Martin Beck
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Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letzte Woche habe ich mit Freunden aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gesprochen. Beim Thema Olympiabewerbung Berlins haben sie spöttisch gelacht. Nach all den Berichten über gescheiterte Infrastrukturvorhaben in der Hauptstadt erschien es ihnen absurd, dass Berlin in naher Zukunft ein solches Großereignis stemmen könnte. Natürlich bin auch ich skeptisch bei einem Senat, der nicht einmal Wohnungsbau, Flughafen und Landesbibliothek gebacken bekommt. Wie sollen wir mit einem undemokratischen und intransparenten IOC vernünftige Ergebnisse erzielen, wie die Berlinerinnen und Berliner überzeugen, Spiele mitzuveranstalten?
Es gibt bisher kein vertrauenerweckendes, mitreißendes Konzept. Es gibt keine aussagekräftigen Studien, geschweige denn einen Finanzierungsplan. Und das bei der hohen Verschuldung der Stadt! Die Verwaltung konnte bisher keine Ideen entwickeln, wie gemeinschaftlich mit den verschiedenen Interessengruppen der Stadt ein Diskussionsprozess initiiert werden könnte. Viele Berlinerinnen und Berliner fragen nicht zu Unrecht: Haben wir nicht schwerwiegendere Probleme zu bewältigen?
Trotz meiner vielfältigen Zweifel und meiner Erfahrung mit der Bewerbung für das Jahr 2000 sollten wir gründlich prüfen, ob es nicht auch für Bündnisgrüne akzeptable Olympische Spiele geben könnte. Wir sollten die Generation der heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen fragen, ob sie bereit wären, die Verantwortung für das notwendige Management zu übernehmen. Es ist nach meiner Einschätzung die einmalige Chance, im Sportbereich zukünftig Berlin und Olympia nicht immer mit dem Jahr 1936
zu verbinden, sondern uns als weltoffene, demokratische und gebildete Stadt zu präsentieren.
Viele Aspekte der Olympiabewerbung sind in den letzten Wochen medial abgehandelt worden. Da es sich um meine Abschiedsrede als Abgeordneter handelt, möchte ich Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, gerne noch einige Gedanken aus den Politikfeldern mit auf den Weg geben, in denen ich in den letzten drei Jahren in diesem Haus gearbeitet habe.
Mein politischer Antrieb ist bis heute der Wunsch nach Verbesserung der Chancen zur gleichberechtigten Teilhabe in unserer Gesellschaft für benachteiligte und einkommensschwache Menschen geblieben. Was hätten sie von Olympia und den Paralympics in Berlin? Würde die Olympische Stadt anschließend mit sozialen Mieten zur Verfügung stehen? Haben langzeitarbeitslose Berlinerinnen und Berliner Aussichten auf neue Arbeitsverhältnisse, weil sie mithelfen können, die Infrastruktur für die Spiele herzustellen? Könnte man Olympia mit einem neuen öffentlichen Beschäftigungssektor verknüpfen, der nach den Spielen für andere Aufgabenbereiche genutzt werden kann? Ist es realistisch, die Bundesagentur für Arbeit zu überzeugen, ihre sture Arbeitsmarktorientierung aufzugeben und politisch strukturelle Verbesserungen mit anzustreben?
Ich vermute, viele Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen würden lieber ihre finanziellen Ansprüche erhöht sehen, als sich mit einer drohenden Geldverschwendung zu identifizieren. Bei den zu erwartenden Eintrittspreisen für die Sportstätten wäre es ihnen ohnehin verwehrt, im Stadion mitzujubeln. Vor dem Fernseher wäre es mir auch egal, ob die Spiele aus Australien oder Berlin übertragen werden. Wie soll ich einem Kind aus einem armen Elternhaus klarmachen, dass es nicht ins Stadion kann, sein Freund aus einkommensstarken Verhältnissen aber schon? Olympia wäre ganz schnell ein Fest für „die da oben“.
Toll wäre es, wenn die Stadt durch die Paralympics barrierefreier werden würde. Nicht nur die Stadien, sondern auch die öffentlichen Verkehrsmittel könnten für behinderte Menschen zugänglicher werden. Paralympics könnten nachhaltige Verbesserungen mit sich bringen und – ähnlich, wie es in London der Fall war – viele Menschen für die Schwierigkeiten in einem Leben mit Beeinträchtigungen sensibilisieren. Die Inklusion könnte mental und baulich einen großen Schritt vorankommen.
Ich freue mich, dass ich im letzten Jahr als Vorsitzender den Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagement mit auf den parlamentarischen Weg bringen konnte. Der Sport ist der Bereich mit den meisten ehrenamtlich Engagierten in der Stadt. Ich vermute, es dürfte nicht allzu
schwer sein, bei vielen eine Mitwirkungseuphorie zu erzeugen. Deren Anteil an Olympia deutlich hervorzuheben, böte die Möglichkeit, auch die freiwillige Arbeit vieler anderer, die sich fern öffentlicher Aufmerksamkeit regelmäßig um einsame, kranke und schwache Menschen in unserer Stadt kümmern, mit in den Fokus zu stellen.
Als Sportpolitiker wäre es sicherlich etwas ungewöhnlich, wenn mich der olympische Geist nicht umwehte und die Vorstellung, die ganze Welt als Gastgeber zu empfangen, nicht mit freudigen Fantasien erfüllte. Die Frage ist aber: Stehen Aufwand und Nutzen in einem adäquaten Verhältnis zueinander?
Was bleibt von einem rauschhaften Fest? Wer trägt die Kosten für die zu errichtenden Sportbauten? Werden Sie so gebaut, dass sie nach Olympia effektiv genutzt werden könnten? Sind unsere Freizeitsportlerinnen und -sportler willens, jahrelange Beeinträchtigungen ihrer gewohnten Aktivitäten durch Baumaßnahmen in Kauf zu nehmen? Ein böser Kater sollte vorher ausgeschlossen werden! Es wäre schon hilfreich, wenn der Senat aktuell positive Zeichen setzen könnte, indem er erforderliche Sanierungen von Schulsporthallen, Olympiapark und Bädern vorantreiben würde.
Im Hinblick auf die Bewerbung Berlins habe ich einige Chancen und Risiken skizziert. Eine ernsthafte öffentliche Debatte steht noch aus, übrigens auch in Brandenburg als potenziellen Mitveranstalter. Einigkeit im Parlament scheint zumindest darüber zu bestehen, dass die Berlinerinnen und Berliner an der Entscheidung beteiligt werden sollen. Wir Bündnisgrüne wollen kein Scheinreferendum, sondern offene Foren, in denen mitdiskutiert und mitgestaltet werden kann. Sollte der Senat dies verweigern, ist das frühzeitige Scheitern all seiner Olympiaträume vorbereitet.
Ich hatte das Glück, fast drei Jahre lang der fachlich versiertesten und fleißigsten Fraktion in diesem Hause angehören zu dürfen.
Heute heißt es für mich, Abschied zu nehmen. Ich werde zukünftig bei einem gemeinnützigen Träger weiter daran mitarbeiten, vielen Menschen ein besseres Leben in Berlin zu ermöglichen. – Ich bedanke mich für die meistens gute Zusammenarbeit, weiß jetzt, wie das Spiel zwischen Regierung und Opposition auf Landesebene praktisch funktioniert und freue mich auf die Kooperation mit
Ihnen in neuen Arbeitszusammenhängen. – Auf Wiedersehen!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Wiederholt haben wir in den letzten Jahren über die Situation der Obdachlosen in unserer Stadt diskutiert und Verbesserungen für die Ärmsten in unserer Gesellschaft vorgeschlagen. Passiert ist leider sehr wenig, und die Probleme für die Betroffenen wachsen. Herr Senator Czaja scheint sich mehr für die Gewinnmargen in der Gesundheitswirtschaft zu interessieren, als seinen Beitrag zur Bewältigung der Wohnungsnot leisten zu wollen. Die unrealistischen Richtwerte der Wohnaufwendungenverordnung verdrängen einkommensschwache Familien an den Stadtrand. Auch Menschen mit Einkommen werden gezwungen, ihren Innenstadtkiez zu verlassen, und landen häufiger in Wohnheimen. Eine Wohnungslosenstatistik wird nicht für nötig gehalten, und die veralteten Leitlinien zur Wohnungslosenhilfe werden nicht den aktuellen Verhältnissen angepasst. Der Zustrom von osteuropäischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen wird ignoriert. Die Gewerkschaften versuchen regelmäßig, auf den Missbrauch von Arbeitskräften hinzuweisen, die zu Hungerlöhnen auf vielen Baustellen arbeiten müssen. Erst wenn sie auch noch aus ihren provisorischen Behausungen geworfen werden, nimmt die Öffentlichkeit davon Notiz. Präventive Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit werden nicht ernsthaft unterstützt. Erst wenn die Menschen im Hilfesystem für Wohnungslose gelandet sind, beginnt der Senat zu agieren.
Kleine positive Maßnahmen konnten wir mit durchsetzen. Es gibt mehr Plätze in der Kältehilfe, obwohl immer noch viel zu wenige vorhanden sind. Es gibt mehr Plätze für obdachlose Frauen und auch minimale psychologische Unterstützungsangebote. Bei der dramatischen Entwicklung in den letzten Jahren sind das jedoch nur kleine Trostpflaster. Zum Glück gibt es viele Menschen, die sich freiwillig in Projekten engagieren, um den Schwachen in unserer Gesellschaft zu helfen. Vielen Dank an alle Berlinerinnen und Berliner, die aus Nächstenliebe ihre zeitliche oder finanzielle Unterstützung anbieten!
Für die politische Verweigerung, mehr professionelle Hilfen anzubieten, kann ich keine vernünftige Erklärung finden. Lieber Herr Kollege Spies! Also bleiben Ihrer Fraktion auch wieder einmal nur kleinteilige Verbesserungsvorschläge für eine komplett verfehlte Politik. Ihr Engagement ehrt Sie.
Auch unsere Fraktion setzt sich für adäquate Standards in Berliner Obdachlosenunterkünften ein. Erst jüngst haben wir darauf hinweisen müssen, dass einige vertragsfreie Unterkünfte die Aufnahme ausländischer Wohnungsloser verweigert haben.
Wie kann es sein, dass solche Betreiber weiter belegt werden, weil die Verwaltung keine anderen Anbieter finden kann?
Es ist an der Zeit, endlich den Mitarbeiterstamm in diesen Bereichen von Stellenkürzungen auszunehmen und bei Bedarf auch aufzustocken. Nur dann sind eventuell einige der Forderungen aus dem Antrag der Piraten umsetzbar. Eine Abschaffung vertragsfreier Unterkünfte halte ich in naher Zukunft für nicht realistisch. Fragen Sie mal in den Bezirksämtern nach, Herr Spies! Wir brauchen aktuell nicht primär mehr Kontrollen, sondern überhaupt geeignete Gebäude, und datenbasierte Prognosen kann der Senat nicht erstellen, weil er schon keine statistischen Erhebungen durchführen will. Unser entsprechender Antrag scheiterte an den Regierungsfraktionen. Also arbeiten wir Oppositionsparteien weiterhin hartnäckig an ins Leere laufenden Anträgen, die im Ausschuss von der sozialen und christlichen Koalition versenkt werden.
Ich bin mir sicher: Fortsetzung folgt garantiert.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Ausschusssitzung Mitte Januar haben wir mit dem Vorstandsvorsitzenden der Berliner Bäderbetriebe die aktuelle Situation zur Entwicklung eines neuen Konzepts für das Betreiben der Bäder diskutiert. Leider werden wir erst im Sommer eine komplexe, strategische und konzeptionelle Planung vorgelegt bekommen. Bis dahin – und das sieht man auch heute – bleibt uns nur die Diskussion von Teilaspekten.
Wir kritisieren das falsche Vorgehen und auch Herrn Senator Henkel, der als ersten konkreten Schritt in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied neue Eintrittspreise umsetzt. Das hat unnötigen Unmut bei vielen Nutzerinnen und Nutzern der Bäder geschaffen. Eine sachgerechte Kommunikation komplizierter Tarifänderungen hätte sicherlich die Schärfe der Reaktionen abgemildert.
Ärgerlich finde ich auch, dass die SPD-Fraktion wenige Wochen nach den Haushaltsberatungen und nur einige Tage nach der Anhörung im Ausschuss auf ihrer Fraktionsklausur in Braunschweig beschloss, zusätzlich 100 Millionen Euro in Spaßbäder investieren zu wollen. Wieso werden solche Diskussionen nicht im Parlament geführt? Wieso entziehen Sie die finanziell intensivste Aufgabe im Sportbereich der öffentlichen Haushaltsfeststellung?
Wir wissen, dass der Kostendeckungsgrad durch Eintrittsgelder in den Berliner Bädern bei nur zirka 20 Prozent liegt, in anderen Städten wie Hamburg und München bei zirka 60 Prozent. Es bedarf also erheblicher Reformen. Die Tarifstruktur ist dabei allerdings nur ein Teilaspekt. Was in den vergangenen Jahren durch unterlassene Instandhaltung und energetische Ertüchtigung vom Senat als Kostenstau produziert wurde, lässt sich nicht so einfach auf die Ticketpreise umlegen.
Der Antrag der Linken kam für uns etwas überstürzt und undifferenziert in die Diskussion. In Teilen hält auch unsere Fraktion die neue Tarifsatzung für unsozial. Wir bezweifeln zum Beispiel, dass eine Erhöhung des Normaltarifs auf 5,50 Euro ohne eine gleichzeitige Verbesserung der Qualität zu einer stärkeren Auslastung der Was
serflächen führen wird. Wir kritisieren auch den Zuschlag für sogenannte freizeitorientierte Bäder und warmes Wasser. Worin soll denn der zusätzliche Spaß in den Stadtbädern Lankwitz, Schöneberg und am Spreewaldplatz liegen? Für Kleinfamilien und Alleinerziehende kann das Baden leider auch teurer werden.
Es gibt aber gleichzeitig klare Verbesserungen für einkommensschwache Menschen. Jetzt erhalten Kinder bis zu fünf Jahren freien Eintritt. Vorher gab es diesen nur bis zum zweiten Lebensjahr. Bis 8 und nach 20 Uhr wird das Kurzzeitschwimmen von 3,50 auf 2 Euro ermäßigt. Von 10 bis 15 Uhr zahlt man nur noch 3,50 oder 2 Euro ermäßigt. Wir sind neugierig, ob das zu einer Entzerrung der bisher überfüllten Morgen- und Abendstunden führen wird. Besonders freuen wir uns über die Erweiterung des Familienbegriffs. So kostet eine Karte für maximal zwei Erwachsene und fünf Kinder nur 11,50 Euro.
Grundsätzlich hat das Vorhalten der Bäderstruktur für meine Fraktion einen wichtigen sozialpolitischen Stellenwert.
Der Antrag der Linken greift aber zu kurz. Wir fordern eine Evaluierung der vermuteten Steuerungswirkungen durch die neue Struktur nach dem Sommer, wenn endlich das neue Bäderkonzept vorliegen soll und die Erfahrungen der Sommerbadesaison einbezogen werden können. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Abgeordnete der Koalition! Schön, dass Sie jetzt so zahlreich im Saal sind! Dann habe ich noch mal die Möglichkeit, mein Missfallen darüber auszudrücken, dass Sie unseren Dringlichkeitsantrag in der letzten Plenarsitzung nicht sofort angenommen haben.
So blieben auch in den zurückliegenden drei Wochen einige Notübernachtungsstellen überfüllt. Welch ein Glück, dass wir so warmes Wetter haben! Vielen Obdachlosen bleibt damit noch Schlimmeres erspart. Immerhin haben Sie in der letzten Sitzung des Sozialausschusses den Antrag mit uns beraten. Aber das Ergebnis dieser Beratung, Ihr Änderungsantrag, war wenig hilfreich, weil er nur Banalitäten und Selbstverständlichkeiten enthält. Natürlich unterstützen auch wir den Senat, um mehr Notschlafplätze zur Verfügung zu stellen. Den entscheidenden Part unseres Antrags haben Sie aber gestrichen, nämlich geeignete leerstehende landeseigene Immobilien sofort der Kältehilfe zur Verfügung zu stellen.
Und was hat Herr Senator Czaja seitdem veranlasst? – Wo ist er denn, ist er überhaupt da? – Da ist er. – Es wäre toll, Herr Senator, heute von Ihnen mal eine tatsächliche Erfolgsmeldung hören zu können, denn in der letzten Sitzung haben Sie ja noch gewaltig getrickst hier. Nach Rücksprache mit der Abgeordneten Frau Radziwill haben Sie uns mitgeteilt, Frau Radziwill, am Rednerpult, dass ab 1. Februar 40 neue Plätze in Reinickendorf von der Stadtmission zur Verfügung gestellt werden würden. Das ist allerdings nicht geschehen. Das war der volle Flop. Und zuständige Fachstellen wussten gar nichts von dem Vorhaben – weder Mitarbeiterinnen der Stadtmission, der Sozialstadtrat von Reinickendorf, Fahrer des Kältebusses noch das von Ihnen vielgelobte Kältehilfetelefon, Herr Senator, waren über die Absicht, neue Plätze zu schaffen, informiert. – Es ist ein bisschen unruhig hier.
Danke schön! – Auch wenn es Kommunikationspannen gegeben haben sollte, eine Eröffnung zum 1. Februar wäre unrealistisch gewesen. Es braucht schon einige Zeit von der Entscheidung, neue Räume für soziale Projekte nutzen zu wollen, bis dann diese in angemessenem Zustand zur Verfügung gestellt werden können. Als wir darauf im Ausschuss etwas verärgert nachfragten, wurde zum Sachverhalt lediglich erläutert, dass sich die Stadtmission von ihrem Vorhaben zurückgezogen habe. Zwei Tage vor der Eröffnung der Einrichtung! Das klingt wenig plausibel.
Die Senatsverwaltung für Soziales bat uns, ihr uns bekannte leer stehende und geeignete Immobilien mitzuteilen, damit sie prüfen kann, ob diese für die Kältehilfe geeignet sind. Das ist ein etwas ungewöhnliches Verfahren, finde ich, dass wir als Abgeordnete tun sollen, wozu der Senat mit den zuständigen Stellen wie Immobilienfonds und BIM scheinbar nicht in der Lage ist.
Aber gern möchte ich hier als Mitglied einer konstruktiven Opposition wenigstens ein Gebäude nennen, was sicherlich sehr geeignet erscheint. Warum ist z. B. die Streustraße 117 bis 120 in Weißensee seit 2008 ungenutzt? Dieser Verwaltungskomplex ist weitgehend intakt, mit funktionstüchtiger Heizung und Sanitäreinrichtungen. Ansonsten haben die Bezirksämter in den letzten Jahren zahlreiche Gebäude zum Verkauf zur Verfügung gestellt, die aber immer noch leer stehen.
Oder hat der Senat zukünftig vor, UHOs – Unbekannte Hilfsobjekte – einzukaufen? So nannte die BZ am letzten Freitag eine Traglufthalle, die gestern am Innsbrucker Platz als mobile Notübernachtungsstelle für Obdachlose eröffnet wurde. Ein Energieunternehmen, das leider nicht nur Strom aus erneuerbaren Energien verkauft, kooperiert dort mit der Stadtmission, um 60 Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Heißt das, dass die zukünftigen Leitlinien zur Wohnungslosenpolitik im Land Berlin voraussichtlich wie folgt aussehen werden: Leitlinie Nr. 1: Der Senat von Berlin fordert die gemeinnützigen Träger der Wohnungslosenhilfe auf, sich beliebige Partner aus der Wirtschaft zu suchen, die für Werbezwecke ehrenamtlich betriebene Projekte für die Ärmsten in der Stadt mit einer von der Steuer absetzbaren Finanzspritze einmalig unterstützen? Soll das die Perspektive der Kältehilfe sein? – Ich hoffe, das doch nicht!
Am 31. Dezember 2012 hatten wir 11 046 wohnungslose Personen in Berlin, die behördlich registriert waren. Wir wissen, dass die tatsächliche Zahl der Wohnungslosen
viel höher liegen dürfte. Schätzungen von Trägern liegen bei 1 000 bis 2 000 Menschen, die keine Unterkunft in einer Einrichtung haben. Diesen wenigstens im Winter eine adäquate Unterkunft zur Verfügung zu stellen, sehe ich als landespolitische Verpflichtung an.
Herr Senator Czaja! Bitte nutzen Sie endlich leer stehende Immobilien, damit niemand in der Kälte bleibt. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jüngst hat Kardinal Rainer Maria Woelki angesichts der eisigen Kälte zu besonderer Solidarität mit Obdachlosen aufgerufen. Obdachlose bräuchten jetzt besonders dringend einen warmen und sicheren Schlafplatz.
Mir erscheint es, als würden sein Aufruf und die Initiativen meiner Fraktion zur Verbesserung der Situation Wohnungsloser in unserer Stadt regelmäßig an den eisigen Herzen von Regierungsmitgliedern abprallen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen des Abgeordnetenhauses! Lassen Sie uns gemeinsam diese Solidarität zeigen und die Kältehilfe stärken! Das ist jetzt dringend nötig. Wir Bündnisgrüne möchten nicht abermals einen sinnlosen Versuch starten, mit moralischen Appellen diese unsozialen Politikelemente des Senats zu korrigieren.
Wie jeden Winter werden in den innerstädtischen Notunterkünften zusätzliche Schlafplätze benötigt. Die Medien haben in den letzten Tagen wiederholt darüber berichtet, dass Notübernachtungsstellen dramatisch überbelegt sind. Die Träger der Kältehilfe geben ihr Bestes. Sie versuchen, spontan zu korrigieren, was wegen fehlender Planungsgrundlagen präventiv nicht geleistet wird. Schon seit zwei Jahren versuchen wir, den Senat zu einer koor
dinierten Wohnungslosenpolitik zu bewegen. Neue Leitlinien wurden zu Beginn der Legislaturperiode versprochen. Jetzt werden sie unverbindlich von Senator Czaja für 2015 angekündigt.
Im September letzten Jahres kündigte der Senator wiederholt an, bis zum Wintereinbruch 500 Plätze in der Kältehilfe vorzuhalten. Bis Dezember waren es aber nur 470. Nicht einmal Ihren eigenen Ansprüchen konnten Sie gerecht werden. Unterkünfte ausschließlich für Frauen sind weiterhin knapp. Ende November haben Sie, Herr Senator, bereits bestätigt, dass es zu Überbelegungen gekommen ist. Und 18 Plätze bei mob e. V. sind gerade ersatzlos weggefallen, weil angeblich keine Immobilien zur Verfügung stünden. Bei Bedarfen für unsere ärmsten Mitbürgerinnen auf die Haushaltslage des Landes zu verweisen, halte ich für schändlich.
Das Zugeständnis, nicht in der Lage zu sein, neue Plätze zu schaffen, halte ich für organisatorisch peinlich, sich mit Zuständigkeiten auszureden, für billig.
Herr Senator! Sie verweisen sehr gern auf die Zuständigkeit der Bezirke, aber es ist doch längst deutlich geworden, dass es einer gesamtstädtischen Steuerung bedarf.
Sorgen Sie doch bitte unverzüglich dafür, dass geeignete leer stehende landeseigene Immobilien für die Kältehilfe genutzt werden können!
Die Kältehilfe ist nur ein kleines Segment der in Berlin insgesamt nicht funktionierenden Wohnraumversorgung für einkommensschwache Menschen. Der Senat wirkt angesichts der großen Problemlage für Flüchtlinge, für Wohnungslose, für Menschen mit psychischen Erkrankungen hilflos, tatenarm und überfordert. Die Verselbstständigung von in betreuten Wohnformen untergebrachten Menschen wird durch Wohnungsmangel gefährdet. Wirkungsarme Instrumente wie Belegungsbindungen und geschützte Marktsegmente sind bisher nicht durch neuere, bessere Steuerungsinstrumente ersetzt worden. Im geplanten Neubau sind soziale Mieten nicht zu erwarten. Statt öffentliche Immobilien weiter zu verscherbeln, sollten einige Immobilien besser sozialen Trägern zur Verfügung gestellt werden.
(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)
Es macht auch Sinn, über die Verwendung der zusätzlichen Millionen aus dem Programm Soziale Stadt für die Wohnraumversorgung nachzudenken.
Machen Sie, liebe Koalition, aus Ihrem Herbst der Entscheidungen einen Winter der humanitären Hilfen – aber mit konkretem Ergebnis!
Folgen Sie unserem Antrag und lassen Sie bedürftige Menschen weder draußen in der Kälte noch in maßlos überfüllten und deshalb oft auch unsicheren Einrichtungen übernachten! Öffnen Sie leer stehende Häuser für schutzsuchende Menschen!
Liebe Mitglieder des Senats! Sie stehen mit in der Verantwortung, dass wir in diesem Winter keine Kältetoten zu beklagen haben. – Liebe Abgeordnete! Es eilt. Die Kälte hält an. Stimmen Sie sofort ab, und versenken Sie den Antrag nicht im Ausschuss! – Vielen Dank!
Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]
Sehr geehrte Frau Radziwill! Jetzt machen Sie ja doch genau das, was wir nicht wollen. Der Winter ist jetzt in vollem Gange. Wenn der Antrag in den Ausschuss geht, dann liegt er dort. Bis wir ihn beraten haben, ist der Winter vorbei, und dann heißt es wieder: Zum nächsten Jahr gucken wir.
Ich finde es ja toll, dass jetzt immerhin die 40 Plätze in der Kopenhagener Straße geschaffen werden sollen, aber Sie wissen selbst, wie im Moment die Situation bei einigen Einrichtungen ist. In der Stadtmission in der Lehrter Straße sind von den 60 Plätzen in den letzten Tagen immer 140, 150 belegt gewesen. Wir haben also eine komplette Überbelegung. Die 500 sind immer davon ausgegangen, dass die Situation in Berlin gleich bleibt, aber sie hat sich noch erheblich verschlechtert.
Also, bitte, verschieben Sie jetzt diesen Antrag nicht in den Ausschuss, sondern stimmen Sie mit uns direkt ab, damit man sofort gucken kann, welche Immobilien vielleicht noch zur Verfügung gestellt werden können. Es zeigt sich ja, die Kopenhagener Straße ist ja ein Beispiel dafür: Es gibt auch noch kurzfristig Immobilien, die jetzt erst in der kältesten Zeit zur Verfügung gestellt worden sind. Aber wir haben versucht, Planungsgrundlagen zu haben, Statistiken zu erstellen, damit man solche Sachen im Sommer planen kann. Auch die Träger, die das machen müssen, brauchen Vorbereitungsarbeiten, sie müssen die Einrichtungen entsprechend herrichten. Da geht es sowieso nicht von heute auf morgen. Also, bitte, stimmen Sie heute direkt ab, damit vielen Menschen noch in kurzer Zeit in diesem Winter geholfen werden kann!
Herr Präsident! Herr Krüger! Jetzt ist es kalt. Es nutzt nichts, diese Sache jetzt in den Ausschuss zu verschieben. Jetzt fehlen die Plätze. Jetzt stehen die Menschen teilweise auf der Straße und wissen nicht wohin. Wir brauchen jetzt sofort die Umsetzung.
Natürlich wissen wir auch, dass „sofort“ nicht „morgen“ heißt, dass man natürlich zwei Wochen oder so braucht, um vernünftige Räume zur Verfügung zu stellen. Aber dann sind es immer noch sieben bis acht Wochen, vielleicht sogar, wenn es so kalt ist wie im letzten Jahr, zwei Monate, in denen Menschen eine vernünftige, angemessene Unterkunft finden müssen.
Ich muss mich schon sehr wundern, Herr Czaja, wie Sie hier relativ uninteressiert zuhören, wenn es um Einzelschicksale in der Kälte geht und darum, ihnen die Möglichkeit zu geben, eine Unterkunft zu finden. Außerdem ist es interessant, dass das Problem gerade auch bei Ihnen vor der Haustür steht, wie ich gehört habe. In Ihrem Büro sind die Bulgaren, die hier um ihre Löhne betrogen worden sind und seitdem Unterkunft suchen, und bitten auch dort um eine Unterkunft, und Sie sehen auch keine Mög
lichkeit, denen zu helfen, weil eben entsprechende Unterkünfte für viele Menschen fehlen. Und dann hier so zu tun: Na ja, es geht schon alles, und im Sommer – wie Herr Krüger eben sagte – haben wir mit den Bezirken darüber gesprochen. – Na super, Sie haben darüber gesprochen, und was ist dabei herausgekommen? – Es fehlen weiterhin viele Plätze, und das ist furchtbar.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Henkel hat gerade etwa zehn Sekunden lang zum Sport
bereich berichtet. Von ernsthaften Haushaltsberatungen kann auch aus dem Sportausschuss nicht berichtet werden. Die wichtigsten Ausgabenblöcke konnten nicht behandelt werden, weil keine beschlussfähigen Arbeitsgrundlagen seitens des Senats vorgelegt werden konnten. Es ist sehr ärgerlich, dass wir für die Bäderbetriebe weder aussagekräftige konzeptionelle Vorschläge noch entsprechende Finanzierungsvorschläge erhalten haben.
Der neue Vorstand wollte mit ungewohnter Offenheit neue Wege in der Bäderlandschaft auch im parlamentarischen Raum diskutieren. Jedoch hat ihn der Sportsenator schnell zurückgepfiffen. Statt ein transparentes Verfahren zu begrüßen, sollen jetzt im Aufsichtsrat Entscheidungen ausgekungelt und anschließend fertige Beschlüsse an das Parlament übermittelt werden. So zeigt man engagierten Managern und Managerinnen schnell, wo Hammer und Badekappe hängen.
Als Oppositionsfraktion fehlte uns die Grundlage, über finanzielle Mittelzuweisungen sachgerecht zu entscheiden, und das bei dem mit 50 Millionen Euro größten Haushaltsposten im Sportbereich! Ebenfalls vertagt wurden wichtige Entscheidungen zum Olympiapark und zum Jahn-Sportstadion. Erst Anfang des Jahres 2014 sind seitens des Senats Maßnahmeplanungen zu erwarten. Auch diese sind damit den allgemeinen Haushaltsberatungen entzogen worden. Somit sind uns Sportpolitikern und Sportpolitikerinnen nur geringe Möglichkeiten geblieben, Korrekturen am Senatsentwurf vorzunehmen.
Als Grüne-Fraktion wollen wir jährlich mindestens eine Million Euro mehr für folgende Aufgaben zur Verfügung stellen: für die Integration von Flüchtlingen bei Sportangeboten, für Maßnahmen der Inklusion, zum Aufbau des Mädchenfußballs und zur besseren Bezahlung von Übungsleitern und -leiterinnen und Trainern und Trainerinnen. Die Koalition hat davon vieles übernommen. Das hat Herr Buchner gerade dargestellt. Wir haben dabei allerdings versucht, einen klaren Schwerpunkt auf Verbesserungen im Kinder- und Jugendsport zu legen. Diese Investitionsvorschläge hat die Koalition nicht ausreichend berücksichtigt. Als wichtigen Erfolg können wir verbuchen, dass wenigstens von der Streichung von Schulsozialarbeiter- und Schulsozialarbeiterinnenstellen abgesehen worden ist. Davon wären auch Angebote der Sportjugend betroffen gewesen. Ansonsten bin ich neugierig, wie das Frühjahr der Entscheidungen im Sportbereich ausfallen wird.
Ich frage den Senat:
1. Auf Grundlage welcher Bedarfsanalyse hat der Senat im Rahmen der Kältehilfe 433 Plätze für den kommenden Winter bereitgestellt?
2. Sieht der Senat darüber hinaus einen bestehenden Bedarf, und wenn ja, welche Maßnahmen ergreift der Senat, um den realen Bedarf an Schlafplätzen in der Kältehilfe in diesem Winter abzudecken?
Vielen Dank, Herr Senator! Ich gehe davon aus, dass Sie uns darüber informieren, wenn die 500 Plätze erreicht sind. – Ich habe noch eine Nachfrage: Wieso ist die Angebotsübersicht, von der Sie gerade gesprochen haben, auf www.kaeltehilfe-berlin.de nicht wie von Ihnen in der Plenarsitzung am 12. September 2013 angekündigt seit dem 1. Oktober 2013 online, sondern jetzt voraussichtlich erst ab Mitte November, obwohl wir jetzt schon die Kältehilfeperiode haben und auch schon sehr kalte Tage hatten?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wissen Sie, wie viele Menschen in Berlin von Wohnungslosigkeit bedroht sind? Wissen Sie, wie groß die Anzahl von Menschen ist, die im letzten Winter Tag für Tag eine neue Unterkunft gesucht hat, um sich vor der Kälte zu schützen? Wissen Sie, wie viele Berlinerinnen und Berliner aus psychischen Gründen nachts draußen schlafen müssen, weil sie es in geschlossenen Räumen nicht aushalten? Wissen Sie, wie umfangreich die Wanderung von Obdachlosen nach Berlin ist? Nein? Ich weiß es auch nicht! Jeden Winter werden in bezirklichen Notunterkünften zusätzliche Schlafplätze benötigt. Die Träger der Kältehilfe versuchen spontan zu korrigieren, was wegen fehlender Planungsgrundlagen präventiv nicht geleistet wird. Deshalb denkt meine Fraktion, eine vernünftige Wohnungslosenstatistik könnte helfen, alle relevanten Daten zusammenzuführen und auszuwerten, damit viele Menschen vor Wohnungslosigkeit geschützt werden können, indem ihnen frühzeitig Hilfsangebote gemacht werden.
Der Senat und die Koalition denken und handeln zu diesem Thema immer weiterhin ins Blaue hinein statt auf solider statistischer Basis. Unser Antrag auf Einführung einer Wohnungslosenstatistik wurde im Sozialausschuss leider mehrheitlich abgelehnt. Aber nicht nur das: Auch die seit Anfang der Legislaturperiode angekündigten Leitlinien zur Wohnungslosenpolitik sollen erst 2015 vorgelegt werden. Das hatten sich auch die Koalitionsfraktionen ursprünglich anders vorgestellt. Seit über zwei Jahren wird in der Senatsverwaltung an den Leitlinien gearbeitet – ohne Ergebnis. Wir erhalten nicht einmal einen Zwischenbericht. Aber dem Herrn Senator Czaja – ich weiß nicht, ob er jetzt zuhört, er ist scheinbar in einem Gespräch – lässt man das durchgehen, genau wie die ursprüngliche Fehlbesetzung des Staatssekretärs und die anhaltende Klageflut wegen einer nach aktuellem Urteil mindestens teilweise rechtswidrigen Wohnaufwendungenverordnung. Eine vernünftige Sozialplanung ist nirgends zu erkennen. Da hilft auch nicht mehr, dass Sie, Herr Senator Czaja, permanent ihre Vorgängerin der Linken für die Zustände in der Sozialverwaltung verantwortlich machen. Sie sind zwei Jahre im Amt. Wann können wir denn einmal mit positiven Arbeitsergebnissen aus ihrem Hause rechnen?
Die Ausschussdebatte zu unserem Antrag war typisch. Die Verwaltung bekam vom Senator zur Stellungnahme das Wort und verwirrte mit widersprüchlichen Argumenten das Auditorium. Es würden in drei Bereichen der Wohnungslosenhilfe Daten statistisch erfasst und die
(Fabio Reinhardt)
Bezirke führten eigene Statistiken nach dem ASOG und dem AZG. Die Jahresstatistiken bei betreuten Wohnformen würden detailliert ausgewertet. Das schaffe Klarheit über Bedarfe, so die Behauptung. Die folgende Beratung im Ausschuss und mehrere Kleine Anfragen haben unsere Bedenken jedoch untermauert. So gibt es im Rahmen des SGB II keine Erfassung von Wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen. Wie bezeichnen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, die Situation von Menschen, die Aufforderungen erhalten, ihre Wohnkosten zu senken, für die aber der Wohnungsmarkt keine adäquaten Angebote bereithält? Die Betroffenen fühlen sich gewiss in ihrer Existenz bedroht, vor allem, wenn es zu Räumungsklagen kommt. Wir hörten im Ausschuss, der Senat könne die Bezirke nicht zu Datenerhebungen verpflichten, deshalb handhabe es ja auch jeder Bezirk sehr unterschiedlich. Die Angebote der Träger von Hilfen seien sehr unterschiedlich organisiert. Genauso ist es. Deshalb könnte eine gesamtstädtische Steuerung helfen.
Warum der Senat trotz der erkennbaren Probleme und ähnlicher Bedarfsermittlungsprobleme zu dem Ergebnis kam, keine umfassende Statistik zu benötigen, ist mir unklar geblieben. Herr Spies von den Piraten verwies in der Diskussion auf Möglichkeiten der Erfassung von Daten zur Straßenobdachlosigkeit. Hamburg und München hätten gezeigt, wie man signifikante Daten erlangen könne. Nordrhein-Westfalen hat mit seiner neu gestalteten Statistik viel konkretere Aussagen über Art und Umfang der Wohnungslosigkeit treffen können. Sie lässt eine Differenzierung nach Alter, Haushaltsstruktur, Geschlecht und Migrationshintergrund der Betroffenen zu. Auf Basis dieser Daten wurde ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung und Vermeidung von Wohnungslosigkeit aufgelegt. So kann die Stadt Köln chronisch psychisch kranken und wohnungslosen älteren Frauen besser helfen. Duisburg hat eine Schlafstelle für obdachlose Jugendliche mit sozialpädagogischer Betreuung eröffnet. Und in Dortmund gibt es eine integrierte Wohnungsnotfallstrategie für Zuwanderungen aus Bulgarien und Rumänien. Bei dieser Notfallstrategie geht es um die Ausräumung von Informationsdefiziten und das Stoppen von Ausbeutung durch unseriöse Vermieter und die Beendigung unzumutbarer Wohnverhältnisse. Das alles basiert auf einer umfangreichen Datengrundlage.
Mit der Ablehnung unseres Antrags fehlt der Berliner Wohnungslosenhilfe weiterhin eine seriöse Planungsgrundlage. Notunterkünfte werden auch im nächsten Winter wieder überbelegt sein, und Unterkünfte für Frauen fehlen. Die finanzielle Ausstattung für betreutes Wohnen bleibt zu gering. Offensichtlich scheut sich der Senat vor konkreten Zahlen, um das Ausmaß notwendiger Hilfestellungen zu verschleiern. Politische Erfordernisse wie die Erarbeitung neuer Unterbringungskonzepte, –
der Ausbau von Schuldnerberatungsstellen und die Größenordnung preiswerten Wohnraums beim Wohnungsneubau werden auch zukünftig nur auf Schätzungen basieren. Damit stellt der Senat Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen abermals ganz ans Ende der sozialen Rangordnung. Das entspricht nicht dem Menschenbild meiner bündnisgrünen Fraktion. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Radziwill! Ihr Beitrag war jetzt genauso verwirrend wie die Diskussion im Ausschuss, weil Sie weiterhin nicht sagen, was die Statistiken im Einzelnen ergeben. Sie werden auf Landesebene nicht zusammengeführt. Sie haben auch keine Zahlen genannt. Ich habe am Anfang extra bewusst gefragt, wie viele Wohnungslose es in den einzelnen Bereichen gibt. Sie haben nicht eine Zahl genannt, weil nämlich der Senat, weil Sie gar nicht wissen, wie viel Wohnungslose es tatsächlich in Berlin gibt. Deswegen brauchen wir konkrete Zahlen und statistische Unterlagen. Es kann nicht die Aufgabe von Parlamentariern sein, jetzt kleinteilig dezidiert zu sagen, was in Nordrhein-Westfalen an einzelnen Verwaltungsschritten gemacht wird. Ich glaube, unsere Verwaltung hier in Berlin ist kreativ genug, um selbst Kennzahlen zu entwickeln, zu schauen, welche Möglichkeiten es gibt, mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege, die in der Wohnungslosenhilfe tätig sind.
Wenn Sie so genau sagen können, es reicht alles aus, wir haben die Zahlen, dann sagen Sie doch mal die Zahlen! Wie viel Wohnungslose haben wir aktuell? Wie viele sind im letzten Winter aus Osteuropa gekommen? Wie viele Sinti und Roma haben keine Schlafplätze gefunden? Wie viele Familienplätze haben im letzten Winter gefehlt? – Da werden Sie garantiert überhaupt nichts sagen können. Genau diese Basis brauchen wir hier, um vernünftige Planungsarbeit für die wohnungslosen Menschen in der Stadt vollziehen zu können.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Buchner! Wenn das, was Frau Hiller vorgetragen hat, Oppositionsrhetorik ist, dann ist das, was Sie hier vorgetragen haben, Regierungsopportunismus!
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bedankt sich für das vorbildliche Engagement vieler Menschen aus Moabit, die sich nicht mit der Schließung des Freibades am Poststadion abfinden wollten und seit über zehn Jahren für eine Alternative kämpfen, um mit ihren Kindern und Freundinnen und Freunden im Sommer kieznah draußen schwimmen und planschen gehen zu können.
Stellvertretend für viele Initiativen sei hier der Verein Moabit e. V. benannt, der die Interessen bündelte und gegenüber Politik und Verwaltung bis heute vertritt. Das verdient unsere Anerkennung!
Jüngst ist es dem Verein gelungen, ein weltweit agierendes Energieunternehmen zu einer finanziellen Zusage im Falle eines Defizits zu bewegen – immerhin 5 000 Euro. Das Bezirksamt Mitte unterstützt die Sponsorensuche, die Stiftung Zukunft unterstützt die bürgerschaftliche Mitverantwortung und bestätigt die Leistungsfähigkeit und nachhaltige Orientierung des Vereins Moabit e. V. Die Berliner Bäderbetriebe haben ein Wirtschaftlichkeitsgutachten erstellt, das eine kostenneutrale Bewirtschaftung des Freibades als realistisch erscheinen lässt. Warum verweigert der Aufsichtsrat die Veröffentlichung der Berechnungen? – Herr Senator Henkel! – Jetzt ist er schon wieder weg.
Wir haben ihn schon mehrfach gefragt, wir kriegen nie eine Antwort, also auch heute nicht. – Herr Senator Henkel! Warum bekommen wir das Gutachten nicht im Hauptausschuss und im Sportausschuss zur Kenntnisnahme?
Ich bin weiterhin skeptisch, ob der Bezirk Mitte die Ausfallbürgschaft in Höhe von 20 000 Euro gewährleisten kann, weil Bürgermeister Dr. Hanke lange keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen konnte. Jetzt hat der Bezirk
das Jahr 2012 nach jüngsten Zahlen aber mit 2 Millionen Euro Überschuss abgeschlossen. Das sollte der Senatsverwaltung für Finanzen zumindest Hoffnung machen, dass im Bezirksamt Mitte zukünftig seriös gewirtschaftet wird.
Im Laufe der letzten Monate gab es seitens der Sportverwaltung ein Herumgeeiere vom Feinsten – wie es ein Moabiter mir gegenüber bezeichnete. Ich kann ihm nur zustimmen. Nachdem Senator Henkel im Wahlkampf 2011 noch wortgewaltig für das Freibad eingetreten ist und seine Unterstützung für die Planungen zugesagt hat, möchte er heute nicht mehr gerne daran erinnert werden. Hand in Hand mit seinem Staatssekretär für Sport stiftete er im Ausschuss auf Nachfragen zum Sachstand noch mehr Verwirrung, statt etwas Erhellendes beizutragen. Mal hieß es, man werde sich dem Engagement nicht entgegenstellen, mal wurde die Senatsfinanzverwaltung dafür verantwortlich gemacht, dass das mit den Planungen nicht voranginge. Nicht einmal der Zeitpunkt, bis wann die Fördersumme in Höhe von 1,6 Millionen Euro abgerufen werden muss, ist bisher klar zu erfahren gewesen. Der Staatssekretär für Stadtentwicklung schreibt, bis zum 30. April, Senator Henkel teilt mit, dass es bisher keine Ausschlussfrist gebe. Was stimmt denn nun? Sagen Sie doch endlich mal, was Sie wirklich denken und vorhaben!
Der ehemalige CDU-Abgeordnete Volker Liepelt und sein Ortsverband Moabit äußerten in einer Presseerklärung, ich zitiere:
Nichts spricht dagegen, nunmehr für das Projekt freie Fahrt zu geben.
Wir kennen die schwierige finanzielle Situation der Berliner Bäderbetriebe. Ein Projekt, das aber auch nach Einschätzung des Vorstandes der Bäderbetriebe mit großer Wahrscheinlichkeit ohne zusätzliche Zuschüsse auskommen dürfte, nicht in die Wege zu leiten, halten wir aufgrund der Gesamtlage für nicht nachvollziehbar. Bei so viel Engagement seitens der Bürgerinnen und Bürger und der Firmen vor Ort, der Bezirksverordnetenversammlung Mitte und der Stiftung Zukunft Berlin fordern wir den Senat auf: Helfen Sie mit, dass zukünftig im Sommer in Moabit wieder unter freiem Himmel gebadet werden kann!
Sehr geehrter Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an Herrn Senator Czaja: Am 22. Februar hat das Sozialgericht Berlin die Wohnaufwendungenverordnung zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft für unwirksam erklärt. Herr Senator! Wollen Sie die Realität auf dem Berliner Wohnungsmarkt, die das Urteil widerspiegelt, weiterhin ignorieren, oder in welcher Form wollen Sie der halben Million Berliner Bürgerinnen und Bürger, die von Arbeitslosengeld II abhängig sind, die von Ihnen überstürzt versprochene Rechtssicherheit in Bezug auf die Bezahlung ihrer Mieten geben?
Sie können sich vorstellen, dass die Frage uns natürlich in keiner Weise zufriedenstellt, und der Protest nimmt ja auch zu. Ich habe aber eine weitere Frage, Herr Senator: Was folgern Sie aus der Einschätzung des Gerichts, dass der Berliner Mietenspiegel nicht ausreichend ist, um die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu ermitteln?
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vergabe von Nutzungszeiten an Schwimmvereine ist also eine stadtpolitische Priorität der SPD-Fraktion.
Das zeigt, wie unwillig und ängstlich Sie sind, die wirklich großen, wichtigen politischen Entwicklungs- und Richtungsentscheidungen
für Berlin anzugehen und mit der Opposition zu diskutieren.
Auch Ihre Kolleginnen und Kollegen scheinen sich ja nicht wirklich für Ihre Priorität zu interessieren,
[Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE) Senator Henkel ist auch nicht an seinem Platz, Staatssek- retär Krömer ist nicht da. [Bürgermeister Frank Henkel: Hier!]
Da hinten sind Sie, wunderbar! – Das Thema ist nicht wirklich als Priorität auf der Tagesordnung für Sie.
Das Thema der Vergabezeiten für Wasserflächen in den Berliner Schwimmbädern wollen wir gemeinsam angehen – darauf haben wir uns Ende letzten Jahres mit den Sprecherinnen und Sprechern für Sportpolitik bei einem Treffen mit dem Vorstand der Berliner Bäderbetriebe verständigt. Die Vergabe für das Kinder- und Jugendschwimmen ist ein wichtiger Teilaspekt. Dass die Regierungsfraktionen daraus gleich einen Antrag formulieren, der sich auf das Vereinsschwimmen beschränkt, ist nicht sehr hilfreich und verengt das Blickfeld auf den Wettkampfsport. Auch Herr Buchner hat in seiner Rede gezeigt, dass ihm der Leistungssport besonders am Herzen liegt und darauf der Schwerpunkt gelegt werden soll.
Wir unterstützen natürlich das Anliegen, Bewegungs- und Sportangebote für Kinder und Jugendliche zu fördern. Wir finden es gut, wenn an Nachmittagen bevorzugt Kindern und Jugendlichen ermöglicht wird, die
Schwimmbäder zu nutzen. Warum das aber in nur 17 Bädern passieren soll und in welchen, erschließt sich uns nicht. Der Senat muss dafür Sorge tragen, dass die Vergabe aller öffentlichen Wasserflächen für alle Zielgruppen und zu allen Tageszeiten transparent und anhand nachvollziehbarer Kriterien erfolgt!
Nicht nur für junge Menschen, auch für ältere, kranke oder beeinträchtigte Menschen bedarf es spezieller Regelungen. Wann können muslimische Frauen angemessen schwimmen? Wann gibt es Babyschwimmen für berufstätige Eltern? Wie handhaben wir es mit Öffnungszeiten für andere spezielle Zielgruppen? Einer grundsätzlichen Klärung bedarf auch die Frage, wer über die Nutzung der Einrichtungen der Berliner Bäderbetriebe entscheiden darf. Sollte diese Entscheidung vorrangig beim organisierten Sport liegen? – Wir sehen den Senat in der Pflicht, auch niedrigschwellige Bewegungs- und Sportangebote außerhalb der klassischen Vereinsarbeit zu unterstützen. Wie sieht es mit der Öffnung von vom Land geförderten Vereinangeboten für Nichtmitglieder aus? Auch da gibt es noch großen Nachholbedarf.
Wir würden es sehr begrüßen, wenn Wasserflächen bevorzugt auch für gesundheitsbezogene Bewegungsangebote zur Verfügung gestellt werden würden. Die Kooperation mit den Krankenkassen zur Stärkung von Präventionsangeboten ist zu forcieren. Auch Vereinbarungen über kommerzielle Nutzungen der Bäder können Sinn machen, wenn sie im öffentlichen Interesse liegen. Jüngst haben wir Hinweise erhalten, dass Wasserflächen ohne entsprechende Vereinbarungen kommerziell genutzt werden. Das ist sehr ärgerlich, und wir bitten dringend um Aufklärung des Sachverhalts!
Für uns sollte die Beratung des Antrages zum Ziel haben, vollständige Transparenz über die Vergabe von Wasserflächen herzustellen. Es wäre doch toll, wenn ich zukünftig vor dem geplanten Besuch eines Bades im Internet auf der Seite der Berliner Bäderbetriebe sehen könnte, welche Bahnen von wann bis wann belegt sind, wer diese Bahnen zu welchem Zweck benutzt und wann ich am ehesten mit ausreichend Platz im öffentlichen Schwimmbereich rechnen kann. Darauf sollten wir hinarbeiten. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Czaja! Im April des letzten Jahres habe ich Sie hier noch gelobt, weil Sie zügig eine neue Rechtsverordnung zu den Kosten der Unterkunft vorgelegt hatten. Diesen Bonus haben Sie inzwischen verspielt, weil sich gezeigt hat, dass Sie überstürzt und fachlich unzureichend gehandelt haben. Die Beteiligung der Interessenvertretungen von Mieterinnen und Mietern und Arbeitslosen haben Sie unterlassen. Sie haben die Komplexität der WAV schlicht unterschätzt. Das rächt sich jetzt.
Ich bin auch immer wieder verwundert, wie wenig Menschen das im Parlament interessiert. Es geht immerhin um eine halbe Million Menschen und die Lebensumstände von vielen Berlinerinnen und Berlinern. Auch in unserem
Haushalt sind immerhin 1,5 Milliarden Euro mit diesem Thema verbunden. Die Probleme sind für viele Betroffene oder beteiligte Menschen durch die Verordnung jetzt noch verschärft worden. Die Entwürdigung Vieler findet staatlich verordnet ihre Fortsetzung. Etwa 70 000 Bedarfsgemeinschaften zahlen aus ihrem Existenzminimum Mietanteile, damit sie in ihren Wohnungen bleiben dürfen. Grundsicherungsempfangene kämpfen vor Gericht um ihren Lebensunterhalt, statt ihre Kraft für persönliche Qualifizierungen und die Arbeitssuche einsetzen zu können. Sie wollten Rechtssicherheit herzustellen und die Gerichte entlasten. Stattdessen ist Verwirrung bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jobcenter, der Jugendämter und der Sozialämter entstanden, wie die komplizierten und bürokratischen Artikel auszulegen seien. So wird zum Beispiel die Angemessenheit der Wohnkosten sehr unterschiedlich ermittelt.
Die Klageflut beim Berliner Sozialgericht hält an. Der Aktenberg ist auf über 42 000 unerledigte Verfahren angestiegen. Ihr Kollege, Senator Heilmann, versucht löblich, aber etwas hilflos, dem projektorientiert entgegenzuwirken. Haben Sie auch die Auswirkungen der WAV bereits gemeinsam begutachtet?
Die Mieten in vielen Kiezen liegen weit über den WAVRichtwerten. Das könnte man als eine staatliche Gentrifizierungsmaßnahme bezeichnen. Eine regionale Differenzierung ist nach verschiedenen Rechtsauskünften durchaus möglich und nicht rechtswidrig, wie von Ihnen behauptet. Zur Entwicklung einer sozialen Mischung in den Kiezen wäre es hilfreich, in den Gebieten mit besonders angespannten Wohnungsmärkten höhere Zuschüsse festzulegen.
Herr Czaja! Sorgen Sie endlich für realistische Richtwerte und unkomplizierte Verfahren, die auch vor den Gerichten Bestand haben!
Besonders dramatisch sind die Auswirkungen für Menschen in betreuten Wohnformen. Wohin mit den verselbstständigten Klientinnen und Klienten, wenn der Markt keine Wohnungen im Umfeld hergibt? – Sie bleiben staatlich finanziert bei freien Trägern wohnen, statt ihr Leben selbstständig gestalten zu können. Die Sozialraumorientierung der Jugendhilfe wird konterkariert, wenn gerade durch sozialpädagogische Maßnahmen gefestigte Jugendliche ihren Kiez verlassen müssen oder gar von Obdachlosigkeit bedroht werden.
Nun zu den Anträgen der Linken und der Piratenfraktion: Wir sehen die Anträge sehr positiv, halten sie allerdings für verfrüht und zu kurz greifend, weil sie nur Teilaspekte der notwendigen Korrekturen an der WAV beinhalten. Eine Anpassung der Richtwerte an den neuen Mietspiegel halten wir für dringend geboten. Welche Mietbeträge wir
im Detail für angemessen halten und wie hoch ein Neuvermietungszuschlag sein darf, ist anhand aktueller Zahlen noch zu klären. Ein Sanktionsmoratorium halten wir auch durchaus für sinnvoll. Dieses aber ausschließlich auf den sozialen Wohnungsbau zu beschränken, schafft neue Ungerechtigkeiten. Einen individuellen Mietausgleich halten auch wir für erforderlich, allerdings muss er für alle bedürftigen Transferleistungsbeziehenden zu beantragen sein.
Ihre Anträge benötigen also noch Differenzierung und Ergänzungen. Die Richtung stimmt. Was wir in Berlin benötigen, ist ein Gesamtkonzept, das einkommensschwächere Mieterinnen und Mieter vor unbezahlbaren Mieten schützt, egal, bei welchem Vermieter und in welchem Stadtteil Berlins sie wohnen. Nur so können wir neue soziale Verwerfungen verhindern und die weitere Segregation stoppen.
Sehr geehrte Damen und Herren von der Regierungskoalition! Wir haben noch nicht gehört, wie Sie wirklich damit umgehen wollen, dass immer noch rund 70 000 Bedarfsgemeinschaften aus ihrem Existenzminimum zu den Mieten dazuzahlen müssen. Sie haben nicht gesagt, wie Sie sich vorstellen, dass man realitätsnahe Mieten gestal
ten kann. Wir wollen keine Zwangsumzüge mehr in der Stadt, wir wollen keine Zuzahlungen von Menschen, die schon am Existenzminimum leben, aus ihren Mieten. Das geht auf Kosten von ganz vielen Menschen, auf Kosten der Benachteiligten. Sie argumentieren bürokratisch mit der Verordnung, ohne zu sagen, wie Sie sich vorstellen, dass wir verfassungsgerechte WAV-Sätze haben.
Herr Senator! Ich frage Sie: Warum hat der zuständige Staatssekretär das Serviceportal Soziales nicht bewilligt, obwohl es von vielen Bezirken getragen wird?
Sehr geehrter Herr Senator! Seit über zehn Jahren gab es in der Obdachlosenarbeit keine Weiterentwicklung und Anpassung an die Realität. Wann erhalten wir endlich wieder einen Rahmenplan und Leitlinien zur Wohnungslosenarbeit?
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Entscheidung des Aufsichtsrats des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg, den Preis für das Sozialticket zu erhöhen, ohne dass es eine adäquate Anpassung des für Verkehrsdienstleistungen vorgesehenen Regelsatzes gibt, wurde bereits durch den Senatsbeschluss im Juni vorbereitet, ohne das Abgeordnetenhaus darüber zu informieren. Es wäre sehr schön gewesen, wenn wir vorher darüber eine öffentliche Diskussion zum Thema hätten führen können. Die war aber offensichtlich von der Koalition nicht gewünscht.
Die Arbeitslosen sollen ab dem 1. Januar 12,46 Euro statt bisher knapp 10 Euro aus anderen Bereichen ihres existenzsichernden Einkommen entnehmen, damit sie sich mobil im gesamten Stadtgebiet um einen Arbeitsplatz bemühen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Das Grundrecht auf Mobilität wird damit weiter eingeschränkt.
Das Land Berlin muss nach der geplanten Preiserhöhung durch die BVG analog zum Erhöhungsbetrag weniger aus eigenen Haushaltsmitteln erstatten. Das heißt, die kata- strophale Haushaltssituation soll ausgerechnet weiter auf Kosten der ausgegrenzten und einkommensschwächsten Menschen unserer Stadt verbessert werden. Das ist unsozial und empört mich.
Unsere Fraktion hat schon den Antrag der Linken im August unterstützt, der die Preiserhöhung für das Sozialticket ab 2013 verhindern sollte. Auch der Antrag der Piraten geht sozialpolitisch in die richtige Richtung und greift einige Vorschläge unserer Fraktion vom August
auf. Interessant ist die schnelle Abkehr der Piratenfraktion von den Forderungen eines kostenlosen und fahrscheinlosen ÖPNV, die sie noch vor einigen Monaten aufgestellt haben. Es ist spannend, wie schnell Sie Ihre Positionen wechseln.
Nun zum Antrag im Einzelnen: Den Berlinticket-S-Preis auf 20 Euro senken zu wollen, ist ein ehrbares Vorhaben. Wir wollen, dass ausschließlich die 23,54 Euro, die im Regelsatz für Mobilität enthalten sind, von den Leis- tungsempfängerinnen und -empfängern als Fahrkostenbeitrag gefordert werden können. Natürlich halten wir daran fest, die Regelsätze generell zu erhöhen. Das würde auch eine Erhöhung des Mobilitätsanteils bedeuten.
Der Personenkreis der Menschen mit geringem Einkommen ist im Antrag der Piraten genau zu definieren. Wir Grünen sind der Meinung, dass auch Menschen mit geringem Einkommen knapp oberhalb der Leistungsanspruchsgrenzen Zugang zu günstigerer Teilnahme am öffentlichen Personennahverkehr erhalten sollten. In anderen Bundesländern haben zum Beispiel Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld oder von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und Geringverdienende Anspruch auf vergünstigte Tarife.
Angesichts der zunehmenden Kinderarmut in Berlin ist eine rasche Vergünstigung bei innerstädtischen Fahrten dringend geboten, um den jüngsten Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt die Teilnahme an außerschulischen Angeboten zu ermöglichen.
Ja, gerne!
Auf die erste Frage kann ich so spontan nicht antworten. Da möchte ich mir noch die Zahlen genauer anschauen.
Zur zweiten Frage möchte ich Sie auf Ihren eigenen Antrag verweisen: Sie sprechen von „Fahrschein“ und „Fahrkarten“. Insofern können wir es im Ausschuss bereden, wo Sie den Unterschied sehen, und das dort diskutieren.
Wie viel eine Erweiterung des berechtigten Personenkreises kosten würde, ist bisher nicht untersucht worden. Deshalb unterstützen wir die Forderung nach validen Daten. Wer die „unabhängigen Verkehrsexperten“ sein sollen, wissen wir nicht. Wir sind neugierig, wen die Piraten für unabhängig in diesem Bereich halten.
Wir Bündnisgrünen fordern schon seit Langem die Einführung eines flexibleren Preissystems im VBB, besonders für einkommensschwache Menschen. Subventionierte Einzelfahrscheine oder Freikarten für Kinder über sechs Jahre und Jugendliche halten wir für machbar. Das Schülerticket sollte je nach Einkommen in verschiedene Gebührengruppen gestaffelt werden. Um das Sozialticket auf die Tarifzone C auszudehnen, sind im Vorfeld aber noch konkrete Vereinbarungen mit dem Land Brandenburg zu treffen. Wir müssen in den Ausschüssen noch darüber beraten, wie Sie sich das vorstellen.
Bei den Verhandlungen der Verkehrsverträge ab 2014 sollten die soziale Preisgestaltung und deren Einbindung in eine klare, verbindliche Tarifstruktur mit Langzeitwirkung Pflichtaufgaben sein. Ich freue mich auf die Beratung in den Ausschüssen!
Herr Senator Czaja! Ich habe Sie also richtig verstanden, dass Sie weiterhin die Bezirksämter anweisen, die jetzt eigentlich nicht mehr geltende WAV für Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfeempfängerinnen trotz des LSGUrteils anzuwenden?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir unterstützen den Antrag der Fraktion Die Linke.
Wir freuen uns, dass Die Linke weiterhin Initiativen für sozial benachteiligte Menschen in der Stadt ergreift, die sie als Regierungspartei nicht so recht ins Zentrum ihrer Arbeit zu rücken vermochte.
Pseudoinitiativen der SPD- und Linksfraktion aus dem Jahr 2007, das Grundrecht auf Mobilität umzusetzen, haben aufgrund fehlender Ernsthaftigkeit erwartungsgemäß nicht zum Erfolg geführt.
Frau Radziwill! Wenn Sie sich ernsthaft mit den Einkommensschwächsten unserer Stadt solidarisieren wollen, dann müssten Sie eigentlich den Antrag der Linken unterstützen und nicht noch mal Umwege über bundesgesetzliche Regelungen suchen, die Sie sowieso nicht schaffen umzusetzen.
Es gab zwar seit 2005 keine Preiserhöhung für das Sozialticket, aber die Mobilität von vielen Transferleistungsbezieherinnen und -beziehern und Geringverdienenden in der Stadt bleibt trotzdem fortgesetzt eingeschränkt.
Im Regelsatz von Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -empfängern sind 23,54 Euro für Mobilität vorgesehen. Das heißt, bei einer Preiserhöhung um 2,50 Euro würde die Zuzahlung zum Sozialticket weiterhin drastisch gesteigert werden. Das Grundrecht auf Mobilität würde immer mehr eingeschränkt werden.
Das Land Berlin muss nach der geplanten Preiserhöhung durch die BVG analog dem Erhöhungsbetrag weniger aus eigenen Haushaltsmitteln erstatten. Es ist sehr ärgerlich, dass der Senat auf Kosten der Ärmsten in unserer Stadt seine Haushaltssituation verbessern möchte.
Wir Grünen sind der Meinung, dass auch Menschen mit geringem Einkommen knapp oberhalb der Leistungsanspruchsgrenzen Zugang zur günstigeren Teilnahme am öffentlichen Personennahverkehr erhalten sollten. In anderen Bundesländern haben zum Beispiel Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld oder von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und Geringverdienerinnen und -verdiener Anspruch auf vergünstigte Tarife. Auch angesichts der zunehmenden Kinderarmut in Berlin ist eine rasche Vergünstigung bei innerstädtischen Fahrten dringend geboten, um den jüngsten Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt die Teilnahme an außerschulischen Angeboten zu ermöglichen.
Wie viel eine Erweiterung des berechtigten Personenkreises kosten würde, ist bisher nicht untersucht worden. Warum nicht? Eine aktuelle Initiative der SPD-CDUKoalition, der zunehmenden Ausgrenzung entgegenzuwirken und kostengerechte Sätze einzufordern, ist mir nicht bekannt. Wir Bündnisgrüne streiten schon seit Jahren um eine Erhöhung der Regelsätze. In Berlin fordern wir weiterhin die Einführung eines flexibleren Preissystems für einkommensschwache Menschen. Subventionierte Einzelfahrscheine oder Freikarten für Kinder über sechs Jahren und Jugendliche sollten organisatorisch möglich sein. Das Schülerticket wäre ebenfalls nach Einkommen in verschiedene Gebührengruppen zu staffeln. Warum hat eine angekündigte Marktforschung bisher nicht stattgefunden? Herr Senator Czaja! Lösen Sie Ihr Versprechen ein, und setzen Sie für die Betroffenen die Abschaffung der erhöhten Fahrpreise durch! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Czaja! So unterschiedlich kann man Ihre Arbeit beurteilen. Sie haben uns im Februar im Fachausschuss über 25 Seiten Ihre Vorhabenplanung für die ersten 100 Tage mit Power und pointiert, kurz Powerpoint, präsentiert. Jetzt muss leider bilanziert werden: viele gute Worte und wenig davon angepackt. Die zugesagte Einführung eines zentralen Pflegebeschwerdemanagements lässt auf sich warten.
Eine Koordinierungsstelle sollte als neue Aufgabe von der Patientenbeauftragten entwickelt und – ich zitiere – “durch zusätzliche personelle Ressourcen untersetzt” werden. Unsere entsprechenden konkreten Anträge zur Stärkung des Verbraucherschutzes haben Sie im Fach- und Hauptausschuss abgelehnt.
Schnell haben Sie die Rechtsverordnung zu den Kosten der Unterkunft erarbeiten lassen, viel zu schnell, wie sich bald zeigte, und realitätsfern. Die Wohnaufwendungenverordnung sollte mehr Rechtssicherheit für die Leistungsempfänger und -empfängerinnen und für die Sozialgerichte bringen. Die Aufsplittung von Miet- und Heizkosten und die Staffelung nach Gebäudeflächen bei der Erstattung der Heizkosten überfordern jedoch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern, was zu neuen fehlerhaften Bescheiden und daraus resultierend zu neuen Klagen vor dem Sozialgericht führen wird. Von den Arbeitslosengeld-II-Empfangenden werden weiterhin ca. 80 000 Bedarfsgemeinschaften Mietanteile von ihrem Existenzminimum bezahlen müssen. Zwangsumzüge werden durch die neue Verordnung nicht eingeschränkt. Herr Czaja! Wie wollen Sie künftig verhindern, dass
Familien aufgefordert werden, in Wohnungen umzuziehen, die es auf dem Wohnungsmarkt gar nicht gibt? Die Verordnung ist nur ein Deckblatt. Sie verschleiert die weitere Verschlechterung der sozialen Lage der Ärmsten in unserer Gesellschaft.
Sie kündigen auch die Erarbeitung eines Konzepts zur gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung von Flüchtlingen an. Steuern heißt für Sie nicht das Lotsen von ankommenden Hilfesuchenden in die Stadtgesellschaft, sondern erst einmal die Aufbewahrung von Flüchtlingen im Flughafenknast.
Sie möchten gern das ehrenamtliche Engagement stärker fördern. Finanziell wurde das aber nicht unterlegt. Die Zukunft der Zukunftsinitiative Stadtteil bleibt unklar. Die Stadtteilzentren werden entgegen der Vereinbarung im Koalitionsvertrag geschwächt statt gestärkt. Sich auf ESF-Mittel zu verlassen, ohne konkrete Summen zu benennen, ist ein Rückschritt und lässt Planungssicherheit für Träger vermissen.
Die Tarifsteigerung, die Sie angekündigt haben, soll zu 50 Prozent angeboten werden, die anderen 50 Prozent sollen die Träger dann dazu beisteuern. Ich frage Sie: Wie sollen das kleine Träger leisten? Sie kommen kaum mit den sonstigen Entgelten zurecht.
Ehrenamtliche Betreuungsvereine, die nachgewiesenermaßen fachlich sehr erfolgreich sind, und die wir nachhaltig finanziell besser ausstatten wollten, werden im Stich gelassen, und unsere Anträge dazu abgelehnt.
Herr Czaja! Sie schwärmen in Ihren Reden gern vom christlichen Familienbild. Bürgerschaftliche Selbsthilfe unterstützt man aber nicht mit Betreuungsgeld für daheimbleibende Mütter und rückwärtsgewandten Rollenbildern.
Die Koalition hat eine ressortübergreifende Strategie zur Bekämpfung der Kinderarmut angekündigt. Die von Ihnen dazu geplanten Maßnahmen zeigen die großen Widersprüche innerhalb der Regierung. Der Ausbau der Kinderbetreuung, die Vermeidung von Segregation durch angemessene Mietobergrenzen sowie Projekte im öffentlichen Beschäftigungssektor haben Sie versprochen, um – ich zitiere –:
Insbesondere Eltern und Alleinerziehenden Arbeit zu vermitteln.
Die CDU möchte aber genau das Gegenteil. Das passt hinten und vorne nicht zusammen.
Wirklich innovative Projekte werden von der Koalition nicht einmal angedacht. Der Einstieg in die sozialraumorientierte Planung wird nicht fortgesetzt, Notübernachtungsplätze für Frauen bleiben rar, Transparenzinitiativen zur qualitativ besseren und kostensparenden Kooperation mit freien Trägern überlassen Sie der Senatsverwaltung für Finanzen. Herr Czaja! Sie sind auf dem besten Weg, einer von vielen Ankündigungssenatoren zu werden, die den benachteiligten Berlinerinnen und Berlinern viel versprechen und dann nur Bruchstücke davon in aktives Handeln umzusetzen vermögen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Czaja! Sie haben im Januar versprochen, zügig eine neue Rechtsverordnung vorzulegen. Anlass war die Klageflut am Berliner Sozialgericht wegen Streitigkeiten zu den Kosten der Unterkunft. Vielen Dank, dass Sie das erledigt haben, was Ihre Vorgängerregierung jahrelang nicht zustande gebracht hat!
Das sollte mehr Rechtssicherheit für die Leistungsempfängerinnen und -empfänger und die Sozialgerichte bringen. Damit bleiben einigen unverschuldet in soziale Notlagen geratenen Menschen weitere Demütigungen und Rechtsstreitigkeiten erspart. Außerdem helfen Sie einigen Bedarfsgemeinschaften, ihre Mieten voll zu bezahlen. Sie müssen zukünftig nicht mehr von ihrem Existenzminimum noch etwas herausnehmen, was ohnehin eine unangemessene Härte und asoziale Forderung darstellte.
Die Aufsplittung von Miet- und Heizkosten und deren jährliche Anpassung sehen wir ebenfalls positiv. Allerdings dürfte die differenzierte Aufteilung nach Energieträgern, Heizöl, Erdgas, Fernwärme, und die Staffelung nach Gebäudeflächen bei der Erstattung von Heizkosten einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern überfordern, was zu neuen fehlerhaften Bescheiden und, daraus resultierend, zu neuen Klagen vor dem Sozialgericht führen könnte.
Damit hört es mit den positiven Aspekten schon auf. Es ist toll, dass Sie schnell gehandelt haben, aber eine Beteiligung der parlamentarischen Gremien im Vorfeld der Veröffentlichung der Wohnaufwendungenverordnung wäre demokratisch gewesen.
Gerüchteweise heißt es, dass nicht einmal Ihr Koalitionspartner informiert war und von der Presseerklärung zu Beginn der Osterferien überrascht worden ist.
Mieterinnen und Mieter und Arbeitsloseninteressenvertretungen sind nicht einbezogen worden. Die Verordnung tritt am 1. Mai 2012 in Kraft, aber die Jobcenter und Bezirke müssen einstweilen mit der alten RV Wohnen weiterarbeiten. Neue Arbeitsanweisungen sind noch nicht erstellt. Wir als Parlamentarier müssen nachträglich in den Ausschüssen beraten. Herr Czaja, sind Sie denn überhaupt für Verbesserungen offen?
Die Verordnung ist nur ein Deckblatt für pseudosoziales Verhalten. Sie verschleiert die weitere Verschlechterung der sozialen Lage für die Ärmsten in unserer Gesellschaft. Sie fügt sich ein in die unsägliche Politik der CDU, von der Mini-5-Euro-Erhöhung des Regelbedarfs im letzten Jahr, der nicht nachvollziehbaren Berechnung des Existenzminimums vor allem für Kinder und Jugendliche bis zum Abzug des Betreuungsgeldes von ALG II, auch wenn ein Kitaplatz gar nicht zur Verfügung stehen sollte. Das Bildungs- und Teilhabepaket fördert die benachteiligten Kinder und Jugendliche auch nur mangelhaft. Stattdessen werden weiterhin bei den ärmsten Menschen unwürdige Kontrollen im Intimbereich durchgeführt. Generalverdacht ist wichtiger, als jungen Menschen
wirkliche Teilhabe zu ermöglichen. Das schafft Staatsferne und Radikalisierung gegen „die da oben“.
Nun zu den Inhalten der Verordnung: Die Verordnung hilft nur sehr wenigen Menschen. Von den ALG-IIEmpfangenden werden weiterhin Tausende Bedarfsgemeinschaften Mietanteile aus ihrem Existenzminimum zuzahlen müssen. Die neuen Richtwerte bilden lediglich den Mietkostenstand von 2005 ab.
Seitdem sind die Mieten über 20 Prozent gestiegen. Die jetzige Erhöhung von ca. 7 Prozent hilft da nicht wirklich weiter, ganz zu schweigen von den gestiegenen Energiepreisen.
Es gibt leider nur wenige seriös ermittelte Daten. Wir wissen nicht, welche skrupellosen Vermietungsgesellschaften die Erhöhungsbeträge durch ihrerseitige Anpassungen der Mieten für sich vereinnahmt haben. Auf welcher Datenbasis hat die Regierung die neuen Höchstwerte festgelegt? Viele Bürgerinnen und Bürger haben sich bei uns beschwert, dass die Erhöhung der Grenzwerte zu einer Mietspirale nach oben führen würde. Die Preise würden entsprechend angepasst. Das führt auch zur Verdrängung von Menschen, die bisher nicht auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind. Ein Umzug bedeutet die Aufgabe vieler sozialer Bezüge. Häufige Neuvermietungen führen zu Preisexplosionen. In der Nachbarschaft sind angemessene Wohnungen im gleichen Preissegment nicht mehr zu bekommen. Wie, Herr Czaja, möchten Sie das verhindern? Haben Sie zahlenbasierte Antworten, die diese Befürchtungen und Erfahrungen widerlegen?
Viele ALG-II-Empfängerinnen und -empfänger aus Marzahn-Hellersdorf, Spandau, Reinickendorf-Ost und anderen Gebieten der Stadt haben die Obergrenzen für ihre Mieten bisher nicht überschritten. Wir befürchten, dass die flächendeckende, undifferenzierte Erhöhung der Höchstwerte auch dort zur Preistreiberei führen könnte. Wir halten sozialraumbezogene, differenzierte Richtwerte für machbar.
Warum sollen die sogenannten lebensweltlich orientierten Räume nicht eine Basis für eine gerechtere Einstufung nach Wohnlagen ermöglichen, z. B. in Mitte, am Hackeschen Markt: Kategorie 1; Müllerstraße, Rehberge: Kategorie 2; Soldiner Kiez: Kategorie 3. Das kann man nach unserer Einschätzung machen, weil wir eine starke Datenlage in der Stadt haben. Das könnte Verdrängungsprozesse verhindern. Die starren Regelsätze führen zur Verminderung der Vielfalt in bisher attraktiven Wohnquartieren. Dem Problem der sozialen Segregation kann mit regional bezogenen Richtwerten begegnet werden. Es
macht finanziell einen großen Unterschied, ob man in Alt-Mitte wohnt oder in Wedding.
Die Wohnortwahl hat aber viele Aspekte, private und berufliche. Will man die Vielfalt und Einzigartigkeit vieler Wohnquartiere erhalten, ist eine aktive Mietenpolitik unerlässlich. Die Befürchtung, dass viele Bedarfsgemeinschaften in einen teuren Kiez ziehen würden, um mehr Leistungen zu erhalten, ist unhaltbar. Nicht jede Berlinerin, nicht jeder Berliner will unbedingt in Prenzlauer Berg oder Charlottenburg wohnen. Es gibt viele glückliche Weddinger und Hellersdorferinnen.
Wenn ich glücklich aussehe, dann ist es wohl so.
Zwangsumzüge werden durch die neue Verordnung nicht eingeschränkt. Herr Czaja! Wie möchten Sie zukünftig verhindern, dass Familien in Wohnungen umziehen sollen, die es auf dem Wohnungsmarkt gar nicht gibt? Auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften können in der Preiskategorie keine entsprechenden Wohnungen zur Verfügung stellen. Die neue Verordnung gibt auch für Ein- bis Zweipersonenhaushalte Mietobergrenzen für angemessene Wohnflächen vor, die auf dem Markt nicht ausreichend vorhanden sind. Halten Sie es für denkbar, bis zur realistischen Datenerhebung bezüglich der Mietniveaus in der Stadt auf Zwangsumzüge zu verzichten?
Der Mietspiegel allein als Maßstab für die Wohnaufwendungenverordnung ist nichthilfreich. Warum haben Sie die kleinen Wohnungen bis 40 Quadratmeter aus Ihrer Berechnung herausgenommen, obwohl viele Wohnungen de facto in diesem Marktsegment liegen und höhere Grundmieten haben? Der Mietspiegel berücksichtigt zudem nur Altmieten. Neuvermietungen sind nur zu 40 Prozent berücksichtigt. Warum haben sie den § 22b SGB II nicht angewandt, um den örtlichen Wohnungsmarkt realitätsgerecht abzubilden? Dieser Paragraf ermöglicht es Ihnen, die tatsächlichen Angebotsmieten zu berücksichtigen und in die Berechnung einzubeziehen.
Laut Ihrer Begründung zur WAV haben Sie den energetischen Gebäudezustand durch die Übernahme höherer Kosten abgedeckt. Das können wir nicht erkennen. Wir möchten gern eine Umweltkomponente einführen, die nachvollziehbar ist, auch Klimabonus genannt. Warum soll es nicht möglich sein, wie z. B. in der Stadt Herne, den Zuschuss zu den Wohnkosten zu erhöhen, wenn nachgewiesen wird, dass die Leistungsempfangenden auf energetisch saniertem Wohnraum leben? Ökologisches und soziales Handeln lässt sich relativ leicht verbinden – wenn man nur will.
Sehr geehrte Damen und Herren! Unserer Fraktion ist sehr an der Schaffung und Erhaltung sozial ausgeglichener Bewohnerstrukturen gelegen. Wir wissen nicht, wie das ohne regionale Differenzierung funktionieren soll. Mit der neuen Verordnung treiben Sie weitere Mieterhöhungen voran und vernichten günstigen Wohnraum. Nur wenigen Betroffenen wird geholfen. Die soziale Spaltung der Stadt wird damit weiter vorangetrieben. – Vielen Dank!
Herr Czaja! Vernünftig ist für uns anders. Mal ehrlich: Das ist für uns keine vernünftige Lösung.
Ob die Rechtssicherheit damit wirklich gegeben ist, müssen wir abwarten. Gerade bei der Ermittlung der Heizkosten sehen wir große Probleme in den Jobcentern voraus, und auch hier werden wir abwarten, was es dann gibt.
Das einheitliche Gebiet – da haben wir eine andere Auffassung. Für mich steht ganz klar im § 22b über den Inhalt der Satzung – wenn ich einmal zitieren darf, Frau Präsidentin –:
Um die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt realitätsgerecht abzubilden, können die Kreise und kreisfreien Städte ihr Gebiet in mehrere Vergleichsräume unterteilen, für die sie jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmen.
Hier sehen wir eine Möglichkeit, Regionalisierung vorzunehmen, und Sie werden uns im Ausschuss erklären müssen, warum das nicht möglich sein soll.
Der dritte Punkt: Sie haben uns jetzt viel erklärt, aber so richtig überzeugen konnten Sie mit Ihren Argumenten nicht. Wie kommen Sie zum Beispiel auf die Erhöhungsbeträge? Das bleibt für uns weiterhin schleierhaft. Warum gerade diese Beträge; warum nicht andere? Welchen Empfängern von Arbeitslosengeld II das wirklich hilft, wissen wir auch nicht. Sie haben keine Zahlen genannt, welche Menschen durch diese Rechtsverordnung wirklich bessere Lebensbedingungen vorfinden werden. Insofern haben wir da noch viel Redebedarf.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Was unternimmt der Senat, damit bis zur Neuregelung der AV Wohnen keine Mahnbriefe mehr an Arbeitslosengeld-II-Empfänger/-innen versandt werden, falls ihre Wohnmieten die vorgegebenen Mietobergrenzen überschritten haben?
2. Wie bewertet der Senat ein sofortiges Moratorium für Zwangsumzüge und Zwangsräumungen, und was wird er tun, damit es zu keinen weiteren verpflichtenden Wohnungswechseln von Arbeitslosengeld II beziehenden Familien mehr kommt?
Ich habe der Antwort entnommen, dass Sie eigentlich nichts in der Richtung unternehmen, die meine Frage intendiert hatte. Herr Senator! Teilen Sie denn mit mir die Auffassung, dass die Klageflut am Berliner Sozialgericht sowohl für Klagende als auch für das Personal unerträglich ist? Was tut denn der Senat aktuell zur Verbesserung der Rechtssicherheit der ALG-II-Bescheide, um die Anzahl der Klagen vor dem Berliner Sozialgericht wegen der Kosten zur Unterkunft zu verringern? Was tun Sie für
das Personal, damit dort wirklich qualifiziertes Personal tätig ist? Die werden dort ja schlecht geschult, das wissen wir seit langer Zeit. Haben Sie Aktivitäten unternommen, um das Personal besser zu schulen oder um gegebenenfalls auch qualifiziertes Personal von außen zur Verfügung zu stellen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt genug Gründe, die aktuelle Regierung zu kritisieren, aber jetzt ist doch noch ein Rückblick auf die ehemalige rot-rote Regierung erforderlich.
Den Antrag der Linken-Fraktion empfinden wir als dreist und unverschämt.
Ihre Senatorin war doch für die Bearbeitung dieses Vorgangs zuständig. Es ist verwunderlich, wie die Linke, nunmehr in Opposition, alle unsere langjährigen Forderungen aufgreift, die sie seinerzeit in devoter Haltung gegenüber der SPD abgelehnt hatte.
Die Linke als Regierungspartei wollte aus taktischen Gründen keine Rechtssicherheit herstellen, weil sie Angst hatte, ihre politische Klientel zu verärgern. Sie hat die Erstellung einer rechtsverbindlichen Satzung bewusst verschleppt. Sie handelte nach dem Motto: Jede schlechte Hartz-IV-Nachricht ist eine gute für die Linken.
Der rot-rote Senat hatte viele Jahre Zeit, eindeutige Regelungen zu treffen. Die Arbeits- und Sozialsenatorin hat auf dem Rücken der schwächsten Menschen in der Stadt das Verfahren verschleppt. Obwohl das Problem bekannt ist, wurde nicht gehandelt. Über 30 000 Alg-IIEmpfängerinnen und -Empfänger zahlen aus ihrem wenigen Einkommen noch etwas zur Miete hinzu. Sie leben damit unter dem Existenzminimum. Durch das Nichtstun ist die Segregation in einzelnen Stadtteilen und die soziale Spaltung in der Stadt noch verstärkt worden.
Die Berliner Jobcenter arbeiten mit der AV Wohnen von 2009. Diese ist nicht rechtswirksam und bindend für die Sozialgerichte. Die Berechnungstabelle für die Ermittlung der Unterkunftskosten hat das Bundessozialgericht für rechtswidrig erklärt. Das war und ist bekannt. Trotzdem hat der Senat aus SPD und Linke deren Anwendung angeordnet. Wissen Sie denn nicht, was es bedeutet, von Transferkosten abhängig zu sein und dann auch noch gerichtlich gegen Bescheide vorgehen zu müssen, um den Mindeststandart an Lebensunterhalt zu sichern? – Das ist zusätzlich erniedrigend und demütigend.
Hauptsächlich wegen dieser mangelhaften Bescheide gibt es eine Klageflut am Berliner Sozialgericht, die nicht zu bewältigen ist. Die Zahl von Zwangsumzügen steigt kontinuierlich – über 1 000 Betroffene müssen jährlich umziehen, weil der Senat keine Rechtssicherheit schafft. 2011 sind über 14 000 Leistungsberechtigte aufgefordert worden, ihre Wohnkosten zu senken. Ein sofortiges Moratorium erscheint uns daher zwingend.
Im Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses laufen zahlreiche Beschwerden zu dem Thema auf. Warum weigert sich der Berliner Senat immer noch, transparente
Mietobergrenzen festzusetzen? – Herr Senator Czaja, bitte handeln Sie jetzt! Beseitigen Sie das Überbleibsel der Verwaltungsuntätigkeit der Vorgängerregierung!