegen muss. Wir brauchen auch im ländlichen Raum kom paktere Siedlungsstrukturen.
Es gilt die Planungshoheit der Gemeinde. Die Planungshoheit der Gemeinde bewirkt, dass Flächensparen in erster Linie in der Verantwortung der Kommunen liegt. Diese müssen Flä
chennutzungspläne und Bebauungspläne prüfen und entschei den, ob die Inanspruchnahme neuer Flächen überhaupt erfor derlich und sinnvoll ist.
Wir unterstützen die Gemeinden mit Fördermitteln: Stadtsa nierung, ELR, MELAP und, wie schon genannt, das neue Pro gramm des UVM für innovative Projekte nachhaltiger Sied lungsentwicklung. Auch die Altlastenprogramme möchte ich noch hinzunehmen.
Ich glaube, dass sich insbesondere durch das MELAP-Pro gramm in den Kommunen des ländlichen Raums ein enormer Gesinnungswandel ergeben hat. Dieses Programm wirkt weit über die Kommunen hinaus, in denen es Anwendung findet.
Die Kommunen gehen also durchaus wirkungsvoll gegen un nötigen Flächenfraß vor.
Daneben wollen und brauchen wir klare Vorschriften und In strumente zur Reduzierung des Flächenverbrauchs. Wir wol len diese Instrumente auch nutzen.
Im Antrag ist das Baulückenkataster angesprochen worden. Es kann sinnvoll sein. Per se hilft das Baulückenkataster aber überhaupt nicht weiter. Ein Kollege hat es vorhin in einem Zwischenruf gesagt: Ich muss natürlich an die Flächen heran kommen. Ein Packen Papier führt noch nicht dazu, dass Flä chen gespart werden können, sondern man muss die richtigen Erkenntnisse aus einem solchen Kataster ziehen.
Ein Kataster allein nützt nichts. Deswegen werden wir es auch nicht vorschreiben.
Flächennutzungspläne und Bebauungspläne, die aus einem Flächennutzungsplan entwickelt wurden, bedürfen der Geneh migung durch das Regierungspräsidium oder das Landratsamt.
Das Wirtschaftsministerium hat mit den bereits angesproche nen Hinweisen für die Plausibilitätsprüfung des Bauflächen bedarfsnachweises bei der Inanspruchnahme von Neuflächen die Genehmigungspraxis durchaus verschärft. Ich glaube, Sie erkennen dies auch an.
An dieser Baustelle muss weiter gearbeitet werden. Die Hin weise gelten nun seit über einem Jahr.
Insbesondere müssen wir um eine einheitliche Genehmigungs praxis besorgt sein. Wenn die Landratsämter wirkungsvoll
prüfen, braucht die Genehmigungsstelle nicht zum Regie rungspräsidium zu wandern. Aber ich sage auch: wenn.
Schließlich haben wir die Regionalverbände. Die Regional verbände haben Instrumente, um den Flächenfraß im Sinne einer Verhinderung positiv zu beeinflussen. Instrumente sind beispielsweise, dass sie die anzustrebende Siedlungsdichte festlegen können, den Wohnflächenbedarf festlegen können oder den Freiraumschutz beeinflussen können.
Viele Regionalverbände, insbesondere auch der Verband Re gion Stuttgart, dessen Vorsitzender unter uns ist, sind an die ser Baustelle sehr aktiv. Ich bin mir sicher: Ein Großteil der Bevölkerung in Baden-Württemberg will nachhaltige Sied lungsentwicklung und den schonenden Umgang mit noch nicht verbauten Flächen. Kommunen und Land werden ge meinsam spürbare Fortschritte erzielen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der ersten Lesung ist vor allem über das Bundesgesetz diskutiert worden, das schon seit einem Jahr in Kraft ist. Es lohnt sich nicht, weiter über dieses Gesetz zu diskutieren.
Es lohnt sich nicht, sich über verschüttete Milch zu unterhalten.
Aber eines möchte ich festhalten: Das Bundesgesetz schafft die Rechtsgrundlage für eine bundesweit einheitliche Kehr- und Überprüfungsordnung, die bisher nur landesweit vom Landesgesetzgeber, also von uns als Landesparlament, erlassen wurde. Diese Regelungskompetenz ist jetzt zum Bundesgesetzgeber gewandert. Das heißt, wir haben Kompetenzen freiwillig abgegeben.
Das ist vom Prinzip her falsch, weil der Landtag dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Es ist auch von der Sache her falsch, weil wir die Pflichten und die Überwachungsvorschrif ten, die darin enthalten sind, besser in einem Landesgesetz hätten regeln können.
Ich bitte also darum, in Zukunft aufzupassen und nicht unnötig weitere Kompetenzen an den Bund abzugeben.
Herr Stehmer, übrigens hat die Große Koalition in Berlin dieses Gesetz verabschiedet.
Ja, aber die Große Koalition in Berlin.
Im Übrigen stimmen wir dem Gesetz, um das es geht, zu. Das ist ein Gesetz mit drei Paragrafen. Das regelt alles so, wie es bisher war. Deshalb kann man getrost zustimmen.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schornsteinfeger sind uns sympathisch: Sie sind schwarz und bringen Glück.
Wir stimmen nach dieser Rede des Staatssekretärs dem Schornsteinfeger-Zuständigkeitsgesetz zu, zumal es keine Kos ten für Private verursacht.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verabschieden heute eine, wie ich meine, gelungene Novelle der Landesbauordnung. Ich möchte dem Wirtschaftsministerium ganz herzlich für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit danken.
Ich denke, wir haben es bei der LBO-Novelle und mit der Landesbauordnung insgesamt in Baden-Württemberg geschafft, den Interessenausgleich zwischen zum einen dem Grundstücks eigentümer, der bauen will, und der daraus folgenden Bau freiheit, die durch Artikel 14 des Grundgesetzes geschützt ist, und zum anderen den Interessen der Allgemeinheit und natürlich auch den Belangen, die sich aus der Notwendigkeit der Gefahrenabwehr heraus ergeben, zu wahren.
Es liegen jetzt noch einige Änderungsanträge der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE vor, über die wir schon mehrfach – auch im Ausschuss – diskutiert haben und denen wir leider nicht folgen können.
Ich möchte noch einmal auf ein paar wenige Gesichtspunkte eingehen. Zum einen wollen Sie, dass die Frist, die läuft, wenn ein Anlieger von der Baurechtsbehörde benachrichtigt wird, weiterhin nur zwei Wochen, aber keine vier Wochen beträgt. Wir wollen die Frist von zwei auf vier Wochen erhöhen, und zwar deshalb, weil dem Nachbarn, dessen Grundstück nicht unbedingt an das Baugrundstück des Bauherrn angrenzen muss und der gehört wird, Rechte genommen werden. Wem wir eine Rechtsposition nehmen, der muss mindestens eine gewisse Frist für Einwendungen haben. Die Frist halten wir mit vier Wochen für angemessen.
Der zweite Punkt, den die Grünen immer wieder anführen, ist die Stellplatzpflicht. Wir wollen an der Stellplatzpflicht so, wie sie bisher besteht, festhalten. Warum? Weil wir in die Zukunft schauen.
Gerade hat der Wissenschaftsminister über das Thema Elektromobilität gesprochen. Um ein Elektromobil aufzuladen, braucht man einen Stellplatz und kann sich nicht im Parksuch
verkehr beispielsweise durch den Stuttgarter Westen bewegen. Deswegen können wir dem Begehren der Grünen einfach nicht zustimmen.
Sie sagen, wir brauchten keine Genehmigungspflicht bei großflächigen Fotovoltaikanlagen. Wer diese großflächigen Fotovoltaikanlagen schon einmal gesehen hat, weiß, was da passiert, was für große Anlagen entstehen und was dies an Flächenverbrauch bedeutet.
Man muss klar sagen, dass man dafür eine Genehmigungspflicht braucht. Es geht nicht darum, dass sich im materiellen Bereich etwas ändert. Es geht nur darum, dass derjenige, der diese großflächigen, oft hektargroßen Anlagen bauen will, vorher eine Baugenehmigung braucht. Ich glaube, das ist bei dieser Sache angemessen.
Für nicht angemessen halten wir weiterhin die Genehmigungspflicht bei Antennen und Sendemasten. Die Grünen haben diesen Antrag vor acht Jahren, glaube ich, schon einmal eingebracht und damals selbst wieder zurückgezogen. Warum? Weil der damalige Bundesumweltminister Trittin von den Grünen war. Die Grünen haben erkannt, dass sie all diese Masten mit dem Segen von Trittin hätten genehmigen müssen. Dann haben sie gesagt: „Wenn das so ist, dann wollen wir das lieber nicht.“ Jetzt sind die Grünen im Bund in der Opposition, jetzt kommen Sie wieder mit der Genehmigungspflicht. Wir können das parteipolitisch nachvollziehen, von der Sache her jedoch nicht.
Dann kommt noch ein Antrag, der die Genehmigungspflicht für Werbeanlagen in Gewerbe- und in Industriegebieten anbelangt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sollten natürlich einen Wildwuchs von Werbeanlagen verhindern. Auf der anderen Seite haben wir aber gesagt, in Gewerbegebieten, am Ort der Entstehung einer Leistung, könne eine Werbeanlage wohl auch als verträglich angesehen werden, und – wie gesagt – materiell-rechtlich ändert sich ja nichts.
Ein Letztes zu den Brandmeldern: Ich glaube, die Argumente in diesem Bereich sind ausgetauscht. Wir appellieren an alle Hausbesitzer und Wohnungsbesitzer, diese Brandmeldeanlagen freiwillig selbst einzubauen. Wir wollen deswegen keine Pflicht haben,
weil wir nicht der Meinung sind, dass es ohne Kontrolle möglich wäre, eine solche Pflicht wirksam einzuführen.
Ich denke, unser Ziel haben wir erreicht. Wir schaffen auf der einen Seite einen wirksamen Ordnungsrahmen, auf der anderen Seite haben wir immer versucht, nur ein Mindestmaß zu regeln und ein Mindestmaß an Vorschriften zu treffen und Gängelungen der Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden. Dies ist mit der LBO-Novelle gelungen. Ich bitte Sie um Zustimmung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Minister hat es bereits gesagt: Die letzte LBO-Novelle war vor rund 14 Jahren. Ich danke dem Wirtschaftsminister dafür, dass er die neue LBO-Novelle eingebracht hat. In der Tat, wir haben in den letzten Wochen und Monaten schon kräftig über diese Sache diskutiert.
Unser wichtigstes Anliegen war die Entbürokratisierung. Das hört sich gut an, ist aber gar nicht so einfach.
An erster Stelle geht es nämlich darum, das abzuwehren, was wiederkommt. Es gibt Dinge, die vor 14 Jahren abgeschafft wurden, die aber jetzt wieder an uns herangetragen werden, angeblich deshalb, weil sie unverzichtbar seien. Aber 14 Jahre lang hat man sie nicht vermisst. Als Beispiel kann ich die Teilungsgenehmigung nennen. Es wurde gefordert, die Teilungsgenehmigung wieder einzuführen. Aber wenn wir das gemacht hätten, hätten wir einen unglaublichen Berg an zusätzlicher Bürokratie geschaffen, den wir eigentlich erst abgeschafft hatten.
Dann werden neue Forderungen an uns herangetragen, bei denen man sich fragen muss: Soll man sie aufnehmen, oder führen sie nicht auch zu mehr Bürokratie? Das ist die Forderung nach Duschräumen in Gebäuden, in denen Arbeitsplätze sind. Das hat der Radfahrerklub an uns herangetragen.
Wir haben natürlich nichts gegen diejenigen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, Frau Sitzmann. Aber es ist doch die Frage, ob man jeden Arbeitgeber verpflichten soll, in dem Gebäude, in dem er Arbeitskräfte hat, eine Dusche für diejenigen bereitzustellen, die morgens mit dem Fahrrad kommen.
Wir haben uns dafür entschieden, das nicht zu machen,
einfach deshalb, weil wir sagen, das würde zu mehr Bürokratie führen.
Dann kommt die alte und neue Forderung nach einer Pflicht zum Einbau von Rauchwarnmeldern. Wir haben uns die Entscheidung wirklich nicht leicht gemacht, denn es spricht sehr viel für die Rauchmelder.
Aber wenn wir eine solche Pflicht einführen sollten, bedürfte sie – da teilen wir die Meinung des Ministeriums und des Ministers – gleichzeitig der Kontrolle.
Der Landesinnungsverband des Schornsteinfegerhandwerks hat angeboten, das zu kontrollieren.
Aber wenn der Kaminfeger kommt und das kontrolliert, wird er dies für den Bürger nicht kostenlos machen, sondern er wird eine Rechnung schreiben. Zudem stellt sich die Frage des Zutrittsrechts zur Wohnung. Denn er muss natürlich alle Zimmer kontrollieren. Es gibt jedoch viele Bürgerinnen und Bürger, die sagen: Der Schornsteinfeger soll nicht in mein Wohnzimmer oder in mein Schlafzimmer kommen.
Deswegen haben wir Abstand davon genommen.
Wir haben weitere echte Entbürokratisierungen dort vorgenommen, wo wir es für möglich gehalten haben. Zum einen haben wir den Katalog der verfahrensfreien Vorhaben erweitert.
Sie brauchen sich nicht zu erregen;
so wichtig das Thema auch ist.
Wir haben uns auch überlegt, ob wir die Stellplatzpflicht kommunalisieren. Wenn wir dies gemacht hätten, hätten wir natürlich die landeseinheitliche Vorgabe für die Stellplatzverpflichtung aufgegeben. Wir haben uns dagegen entschieden und belassen es bei der Stellplatzverpflichtung, und zwar einfach deswegen: Zum einen können wir in den Städten nicht zu viel Parksuchverkehr dulden. Wenn wir Autos haben, dann brauchen wir Parkplätze. Wer dann noch ein bisschen weiter denkt, wer beispielsweise an das Elektroauto denkt, der weiß zum anderen, dass man zum Aufladen eines Elektroautos auch Stellplätze braucht.
Deswegen wollten wir an dieser Stellplatzpflicht festhalten.
Insgesamt glaube ich, dass es gelungen ist, ein bürgerfreundlicheres Baurecht zu formulieren. Wir haben jetzt nicht zwei Verfahren, sondern drei. Herr Kollege Gall – Sie haben vorhin hierzu einen Zwischenruf gemacht –, der Bürger kann jetzt zwischen drei Verfahren wählen. Wir haben gesehen, dass sich dies in Bayern bewährt hat.
Gleichzeitig wollen wir das Kenntnisgabeverfahren beibehalten. 40 % der Bauherren in Baden-Württemberg wählen das Kenntnisgabeverfahren, das heißt, sie nehmen die Möglichkeit der Beantragung einer Baugenehmigung gar nicht in Anspruch, sondern wählen das wesentlich kostengünstigere Kenntnisgabeverfahren.
Wir haben jetzt drei Verfahren: Wir haben ein umfassendes Baugenehmigungsverfahren, wir haben ein Baugenehmigungs verfahren mit einem verminderten Prüfumfang,
das wesentlich kostengünstiger für den Bauherrn ist, und wer auf beides verzichten kann, bleibt weiterhin beim Kenntnisgabeverfahren. Ich glaube, das ist durchaus bürgerfreundlicher als bisher.
Die fakultative Nachbarbeteiligung von Anliegern, die nicht direkt betroffen sind, die also keine direkten Nachbarn sind, wird in Zukunft möglich sein. Das führt einerseits zu Rechtssicherheit für den Bauherrn; es führt aber auch zu Rechtssicherheit für den Nachbarn. Nach der bisherigen Regelung hätte sich der Nachbar jedoch innerhalb von zwei Wochen melden müssen, um seine Rechte geltend zu machen. Wir haben an dieser Stelle gesagt: Eine Frist von zwei Wochen ist relativ knapp, wir wollen auf jeden Fall vier Wochen haben. Der Nachteil ist klar: Der Bauherr muss nun zwei Wochen länger warten. Aber die Rechte des Nachbarn sind auch etwas wert, und deswegen kann der Nachbar nun innerhalb von vier Wochen seine Rechte geltend machen.
Schließlich noch ein Punkt, der mir auch persönlich sehr am Herzen liegt: In Zukunft kann die Rechtsaufsichtsbehörde das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen der Gemeinde ersetzen. Wir haben bisher die Problematik gehabt, dass wir, wenn ein Bauherr wegen einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit zur Gemeinde gegangen ist, die Gemeinde jedoch keine Einsicht gezeigt hat, nichts anderes machen konnten, als diesen Bürger auf den Klageweg zu verweisen. Ich möchte sagen: Für einen Rechtsstaat ist es nicht ganz einfach, wenn einem Bürger kein anderer Rat gegeben werden kann als zu klagen. Vielmehr muss es schon möglich sein, dass die nächsthöhere Behörde dieses Einvernehmen ersetzen kann.
Ja, im Petitionsausschuss hatten wir einige Fälle. – Ich glaube, da sind wir einen Schritt weitergekommen.
Wir haben insoweit ein schnelleres und damit auch bürgerfreundlicheres Baurecht, als die Fachbehörde jetzt einen Monat Zeit hat, um auf entsprechende Anhörungen der Baurechtsbehörde zu reagieren. Das ist eine Verkürzung der Frist.
Schließlich haben wir auch bei den Vorschriften zum Bauen im Bestand einiges geändert. Ich möchte das Waldabstandsgebot nennen, das wir für den Gebäudebestand vereinfacht haben. Eigentümer von Bestandsgebäuden können in Zukunft anbauen, ohne auf das Waldabstandsgebot Rücksicht zu nehmen. Im Ganzen wollten wir aber das Waldabstandsgebot erhalten, weil wir denken, dass es auch noch heute aufgrund unterschiedlicher Gefahrenlagen notwendig ist, ein solches Gebot zu haben.
Wir haben auch gesagt: Bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wärmedämmung eines bestehenden Gebäudes muss die Mindestabstandsfläche zur Grenze nicht eingehalten werden. Wir können nicht auf der einen Seite aufgrund des Wärmegesetzes Wärmedämmung verlangen und auf der anderen Seite sagen: Es gilt aber eine Abstandsregel.
Ich denke, insgesamt haben wir zu einem noch besseren Baurecht gefunden. Die 14 Jahre, in denen das bisherige Baurecht gegolten hat, haben gezeigt, dass wir ein sehr ausgewogenes Baurecht mit einem sehr fairen Interessenausgleich haben. Ich denke, auch das neue Baurecht wird dies gewährleisten.
Ich danke Ihnen.
Herr Kollege Dr. Prewo, ich möchte Sie fragen, ob Sie Ihren Vorwurf, die Regierung sei untätig gewesen, aufrechterhalten wollen. Wenn ich mich richtig erinnere – das unterstütze ich auch –, hat die Regierung immer gesagt: Wir warten mit einem solchen Gesetz, bis die EPS ihre Verhandlungen mit den Bürgerinnen und Bürgern in einem sauberen Rahmen führt. Wir haben aber viele Berichte gehört, wonach die EPS eben nicht die richtigen Leute vor Ort hatte. Deswegen haben wir und hat die Regierung so lange gewartet.
Aus meiner Sicht – das muss ich Ihnen auch sagen – ist noch immer nicht der Zeitpunkt gekommen, um ein solches Gesetz verabschieden zu können.
Wir beraten heute in erster Lesung, aber die zweite Lesung steht noch lange nicht an.
Ich kann Sie auf einen Bericht aus meinem Wahlkreis vom 24. September – das war vor zwei Wochen – verweisen.
Darin steht, dass die Trasse noch gar nicht feststeht. Vielmehr berät der Gemeinderat noch über die Trassenführung,
darüber, ob sie 70 m oder 300 m von der Wohnbebauung entfernt sein soll.
Sind Sie denn der Meinung, man sollte ein Enteignungsgesetz, ein solches Wegerechtgesetz, machen,
wenn die Trasse noch gar nicht feststeht? Ich meine, wir müssen mit dem Eigentum der Bürgerinnen und Bürger sorgfältig umgehen und sollten deswegen ein solches Gesetz in zweiter Lesung nicht übereilt verabschieden.
Herr Kollege Prewo, haben Sie nicht bemerkt, dass es doch etwas seltsam war, dass in Bayern und in Rheinland-Pfalz, wo besonders starke Interessen hinter dieser Leitung stehen, sehr früh begonnen wurde, das Verfahren einzuleiten, und zwar von den Betreibern, während die se in Baden-Württemberg zunächst gar nichts gemacht haben? Dies kann doch durchaus den Anschein erwecken, als ob man sagen will: „Jetzt ist in dem einen und in dem anderen Land alles fertig, jetzt müsst ihr auch mitziehen.“ Aber wir sind doch ein eigenständiges Land. Wir brauchen uns von anderen nicht erpressen zu lassen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser Rede des Herrn Staatssekretärs kann man nur sagen: Gut gebrüllt, Löwe!
Dieses Gesetz hat er ausgezeichnet begründet. Es geht um die Siebenjahresfrist für ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude im Außenbereich. Wir brauchen diese Siebenjahresfrist nicht. Wir wollen, dass die erhaltenswerte Baustruktur im ländlichen Raum im Außenbereich in anderer Art und Weise fachgerecht genutzt werden kann.
Deswegen unterstützen wir den Gesetzentwurf der Landesregierung.
Vielen Dank.
Herr Abg. Prewo, steht die gesamte SPD-Fraktion hinter Ihren Aussagen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion stimmt dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zur Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie zu. Wir wollen die Verwirklichung des EU-Binnenmarkts auch im Bereich der Dienstleistungen und wenden uns entschieden gegen Protektionismus.
Deshalb ist es auch zu hinterfragen, wenn es hier heißt, die EU-Richtlinie werde 1 : 1 umgesetzt. Diese Formel benutzt man eigentlich, um unnötige Bürokratie zu verhindern. Hier setzt sich aber die EU für die Freiheitsrechte im Binnenmarkt ein. Deshalb bedeutet 1 : 1 nicht zwingend etwas Positives. Wir haben hervorragende Architekten, Landschaftsarchitekten und Bauingenieure in unserem Land Baden-Württemberg. Die se brauchen den europaweiten Wettbewerb in keiner Weise zu scheuen. Deshalb wollen wir uns nicht abschotten und ermutigen die Europäische Union, weiter wirksam für den einheitlichen europäischen Markt zu kämpfen.