Axel Redmer
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema „Zuwanderung“ ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die Politiker in unserem Land. Seitdem ich diesem Landtag angehöre – seit 1991 –, unterhalten wir uns immer wieder über Zuwanderung und Ausländerpolitik. Aber gerade an dem Punkt der Zuwanderung sind wir nicht entscheidend weitergekommen, was meines Erachtens nicht an den Regierungsfraktionen und nicht an der Landesregierung liegt – diese hat seit 1996 aus meiner Sicht einen absolut vernünftigen Vorschlag im Bundesrat auf dem Tisch liegen –, sondern es liegt an den Unionspolitikern, die das Thema „Zuwanderung“ immer wieder als Wahlknüppel benutzen, wie wir das zuletzt im vergangenen Jahr sehen mussten.
Herr Schnabel, es stimmt eben nicht, dass nicht auf Sie zugegangen worden wäre.
Herr Schily war sich doch im Sommer 2001 mit Herrn Müller so etwas von einig, dass die Einigkeit zwischen
Schily und CDU ungleich größer war als zwischen Schily und GRÜNEN.
Vor diesem Hintergrund kann ich den französischen Publizisten Alfred Grosser sehr gut verstehen, der sagt, bei dieser unsäglichen Bundesratssitzung im letzten Jahr habe die schlimmste Figur Herr Müller gespielt, weil er einen Kompromiss, der vorher klar mit ihm abgestimmt war, aus rein wahltaktischen Gründen gekippt hat. Das sind die Tatsachen.
Worum geht es denn in der Sache? Das jetzige Ausländerrecht, das wir haben, ist ein Gefahrenabwehrrecht. Es taugt schlichtweg nicht zu einer Steuerung der Zuwanderung. Das war nie das Ziel der damaligen Ausländergesetzgebung gewesen. Jetzt, da wir die Steuerung bräuchten, versagt dieses Gesetz oder die ganzen Gesetze, die im Ausländerbereich eine Rolle spielen.
Wir sind die Einzigen unter den ganzen Zuwanderungsländern, die sich den Luxus erlauben, wirtschaftspolitische und sozialpolitische Gesichtspunkte bei der Zuwanderung außen vor zu lassen und dort auf eine Steuerung zu verzichten. Kein anderes Zuwanderungsland erlaubt sich diesen Luxus.
Herr Kollege Schnabel, dann kommen wir einmal zu den Zahlen. Weltweit hat der UNHCR 20 Millionen Flüchtlinge festgestellt. Davon haben im Jahr 2000 390.000 einen Asylantrag in der EU gestellt, um auch einmal diese Legende aufzuarbeiten, die kämen alle hier nach Europa. Von diesen 390.000 wiederum haben knapp 79.000 einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Das bedeutet, es kommen in Deutschland 0,96 Asylanträge auf 1.000 Bewohner. Der EU-Schnitt liegt bei 1,04. Wir liegen unter dem EU-Schnitt. Das wird von Ihnen immer weggewischt, und es wird immer so getan, als ob wir hier die Tore für alle Beladenen der Welt aufmachen wollten.
Dann nehmen wir einmal die aktuellen Zahlen der Spätaussiedler und Asylbewerber. Im Jahr 2001 sank die Zahl der Spätaussiedler, die zu uns kommen, ers tmals seit zehn Jahren unter 100.000. Die Tendenz ist weiter fallend. Das sind die Fakten. Im letzten Jahr, 2002, war der Asylbewerberzuzug nach Deutschland so gering wie seit 1986 nicht mehr. Das wird alles negiert. Das wird nicht zur Kenntnis genommen. Statt dessen tun Sie so, als ob wir alle einladen.
In Bezug auf die Ausländerfeindlichkeit in den neuen Bundesländern wurde in den 90er-Jahren das Wort von der Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer geprägt. Sie sind auf dem besten Weg, Zuwanderungsfeindlichkeit ohne Zuwanderer zu betreiben, wenn Sie noch weiter so diskutieren.
Dabei bräuchten wir Zuwanderung. Sie spielen immer wieder die Arbeitslosen gegen die Zuwanderer aus. Dann fragen Sie einmal Ihre politischen Freunde beim BDI. Die sagen uns: Trotz 4 Millionen Arbeitsloser haben wir 1,5 Millionen unbesetzte Stellen. – Es sind beileibe nicht nur die Hochqualifizierten, über die wir immer reden. Das ist bei der Pflege, der Gastronomie usw. der Fall.
Das sind Jobs, die kriegen Sie nicht mit Deutschen besetzt.
Da brauchen Sie Zuwanderung. Anders geht es überhaupt nicht. Diese Zuwanderer, die dort Jobs bekommen, erhöhen unser Wirtschaftswachstum. Die schaffen bei uns Steuerkraft usw. Das muss man doch sehen. Das sind doch nicht die, die unsere Sozialsysteme plündern, sondern das sind die, die da auch hinein zahlen.
Laut UN müssen wir in Deutschland ohne Zuwanderung im Jahr 2050 das Pensionsalter auf 75 Jahre anheben.
Dann erlauben wir uns eine Diskussion, als ob Zuwanderung das Schlimmste wäre, was uns in diesem Land passieren könnte. Ich verstehe es wirklich nicht.
Herr Kollege Schnabel, es war nicht überzeugend, was Sie versucht haben, an Zahlen aus der Welt zu schaffen. Ich habe nicht von der Gesamtzahl der Menschen geredet, die nach dem Krieg zu uns gekommen sind, sondern ich habe von der aktuellen Entwicklung gesprochen. Ich wollte Ihnen zeigen, dass aufgrund der Gegebenheiten, die wir im Moment in Deutschland haben, die Zahl gar nicht so aus dem Ruder läuft, wie Sie tun. Im Gegenteil, die Zahlen sind rückläufig.
Jetzt kommen Sie und machen das Fass schon wieder auf und erklären, mit diesem Gesetz würden 100.000 Zuwanderer mehr kommen. Ich will bei den „geschlechtsspezifischen Gründen“ einhaken. Es wird behauptet, dass dies der Hebel sei, wodurch Frauen in Massen kommen würden. Auch heute schon können geschlechtsspezifische Gründe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geltend gemacht werden.
Nehmen wir als Beispiel einmal Kanada, ein klassischen Zuwanderungsland mit einer entsprechenden Gesetzgebung. In Kanada gab es im Jahr 1999 rund 30.000 Asylsuchende. Von ihnen haben ganze 195 Asylsuchende geschlechtsspezifische Gründe geltend gemacht. Es waren also 195 von rund 30.000.
Nun nehmen wir als Beispiel einmal Deutschland und als einen Bezugspunkt ein Land wie Somalia. In Somalia leiden nach Angaben von UNICEF rund 98 % der Frauen unter Genitalverstümmelungen. Davon sind in den vergangenen fünf Jahren in Deutschland ganze zwei Fälle geltend gemacht worden. Das muss man sich einmal vorstellen. Das sind Zahlen, die vernachlässigt werden können. Sie tun aber so, als wenn ein riesiges Fass aufgemacht würde.
Kommen wir zum Kinderzuzug. Ich sehe Herrn Kollegen Böhr vor mir, der sich für einen Zuzug bis zum Alter von 18 Jahren ausgesprochen hat. Seine Kollegen aus den eigenen Reihen jedoch sagen: Todeszeug! Um Gottes Willen! Das Nachzugsalter darf höchstens 14 Jahre betragen.
Im Jahr 2000 sind etwa 18.000 Kinder im Alter von unter 18 Jahren zu uns nach Deutschland gekommen. Das sind gemessen an unserer Bevölkerung 0,22 Promille. Diese Zahlen können Sie doch völlig vernachlässigen. Wenn ich jetzt polemisch wäre, müsste ich sagen: Der Promillegehalt der Leute an den Biertischen, die Sie damit politisch bedienen wollen, liegt höher als diese 0,22 Promille. Das sind doch die Tatsachen.
Vor diesem Hintergrund warte ich auf entsprechende Vorschläge der Union, die konstruktiv sind und dahin gehen, dass wir einen Kompromiss finden.
Frau Kollegin Grützmacher, ich kann Ihre Kritik an der FDP nicht verstehen. Ich bin im Moment dankbar für jeden Vorschlag, der auf einen tragbaren Kompromiss hinausläuft, aber ernst gemeint ist und einen Kompromiss zum Ziel hat und nicht wieder dazu führt, dass wir vor der nächsten Wahl wieder Positionen haben, die uns nicht weiter bringen. Es ist aller Ehren wert, dass die Kollegen der FDP das probieren. Das findet unsere Unterstützung.
Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Carl Zuckmayer, der selbst im amerikanischen Exil die Vorzüge und Nachteile des dortigen bevölkerungspolitischen Meltingpot erleben konnte, hat wiederholt in seinen Texten darauf hingewiesen, dass auch seine Heimat Rheinhessen eigentlich ein Schmelztiegel für viele europäische Völker über Jahrhunderte hinweg war.
Ich denke, das sollte uns ein klein bisschen dazu aufrufen, dass wir das Thema „Integration“ mit Gelassenheit angehen können, wenn wir es perspektivisch und historisch betrachten, und uns da von mancher Aufregung freimachen sollten.
Die GRÜNEN haben im Sommer dieses Jahres den jetzt vorliegenden Antrag im Landtag eingebracht. Möglicherweise hat man zu dem Zeitpunkt nicht damit gerechnet, dass wir jetzt am Ende des Jahres immer noch keine Klarheit darüber haben, ob das Zuwanderungsgesetz kommt oder nicht. Dafür können die Antragsteller nichts. Dafür können aber auch wir nichts; denn wir sind nicht diejenigen, die in Karlsruhe klagen. Man wird also noch zwei Wochen warten müssen, bis wir Gewissheit darüber haben, ob das Gesetz kommt oder nicht. Erst dann kann man auch bestimmte Entscheidungen treffen, die heute mit diesem Antrag im Grunde genommen vorweggenommen werden sollen. Es ist aber nicht sinnvoll, dass man sie vorwegnimmt; denn neben der offenen Entscheidung von Karlsruhe ist die Situation auch die, dass die Verordnungsentwürfe beispielsweise erst seit wenigen Wochen auf dem Tisch liegen und es erst noch eine Abstimmung quer durch die Bundesländer geben muss. Man wird noch Monate brauchen, bis man weiß, wie sich das Ganze bei den Ausländerämtern in den Kommunen auswirkt, was wir im Bereich der Zuwanderung und der Integration zu bewältigen haben.
Es ist gut und richtig, dass das Land Rheinland-Pfalz schon erhebliche Vorarbeiten über die Jahre hinweg geleistet hat, schon lange, bevor klar war, dass wir ein neues Zuwanderungsgesetz auf Bundesebene bekommen sollen. Da gibt es beispielsweise seit vielen Jahren die gute Arbeit der Ausländerbeauftragten. Da gibt es seit kurzer Zeit auch RIFI – Frau Kollegin Grützmacher hat darauf hingewiesen –, einen runden Tisch, bei dem vieles über den reinen Regierungsbereich hinaus zusammengeführt werden kann.
Frau Kollegin, das wird eigentlich auch Ihrem Anliegen gerecht, da Sie sagen, das ist eine Querschnittsaufgabe, und da müssen wir alle mit einbeziehen. Genau das kann bei RIFI geschehen. Da wird man sicherlich auch auf manchen einwirken können, der von falschen Vorstellungen einer Leitkultur geleitet vielleicht meint, Integration beginnt erst dann, wenn ein Zuwanderer den Gesetzestext zur Badewasserverordnung für Hunde mit Rauchmelder im Angestelltenverhältnis des Landesbetriebs Daten und Information auswendig aufsagen kann.
Sie haben in Ihrem Text vorgesehen, dass wir alle zwei Jahre einen Bericht zur Zuwanderungssituation und zur Integration in unserem Land bekommen. Herr Staatssekretär Rüter hat bei der ersten Lesung hier im Parlament darauf hingewiesen, dass die Landesregierung sehr wohl diesen Vorschlag aufgreifen will und bereit ist, in Abständen hier immer wieder zu berichten. Ich denke, dazu brauchen wir den Antrag nicht. Das kann man auch so regeln. Das kann eine vernünftige Gewohnheit in diesem Hause werden, dass wir in regelmäßigen Abständen Bilanz ziehen und schauen, was in diesem Bereich zu machen ist.
Dann haben Sie einen zweiten Punkt in Ihrem Antrag, den ich auch für nützlich halte, aber so, wie Sie es in dem Antrag eingetütet haben, werden wir da nicht weiterkommen. Das ist die Problematik der Spätaussiedler. Wir alle hier im Haus erkennen, dass uns die Spätaussiedler mehr Integrationsbemühungen abverlangen, als wir das vor Jahren vielleicht wahrhaben wollten.
Wer mit der zweiten oder dritten Aussiedlergeneration zu tun hat, weiß, von welchen Problemen ich rede. Da ist eine Menge Öffnung auch noch von uns hin zu diesen Menschen erforderlich. Aber auch von ihnen muss mehr Integrationsbereitschaft abverlangt werden.
Alles in allem werden wir nach den Punkten, die ich eben angesprochen habe, Ihren Antrag ablehnen müssen, aber wir können uns durchaus vorstellen, wenn man die Erfahrung von einem Jahr hat und das Zuwanderungsgesetz im kommenden Jahr in Kraft tritt, dass wir uns dann am Ende des Jahres 2003 hier im Hause einmal über die Erfahrungen mit dem Gesetz unterhalten können und ob man da nachjustieren muss oder ob man da noch etwas nachbessern muss. Das kann hier durch
aus noch einmal geschehen. Wenn wir das dann auf der Basis von praktischen Erfahrungen machen und nicht mit einer gewagten Prognose, wie es heute der Fall wäre, dann kommt auch keiner in den Verdacht, dass er das Ganze als eine politische Tankstelle für seine Klientel benutzt.
Danke.
Herr Präsident, meinen Damen und Herren! Bei der Vorlage des Abschlussberichts der SüssmuthKommission hat die Vorsitzende im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass Integration eine Daueraufgabe in unserer Gesellschaft ist, sie uns nicht nur Aufgaben abverlangt, sondern uns auch bereichert. Das deckt sich auch mit dem, was die Bundesbeauftragte Maria-Luise Beck zu diesem Thema sagt, die auch erklärt, dass das ganze Thema der Integration eine gesellschaftliche Wechselaufgabe ist, bei der es ein Geben und Nehmen gibt. Das sehe ich so. Das gilt für beide Teile. Die, die die Ausländer aufnehmen, müssen bei der Integration nicht nur geben, sondern sie nehmen auch etwas, wenn die Integration gelingt, und die, die zu uns kommen, bekommen nicht nur etwas bei der Integration, sondern sie müssen auch eine Leistung erbringen, um entsprechend integriert zu werden.
Integration wird sicherlich durch das neue Zuwanderungsgesetz an Bedeutung für uns gewinnen. Mit Sicherheit haben wir uns noch nicht ausreichend parlamentarisch mit dem Thema beschäftigt. Wir hatten vor zwei Jahren eine Anhörung zu diesem Thema gehabt. Wir haben schon verschiedene Anträge in diesem Haus debattiert und haben sicherlich schon einiges in diesem Bereich beleuchtet, aber längst noch nicht alles. Es würde uns in der Tat nichts schaden – Frau Kollegin Grützmacher hat darauf hingewiesen –, wenn wir uns das eine oder andere außerhalb unserer Landesgrenzen noch anschauen würden.
Da gibt es nicht nur Holland, sondern da ist beispielsweise auch die Integration in Finnland ein lohnendes Projekt, das angesehen werden könnte. In Finnland gibt es beispielsweise Integrationsbücher für die Ausländer. Sie führen ein Integrationsbuch. Nur, wer seine Stationen in diesem Buch erfüllen kann, bleibt in der Integration mit der begleitenden finanziellen Förderung. Derjenige, der dieses Buch nur mit Lücken vorlegen kann, fällt unter Umständen aus der finanziellen Förderung heraus. Das ist im Grund genommen ein ganz vernünftiger Ansatz, damit dieses Geben und Nehmen, das ich am Beginn genannt habe, auch wirklich funktioniert.
Vor dem Hintergrund dieses neuen Zuwanderungsgesetzes ist es verdienstvoll, dass die GRÜNEN einen Antrag zur Integration vorlegen. Nur der Leitstelle, die Sie in diesem Antrag fordern, würde ich Bedenken entgegenbringen. Deswegen werden wir dem Antrag heute auch nicht zustimmen, sondern seiner Überweisung an den Ausschuss zustimmen.
Sinnvoll ist es gewiss, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen, Frau Kollegin Grützmacher. Schwierig ist aber, zum jetzigen Zeitpunkt schon die Festlegung vornehmen zu wollen, die Sie mit Ihrem Antrag beabsichtigen; denn Sie wissen genauso gut wie ich, auf Bundesebene fehlen noch einige Regelungen beim Thema „Zuwanderung“. Das hängt zum Teil an Bayern, das blockiert. Bayern blockiert ganz bewußt nach dem Motto: Wir sind jetzt in Karlsruhe, wir warten ab, ob Karlsruhe das Gesetz kippt. Kippt es, müssen wir uns sowieso
nicht mehr unterhalten. Kippt Karlsruhe das Gesetz nicht, dann können wir uns immer noch darüber unterhalten. – Dadurch fehlen wichtige Vorgaben des Bundes, die, denke ich, in die Landesentscheidung einfließen müssen.
Es fehlt aber auch noch die Umsetzung von EU-Recht, die bis zum nächsten Jahr zu erfolgen hat. Diese Umsetzung, die der Bund vorzunehmen hat, sollte ebenfalls in die Entscheidung einfließen, wie wir am Ende auf Länderebene mit den notwendigen Instrumenten der Integration umgehen.
Wir sollten, weil das noch fehlt, die Zeit nutzen, um uns woanders kundig zu machen. Ich habe das Stichwort „Finnland“ genannt. Um jetzt ein bisschen näher zu bleiben – wir müssen nicht immer ins Ausland schauen –, könnten wir auch in das Nachbarland NordrheinWestfalen gehen. Dort gibt es seit einigen Jahren ein Landeszentrum für Zuwanderungen. Das kommt vermutlich einem Teil dessen nah, was Sie mit Ihrer Leitstelle beabsichtigen. Das ist mit Sicherheit nicht deckungsgleich, aber auch dort können wir schauen, ob es sinnvolle Elemente sind, die wir in unsere Arbeit übernehmen können.
Frau Kollegin, Sie haben Recht, dass Integration eine Querschnittsaufgabe ist. Ob sie von der Ausländerbeauftragten in der Staatskanzlei sinnvoll geleistet werden kann, da hätte ich gewisse Zweifel. Es muss trotzdem nach wie vor im schulischen Bereich Gewisses geleistet werden, was nicht ohne weiteres von der Ausländerbeauftragten übernommen werden kann. Es muss im Bereich des Innenministeriums nach wie vor Wesentliches geleistet werden. Das gleiche gilt für das Sozialministerium und andere Ministerien. Ich glaube nicht, dass Ihr Ansatz unbedingt der richtige ist.
Im Übrigen, wenn Sie einmal nach Berlin schauen, dort gibt es schon lange, seit 1981, eine Ausländerbeauftragte, länger als in jedem anderen Land. Sicherlich ist das auch qualitativ sehr gut. Es ist in Berlin sicher nicht nur früh erkannt worden, sondern dort ist dieses Amt mit sehr vielen Aufgaben ausgefüllt worden. Trotzdem werden Sie feststellen müssen, dass auch in Berlin dieses Amt nicht das bündeln kann, was Sie gebündelt haben wollen. Es würde aber auch nicht schaden, wenn wir dort einmal genauer hinschauen.
Sie nennen mit Recht das Stichwort „.RIFI“, das für mich eine Art runder Tisch ist, wo vieles geleistet werden kann, was wiederum die Ausländerbeauftragte nicht leisten kann. Dort sind unter anderem die kommunalen Spitzenverbände vertreten, die wir zwingend bei diesem Thema brauchen.
Das, was Sie auf Länderebene an Integration machen wollen, greift auch tief in das ein, was die Kommunen zu leisten haben. Das berührt auch deren Rechte und nicht nur die finanziellen, die aber auch.
Daher glaube ich, dass dieses Projekt „RIFI“ eine sehr gute Adresse ist, um Dinge zu regeln, die Sie geregelt haben wollen.
Voll und ganz zustimmen kann ich Ihrer Forderung nach einem Bericht, der in periodischen Abständen immer wieder vorgelegt werden soll. Ob der dann erst schriftlich vorgelegt wird und wir ihn in diesem Haus oder wie auch immer debattieren, das soll egal sein.
Aber dass wir quasi eine Kontrolllampe über diesen Bericht haben, der alle zwei Jahre oder wann auch immer vorgelegt wird, das halte ich für sinnvoll, weil das eine Daueraufgabe sein wird. Da sind wir nicht in ein paar Jahren über dem Berg.
Sie sprechen in Ihrem Antrag – das sehe ich auch als Problem; nur müssen wir vorher ein paar Dinge regeln und ändern – die Aussiedler an. Die Aussiedler sind in der Tat ein großes Integrationsproblem. Das kann niemand wegleugnen, der mit Aussiedlern zu tun hat. Gerade in meinem Landkreis gibt es sehr viele Aussiedler als Folge des Truppenabbaus. Nur, sie kommen nach Deutschland und sind Deutsche. Das heißt, sie werden erst eingebürgert, und dann wird erst die Integration versucht. Bei anderen gehen wir genau umgekehrt vor, diese versuchen wir erst zu integrieren, und dann geben wir Ihnen die Chance zur Einbürgerung. Diese Aussiedler bekommen Sie kaum in eine Statistik hinein, weil Sie direkt als Deutsche geführt werden und nicht ein Sternchen oder sonst etwas am Namen haben. Sie tauchen in Dateien nicht mehr als Aussiedler auf. Sie gehen direkt in der Statistik verloren. Das erschwert uns die Integration. Wir müssen ernsthaft versuchen, irgendwelche Wege zu finden, um Aussiedler nicht zu diskriminieren, aber trotzdem kenntlich zu machen, um eine wirkungsvolle Integrationsarbeit bei ihnen zu leisten.
Ich muss nur auf den vergangenen Sonntag zurückgreifen. Mir ist aus vielen Wahllokalen berichtet worden, dass Aussiedler dort waren, die nur russisch gesprochen haben und überhaupt kein Wort Deutsch sprechen konnten. Es kann nicht sein, dass man bei uns die vollen Rechte in Anspruch nimmt und gleichzeitig aber kein Wort Deutsch spricht. Dort muss Integration ansetzen, dass diese Menschen über die Sprache den Zugang insgesamt in die Gesellschaft finden.
Frau Kollegin, bei all dem komme ich zu dem Fazit, dass die Diskussion Not tut bei diesem Thema. Insofern ist es wichtig, dass wir uns über diesen Antrag unterhalten können. Aber das, was in Ihrem Antrag enthalten ist, beinhaltet nicht die Lösung, die wir brauchen und die wir möglicherweise im Lauf des kommenden Jahres auch finden können. Deshalb stimmen wir, wie ich vorhin ausgeführt habe, einer Überweisung an den Ausschuss zu.
Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wahr ist, dass wir seit Jahrzehnten auf allen öffentlichen Ebenen über unsere Verhältnisse gelebt haben. Daher muss auch keine Partei mit dem Zeigefinger auf andere zeigen. Aber wahr ist auch, dass daher eine Korrektur erforderlich ist und diese Landesregierung alles tut, um diese Korrektur zu erreichen. Das können wir bei der Opposition und insbesondere bei der CDU aber so nicht erkennen. Sparen predigen, aber gleichzeitig immer mehr Ausgaben fordern, das passt nicht zusammen.
Es ist vollkommen klar, dass die Korrektur weh tut, Sparen Konflikte schafft und es viel leichter ist, alle öffentlichen Interessen zu bedienen. Aber es gibt überhaupt keine Alternative zu dieser Sparpolitik, wenn wir künftigen Generationen noch vernünftige Perspektiven bieten wollen.
Bei Ihnen sieht das so aus, dass Herr Böhr in der Haushaltsdebatte einen Sparpakt fordert und Sie in einer Presseerklärung vom 21. Mai dieses Jahres den finanzpolitischen Offenbarungseid der Regierung fordern, gleichzeitig aber alle Fachpolitiker munter den Geldbeutel öffnen und Mehrausgaben fordern dürfen.
Ein besonders peinliches Beispiel dieser Art von Politik war die Pressekonferenz zur Justizsituation am 16. August. Ich lese Ihnen einmal den Eingangssatz Ihrer Tischvorlage vor:
„Ministerpräsident Beck hat sich in der Vergangenheit für die Justiz des Landes nur interessiert gezeigt, wenn es galt, treue Parteigänger in der Justiz des Landes zu versorgen bzw. für ihn unbequeme Bewerber in wichtigen Positionen zu verhindern.“
Sie klatschen zu früh.
Eine spannende Frage ist: Würden Sie das nach dem, was gestern Herr Puderbach gesagt hat, immer noch unterschreiben? – Ich glaube nicht.
Ich denke, dass dieser Ministerpräsident ganz behutsam und ganz sorgfältig mit der Justiz umgeht. Ich würde mir bei anderen Ministerpräsidenten in Bezug auf den Justizbereich auch wünschen, dass sie so sensibel damit umgehen wie unser Ministerpräsident.
Sie fahren in Ihrer Tischvorlage fort:
„Der zuständige Minister Mertin ist nur noch ein willfähriger Vollstrecker einer Sparpolitik ohne Sinn und Verstand, die eine noch funktionierende Justiz schrittweise in die Handlungsunfähigkeit befördert.“
Auch dazu möchte ich Ihnen ein Zitat von Herrn Werner, dem Landesvorsitzenden des Deutschen Richterbundes, vorlesen. Er schreibt dem Justizminister am 12. Juni: „Ich will Ihnen gerne attestieren, dass Sie sich bei den Haushaltsberatungen achtbar geschlagen haben.“
Jemand, der sicherlich zu den Kritikern unserer Haushaltsmaßnahmen gehört, sagt, der Justizminister habe sich achtbar geschlagen. Es kann nicht so sein, wie Sie es versuchen darzustellen, und es ist auch nicht so. Sie reden die Justiz aus kleinkariertem parteipolitischem Interesse kaputt.
Sie beschädigen damit das Vertrauen der Bevölkerung in unseren Rechtsstaat. Sie argumentieren mit falschen Zahlen und falschen Tendenzen. Ich möchte dies an zwei Beispielen deutlich machen:
Wenn Sie die Verfahrensdauern von den Amtsgerichten über die Landgerichte bis hin zum Oberlandesgericht betrachten, so haben sie sich von 1997 bis 2000 bis auf eine Ausnahme tendenziell überall verkürzt. Diese Ausnahme sind die Revisionsverfahren an den Oberlandesgerichten. Bei den normalen Straf- und Zivilverfahren ist überall ein Rückgang, zum Teil sogar ein deutlicher Rückgang, zu verzeichnen. Das widerspricht also dem, was Sie an Panik verbreiten wollen.
Das zweite Beispiel ist das Verhältnis zwischen Arbeit und dem Bedarf nach Arbeit in den Justizvollzugsanstalten. Sie tun gerade so, als ob den Häftlingen die Arbeit vorenthalten würde. Wenn Sie sich einmal die genauen Zahlen anschauen, insbesondere bei dem Projekt „Schwitzen statt Sitzen“, können Sie zu diesem Ergebnis nicht kommen, es sei denn, Sie nehmen ein einziges Jahr heraus, in dem es rückläufig war. Aber das gibt keine Tendenz wieder, wenn man ein einzelnes Jahr herausgreift.
Sie verweisen auf Scheinerfolge in CDU-Ländern. So halten Sie uns beispielsweise immer wieder vor, wie gut es in Baden-Württemberg im IT-Bereich sei und wie gut vernetzt man dort sei.
Wir waren vor eineinhalb Jahren dort, und man hat uns genau das Gegenteil erzählt.
Als zweites Beispiel preisen Sie Hessen mit seinen Fußfesseln als Entlastungsmöglichkeit für die Haftanstalten an. Sie verschweigen dabei, dass dies in Hessen als Versuch für Bewährungstäter eingeführt wurde. Aber es ist Schaumschlägerei, den Menschen, die eine Strafe auf Bewährung haben, eine Fußfessel anzuhängen und zu behaupten, damit habe man eine Entlastung der Justizvollzugsanstalten erreicht. Dies gibt nicht wieder, was wirklich mit Fußfesseln bezweckt werden soll. Sie können jede Statistik manipulieren, wenn Sie „sichere“ Täter nehmen und es an ihnen so dokumentieren wollen, wie Sie es in Hessen tun.
Herr Kollege Baldauf, ich wundere mich immer wieder über dieses „Schönfelder“-Beispiel. Der Justizminister hat dazu schon einiges gesagt. Ich halte es – mit Verlaub – für eine schlichte Lachnummer. Ich selbst kann mich aus der beruflichen Praxis nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal in einer Verhandlung am Amtsgericht einen „Schönfelder“ gesehen hätte.
In Verhandlungen an Amtsgerichten müssen Sie lange suchen gehen. Da stehen die Kommentare. In der Zivilverhandlung steht da der „Palandt“ und der ZPOKommentar. In der Strafverhandlung stehen die dazu notwendigen Kommentare. „Schönfelder“ sehe ich herzlich selten an Amtsgerichten.
Das mag woanders anders sein, aber gerade an den Amtsgerichten, wo der Großteil der Arbeit geleistet wird, wird in der Verhandlung mit „Schönfelder“ so gut wie nicht gearbeitet. Das ist die Praxis. Das ist schlichte Praxis. Das sollte man nicht überhöhen.
Im Übrigen, diesem Klagelaut des Präsidenten des Landgerichts in Frankenthal kann ich ohnehin nicht folgen. Ich käme auf viele Kronzeugen, wenn ich etwas belegen wollte, aber auf diesen Herrn käme ich jetzt nach den Erfahrungen, die ich im Landgerichtsbezirk Bad Kreuznach gemacht habe, beim allerbesten Willen nicht; denn nicht einmal in Zeiten besserer Haushaltslage hat er sich so verhalten, dass ich sagen würde, das ist tragbar, was da an Verantwortung gegenüber dem Geld gezeigt wurde. Ich will da nicht deutlicher werden.
Sie verschweigen bei Ihrer Darstellung Schwachpunkte ihrer eigenen Politik und versuchen, davon abzulenken, und zwar in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Ich will ein Beispiel nennen. Wie ein roter Faden geht das bei Ihnen durch mit den Aussiedlerproblemen. Da haben wir tatsächlich Probleme in den Justizvollzugsanstalten, bei den Bewährungshelfern usw. Das ist alles zugestanden. Dann erwarte ich aber ein klein bisschen Selbstkritik in Bezug auf Ihre Aussiedlerpolitik, die Sie seit Beginn der 90er-Jahre gemacht haben. Die kann ich nicht erkennen. Gerade Sprachprobleme und solche Dinge, die
Sie jetzt bedauern, haben Sie sich selbst mit Ihrem damaligen Bundeskanzler eingebrockt.
Das sind die Fakten.
Das Gleiche gilt für eine längst überfällige Reform des Sanktionssystems. Darüber reden wir schon Jahre, aber von Ihnen kommt immer nur „njet, njet, njet“. Da machen Sie nicht mit bei einer sinnvollen Reform des Sanktionssystems. Gleichzeitig jammern Sie aber über die Überbelegung der Justizvollzugsanstalten.
Überlegen Sie einmal, wie man durch eine sinnvolle Reform zu einer Entlastung kommen könnte. Das wäre sinnvoller, als solche Pressekonferenzen durchzuführen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir laufen ein wenig Gefahr, eine „Teebeutel-Diskussion“ zu führen. Das ist der Aufguss dessen, was wir vorhin diskutiert haben. Die Ausgangspunkte sind klar.
Wir wissen, dass wir nicht mehr Geld haben und nicht mehr verteilen können als das, was im Haushalt zur Verfügung steht. Die CDU ist aber der Meinung, man könne eine ganze Menge mehr Geld investieren. Woher es kommen soll, wird allerdings nicht dazu gesagt.
Bundesgesetzlich gibt es seit 1998 für Vollzeitkräfte auf Landesebene die Möglichkeit, die Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen. Seit dem Jahr 2000 steht diese Möglichkeit auch für Teilzeitkräfte offen. Das Land hat dies in den meisten Bereichen sehr zügig umgesetzt, nicht jedoch für die Richter. Dafür gab es die vorhin bereits diskutierten finanziellen Gesichtspunkte. Wir müssen anerkennen, dass diese Gesichtspunkte nach wie vor gelten.
Daher akzeptieren wir die jetzt vorliegende Regelung, den Gesetzentwurf, den wir auf dem Tisch haben, wohl wissend, dass dies jetzt als Personalsteuerungsinstrument genutzt wird. Warum denn nicht? Was ist daran schlimm, wenn man seine Personalprobleme auf diese Art und Weise besser lösen kann als ohne diese Regelung? Ich denke, insofern werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Frau Kollegin, ich verstehe Sie leider nicht, deswegen kann ich nicht darauf eingehen. Was ist daran schlimm, wenn die Personalsteuerung, die auch immer sein muss, damit verbunden wird, dass ein Teil der Richter früher Leistungen in Anspruch nehmen kann, als dies bisher der Fall war? Dass dies erst ab dem 60. Lebensjahr gilt, ist aufgrund der genannten fiskalischen Rahmenbedingungen notwendig, genauso, dass es im Blockmodell geschieht. Ich kann sehr wohl die Position des Richterbundes und der Richterräte verstehen, aber es ist nicht anders machbar. Die Betroffenen müssen es dann so akzeptieren, wie wir es vorschlagen.
Ich halte auch die Einschränkungen und genannten Voraussetzungen in § 6 b Abs. 1 für richtig und sinnvoll. Wenn es andere Zeiten gäbe, in denen wir mehr verteilen könnten, dann könnten wir darüber nachdenken. Dies wird aber für etliche Jahre sicherlich nicht der Fall sein.
Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mein grüner Vorredner schlägt uns eine merkwürdige Arbeitstei
lung vor: Er empfiehlt uns, wir sollten uns an seinem Text abarbeiten, und er selbst begnügte sich zuvor mit dem Abschreiben;
denn was er getan hat, ist nichts anderes als das Abschreiben des Gesetzes von Nordrhein-Westfalen mit kleinen Auslassungen.
Wer könnte etwas dagegen haben, dass die Bürgerrechte gegenüber Verwaltungshandeln gestärkt werden?
Wer könnte drei Monate vor einer Wahl etwas dagegen haben? Das mag die Kalkulation der GRÜNEN gewesen sein, die Gunst der Stunde zu nutzen und schnell noch einmal im Eilverfahren einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen. Das Ganze mündete dann auch in einer Pressepräsentation zu Beginn der Woche.
Sie haben den Versuch unternommen, Kriegsgewinnler bei unappetitlichen Affären zu sein. Genau diese sind am Beginn des Pressetextes genannt worden. Sie haben sich diese als Ausgangspunkt für diesen Gesetzentwurf genommen.
Bevor Sie in Ihrem Pressetext auf diese Affären zu sprechen gekommen sind, versteigen Sie sich zu einer Behauptung, die ich für schlichtweg unverschämt halte. Sie behaupten, im Land Rheinland-Pfalz sei die Bekäm pfung der Korruption nur halbherzig. Es fehlen alle Beweise dafür. Es sind bloße Unterstellungen, nicht mehr und nicht weniger. Ich kann nicht erkennen, dass das so wäre.
Im Übrigen sind wir glücklicherweise nicht eine Hochburg der Korruption. Ich sage glücklicherweise. Wenn ich mir umliegende Bundesländer oder Ballungsräume anschaue, dann ist dies dort ein ganz anderes Thema als bei uns in Rheinland-Pfalz, was nicht heißen soll, dass wir die Augen verschließen oder wegschauen sollen.
Worum geht es bei der ganzen Angelegenheit? Es geht darum, dass Transparenz von Verwaltungsvorgängen Vertrauen schafft. Es geht auch darum, dass Transparenz der beste Schutz gegenüber Gesetzesverstößen sein kann. Ich möchte gar nicht von Korruption reden, sondern generell von Gesetzesverstößen. Das ist im Übrigen auch ein Schutz gegenüber sachfremden Entscheidungen.
Transparenz bei Verwaltungshandeln kann im Übrigen auch Schutz der Verfahrensbeteiligten bedeuten. Auch diese Fälle mag es geben, insbesondere dann, wenn man später bei der Staatsanwaltschaft oder wo auch immer landen sollte.
Aber der Transparenz sind Grenzen gesetzt. Sie haben hier über eine Grenze längere Ausführungen gemacht, nämlich über den Datenschutz. Ich denke, wir sind uns in diesem Punkt alle einig, ohne dass wir ihn als Ausrede gebrauchen dürfen.
Eine andere Grenze ist die Funktionsfähigkeit von Verwaltung. An dieser Ecke eiern Sie in Ihrem Gesetzentwurf. In der Enquete-Kommission, die wir im Landtag vor einigen Jahren zur Parlamentsarbeit hatten, haben wir in diesem Punkt Auseinandersetzungen gehabt. Natürlich wollen wir Transparenz gegenüber jeder Verwaltung, ob in Kommunen, im Land oder im Bund, gar keine Frage. Aber es muss mit der Transparenz auch immer so organisiert werden, dass die Verwaltung noch vernünftig arbeiten kann.
Wenn Sie aus dem Gesetz von Nordrhein-Westfalen herausschneiden, dass Entwürfe von der Einsicht ausgenommen sind, dann zeigt mir dies, wohin der Weg geht. Sie wollen nicht mehr, dass in der Verwaltung über bestimmte Dinge nachgedacht wird, ohne dass sie später Gesetzesfolgen nach sich ziehen müssen, ohne dass sie später konkretes Verwaltungshandeln bedeuten. Das bloße Andenken von Dingen wollen Sie gleich dem Zugriff der Öffentlichkeit preisgeben, dies mit der Folge, dass möglicherweise nicht mehr so breit nachgedacht wird, wie dies wünschenswert wäre. Das kann nicht Sinn eines solchen Gesetzes sein.
Wenn man jegliches Handeln in Verwaltungen unterlaufen möchte, dann kann man dies so in das Gesetz hineinschreiben, wie Sie es machen. Dann kann man das Gesetz von Nordrhein-Westfalen so abändern, wie Sie es für sinnvoll halten.
Wir halten es nicht für sinnvoll. Wir bleiben bei unserer Position, die wir damals in der Enquete-Kommission eingenommen haben.
Wenn Sie bei uns im Landtag einen solchen Gesetzentwurf präsentieren und dies ein halbes Jahr machen, nachdem das Gesetz in Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten ist, dann stellt sich natürlich schon die spannende Frage, warum Sie nicht noch ein bisschen länger gewartet haben, bis man erste Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen mit dem Gesetz einbeziehen konnte. Wenn ich schon abschreibe, dann möchte ich mir auch die Erfahrungswerte aus dem Land zunutze machen, von dem ich abschreibe. Dass Sie in NordrheinWestfalen jetzt schon nach wenigen Monaten Erfahrungswerte haben, wage ich zu bezweifeln. Es kann noch keine nennenswerten Erfahrungen im Alltag von Nordrhein-Westfalen geben.
Eine weitere Frage ist im Übrigen, warum nicht abgewartet wird, bis es eine bundeseinheitliche Regelung
gibt. In diesem Punkt sind wir nicht so schnell vorwärts gekommen, wie Sie und wir das wollen, sich möglicherweise auch andere wünschen. Es ist aber nicht so, dass dies in Berlin für alle Zeit beerdigt wäre. Es ist nur in dieser Legislaturperiode nicht zu dem Gesetz gekommen. Das Gesetz ist aber weiterhin in Berlin auf der Tagesordnung. Ich halte es schon für wünschenswert, dass wir in diesem Bereich zu einer bundeseinheitlichen Regelung kommen.
Glauben Sie wirklich, es sei in Bezug auf Bürgerfreundlichkeit ein großer Beitrag, wenn Sie für jede Ebene andere Regelungen der Akteneinsicht, der Transparenz usw. haben, für Kommunen und das Land landesgesetzliche Regelungen, für den Bund bundesgesetzliche Regelungen. Ich glaube nicht, dass Sie damit den Menschen wirklich das geben, was Sie ihnen versprechen. Ich denke, das sind Steine für Brot.
Wenn Sie, wie Sie es in Ihrer Presseerklärung schon gemacht haben, noch einmal darauf verweisen, dass wir keinen Obrigkeitsstaat wollten und davon Abschied nehmen müssten, dann spricht dies von einer unglaublichen Unkenntnis in Bezug auf die Gesetze, die wir schon seit Jahren haben und die nicht erst von Sozialdemokraten geschaffen werden mussten. Diese wurden von allen großen Parteien in den letzten Jahren immer wieder entsprechend geändert und fortgeschrieben. In diesem Punkt gibt es einen breiten Konsens quer durch alle Parteien. Wenn Sie sich einmal das Baurecht anschauen und sehen, welche Rechte im Baurecht in Bezug auf die Bevölkerung beispielsweise bei dem Zustandekommen von Bebauungsplänen und anderen Dingen verankert sind, dann sehen Sie, die Bevölkerung muss frühzeitig einbezogen werden, nicht erst bei der Auslegung, sondern schon bei der Anhörung, die der Auslegung vorausgeht. Sie können doch nicht im Ernst so tun, als ob wir bei solchen Dingen noch auf der Höhe des Obrigkeitsstaates wären. Davon haben wir schon lange Abschied genommen.
Sie sollten dann nicht mit solchen Keulen kommen und damit die Diskussion bestreiten.
Ich komme zu dem Ergebnis all dessen, was wir als Position zu dem haben, was Sie uns auf den Tisch gelegt haben. Wir sind an der Diskussion über ein solches Gesetz interessiert. Wir sind auch daran interessiert, dass es in absehbarer Zeit zu gesetzlichen Regelungen kommt. Wir halten das, was Sie in verkürzter Form von Nordrhein-Westfalen abgeschrieben haben, nicht für der Weisheit letzter Schluss. Weil wir aber an vernünftigen Ergebnissen interessiert sind, stimmen wir zu, dass der Gesetzentwurf an den Ausschuss überwiesen wird. Dort können wir die Diskussion vertiefen. Ich bin sicher, dass wir in absehbarer Zeit weitere Regelungen finden werden.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich heute Mittag bei der Aktuellen Stunde gefragt, wie man es aushält, als der Kollege Böhr und der Kollege Jullien die Haushaltslage des Landes geißelten, um zwei Stunden später mitzuerleben, wie die eigene Fraktion einen Antrag mit rund 60 Millionen Euro Mehrausgaben zu vertreten hat.
Die Lösung ist mir mittlerweile klar. Die beiden Herren haben sich unauffällig zurückgezogen, damit sie nicht hören müssen, was die eigene Fraktion sagt. Das ist Schizophrenie, die in Ihrer Fraktion stattfindet.
Es gibt Spötter, die sagen, kein Thema wäre so schlimm, dass es sich nicht durch Liegenlassen erledigen könnte. Man könnte spöttisch schlussfolgern und sagen: Dass die Anträge vom Herbst jetzt erst im April behandelt werden, macht sie besser oder erledigt das eine oder andere. Das wird man aber nicht sagen können. Das wäre überspitzt.
Herr Kollege Schnabel, hören Sie doch einmal zu. Sagen kann man sicherlich, dass aus der Distanz von heute zum 11. September manches gelassener und emotionsfreier wahrgenommen wird.
Ich will nicht sagen sorgloser, aber gelassener und emotionsloser. Das ist auch gut so; denn bei einer aufgeheizten Atmosphäre ist es immer schwer, über bestimmte Dinge nachzudenken. Ich will davon keine Partei – auch nicht die eigene – freisprechen, dass es im letzten Herbst die eine oder andere Überreaktion gegeben hat. Wer sich aber jetzt die drei Anträge, die heute zur Diskussion stehen, anschaut, wird feststellen können, dass bei diesen drei Anträgen SPD und FDP mit Fug und Recht sagen können: Dazu kann man heute auch noch stehen.
Ich wage aber sehr zu bezweifeln, ob CDU und GRÜNE das für sich noch sagen können, weil das, was in dem Antrag der Fraktion der CDU enthalten ist, abgesehen von dem unseriösen finanzpolitischen Hintergrund, doch ein gutes Stück Fundamentalismus bis hinein in den Zuwanderungspunkt ist – wirklich Fundamentalismus pur – und schon in den Bereich der Ausländerfeindlichkeit geht. Das, was die GRÜNEN als andersfarbigen Fundamentalismus hier anbieten, das kann ich auch nicht nachvollziehen. Ich bin sehr für Freiheitsrechte, sehr für Bürgerrechte, ich kann aber den Rechtsstaat doch nicht dadurch verteidigen, dass ich sage, im Zweifelsfall immer für Freiheitsrechte, was immer den Opfern geschehen mag. Irgendwo muss es doch eine Güterabwägung geben: Leben gegen eine relativ vergleichsweise geringe Beeinträchtigung.
Bei jeder Razzia gibt es Menschen, die mit beeinträchtigt werden. Für die ist es unangenehm, dass sie in diese Razzia hineingeraten sind, aber es lässt sich nicht vermeiden. Aber die Erfolge, die wir bei Razzien erzielen, rechtfertigen, dass der eine oder andere einmal eine oder zwei Stunden aufgehalten wird. Frau Kollegin Grützmacher, so müssen Sie doch insgesamt unser Rechtssystem sehen.
Man muss bereit sein, gewisse Nachteile – ich sage nicht: jeden Nachteil – in Kauf zu nehmen, wenn man dadurch anderer Leute Leben retten kann. Darum geht es in einem vernünftigen Rechtsstaat.
Das wollen Sie wieder nicht wahrhaben. Sie machen einseitig immer nur das Fass bei den Freiheitsrechten auf und übersehen relativ lässig, was es auch an Beeinträchtigung geben muss – das will niemand aus Lust und Tollerei –, um Terroristen entgegenzutreten. Was wir die letzten Monate außerhalb Amerikas an Terrorismus erlebt haben – gar nicht einmal so weit von uns entfernt –, das ist doch so schlimm, dass niemand glauben kann, dass man weitermachen könnte wie bisher. Man muss immer wieder Dinge, die man entschieden hat, neu überprüfen, neu schauen, ob man noch etwas anderes machen kann. Wir versuchen das. Herr Kollege Pörksen hat ein Gesetz angesprochen, das Sie auch
angesprochen haben, das im Moment in Berlin diskutiert wird. So wird es auch die nächsten Monate weitergehen.
Das wird auch ohne Zweifel so weitergehen müssen. Man muss immer wieder alles auf den Prüfstand stellen. Insofern ist Ihr Bedenken von vorhin schon ausgeräumt. Sie können sicher sein, dass das immer wieder überprüft wird. Wenn wir die nächsten Jahre zu dem Ergebnis kämen, dass das eine oder andere zurückgenommen werden könnte, weil es sich in der Praxis nicht bewährt hat, dann werden wir nicht anstehen, das auch noch einmal zu korrigieren. Das ist gar keine Frage. Das haben wir auch bundesweit nach 1977 so gehalten. Das wird auch hier wieder so sein. Auch das gebietet der Rechtsstaat, dass er immer wieder bereit ist, seine Mittel auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls zu korrigieren, mal abzumildern, mal zu verschärfen.
Ich komme zum Schluss und kann nur noch einmal sagen:
Wir werden unserem Antrag selbstverständlich zustimmen; die Anträge von CDU und GRÜNEN werden wir ablehnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man muss sicher eine gewisse Nachsicht mit Herrn Kollegen Baldauf üben; denn er hat seine erste Haushaltsrede zum Haushalt der Justiz gehalten. Sicherlich ist nicht alles, was er vorgetragen hat, auf seinem Mist gewachsen, sondern wahrscheinlich eine Fortschreibung des
sen, was ihm die Altvorderen im Justizbereich der CDU auf den Weg gegeben haben.
Das meine ich überhaupt nicht abwertend.
Frau Kollegin Kohnle-Gros, Sie haben Ihren Redeeinsatz doch schon hinter sich. Jetzt erholen Sie sich einmal. Regen Sie sich doch nicht auf. Außerdem müssen Sie doch froh sein, dass Sie im Parlament sind und nicht im Gerichtssaal. Im Gerichtssaal ist nämlich Deutsch die Sprache, und andere Sprachen sind nicht zulässig. Daher dürften Sie dort mit Ihrem Slang gar nicht reden.
Im Hinblick auf den Justizhaushalt ist feststellbar, dass es drei Faktoren gibt, die den Haushalt ganz wesentlich bestimmen.
Seien Sie doch einmal ruhig. Regen Sie sich doch nicht auf.
Der erste Punkt ist, dass wir einen sehr hohen Faktor an Personalkosten haben. Er macht 70 % aus. Hinzu kommt, dass die sächlichen Verwaltungsausgaben etwa bei 25 % liegen. Wenn man als dritten Faktor berücksichtigt, dass der Justizhaushalt einen enorm hohen Eigendeckungsanteil von immerhin 40 % hat, – – –
Herr Kollege, wenn Sie nicht zuhören können, dann gehen Sie doch bitte raus. Sie müssen die Debatte doch nicht stören.
Der letzte Punkt, der immer wieder von vielen Rechtspolitikern als Monstranz vorneweg getragen wurde, verleitet natürlich bei oberflächlicher Betrachtungsweise dazu, anzunehmen, der Justiz müsse es finanziell relativ gut gehen, wenn sie 40 % ihrer Ausgaben als Einnahmen wieder hereinholt. Der Justizbereich könne deshalb doch nicht die Probleme haben, die andere Bereiche haben. Das ist aber ein Trugschluss.
Wenn wir den Justizhaushalt genau durchforsten, stellen wir fest, dass es eine Fülle von zusätzlichen Aufgaben im Lauf der vergangenen Jahre gegeben hat, die natürlich finanzielle Folgen haben. Daher sind wir in der Enge, in der wir uns im Moment befinden. Das leugnet keiner. Quer durch alle Fraktionen sind wir uns einig, dass wir gern mehr Geld bei der Justiz hätten. Der Herr Minister hätte vermutlich auch gern mehr Geld. Die Haushalte sind aber nicht so. Wir befinden uns nicht in Zeiten, in denen wir beliebig drauflegen können und uns wünschen können, was wir wollen, sondern die Situation ist die, dass wir leere Kassen auf allen öffentlichen Ebenen haben. Deswegen müssen wir zu einem guten Stück Mangel verwalten.
Da der Justizhaushalt ein klassischer Personal- und Verwaltungshaushalt ist, trifft es ihn besonders hart. Wenn in diesem Bereich gespart werden muss, geht es automatisch an das Personal. Das kann gar nicht anders gehen.
Herr Kollege Baldauf, es ist aller Ehren wert, dass Sie sich für alle Zweige der Gerichtsbarkeit personell einsetzen wollen. Die Quadratur des Kreises gelingt aber auch Ihnen nicht; denn auch Sie wissen nicht, wie Sie das Geld beiholen sollen.
Die CDU-Fraktion ist im Übrigen schon einmal weiter gewesen als heute. Vor vier Jahren hat Herr Kollege Berg in seiner Haushaltsrede eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, in welchen Bereichen der Justiz seiner Meinung nach gespart werden könnte.
Da ging es um strukturelle Dinge. Dieser Debatte werden wir uns auch noch einmal stellen müssen. Die Frage kann nicht abgebrochen werden, wo in der Justiz Sparpotenziale sind. Wir müssen uns nach wie vor der Frage einer Strukturreform im Justizbereich stellen, so wie sie der frühere Justizminister Caesar schon einmal in diesem Land begonnen hatte.
Wir werden die Verfahrensreform, die Frau DäublerGmelin eingeleitet hat, mit allem Nachdruck weiterverfolgen müssen. Das gilt nicht nur für den ZPO-Bereich, sondern auch für andere Verfahrensbereiche.
Man kann auch – das ist nicht meine Debatte, aber andere diskutieren darüber – über eine Privatisierung reden. Man muss auch sehen, wo es da Möglichkeiten gibt oder nicht.
Sinnvoller erscheint mir eher eine Debatte über die Auslagerung von Ausgaben zu sein, was nicht notwendigerweise in einer Privatisierung münden muss.
Man kann selbstverständlich auch über eine Änderung des Sanktionssystems reden, aber das ist eine Debatte, der sich Ihre Fraktion zumindest weitestgehend verweigert hat.
Die Crux bei all diesen Punkten ist, dass vieles Bundesrecht ist. Das können wir mit Landesentscheidungen überhaupt nicht beeinflussen, es sei denn, wir unternehmen die eine oder andere Bundesratsinitiative. So haben Sie auch einen Entschließungsantrag vorliegen.
Die Konfliktlinie, wenn wir dann aber beim Bund ankommen, verläuft in der Regel nicht zwischen den einzelnen Parteien – da mag es auch unterschiedliche Einschätzungen geben –, sondern die Konfliktlinie verläuft dort in aller Regel bei den Punkten, die ich jetzt aufgezählt habe, zwischen dem Bund auf der einen Seite und den Ländern auf der anderen Seite. Da verläuft die Konfliktlinie, und da gibt es dann eben die Probleme.
Wenn wir schon dabei sind, was geändert werden müsste und wo man Freiräume für künftige Sparmaßnahmen bekäme, sollten wir uns im Übrigen nichts vor
machen. Die Beteiligten an der Justiz – jetzt gehe ich wohlweislich über den reinen Justizverwaltungsbereich hinaus – zeichnen sich nicht unbedingt durch einen übermäßigen Veränderungswillen aus. Wenn ich die Debatte über die Reform der Zivilprozessordnung betrachte, war das schon gespenstisch. Wenn wir zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Debatte auf dem Höhepunkt befand, einen Haushalt zu verabschieden gehabt hätten, wäre die Justiz in einem hervorragenden Zustand gewesen. In der Phase, als das diskutiert wurde, habe ich überall nur gehört, wie toll es an den Gerichten läuft und weshalb nichts verändert werden muss.
Jetzt sind wir ein bisschen weiter. Die Entscheidungen in Berlin sind gefallen, und jetzt können wir wieder darüber jammern, was alles so schlecht an der Justiz ist. Eine sonderlich ehrliche Diskussion ist das nicht, aber so wird sie nun einmal geführt.
Mich ärgert an dem, was seit gestern Morgen in diesem Haus abläuft – das haben Sie für Ihre Fraktion auch fortsetzen müssen, Herr Kollege Baldauf –, der peinliche Spagat zwischen dem Stabilitätspakt, den Herr Böhr anbietet, und all dem, was Sie enorm draufsatteln wollen.
Wenn Sie Ihren Entschließungsantrag – Drucksache 14/820 – nehmen und den einmal Ziffer für Ziffer durchgehen – insgesamt sind es neun Ziffern –, kommen Sie reihenweise zu Maßnahmen, die zwangsläufig enorme Mehrkosten auslösen müssen.
Sie wollen in allen Gerichtszweigen die Verfahrensdauer verkürzen. Das geht nur mit mehr Personal oder mit erheblich mehr Technik.
Sie wollen Stellenstreichungen im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Fachgerichte wegfallen lassen. Sie wollen eine spürbare Entlastung im Bereich der Rechtspflege herbeiführen. Mit anderen Worten, dort wollen Sie mehr Stellen haben.
Sie wollen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wesentlich beschleunigen. Also wollen Sie mehr Staatsanwälte. Das ist doch gar keine Frage.
Sie verlangen eine Verbesserung bei den Gerichtsvollziehern, den Bewährungshelfern und beim Landessozialgericht. Dazu liegen auch entsprechende Anträge von Ihnen vor. Die Folge sind Mehrausgaben.
So geht das quer durch. Man könnte da noch weitere Punkte nennen. Das geht nicht. Man kann nicht sagen, wir sparen, wir machen sogar einen Stabilitätspakt, aber es müssen bei der Justiz etliche Millionen Euro mehr auf den Tisch gelegt werden. Das zieht sich wie ein roter
Faden durch alle anderen Haushalte auch durch. Da wollen Sie auch mehr draufpacken. Das geht nicht.
Entweder sparen oder draufpacken. Beides zusammen ist unehrlich. Oder Sie müssten wirklich eine umfassende Umschichtungsdiskussion führen. Da gibt es aber nur kleine Tüpfelchen, die bei weitem nicht das aufwiegen, was Sie draufsatteln wollen. Daher ist es eine sehr unfaire Debatte, die da geführt wird. Das ist eben ein gut Stück Geheuchel.
Da wird auch einfach Gefälligkeitspolitik betrieben. Man redet mit den Sozialrichtern und sagt: Okay, man braucht mehr Sozialrichter. – Dann redet man mit den Gerichtsvollziehern und sagt: Ja, wir brauchen mehr Gerichtsvollzieher. – Man redet mit den Bewährungshelfern – dito; man redet mit dem mittleren Dienst – dito; man redet mit den Rechtspflegern – das gleiche Ergebnis wieder; man redet mit den Vertretern der Justizvollzugsanstalten – das Ergebnis ist ebenso. Man redet mit der Staatsanwaltschaft und kommt wieder zu dem Ergebnis. Das ist Gefälligkeitspolitik.
Wir reden auch mit all diesen Gruppen, aber wir sagen nicht jeder Gruppe: Klar, ihr habt vollkommen Recht. Deshalb wird etwas draufgepackt.
Wir übernehmen den schwierigen Part und sagen, was zusammengeführt werden muss, wo der finanzielle Rahmen liegt, wo die Grenzen sind, was geht und was nicht geht. Die Position, jedem alles geben und niemandem etwas nehmen, kann leider Gottes im Haushalt nicht durchgehalten werden.
Wir setzen auf Umschichtungen. Im Rahmen dieser Umschichtungen gehen wir davon aus, dass wir generell Personaleinsparungen zu akzeptieren haben, aber wir bilden Schwerpunkte und Ausnahmen. Sie haben einen Schwerpunkt genannt, die Justizvollzugsanstalten. Dazu wird Herr Kollege Dröscher nachher noch mehr sagen.
Bei den Bewährungshelfern packen wir fünf Stellen drauf. Es ist klar, dass Sie dann kontern müssen und sagen: Fünf sind zu wenig; wir wollen zehn. – Das ist das Recht der Opposition und ihre Freiheit.
Wir nehmen die Gerichtsvollzieher von der Kürzung aus, und wir nehmen die Referendare von der Kürzung aus. Übrigens haben wir uns den Freiraum dafür vor einigen Jahren dadurch geschaffen, dass wir den Status der Referendare geändert haben. Das macht Hessen mittlerweile nach. Sie sind dagegen Sturm gelaufen, aber Hessen macht es mittlerweile nach.
Bei der Sachausstattung wird ebenfalls ein Schwerpunkt gebildet. Die Modernisierung der Justiz schreitet voran. Man kann sagen, dass müsste noch schneller gehen – mir wäre es auch lieber, wenn das schneller ging –, aber es kann nicht angezweifelt werden, dass sie voranschreitet.
Nehmen Sie die ordentliche Gerichtsbarkeit. Bei den Geschäftsstellen und in den Schreibdiensten ist der PC seit Ende 1999 flächendeckend eingeführt. Wenn Sie die Richter nehmen, sieht es da ein bisschen anders aus. Bei den Amtsgerichten sind ungefähr 40 % der Richter mit einem PC ausgestattet. Bei den Landgerichten und den Oberlandesgerichten sind es jeweils ca. 20 %.
Wenn man genauer hinsieht, hat das möglicherweise auch etwas mit der Generationen- und Altersfrage zu tun. Die älteren Herrschaften, die um die 60 sind, sehen nicht mehr unbedingt ein, dass sie sich noch die Fähigkeit für einen PC aneignen müssen. Der 30-Jährige geht da eher heran. Ich will das nicht pauschalieren, sondern ich will nur sagen, das kann damit etwas zu tun haben.
Wenn Sie die Familienrichter nehmen, sind die auch stärker als andere mit einem PC ausgestattet. Das zeigt dann gute Ergebnisse bei dem Zugewinnausgleich, dem Versorgungsausgleich, bei den Unterhaltsberechnungen usw.
Wenn Sie die Insolvenzabteilungen nehmen, können Sie feststellen, dass wir an allen 22 Insolvenzgerichten im Land eine entsprechende Ausstattung mit Schnittstellen zu den Schuldnerberatungen und zu den Insolvenzverwaltern haben.
Beim Grundbuch geht es vorwärts. Ihnen reicht das nicht aus und Sie hätten das gern schneller, aber es geht vorwärts. Wir haben immerhin 47 Grundbuchämter zu bedienen.
Zu dem Hinweis, dass Sie vier Monate warten mussten, kann ich nur sagen, dass Sie das kürzer haben können, wenn Sie Einsicht nehmen. Die Einsicht verwehrt Ihnen niemand, egal wie die Einführung der elektronischen Grundbücher läuft.
Über das automatisierte gerichtliche Mahnverfahren reden wir im Übrigen gar nicht mehr. Es ist fast ein Jahrzehnt her, dass wir das in Mayen zentralisiert und dort umgesetzt haben. Da sind wir bundesweit vorbildlich gewesen.
Wenn Sie die Fachgerichte nehmen – jetzt immer über die Geschäftsstellen und Schreibdienste hinaus, die überall bedient worden sind –, müssen Sie sehen, dass wir bei den Verwaltungsgerichten und bei den Finanzgerichten eine hundertprozentige Ausstattung der Richter mit einem PC haben. Das ist auch nicht gerade wenig.
Dabei verkenne ich natürlich nicht, dass es bei den Arbeits- und Sozialgerichten nicht so schön aussieht. Das wird ein Punkt sein, auf den wir in den nächsten Jahren mehr unser Augenmerk richten müssen, damit sie nicht das Gefühl bekommen, bei der Einführung des Rechtspflegeministeriums sind sie Stiefkinder geworden, als sie da quasi adoptiert oder zugeordnet worden sind.
Da müssen wir hinsehen, und darauf werden wir in den nächsten Jahren sicherlich auch ein Augenmerk richten.
Bei den Staatsanwaltschaften haben wir übrigens das Programm „CUST“ – Computerunterstützte Staatsanwaltschaften –. Da können Sie sich mittlerweile als Staatsanwalt – nicht nur als Schreibdienst und Geschäftsstelle, sondern als Dezernent – über den Verfahrensstand eines Ermittlungsverfahrens kundig machen, ohne dass Sie die Akte beiziehen müssen.
Sie können sich auch in Bezug auf den Vollzug inzwischen auf eine Computerunterstützung in den einzelnen Dezernaten berufen.
Wenn ich die Justizvollzugsanstalten nehme, wenn ich die Landesjustizkasse nehme, wenn ich die Gerichtszahlstelle nehme usw., überall sind wir da schon ein gutes Stück voran gekommen. Man kann schon sagen, dass die Modernisierung der Justiz wesentlich weiter geraten ist, als das zum Teil wahrgenommen wird.
Ich komme zum letzten Punkt: Sie wollen die Kostenpflicht bei den Sozialgerichten einführen. Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen, aber das heißt nicht, dass wir da nicht mit uns reden lassen.
§ 183 des Sozialgerichtsgesetzes enthält eine klare Regelung, wonach Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit kostenfrei sind.
Dieses Gesetz stammt aus dem Jahr 1953. Wir sind ein halbes Jahrhundert weiter. Wir haben andere Erkenntnisse und andere Entwicklungen. Wir werden hinschauen müssen, wie wir zu einer sachgerechten Lösung kommen. Wir dürfen nicht das Kind mit dem Bad ausschütten, aber auch nicht sagen, das muss auf ewige Zeiten kostenfrei sein. Wir lassen mit uns reden.
Herr Kollege, das ist kein Vertrösten. Wir wollen genauer hinschauen. Der Antrag, der auf dem Tisch liegt, ist uns zu pauschal. Vielleicht kommen wir noch auf eine Linie.
In diesem Sinn denke ich, ist es in der Justiz nicht so dramatisch, wie es dargestellt wird. Ich kann auch nicht erkennen, dass die Unterschiede zwischen den Fraktionen so tragisch wären, dass man nicht in vielen Dingen zusammenkommen könnte.
Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum Thema „Integration“ kann ich keine langen Ausführungen machen. Ich will aber auf einige Ausführungen von Frau Grützmacher eingehen.
Frau Grützmacher, das, was der Kollege Pörksen in aller Kürze angesprochen hat, ist ein ganz wichtiger Punkt, über den wir in diesem Haus schon öfter gesprochen haben.
Sie können Integration nicht immer auf gleicher Höhe organisiert bekommen. Sie ist von vielen Faktoren abhängig, die mit dem sozialen Umfeld und mit der wirtschaftlichen Lage zu tun haben.
Der Kollege Pörksen hat mit Recht darauf hingewiesen, in Zeiten extrem knapper öffentlicher Haushalte müssen sie das Füllhorn an dieser Stelle nur öffnen, um in der Bevölkerung Widerstand und eine abnehmende Integrationsfähigkeit zu bekommen.
Ob sie damit denen, die sie integrieren wollen, einen Gefallen tun, wage ich sehr zu bezweifeln.
Ich will diesen Punkt aber nicht weiter vertiefen.
Der andere Punkt, der mich ärgert, ist, dass Sie immer wieder gegen die Ingelheimer Einrichtung polemisieren; anders kann man es leider nicht nennen. Es ist blanke Polemik.
Wenn wir eine vernünftige Ausländerpolitik organisieren wollen, dann gehört dazu, dass man möglichst viele Facetten hat, um dazu beitragen zu können, dass diejenigen, die unser Land wieder verlassen müssen, es auch verlassen.
Dazu ist die Ausreiseeinrichtung ein ganz wichtiger Punkt.
Wenn Sie diese Einrichtung mit Gewalt kaputtreden, wird die Folge sein, dass Sie eine Facette weniger haben. Dann wird nur noch die blanke Abschiebung übrig bleiben; aber das ist doch das Gegenteil von dem, was Sie wollen.
Was die Abschiebung an sich anbelangt, so können wir noch zehn Mal darüber reden, unsere Position wird sich nicht ändern, und zwar mit gutem Grund.
Ein Rechtssystem, dass nur droht, aber am Ende keine Sanktionen ergreift, ist zahnlos.
Es ist dann kein Rechtssystem mehr. Es heißt dann, derjenige, der dreist genug ist, kann sich alles erlauben. Dies können sie nirgendwo durchsetzen. Damit erweisen Sie der Ausländerpolitik einen Bärendienst.
Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das, was die CDU seit dem Sommer 2001 unter dem Stichwort „Sicherungsverwahrung für Sexualstraftäter“ diskutiert, trägt alle Züge einer Placebo-Lösung. Placebos kennen wir in erster Linie außerhalb der Arznei in der Wirtschaftspolitik, wo vieles Psychologie ist. In den letzten Jahren, insbesondere seit dem 11. September 2001, findet auch zunehmend Eingang in der Sicherheitspolitik, dass nach Placebo-Lösungen gesucht wird, um die Bevölkerung zu beruhigen. Es mag durchaus in verschiedenen Situationen seinen Sinn machen, dass man zu solchen Placebos greift; denn mitunter muss in der Tat beruhigend auf die Bevölkerung eingewirkt werden, wenn bei bestimmten Ausnahmesituationen eine gewisse Hysterie entsteht. Aber Placebos sind immer nur auf Kurzzeitwirkung und nicht auf Langzeitwirkung angelegt.
Das, was wir hier regeln müssen, bedarf einer Langzeitregelung. Deswegen müssen wir sehr vorsichtig vorgehen, Frau Kollegin. Wir werden uns nach wie vor vor irgendwelchen Schnellschüssen hüten. Wir werden das Thema weiter ganz sachlich, nüchtern und intensiv behandeln.
Übrigens kann ich Ihre Vorarbeit, die Sie immer versucht haben in den Mittelpunkt zu stellen, so nicht erkennen.
Das, was Sie im Sommer 2001 gemacht haben, war das schlichte Abschreiben des Textes aus BadenWürttemberg, Punkt für Punkt, Komma für Komma. Das war Ihre eigene Leistung.