Andreas Hoffmann
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Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir haben diese Aktuelle Debatte be antragt, um deutlich zu machen, wo in Baden-Württemberg
Innovation in Sachen frühkindlicher Bildung gestaltet wird und wo nicht. Die letzten Jahre waren bei der CDU und im Kultusministerium geprägt vom erklärten Willen, der früh kindlichen Bildung einen starken Impuls zu geben und somit gemeinsames Lernen in einer Zeit stattfinden zu lassen, die für die frühkindliche Entwicklung sehr wichtig ist.
Wir sind hier nicht den Weg gegangen, von oben herab Kon zepte zu verordnen, sondern wir haben in einem Konsensver fahren zeitlich gestaffelte Modelle und Projekte initiiert, alle mit dem Ziel, den besten Weg für verschiedene Bereiche der frühkindlichen Bildung herauszufinden, und wir haben alle Modelle wissenschaftlich begleiten lassen. Ich will diese nen nen: der Orientierungsplan für unsere Kindergärten, das Bil dungshaus-Modell, die Projekte „Schulreifes Kind“ und „Schulanfang auf neuen Wegen“, die neue Einschulungsun tersuchung, die neue Sprachförderung. Alle Projekte – ich be tone dies aus gutem Grund – wurden ausgeschrieben, für al le Projekte haben sich die teilnehmenden Einrichtungen frei willig beworben, und bei allen Projekten gab es stets mehr Be werbungen, als Kontingente vorgesehen waren.
Wir haben uns gemeinsam mit den Kommunen in finanziell schwierigster Zeit zu einer Stärkung der frühkindlichen Bil dung bekannt. Gemeinsam mit den Kommunen wurden in ei nem letzten Schritt 200 Millionen € für die Umsetzung des Orientierungsplans eingesetzt. Das entspricht – ich kann das gar nicht oft genug sagen – 5 300 Vollzeitstellen, die vollstän dig in den Kinderbetreuungseinrichtungen ankommen. Wir lassen uns dieses finanzielle Engagement auch nicht kleinre den, auch nicht durch ständige Diskussionen über Mindestbe treuungsschlüssel.
Sie wissen, dass wir wie kein anderes Bundesland auch auf die Ausbildung der Erzieherinnen setzen. In den letzten Jah ren wurden 38 000 Erziehungskräfte zum Thema Orientie rungsplan geschult. In den letzten drei Jahren wurden 700 Stu dienplätze zur frühkindlichen Pädagogik eingerichtet. Nun ist es an der Zeit, die Modelle, die initiiert worden sind, zusam menzuführen und die gewonnenen Erkenntnisse zu einem ge meinsamen Projekt zu vereinen. Wir wollen die lernaktivste Zeit, die es im Kinderleben gibt, nutzen. Das ist die Zeit im Kindergarten, vor der Grundschule. Diese Situation kann, glaube ich, niemand ernsthaft bestreiten, und es ist wohl auch jedem klar: Bildungsgerechtigkeit ab dem ersten Tag der Grundschule kann nur eintreten, wenn die Kinder vorher ih ren Möglichkeiten und ihren Kompetenzen entsprechend ge fördert werden. Es geht uns nicht um Vorschule, sondern es
geht uns um die Förderung von Kompetenzen, die bei den Kindern angelegt sind und die wir weiterentwickeln können.
Wir haben mit den Bildungshäusern ein sehr erfolgreiches Projekt. Bildungshäuser sind – zumindest an den Orten, an denen es sie gibt – völlig unbestritten. Unsere Bildungshäu ser sollen die Zukunft der frühkindlichen Bildung in BadenWürttemberg zusammenführen. Bildungshäuser sind eine Kombination aus Kindergärten und Grundschulen. Sie stehen auf dem festen Grund des Orientierungsplans und des Bil dungsplans für die Grundschulen. Sie stoßen – ich betone dies ausdrücklich; ich kenne keine andere Aussage – an allen Mo dellstandorten auf uneingeschränkte Zustimmung.
Die Bildungshäuser haben einen weiteren Vorteil: Sie bieten Gemeinden und Ortsteilen, gleich welcher Größe, die Mög lichkeit, Angebote für Kinder im Alter von bis zu zehn Jahren vorzuhalten. Alle, die in der Kommunalpolitik tätig sind und gegenüber sich selbst ehrlich sind, wissen, warum sich junge Eltern für ihren jeweiligen Wohnort entscheiden. Sie suchen sich ihren Wohnort nicht aus, weil es dort eine Werkrealschu le, eine Realschule oder ein Gymnasium gibt. Vielmehr ist die erste Wahl der Eltern mit der Frage verknüpft: Gibt es gute Betreuungsmöglichkeiten, und gibt es eine Grundschule vor Ort? Dies ist die elementare Entscheidung, die Eltern treffen. Wir meinen, dass wir mit dem Thema Bildungshaus hier exakt richtig liegen.
Was will ein Bildungshaus? Ein Bildungshaus will in Zukunft alle Angebote, die Kinder für eine individuelle Förderung brauchen, an einer Stelle vereinen. Es ist nicht mehr so, dass ein Kind zur Förderstunde in eine externe Einrichtung gehen müsste. Vielmehr werden alle Kinder gefördert. Wer darüber hinaus besondere Förderung braucht, bekommt diese, und zwar auch im Bildungshaus.
Das Thema Sprachförderung ist einbezogen. Aber wir wollen nicht nur eine Sprachförderung für alle Kinder – ich betone: eine Sprachförderung für alle Kinder –, sondern wir wollen auch die Eltern einbeziehen und die Bildungshäuser zu Fami lienzentren entwickeln.
Eines ist interessant: Wir haben ein Kompetenzteam der SPD vorgestellt bekommen. In diesem spielt eine Dame aus Mann heim eine nicht unerhebliche Rolle, lieber Herr Dr. Mentrup. Ich hätte gedacht, dass vielleicht Sie oder Herr Zeller dabei eine Rolle spielen; aber nun spielt die Schulbürgermeisterin der Stadt Mannheim eine Rolle.
Die Stadt Mannheim gilt als innovative Bildungsstadt. Bei den ersten 33 Standorten, an denen Bildungshäuser eingerichtet wurden, war Mannheim dabei. Sie hat die Gerhart-Haupt mann-Schule zum Bildungshaus gemacht, und zwar gleich in der ersten Runde. Die Stadt spricht von hervorragenden Er fahrungen. Offensichtlich findet die Stadt Mannheim unsere Idee mit den Bildungshäusern so gut, dass sie gleich noch
mehr Anträge auf Einrichtung von Bildungshäusern gestellt hat.
Inzwischen haben wir zwei weitere Projekte – das Projekt Ne ckarschule mit einem kleinen Kinderhaus und ein weiteres Projekt – als Bildungshäuser genehmigt. Das Engagement Ih res Mitglieds im Kompetenzteam sagt aus, dass Bildungshäu ser so gut zu sein scheinen, dass sich eine Bewerbung lohnt. Ich bin gespannt, wie Sie mit diesem Thema umgehen.
Was sagt unsere Opposition zu diesem Thema? Ihnen, der Op position, sage ich: Es ist sehr spannend, sich die Wahlpro gramme von den Grünen und der SPD anzuschauen. Im Wahl programm der Grünen steht:
Die Grundschule hat den Auftrag, die Kinder dort abzu holen, wo sie in ihrem jeweiligen Entwicklungsstand ste hen,...
Das ist zu wenig, liebe Grüne.
Wir wollen die Kinder nicht in ihrem jeweiligen Entwick lungsstand abholen,
sondern wollen den Kindern einen guten Entwicklungsstand für die Grundschule ermöglichen.
Die SPD geht einen Schritt weiter. Sie bezieht sich aber nicht auf die Grundschulen, sondern sagt in ihrem Wahlprogramm, sie wolle die Kindergärten – nicht die Grundschulen – zu Zen tren ausbauen.
Das ist sehr spannend. Aber auch dies ist kein innovativer Schritt. Natürlich kann ich den Kindergärten immer mehr Per sonal und Angebote zur Verfügung stellen.
Aber wo ist die Innovation? Wo ist das, was wir alle für rich tig befunden haben, nämlich den Kindern einen guten Start zu bieten?
Sie blähen auf, aber Sie verändern nicht. Sie bilden nicht die Grundschule ab.
Interessant ist – ich will es noch einmal sagen; denn es hat mir schon zu denken gegeben –: In der letzte Woche war ich mit Herrn Dr. Mentrup auf der „didacta“. Dort haben wir mit den Trägern katholischer und evangelischer Kinderbetreuungsein richtungen diskutiert. Ein Satz hat mich schockiert; denn er zeigt, wie zwiespältig dieses Thema innerhalb der SPD offen
sichtlich diskutiert wird. Die SPD sagt zu G 8: Nicht mehr ge nug ehrenamtliche Arbeit sei möglich, die Vereine würden lei den und die Kinder seien zu wenig im ehrenamtlichen Bereich tätig. Die gleichen Reden hält man, wenn man beispielswei se bei der Ehrenamtskonferenz oder bei auf dem Ehrenamt basierenden Vereinen Grußworte hält: „Aha, das Ehrenamt leidet unter der Schule, unter der Bildung sowie unter der Aus weitung der Bildung.“
Lieber Herr Dr. Mentrup, ich hoffe, ich zitiere Sie jetzt rich tig. Sie haben auf der „didacta“ gesagt, Sie finden, dass es zu viele fremde Experten in den Kindergärten gibt. Sie haben ausdrücklich unser Projekt „Singen – Bewegen – Sprechen“ mit den Musikschulen und Musikvereinen im Land kritisiert.
Sie müssen sich entscheiden: Entweder Sie wollen das Ehren amt stärken und dem Ehrenamt die Möglichkeit geben, auch im Bereich der frühkindlichen Bildung Fuß zu fassen und da mit z. B. das Thema Musik in die Familien hineinzubringen, oder Sie wollen dies nicht.
Aber auf der einen Seite dort zu sagen, wo es passt, wo die Leute sitzen und applaudieren, man wolle dies haben, und auf der anderen Seite zu sagen, es gebe zu viele externe Experten an Schulen und Kindergärten, das passt nicht zusammen.
Das Thema ist wichtig, frühkindliche Bildung ist wichtig. Wir haben ein Modell. Wir waren uns – wenn ich mir die Wahl programme anschaue, kann ich dies erkennen – im Ziel im Grunde eigentlich einig. Über den Weg kann man diskutieren. Wir meinen, dass wir den Kindern mit einer flächendecken den Umsetzung des Projekts Bildungshaus den allergrößten Gefallen tun.
Das ist finanzierbar, es ist umsetzbar, es ist erprobt. Die Wis senschaft hat zugestimmt.
Ich verweise noch einmal darauf: Ich höre aus den Kommu nen diesbezüglich nur Zustimmung. Ich freue mich ausdrück lich darüber, dass die Stadt Mannheim bei diesen Zustimmern ist.
Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kol legen, eigentlich wollte ich nicht noch einmal ans Rednerpult treten. Aber, lieber Herr Mentrup, das, was Sie sagten, kann so nicht stehen bleiben; das geht nicht. Sie haben eben alle Bildungshausstandorte beleidigt, einschließlich des wissen schaftlichen Instituts in Ulm.
Sie haben gesagt, es seien 4,5 Millionen € hineingepumpt wor den, um das Personal wissenschaftlich fundiert auszustatten. Das ist schlicht falsch, und das wissen Sie auch. Die wissen schaftlichen Begleiter hatten den Auftrag, die Erzieherinnen zu begleiten. Sie waren nicht täglich oder gar stündlich dort, sondern sie waren im Abstand von mehreren Wochen oder so gar Monaten dort. Die Erzieherinnen haben sich ihr Konzept allein erarbeitet und sind erst dann wissenschaftlich begleitet worden.
Tun Sie mir einen Gefallen: Hören Sie auf, Behauptungen in den Raum zu stellen, die so nicht stimmen. Was Sie behaup tet haben ist einfach nicht wahr.
Des Weiteren wundere ich mich sehr – wenn Sie doch so ve hement und leidenschaftlich dafür kämpfen –, dass Sie in Ih rem Wahlprogramm gerade das Gegenteil stehen haben. Sie wollen nur im Kindergarten etwas tun und wollen die Grund schule nicht einbeziehen. Bei Ihnen besteht in dieser Hinsicht eine Lücke. Sie haben in den letzten Jahren immer das Maxi mum an Ausbau gewollt, aber Sie haben stets nur Quantität verlangt und haben nie über den Aspekt der Qualität gespro chen. Schauen Sie sich Ihre eigenen Anträge an: Sie haben immer Anträge gestellt, die auf Quantität abzielten – noch mehr Kinderbetreuung und immer noch mehr Kinderbetreu ung. Die Qualität haben Sie hintangestellt.
Ich will noch in aller Ruhe einen Ausspruch zitieren – es gibt nämlich jemanden, der das Bildungshaus möglicherweise schon vor uns erfunden hat –:
Führe dein Kind immer nur eine Stufe nach oben. Dann gib ihm Zeit, zurückzuschauen und sich zu freuen. Lass es spüren, dass auch du dich freust,...
Das hat Maria Montessori gesagt.
Vielen Dank.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wiederholen heute eine Debatte aus dem Jahr 2006.
Ich habe keinerlei neue Argumente gehört. Auf eines will ich aber noch einmal hinweisen. Frau Kollegin Rastätter hat ge sagt, das Land würde sich an gar nichts beteiligen. Ich will das einmal richtigstellen. Das Land fördert mit jeweils 10 000 € pro Jahr 77 Stellen für Jugendberufshelferinnen und Jugendberufshelfer.
Das sind Menschen, die den jungen Leuten im Berufsvorbe reitungsjahr helfen, einen Arbeitsplatz zu finden. Das sind kei ne Arbeitsvermittler, sondern Leute, die genau das machen, was Sie verlangen, nämlich Sozialarbeit, z. B. an Berufsschu len. Gerade im BVJ sind nicht die einfachsten Schüler.
Zweitens: Mit jeweils 11 000 € fördert das Land 200 Vollzeit stellen im Bereich der mobilen Jugendarbeit, die eng mit den Schulen und den Kommunen zusammenarbeitet. Was macht die mobile Jugendarbeit? Nichts anderes als Jugendsozialar beit, liebe Frau Rastätter. Von „nichts“ kann man wohl nicht reden.
Wenn Sie in Ihrem Änderungsantrag verlangen, die Landes förderung für die Schulsozialarbeit mit einer Drittelfinanzie rung wieder aufzunehmen, könnte ich mich jetzt wieder set zen und sagen: Das Land leistet im Moment sogar mehr als ein Drittel, wenn man zudem an die Sozialarbeiter denkt, die im Land tätig sind.
Jetzt wollen wir aber auf den Konsens, den Sie beschworen haben, zurückkommen. Ja, Sie haben recht – das haben wir auch nie anders gesagt –: Für uns ist Jugendsozialarbeit an Schulen selbstverständlich eine wichtige Leistung der Jugend hilfe. Das ist eine Leistung, die sinnvoll ist, weil sie am ande
ren Ende der Skala – ich habe gerade mit einem Bürgermeis ter aus unserer Fraktion gesprochen – auch dazu beiträgt, dass die Jugendhilfeausgaben der Kreise im Zaum gehalten wer den.
Wenn man frühzeitig interveniert, indem man Jugendsozial arbeiter in die Schulen schickt, hat man auf der anderen Sei te bei den Themen Kreisumlage, Jugendhilfe und Eingliede rungshilfe auch eine Gegenrechnung aufzumachen. Die Kom munen leisten einerseits viel, was die Sozialarbeit angeht, aber sie sparen andererseits auch Geld, indem sie das, was sie in der Schule abfangen können, im Kreishaushalt eben nicht mehr abfangen müssen. Das muss man auch im Zusammen hang sehen.
Jetzt möchte ich noch eines anfügen: Sie drücken sich vor ei ner ganz wesentlichen Frage. Das wird jetzt bestimmt alle in der linken Ecke erzürnen. Aber es muss einmal gesagt wer den.
Wir haben an unseren Schulen in Baden-Württemberg bisher Pädagogen. Die Pädagogen haben den Auftrag, Bildung zu vermitteln. Sie haben aber auch den Auftrag, Erziehung zu leisten –
als Beitrag des Landes zum Thema Erziehung. Die Eltern leis ten den anderen Teil der Erziehung.
Lassen Sie uns jetzt einmal darüber diskutieren, was wir in Zukunft wollen. Sie reden nie über die Schnittstelle. Sie ver langen, Schulsozialarbeiter einzusetzen, aber Sie, liebe Frau Rastätter, diskutieren mit uns interessanterweise nie über die Frage: Was ist eigentlich in den einzelnen Schulen die Kon sequenz daraus?
Es gibt mindestens zwei Arten von Lehrern. Es gibt Lehrer, die den Sozialarbeiter als fachlich kompetenten Kollegen an sehen und dann auch sagen: „Lieber Kollege, wir müssen uns darauf einigen, was Erziehung ist, was Bildung ist. Wir müs sen im Interesse des Kindes eine Schnittstelle finden.“
Es gibt andere Lehrerinnen und Lehrer, die sagen: „Prima, ich habe jetzt einen Sozialarbeiter. Ich unterrichte mein Fach. Al le Probleme, die ein Schüler bereitet, lade ich beim Schulso zialarbeiter ab.“
Oh ja, die gibt es sehr wohl. Liebe Frau Rastätter, ich ver rate Ihnen jetzt wahrscheinlich kein Geheimnis:
Meine Frau ist Sozialarbeiterin an einer Schule. Sie unterrich tet an einer Schule. Ich erlebe das nicht nur in der Distanz der Politik, sondern ich erfahre durchaus auch aus praktischen Er lebnissen, welche Lehrer es gibt, die dann sagen: „Okay, pä dagogischer Auftrag beendet. Ich bin Unterrichtskraft. Ich un terrichte Erdkunde, Biologie oder Englisch. Aber wenn der Schüler ein persönliches Problem hat, hat von 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr der Schulsozialarbeiter Sprechstunde.“
Über diese Schnittstelle, liebe Frau Rastätter, würde ich mit Ihnen gern einmal diskutieren. Denn darüber haben wir bis her nicht diskutiert. Sie fragen nach Masse. Ich finde, wir soll ten zuvor über das Thema Klasse diskutieren. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.
Zweite Bemerkung: Es ist der berühmte § 13 des SGB VIII – Jugendsozialarbeit – zitiert worden. Er gilt, er ist in Kraft. Sie waren in Berlin an der Regierung beteiligt. Die SPD war in der letzten Legislaturperiode des Deutschen Bundestags in der Großen Koalition. Ich kann nicht erkennen, dass es irgendei nen Antrag auf Bundesebene gibt, der § 13 – Jugendsozialar beit – infrage stellt und sagt: „Stellt das um.“ Im Gegenteil, die Kreise haben mit § 13 etwas gemacht. Sie haben nämlich gesagt: „Wir orientieren uns künftig bei den Kindern nicht mehr am einzelnen Ort, an dem die Kinder sind, sondern wir orientieren uns am Sozialraum.“ Der Sozialraum hat mehre re Teile, nämlich das Elternhaus, die Schule, die Freizeit und den Verein. Das ist eine sozialraumorientierte Jugendpolitik, bei der die Schule ein Punkt ist, aber nicht der einzige.
Wenn die Sozialraumorientierung funktionieren soll – Kolle ge Lehmann kennt die Diskussion aus unserem Kreistag; ich meine, wir machen das recht gut –, dann muss der Jugendso zialarbeiter an der Schule unwahrscheinlich eng mit den Ver antwortlichen an allen anderen Stellen außerhalb des Schul lebens zusammenarbeiten; denn sonst nutzt die schönste Ju gend- und Sozialarbeit an Schulen nichts, wenn es nachmit tags nicht weitergeht.
Kurzum: Auch wir sehen die Notwendigkeit der Jugendsozi alarbeit an Schulen. Ich sage das bewusst so, weil nachher das Sozialministerium und nicht das Kultusministerium hierzu spricht. Auch wir sehen, dass der Bedarf gestiegen ist. Ich würde mir auch wünschen, dass wir in diesem Bereich die Chancen nutzen.
Ich kann nur sagen: Die Kommunen haben die Chancen er kannt und ergriffen. Ich bin leidenschaftlicher Verfechter von Jugendsozialarbeit an Schulen. Aber hören Sie bitte auf, hier morgens Haushaltsdebatten zu führen und nachmittags so zu tun, als könnten wir wieder alle Leistungen dieser Welt ver teilen und hätten Geld ohne Ende.
Lieber Herr Bayer, es ist et was vermessen, wenn Sie das Thema Werbung des Kultusmi nisteriums mit diesem Projekt vergleichen. Denn die Werbung, die da gemacht worden ist, ist inzwischen erstens eingestellt, und zweitens wäre das ein einmaliger Betrag gewesen. Ich glaube, Sie können leicht ausrechnen, dass eine Dauerförde rung von 600 oder 800 Stellen mit jeweils 50 000 € bis 60 000 € eine etwas andere Hausnummer ist als eine einma lige Förderung von 2 Millionen €. Das wissen auch Sie sehr genau.
Ich will noch etwas zum Schluss sagen – ich bin gleich fertig, Frau Präsidentin –: Man hat den Eindruck, unsere Grünen gehen noch immer davon aus, dass der Strom aus der Steckdose kommt, und die SPD geht davon aus, dass das Geld aus dem Geldautomaten kommt.
Vielen Dank.
Werte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, es kurz zu ma chen.
Wir haben über dieses Thema schon einige Male debattiert – u. a. in der letzten Plenarsitzung und sehr ausführlich im Schulausschuss. Ich glaube, wir können die jetzige Debatte abkürzen.
Es geht entscheidend um zwei Punkte, die auch in den Anträ gen der Opposition umrissen werden. Zum einen geht es um die Frage der Verbindlichkeit der Umsetzung des Orientie rungsplans. Ich weiß nicht, ob der Kollege Mentrup, von dem der betreffende Änderungsantrag wohl initiiert wurde, im Saal ist.
Wunderbar. Ich sehe Sie, lieber Herr Kollege Mentrup. – Wir haben gesagt: Wir wollen den Orientierungsplan. Ich ha be der Begründung Ihres Änderungsantrags die Aussage ent nommen, Baden-Württemberg sei eines der letzten Bundes länder, die den Orientierungsplan einführten. Lieber Herr Mentrup: Bereits in der Zeit, in der Sie noch nicht dem Land tag von Baden-Württemberg angehörten, gab es eine Modell phase. Daran haben mehrere Hundert Kindergärten teilgenom men.
Mehrere Tausend Kindergärten haben gesagt, auch sie woll ten mitmachen, und sie haben mitgemacht. Es kann also nicht die Rede davon sein, Baden-Württemberg sei eines der letz ten Bundesländer, die den Orientierungsplan einführten. Im Übrigen ist der Orientierungsplan fachlich wohl unbestritten.
Wenn Sie, Herr Mentrup, mit Fachleuten reden – das tun Sie, lieber Herr Mentrup; ich schätze Sie auch als Fachmann –, dann wissen Sie, dass unser Orientierungsplan bundesweit als einer der besten gilt. Er ist also umgesetzt, und er wird auch eingesetzt.
Nun kann man darüber streiten, ob wir den Orientierungsplan gleich verbindlich machen müssen oder ob wir den Kommu nen die Chance geben können, den Orientierungsplan verbind
lich umzusetzen, ohne dass der Landtag dies vorschreibt. Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden. Ich sage auch klar, warum wir das getan haben – den Grund darf man offen benennen –: Mit dem Orientierungsplan teilen sich Kommu nen und Land die Kosten. Das Land trägt zwei Drittel, die Kommunen übernehmen ein Drittel.
Wenn wir mittags über mehr Geld diskutieren – entweder für das Land oder für die Kommunen – und an einem anderen Tag morgens alle die Haushaltslage des Landes oder die finanzi elle Lage der Kommunen bejammern, dann passt die Diskus sion über die sofortige Umsetzung der Verbindlichkeit eben nicht so richtig in den Raum. Wir müssen uns entscheiden, ob wir den Kommunen Spielräume lassen und sagen: freiwillige Umsetzung. Wenn es dann nicht klappt, kann man meinetwe gen nachlegen. Auch ich will, dass der Orientierungsplan ir gendwann verbindlich ist; das sage ich ganz offen. Aber ich finde, wir sollten den Kommunen und den Trägern jetzt die Chance geben, den Orientierungsplan von selbst anzuwenden. Die meisten tun das ohnehin und brauchen nicht den Landtag von Baden-Württemberg, der ihnen sagt, was man machen soll.
Auch ich möchte eine Evaluation des Orientierungsplans – das ist kein Geheimnis –, und ich glaube, wir tun gut daran, wenn wir – die, die nach dem 27. März 2011 noch da sind – uns in der nächsten Legislaturperiode noch einmal mit diesem Thema beschäftigen und nach zwei Jahren schauen, was da bei herausgekommen ist. Unsere Kinder werden deswegen nicht schlechter ausgebildet bzw. nehmen deswegen nicht schlechter an der frühkindlichen Bildung teil.
Zweiter Punkt: Die Grünen beziehen sich in ihrem Antrag auf die Frage, ob die Kommunen die Gelder, die sie vom Land bekommen, weitergeben müssen, ob sie diese verrechnen kön nen oder nicht. Dazu habe ich schon beim letzten Mal etwas gesagt.
Ja. Aber so, wie ich Sie kenne, werden Sie es anbringen, lie be Frau Lösch. Ich kenne Sie doch.
Die Kommunen können das verrechnen, müssen es aber nicht. Wir haben kommunalisiert; das will ich noch einmal in Erin nerung rufen. In der letzten Wahlperiode des Landtags haben wir den Kommunen und den Trägern die Kompetenz gege ben, ihre Regelungen selbst zu treffen. Wir haben rund 400 Millionen € im Jahr an die Kommunen übertragen und ihnen gesagt: Einigt euch selbst. Das war ein großer Wunsch der Kommunen und übrigens auch ein Wunsch der Träger.
Jetzt kommt zum allerersten Mal ein Punkt, an dem wir wie der Geld übertragen. Jetzt wollen wir von hier aus nicht ernst haft einschreiten und festlegen, wer bei Kommunen und Trä gern was zu zahlen hat.
Im Gesetz ist die Mindestförderung festgelegt. Alles, was bis her darüber hinaus gefördert worden ist, kann bleiben. Wenn eine Kommune meint, sie müsse dieses Geld nicht weiterge ben, dann bin ich sehr gespannt, wie unsere Gemeinderäte hin sichtlich der schnellen Umsetzung vor Ort darauf reagieren. Die Praxis braucht uns hier nicht. Wir im Landtag müssen
auch hier unsere Grenzen beherrschen. Kommunale Selbst verwaltung wird sich hier, glaube ich, ganz gut rechnen. Ich glaube auch nicht, dass es zu Ärger kommt. Wenn es zu Är ger kommt, würde ich den freien Trägern gute Karten einräu men, dass sie die Möglichkeit haben, ihre Ansprüche durch zusetzen.
Kurzum: Ich glaube, die Praxis in den Kindergärten, die Zu sammenarbeit zwischen Kommunen und freien Trägern ist besser, als Sie sie in Ihren Anträgen unterstellen. Ich glaube, wir könnten noch ein bisschen abwarten, ob sich die Dinge nicht von selbst klären. Bei diesem Punkt geht es wirklich um nichts; die Differenzen sind minimal. Die Frage danach, ob verrechnet werden kann oder muss, ist nicht weltbewegend. Unsere Kinder werden nicht darunter leiden, wenn wir uns bei dieser Gelegenheit etwas zurücknehmen und die Sache vor Ort klären.
Danke.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich meine, im Ziel können sich alle Fraktionen einig sein. Im Wesentlichen geht es darum, die Umsetzung des Orientierungsplans mit einer angemessenen Personalausstattung in den Kindergärten des Landes zu er möglichen.
Der Herr Staatssekretär hat es erwähnt: Der Orientierungsplan ist ein sehr breit angenommenes Instrument der frühkindli chen Bildung, hat sich sehr bewährt und wird auch von den
Erzieherinnen sehr geschätzt. Wir haben jetzt die Aufgabe, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dies umzusetzen. Denn die personellen Voraussetzungen, die in den Einrichtungen ge schaffen werden müssen, um den Bildungsplan sachgerecht und vollständig umzusetzen, sind natürlich nicht zum Nullta rif zu haben.
Das Land finanziert nun beginnend mit dem 1. September ei ne Personalschlüsselerhöhung in drei Stufen um 0,3 Personal stellen. Im Endausbau bedeutet dies, dass das Land rund zwei Drittel der Mehrkosten übernimmt – im Endausbau sind dies dauerhaft jährlich 133 Millionen €. Hinzu kommen 10 Milli onen € für Qualifizierungsmaßnahmen der Erzieherinnen. Ich gehe davon aus, dass wir uns bis hierhin einig sind.
Ich will jetzt einige Punkte ansprechen, die im Vorfeld – auch in unterschiedlichen Diskussionen – eine Rolle gespielt ha ben. Zum einen geht es darum: Müssen wir in Baden-Würt temberg den Orientierungsplan für verbindlich erklären?
Wir halten das namens der CDU-Fraktion bis auf Weiteres für entbehrlich; denn die überwiegende Zahl der Einrichtungen arbeiten bereits heute mit dem Orientierungsplan. Die Erzie herinnen haben uns gezeigt, dass sie den Orientierungsplan mit Sachkenntnis und Verantwortungsgefühl freiwillig anwen den. Er hat ganz schnell Furore gemacht. Ich erinnere an die Einführung des Orientierungsplans, als wir Modellstandorte kreiert haben. Hunderte von weiteren Kindergärten, die nicht im Modellverfahren waren, haben sich beworben. In einer zweiten Stufe hat man diesen Kindergärten dann gesagt: Sie können ihn auch anwenden; wir haben keinerlei Probleme da mit. So ist es dann auch geschehen. Ich persönlich glaube, dass wir heute nur noch sehr wenige Einrichtungen haben, die nicht mindestens Teile des Orientierungsplans einsetzen. Des wegen halten wir es für entbehrlich, eine gesetzliche Rege lung hinsichtlich einer Verpflichtung zu schaffen.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich die Einrichtun gen vor Ort, die sich bisher zurückgehalten haben, weiterhin zurückhalten, wenn wir jetzt durch zusätzliche finanzielle Res sourcen die Möglichkeit der personellen Aufstockung geben. Die finanziellen Voraussetzungen sind geschaffen. Die Ein richtungen warten auf das Personal und führen bereits Ein stellungsgespräche. Ich könnte mir vorstellen, dass die Um setzung sehr ruhig verläuft, weil, wie gesagt, die meisten Ein richtungen schon mit dem Orientierungsplan arbeiten.
Es gab des Weiteren die Forderung – der Herr Staatssekretär hat das Thema angesprochen –, Kinder unter drei Jahren ein zubeziehen. Ich will nicht wiederholen, was er gesagt hat. Im Orientierungsplan sind bereits wesentliche Elemente der früh kindlichen Entwicklung von Kindern unter drei Jahren vor handen. Man muss sich zudem ehrlich die Frage stellen: Wie ist es denn in einer altersgemischten Gruppe? Glaubt denn je mand ernsthaft, dass die Erzieherin anfängt, zu differenzie ren? Würde es so sein, dass für ein Kind, das zweieinhalb Jah re alt ist, bis zum dritten Geburtstag der Orientierungsplan nicht gilt und es daher keine Förderung erhält, während ab dem dritten Geburtstag mit dem Überreichen der Geburtstags torte der Orientierungsplan gilt? Ich glaube, das wäre welt fremd. Kurzum: Auch die unter Dreijährigen sind berücksich
tigt, und ich glaube auch, dass das gut so ist. Ich glaube nicht, dass in einer Kinderkrippe bei einem sechs Monate alten Kind ernsthaft mit dem Orientierungsplan gearbeitet wird. In den altersgemischten Gruppen wird dies aber getan.
Ein zentraler Punkt, über den es etwas Streit gab – deshalb ha ben wir heute auf der Zuhörertribüne auch Vertreter der kom munalen Landesverbände –, ist die geplante Ergänzung von § 8 Abs. 2. Dabei geht es um die Frage, ob der Zuschuss des Landes dann verrechnet werden kann, wenn die Kommunen an dritte Träger bereits mehr als die Mindestzuschüsse von 63 % auszahlen. Einige Träger, vor allem die Kirchen, haben vorgetragen, dass der Wunsch besteht, die Kommunen zu ver pflichten, auch bei einer Überschreitung die Mindestförderung durchzureichen. Von kommunaler Seite wurde das Gegenteil gefordert, nämlich dass das Land in das Gesetz schreibt, dass verrechnet werden muss.
Wir haben uns jetzt – wie ich meine, sehr gut und salomonisch – für eine Kannregelung entschieden. Es ist also möglich, dass Kommunen, die bereits heute mehr fördern, als sie müssen, eine Verrechnung vornehmen. Ich glaube allerdings nicht, dass das sehr viele Kommunen machen werden; denn dort, wo man sich vor Ort auf eine höhere Zuschussregelung verständigt hat, wird man diese wohl kaum zurücknehmen.
Wir wollen keine Kommune zwingen, mehr als 63 % zu zah len. Alle höheren Sätze, die es schon heute gibt, sind ohne das Land Baden-Württemberg zwischen Kommune und Träger vereinbart worden. Wir werden keine Kommune zwingen; vielmehr wollen wir das vor Ort entscheiden lassen. Ich erin nere daran, dass wir das Thema Kindergarten seit 2003 kom munalisiert haben. Deswegen ist dieser Punkt auch richtig. Wir gehen davon aus, dass sich die Beteiligten vor Ort eini gen werden.
Trauen wir es den Kommunen und den Trägern zu, dass man den Orientierungsplan sachgerecht umsetzt! Ich meine, der Landtag tut gut daran, wenn er dem Gesetzentwurf und der Regelung zustimmt. Damit fließen die notwendigen Mittel in die Kommunen. Es kann begonnen werden. Aber wir brau chen keinen Neustart, sondern wir brauchen eigentlich nur ei ne Bestätigung dessen, was in Baden-Württemberg bereits All tag ist.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, wie die Op position mit dem Thema Inklusion umgeht. Ich glaube, das ist nun die vierte Plenardebatte in Folge, in der dieses Thema hochgezogen wird. Wir haben inzwischen eine interessante Arbeitsteilung zwischen Opposition und Regierungsfraktio nen bzw. Regierung: Wir setzen die Vorschläge des Experten rats bereits vor Ort um, und Sie halten hier noch Reden und beschäftigen den Landtag immer wieder mit den gleichen The men.
Es muss, lieber Herr Zeller, geradezu unerträglich für Sie sein, dass wir mit der Umsetzung ernst machen, dass es draußen schon läuft
und dass sich unsere Kultusministerin an die Spitze der Be wegung gesetzt hat. Sie aber machen hier immer wieder das gleiche Fass auf.
Ich erinnere an die letzte Regierungsbefragung. Sie versuchen immer wieder, zu unterstellen, wir würden auf Zeit spielen und wollten, beispielsweise mit der Beauftragung der fünf Schwerpunktschulämter, einen Zeitgewinn herausschlagen, weil wir die Sache eigentlich nicht umsetzen wollten.
Jetzt möchte ich einmal Klartext reden. Der Expertenrat hat uns allen vorgeschlagen,
zunächst in Modellen die Fragen der inklusiven Bildungswe ge auszutesten
und dann in die Fläche zu gehen. Das war der Vorschlag des Expertenrats. Heute zeigt sich, dass wir aufgrund unserer lang jährig erprobten Modelle wie ISEPs, Außenklassen und Au ßenstellen eine gute Grundlage für Entscheidungen haben. Wir wissen durch diese Modelle – die Sie wieder kritisieren, weil sie zu lange gedauert hätten – sehr viel; wir kennen den Weg, wie inklusive Bildungswege künftig aussehen sollen.
Wir wissen auch, dass es sich gelohnt hat, diese Modelle aus zuprobieren und nicht gleich etwas Neues zu machen oder ins kalte Wasser zu springen.
Zurück zum Expertenrat. Der einzige Punkt, in dem wir uns vom Expertenrat unterscheiden, ist ein Punkt, bei dem wir über den Vorschlag des Expertenrats sogar noch hinausgegan gen sind: Wir haben in fünf Schwerpunktschulämtern die Um setzung begleiten lassen bzw. lassen sie noch begleiten. Aber in allen anderen Schulamtsbezirken – in allen anderen! – kann ebenfalls mit inklusiven Bildungswegen gestartet werden, wenn dort die gleichen Voraussetzungen vorliegen. Dazu ge hört insbesondere die Einigung mit den Schulträgern und den Trägern der Eingliederungs- und Jugendhilfe.
Jetzt will ich Ihnen, liebe Frau Rastätter und lieber Herr Zel ler, einmal als Sozialpolitiker in aller Deutlichkeit etwas sa gen: Was Sie hier machen, ist eine Schuldiskussion, der im mer der zweite Teil fehlt, der Teil der Schulträger. Was ist ei gentlich mit denen, die im Moment Sonderschulen haben, die neue Schulen einrichten? Die werden bei Ihnen gar nicht be rücksichtigt.
Viel schlimmer ist – ich das sage immer und immer wieder, bis es Ihnen zu den Ohren herauskommt –: Behinderte Kin der sind 24 Stunden am Tag behindert. Sie beide reden immer über sechs oder acht Stunden Schule. Was ist mit dem Rest? Wer klärt die Eingliederungshilfe, wer klärt die Jugendhilfe, wer spricht mit den Kommunen über die Schulen, wer baut Schulräume? Sie unterstellen, dass das alles ganz normal lau fen wird – nein, Sie unterstellen es nicht, Sie nehmen diese Sachverhalte gar nicht zur Kenntnis. Das zeigt, dass Sie das
Thema „Behindertes Kind“ nicht in Gänze bearbeiten, son dern immer nur das Thema „Unterricht und Schulgesetz“ im Auge haben. Wir versuchen, es insgesamt zu sehen.
Lassen Sie es bitte bleiben. Sie versuchen, in der Öffentlich keit den Eindruck zu erwecken, es gäbe eine halbherzige Um stellung. Die gibt es nicht. Wir haben Vollgas gegeben. Das stört Sie möglicherweise beim Thema Inklusion. Wir wissen, dass Eltern ein Interesse an einem inklusiven Bildungsweg haben. Sie können sich bereits heute an jedes Schulamt wen den; das wissen sie auch selbst. Es sind alle darauf angewie sen, gemeinsam mit den Beteiligten einen Weg zu suchen, und zwar einen Weg für die Kinder und einen Weg weg von einer Inklusionsideologie, wie Sie sie verfolgen.
Es ist klar, dass Lösungen vor Ort sinnvoll sind, diese aber auch ein wenig Zeit brauchen. Ich will Ihnen auch sagen, wa rum wir – im Gegensatz zu Ihnen – ein bisschen Zeit brau chen. Sie wollen alle Schulen verpflichten, Inklusion anzubie ten. Das kann am Ende der richtige Weg sein. Wenn man aber behinderte Kinder inkludieren will, dann muss man jetzt bei Schulen, die noch keine Kinder im integrativen Unterricht ha ben, Werbung dafür machen.
Ich möchte, dass wir Schulen auswählen, dass Schulen sich selbst dazu bekennen, dass sie Inklusionsschulen sind. Wir wollen keine Schule zwingen, Inklusion zu machen. Gerade behinderte Kinder müssen willkommen sein.
Sie wissen wahrscheinlich wie ich, dass es Vorbehalte an Schulen und Vorbehalte von Eltern gibt.
Frau Rastätter, reden Sie doch einmal mit den Eltern.
Sie reden immer mit Ihren Leuten. Das ist ein großer Fehler.
99 % der Eltern, mit denen ich spreche, sagen mir Folgendes: „Ich möchte mein Kind an seiner Schule willkommen wissen.
Ich möchte, dass die Schulkonferenz“ – die Schulkonferenz, nicht Ihre Kollegen Lehrer – „und auch die Eltern sagen: Ja wohl, die Kinder mögen willkommen sein. Wir wollen, dass unsere Kinder aufgenommen werden.“
Nein, ich werde Ihnen gleich widerlegen, was Sie sagen, Frau Rastätter. – Wir brauchen inklusionswillige Schulen, und wir brauchen inklusionsfähige Schulen. Das ist ein Unter schied. Inklusionswille ist, wenn sich eine Schule auf den ge meinsamen Weg macht.
Inklusionsfähigkeit bedeutet, dass die Schule personell und auch von der Ausstattung her dazu in der Lage sein muss. Aber diesen Fall blenden Sie in Ihren Betrachtungen aus:
keine Kommune, keine Schulbaumittel, keine Eingliederungs hilfe, keine Jugendhilfe, kurzum: nur Schulgedanken, keine Sozialpolitik. Noch einmal: Ein behindertes Kind ist auch in den 16 Stunden am Tag, in denen es nicht in der Schule ist, behindert. Wenn wir keine Hilfesysteme an den Schulen schaf fen, dann nützt uns der beste Inklusionswille nichts, wenn die Schulen dann nicht inklusionsfähig sind. Hören Sie auf mit Ihren theoretischen Modellen; das läuft nicht.
Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, was Sie anstellen, Frau Rastätter. Ich habe mir Ihren Antrag durchgelesen. In Ihrem Antrag, der heute zur Debatte steht, wird ausdrücklich – aus drücklich; ich habe noch einmal nachgelesen – Einzelintegra tion gefordert. Das will weder die CDU-Landtagsfraktion noch die Kultusministerin. Wir wollen keine Einzelinklusion, weil diese das Kind, das einzeln inkludiert wird, in eine völ lige Außenseiterrolle bringt. Das einzige behinderte Kind in einer Klasse, das einzige behinderte Kind an einer ganzen Schule zu sein – das ist für Sie Inklusion. Das mag in Frank reich Inklusion sein, in Baden-Württemberg ist es keine In klusion.
Das ist blanker Unsinn, Frau Rastätter. Das ist blanker Unfug, und es ist nicht kindgerecht.
Ich sage Ihnen: Was die Eltern wollen, das wollen auch wir. Wir wollen, dass die Kinder künftig an einer Regelschule wohnortnah unterrichtet werden, und zwar nicht in Form von Einzelintegration. Wir wollen vielmehr, dass die Kinder in kleineren Gruppen in diesen Schulen inklusiven Unterricht, inklusive Bildungswege genießen können. Den Eltern geht es überhaupt nicht darum, dass es exakt die Schule neben der Haustür sein muss, sondern sie sagen: Wir brauchen eine Schule, bei der unsere Kinder willkommen sind, bei der die
Versorgung stimmt und bei der unsere Kinder keine Außen seiterrolle als einziges behindertes Kind spielen.
Ich kann Ihnen nur raten, Frau Rastätter – Sie haben einen großen Wahlkreis –: Reden Sie bitte einmal mit Eltern, die be hinderte Kinder haben und deren Kinder in einer solchen Si tuation der Einzelinklusion in die Pubertät gekommen sind. Ich will Ihnen dieses Beispiel sagen; Sie sind Pädagogin, Sie wissen um die besondere Phase der Pubertät. Wenn ein Kind als einzelnes Kind inklusiv in dieser Situation ist, alle ande ren Freundinnen und Freunde finden, sich zu Partys treffen, miteinander tanzen gehen, dann ist dieses Kind plötzlich nir gendwo mehr eingeladen, ist nirgendwo mehr willkommen und hat niemanden, der in der gleichen Situation ist. Das sa gen uns die Eltern, liebe Frau Rastätter.
Wenn Sie Pädagogin wären, Frau Rastätter – was Sie von der Ausbildung her eigentlich sind –, dann wüssten Sie, wie schwierig diese Situation ist.
Wo ich lebe, wissen Sie. Sie wissen, dass ich seit neun Jah ren eine Schule begleite, die exakt das macht, was Sie verlan gen. Rufen Sie doch Frau Großkreutz von dieser Schule an; Sie kennen sie doch.
Fragen Sie sie doch einmal, was sie von Einzelinklusion hält: nichts. Auch die Eltern halten davon nichts.
Hören Sie auf mit Ihren Ideologien. Sie schaden den Kindern, sie nutzen ihnen nicht.
Interessant ist, dass Sie nach wie vor alle Sonderschulen auf lösen wollen. Das ist auch eine spannende Geschichte. Frau Rastätter – –
Jetzt hört sie mir nicht zu. Schade, liebe Frau Kollegin, dass Sie gerade nicht zuhören.
Frau Rastätter, Ihre hellseherischen Fähigkeiten sind phäno menal. Sie wissen bereits, welche Ergebnisse sich aus den Er kenntnissen der fünf Schwerpunktschulämter ergeben werden. Hellseherisch sagen Sie voraus, dass wir 500 zusätzliche Stel len brauchen. Sie ignorieren konsequent – Sie haben mit kei nem einzigen Wort etwas dazu gesagt –, was der Expertenrat gesagt hat. Sie nehmen ihn schon gar nicht mehr wahr, weil Sie ihn gar nicht gebraucht haben. Aus Ihrer Sicht war er un
nötig, denn Sie wussten ja schon vor dem Expertenrat, was der richtige Weg ist, liebe Frau Rastätter.
Herr Zeller ist dafür bekannt, dass er Ideologe ist. Aber von den Grünen, gerade von Ihnen, Frau Rastätter, habe ich ein bisschen mehr erwartet.
Sie haben vorhin ein paar Sachen ausgesprochen, die schon ganz interessant sind. Bisher sind wir gründliche Arbeit ge wohnt. Sie haben an diesen Punkten nicht gründlich gearbei tet. Ich möchte in Erinnerung rufen, was Sie vorhin gesagt ha ben. Sie haben gesagt, Sie hätten im letzten Frühjahr einen Antrag zur Änderung des Schulgesetzes gestellt, der abgelehnt worden sei. Das ist falsch. Sie haben diesen Antrag zurückge zogen.
Doch.
Ihr erster Antrag zur Änderung des Schulgesetzes ist zurück gezogen worden,
weil er unvollständig war,
weil Sie etwas vergessen hatten.
Sie haben dann einen neuen Antrag gestellt. So war es damals.
Lieber Herr Zeller, dann zu Ihnen.
Ich finde es spannend, was Sie gesagt haben. Aber ich will gar nicht näher darauf eingehen. Das Thema Verfassungswidrig keit im Zusammenhang mit dem Schulgesetz von BadenWürttemberg zu nennen ist ein hoher Anspruch, den Sie hier erheben.
Wenn Sie die Gutachten gelesen haben – ich habe auch die Gutachten der Nichtfreunde unseres Weges gelesen –, dann haben Sie erfahren, dass die Umsetzung eine Sache der Län der ist, dass auch das Wie eine Sache der Länder ist und dass von keinem Land, das dafür zuständig ist – weder in Deutsch land noch innerhalb der Bundesländer, noch außerhalb der Bundesländer –, ein Zeitplan vorgegeben ist, der eine sofor
tige hundertprozentige Umsetzung vorsieht. Auch das RiedelGutachten sagt das nicht. Das Riedel-Gutachten sagt aus drücklich nichts zu einem Zeitplan. Damit ist das Thema Ver fassungswidrigkeit wohl ein bisschen daneben.
Liebe Frau Rastätter, ein letzter Satz – ich möchte Erhard Blanck zitieren –:
Die meisten Holzwege enden in einer Sackgasse.
Ich verstehe Sie ehrlich gesagt nicht. Eigentlich sind Sie eine ganz vernünftige Pädagogin. Wenn Sie aber an diesem Punkt sind, sind Sie Ideologin. Das finde ich schlimm. Ich finde, wenn man in einer Sackgasse steht – und Sie stehen in einer Sackgasse, weil Sie nicht die Kinder im Auge haben, sondern Ihre Ideologie –, dann sollte man umdrehen.
Machen Sie einen Schritt zurück, drehen Sie in der Sackgas se um, lassen Sie es bleiben. Wir diskutieren in jeder Plenar sitzung gern mit Ihnen über dieses Thema. Es geht aber nicht, dass Sie von Sitzung zu Sitzung Sachen behaupten, die nicht stimmen. Sie tun den Kindern keinen Gefallen und den Eltern auch nicht.
Frau Ministerin, wir teilen Ihre Ansicht,
dass wir jetzt in allen Schulamtsbezirken beginnen sollten. Die „Beobachtungsschulämter“ oder die „Versuchsschuläm ter“ sind ja gehalten, entsprechende Vorgaben zu machen. Für uns gibt es dabei eine ganz maßgebliche Bedingung, nämlich dass wir Schulen haben, die von ihrer Ausstattung her integ rationsfähig sind, die aber auch integrationswillig sind. Das heißt, die behinderten Kinder müssen an diesen Schulen will kommen sein. Wir dürfen nicht im ersten Schritt Schulen ver pflichten. Jede Schule muss irgendwann integrationsfähig sein, aber im ersten Schritt ist es, glaube ich, wichtig, dass man die entsprechenden Maßnahmen auch auf Integrations willigkeit bezieht.
Zu meiner Frage: Wir haben zwei unterschiedliche Personen kreise. Zum einen haben wir heute Kinder in Sonderschulen, bei denen sicher schon viel zum Thema „Integration an Re gelschulen“ gemacht worden ist. Haben diese Kinder auch die Möglichkeit, im nächsten Schuljahr in eine Regelschule zu wechseln?
Zum anderen geht es um die Eltern, die ein behindertes Kind haben, das neu in die Schule kommt. Kann ihnen tatsächlich – wir hätten das gern – ab dem kommenden Schuljahr ein An gebot in einer Regelschule gemacht werden?
Frau Ministerin, ich habe den Eindruck, dass die Opposition die Ansicht vertritt, dass es für die Eltern einen Unterschied macht, ob sie in einer Er probungsregion wohnen oder nicht. Ich habe Sie aber so ver standen, dass es für die Eltern keinen Unterschied macht. Viel mehr dienen die Erprobungsregionen gerade nicht dazu, die Umsetzung hinauszuzögern, sondern sie dienen dazu, Erfah rungen zu sammeln, die dann auch eine rechtssichere Umset zung ermöglichen.
Was für ein Wahlrecht wäre es, das ein Landtag verabschie den würde, wenn danach gar nicht garantiert werden könnte, dass die Eltern wirklich wählen können, weil vor Ort gar nicht genügend Angebote vorhanden wären?
Mir ist wichtig, von Ihnen eine klare Antwort auf folgende Frage zu erhalten: Kann man ein Gesetz verabschieden, wenn vor Ort gerade noch ein Wahlrecht in der Umsetzung ist? An ders ausgedrückt: Hätten wir besser warten sollen, hätten wir den Eltern die Möglichkeiten erst einmal nicht einräumen sol len, hätten wir mit der Umstellung noch zwei Jahre warten sollen, bis alle so weit sind? Das hätte doch sicher niemand gewollt.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Der Antrag der SPD-Fraktion ist vom Februar 2009 und damit über ein Jahr alt. Wir haben leider wieder einmal einen Ladenhüter auf der Tagesordnung.
Aber, lieber Herr Mentrup, Sie haben mir bei einigen Punk ten sehr aus dem Herzen gesprochen. Ich bin wirklich froh da rüber, dass wir uns bei diesem Thema zumindest inhaltlich, was die Zielrichtung betrifft, glaube ich, fraktionsübergrei fend nicht allzu sehr unterscheiden. Es geht am Ende um die Frage: Was wird daraus gemacht? Wird so umgesetzt, wie Sie es sich vorstellen, wie wir es uns vorstellen? Gibt es da Dif
ferenzen? Ich glaube, bezüglich des Inhaltlichen haben wir gar keine großen Unterschiede.
Was ist heute der Sachstand? Liebe Frau Kollegin Lösch, nachdem Sie keine Zeit mehr hatten, auf Ihren Aktionsplan einzugehen, will ich einige Teile aus Ihrem Aktionsplan auf greifen, allerdings wahrscheinlich nicht in dem von Ihnen ge wünschten Sinn.
Die Grünen treffen in ihrem Antrag zum einen die Aussage: Es gibt unklare Berufsaussichten für die Absolventen der neu en Studiengänge. Das halte ich für interessant. Gleichzeit for dern sie einen Ausbau dieser Studiengänge. Ich finde, man muss schon sehr grün sein,
um diesen Gedankensprung nachvollziehen zu können, weil dies natürlich ein Widerspruch in sich ist.
Frau Lösch, Sie haben es angesprochen, Sie haben mich auch namentlich angesprochen: Die Initiative aus dem Jahr 2007 hat dafür gesorgt, dass wir inzwischen nicht mehr 600, son dern 700 Studienplätze haben. Das sind natürlich auch Aus bildungsplätze in diesem Bereich, die zusätzlich zur Fach schulausbildung dazugekommen sind. Sie stellen sicherlich zu Recht die Frage: Werden diese Ausbildungsplätze genutzt? Kommen sie da an, wo sie ankommen sollen? Ich bin schon einmal froh, dass die jungen Leute dort studieren und dass die ses Berufsfeld nun endlich Einzug in die Hochschulen gehal ten hat.
Ich finde es schwierig, dass Sie in Ihrem Aktionsplan Maß nahmen fordern, die in weiten Teilen bereits umgesetzt wor den sind. Ich finde es dann schwierig, wenn man überlegt, ob man mit mehr Geld mehr Ausbildungsqualifikationen und mehr Interesse bei möglichen Auszubildenden bewirken kann. Es ist nicht die Frage, ob man den Fachschulen mehr Geld zahlt oder ob man die Ausbildungsplätze finanziell – ich kom me noch zum Thema Imagekampagne – fördert. Das ist gar nicht unser Problem beim Thema Ausbildungsplätze.
Vielmehr haben wir – Sie haben es in Teilen schon fast rich tig dargestellt – eine Konkurrenz: Wenn heute eine Fachschu le für Erzieherinnen, eine Fachhochschule oder eine Pädago gische Hochschule um diesen Personenkreis werben, stehen sie bereits heute im Wettbewerb um junge Leute. Darin ist das größte Problem zu sehen. Wenn sich heute jemand in einer Fachschule bewirbt, um die normale Erzieherinnenausbildung zu machen, hat er oft auch schon für ganz viele andere Beru fe eine erfolglose Bewerbung geschrieben. Am Ende macht man halt eine Ausbildung als Erzieherin, weil man keinen an deren Ausbildungsplatz gefunden hat. Dies ist sicher keine Si tuation, die wir gern haben wollen und brauchen.
Die Grünen fordern in ihrem Antrag, für die 900 arbeitslosen Erzieherinnen Qualifizierungsmaßnahmen für den Wiederein stieg in den Beruf durchzuführen. Dies ist ein Instrument, das man bei einem Überangebot am Arbeitsmarkt einsetzt. Das haben wir aber nicht. Wir haben ein Unterangebot am Arbeits markt. Das ist schlicht ein falscher Ansatz.
Es wird noch besser: In den Anträgen wird nach der Zahl der Bewerber gefragt. Wir hatten im Januar 2009 landesweit 1 747 Bewerber, im Juni des gleichen Jahres waren es noch 1 329. Gleichzeitig ist die Zahl der offenen Stellen von 292 auf 425 gestiegen. Dies zeigt, dass Spiel im Markt ist und dass wir im Moment – bis auf wenige Ausnahmen – noch keine Mangel versorgung haben.
Die Mangelversorgung oder die jetzige Situation, die Sie für einige Städte beschrieben haben, hat natürlich damit zu tun, dass der Ausbau der U-3-Betreuung bis zum Jahr 2013 nicht in Schritten erfolgt, sondern dass in den Kommunen schnel ler ein größerer Bedarf entstanden ist und die U-3-Plätze schlicht und ergreifend früher eingerichtet worden sind. Es ist recht so, wenn die Mütter und die Familien Bedarf an Betreu ung haben. Dann ist es eben nicht über die Politik steuerbar, sondern es steuert sich über die Nachfrage. Aber der Arbeits markt wird nie sekundengenau auf eine entsprechende Situa tion reagieren. Die Ausbildung der Erzieherinnen dauert mit allem, was dazugehört, vier Jahre. Das Studium dauert auch acht bis neun Semester. Ich möchte das gar nicht kritisieren. Aber die Politik kann nicht auf jede Veränderung am Arbeits markt sofort eine fertige Konzeption mit Bewerbern, die so fort zur Verfügung stehen, haben.
Wichtig ist – Sie haben es angesprochen – eine Imagekampa gne für die Kinderbetreuung. Wir sind jetzt zusammen neun Jahre im Landtag und haben die gleiche Thematik schon ein mal bei der Pflege diskutiert: Macht es Sinn, eine Imagekam pagne für einen Beruf zu fahren?
Ja, es macht Sinn, wenn man sie machen kann, wenn es für den betreffenden Beruf von der Situation her im Moment ei nen Bedarf gibt. Aber auch eine Imagekampagne verblasst nach einigen Jahren. Das haben wir bei der Imagekampagne für die Pflege gesehen. Davon ist heute nicht mehr viel übrig.
Eine Imagekampagne für die Kinderbetreuung würde wahr scheinlich relativ kurz greifen, weil wir die Bewerber nicht im richtigen Moment erwischen und weil wir mit der Image kampagne nichts zur aktuellen Situation beitragen.
Ich will noch einmal auf die Studienplätze für den Erzieher beruf eingehen. Wenn wir Attraktivität schaffen wollen, müs sen wir uns mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Hat denn jemand, der einen Realschulabschluss hat, im Beruf eine Chance? Warum sollte er diesen Erzieherberuf erlernen? Kann er anschließend weitermachen? Kann er ein Studium drauf setzen? Hat diese Person, wenn sie nicht bis zum Lebensen de Erzieher bleiben will, die Möglichkeit, sich entsprechend weiterzuqualifizieren?
Seit 2007 ist dies bei den angesprochenen Studienplätzen möglich. Aber an einigen Hochschulen – nicht an allen – gibt es Punkte, die außerordentlich kritikwürdig sind und die ich heute noch einmal ansprechen will. Ich freue mich ausdrück lich, dass wir inzwischen 700 Studienplätze haben. Aber nicht alles funktioniert optimal.
Erstens: Jeder Studiengang hat einen anderen Namen. Es gibt praktisch keine Studiengänge, die gleich heißen. Das macht
es für die Bewerber landesweit ziemlich schwierig, weil die Inhalte oft identisch sind, aber die Namen der Studiengänge voneinander abweichen.
Wir haben dann gesagt – das war eine Forderung von uns al len –, dass die Hochschulen auch Studiengänge für Querein steiger, für Berufstätige, die kein Abitur haben, anbieten sol len. Das gibt es jetzt an allen diesen Hochschulen. Wenn man kein Abitur hat, kann man eine Aufnahmeprüfung machen. Aber ich rate Ihnen, einmal auf die Homepages dieser Hoch schulen zu gehen. Sie müssen im Internet schon sehr sachkun dig sein, um die Seiten zu finden, auf denen die Hinweise und Kriterien der Aufnahmeprüfungen für Nichtabiturienten ste hen, weil man diese an manchen Hochschulen gar nicht ha ben will. Das muss man auch deutlich sagen.
Zudem fehlen weitläufig berufsbegleitende Studiengänge zur Weiterqualifizierung. Wir sehen diesen Bedarf auch bei den Erzieherinnen bisheriger Prägung. Da fehlt es einfach an der Möglichkeit berufsbegleitender Studiengänge. Aber es war die Bedingung für die Einrichtung bestimmter Studiengänge, dass sie berufsbegleitend erfolgen.
Ich sehe den Hinweis auf die Redezeit. – Ich will noch ein mal sagen: Ich glaube, dass wir Instrumente gewählt haben, dass das Kultusministerium seine Möglichkeiten ausgenutzt hat, um dazu beizutragen, die entsprechenden Ausbildungs angebote zu schaffen.
Liebe Frau Lösch, das Kultusministerium hat u. a. bereits im letzten Sommer die Fachschulen, die zusätzliche Studiengän ge oder neue Ausbildungsgänge in diesem Bereich anbieten, von der dreijährigen Wartefrist befreit. Ich nehme an, das ist Ihnen entgangen.
Es kann Ihnen nur um ganz neue Schulen gehen, Schulen, die bisher noch nicht ausgebildet haben. Da, muss ich sagen, bin ich skeptisch, ob wir dem Beruf einen Gefallen tun, wenn wir sozusagen über Nacht Studiengänge an Fachschulen, an Schu len, die sich vorher nicht in irgendeiner anderen Form der be ruflichen Begleitung bewährt haben, anbieten.
Wir wollen bei diesem Beruf Qualität. Aber wir brauchen auch Quantität. Nur: Wer die Qualität hintanstellt und jetzt vorran gig auf Quantität abzielt – das war schon der Fehler bei der U-3-Umsetzung –, tut unseren Kindern keinen Gefallen, weil uns die Frage nach der Qualität über viele Jahre nachgehen wird, während uns die Quantität einholen wird.
Ich bitte herzlich darum: Lassen Sie uns darüber sehr seriös weiterdiskutieren. Ich glaube, die Landesregierung hat sich keinerlei Fehler vorzuwerfen. Die richtigen Schritte sind er kannt worden. In zwei oder drei Jahren werden wir wissen, wie der Bedarf tatsächlich aussieht.
Vielen Dank.
Aber gern, von Frau Lösch immer.
Liebe Frau Kollegin Lösch, wenn 900 Erzieherinnen im Land arbeitslos sind und Sie gleichzeitig kritisieren, dass wir eine Unterbesetzung in be stimmten Bereichen haben, dann stimmt etwas am Arbeits markt nicht. Dann stimmen Angebot und Nachfrage nicht.
Sie wissen wie ich, dass eine Erzieherin, die sich heute ar beitslos meldet, weil sie z. B. nach einem Jahr Kindererzie hung nicht wieder in den Beruf einsteigt und auch kein Eltern geld mehr bezieht, in der Statistik des Arbeitsamts landet, ob sie vermittlungsfähig ist oder nicht. Ich will gar nicht aus schließen, dass es wie in der Pflege auch in der Erziehung Kräfte gibt, die mit einer Weiterqualifizierung mehr erreichen und wieder in den Beruf einsteigen könnten. Aber sollten wir uns nicht zuerst die Gründe anschauen, warum diese 900 Frau en arbeitslos sind? Sie fordern ein Programm, ohne die Grün de zu kennen, warum diese Damen und wenigen Herren ar beitslos sind.
Zu Ihrer ersten Frage, der Frage nach der Imagekampagne. Ich habe das vorhin, glaube ich, klar dargestellt. Wir hatten in der Pflege eine Eintagsfliege. Wir hatten eine große Image kampagne gefahren, hatten dann ein oder zwei Jahre lang mehr Bewerber und hatten anschließend wieder genau die gleiche Zahl.
Das heißt, ich würde dafür plädieren, dass wir, weil uns allen dieser Beruf wichtig ist, nicht wieder gemeinsam eine Ein tagsfliege starten,
sondern uns etwas Gescheites einfallen lassen. Ich habe eini ge Punkte angesprochen, wie wir den Beruf attraktiver ma chen können.
Danke.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Morgens trauern und mittags streiten, obwohl es beide Male um sensible Themen geht, ist ein schwieriger Spagat. Ich denke, so, wie wir alle heute Morgen gemeinsam versucht haben, den Belangen der Familien und den Opfern des Amoklaufs in Winnenden gerecht zu werden, so sollte auch beim Thema Inklusion die Suche nach guten Lösungen allen ein gemeinsames Anliegen sein.
Uns liegen heute zwei Dokumente vor: Das eine gibt die Ausführungen des Expertenrats vom Februar 2010 wieder – ich bedanke mich bei ihm für die sachkundige Arbeit –, und beim anderen handelt es sich um den Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE vom Juni 2009.
Am Vormittag des 18. Februar 2010 wurden die Ergebnisse des Expertenrats öffentlich vorgestellt, und am Nachmittag des gleichen Tages haben die Grünen ihren Altantrag aus der Schublade gezogen, ohne dass sie die Ergebnisse des Expertenrats offensichtlich schon gekannt hätten. Das zeigt, liebe Frau Rastätter, was Sie von der Arbeit des Expertenrats zu halten scheinen, nämlich nichts.
Das ist dreist. Ich finde es dreist, einfach einen alten Antrag unverändert aus der Schublade zu ziehen und sich dann noch nicht einmal die Mühe zu machen, ihn zu überarbeiten. Sie haben beim Abschreiben dieses Antrags von anderen Bundesländern auch einen Fehler gemacht.
Dieses Gesetzentwurfs. – Sie haben beim Abschreiben dieses Gesetzentwurfs einen Fehler gemacht. Sie haben nämlich eine Schule nicht erwähnt: die Schule für Kranke. Das war offensichtlich von einem anderen Bundesland abgeschrieben. Das ist noch nachholbar.
Die Intention dieser Vorgehensweise ist aber klar. Ihnen geht es nicht darum, eine gute Lösung zu finden, sondern Ihnen geht es darum, als Erstes an diesem Tag dran zu sein.
Ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Berücksichtigung des Expertenrats haben Sie Ihren alten Gesetzentwurf hervorgeholt.
Wir haben über das Thema Inklusion schon oft gesprochen – dies ist ja nicht die erste Sitzung, in der dieses Thema behandelt wird –, und man muss hier vielleicht auch den einen oder anderen Blick in die Zukunft richten. Vielleicht wird es dann noch besser.
Sie haben aber noch immer einen Fehler in Ihrem Gesetzentwurf. Sie blenden aus, dass behinderte Kinder 24 Stunden am Tag behindert sind und dass wir im Schulgesetz nur einen begrenzten Zeitraum regeln können, nämlich den Aufenthalt in der Schule.
Bevor Rechtsänderungen vorgenommen werden, müssen wir die Schnittstellen zu den Landkreisen klären. Kinder mit Behinderungen fahren nicht mit dem Linienbus in die Schule, sondern werden zu Hause abgeholt und auch nach Hause gebracht. Kinder mit Behinderungen brauchen in der Schule neben den Lehrern oftmals auch persönliche und medizinische Assistenz. Was machen Kinder in einer Regelschule, die z. B. auf den Rollstuhl angewiesen sind, auf einer Klassenfahrt? Wie wird mit solchen Fragen umgegangen, wie ist die Eingliederungshilfe in ein neues Schulsystem eingebunden?
Wir von den Regierungsfraktionen wollen den Menschen, den Familien mit behinderten Kindern ein funktionierendes Sys tem anbieten, ein System, auf das sie sich verlassen können und bei dem nicht erst hinterher in Verordnungen geregelt werden muss, was dabei herauskommen soll.
Nein.