Frank Zimmermann

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Frau Präsidentin! Meine geehrten Damen und Herren! Herr Kollege! Im Erfinden von verschiedenen Überschriften für ein und dieselbe Sache sind Sie und Ihre Fraktion wirklich unschlagbar.
Mal sind es die Terroristen, mal sind es die abgelehnten Asylbewerber, mal sind es wieder alle Ausreisepflichtigen, und diesmal sind es die Syrer. Aber immer geht es nur um das Eine: das Platzieren Ihrer Falschbehauptungen, wir würden nicht abschieben und das Gesetz missachten. Jedes Mal werden Sie durch die Tatsachen widerlegt, die ich Ihnen heute erneut vortragen muss.
Berlin betreibt durchgängig ein Rückführungs- und Abschiebungsmanagement und koordiniert diese Bemühungen senatsseitig durch eine eigens dafür geschaffene Arbeitsgruppe. Über die freiwilligen Rückführungen hinaus hat Berlin im Jahr 2019 1 003 Personen abgeschoben und im Jahr 2020 bis Ende September 719. Anders, als Sie uns hier weismachen wollen, schieben wir auch konsequent Straftäter ab, wenn das rechtlich und tatsächlich möglich ist. 2019 waren es 207 und im laufenden Jahr bis Ende September 104 Straftäter. Dort jedoch, wo es rechtlich nicht möglich ist, abzuschieben, schiebt Berlin auch nicht ab, denn der Senat hält sich an geltendes Recht, und dieses zu missachten, kann dieses Haus schlechterdings nicht verlangen, auch nicht beschließen, und Sie verlangen das ja auch gar nicht.
Im deutschen Recht ist das Völkerrecht Teil unserer Rechtsordnung, weshalb das Aufenthaltsgesetz § 60 Absatz 5 auf die Europäische Menschenrechtskonvention verweist. Aufgrund dieser Rechtslage stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in ständiger Entscheidungspraxis ein Abschiebeverbot bei syrischen Staatsangehörigen fest. Dieses Abschiebeverbot entfällt auch bei Straftätern nicht. Ich nehme an, die Europäische Menschenrechtskonvention wollen Sie nicht ändern. Jedenfalls haben Sie das in Ihren Anträgen auch nicht angesprochen, auch nicht mündlich. Aufgrund also dieser auch von Ihnen unbestrittenen Rechtslage hat die Innenministerkonferenz vor Jahren gemeinsam mit dem Bundesinnenminister den Abschiebestopp für Syrer beschlossen, weil aufgrund der Lageberichte des Auswärtigen Amts die Lage in Syrien nach wie vor bedrohlich bis katastrophal ist.
Und wenn die Bundespolizei nicht nach Syrien fliegt, können auch wir nicht dahin abschieben, und jetzt kommt die entscheidende Frage: Muss der Abschiebestopp im
mer wieder verlängert werden, oder kann er in absehbarer Zeit ganz oder teilweise aufgehoben werden, und was muss geschehen, damit dies möglich wird? – Die Antwort darauf gibt der Bundesminister des Innern, Horst Seehofer, der in der Bundespressekonferenz am 23. Oktober dieses Jahres durch seinen Sprecher erklären ließ – ich zitiere mit Erlaubnis, Frau Präsidentin –,
dass es aus Sicht des Bundesinnenministeriums grundsätzlich zu begrüßen ist, wenn Straftäter und auch Gefährder abgeschoben werden können, dass dies aber natürlich nur dann geschehen kann, wenn sie nicht mit Gefahr für Leib und Leben bedroht sind.
Diese Aussage ist doch nicht deshalb falsch, weil Seehofer sie gemacht hat. Sie entspricht exakt der Rechtslage, an die sich selbstverständlich auch die Bundesregierung hält.
Es kommt also darauf an. Es kommt tatsächlich auf die Lage in Syrien an, wie die Verhältnisse dort sind, und damit auf die Lageberichte des Auswärtigen Amts und darauf, ob und wie weit dort eine Bedrohungslage fortbesteht oder ob etwa befriedete Zonen oder Sicherheitszonen festgestellt werden können, die gegebenenfalls eine Abschiebung rechtlich ermöglichen. Das ist die entscheidende Frage. Das muss aufgrund der Lageberichte beurteilt werden. Das macht das Bundesministerium des Innern, das machen die Innenminister der Länder, und dann wird eine Entscheidung getroffen. Bis jetzt ist keine Veränderung in dieser Lageeinschätzung vorgekommen, und deswegen ist es bis jetzt gültig.
Dies, was Sie hier anstreben, ist aber etwas, was wir hier weder im Abgeordnetenhaus beschließen können, noch der Senat anordnen kann, noch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verfügen kann. Dies ist Sache der Innenministerkonferenz einschließlich des Bundesministers des Innern, nämlich regelmäßig verantwortlich zu prüfen, welche Veränderungen sich im Herkunftsland ergeben und welche Konsequenzen daraus für die Abschiebepraxis zu ziehen sind. Wie auch immer sich die Situation entwickelt, Berlin hält sich an die Beschlusslage aller deutschen Innenminister und wird sich auch künftig daran halten. Wir handeln im Einklang mit dem Bund und den anderen Ländern, und wir machen hier keine Alleingänge, auch wenn Sie das hier beantragen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Kollege! Ich kann es kurz machen. Es ist richtig, dass sich jede Pauschalbetrachtung verbietet, es sehr auf die tatsächliche Lage ankommt, diese Lage durchaus dynamisch sein kann, sich verändern kann und es deswegen entscheidend auf die nüchterne Betrachtung der Verhältnisse dort ankommt.
Zweitens gehe ich davon aus, dass die Innenministerkonferenz sich diese Analysen verantwortlich anguckt und dann eine Entscheidung trifft, nicht schematisch oder irgendwie reflexartig vorgeht, sondern ganz an der Sache und den tatsächlichen Verhältnissen orientiert, und natürlich dann versucht, die Ziele, die im Aufenthaltsrecht des Bundes angelegt sind, auch zu verwirklichen, nämlich dann, wenn das rechtlich und tatsächlich möglich ist, auch Straftäter und Gefährder abschieben zu können. Dieses Ziel ist das Ziel der Gesetzeslage.
Für die Koalition hier im Haus kann ich sagen, dass die Regeln, die das Völkerrecht zum Schutz von Humanität und Menschenleben aufstellt, vollständig beachtet werden und es dahinter kein Zurück gibt. Das werden wir auch künftig in der Praxis beachten, auch wenn Sie da noch so sehr drängen. Ich will Ihnen jetzt keine besondere Polemik vorwerfen. Das haben Sie hier nicht gemacht. Wir sollten als Haus das Signal aussenden, dass wir verantwortlich handeln. Und so wird der Senator garantiert in die nächsten Beratungen der Innenministerkonferenz eintreten und sich dort an der Analyse beteiligen. Alles vorwegzunehmen, was dort möglicherweise entschieden werden kann, macht keinen Sinn, weil man sich die Punkte erst angucken muss. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man könnte über die Auslassungen dieses magischen Denkers Herrn Gläser getrost hinweggehen,
wenn man nicht doch von diesem Pult aus feststellen müsste, dass das einzig und allein darauf ausgerichtet ist, durch Verfälschungen und Verdrehungen Misstrauen und Zwietracht unter den Leuten zu säen, und das muss einfach zurückgewiesen werden.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Franz Kerker (AfD): Quatsch, er hat konkrete Beispiele genannt! Hören Sie zu! Pure Machtarroganz! – Weitere Zurufe von der AfD]
Anders als mein Vorredner will ich einige Vorzüge unseres Systems, über das und über dessen Finanzierung wir hier heute beraten, hervorheben. Es ist nämlich so – ganz im Unterschied zu dem, was Sie hier erzählen –, dass uns viele Länder in der Welt um unsere duale Medienordnung beneiden, deren konstitutiver Bestandteil das öffentlichrechtliche System ist. Ergänzt durch den privaten Teil bietet das eine Vielfalt und eine Qualität, nach denen sich andere Länder sehnen, und das ist erst mal eine Errungenschaft, die sich über die Jahrzehnte entwickelt hat und auf die man stolz sein kann, wie ich finde.
Wir haben aber auch festzuhalten: Qualitätsjournalismus ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie, und dieser Qualitätsjournalismus wird durch dieses System maßgeblich mitgeleistet, und das ist existenziell. Wir haben die Notwendigkeit, eine seriöse und kuratierte Berichterstattung zu haben. In einer zunehmend individualisierten Medienlandschaft wird dies
(Ronald Gläser)
immer wichtiger, und auch das ist ein Ergebnis, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk leistet, und das müssen wir würdigen.
Schließlich müssen wir feststellen, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk, das gesamte System, im letzten halben bis dreiviertel Jahr, in der Krise, einen spürbaren Akzeptanzgewinn erfahren hat, und das ist messbar, wir können es darstellen, dass die Leute darauf Wert legen, diese Informationen zu bekommen, eine seriöse Berichterstattung, anstatt alle möglichen Fake-News zu hören.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Franz Kerker (AfD): Das hat man gestern bei der Demo gesehen! – Gunnar Lindemann (AfD): Warum sprechen Sie dann noch von Fake-News?]
Zum Glück haben wir in diesem Haus eine große Übereinstimmung über die Frage der Bedeutung dieses Systems und auch über die Verantwortung, die wir dafür tragen.
Deshalb will ich das hier nicht allzu sehr verlängern. Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist äußerst maßvoll. Es sind 1,2 Prozent pro Jahr. Das ist angesichts der Aufgaben und der Kostenentwicklung eine sehr vorsichtige, maßvolle Erhöhung, und ich darf daran erinnern, dass die Bedarfsermittlung durch die KEF ohne medienpolitische Einflussnahme stattfindet. Das gebietet nämlich das Prinzip der Staatsferne.
Deswegen ist es nur höchst ausnahmsweise zulässig, dass wir hier etwa aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen von dieser KEF-Empfehlung abweichen. Das tun wir nicht, weil solche auch gar nicht vorgetragen wurden. Sie haben sie auch nicht vorgetragen, und sie sind auch weit und breit nicht erkennbar. Deswegen werden wir dieser Vorlage selbstverständlich zustimmen.
Wenn wir hier in diesem Haus einen breiten Konsens haben, dann erübrigt sich tatsächlich eine ausführliche Debatte über die Finanzierungsgrundlagen. Das steht ja auch alles im Vertrag drin. Ich hoffe, dass SachsenAnhalt als Land Nr. 16 doch noch zustimmen kann, denn sonst würde wegen des Funktionsauftrags, den wir im Medienstaatsvertrag haben, das Bundesverfassungsgericht ohnehin gezwungen sein, diese Erhöhung als Gerichtsentscheidung zu beschließen. Ich hoffe, dass Sachsen-Anhalt doch noch mitmacht. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich am Beginn klarzustellen, Herr Kollege: Falls Sie die angebliche Kooperation der Senats mit fundamentalistischen Verbänden so gemeint haben sollten, dass Sie dem Senat eine Komplizenschaft mit Mord und Terror vorwerfen, dann muss ich das entschieden zurückweisen. Das ist eine Fundamentalopposition, die nicht angebracht ist.
Ich nehme aber an, Herr Kollege, Sie haben das vielleicht so nicht gemeint. Aber Sie haben vielleicht versucht zu stimulieren, dass in den sozialen Medien oder sonst wo diese These kolportiert wird, und deswegen ist es wichtig zu betonen, dass ein solcher Vorwurf absurd und in keiner Weise begründbar ist.
Die jüngsten furchtbaren Anschläge von Paris bis Wien lösen zuallererst Trauer und Mitgefühl aus. Wir trauern um die Opfer, und wir fühlen mit den Angehörigen. Wir sollten auch hier im Hause – der Präsident hat es schon getan – gemeinsam zum Ausdruck bringen, dass wir in Berlin an diesen schweren Tagen solidarisch an der Seite unserer europäischen Freunde stehen.
Danach stellt sich aber sofort Entsetzen ein über die Kaltblütigkeit, die Menschenverachtung, die Brutalität dieser Täter und die bittere Erkenntnis, dass es immer wieder junge Männer gibt, die mit ihren religiösen Wahnvorstellungen und ihrem Hass zu eiskalten Killern werden. Auch wenn sie möglicherweise allein handeln und der IS die Tat hinterher nur für sich reklamiert, ist die salafistische Bedrohung mitten in Europa nach wie vor erheblich, und wenn die Debatte hier heute einen Sinn machen soll, dann sollten wir ernsthaft über die Gegenstrategien reden – nicht mit Verunsicherung, sondern ausgerichtet an vernünftigen Strategien politischer wie polizeilicher Art.
Nein, Herr Kollege! Ich möchte hier im Zusammenhang ausführen, weil das zu wichtig ist. – Nach unserer Überzeugung ist nämlich bei diesen Strategien ein dreifacher Ansatz zu verfolgen. Als erstes ist es unverzichtbar, die Täterprofile genau zu untersuchen. Dabei will ich mich nicht lange mit der Persönlichkeitsstruktur dieser Leute aufhalten: vielfach unterentwickelte soziale Bindungen, mangelnder Kontakt zu Frauen, Abwertung, vielfach Verachtung von Frauen, hohes Aggressionspotenzial und hohe Bereitschaft zur gewalttätigen Lösung von Konflikten.
Wichtiger ist hier die Betrachtung der religiösen Radikalisierungsprozesse. Wie werden gläubige Moslems zu Dschihadisten, die hoffen, als Märtyrer ins Paradies zu kommen? – Der Wiener Imam, der zu Dialog und Verständigung aufruft, warnt davor, dass die Gefängnisse in ganz Europa Brutstätten der Radikalisierung seien. Ich fürchte, das ist ernst zu nehmen. Der Wiener Attentäter, den alle Gutachter und Bewährungshelfer falsch eingeschätzt haben, wollte zwar vorher ins IS-Kampfgebiet ausreisen, dürfte sich aber im Gefängnis in Richtung auf die Terrortat weiter radikalisiert haben. Auch in islamistischen Moscheevereinen hier bei uns sind teilweise solche Prozesse zu beobachten, wie z. B. in der FussiletMoschee in Moabit. Wir haben sie geschlossen, aber damit ist natürlich das Problem noch nicht beseitigt. Jedenfalls ist klar: Das Wissen über die Profile der Täter und der Austausch der europäischen Sicherheitsbehörden über die Radikalisierungskarrieren müssen intensiviert werden. Da hat die „FAZ“ von gestern vollkommen recht.
Wir werden – zweitens – mit Abwehrmaßnahmen keinen Erfolg haben, wenn wir die Strategie des IS nicht kennen. Da lohnt es sich, die IS-eigene Propaganda anzugucken. Ziel der IS-Aktivisten in Europa ist die Grauzone. 2015, nach der Errichtung des Kalifats, haben sie die „extinction of the greyzone“ gefordert; es sei die Zeit gekommen, noch mehr Zerwürfnis in die Welt zu bringen und allerorten die Grauzone zu zerstören. Damit meinen sie die Indifferenz der Ungläubigen, also all die aus ihrer Sicht vergnügungssüchtigen, dekadenten Hedonisten, die weder beim Kreuzzug der vermeintlich christlich geführten Strategie mitmachen noch sich dem Dschihad anschließen, die also weder das eine noch das andere machen. Damit meinen sie vor allem aber auch alle, die sich in Europa einem friedlichen, reformatorischen, europäischen Islam zuordnen lassen. Sie bekämpfen alle Heuchler, die den Kampf gegen die Ungläubigen nicht unterstützen, also Millionen von muslimischen Bürgerinnen und Bürgern. Diese Strategie, die der IS seit 2015 verfolgt, ist also auf die völlig terroruninteressierten Muslime im Westen ausgerichtet und auf die erwünschte Gegenreaktion von Muslimgegnern, um noch mehr Spaltung und Zerwürfnis in die Gesellschaft zu tragen.
Hier zeigt sich, dass die Polemik gegen den Islam als Ganzes und die von manchen betriebene Radikalisierung in der Mitte der Gesellschaft voll nach hinten losgeht, weil sie – ohne dass sie das wollen, quasi aus Versehen – die Logik des islamischen Staates bestätigen.
Wenn wir eine wirksame Gegenstrategie aufbauen wollen, dann geht das nur mit den muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland und nicht gegen sie. Ihre Widerstandskraft gilt es zu stärken gegen die Gewaltprediger des fanatischen Islamismus. Ihnen muss die Botschaft gelten. Die fundamentalistische Religion hat jede Daseinssicherheit in Tradition, Sitte und Kultur verloren. Islamismus ist, wie Navid Kermani feststellt, Islam ohne islamische Kultur.
Bei diesem Dialog über den gegenseitigen Respekt und die Achtung der Lebensentwürfe und des Glaubens oder Nichtglaubens des jeweils anderen kommt den Verbänden des friedlichen Islam eine wichtige Rolle zu. Wenn wir gemeinsam Hass und Gewalt eindämmen wollen, müssen muslimische Jugendliche lernen, dass wir in einem säkularen Rechtsstaat leben, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben und dass Homosexuelle heiraten können.
Das dritte Handlungsfeld ist natürlich die Sicherheitspolitik, von der Prävention bis zur Strafverfolgung. Hier führen manche Formulierungen zu der Frage: Befinden wir uns eigentlich im Krieg? Nach den Anschlägen in Paris 2015 befand zum Beispiel Herfried Münkler: Wir leben weder im Krieg noch im Frieden. – In Syrien und im Irak ist inzwischen die Staatenbildung des IS durch Militär unterbunden worden. Sind wir im Krieg? – Ich meine, wir sollten den IS in Europa nicht zur Kriegspartei erklären, denn es geht um Verbrechensbekämpfung, die Instrumente von Polizei und Nachrichtendiensten und die Resilienz der Gesellschaft. Das sind die Themen, die uns beschäftigen müssen. Ich warne in diesem Zusammenhang vor einer allzu martialischen Rhetorik.
Der Fall Amri hat sehr deutlich gemacht, wo bei uns in Bund und Ländern Schwachstellen bei der Terrorbekämpfung lagen. Ich betone „lagen“, denn seither, seit 2016, hat sich in Deutschland im Bund und in den Ländern einiges getan.
Informationen zu beschaffen, sie richtig auszuwerten und die Erkenntnisse unmittelbar und zügig an die relevanten
Sicherheitsbehörden zu steuern, um erkennbare Gefahren abzuwehren, das ist die entscheidende Voraussetzung, um – wenn man so will – vor die Lage zu kommen, um die Gefahren abwenden zu können.
Aus Österreich hörten wir gestern, dass es wohl der Vorgänger des Innenministers, ein Innenminister der FPÖ – Ihrer Freunde, nehme ich an – war, der den Verfassungsschutz in Österreich dermaßen geschwächt hat, weil er irgendwelche Vorwürfe gegen die hatte, dass sie nicht dazu gekommen sind, ihre Erkenntnisse, die sie über den Attentäter von Wien aus der Slowakei hatten, an die Polizei weiterzureichen.
Ich sage nur: Wir müssen darauf achten, dass alle ihre Funktion erfüllen können. Ihre Freunde in Österreich haben nicht dazu beigetragen. Leider!
Wir handeln in Berlin und im Bund. Wir haben zum Beispiel, wie in anderen Bundesländern auch, ein neues Analysetool zur besseren Einschätzung von Gefährdern eingerichtet. Damit haben wir die Auswertung von vornherein verbessert und die Chance erhöht, tatsächlich die Gefahrenlagen zu erkennen. Wir haben die Polizei erheblich gestärkt mit dem Ausbau personeller Kapazitäten zur Verbrechensbekämpfung im Bereich Islamismus. Wir haben das verdoppelt seit 2016.
Und wir haben im Gemeinsamen Abwehrzentrum des Bundes und der Länder zur Abwehr von Terrorismus eine verstärkte und verbesserte Kooperation vereinbart. Das wird sich auszahlen.
Wir werden in Berlin alles tun, um ein Höchstmaß an Sicherheit vor terroristischen Anschlägen zu gewährleisten. Das ist unser Ziel, das ist unser Bestreben, und wir haben bis jetzt auch schon durch konkrete Maßnahmen gezeigt, dass wir dies voranbringen.
Ihr Vorschlag ist: Alles zumachen und alle abschieben,
egal ob es eine geklärte Staatsangehörigkeit gibt, ja oder nein, egal ob die Staaten im Nahen Osten sie annehmen oder nicht.
Sollen wir die über dem Gebiet abwerfen, oder was? – Das ist die Frage, die im Konkreten beantwortet werden muss, aber niemals in dieser pauschalen Weise, wie Sie das tun.
Wir werden das im Detail und verantwortlich beantworten, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege! Zunächst einmal danke ich Ihnen für die Klarstellung zu Beginn Ihres Beitrags, denn es ist klar, dass Sie damit den Rahmen der Debatte an dem Punkt nicht gesprengt haben, und Sie haben einen Vorwurf, der sich möglicherweise irgendwo verbreiten könnte, zurückgenommen, gar nicht erst erhoben oder widerlegt. Das ist sehr gut für die Debatte an diesem wichtigen Punkt, das möchte ich festhalten.
Das Zweite ist, dass wir selbstverständlich bei allen Diskussionen über die nötigen Maßnahmen über den Tellerrand hinausgucken müssen. Wir können nicht nur bei uns gucken, was wir machen, ohne die anderen zu betrachten. Wir müssen gerade anhand dieses Falls in Wien schauen: Wie sind dort die Abläufe gewesen? Gab es einen hinreichenden und rechtzeitigen Austausch über die Erkenntnisse? – Es gab ihn nicht.
Ich möchte festhalten, dass immer gerne von Parteien Ihrer Couleur am Ende gesagt wird – auch jetzt wieder: Ihr seid nicht in der Lage, die Sicherheit zu gewährleisten. Ihr baut das alles ab.
Es gibt andere Beispiele, die zeigen, dass Sie an dem Punkt nicht die richtigen Berater für eine Erhöhung der Sicherheit sind, sondern dass andere dies tun.
Jetzt aber noch einmal zu dem Thema Kooperation: Es gilt der Grundsatz, dass wir jeden Gesprächspartner, der uns helfen kann bei Deradikalisierung,
bei Orientierung für muslimische Jugendliche oder überhaupt bei der Organisation des Dialogs zwischen Religionen, natürlich ernst nehmen müssen.
Man kann nicht einfach sagen, sie gefallen uns nicht. – Mir gefällt vieles dort auch nicht, man kann aber nicht sagen, wir verweigern jedes Gespräch, weil wir uns dann Möglichkeiten abschneiden, die Leute zu erreichen. Deswegen ist es immer eine Gratwanderung, eine Abwägung: Mit wem redet man, mit wem redet man nicht?
Ihre pauschale Betrachtung hilft da nicht weiter, sondern eine differenzierte Betrachtung, was uns hilft und was nicht. Auf diesem Weg werden wir auch weiter gehen. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es soll sich niemand durch manche Reden täuschen lassen. Der Senat ist willens und in der Lage, geltendes Recht durchzusetzen, und er wird geltendes Recht durchsetzen, auch wenn es erheblichen Aufwand erfordert, auch wenn es in absehbarer Zeit nötig werden wird. Er wird geltendes Recht durchsetzen.
Dabei ist es hilfreich, einmal genauer hinzuschauen – –
Liebe Kollegen! Jetzt schon eine Zwischenfrage, obwohl ich noch nicht angefangen habe, ist einfach zu früh, weil das dann keine Zwischenfrage, sondern eine Eingangsfrage ist. Das sieht die Geschäftsordnung nicht vor. – Es ist hilfreich, etwas genauer hinzuschauen, was das Recht eigentlich genau verlangt und vor allem, von wem es ein Handeln verlangt. Da kommt zunächst der Eigentümer in Frage. Der hat nämlich zuletzt mit einem Antrag vor Gericht versucht, wenigstens Zugang zum Treppenhaus zu bekommen. Das ist vor Gericht gescheitert, weil das Gericht die Vertretungsbefugnis nicht anerkannt hat.
Ob man diese Gerichtsentscheidung nun gut findet oder nicht – sie ist erst einmal zu respektieren, und das hat Folgen: Einmal, wenn der Vertreter der Eigentümerin kein Recht auf Zugang hat, dann kann er dafür auch nicht die Polizei in Anspruch nehmen. Das kann die Polizei schlichtweg nicht tun. Zweitens bedeutet das auch, dass man nicht einfach auf die Zuständigkeit der privaten Eigentümer verweisen kann, wenn es darum geht, Bauordnungsrecht einzuhalten. Denn wenn Sie nicht einmal die Chance haben, die kritischen Bereiche überhaupt zu betreten, können Sie dafür auch nicht verantwortlich gemacht werden.
Die zweite Möglichkeit: Der Innensenator. Er ist nicht der oberste Baupolizist der Stadt, weil die Einhaltung von Baurecht und Brandschutz eine ordnungsbehördliche Aufgabe der Bezirke ist.
Es ist eben nicht originär Aufgabe der Polizei oder des Innensenators, Gefahren aus Bau- oder Brandschutzmängeln zu beseitigen, sondern es ist die Aufgabe der Bauaufsicht der Bezirke.
Dem Senat obliegt es, etwaige Rechtsverstöße des Bezirks im Wege der Bezirksaufsicht zu untersuchen und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. Dies wird derzeit auf Veranlassung des Innensenators unternommen; das hat er veranlasst.
Auch das kann der Innensenator aber nicht allein entscheiden. Es bedarf dazu auch noch einer Stellungnahme der obersten Baubehörde der Stadt, nämlich der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen
und infolgedessen eines Beschlusses des Senats.
Es ist also nicht allein der Innensenator; er hat das Verfahren in Gang zu setzen, was er getan hat.
Zwischenfazit: Der Innensenator hat zwar ein breites Kreuz,
aber allein deswegen ihm die Verantwortung für die baulichen Mängel aufzubürden, ist nicht zulässig.
Die Anordnung der Polizeipräsidentin ist übrigens – das Gerücht hält sich ja – nicht so, dass Nacheile oder Gefahrenabwehr untersagt wären.
(Burkard Dregger)
Das wissen Sie; aber es ist eine Legende, die sich so fortsetzt. Es ist aber nicht der Fall.
Die dritte Möglichkeit: Das Bezirksamt bzw. der Stadtrat hat die Verantwortung. Wir haben laut Medienberichten mehrere Hinweise. Sie haben Akteneinsicht genommen, also dürften diese Hinweise auch aktenkundig sein, dass die Polizei und Mitarbeiter der bezirklichen Bauaufsicht auf den dringenden Handlungsbedarf aufmerksam gemacht haben, und zwar mehrfach.
Hier kommen wir zu den entscheidenden Fragen: War, wie die Mitarbeitenden im Dezernat von Baustadtrat Schmidt angemahnt haben, ein brandschutztechnisches Verfahren zwingend erforderlich, oder bestand ein Ermessen, wie der Stadtrat behauptet? Bestand eine Pflicht zum Handeln, oder war noch Raum für eine Abwägung? – Es muss im Rahmen der Bezirksaufsicht geprüft werden, ob der Stadtrat pflichtwidrig ein Eingreifen unterlassen hat oder nicht. Das wird diese Prüfung hoffentlich auch zutage fördern. Selbst wenn noch Ermessen eingeräumt war in diesem Zusammenhang, ist klar, dass das Ermessen in dem Maße schrumpft, wie groß die festgestellte Gefahr ist und je bedeutsamer die zu schützenden Rechtsgüter sind.
Es wäre also sehr hilfreich, etwas vorgelegt zu bekommen, was die Abwägung des Stadtrats dokumentiert. Zu fragen ist demnach auch, welche Schritte zur Behebung der festgestellten Mängel denn überhaupt unternommen wurden. Zu klären ist auch, wie die Kommunikation gegenüber dem Innensenator gelaufen ist, welche Informationen vom Bezirksamt aus den Innensenator erreicht haben oder nicht.
Das wird alles diese Prüfung ergeben.
Deswegen kann man zum Schluss festhalten: Es spricht tatsächlich einiges für ein Fehlverhalten des Bezirksamts in dieser Frage.
Aber auch hier sind wir im Stadium der Prüfung.
Deshalb ist es wichtig und richtig, dass Sie in Ihrem Antrag von „etwaigen rechtswidrigen bezirklichen Anordnungen“ sprechen, weil Sie es eben noch nicht beweisen können. Deswegen ist es genauso richtig, dass der Senat diese Untersuchung angeordnet hat. Diese Untersuchung werden wir abwarten.
Das, was Sie mit Ihrem Antrag begehren, dass der Senator diese Untersuchungen veranlasst und wir dann weitere Konsequenzen überlegen, ist im Grunde durch das Handeln des Senators bereits unternommen.
Deswegen hat sich Ihr Antrag im Grunde genommen erledigt. Insofern könnte man auch zur Tagesordnung übergehen. Aber wir werden entscheiden, ob wir den Antrag noch überweisen oder nicht. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Kollege Evers! Ich kann Sie beruhigen. Dieser Gesetzentwurf ist nicht gegen die Innenverwaltung und gegen den Senat erarbeitet worden, sondern mit ihr. Wir haben das gemeinsam entwickelt. Es war ein sehr konstruktiver Beitrag, der dort gekommen ist.
Außerdem geht es auch nicht darum, der Willkür, wie Sie sagen, des Senats Einhalt zu gebieten, sondern im Gegenteil darum, für alle verlässliche Rahmenbedingungen für direktdemokratische Entscheidungsprozesse zu schaffen. Wir haben die Erkenntnisse aus mehreren Jahren der Praxis gezogen und haben gemeinsam nachjustiert und nachgebessert. Ich glaube, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Kollege Efler hat die wesentlichen Punkte genannt. Da wir nicht aus Verzweiflung, Herr Kollege, handeln, sondern aus Vernunft,
haben wir Ihnen das hier vorgelegt, dem sogar Sie zustimmen können wenn ich das richtig sehe, das haben Sie angedeutet. Darüber freuen wir uns.
Wir stärken die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger, indem wir kürzere Fristen einführen, indem wir schnellere Unterschriftenzählungen einräumen, feste Terminvorgaben, damit tatsächlich der Vorwurf, dass etwa aus politischen Gründen etwas nicht anberaumt wird, endgültig vom Tisch ist und wir klare Orientierung haben. Wir haben das Recht auf Nachbesserung hineingeschrieben, weil wir gesehen haben, dass es besser ist, es im Gesetz zu kodifizieren als eine Unsicherheit zu überlassen, ob etwas zulässig ist oder nicht. Wir haben jetzt die Möglichkeit für Initiatoren, wenn Mängel auftreten, sie auch im Wege der Nachbesserung zu beseitigen.
Wir erhöhen klar die Transparenz der Finanzierung von Initiatoren und Initiativen. Das ist uns sehr wichtig, um zu wissen – für alle, die nachher entscheiden –: Wer steckt hinter einer Initiative, und wie sind die Finanzströme dort gestaltet? Das ist klar geregelt – ebenso, wie wir auf der anderen Seite eine Kostenerstattungspflicht einführen. Das gebietet die Fairness des Verfahrens, dort wie bei anderen Verfahren auch eine Kostenerstattung
(Stefan Evers)
einzuräumen. Schließlich haben wir einzelne Regeln der Bezirksentscheidungen geschärft und dort auch die Rechte der Bezirke ein Stück weit gestärkt, sodass ich glaube – Kollege Efler hat es zu Recht angeführt –, dass wir eine runde Sache vorlegen können. Die große Zustimmung im Innenausschuss zeigt uns auch, dass wir richtiggelegen haben. Ich hoffe, dass sich diese hohe Zustimmung auch hier im Plenum bei der zweiten Lesung zeigen wird. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde versuchen, darzulegen, Herr Kollege, dass wir mit unserem Antrag der Sache nicht nur nicht schaden, sondern sie sogar befördert haben – jetzt schon befördert haben –, indem wir eine gemeinsame Haltung in Deutschland unterstützt haben, die wir jetzt in Deutschland auch feststellen können.
Denn unser Antrag zeigt bereits Wirkung, bevor er beschlossen worden ist,
denn es ist mittlerweile im Bund wie auch in den Ländern einschließlich Bayerns weitgehend anerkannt, dass wir zur Aufnahme von Geflüchteten bereit sein müssen, denn die Lage auf Lesbos und auch auf anderen Inseln in Griechenland ist in der Tat schier unerträglich und verlangt politische und tatsächliche Antworten auch von uns.
Die Bundesregierung hat bisher laut Regierungssprecher bereits 243 behandlungsbedürftige Kinder sowie 53 unbegleitete Minderjährige mit ihren Familien jeweils aufgenommen. Jetzt ist die Aufnahme weiterer 408 Familien angekündigt, und damit erhöht sich die Aufnahmezahl insgesamt – die, die schon da sind, und die, die noch herkommen können – auf insgesamt 2 750. Die Zahl hat der Senator heute in der Fragestunde auch schon genannt. Das ist, wie ich finde, durchaus eine Zahl, die sich sehen lassen kann und mit der Berlin und Deutschland auch bestehen können. Aber ich füge hinzu: Es kann durchaus auch mehr sein, und da gebe ich der Kollegin Jarasch recht, wir sollten hier keine feste Obergrenze festlegen, sondern da, wo Hilfe nötig ist, müssen wir bereitstehen, dies auch zu tun. Ich bin gegen eine Zahlendiskussion, sondern ich bin dafür, dass wir die Entwicklung so unterstützen, wie wir es bisher gemacht haben.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Deutschland übernimmt damit solche Migranten, deren Schutzbedürftigkeit in Griechenland bereits festgestellt ist. Das ist die Linie bisher, und das halte ich auch für richtig. Ob wir ein Verfahren für die Zukunft finden, das darüber hinausgeht, wird sich zeigen. Dass wir als Land Berlin gemeinsam mit Thüringen schon im September 2019 unsere Bundesratsinitiative beschlossen haben, ist kein Alleingang und auch keine Missachtung von Zuständigkeiten, sondern ein Angebot unserer Stadt, einen Teil dieses deutschen Kontingents aufzunehmen. Das sind wir unseren Ansprüchen an Humanität und die europäische Solidarität schuldig.
Die Frage ist sehr berechtigt, ob nicht bei früherer Aufnahme mindestens eines Teils der Geflüchteten das gegenwärtige Desaster mindestens einigen von ihnen erspart geblieben wäre.
Berlin ist in der Lage, bei der Familienzusammenführung zu helfen, und es ist auch in der Lage, bei der Aufnahme aus humanitären Gründen gemäß § 22 Aufenthaltsgesetz zu helfen. Das ist auch wesentlicher Inhalt unseres Antrags. Kollegin Jarasch hat das erläutert. Mit dem Antrag werden wir die vom Senat verfolgte Linie hier in diesem Haus auch noch einmal bekräftigen, und ich glaube, das ist für die Debatte auch hilfreich.
Damit auch hier kein Missverständnis aufkommt: Dass wir aufnahmebereit sind, heißt nicht, dass wir uns an irgendeinem Überbietungswettbewerb beteiligen. Das werden wir nicht tun. Es kam von irgendwoher die Forderung, wir sollten in Deutschland alle 13 000 von dort hier aufnehmen, weil die Humanität das gebietet. Ich kann nur sagen: Vorsicht vor solchen absurden Überhöhungen! Sie
widersprechen dem Prinzip der europäischen Solidarität, erschweren das gemeinsame Vorgehen in der EU und bestätigen tatsächlich nur die Verweigerer in den Visegrád-Staaten. Davor sollten wir uns hüten.
Sowohl bei Soforthilfemaßnahmen als auch bei der Suche nach langfristigen Lösungen ist die europäische Dimension essenziell. Der Schlüssel für tatsächliche langfristige Verbesserungen liegt in Brüssel, nicht in Deutschland und erst recht nicht in Berlin. – Ich habe leider nur noch 60 Sekunden Redezeit. –
Weil die europäische Dimension leider keine einfache Antwort bietet, sondern viele Fragen aufwirft, kann ich jetzt wegen der Kürze der Zeit nur noch wenige Stichworte anführen. Zunächst mal ist gar nicht ausgemacht, dass Griechenland die Geflüchteten überhaupt auf das Festland lässt, geschweige denn in andere EU-Länder ausreisen lässt. Da ist es noch nicht mal allein die Sorge, das Feuerlegen könnte Schule machen,
Es ist tatsächlich ein Interesse der griechischen Regierung, nicht ein Signal an die Türkei auszusenden, Griechenland als das perfekte Transitland für die EU anzusehen. Diese Interessen und diese Souveränität Griechenlands müssen wir zunächst einmal respektieren, und deswegen bedarf es einer Übereinkunft mit Griechenland über die Unterstützungsmaßnahmen für die Flüchtlinge, und diese Übereinkunft sollten wir als EU so schnell wie möglich anstreben.
Weiter ist das Verhältnis Griechenland – Türkei – –
Herr Woldeit, bitte!
Mein ich doch!
Die lange Frage ermöglicht natürlich eine längere Antwort und erfordert die ja auch.
Zunächst einmal braucht es eine Vereinbarung mit Griechenland. Es ist nicht so, dass wir hingehen, einreiten und sagen: Ihr könnt alle herkommen! – Es muss mit Griechenland einer Übereinkunft sein, was geschehen muss. Und wenn Sie sagen, wir hätten sie gar nicht gefragt oder die hätten nicht gefragt, ist darauf hinzuweisen, dass es
darum geht, europäische Solidarität herzustellen, und dann müssen die zuständigen Stellen mit den Griechen zu einer Lösung kommen – gemeinsam, unterstützend und solidarisch.
Das Zweite ist die langfristige Lösung, die Sie antippen. Es ist in der Tat unsere Aufgabe – im Bund wie im Land –, hier zu nachhaltigen Perspektiven zu kommen. Das geht natürlich nur im europäischen Maßstab. Da wir vom Rat bisher nicht so furchtbar viele Impulse gesehen haben, müssen wir schon zunächst auf die Kommission setzen. Ich hoffe, dass wir in der nächsten Woche dort Vorschläge über eine europäische Struktur, über die Asylverfahren und auch über weitere humanitäre Maßnahmen bekommen. Wir hoffen, dass wir da vorankommen. Das wird schwer genug, aber das sollten wir aktiv im Sinne europäischer Solidarität und der Humanität begleiten. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dregger! Was das LADG mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus zu tun haben soll, das bleibt Ihr Geheimnis.
Die Tatsache, dass Sie hier ablenken wollen, zeigt, dass Sie doch tatsächlich eher relativieren als sich der Sache zu stellen.
Seit der NSU-Mordserie sprechen wir zu Recht von rechtsextremen Terror in Deutschland, und die jüngeren schlimmen Taten von Halle bis Hanau – ich erspare mir und Ihnen deren gesamte Aufzählung – zeigen: Die Bereitschaft von Rechtsterroristen zur Begehung schwerster Straftaten bis hin zu Terror und politisch motiviertem Mord nimmt zu, bundesweit. Der Terror von rechts ist eine wachsende Gefahr für unser Gemeinwesen. Deshalb sind wir gut beraten, ausführlich und nüchtern, aber bei der Sache über die Gegenstrategien zu beraten.
Gerade erst vor wenigen Tagen mussten wir den Angriff von Nazis auf einen jüdischen Kneipenwirt erleben, Frau Kollegin Helm hat darauf hingewiesen. Dieser gefährliche Antisemitismus fordert Gegenreaktionen von Staat und Gesellschaft. Wir schützen jüdisches Leben und jüdische Einrichtungen in dieser Stadt. Antisemitismus ist in Berlin geächtet!
Die Berlinerinnen und Berliner verurteilen jede Form von Angriffen auf unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. „Wehret den Anfängen!“,
diese Forderung kann man schon lange nicht mehr erheben. Rechtsextremismus zieht sich wie eine braune Schleifspur durch die Geschichte der Bundesrepublik, von den Altnazis bis zum Oktoberfestanschlag in den Achtzigerjahren, im vereinten Deutschland dann auch im Osten mit der nur scheinbar aufgearbeiteten Nazivergangenheit dort. Es sind Strukturen vorhanden, die die wehr
hafte Demokratie herausfordern. Wenn wir die Strukturen effektiv bekämpfen wollen, kommen wir – das tut mir leid – um einige Benennungen von Ursachen nicht herum.
Ich will nur einige wenige schlagwortartig nennen: Wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben wir erneut eine nationalistische bis völkische Reaktion auf die Globalisierung, ein rückwärtsgerichtetes Aufbegehren gegen die Moderne mit den Globalisierungsfolgen. Wir haben darüber hinaus Einzeltäter, die sich mit ihren Games oder Blogs in einer virtuellen Subkultur und damit durchaus in Netzstrukturen bewegen. Das sind Menschen, die gleichzeitig kalt, beziehungslos und strikt technologisch orientiert sind, nicht selten auch noch paranoid. Die Einheit von Wahnsystemen und technologischer Perfektion ist ein Merkmal der extremen Rechten. Und schließlich haben wir die geistigen Brandstifter, die permanent ausländer- und muslimfeindliche Ressentiments schüren, sie verstärken und den Resonanzboden für Gewalt schaffen. Die politischen Zerstörungen, die rechte Demagogen produzieren, sind keine Entgleisungen, sondern Kalkül.
Diese Stichworte erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Klar ist aber: Neue rechtsterroristische Tendenzen entwickeln sich nicht mehr nur innerhalb rechtsextremer Organisationen oder Strukturen, sondern auch an ihrem Rand oder sogar gänzlich außerhalb einer solchen rechtsextremistischen Szene. Insbesondere die Detektion von Kleingruppen oder Einzeltätern stellt die Sicherheitsbehörden vor besondere Herausforderungen, so die Einschätzung des Verfassungsschutzes, und er hat recht damit.
Hinzu kommt, dass immer häufiger Instrumente wie Erpressungsmails oder Sammeln von Daten über politische Gegner angewendet werden. Die Sicherheitsbehörden brauchen jegliche politische und gesellschaftliche Unterstützung für die Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt. Dazu müssen wir im Parlament den richtigen Rahmen setzen.
Der NSU-Komplex, auch darauf hat Kollegin Helm hingewiesen, hat leider erhebliche Defizite der staatlichen Strategie und Praxis gegen Gewalt von rechts offenbart und den Handlungsbedarf in Bund und Ländern aufgezeigt – und wir reagieren. Das beginnt beim Erkennen und Bewerten rechtsextrem motivierter Taten, von der Bedrohung bis zum Kapitalverbrechen. Berlin hat deshalb ein gemeinsames Analyse- und Bewertungszentrum aus Polizei und Verfassungsschutz installiert, das helfen wird, Fehler bei der Zuordnung künftig zu vermeiden. Das geht weiter mit dem Schutz potenzieller Opfer, der nötig ist. Aus der versäumten Warnung im Fall Kocak zieht die Polizei selbst ihre Lehren, aber wir werden zusätzlich das
Sicherheitsgespräch mit einem möglichen Opfer im ASOG ausdrücklich regeln.
Weiterhin stärken wir den polizeilichen Staatsschutz und den Verfassungsschutz durch erheblichen Personalaufbau mit dem Ziel, insbesondere bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus besser zu werden. Damit auch das klar ist: Neben Polizei und Staatsanwaltschaft ist selbstverständlich die Expertise und das Engagement des Verfassungsschutzes hierbei unverzichtbar.
Wenn wir erfolgreich sein wollen, müssen wir alle Instrumente, auch und gerade die nachrichtendienstlichen Mittel, einsetzen. Beim Kampf gegen rechts ist die Beschaffung von Informationen entscheidend, um vor die Lage zu kommen und Gefahren abzuwehren. Die Bürgerrechte sind aus unserer Sicht nicht in Gefahr, wenn wir zu diesem Zweck auch abhören, observieren, verdeckt ermitteln und auch Personen abschöpfen.
Nicht zuletzt müssen wir aber die Widerstandsfähigkeit der Sicherheitsbehörden gegen extremistische Tendenzen in ihren eigenen Reihen stärken. Eine Frage ist auch in Zukunft für den Umgang mit unseren Sicherheitsorganen entscheidend: Arbeiten wir eher mit pauschalen Vorwürfen, oder bemühen wir uns um eine Differenzierung? – Ich bin für Differenzierung, auch wenn das keine Schlagzeilen verspricht. Aus meiner Sicht gibt es für ein rechtsextremes Netzwerk in der Berliner Polizei keine Anhaltspunkte.
Die Verdachtsfälle, Chatinhalte und andere Dinge, die in der Diskussion sind, rechtfertigen eine solche Bewertung noch nicht. Gleichwohl müssen alle Fälle, die dort aufgekommen sind, rückhaltlos und vollständig aufgeklärt werden. Das ist gar keine Frage. Lassen Sie uns dies abwarten und dann eine abschließende Bewertung vornehmen! Ich warne auch davor, Befunde aus anderen Staaten einfach auf die Berliner Polizei zu übertragen, etwa was strukturellen Rassismus oder Ähnliches betrifft. Solche Thesen bauen eher Fronten auf und helfen nicht unbedingt bei der Aufklärung.
Ich bin für eine nüchterne Betrachtung der Fakten. Der Innensenator hat mit seinem 11-Punkte-Programm – das sicherlich noch verfeinert wird, da sollte man für Verbesserungen offen sein – den richtigen Weg aufgezeigt. Von der Ausbildung über die Supervision bis hin zur wissenschaftlichen Begleitung werden wir die Widerstandsfähigkeit der Berliner Polizei erhöhen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Polizei selbst ein Interesse daran hat
und auch aktiv mitwirken wird. – Das werden wir organisieren.
Auch wir haben das dringende Interesse, alle Hintergründe der Neuköllner Anschlagsserie aufzuklären. Auch wir sind besorgt über die ausbleibenden Ermittlungserfolge. Die rechtsextremen Täter müssen gefasst werden. Ich kann mich in diesem Punkt den Ausführungen der Kollegin Helm nur anschließen: Wir brauchen diese lückenlose Aufklärung, und wenn wir mit den bisherigen Ergebnissen nicht weiterkommen, werden wir um die externe Begutachtung durch eine unabhängige Kommission nicht herumkommen. Es ist gut, dass wir dazu jetzt einen breiten Konsens haben. Ich bin überzeugt, dass sie uns die nötigen Erkenntnisse liefern wird und dann womöglich eine parlamentarische Untersuchung in einem Untersuchungsausschuss entbehrlich machen kann. Das werden wir betrachten.
Ein letztes Wort noch zu dem Thema Generalstaatsanwaltschaft: Ich bin sehr betrübt darüber, dass dies auch benutzt wird, um alle möglichen Spielchen zu spielen. Die Generalsstaatsanwältin hat zum Schutz der Behörde bei Verdachtsfällen eine organisatorische und personelle Maßnahme getroffen und möchte die Vorgänge untersuchen, um dann ein Ergebnis vorzulegen. Das ist eine honorige und richtige Vorgehensweise, um die Staatsanwaltschaft wirklich zu schützen. Damit ist keinerlei Vorverurteilung und Festlegung verbunden, sondern auch dabei gilt: offen sein, Fakten betrachten, dann bewerten. Wir sollten uns nicht allzu sehr aufregen, sondern die Generalsstaatsanwältin in ihrem Vorgehen unterstützen, um auch dort die Widerstandsfähigkeit in der Behörde zu sichern. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Nach dieser Zwischenintervention und der Antwort des Kollegen Dregger bin ich ganz zuversichtlich, dass wir in dieser wichtigen Diskussion über das Polizeirecht auch im Ausschuss eine sachliche Debatte hinbekommen und dann um den besten Weg streiten. Bis jetzt sieht das gut aus, und wir werden alles tun, damit wir eine solche Debatte bekommen.
(Benedikt Lux)
Ich möchte in aller Kürze in den fünf Minuten darstellen, dass uns einige Punkte in diesem Gesetz ganz besonders wichtig sind, dass aber auch der Gesamtentwurf und die Gesamtkomposition eine ausgewogene und vernünftige gesetzliche Regelung bedeuten, wie der Kollege Lux bereits begründet hat.
Es ist erstens wichtig, dass wir eine gezielte Weiterentwicklung des Terrorabwehrrechts vornehmen. Wir wissen, dass das nötig ist. Das haben wir im Untersuchungsausschuss festgestellt. Wir haben festgestellt, dass zum Beispiel bei der Telefonüberwachung die Berliner Behörden einen gewissen Zeitraum, bis nämlich die strafrechtlichen Ermittlungen aufgenommen wurden, keine Möglichkeit hatten zu gucken, wo der Amri denn steckt. Dann mussten sie noch in Nordrhein-Westfalen fragen und auch anderswo.
Eine Konsequenz aus dem Untersuchungsausschuss, ohne dem Bericht vorzugreifen, ist, dass wir diese Telefonüberwachung zur Gefahrenabwehr hier einführen und im Zusammenhang damit auch eine dezidierte Rechtsgrundlage schaffen, dass für die Standortermittlung die Telefongesellschaften verpflichtet sind, der Polizei Standortdaten zu liefern. Das muss man zusammen betrachten. Das führen wir ein, und das ist eine wichtige Neuerung, die nötig ist.
Wichtig ist, dass – das ist die Doppeltürtheorie – das, was im Bund an Verpflichtungen vorhanden ist für die Telefonunternehmen, dass die Polizei auf landesrechtlicher Ebene die Befugnis erhält, diese Daten auch abzugreifen und ihr die Arbeit damit zu erleichtern, auch in Berlin gilt. Das ist sehr wichtig.
Zweiter Punkt: Wir haben in dem Gesetzentwurf eine Definition terroristischer Straftaten vorgenommen. Das erleichtert die Anwendung zur Terrorabwehr, weil die Befugnisse entsprechend Bundesverfassungsgericht weitgehend sind, und wir brauchen diese weitgehenden Befugnisse, brauchen aber eine klare Definition, für welchen Bereich sie anwendbar sind. Die schreiben wir in das Gesetz hinein. Das ist für die Praxis sehr wichtig.
Dritter Punkt – das hat Kollege Lux schon erläutert: Es ist eben nicht auf Terror beschränkt, sondern die Nummer eins beschreibt ausdrücklich die organisierte Kriminalität. Wir sind uns in dem Ziel einig.
Doch, Herr Dregger! Es ist anwendbar, wenn dies zur
Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder von Sachen von bedeutendem Wert … geboten ist.
Das sind Schutzgüter, die von organisierter Kriminalität angegriffen werden und die deswegen hier zur Anwendung kommen.
Nächster Punkt: Wir wollen, dass die Bodycams zur besseren Eigensicherung der Polizeikräfte im Vollzugsdienst eine gesicherte, präzise Rechtsgrundlage haben, und die führen wir ein. Das ist für alle Seiten von Vorteil. Es wird unheimlich viel fotografiert und jetzt bekommt die Polizei endlich die Rechtsgrundlage dafür, dass wir – um es ein bisschen martialisch zu sagen – Waffengleichheit haben oder zumindest die Möglichkeit, genauso wie andere auch, die Dinge zu dokumentieren. Dann wird die Beweiskraft für schwierige Sachverhalte erleichtert. Es hilft der Polizei, aber es hilft auch den Betroffenen von Einsätzen. Deshalb machen wir das.
Ein zweiter großer Komplex ist die Schaffung von präzisen Befugnissen zur Prävention und zwar nicht nur bei Terror, sondern auch bei anderen Deliktgruppen. Kollege Lux hat es angesprochen: Wir regeln die Gefährderansprache ausdrücklich, wir regeln den operativen Opferschutz für die Frage einer geänderten Identität zur Sicherung. Wir führen aber auch ausdrücklich das Sicherheitsgespräch ein, eine Konsequenz aufgrund von Vorfällen, sodass das Gesetz vorsieht, mögliche potenzielle Opfer einer Straftat sollen vorher durch ein Sicherheitsgespräch gewarnt werden können. Wir regeln die Meldeauflagen. Ein weiterer Punkt, um vorab Bedingungen zu schaffen, die es erleichtern, Gefährder aufzufinden.
Ein weiterer Punkt ist die Schließung von Lücken. Das ist noch nicht angesprochen worden, ist aber eine wichtige Sache, dass wir die Eilzuständigkeit für den Zoll bei der Verfolgung von organisierter Kriminalität, grenzüberschreitender Kriminalität, einführen. Das haben uns die Bundesleute empfohlen. Der Zoll verlangt es seit Langem. Dies entlastet die Polizei und stärkt die Möglichkeit für den Zoll, im Eilverfahren gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vorzugehen.
Wegen der Kürze der Zeit will ich nur auf zwei Punkte eingehen, Herr Kollege, die Sie kritisiert haben. Der eine ist die Schleierfahndung. Die haben wir in den Nullerjahren abgeschafft, weil wir gesagt haben: Diese Schleierfahndung als die ins Inland verlagerte Grenzkontrolle braucht Berlin nicht, weil alle Einfallstore, wenn man so will, gesichert sind, und die Flughäfen durch die Bundespolizei bearbeitet werden. Eine weitere Begründung für verdachtsunabhängige, anlasslose Kontrollen ist nicht gegeben, deswegen ist es zu Recht nicht nötig, dass man hier die Schleierfahndung einführt.
Nächster Punkt: Die elektronische Fußfessel, das haben Sie selbst, glaube ich, eingeräumt, verhindert keine terroristischen Anschläge
behaupten Sie gar nicht – und sie ist auch sonst von zweifelhaftem Wert. Ich glaube, dass auch die Polizei relativ gut damit leben kann, dass sie dieses Instrument nicht hat, sondern lieber gezielt und auch mit sonstigen nachrichtendienstlichen Mitteln, die jetzt möglich sind, gegen Gefährder vorgeht und dadurch Gefahrenabwehr betreiben kann. – Weitere Punkte, die Sie angesprochen haben – meine Redezeit ist zu Ende – müssen wir im Ausschuss besprechen. Ich bin aber sicher, dass wir hier einen konstruktiven Dialog haben werden und dieses wichtige Gesetz dann am Ende auf den Weg bringen können. – Vielen Dank!
Doch, Herr Kollege Fresdorf, dieses Gesetz brauchen wir sehr wohl. – Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Die Respektsbekundungen von Herrn Dregger nehmen wir sehr gerne entgegen, wir haben sie auch durchaus verdient.
Ich kann Ihnen aber sagen, dieses Gesetz ist keine Reaktion auf aktuelle Verfahren, die beim Innensenator anhängig sind. Diese zu verändern, war mit diesem Gesetz nicht bezweckt, das können wir auch gar nicht, und das wollen wir auch gar nicht.
Berlin ist seit vielen Jahren im Ländervergleich bei der direkten Demokratie und der Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger ganz weit vorne. Wir sind die besten im Bundesvergleich, und trotzdem legen wir Ihnen eine Reform des Abstimmungsgesetzes vor. Warum? – Weil wir die öffentliche Debatte über die Details ernst nehmen und weil wir darauf reagieren.
In der Historie der Berliner Volksgesetzgebung gab es schon viele Volksinitiativen. Einige waren erfolgreich, einige sind gescheitert. Manche haben wesentlich zu der Gesetzgebung dieses Hauses beigetragen, zum Beispiel beim Berliner Mobilitätsgesetz. Wir haben hier also in jedem Fall erfolgreiche Instrumente, und wir wollen sie weiterentwickeln, dort wo es nötig ist. Wir haben die Erfahrungen mit den Volksbegehren und -entscheiden sorgfältig ausgewertet und tatsächlich an den hervorragenden Gesetzen aus den Nullerjahren noch einigen Änderungsbedarf festgestellt. Deswegen verfolgen wir mit dieser Vorlage drei Ziele, grob gesagt: Wir wollen mehr Rechtsklarheit schaffen, wir wollen mehr Transparenz herstellen, und wir wollen die Verfahren vereinfachen.
Kollege Efler hat einige wesentliche Punkte genannt, die ich nicht wiederholen will. Ich will ergänzen: Wir wollen die Verfahren vereinfachen und beschleunigen, indem wir die Bezirksämter bei der Zählung der Unterschriften und bei der Feststellung der Gültigkeit von Unterschriften entlasten. Wenn ein Bezirk bei einer Volksinitiative – die braucht 20 000 Unterschriften – bei 1 800 Unterschriften festgestellt hat, dass diese gültig sind, dann können sie mit der Gültigkeitsprüfung aufhören. Die anderen Bezirke haben auch 1 800 Unterschriften, das reicht dicke für das
Quorum. Dann ist Zeit gewonnen, und die Arbeitsbelastung ist geringer. Das hilft der Verwaltung.
Wir wollen, dass die Nachbesserung ermöglicht wird. Das heißt, das hat Kollege Efler erläutert, bei Feststellung von Zulässigkeitsmängeln soll es möglich sein, diese zu beseitigen, um dann vielleicht auch eine unnötige Befassung des Verfassungsgerichts zu vermeiden und auch so das Verfahren zu beschleunigen. Das hilft allen Seiten und auch der direkten Demokratie.
Bitte, Herr Fresdorf!
Herr Fresdorf! Die Frage hätten Sie sich eigentlich selbst beantworten können. Wenn keine 1 800 Unterschriften vorliegen, kann auch nicht aufgehört werden, denn dann ist das Quorum nicht erreicht. Dann kann es nicht erreicht werden. Erst wenn 1 800 da sind, ist Schluss,
und dann gehen wir davon aus: Wenn alle Bezirke ihre 1 800 Unterschriften festgestellt haben und das zusammentragen, ist das Quorum erreicht. Das nötige Quorum muss schon noch geschafft werden.
Dann haben wir, ganz wichtig, die Veröffentlichungspflicht von Geld- und Sachspenden der Initiativen. Wir wollen die Transparenz tatsächlich so erhöhen, dass alle wirklich erkennen können, wer hinter einer Initiative steckt. Deswegen muss das veröffentlicht werden. Schließlich wollen wir aber zugunsten der Initiativen eine Kostenerstattung. Das ist eine lange Diskussion, aber wir meinen, es ist angemessen und angebracht, dass für die Aufwendungen tatsächlich eine Kostenerstattung vorge
sehen wird. Das haben wir ins Gesetz geschrieben, und das wird auch Initiatoren helfen, ihre Kampagne zu führen.
Das sind Angebote zur Verbesserung von Verfahren, von Fristen, zur Beschleunigung, und ich glaube, dahinter können sich relativ viele in diesem Haus versammeln. Wir würden der Sache dadurch sehr helfen. Wir werden das in den Ausschüssen vertiefen. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, verehrte Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Ich bin ja froh, dass nicht wir Ihre größte Enttäuschung in diesem Zusammenhang waren, sondern andere. Das lässt wiederum hoffen.
Dieses kurze Gesetz – wahrscheinlich das kürzeste Gesetz der ganzen Wahlperiode – eröffnet für junge Menschen in der Stadt eine zusätzliche Möglichkeit der demokratischen Teilhabe, und ich freue mich sehr, dass wir hier im Haus einen breiten Konsens haben, das Mindestalter für Bürgerdeputierte in den BVVen auf 16 Jahre herabzusetzen. Wir gehen damit einen weiteren Schritt der Verjüngung in der Politik, und das ist, wie Sie an dem Redner hier am Pult erkennen können, auch nicht völlig fernliegend.
Ich könnte jetzt sagen, Frau Demirbüken-Wegner, der ursprüngliche Antrag der CDU war nicht ganz formvollendet, sodass wir ein bisschen nachhelfen mussten.
Es war in der Tat so: Es war kein Ränkespiel oder Ähnliches, was Sie gesagt haben, sondern so, dass Sie einen einfachen Parlamentsantrag eingebracht haben, wohingegen wir von vorneherein gesagt haben: Wenn man das wirklich will, man braucht man einen Gesetzesantrag! – Man kann natürlich den Senat dazu auffordern, man kann es aber auch selber machen. Es war der bessere Weg, den
(Emine Demirbüken-Wegner)
wir jetzt gewählt haben, und es ist das Ergebnis, was jetzt zählt. Es lohnt sich also nicht, das weiter zu vertiefen, sondern das Ergebnis ist entscheidend, nämlich dass die 16- und 17-Jährigen in der Stadt künftig aktiv an der Bezirkspolitik mitwirken können. Damit ist dieses Amt für alle erreichbar, die auch an der Wahl zur BVV – Sie haben es gesagt – teilnehmen können, und das ist gut so.
Bitte schön, gerne!
Das hättest du vorher machen müssen.
Für unsere Gesetzesinitiative sind die Motive klar und auch schon angeklungen: Durch die Bürgerdeputierten soll der Sachverstand in der Bevölkerung und unter den Bürgerinnen und Bürgern für die BVVen nutzbar gemacht werden, und auch 17-Jährige können etwas beitragen, nicht trotz, sondern gerade wegen ihres Alters. Und es geht ausdrücklich darum, dass junge Menschen an die demokratischen Institutionen herangeführt werden sollen. Das werden wir hiermit hoffentlich ein Stück befördern.
Ich glaube, dass diese politische Arbeit für junge Leute hochattraktiv sein kann, haben sie doch in den Ausschüssen dann, wenn sie als Bürgerdeputierte mitwirken können, Rede- und Stimmrecht, also echte Chancen der Mitgestaltung in den Ausschüssen der BVV.
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Inkrafttreten sagen: Wir wollen nicht, dass Irritationen entstehen, wann das losgeht. Da müssen wir im Text wahrscheinlich noch nachjustieren. Es soll, wie Kollegen gesagt haben, tatsächlich schon in der nächsten Legislaturperiode in Kraft treten. Das werden wir im Ausschuss noch glätten. – Ansonsten freue ich mich auf eine zügige Beratung und ein zügiges Inkrafttreten dieser Verbesserung für junge Leute in der Stadt. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Was wir hier eben gehört haben, ist sowohl nach Inhalt als auch nach Form der Auftritt eines Extremisten, und das ist hier nur als abstoßend zurückzuweisen.
Ihnen geht es gar nicht um die Bekämpfung von Linksextremismus, Ihnen geht es um die Bekämpfung des demokratischen Konsenses,
des demokratischen Verfassungsstaats und von demokratischen Parteien, die Sie verächtlich machen. Das ist Ihr eigentliches Ziel, nicht das, was Sie hier aufgerufen haben.
Wir bekämpfen Linksextremismus
schon längst, schon lange als tatsächlich ernstzunehmendes Problem. Wir haben linksextreme Gewalt schon verurteilt und bekämpft, bevor Sie hier ins Parlament überhaupt eingezogen sind.
Ihre Forderung, die Sie jetzt hier großspurig nach einem Aussteigerprogramm aufstellen, ist weder neu noch ist sie besonders originell, noch ist sie besonders wirkungsvoll. Angebote in diese Richtung gibt es bereits. Wir haben beim Bundesamt für Verfassungsschutz seit Langem eine Hotline, die Ausstiegswilligen zur Verfügung steht; die Erfolgsquote ist mäßig. Wir haben „Exit-Deutschland“, von Ihnen im Antrag ja ausdrücklich erwähnt, dass man das irgendwie einrichten solle oder was. Das gibt es ja, ist ebenfalls ansprechbar, hält konkrete Hilfen für diejenigen vor, die aussteigen wollen. Auch hier ist die Wirkung gering.
Der Grund dafür liegt auch auf der Hand: Die große Mehrheit der Linksextremen arbeitet nicht mit dem Staat zusammen. Diese Angebote laufen deswegen ins Leere. Die Antragsteller ziehen hier wirklich haarscharf am Problem vorbei, und deswegen ist Ihr Antrag überhaupt nicht zielführend.
Wir bevorzugen zur Bekämpfung des Linksextremismus sowohl Prävention als auch Präsenz, als auch Repression,
als auch verdeckte Ermittlung. Wir haben ein ganzes Bündel von Maßnahmen, mit denen wir Extremismus bekämpfen, auch den Linksextremismus. Am Ende ist Personal auf der Straße ja wohl immer noch besser eingesetzt als irgendwo am Telefon, um auf Anrufe für Ihr komisches Aussteigerprogramm zu warten.
Da wir uns hier erneut mit untauglichen Anträgen zur Extremismusbekämpfung befassen müssen, liegt doch der Verdacht sehr nahe, dass Sie hier dauernd auf das Pferd Linksextremismus setzen. Sie reiten dieses Pferd, um von Ihren eigenen Problemen mit ihrem Naziflügel abzulenken. Das ist der eigentliche Punkt.
Frau Präsidentin! Das war mir ja eine feine Zwischenbemerkung. Mit einer vorbereiteten, abgelesenen Rede eine Inszenierung aufzuführen und dazu das Instrument der Zwischenbemerkung zu nutzen, zeigt, wie Sie die Regularien dieses Hauses anwenden.
Sie haben mit Ihrem zweiten Beitrag erneut bestätigt, wes Geistes Kind Sie sind. Ihnen geht es nicht darum zu argumentieren, Ihnen geht es darum zu hetzen, zu diskredi
tieren und verächtlich zu machen. Das ist nicht das, was wir hier in diesem Parlament haben wollen.
Ihr ganzes Gebaren und wie Sie hier auftreten, ist eindeutig. Das ist doch wirklich unerträglich,
mit was für einem Ton Sie hier die Dinge vortragen. Es ist ätzend. Aber letztlich muss das jeder selbst wissen. Ich kann nur noch einmal feststellen: Sie sind nicht nur heute, sondern auch sonst dort zu verorten, wo Sie hingehören.
Sie sind nämlich Teil des Flügels oder wie das bei Ihnen heißt. Ich glaube, Sie haben sogar von Herrn Höcke einen Orden für Ihre konsequente Haltung gekriegt. Ich sage: Herzlichen Glückwunsch! Besser kann man sich nicht outen, als Sie hier heute. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Ihrem Antrag und in Ihrer Rede fordern Sie uns allen Ernstes auf, die, wie Sie sagen, schleichende Erosion der Demokratie zu stoppen.
Diejenigen, die mit ihren demokratieschädlichen Machenschaften und Äußerungen gestoppt werden müssen, sind Sie von der AfD und niemand anderes in diesem Haus.
Sie führen Demokratie und Bürgerrechte in Ihrem Munde. Sie lassen kaum eine Gelegenheit aus, den demokratischen Grundkonsens unter Druck zu bringen, ja verächtlich zu machen, Systemparteien und so was.
Sie sind nicht das Opfer, Sie sind die politischen Überzeugungstäter gegen die Grundwerte des Respekts,
Herr Knobelbecher, der demokratischen Spielregeln und der politischen Kultur.
Sie müssen mal Ihre Knobelbecher holen, dann sind Sie vielleicht zufrieden!
Und die Liste Ihrer Zumutungen, Sie Schreihals, ist lang. Ich erinnere an Alexander Gauland: „Wir werden sie jagen.“ – Der Aufruf zu einer Hatz gegen demokratische Gruppen!
Was das wohl in den Hirnen mancher Leute auslöst?
Sie sind ja nur am Pöbeln. – Noch mal Gauland: Die Nazis und der Holocaust sind gemessen an der deutschen Geschichte ein Vogelschiss. – Widerlich!
Frau Petry, die mit Waffen an der Grenze gegen Flüchtlinge vorgehen will, und Frau Storch, die auf Nachfrage sagt: Ja, auch Frauen und Kinder!
Keine Zwischenfragen von den Pöblern da!
Ihr Bundestagsabgeordneter Stefan Keuter verschickt über WhatsApp Hitler-Bilder mit ausgestrecktem Arm und Bilder vom Badezimmer mit gekacheltem Hakenkreuz. Ihre Parteijugend in Sachsen-Anhalt nennt sich Höckejugend,
wohl eine Konkurrenzveranstaltung zur rechtsextremen Heimattreuen Deutschen Jugend, wo Andreas Kalbitz in jungen Jahren gern dabei war.
Ich will uns weitere Beispiele ersparen. Es reicht uns, um zu zeigen: Sie sind durchdrungen von Feindseligkeit und ziehen sich daran hoch, die Menschen und ganze gesellschaftliche Gruppen gegeneinander aufzubringen.
Sie sind diejenigen, die das politische Klima in Deutschland vergiften.
Ich will hier nicht vertiefen, wie Sie durch weitere weniger martialische, aber genauso bedenkliche Formulierungen den demokratischen Konsens hier unter Druck bringen, etwa wenn Sie der Mehrheit des Hauses hier die Legitimation absprechen, über die Ausgaben im Landeshaushalt zu befinden, oder wenn Sie die Medien als konstitutiven Bestandteil unserer Demokratie herabwürdigen und gegen sie polemisieren oder wenn sie permanent gegen Ihre Verpflichtung verstoßen, Ihre dubiosen Finanzquellen offenzulegen.