Rico Gebhardt

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war‘s, Herr Ministerpräsident! Die 5. Wahlperiode des Sächsischen Landtages ist fast Geschichte. Damit steht auch die letzte schwarz-gelbe Koalition Deutschlands vor dem Ende. So etwas nennt sich im Land des Automobilbaus „Auslaufmodell“. Ob sich die FDP nach dem Schokoladenriegelmodell „Raider/Twix“ demnächst umbenennt oder nicht, ändert an ihrem Aus wohl nichts mehr.
Aus eigenen Erfahrungen mit Umbenennungen, Herr Zastrow, weiß ich nämlich: Das funktioniert nur, wenn der Markenwechsel inhaltlich untersetzt ist. Die SED hieß schließlich PDS, weil sie nicht mehr die SED war.
Hier steht im Übrigen: „Heiterkeit vorprogrammiert“. Aus der PDS wurde DIE LINKE, nachdem aus der ostdeutschen eine gesamtdeutsche Partei geworden war.
Es geht weiter. Dass wir nicht mehr die SED sind, ist inzwischen selbst von der sächsischen CDU gewissermaßen amtlich bestätigt worden, zwar mit einer im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Ländern jahrzehntelangen Erkenntnisverzögerung, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, im Jahr 2013 hat es auch bei Ihnen klick gemacht und wir haben gemeinsam die sächsische Verfassung geändert.
Eine seit einem Vierteljahrhundert nach der friedlichen Revolution noch nie dagewesene Kooperation zwischen den politischen Polen des demokratischen Spektrums dieses Landes wurde Realität.
Das ist nun einmal der Fakt.
Ja, Teile meiner Fraktion und Partei waren in dieser Sache anderer Meinung, übrigens auch Abgeordnete von SPD und GRÜNEN. Der Abgeordnete Herr Kollege Schiemann von der CDU wiederum hatte stets durchblicken lassen, dass er eigentlich überhaupt keine Änderung der Verfassung wollte, und die FDP wollte eigentlich überhaupt keine Schuldenbremse, sondern ein Krawallthema für den Landtagswahlkampf: Seht her! Die LINKEN
wollen Sachsens Erspartes verprassen! – Wir sind Ihnen, Herr Zastrow, nicht auf den Leim gegangen.
Sachsens Linksfraktion und die LINKE in Sachsen können aber nicht nur kontroverser diskutieren als die politische Konkurrenz, sondern wir haben auch die stärkeren Nerven. Deshalb haben wir in Sachsen eine Schuldenbremse mit einem sozialen Ausgleich bei der Haushaltsaufstellung erreicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schwarz-Gelb hat die Jugendpauschale im Jahr 2010 um ein Drittel zusammengestrichen und damit in der Jugendarbeit gerade im ländlichen Raum großen Schaden angerichtet. Das ist schlicht unsozial und schwächt den ländlichen Raum.
Schwarz-Gelb hinterlässt uns ein Land, dessen Sozialstandards hinter denen von Brandenburg und Thüringen liegen und die im Gesamtländervergleich bestenfalls Mittelmaß und streckenweise Schlusslicht sind.
Sächsische Behinderte erhalten die niedrigsten Eingliederungsleistungen, Wohlfahrtsverbände und Selbsthilfegruppen eine vergleichsweise niedrige Förderung. Das ist schlicht unsozial und dient nicht dem sozialen Zusammenhalt in diesem Land.
Schwarz-Gelb hat ein Standortegesetz produziert, das Behördenmitarbeiter zu sinnlosen Umzügen zwingt bzw. längere Arbeitswegen nötig macht und Menschen ohne Auto den Weg zum Amt erheblich erschwert. Das ist sozial ungerecht.
Sachsen braucht dringend die verfassungsmäßige Verpflichtung zum sozialen Ausgleich bei der Haushaltsaufstellung, damit nicht länger bei den Falschen gespart wird. DIE LINKE hat dafür gesorgt und eine bundesweit einzigartige Regelung durchgesetzt; denn wir sind 100 % sozial, und das erst recht in Sachsen!
Natürlich kam der Konsens in der Verfassungsdebatte auch deshalb zustande, weil wir Erzgebirgler – nicht wahr, Herr Flath? – nach dem Motto verfahren: In der Ruhe liegt die Kraft. Wir lassen uns bei ernsthaften Verhandlungen nicht von polemischen Phrasendreschern irritieren und gehen unseren Weg, begleitet von klugen Fachleuten und Unterhändlern.
Leider hat die schwarz-gelbe Verstocktheit bei der eigentlich selbstverständlichen Anpassung der Haushaltsordnung an die neue Verfassungsklage erneut gezeigt, dass Ihre politische Beziehungsfähigkeit noch auf sehr gerin
gem Niveau ausgeprägt ist. Lernen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, können Sie das nur in der Opposition. Uns als LINKE ist das klar.
Noch einmal zurück zu Ihnen, Herr Flath, dem konservativen Gewissen des Landtags. Sie müssen nach mir reden und ich deswegen vor Ihnen. Ich sage es aber trotzdem: Ich glaube, ich werde Sie demnächst im Sächsischen Landtag vermissen.
Nun kann man nicht behaupten, wir hätten uns wie ein älteres Ehepaar aneinander gewöhnt; denn dafür bin ich viel zu kurz in meinem Amt. Ich habe an Ihnen aber etwas schätzen gelernt: Auf Ihr Wort konnte man sich verlassen. Das bedeutet in der Politik viel, eigentlich sehr viel. Vielen Dank für die gemeinsame Zusammenarbeit im Landtag.
Zurück zur Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident. Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie nicht der landespolitische Lautsprecher in der Bundesrepublik sind. Ich will auch nicht darüber richten, ob Sie nicht ein bisschen sehr viel Zeit mit Softterminen verbringen, bei denen oft ergebnislose Kommunikationsfolklore im Vordergrund steht. Worum es mir geht, sind die harten Fakten Ihres Regierungshandelns, zum Beispiel der rüde Umgang mit den Staatsbediensteten.
Es ist doch kein Zufall, dass es 11 000 Widersprüche und 4 000 Klagen sächsischer Beamter gibt. Sie haben zu Beginn dieser Legislaturperiode eine – ich wiederhole: eine – konkrete Ankündigung gewagt. Sachsens Bestand an Landesbediensteten müsse bis zum Jahr 2020 auf 70 000 schrumpfen. Dabei haben Sie nicht an die Lehrer und Polizisten gedacht, die Sachsen braucht, von den Erzieherinnen ganz zu schweigen. Ein Kultusminister stürzte – mein Mitleid hielt sich in Grenzen. Ein bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion trat zurück – das habe ich bedauert; denn unbeschadet aller Meinungsverschiedenheiten im Detail war Thomas Colditz zumindest ein guter Lobbyist in Sachen Bildungspolitik. Er hat einen guten Job gemacht.
Am Ende dieser Wahlperiode erscheint diese offensichtlich letzte CDU-geführte Regierung wie eine chaotische Reparaturbrigade ihrer selbst; denn alles, was sie gerade verspricht zu heilen, hat sie selbst verursacht. Dafür steht zum Beispiel die komplette Fehlplanung des Doppelhaushaltes für die Jahre 2009 und 2010 und auch des Doppelhaushaltes für die Jahre 2011 und 2012, den Sie nun mit Ihrem Entwurf für die Jahre 2015 und 2016 vergessen machen wollen. Nachträglich ein paar Lehrer mehr, weil Unterrichtsausfall und Protest zu sehr drücken, ein Plan
oder eine dauerhaft funktionsfähige Schule aber sieht anders aus.
Fast das gleiche Spiel beim Umgang der Regierung mit der Polizei: Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung wird jahrelang mit Füßen getreten, und nun entdecken Sie rechtzeitig vor der Wahl, dass Sachsen mehr Polizeinachwuchs braucht. Sie reden von 400 im Jahr. Aus dem Altersdurchschnitt der sächsischen Polizei ergeben sich im Schnitt aber 500 Abgänge pro Jahr, Tendenz steigend. Einen Plan für die Polizei haben Sie also: die planvolle Schrumpfung.
Ich will bei keinem Thema Ihren Versuchen auf den Leim gehen, mich in kleinteilige öffentliche Zahlenstreitereien zu verstricken, welche die Leute nur verwirren, was genau Ihre Absicht ist. Das haben wir bei den Lehrern gerade erlebt. Es geht nicht um ein paar 100 Lehrer oder Polizisten mehr oder weniger, sondern darum, dass Ihnen die Innovation für eine nachhaltige Politik fehlt. Ihnen fällt schlichtweg nichts mehr ein.
Sie sind der Dinosaurier unter den Landesregierungen. Sie bestrafen Wasserkraftbetreiber mit einer existenzgefährdenden Abgabe und drängen die Windkraft zurück. Zugleich setzen Sie verstärkt auf den Klimakiller Braunkohle, nehmen 1 700 Menschen ihre Heimat und verwüsten ganze Landstriche,
und das mit dem Vorsatz, dass noch mindestens 50 Jahre weiterzumachen.
Während Brandenburg, Kollege Krauß, bei der Förderung erneuerbarer Energien nachweislich führend ist
und damit den mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, den wir wollen, ermöglicht, feiert in Sachsen die Braunkohlepolitik der DDR Wiederauferstehung. Wirklich peinlich, Herr Ministerpräsident!
Die CDU ist ausgelaugt. Als Kronzeugen darf ich einen renommierten Politikwissenschaftler aus Sachsen zitieren, der Ihr Parteibuch trägt: Der CDU fehlt das – Zitat – „Verständnis für das Lebensgefühl in den Großstädten“ sagte Prof. Patzelt. Recht hat der Mann. Ich sage allerdings: nicht nur in Bezug auf die Großstädte, sondern auf die Menschen in ganz Sachsen.
Wir erleben in dieser Woche eine weitere Protestwelle, die sich gegen die unzumutbaren Zustände in sächsischen Kindertagesstätten richtet.
Nun haben Sie, Herr Ministerpräsident, den Erzieherinnen und Eltern wieder einmal etwas versprochen nach dem Modell, das wir schon von den Schulen und von der Polizei kennen. Die CDU verspricht Reparaturen an den Schäden, die vorher von der CDU-geführten Staatsregierung durch Nichtstun selbst angerichtet wurden.
Nun also sind es die Kitas, die ein paar Euro mehr kriegen, nachdem ihr Budget viele Jahre lang eingefroren war. Sie wollen ihnen unter anderem 50 Euro für eine Qualitätsoffensive zugestehen. Was für eine Arroganz gegenüber den Beschäftigten!
Was wir brauchen, ist eine effektive Verbesserung des Personalschlüssels an den Kitas durch mehr qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher. Ich sage es noch einmal: Es geht um mehr qualifiziertes Personal und nicht um Hilfskräfte oder Ehrenamtler(innen) als Ersatz.
Was Geräuschkulissen durch kindliche Kommunikation angeht, bin ich so einiges von zu Hause gewöhnt. Zu dem, was ich aber bei der verdienstvollen Aktion „Perspektivwechsel“ der Wohlfahrtsverbände vor Kurzem erst wieder erleben konnte, sagen nicht nur meine Ohren: So können wir die frühkindliche Bildung in Sachsen nicht weiterbetreiben. Auf dem Papier haben wir Gruppengrößen von 13 Kindern, was eigentlich schon zu viel ist. Da Urlaub, Fortbildung und Weiteres oft nicht mit eingerechnet werden, sind es tatsächlich oft genug 19 Kinder, die mit einer Erzieherin den Tag verbringen. Das hält kein Mensch auf Dauer ohne gesundheitliche Beeinträchtigung aus,
vor allem dann nicht, wenn die engagierten sächsischen Erzieherinnen und Erzieher jedes Kind individuell fördern möchten bzw. dazu sogar nach dem Gesetz verpflichtet sind. Selbst das gemeinsame Zähneputzen klappt kaum noch, wie das Ministerium selbst festgestellt hat.
Um es in der Sprache des Sports zu sagen: Sachsen steht bei der frühkindlichen Bildung auf einem Abstiegsplatz. Wir wollen Sachsens Kitas aber bundesweit in eine Spitzenposition bringen. Das schaffen wir, wenn die Richtlinienkompetenz der Staatskanzlei und des Finanzministeriums nicht mehr in der Hand der CDU liegt.
Ein bisschen schwanger gibt es nicht. Mit ein bisschen weniger CDU in der Regierung ist es nicht getan. Wer glaubt, er könne das Bundeskoalitionsmodell auf Sachsen übertragen, wird sein schwarzes Wunder erleben.
Was uns dann erwartet, sehen wir jetzt an den Segnungen der Großen Koalition wie der Mütterrente. 25 Euro pro
Kind wurde den Frauen in Sachsen und den anderen neuen Bundesländern versprochen, was sowieso schon weniger als im Westen wäre. Da aber in der DDR die Mütter nach dem Wochenurlaub zum großen Teil wieder gearbeitet haben, kursieren nun in den Leserbriefspalten der Zeitungen als Beispiele: 53 Cent für ein Kind oder 3,25 Euro für fünf Kinder statt 25 Euro für ein Kind. Mit Verlaub, da müssten eigentlich sogar Sie, die ganz Schwarzen, rot vor Scham werden bei diesem Betrug.
Wir wollen ein soziales Sachsen, eine Bildungspolitik von der Kita bis zur Hochschule, die alle mitnimmt, eine moderne und bürgernahe Verwaltung, demokratische Erneuerung, aktive Arbeitsmarktpolitik und eine Wirtschaftsförderung, die sich nicht auf Leuchttürme beschränkt, sondern den noch immer ausblutenden ländlichen Raum berücksichtigt.
Die damalige CDU-Alleinregierung setzte in der Ära Biedenkopf vor allem auf Leuchttürme; ob sie nun VW oder AMD hießen, die Großen in der Auto- und Chipindustrie standen im Mittelpunkt. Das war aus heutiger Sicht weniger falsch, als wir damals oft kritisierten. Denn starke internationale Player tragen zum Renommee des Freistaates bei und bilden einen globalen, wettbewerbsfähigen und wichtigen Teil des Rückgrates der Wertschöpfung. Aber gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Sachsen lassen sich allein so nicht schaffen. Es können nicht alle Sachsen in ein paar industrielle Zentren pendeln. Das innovative Potenzial großer Teile des Landes bleibt so unberücksichtigt. Die Vielfalt Sachsens, auf die wir doch so stolz sind, wird nicht genügend ins Spiel gebracht. Da bin ich ganz beim Papier „Sachsen 2020“ der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft und des Sächsischen Landkreistages.
Ja, wir haben in Sachsen spürbar mehr Zuwanderung durch junge Leute, in Dresden und Leipzig, vor allen Dingen an die Universitäten. Wir haben aber auch viele Regionen mit starken Schrumpfungen der Bevölkerung. Auf diese wachsende Kluft zwischen Stadt und Land haben Sie keine Antwort. Es kann kein Zufall sein, dass wir trotz Abrisses von mehr als 100 000 Wohnungen immer noch 220 000 leer stehende Wohnungen in ganz Sachsen haben.
Unsere Orientierung auf die kleine und mittelständische Wirtschaft, die Anfang der Neunzigerjahre altbacken wirkte, ist nun hochaktuell. Es ist die Zukunft einer hoch flexiblen und dynamischen regional und international vernetzten Wirtschaft.
Auch wir LINKEN haben dazugelernt und haben in unserem Wahlprogramm ausdrücklich eine Fusionsförderung im KMU-Bereich stehen, weil unsere sächsische Wirtschaft insgesamt zu kleinteilig ist, um langfristig zu Regionen wie Baden-Württemberg und Bayern aufschließen zu können.
Damit sind wir beim Mindestlohn, der nach der Meinung des amtierenden Ministerpräsidenten zum Schaden der Wirtschaft in Sachsen ist.
Herr Ministerpräsident, Sie haben Ihre Position kontra flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn erst dann aufgegeben, nachdem Ihnen die Meinungsumfragen gezeigt haben, dass nur 3 % der Menschen in Sachsen Ihrer Meinung sind – das sind die aktuellen Umfragewerte der FDP, auf die Sie nicht zurückstürzen wollten – und nachdem klar war, dass die Große Koalition in Berlin trotz schwarz-gelben Untergangsgeschreis aus Dresden unerbittlich Kurs auf den Mindestlohn nimmt. Uns soll das recht sein.
Wir waren bereits glühende Anhänger des Mindestlohnes und des Grundsatzes, dass man von seiner Arbeit leben können muss, als noch andere relevante demokratische Parteien in diesem Land uns deswegen verteufeln wollten. SPD und Gewerkschaften waren damals noch strikt gegen den gesetzlichen Mindestlohn. Das ist nicht schlimm. Wir müssen alle gelegentlich dazulernen.
Auf Initiative des DGB Sachsen haben LINKE und SPD in dieser Legislaturperiode ein Vergabegesetz entworfen und in den Landtag eingebracht, in dem bereits 8,50 Euro Stundenlohn als Bedingung für Vergaben öffentlicher Aufträge festgeschrieben war. Die CDU hat diesen Gesetzentwurf abgelehnt. Nun hat die CDU den gesetzlichen Mindestlohn in der Bundesrepublik mit eingeführt, allerdings mit einigen peinlichen Gegenstimmen sächsischer Bundestagsabgeordneter. Sie sehen also: DIE LINKE wirkt.
An diesem parlamentarischen Vorstoß, der gewissermaßen der bundesweiten Entscheidung pro Mindestlohn vorausgegangen ist, waren auch die GRÜNEN beteiligt. Rot-Rot-Grün funktioniert, wie Dutzende gemeinsamer Vorlagen im Land gezeigt haben.
Rot-Rot-Grün ist wegweisend für Deutschland. Rot-RotGrün sollte ab Herbst die dominierende Farbkombination in Sachsen sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den demokratischen Fraktionen, lassen Sie uns gemeinsam bundesrepublikanische Geschichte schreiben. Wo es Auslaufmodelle gibt, gibt es auch immer Zukunftsmodelle, an denen gearbeitet wird. Die haben in Sachsen den Arbeitstitel Rot-RotGrün.
Die erstmalige bundesweite flächendeckende gesetzliche Festschreibung eines Mindestlohns ist ein historischer Fortschritt. Wir bleiben dabei, dass das für jedes reguläre Arbeitsverhältnis gelten muss. In diesem Sinne werden wir auch weiter Druck machen.
Ja, es gibt Unternehmen in Sachsen, die Schwierigkeiten haben, den Mindestlohn zu zahlen. Ihnen muss geholfen werden, aber nicht so, dass die Beschäftigten nach der Arbeit zum Amt gehen müssen, sondern das Unterneh
men. Außerdem sollten wir alle die Kirche im Dorf lassen. Die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, das IAB, hat errechnet, dass die Lohnsumme in Deutschland durch den Mindestlohn insgesamt gerade einmal um 1,5 % wächst. Wer angesichts dessen vor der Wiedereinführung des Sozialismus warnt, ist nicht ganz bei Trost.
Ein weiteres Thema, das die Politik in Berlin wie in Dresden beschäftigte, war die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds. Der NSU-Untersuchungsausschuss im Sächsischen Landtages hat nach Auffassung des rot-rot-grünen Minderheitenvotums klar zutage gebracht: Dieser von Sachsen ausgehende mörderische Naziterror hätte verhindert, das Terrortrio in Sachsen rechtzeitig gefasst werden können. Diese Verantwortung dürfen wir nicht nach Thüringen abschieben, wie es Schwarz-Gelb lange Zeit versucht hat. Daraus müssen politische Konsequenzen gezogen werden. Ein Naziasyl im Landtag, wie wir es im Vormonat erleben mussten, ist jedenfalls die falscheste aller Antworten.
Herr Landtagspräsident, ich freue mich, dass Sie das in der Zwischenzeit auch erkannt haben.
Eine falsche Antwort auf die Bedrohung der rechtsstaatlichen Ordnung ist auch der planvolle demografische Niedergang der sächsischen Justiz. Die Hälfte der Richter ist über 50 Jahre alt, nur 1 % unter 40 Jahren. Die CDUgeführte Regierung steuert auf einen Kollaps der hiesigen Gerichtsbarkeit im nächsten Jahrzehnt zu. Denn wie Sie bis dahin den nötigen Justiznachwuchs organisieren wollen – auch dafür haben Sie keinen Plan, ich habe jedenfalls heute keinen gehört.
Ich weiß, Herr Ministerpräsident, das Gerücht, Sie könnten EU-Kommissar werden, hat sich nicht erhärtet. Schade eigentlich; denn ich glaube, in Brüssel wären wir Sachsen mit Ihnen gut vertreten.
Dort kommt es auf geschmeidiges Verhandeln hinter den Kulissen an. Davon verstehen Sie etwas. In der Staatskanzlei in Dresden sind dagegen regelmäßig klare Entscheidungen und beherztes Auftreten in der Öffentlichkeit auch in komplizierten Konfliktsituationen gefragt. Es wäre ein Verstoß gegen das achte der zehn Gebote, kein falsches Zeugnis wider seinen Nächsten abzulegen, würde ich behaupten: Das hat der Ministerpräsident aber gut gemacht.
Aber abgestimmt wird am 31. August sowieso nicht über das Arbeitszeugnis für einen Ministerpräsidenten, sondern über den Einfluss der Parteien auf die zukünftige Gestaltung des Landes. Die CDU hat fertig.
Es war nicht alles schlecht, was Sie in 24 Jahren zusammenregiert haben. Aber so darf es im Freistaat auf keinen Fall weitergehen.
Vielleicht werden wir manchmal Kurt Biedenkopf um Rat fragen, nicht gerade, wenn es um die Porzellanmanufaktur in Meißen geht. Ganz sicher werde ich mir die Vorschläge des Weltbürgers Prof. Gillo zur Willkommenskultur in Sachsen zu eigen machen. Mit Erich Iltgen, unserem langjährigen früheren Landtagspräsidenten, werde ich gern über mehr Wege zur direkten Demokratie in Sachsen sprechen.
Die Wählerinnen und Wähler haben am 31. August die Wahl: Schönreden wie bisher oder besser machen mit neuer, unverbrauchter Kraft.
Glück auf!
Vielen Dank, Herr Präsident! Der Ministerpräsident ist ja auch noch der Einzige, der aus seiner Riege übrig geblieben ist. Da habe ich mir gedacht, wenn er da ist, kann ich auch reden.
Sie sind ja auch da. Ansonsten war ich jetzt nicht so ganz überrascht wie der Präsident über das abrupte Ende von Herrn Karabinski. Aber gut.
Wir haben am Beginn unserer Wahlperiode tatsächlich sehr ausführlich über das Thema Freiwillige Feuerwehr geredet. Das hatte etwas damit zu tun, dass uns der Ministerpräsident ein Wahlversprechen gemacht hatte, das er leider nicht eingehalten hat. Darüber haben die Koalitionsvertreter geschwiegen, wie wir das auch bei den Versprechen erleben werden, die er heute angekündigt hat. Aber darauf bin ich in meiner vorigen Rede eingegangen.
Lassen Sie mich feststellen: Ja, es gab zögerliche Veränderungen. Herr Karabinski hat sie alle in ihrer Breite und Tiefe aufgelistet. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass das nicht reicht, dass das zu wenig ist – und damit meine ich nicht das Geld –, dass es zu unkoordiniert ist und dass es in vielen Bereichen eigentlich schon zu spät ist.
Nun gibt es diesen Bericht „Feuerwehr 2020“. Beim Innenminister bin ich das inzwischen gewöhnt, er hat immer „2020“ dastehen. Das hat er bei der Polizei gemacht. Da hat er festgestellt, dass das trotzdem nicht geht und er etwas schieben muss.
Ich hätte mir trotzdem gewünscht, wir hätten lieber gleich eine andere Zahl genommen, Herr Minister. Aber Sie gehen davon aus, dass Sie da sowieso nicht mehr im Amt sind, damit ist das gerechtfertigt.
Ja, wir kennen die Probleme. Herr Löffler, ich weiß, dass es der Ministerpräsident heute hier so vorgemacht hat, und wahrscheinlich ist das bei Ihnen Sprachgebrauch, aber wenn wir über Probleme reden, dann kritisieren wir nicht die Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr und ihre Einsatzbereitschaft. Wir kritisieren, dass zu spät auf Dinge reagiert wird. Das ist unsere Kritik.
Wir richten sie nicht an die Einsatzbereitschaft der Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr. Wir stellen auch nicht in Abrede, dass sie tagtäglich aufopferungsvoll da sind, Menschenleben zu retten und die Dinge zu erledigen, für die sie eingesetzt werden.
Jetzt gibt es diesen Bericht des Innenministeriums gemeinsam mit dem Sächsischen Landkreistag und dem Feuerwehrverband. Klugerweise hat der Innenminister daraus keine Drucksache gemacht, sodass wir auch in der nächsten Legislaturperiode etwas mit dem Bericht anfangen können. Deswegen will ich dazu einige Fragen aufwerfen.
Erstens. Haben denn tatsächlich alle Aufgaben, die Freiwillige Feuerwehren heute vor Ort leisten, etwas mit dem vorbeugenden Brandschutz oder der Brandbekämp
fung zu tun? Manches hat sich eingebürgert. Ganz schnell wird die Feuerwehr gerufen, wenn es sich um die Beseitigung einer Ölspur oder die Rettung von Haustieren geht.
Zweitens. Ist die Änderung der Arbeitsstrukturen, also unserer eigenen Lebenssituation, die auch etwas mit Flexibilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun hat, tatsächlich nur noch auf den Schultern von Ehrenamtlichen abzuladen? Es ist nicht die Aufgabe des Ehrenamtes, Herr Löffler, sondern einfach die Frage, ob es noch zeitgemäß und realistisch ist, ausschließlich auf Freiwilligkeit zu setzen, wenn es überhaupt nicht mehr die Möglichkeit gibt, dass Freiwillige vor Ort sind, um die Dinge zu erledigen, die im Katastrophen- und Brandschutzgesetz stehen.
Ja, sofort.
Deswegen schlagen wir vor, dass es gemeinsame Zweckverbände zwischen den Kommunen gibt, dass es Stützpunktfeuerwehren gibt, die auch – darin gebe ich Ihnen recht – durch hauptamtliche Kräfte ergänzt werden sollen.
Jetzt die Frage.
Herr Präsident, ja, ich gebe dem Kollegen Löffler recht. Das fällt mir überhaupt nicht schwer. Ich freue mich, dass er die Frage gestellt hat.
Der dritte Punkt, den ich mir als Frage aufgeschrieben habe, war: Ist es überhaupt noch rechtlich zulässig und zeitgemäß, dass wir das ausschließlich als kommunale
Pflichtaufgabe ansehen? Das wäre die logische Folge meiner bisherigen Ausführungen.
Ja, ich weiß auch, dass die Freiwillige Feuerwehr in manchen Gebieten der einzige soziale Zusammenhalt ist, den es vor Ort noch gibt, weil alles andere abgeschafft wurde. Vielleicht gibt es noch die Kirche, aber selbst die zieht sich mittlerweile aus den ländlichen Gebieten zurück.
Das wäre jetzt die Beantwortung der Frage, weil ich nicht unehrlich sein will.
Deswegen ist die andere Frage, die wir zu stellen haben, ob es nicht tatsächlich besser wäre, wenn wir zum Beispiel die Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen viel zentraler steuern, als wir das derzeit machen. Es war auch falsch, dass die Förderrichtlinie des Freistaates Sachsen dahin gehend geändert worden ist, dass es eine Deckelung für die Anschaffung von neuen Geräten gab. Wir wissen alle, was die heute kosten. Daher ist es falsch, diese Kosten auf die Kommunen abzuwälzen.
Am meisten kritisiere ich an diesem Bericht, dass er eigentlich auf tönernen Füßen aufgestellt ist. Es gibt relativ wenig Zahlenmaterial. Ich habe erst letztens Kleine Anfragen dazu gestellt. Auf welcher Grundlage dann zu Erkenntnissen gekommen wird, ist für uns die Frage. Wenn man keine ordentliche Datenbasis hat, kommt man nicht zu den notwendigen richtigen Schlussfolgerungen.
Für uns ist klar: Die Freiwillige Feuerwehr gehört zum soliden Fundament des Freistaates Sachsen. Verspielen wir nicht diese Chance. Wir wollen sie weder diskreditieren noch das Thema für Parteipolitik ausschlachten. Es ist notwendig, dass wir gemeinsam auch in der nächsten Legislaturperiode über dieses Thema weiter diskutieren.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Bildung ist eine Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche, gesellschaft
liche und individuelle Entwicklung sowie für die Zukunftsfähigkeit einer zunehmend wissensbasierten Volkswirtschaft.“
Das steht im Bildungsbericht des Freistaates Sachsen. Da diese Aussage richtig ist, bin ich es wirklich leid – wir
sind es leid –, jedes Jahr am Schuljahresbeginn bei dem Herrn Ministerpräsidenten, der Frau Kultusministerin und dem Herrn Finanzminister zu betteln, dass sie bitte Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stellen, damit ein ordnungsgemäßer Unterricht beginnen kann. Wir sind es tatsächlich leid, jedes Mal am Schuljahresbeginn dasselbe Prozedere erleben zu müssen.
Wenn auch Sie von der Koalition unsere Verfassung würdigen und schätzen, dann bitte ich Sie, wenigstens manchmal einen Blick dort hinein zu werfen, nicht nur dann, wenn sie geändert werden soll. In der Verfassung ist das Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Bildungseinrichtungen verankert. Wenn es aber ein Recht auf Bildung gibt, dann gibt es auch eine Pflicht, sie abzusichern. Wir können uns nicht jedes Jahr dasselbe Theater leisten. Es kann nicht sein, dass wir es nicht hinbekommen, dass Lehrerinnen und Lehrer vor der Klasse stehen und tatsächlich Unterricht geben. Dass das nicht gelingt, ist doch Irrsinn!
Gestern ist hier die Sammelpetition aus der Elternschaft eines Riesaer Gymnasiums übergeben worden. 20 % des Unterrichts fallen dort aus. Was machen wir? Wir diskutieren. Es geht zwischen dem Kultusministerium und der Bildungsagentur hin und her. Wir überlegen, ob wir uns das finanziell leisten können. Hallo?! Ich habe Ihnen gerade vorgelesen, was wir in der Verfassung stehen haben: Es gibt eine Pflicht. Also gibt es auch ein Recht, dass die Kinder von Lehrerinnen und Lehrern, die entsprechend ausgebildet sind, unterrichtet werden, und das in den Fachgebieten, die wir in den Lehrplan aufgenommen haben.
Meist beginnt am Schuljahresbeginn eine hektische Betriebsamkeit. Ganz schlimme Engpässe werden irgendwie aufgelöst. Aber zu Beginn des nächsten Schuljahres haben wir all dieselben Probleme wieder – jedes Jahr aufs Neue.
Das Problem ist, dass Sie das Problem gar nicht angehen wollen. Die Ursache liegt viel tiefer, nämlich in Ihrer Ideologie.
Sie wollen die Kinder unbedingt nach der 4. Klasse trennen. Wenn Sie endlich dazu kämen, die Kinder wenigstens bis zur 9. Klasse gemeinsam zu unterrichten,
dann könnte der Finanzminister dieses Landes tatsächlich Geld sparen. Wir sollten endlich wegkommen von der Aufteilung der Schulkosten nach dem Motto: Das trägt die Kommune, das trägt das Sozialministerium, das trägt das Kultusministerium. Sie von der Koalition haben eine absurde Vorstellung davon, was Bildungspolitik im 21. Jahrhundert wirklich ausmacht.
Wir brauchen in der Bildungspolitik ein Umsteuern in Richtung eines längeren gemeinsamen Lernens.
1 000 neue Lehrer verspricht der Ministerpräsident. Am Tag später heißt es: 775 neue Lehrer ab August. Die nächste Überschrift lautet: 185 neue Lehrer werden zusätzlich eingestellt.
Wissen Sie was? Genau das ist Ihre Masche. Sie verblöden die Leute. Sie machen Rauch, Sie machen Wind, Sie werfen Nebelkerzen. Keine dieser Zahlen hat irgendeine Relevanz für dieses Land. Sie jagen jeden Tag eine neue Sau durch das Dorf, um die Leute irgendwie zu beruhigen bzw. zu befrieden. All diese Zahlen sind Schall und Rauch. Sie lösen das Problem nicht. Mit Ihrem Ansatz werden Sie keine neue Lehrerin und keinen neuen Lehrer auf Dauer vor die Klassen stellen können. Ihre Maßnahmen bringen nur kurzzeitig eine gewisse Änderung.
Der Sparkommissar, die Mangelverwalterin und der lächelnde Ministerpräsident werden weiterhin in der Öffentlichkeit Zahlen verbreiten und glauben, sie lösten damit das Problem. Diese Zahlen nützen niemandem etwas. Ich will, dass Lehrerinnen und Lehrer vor der Klasse stehen. Ich will, dass sie meinen Kindern, wenn sie früh zur Schule kommen, Unterricht geben können, und zwar in dem Fach, das gerade auf dem Lehrplan steht. Seit vielen Jahren gibt es weder im Fach Sport noch im Fach Religion genügend Lehrerinnen und Lehrer. Unabhängig davon, was jeder persönlich davon halten mag – es ist eine Zumutung, dass es im Freistaat Sachsen, einem Bildungsland, nicht möglich ist, den Unterricht wenigstens in den Fächern abzusichern, die im Lehrplan stehen.
Herr Breitenbruch hat gestern meiner Kollegin Frau Klepsch vorgeworfen,
wir würden uns mit Problemen immer nur kollektiv beschäftigen und nicht das individuelle Problem von Spätaussiedlern sehen.
Sie sehen das persönliche Problem der Eltern und der Kinder nicht. Deswegen ist die Argumentation, die Sie hier vortragen, scheinheilig. Sie greifen nämlich immer nur dann darauf zurück, wenn es Ihnen etwas nützt, nicht aber dann, wenn es im Interesse unserer Kinder – das höchste Gut, das wir in unserem Land haben – tatsächlich notwendig ist.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die Würde des Parlaments wurde gestern Abend in gröblichster Art und Weise verletzt.
Ich kann mir nicht vorstellen, als Parlamentarier einfach zur Tagesordnung überzugehen
und jetzt über eine Regierungserklärung des Wirtschaftsministers zu sprechen.
Ich glaube, es ist unsere Verantwortung, eine angemessene Art und Weise im Umgang damit zu finden. Ich glaube, Frau Hermenau hat einen sehr guten Kompromissvorschlag unterbreitet.
Herr Präsident, es ist Ihr gutes Recht, Kompromisse auszuschlagen, aber es ist unser gutes Recht, dass wir uns nicht zu Lakaien Ihrer Politik machen lassen.
Im Februar dieses Jahres wurde eine Innenausschusssitzung – –
Ich komme gleich zum Thema.
Herr Präsident! Im Februar dieses Jahres wurde eine Innenausschusssitzung vertagt aus Angst und Sorge vor dem Hohen Haus. Wir mussten in die Kirche ausweichen. Gestern Abend wurde Nazis hier in diesem Haus Asyl geboten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt für mich und für meine Fraktion und die anderen Fraktionen keine Grundlage, uns jetzt an einer Aussprache zur Regierungserklärung zu beteiligen.
Das ist tatsächlich kein Grund, hier heute der Regierung ein Schauspiel zu bieten, während gestern Abend Nazis diesen Landtag besetzt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den
GRÜNEN – Alle Abgeordneten der LINKEN, der
SPD und der GRÜNEN verlassen den Saal. –
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Für uns ist das Wohnen ein Menschenrecht. Deswegen benötigen wir bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen im ganzen Land.
Ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen, worüber wir gerade streiten. Es gibt im Land eine sehr unterschiedliche Entwicklung. Wir reden über den Rückbau auf der einen Seite – vor allem im ländlichen Raum – und dringenden Neubaubedarf, zum Beispiel in Dresden und mittlerweile auch in vielen Stadtgebieten von Leipzig, auf der anderen Seite. Für Letzteres fehlt tatsächlich ein Konzept der Staatsregierung.
Wir müssen unsere politischen Rahmenbedingungen endlich den veränderten Bedingungen innerhalb des Landes anpassen. Deshalb stehen wir vor zwei Herausforderungen. Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, wie wir zeitgemäß eine energetische Sanierung, die ab dem Jahr 2016 gesetzlich vorgeschrieben ist, herstellen. Wir müssen Barrierefreiheit herstellen und damit nicht nur altersgerechten Wohnraum schaffen, sondern auch Wohnraum für meine Kinder, damit sie nicht über alle Schwellen stolpern. Das ist eine Herausforderung, die bezahlt
werden muss. Wenn der Gesetzgeber festlegt, dass eine energetische Sanierung vorgenommen werden muss, können wir es nicht auf die Mieterinnen und Mieter umlegen, sondern benötigen einen staatlichen Baukostenzuschuss. Das ist das Entscheidende.
Herr Herbst, ich komme gleich zu Ihnen und mache Ihnen einen Vorschlag.
Wenn wir dies alles durchsetzen möchten, kämen wir auf eine Nettokaltmiete in Höhe von circa 8 Euro. 6 Euro bis 6,50 Euro, das sagen die Wohnungsgesellschaften in Sachsen, entspricht dem, was sie am Markt platzieren können. Bereits die Chemnitzer sagen, dass dies kaum umsetzbar ist. Wir können nicht so tun, als hätten wir kein Problem. Das Problem rührt auch daher, dass wir im Durchschnitt 700 Euro weniger Einkommen als die Menschen in den westdeutschen Ländern haben. Deswegen ist Ihre Niedriglohnstrategie gleichzeitig eine, die verhindert, dass Investoren hierher kommen und Wohnungen neu bauen.
Sie können hier keinen investorenfreundlichen Mietpreis realisieren. Ihre Strategie verhindert letztendlich, dass Investoren hierher kommen. Sie behaupten sonst immer, dass es genau umgedreht sei.
Demgegenüber besteht die Situation, dass wir in den nächsten Jahren mit einer schrumpfenden Bevölkerung im ländlichen Raum rechnen müssen. Wir können dabei nicht einfach nur zusehen und schauen, was dort passiert. Wir reißen weiterhin Wohnblöcke ab. Wir haben in den letzten Jahren als Freistaat Sachsen gemeinsam mit der Bundesregierung sehr viel Geld in die Hand genommen, um eine Marktbereinigung vorzunehmen. Alle möchten übrigens immer, dass wir nicht in den Markt eingreifen. Wenn es darauf ankommt, schreit selbst die FDP, dass etwas getan werden muss. Dabei ist auch eine Fehlentwicklung zu verzeichnen. Es gibt auch dort eine alternde Bevölkerung. Wir müssen dafür sorgen, dass der Wohnraum, den ich gerade für die Großstädte beschrieben habe, auch im ländlichen Raum entsteht. Dort können wir nicht warten. 6,50 Euro sind dort vollkommen unrealistisch. Daraus ergibt sich, dass wir tatsächlich einen Baukostenzuschuss benötigen.
Ich möchte auf eine Besonderheit hinweisen, auf die wir in Sachsen besonders stolz sind, gerade wenn ich mir Dresden, Leipzig und mittlerweile auch Chemnitz anschaue. Unsere Innenstädte unterscheiden sich tatsächlich von den Innenstädten in den alten Bundesländern, weil bei uns in den Großstädten nachts die Lichter nicht ausgehen, weil man noch in den Innenstädten wohnt. Das ist der Unterschied zu Dortmund, Köln, Düsseldorf sowie München. Wenn wir nicht entgegensteuern, wird es uns genauso ergehen wie Düsseldorf, München und Köln. Dort kann niemand mehr wohnen, weil man es sich nicht mehr leisten kann. Wer möchte von uns verödete Innenstädte haben? Niemand! Genau das ist die Lebensqualität,
die es ausmacht, in einer Großstadt wie Dresden oder Leipzig zu wohnen. Deshalb sind wir unbedingt gefordert, dem entgegenzusteuern und dafür zu sorgen, dass wir weiterhin Wohnraum haben, der letztendlich auch dafür sorgt, dass eine Wohnqualität entsteht, die es ermöglicht, dass sich dort verschiedene Bevölkerungsgruppen begegnen können.
Ich bin tatsächlich kein Sozialromantiker. Ich weiß, dass es nicht mehr passieren wird, dass der Professor neben seiner Putzfrau wohnt, so wie es zu DDR-Zeiten in den Plattenbauten der Fall war. Wir können aber nicht sehenden Auges zuschauen, dass sich separate Wohngebiete entwickeln, oder zulassen, dass es dort zu dieser Ausdifferenzierung kommt, wo Menschen sich tatsächlich nicht mehr begegnen können, sondern nur in der eigenen Klientel miteinander verkehren.
Deshalb fordern wir: Wir brauchen einen staatlichen Baukostenzuschuss, wir wollen eine Quartierentwicklung haben, die sich wirklich für alle lohnt. Wir brauchen eine Einkommensentwicklung, dass es sich lohnt, bei uns zu investieren. Was macht unsere Staatsregierung? – Der Innenminister bemüht sich, der Minister für Wirtschaft glaubt, dass der Markt das richtet, und der Ministerpräsident sitzt in Panschwitz-Kuckau und glaubt, dass die Sozialpolitik in seinem Land noch gut ist, denn dort ist die Welt noch in Ordnung wie in seiner Staatskanzlei.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, für mich ist das Auto ein individuelles Fortbewegungsmittel. Es gibt mir gewisse Freiheiten und Unabhängigkeiten. Ja, ich bin auch allen dankbar, die dies nicht so sehen wie ich.
Diese Freiheit muss man sich aber auch leisten können, liebe Kolleginnen und Kollegen vor allem von der CDUFraktion. Seit dem Jahr 2009 hat sich die Einkommens
entwicklung in Sachsen nicht fortentwickelt. Wir liegen 18 % unter dem Bundesdurchschnitt.
Wenn ich mir das BIP in Sachsen angucke, stelle ich fest, dass es gerade einmal um 0,3 % steigt, während es in Deutschland 2013 um 0,4 % gestiegen ist. Also, von einer wirtschaftsfreundlichen Staatsregierung, wie mir hier immer erzählt wird, sind wir noch meilenweit entfernt. Zwischen Schein und Sein klafft eine riesengroße Lücke.
Na ja, Herr Zastrow, auf mehr als 100 Jahre Automobilproduktion in Sachsen haben Sie ja gerade hingewiesen. 110 Jahre feiern wir demnächst. Was ist da jetzt so aktuell am Autoland Sachsen? Die Autoproduktion hier in Sachsen hat einen langen Bart. Wir können auch daran erinnern, dass 3 Millionen Trabis produziert worden sind. Da muss man nicht sagen, dass es ein gutes Auto gewesen ist, aber es war ein Fahrzeug, mit dem sich viele fortbewegt haben.
Na ja, Sie wahrscheinlich nicht, aber es haben sich viele damit fortbewegt. Herr Zastrow, ich sehe Trabis vor allen Dingen auf Oldie-Treffen. Ich habe das Gefühl, dass Ihre Debatte genau dorthin passen würde, nämlich zu einem Oldie-Treffen.
Die Automobilindustriedebatte, die Sie hier führen, hat tatsächlich einen unwahrscheinlich langen Bart. Sie schmücken sich also mit fremden Federn. Es ist doch nicht eine Erfindung der CDU oder der FDP, dass in Sachsen Autos produziert werden.
Bei Recherchen habe ich nachgeschaut, was über den früheren Ministerpräsidenten Biedenkopf gesagt wurde. Herr Heidan hat vorhin schon ein Zitat von ihm gebracht. Ich habe etwas anderes gefunden, Herr Heidan. Am 13. September 1996 berichtete die „ZEIT“ darüber, dass sich der damalige Ministerpräsident mit der EU angelegt hat wegen der Subventionen für VW. Dazu schreibt die „ZEIT“ – dieses Zitat darf ich Ihnen vorlesen –: „Dass Deutschland das Brüsseler Entgegenkommen noch lange braucht, ist völlig klar. Weit und breit ist zwischen Ostsee und Thüringen nichts von einem selbsttragenden Aufschwung zu erkennen. Die Wachstumsraten sind auf westdeutsches Niveau gefallen. Der Aufholprozess findet nicht mehr statt.“
Das war übrigens vor 18 Jahren. Hat sich daran irgendetwas geändert? Ich habe Ihnen gerade gesagt, wie die Wirtschaftsentwicklung im Freistaat Sachsen ist. Sie liegt unter dem Bundesdurchschnitt.
Ja, wir sagen Ja zu VW, BMW und Porsche.
Ja, auch zu Porsche, auch wenn ich selbst den Porsche wegen meiner Familie nicht nutzen werde. Aber mein ehemaliger Parteivorsitzender fand großes Gefallen an diesem Fahrzeug.
Sie sehen also, auch wir LINKEN haben nichts dagegen. Ich würde ihm nur empfehlen, sich einmal einen neuen zu kaufen.
Ich möchte Ihnen noch ein paar schöne Sätze vorlesen, dieses Mal aus der CDU-Fraktion. Es fällt mir schwer, aber ich finde wirklich manchmal schöne Sätze.
Wir sind jetzt bei der CDU-Fraktion, Herr Zastrow!
Das Zitat stammt aus der Klausur der CDU-Fraktion im Frühjahr dieses Jahres: „Gleichwohl müssen wir aber zur Kenntnis nehmen, dass die Wirtschaftskraft und die Eigenkapitalausstattung der sächsischen Unternehmen noch nicht ausreichend ist, um einen selbsttragenden Aufschwung zu garantieren. Auch die Produktivität liegt in Sachsen noch gegenüber den Flächenländern insbesondere im Süden der Bundesrepublik zurück.“ Letzter Satz: „Kaufkraft und Steueraufkommen bieten noch keine Gewähr für eine stabile Binnennachfrage bzw. einen ausgeglichenen Landeshaushalt.“
Das stammt nicht etwa aus dem Wahlprogramm der LINKEN – dort steht das auch –, sondern aus Ihrer Frühjahrsklausur.
Also, ich weiß gar nicht, was Sie miteinander so richtig feiern. Der Kollege Flath – jetzt ist er nicht da – will uns nach 20 Jahren Landespolitik verlassen. Das gönne ich ihm. Aber vielleicht sollte er die ganze Staatsregierung inklusive seiner CDU-Kollegen einfach mitnehmen, weil Ihr Tunnelblick auf die Leutturmpolitik in Sachsen kein realistischer Blick ist.
Weil das so ist, lieber Kollege Piwarz, würde ich Ihnen gönnen, dass Sie Ihren Blick öffnen. Wir werden Ihnen das in der nächsten Runde beweisen. Man kann in diesem Land auch über Eisenbahnen reden. Das wird Kollege Stange übernehmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Am Dienstag früh überraschte mich meine Tochter mit folgender Bemerkung: „Papa, wieso kommst du eigentlich so spät nach Hause?“ Als Politiker antwortet man natürlich nicht gleich auf die Frage, sondern ich habe eine Gegenfrage gestellt: „Woher weißt du denn, dass ich so spät nach Hause gekommen bin?“ – „Na, als ich ins Bett gegangen bin, warst du noch nicht da, also muss es spät gewesen sein, als du nach Haus gekommen bist.“
Wohl alle in diesem Hohen Haus kennen das Gefühl, dass man immer wieder Angehörige oder auch Kinder benachteiligt, weil wir als Politikerinnen und Politiker lange unterwegs sind. Gleichzeitig wissen wir alle, dass wir ein gewisses Privileg haben, denn wir bestimmen selbst über den Ablauf des Tages, wir bestimmen selbst darüber, wann wir früh anfangen, außer wenn uns der Präsident um zehn hier einbestellt.
Aber ansonsten sind wir da relativ selbstbewusst.
Es geht jedoch nicht um uns, es geht nicht um unsere Privilegien, sondern es geht um die Verkäuferin, es geht um den Mitarbeiter des Callcenters, es geht um die Arbeiterin, die am Band steht, und es geht um den Mitarbeiter, der im Vertrieb ist. Sie alle können nicht darüber bestimmen, wann sie zu arbeiten beginnen, meistens auch nicht, wie lange sie tätig sind. Deshalb halte ich den Vorschlag, den die neue Bundesfamilienministerin gemacht hat, nämlich eine 32-Stunden-Arbeitswoche für Eltern mit kleinen Kindern einzuführen, aber auch den Vorschlag der IG Metall für eine 30-Stunden-Arbeitswoche, der jetzt auf dem Tisch liegt, für mutige Vorschläge.
Wir haben ja gehört, wie Frau Schütz schon wieder ein großes Szenario an die Wand gemalt hat, dass das alles nicht geht. Das kennen wir alles aus der Geschichte der letzten 200 Jahre. Als von zwölf Stunden Arbeit täglich
auf acht Stunden reduziert wurde, war die Behauptung aufgestellt worden, das Abendland wird untergehen, wenn wir nicht mehr zwölf, sondern eben nur noch acht Stunden arbeiten.
Trotzdem meine ich – und da bin ich schon ein bisschen überrascht –, bei der FDP eine gewisse Sozialromantik herausgehört zu haben. Man kann das alles auf Freiwilligkeit machen. Ich weiß, dass es in meiner Fraktion auch Sozialromantiker gibt, die auf freiwillige Lösungen setzen. Aber wir wissen alle, dass es schon immer Interessengegensätze zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gegeben hat. Die sind nicht durch freiwillige Lösungen ausgeräumt, sondern durch viele harte Kämpfe miteinander ausgefochten und letztendlich einer Lösung zugeführt worden.
Ich bin immer wieder überrascht, dass die FDP hier ohne Skrupel von freiwilligen Lösungen reden kann, wenn es um die Unternehmen geht. Ich frage mich: Wo ist denn die Freiwilligkeit, wenn es darum geht, dass der Hartz-IVempfangende Feuerwehrmann zu einem Einsatz fährt, diesen Einsatz vergütet bekommt und das anschließend beim Amt anmelden muss und es abgezogen bekommt?
Wo ist eigentlich die Freiwilligkeit für den, der mit 60 Jahren jetzt noch eine Umschulung machen muss, obwohl wir alle wissen, dass er anschließend nie wieder in eine Beschäftigung kommt und nach seiner jetzigen Qualifizierung in Rente geht. Da reden Sie nicht von Freiwilligkeit, sondern von Zwang!
Immer, wenn es um kleine Leute geht, ist das mit der Freiwilligkeit vorbei. Wenn es um die Unternehmerinnen und Unternehmer geht, agieren Sie, dass wir ausschließlich freiwillige Lösungen anstreben sollten.
Wir haben jetzt zwei Redner in der Aktuellen Debatte gehört. Von Herrn Krauß bin ich sehr überrascht und sage, da habe ich viel Sympathie. Aber vielleicht liegt das daran, dass man, wenn man zum dritten Mal Vater geworden ist, zu neuen Erkenntnissen kommt. Herzlichen Glückwunsch auch noch einmal von dieser Stelle dafür.
Zur Position, die die FDP gerade vertreten hat: Na ja! Richtig ist, dass die Familienministerin von der Kanzlerin zurückgepfiffen wurde. Aber auch da ein Blick in die Geschichte: Die vormalige Familienministerin wurde von Frau Merkel öfter zurückgepfiffen. Heute ist sie die Chefin der Truppe und gibt das Kommando an. Wir wissen also, was passiert, wenn die Kanzlerin jemanden zurückpfeift. Ich hoffe nur, dass die damalige Familienministerin jetzt nicht familienfreundliche Kriegseinsätze vorantreibt.
Zum Schluss möchte ich noch einmal auf die FDP eingehen. Ja, wir können gern gemeinsam über betriebliche Regelungen nachdenken. Das ist sicher etwas Tolles. Aber unser Job als Parlamentarier ist es ja wohl, Rahmenbedin
gungen zu setzen und darüber zu diskutieren. Herr Krauß hat den Vorschlag gemacht, die drei Punkte. Das heißt also: Lassen Sie uns gemeinsam über eine großzügige Modellregion von Sachsen nachdenken, in der Familien tatsächlich ein gutes Einkommen haben, aber auch eine gute berufliche Perspektive, ohne ein schlechtes Gewissen gegenüber den Kindern, aber auch gegenüber den Arbeitgebern haben zu müssen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Es ist Weihnachtszeit, und Weihnachten ist auch eine Zeit, in der Geschichten erzählt werden. Herr Schmidt, Sie haben uns ja schöne Geschichten erzählt, wie gut es uns hier in Sachsen geht. Was ist aber tatsächlich die Bilanz dieser Koalition und dieser Staatsregierung? Martin Dulig hat schon gesagt, dass ich am Sonntag jetzt in die Autowaschstraße fahren darf. Da können wir als Männer Autowaschen spielen, und damit ich mein Auto wiedererkennen kann, habe ich ein neues Kennzeichen am Auto – das hat Herr Zastrow auch geklärt –, damit wir alle unser Auto wiederfinden können.
Wenn wir uns dann noch langweilen, gehen wir anschließend in die Videothek und leihen uns ein Video aus. Schöne Symbolpolitik für Sachsen, doch es sind ja vor allem schöne Worte, die da gemacht wurden. Wenn das Spiel dann nicht ausreicht, können wir seit gestern ein anderes Spiel spielen. Stadt, Name, Land habe ich gerne als Kind gespielt. Da macht man einfach eine Funkzellenabfrage, man ordnet Namen, Telefonnummern und Straßen zu und seit gestern auch noch PUK und PIN. Das ist eine schöne schwarze Realität, die wir uns in Sachsen zurechtzimmern. Schwarz-gelber Anspruch und weißgrüne Wirklichkeit sind tatsächlich weit auseinander.
Reden wir doch wirklich einmal über die Probleme, die wir hier in diesem Land haben. In der Summe aller sozialer Standards, Herr Schmidt, sind wir mittlerweile
als Sachsen hinter Brandenburg und Thüringen zurückgefallen. Ich weiß ja gar nicht so richtig, ob wir darauf stolz sein wollen, wie Sie das hier wieder darstellen, dass wir im Jahr 2010 1 Milliarde Euro eingespart haben, dass wir 1,2 Milliarden Euro mehr eingenommen haben, als tatsächlich dastand. Das haben Sie jetzt wieder verschwiegen. Deswegen sage ich ja, Geschichten erzählen gehört zur Realität.
Es ist nicht etwa so, dass Sie die sozialen Grausamkeiten anschließend wieder rückgängig gemacht hätten, sondern Sie haben sie einfach weiterlaufen lassen. Deswegen sind wir zurzeit in Sachsen mit Abstand diejenigen, die die niedrigsten Arbeitslöhne in Deutschland zahlen. Darauf können wir ja stolz sein! Wir haben die höchste Quote von Hartz-IV-Aufstockern in diesem Land, und wir haben den niedrigsten Betreuungsanteil von Null- bis Dreijährigen in den Kindereinrichtungen in den neuen Bundesländern und gleichzeitig den höchsten Anteil von Schülerinnen und Schülern in Förderschulen und die niedrigsten Eingliederungssätze für Menschen mit Beeinträchtigungen in ganz Deutschland. Das ist eine „stolze“ Bilanz, die Schwarz-Gelb hier aufzuweisen hat.
Beim letzten Mal habe ich schon darüber gesprochen, dass wir stolz darauf sein können, dass wir den höchsten Anstieg der Kriminalitätsrate zwischen 2011 und 2012 haben. Sachsen liegt bei der Armutsquote tatsächlich bei einem Fünftel der Gesamtbevölkerung. Ich weiß nicht, was ich da als gute Bilanz für diese Koalition feststellen soll.
Statt etwas dagegen zu tun – das haben wir gestern erlebt –, führen Sie das letzte Gefecht zum Thema Mindestlohn und sind dann stolz darauf, dass Sie wahrscheinlich die einzige Landesregierung sein werden, die ihn ablehnen wird. Na toll! Aber den Menschen nützt das nichts. Sie haben immer noch nicht verstanden, dass es hier nicht um Betriebswirtschaft geht, sondern es geht um Volkswirtschaft. Es geht um volkswirtschaftliche Entscheidungen, die wir hier zu treffen haben!
Sie glauben, Sie können den Freistaat wie ein Unternehmen führen. Das ist aber ein großer Irrtum. Das werden Ihnen auch die Wählerinnen und Wähler übelnehmen.
Ach, wir haben die Oberschulen vergessen. Wir haben jetzt neue Schilder, die außen angebracht wurden. Wahrscheinlich war das für die Blechindustrie ein guter Auftrag. Aber Sie simulieren hier auch wieder nur Politik. Es hat sich nichts geändert, außer, dass an den Schulen jetzt ein anderer Name steht.
Wir können aber auch sagen: Kollege Zastrow als Chamäleon der Politik. Das passt hier eigentlich ganz gut. Ich will Sie nur daran erinnern, dass Sie die evangelische Landeskirche beschimpfen und dann öffentlich über die konfessionslosen Schulen herfallen, um jetzt öffentlichkeitswirksam die freien Schulen zu umarmen. Das sind tolle Pirouetten, die Sie da drehen! Ich weiß nicht, was Sie wirklich damit vorhaben. Naja, vielleicht ist es ja so,
dass Sie demnächst mehr Zeit haben werden, um Videos auszuleihen, am Sonntag die Videos anzuschauen und in die Autowaschstraßen zu fahren. Vielleicht ist es das, was Sie wollen. Letztendlich sind Sie verantwortlich dafür, dass der Personalabbau bei der Polizei stattfand,
dass Sie die innere Sicherheit gefährden. – Sie gemeinsam mit der Koalition aus CDU und FDP. Da Sie der Koalition angehören und mir gegenübersitzen, sind Sie derjenige, den ich immer anschaue.
Auch das Behördenroulette, Herr Staatsminister, war wirklich nicht erfolgreich, sondern Sie haben es sogar geschafft, dass Sie der Rechnungshofpräsident vor den Sächsischen Verfassungsgerichtshof zieht.
Das haben Sie sich jetzt schön ausgedacht, dass der Landtag daran schuld ist. Das ist ganz schön makaber.
Also die Bilanz ist negativ, und Sie werden es am Wahltag spüren!
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In ihrer Koalitionsvereinbarung haben sich CDU und SPD auf Bundesebene im Abschnitt „Europa“ schon in einer der Überschriften zu einem lobenswerten Grundsatz bekannt. Ich darf ihn zitieren: „Soziale Dimension stärken“. Wie schön für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen von CDU und SPD hier im Sächsischen Landtag, dass Sie dank unserem Antrag schon einen Tag nach der Vorstellung des Koalitionsvertrages in Berlin die Chance haben, Ihren ersten sächsischen Beitrag zur Verwirklichung zu leisten.
Unser Antrag lautet: „Sachseninitiative für eine notwendige Weiterentwicklung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion hin zu einer europäischen Sozialunion“. Bevor nun die wirtschaftsliberalen Hardliner der letzten schwarz-gelben Koalition Deutschlands in ihre gewohnten Beißreflexe verfallen, möchte ich Sie gleich beruhigen: Wir möchten Ihnen nicht mit einem Manifest unserer schönen Wünsche kommen und auf die Nerven gehen, sondern wir berufen uns auf die EU-Kommission. Das passiert ja nun auch nicht alle Tage, steht doch diese Kommission in der Öffentlichkeit im Verdacht, sich mehr der Zwangskrümmung von Gurken und Bananen zu widmen als den tatsächlichen Fragen unserer Zeit. Jedoch ist das ja nicht ganz der Realität entsprechend, auch wenn die Euro-Skeptiker von FDP bis AfD einseitig am Bild dieses bürokratischen Monstrums arbeiten.
Tatsächlich gibt es eine Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion. Wir haben Ihnen diese Mitteilung an unseren Antrag anhängen lassen, damit Sie es selbst nachlesen können. In dieser Mitteilung geht es um nicht weniger als um flächendeckende soziale Standards, die durchgesetzt werden sollen, damit die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union in Sicherheit leben können. Die Europäische Union gibt auch gleich klare Kriterien für die Erfolgsmessung vor:
Erstens: Die Arbeitslosenquote – dort hat Sachsen wie Ostdeutschland noch einiges zu tun, vor allem auch bei älteren und Langzeitarbeitslosen.
Zweitens: Die Jugendarbeitslosigkeit – nun ja, dieses Problem hat Sachsen ja zwei Jahrzehnte lang durch massenhafte Auswanderung, vor allem nach Westdeutschland und ins deutschsprachige Ausland, gelöst. Zugleich haben wir hier die älteste Bevölkerung aller Bundesländer.
Das Haushaltsbruttorealeinkommen wird als drittes Kriterium genannt. In Sachsen haben wir Niedriglohn und niedrige Kaufkraft. Dies ist typisch für Sachsen, weil die CDU-geführte Staatsregierung genau das als vermeintlichen Standortvorteil missverstanden hat. Die Folgen sind also zunehmender Fachkräftemangel und zu niedrige Produktivität der Wirtschaft.
Die Armutsgefährdungsquote ist der vierte Punkt. Auch hierbei ist Sachsen in Deutschland überdurchschnittlich – im negativen Sinne. Die soziale Ungleichheit ist in Sachsen sogar eine doppelte: eine krasse soziale und regionale Ungleichheit, beispielsweise zwischen einer wachsenden Landeshauptstadt und den ausblutenden Regionen abseits der Metropolen.
Die soziale Schieflage innerhalb der EU spiegelt sich also in Sachsen wider. Insofern sollte sich gerade die bei uns noch regierende konservative Politik vom Weckruf der Europäischen Kommission angesprochen fühlen.
Es kann und wird Sachsen nur gutgehen, wenn es Europa gutgeht. Natürlich ist auch die EU-Kommission nicht deshalb sozialpolitisch so mitteilsam geworden, weil dort der Sozialismus ausgebrochen ist, wie es sich wahrscheinlich Herr Zastrow in seinem Schwarz-weiß-Denken vorstellt, sondern die EU-Kommission hat schlicht die Realität zur Kenntnis genommen. Mit Schaufensterpolitik, einem Sondergipfel zur Jugendarbeitslosigkeit, kommt man nicht weiter. Die EU braucht mehr soziale Substanz.
Das gilt übrigens auch für Deutschland und Sachsen. All unsere wirtschaftspolitischen Erfolge nützen uns nämlich langfristig nichts, wenn sie auf sozial tönernen Füßen stehen und uns dann die Welt um die Ohren fliegt, auf deren Kosten wir diese Erfolge erzielt haben. Ob wir wollen oder nicht: Gesetze ohne Sanktionen sind wohl zu relativer Wirkungslosigkeit verdammt. Es ist nicht so, dass in der EU das Soziale keine Rolle spielt. Es wurde von Anfang an aber immer irgendwie mitgedacht, aber viel zu unverbindlich.
Wir haben Sanktionen für alles Mögliche, zum Beispiel für fehlende Haushaltsdisziplin oder bei jedem Hartz-IVEmpfänger. Nur: Unsoziale, teilweise asoziale Politik bleibt straflos, wie wir es gestern im Plenarsaal im Zusammenhang mit den ehemaligen Verantwortlichen der Landesbank erfahren haben.
Auf europäischer Ebene erleben wir seit Jahren ein schauderhaftes Spektakel von dreistelligen Milliardenrisiken für die Allgemeinheit, damit die Banken und ihre überbezahlten Manager trotz abenteuerlicher Fehlspekulationen ihre soziale Hängematte auf königlichem Niveau garantiert bekommen. Dafür sehen dann die Jugendlichen in Griechenland und in Spanien alt aus und ergreifen verzweifelt die Flucht auf dem Arbeitsmarkt in bessergestellte Länder. So geht weder sächsisch noch europäisch.
Nach dem Eurobarometer vom August 2013, einer EUweiten Meinungsumfrage, haben drei Viertel der Menschen in Europa die Bekämpfung sozialer Ungleichheit als absolute Priorität benannt. Interessanterweise fühlen sich zwei Drittel aller Befragten nicht nur national, sondern auch mehr oder weniger europäisch. Die Menschen in Sachsen und in Europa wissen, dass es kein
Zurück zu einer nationalen Lösung gibt – bis zur FDP und der AfD hat sich diese Wahrheit leider noch nicht herumgesprochen, von der NPD will ich gar nicht erst reden.
In dem schon erwähnten Eurobarometer kann man nachlesen, dass es nach Ansicht der EU-Bürger zuallererst immer noch um die soziale Stabilität in der EU gehen muss und nicht um die Rettung von Banken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Bedürfnisse und Prioritäten der Menschen in Europa müssen von uns Politikerinnen und Politikern ernst genommen werden, auch um Parteien wie der NPD und der AfD die Grundlage ihrer Politik zu entziehen.
Es gibt noch eine Parallele zwischen Sachsen und Europa: Die überwiegende Mehrheit der Menschen will den gesetzlichen Mindestlohn, und zwar einen richtigen gesetzlichen Mindestlohn, und den jetzt. Eigentlich müsste es ein fraktionsübergreifendes Interesse an einer vertieften Behandlung dieses Antrages in den Ausschüssen geben. Das ist dann die Nagelprobe für die Europafähigkeit des Sächsischen Landtags. Neben dem historischen Friedensprojekt muss die soziale Dimension als weiterer Stützpfeiler einer lebendigen europäischen Idee gestärkt werden.
Was die Staatsregierung ganz konkret im Bundesrat und in anderen Gremien in den nächsten Tagen und Wochen machen kann und was das praktisch rückwirkend für Sachsen bedeutet, erklärt Ihnen in einer zweiten Runde mein Kollege Klaus Bartl. Es bleibt also interessant. Glück auf!