Stefan Fricke

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Last Statements

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Wir Piraten haben schon im Jahr 2012 auf eine Bauordnungsnovelle gedrängt. Wir Youngster sollten die Füße doch bitte noch etwas stillhalten; denn der Referentenentwurf würde bald kommen, lautete die Antwort. Das war 2012. Dann kamen 2013, 2014, 2015, und – heureka! – 2016 ist sie endlich da. Gut Ding will Weile haben, könnte man denken. Aber stimmt das immer? Nein. Die Bauordnungsnovelle bleibt weit hinter den erhofften und selbst hinter den nur erwarteten Annahmen zurück.
Es gibt gravierende inhaltliche Lücken und Kurzhüpferei, sogar üble handwerkliche Fehler. Respekt, das muss man erst einmal schaffen, vier Jahre über einer Bauordnung zu brüten und dann noch Fehler zu machen, die erst im Nachhinein mit großem Aufwand und mithilfe von Gerichten, bis hin zum EUGerichtshof, behoben werden können.
Der spektakulärste Mangel betrifft die Barrierefreiheit, also Menschen wie mich, in ein paar Jahren auch Sie alle. Dennoch wird der Bedarf allen Statistiken zuwider einfach um ein Drittel zurechtgestutzt.
In den Fachdebatten wird seit Jahren betont, wie wichtig eine praktikable Legaldefinition von Barrierefreiheit ist. Aber nein, wir reden über Krümmungsgrade von Gurken und Bananen. Was ist zum Beispiel mit der technischen Umsetzung der DIN-Norm 18040? Fehlanzeige! Es bleibt bei Gummibegriffen, die auszuhebeln ein Kinderspiel ist.
Seit Jahren erklären uns die Fachleute, dass es, vornehm ausgedrückt, nicht zielführend sei, zwischen echter Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer und Barrierefreiheit „light“ zu unterscheiden. Wo leben die Autoren dieses Bauordnungsentwurfs? Lesen sie Zeitung? Wir haben einen lebendigen Diskurs über barrierefreie Quartiere und inklusive Gesellschaft – offensichtlich Fremdwörter für die Herrschaften. Nein, das ist nicht gut.
Gut ist auch nicht, dass die Fraktionen von SPD und Grünen es in trauter Gemeinsamkeit für normal halten, Anträge anderer Fraktionen ohne ein einziges Wort der sachlichen Begründung grundsätzlich aus Prinzip abzulehnen. Zur Erinnerung: Wir reden hier
über die Landesbauordnung, nicht über die Zukunft des Abendlandes, über zukunftsweisende Politik, mit der man kaum Wahlkampfdampf machen kann. Es ist das Ultimum an Sachlichkeit, das ich mir in diesem Hause vorstellen kann.
Wir Piraten haben bescheidene vier Antragsänderungen eingebracht, die von der Regierungskoalition, ohne sie auch nur mit einer sachlichen Begründung zu würdigen, abgebügelt wurden.
Im Bügeln sind Sie wirklich gut. Aber man kann das auch anders sehen: als Arroganz der Macht. Wir sehen es immer wieder: Oppositionsparteien stellen einen Antrag, der wird diskussionsunlustig abgeblockt und kurze Zeit später von der Koalition fast wortgleich eingebracht und durchgewunken. Haben Sie jemals die Folgen dieses Handelns für unsere Demokratie bedacht?
Bei jeder Gelegenheit kehren Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, hervor, dass es nur um die Sache ginge, auf keinen Fall um Fraktions- oder Parteiinteressen. Dreimal kurz gelacht! Nur, mit solchen Methoden werden Sie Ihr verloren gegangenes Profil auf Kosten anderer demokratischer Parteien auch nicht schärfen können. Wen wundert da noch die Entwicklung unseres Parteienspektrums? – Na dann: Fröhliche Weihnachten und gute Nacht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Auch wir, die Piraten, sehen bei dem im Bundestag vorgelegten Gesetzentwurf noch erheblichen Nachbesserungsbedarf. Der rot-grüne Antrag geht hierbei zwar in die richtige Richtung, geht in einigen Punkten allerdings nicht weit genug.
So verlangt zum Beispiel die UN-Behindertenrechtskonvention, dass Barrierefreiheit als gesellschaftliche Aufgabe und nicht als individuelles Schicksal wahrgenommen wird. Um es kurz zu machen, sage ich: Behindert ist man nicht, behindert wird man.
Das muss sich aber auch bei der Finanzierung der Eingliederungshilfe bemerkbar machen. In dem Fall darf es keine Einkommensgrenzen geben. Alles andere würde die UN-Behindertenrechtskonvention nicht umsetzen.
Am 23. September befasste sich der Bundesrat mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung und gab eine Stellungnahme an den Bundestag ab.
Anscheinend war der rot-grüne Antrag jetzt nötig; denn vieles von dem, was wir in dem Antrag lesen, war in der Stellungnahme des Bundesrats nicht enthalten. Also offensichtlich muss hier die Landesregierung von den sie tragenden Fraktionen zurechtgewiesen werden. Das ist ein schon recht einmaliger Vorgang. Aber vielleicht wird sich die Landesregierung dann im Bundesrat demnächst anders verhalten; denn das Gesetz ist zustimmungspflichtig. Gerade deshalb werden auch wir diesem Antrag zustimmen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Wir freuen uns, dass es nun endlich das viel versprochene Wasserstraßen-, Hafen- und Logistikkonzept des Landes gibt. Verständlicherweise musste man erst einmal auf den Bundesverkehrswegeplan aus Berlin warten. Man will sich ja nicht mit den Bundeskollegen anlegen und etwas planen, was denen nicht passt und was man ergo ohnehin nicht erreichen kann. – Aber Schwamm drüber!
Es liest sich alles sehr hübsch – mit ein paar Einwendungen allerdings. Ich bin mir durchaus im Klaren darüber, dass die Landesregierung hier unterschiedlichste Interessen und Zuständigkeiten zu berücksichtigen hatte. Aber ist das wirklich ihr Konzept, ein Marschplan in die Zukunft? Das Land ist nur für einen marginalen Teil der angesprochenen Gegenstände unmittelbar verantwortlich. In vielen Fällen bleibt bloß der schwache Appell an Berlin oder an die Kommunen in der Hoffnung auf Einsicht auch bei den Betreiberunternehmen. Aber das darf nicht heißen, dass das Land hier aus der Nummer raus ist.
Zum Beispiel wird im Konzept die Höhe der Brücken über die Kanäle als Entwicklungshemmnis für die Zweilagigkeit der Containerschifffahrt benannt. Ja, viele Kanalbrücken müssten erhöht und nachgerüstet werden. Aber schon stellt sich da die Frage: Gibt es belastbare Planungen und Konzepte, wer soll das bezahlen, und wie will das Land das steuern?
Immerhin gibt es einige Kanalbrücken, die Kommunen gehören, die selbst kein Containerterminal betreiben. Für diese Kommunen lohnt sich unter Kosten-Nutzen-Aspekt eine Erhöhung nicht, weil sie sie finanzieren müssen. Die finanzielle Situation der Kommunen ist ja nun, wie wir wissen, nicht gerade die beste. Wer finanziert die Erhöhung dieser Brücken? Gibt es irgendwo eine Antwort? Ich weiß es nicht. Nirgendwo konnte ich das finden.
Ähnlich fruchtlos ist das Thema „Liegeplätze und verfügbare Hafenflächen“. Das sind veritable Entwicklungshemmnisse, wenn das Ziel ein verstärkter Transport über Wasserstraßen sein soll.
Sehr dezent wird in dem Konzept angedeutet, dass zu unserem Leidwesen Berlin nur auf die deutschen Seehäfen zu setzen scheint, wo wir doch kanaltechnisch und rein geografisch auf die europäischen Nachbarhäfen Zeebrugge, Antwerpen und Rotterdam angewiesen sind und sein werden; denn kaum einer wird, wenn er aus Richtung Atlantik kommt und nach NRW möchte, den Umweg über Hamburg oder gar Rostock machen wollen.
In den Niederlanden und Belgien hat man längst die notwendigen Maßnahmen für den Hafenhinterlandverkehr nach NRW getroffen. Nur wir kommen dank Berlin nicht aus den Puschen, und unsere Regierung traut sich aus parteipolitischen Gründen nicht, auf den Hafenmauerputz zu hauen.
Selbst ohne unsere Benelux-Verquickung: Ein Großteil unseres Wassergüterverkehrs ist NRW-intern. Auch dafür brauchen wir funktionsfähige Schleusen und Kanäle.
Wenn die Binnenschifffahrt auch in Zukunft eine Chance haben soll, dann braucht sie kompetenten Nachwuchs. Auch da hapert es. Die digitale Infrastruktur für den Bildungs- und Kommunikationsbereich unserer Binnenschifffahrt muss sichergestellt werden. Auch das liegt durchaus im Handlungsbereich unserer Landesregierung.
Nicht überall hat Berlin den Schwarzen Peter – auch wenn man weiß, dass Herr Dobrindt natürlich aus einem Bundesland kommt, in dem die Binnenschifffahrt eher eine untergeordnete Rolle spielt. Dort gibt es zwei oder drei Schiffchen vielleicht auf dem MainDonau-Kanal. Da muss man eben mehr nachhaken.
Ebenso entscheidend ist, dass es da manchmal auch Konflikte zwischen den Kommunen gibt. So halten die HGK und die SPD nach wie vor am Ausbau des Godorfer Hafen und am Bau eines Container-Terminals fest. Gleichzeitig will aber ein privater Investor jetzt ein Container-Terminal direkt auf der anderen Rheinseite gegenüber bauen, nämlich auf dem Evonik-Gelände in Lülsdorf.
Dazu kommt jetzt, dass im Bundesverkehrswegeplan an genau dieser Stelle jetzt eine Brücke vorgesehen ist. Diese Brücke könnte letztendlich Containerkränen im Weg stehen. Da muss eben sorgfältig geplant werden. Man müsste eventuell eine Erweiterung vorsehen; denn im Rhein-Sieg-Kreis ist auch eine Schienenanbindung vorgesehen, über die neue Brücke bisher noch nicht.
Herr Minister Groschek, Sie haben den Luftverkehr erwähnt. Da warten Sie ja auf das Konzept des Bundes. Darauf werden wir wahrscheinlich noch mehr als eine weitere Legislaturperiode warten müssen; denn der Bund wartet auf einen Eröffnungstermin von BER, statt zweigleisig zu planen. Da steht noch alles in den Sternen. Mittlerweile pfeifen es doch die Spatzen von den Dächern: Die neu gebaute Entrauchungsanlage dort ist wohl weiterhin nicht genehmigungsfähig.
Herr Voussem, Sie erwähnten das Ausbaggern des Rheins. Das Problem ist: Ausbaggern nützt reichlich wenig; denn dadurch kommt nicht mehr Wasser runter. Was Sie unten freilegen, fehlt dann oben. Wenn der Wasserstand ohnehin niedrig ist, wie es im letzten Jahr der Fall war, ist die Fahrrinne ohnehin schon
schmal. Sie können also hier auch nichts durch eine schmalere Fahrrinne kompensieren. Und in diesem Jahr haben wir genug Wasser; da muss man nichts ausbaggern. – Vielen Dank.
Herr Kollege Hovenjürgen, Sie sprechen von gemeinsamen Standards. Ist Ihnen bekannt, dass es in den USA noch nicht einmal möglich ist, gemeinsame Standards zwischen den 50 amerikanischen Bundesstaaten zu schaffen gerade in den für unsere Industrie wichtigen Bereichen, etwa Automobil- und Maschinenbau? Wie soll es dann im TTIP möglich sein, wenn die amerikanische
Bundesregierung nicht durch TTIP in diese Kompetenzbereiche der Staaten hineinregieren kann?
Hat die Landesregierung einmal abgeschätzt, wie hoch die volkswirtschaftlichen Effekte der Flughäfen in Weeze, Dortmund, Paderborn, Siegerland und Münster sind?
Ist die Landesregierung der Auffassung, dass ein dynamisches Wachstum des Luftverkehrs in NRW vor dem Hintergrund der zurückhängenden wirtschaftlichen Entwicklung wichtige Impulse setzen kann?
Guten Tag, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Liebe FDP, ich selbst habe noch kein H-Kennzeichen,
auch wenn ich nicht gerade das neueste Modell fahre. Das liegt aber daran, dass ich in der gesetzlichen Krankenversicherung bin; die private will mich ja nicht, bzw. der bin ich zu teuer.
Sie haben da ein richtig schönes Lobbystück ausgegraben. Das passt recht gut zu unserem Antrag, ein Lobbyregister einzuführen, den wir gestern behandelt haben, von dem Sie nicht allzu begeistert waren. Jetzt wissen wir, warum. Der Kollege Beu hat es schon gesagt.
Oldtimer sind ein recht teures Hobby. Und man bekommt schon diverse Vergünstigungen. Wer ein HKennzeichen hat, bekommt Steuervergünstigungen. Er kann in Umweltzonen parken, obwohl die Fahrzeuge aufgrund ihrer betagten Maschinen teilweise doch ziemliche Stinker sind. Es gibt noch diverse andere Vergünstigungen. Daher ist es nicht einzusehen, warum noch mehr Vergünstigungen gewährt werden sollten, zumal nicht alle Oldtimer so liebevoll gepflegt werden, wie einige Kollegen schon erwähnt haben.
Deswegen stehen wir dem Antrag recht skeptisch gegenüber und werden das im Ausschuss auch deutlich zur Sprache bringen. Der Überweisung an den Ausschuss stimmen wir selbstverständlich zu. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bürger und Freunde zu Hause und unterwegs! Heute geht es um den Ausbau des ÖPP, auf Neudeutsch auch gerne Public-private-Partnership genannt, abgekürzt PPP. PPP? Da war doch was? Ja, genau: PPP – Pleiten, Pech und Pannen. Das passt wie die Faust, Pardon, wie der Reifen ins Schlagloch. Und ich meine diese Schlaglöcher auf der A1 und nicht nur die in Niedersachsen. Wir haben ja genügend eigene auf unserem Teilstück, dem PPP-sanierten Teilstück der A1 in der Nähe der Landesgrenze zu Niedersachsen.
Das ist aber irgendwie komisch. Da wird für viel Geld – deutlich mehr, als es die öffentliche Hand in Eigenregie kosten würde – in PPP ein Teilstück einer überlasteten Autobahn ausgebaut und saniert. Und kaum ist dieser Ausbau beendet, darf sich das Land nicht nur mit dem Bauunternehmen, sondern auch mit den PPP-Gesellschaften darüber streiten, wie all diese Schlaglöcher, Risse und was auch immer in diesem Teilstück saniert werden und wer die Kosten hierfür übernimmt. Die Einzelheiten dieser PPPGeschichte sollten Ihnen ja geläufig sein.
Wo früher der auftragnehmende Generalunternehmer in Haftung und Pflicht stand und für das Land der einzige Ansprechpartner und notfalls Gegner vor Gericht war, steht jetzt noch eine Instanz dazwischen. Das ist – ironisch formuliert – ökonomisch sicherlich außerordentlich sinnvoll, keine Frage.
„Fein, aber wir profitieren doch von der PPP“, meint zumindest die CDU. – Äh, Moment mal, wo denn bitte genau?
Ach, übrigens noch etwas Brisantes: NordrheinWestfalen ist das Bundesland mit den ausgedehntesten Mafia-Strukturen und den daraus resultierenden Problemen. Und der Bausektor ist traditionell – nicht nur im Herkunftsland der Ehrenwerten Gesellschaft – ein klassischer Spielplatz dieser zu uns importierten kriminellen Strukturen. Mit den immer stärker verschachtelten Gebilden zur Finanzierung und zum Betrieb ist er ein optimales Versteck für Aktivitäten wie Geldwäsche, Korruption und geplanten Pfusch am Bau. Wer hier eine Brücke zurück auf die A1 schlägt, ist ein böser Wicht! Berlusconis Freunde lassen Sie grüßen, werte CDUler!
Wenn also Kollege Voussem behauptet, in unserem Bundesland fehle es an der Umsetzung der PPP,
dann freue ich mich, dass ich dazu beigetragen habe, ihm ein wenig zusätzliche Sachkenntnis vermittelt zu haben.
Herr Kollege Rasche, ich stimme Ihnen zu: Wir brauchen mehr Transparenz. Aber Transparenz muss doch auch dann gegeben sein, wenn ein Projekt nicht mittels PPP finanziert werden kann. Insofern muss es für Transparenz auch Lösungen ohne PPP geben. Da kann PPP nicht der alle seligmachende ultimative Transparenzgedanke sein. Es muss auch anders gehen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger zu Hause oder unterwegs! Gerade eben haben wir schon einen Antrag zum Thema „Videoüberwachung“ behandelt. Er wurde natürlich abgelehnt. Aber wofür wäre dieses Hohe Haus noch gut, wenn es nicht immer wieder ausführlich über die gleichen Dinge diskutieren müsste?
Daher hier noch einmal ein paar Fakten, die von meinem Kollegen Herrmann nicht erwähnt wurden: Bereits vor ziemlich genau zehn Jahren begann in unserer Bundeshauptstadt genau so ein Projekt, wie es die Kollegen der CDU heute fordern. Darüber wurde im selben Jahr eine Studie erstellt, die derart verheerend ausfiel, dass sie versteckt wurde und die Veröffentlichung gerichtlich eingeklagt werden musste.
Ganz kurz gefasst lautet das Ergebnis dieser Studie wie folgt: Videoüberwachung bringt keinerlei zusätzliche Sicherheit, eher das Gegenteil. Denn die Bürger verzichten a) darauf, selber aktiv zu werden, weil sie sich auf die Kameras verlassen, und b) erstatten Angestellte mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung Anzeige, weil auch sie sich auf die Kameras verlassen. Die Kameras sind – wie bereits ausgeführt – zur Vermeidung oder gar Verhinderung von Straftaten sinn- und nutzlos, weil die Bilder so gut wie nirgendwo in Echtzeit beobachtet, sondern überwiegend nur aufgezeichnet werden.
Allerdings haben wir ausgerechnet in Köln ein sehr seltenes Beispiel für den Nutzen der Videoüberwa
chung. Eine Fahndung aus dem Februar 2015, die im April 2015 von der Kölner Polizei mit Bildern aus der Videoüberwachung in die Fahndung gegeben wurde, war erfolgreich. Nach Auskunft der zuständigen Stelle der Polizei Köln konnte ein Tatverdächtiger aufgrund der Lichtbilder erkannt werden. Dieser wurde bei der Polizei Köln als Intensivtäter geführt. Ein weiterer Täter wurde ebenfalls ermittelt. Beide Täter sind rechtskräftig zu Jugendstrafen auf Bewährung verurteilt worden. – Wir freuen uns natürlich, dass die Ausnahme von der Regel auch einmal funktioniert hat.
Dazu möchte ich jedoch ein Zitat eines bundesweit bekannten Experten und Kollegen aus dem schleswig-holsteinischen Landtag vortragen, der sich auch schon vor längerer Zeit mit diesem Thema befassen musste. Patrick Breyer – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin – sagte am 2. August 2014:
„Nach Angaben der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft (LVS) wurden 2012 in den Nahverkehrszügen in Schleswig-Holstein insgesamt knapp 53 Millionen Fahrgäste befördert. Die Bundespolizei zählte im gleichen Jahr 64 Gewaltdelikte in Schleswig-Holsteins Zügen. Also liegt das Risiko, hierzulande im Zug Opfer einer Gewalttat zu werden, bei 1:800.000. Das entspricht etwa der Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden.“
Fairerweise muss ich zugestehen, dass die Wahrscheinlichkeit in NRW wohl höher wäre. Sie läge bei etwa 1:750.000.
Das aber ist noch lange nicht alles. Die verfügbaren deutschen Statistiken – unter anderem aus Bayern – zeigen die Ineffizienz der Videoüberwachung. Eine Studie des britischen Innenministeriums, die 13 verschiedene öffentliche Videoüberwachungssysteme in Großbritannien abdeckte, ergab, dass nur in einem einzigen Fall die Videoüberwachung zu einem signifikanten Rückgang der Kriminalität im überwachten Bereich führte. In London stieg die Kriminalitätskurve sogar trotz oder wegen der Überwachung stetig, weil einige Gruppen von Tätern Wert auf Selbstdarstellung legen.
Wiederum in Schleswig-Holstein waren Wirtschaftsunternehmen – die traditionelle Klientel der CDU –, die im ÖPNV aktiv sind, wesentlich intelligenter als die sie vertretende Partei. Sie haben aufgrund der rechtlichen Probleme sowie der Sinnlosigkeit darauf verzichtet, in neu eingeführten Verbindungen überhaupt Überwachungstechnik einzusetzen.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung klar formuliert, dass der Schutz vor lückenloser Überwachung zur deutschen Verfassungsidentität gehöre, die selbst im europäischen Einigungsprozess nicht aufgegeben werden dürfe.
All das ist aber klar erkennbar völlig spurlos nicht nur an den werten konservativen Kollegen vorbei
gegangen, sondern auch an den Herren der FDP, die sich mit dem Entschließungsantrag auf das populistische Trittbett geschwungen haben. Trotzdem: In dem FDP-Antrag liegt der Schwerpunkt auf mehr Sicherheitspersonal. Das entspricht auch unserer Forderung. Deswegen werden wir uns bei diesem Antrag der Stimme enthalten. Den CDU-Antrag lehnen wir ab. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich frage mich – und das nicht erst seit dieser Haushaltsberatung –: Welche Verkehrspolitik ist das eigentlich, die von der Landesregierung betrieben wird? Will die Landesregierung nun wirklich die Verkehrswende, oder will sie sie nicht? Macht sie ernst mit dem Klimaschutzplan, oder traut sie sich doch nicht? Stellt sie die richtigen Weichen für eine nachhaltige Verkehrs- und Mobilitätspolitik, oder bleibt sie bei Floskeln ohne Überzeugung?
Ich weiß aber definitiv: Draußen im Land geht die Verkehrsinfrastruktur weiter vor die Hunde. Von desolaten Brücken und Straßen hören und lesen wir täglich.
Aber was ist denn mit öffentlichen Personenverkehren? Wer kümmert sich um Stadtbahnsysteme? Da lese ich, dass Essen nun „Grüne Hauptstadt Europas“ wird. Mein Glückwunsch!
Aber reden wir von dem Essen, dessen Nahverkehrssystem täglich kollabiert, dem Essen, das ein kommunales Verkehrsunternehmen mit weiteren Kürzungen von 10 bis 20 Millionen € bedroht?
Und was höre ich da aus unserem Ministerium? – Man wolle sich nicht an einem Bundesverkehrsminister verbeißen, der längst entschieden habe, dass wichtige Verkehrsinfrastrukturprojekte als sogenannte öffentlich-private Partnerschaften ausgeführt werden müssen oder überhaupt nicht. Wie nennt man so etwas im Juristendeutsch?
Unser Landesbetrieb Straßen.NRW wird immer wieder hingestellt als ein Hort der Unfähigen – erst DEGES, dann Bundesbehörde, unterwegs Umstrukturierung. Das alles wird begleitet von Lobeshymnen auf die Leistungsfähigkeit von Straßen.NRW. Das hört sich so an, als würde Frau Dr. Merkel ihr vollstes Vertrauen aussprechen.
Wenn der Minister den Landesbetrieb gegen Angriff von Schwarz-Gelb wortreich verteidigt, dann muss sich das auch im Handeln der Regierung niederschlagen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Die CDU gefällt sich ein weiteres Mal darin, das hohe Lied der sogenannten ÖffentlichPrivaten-Partnerschaft zu singen, und sie will Autobahnen. Hätten wir nicht gerade erst eine Anhörung zu dem Thema durchgeführt, ich würde denken, die CDU weiß es halt nicht besser. Aber nach der Anhörung müsste sogar die CDU begriffen haben: ÖPP bietet keinen natürlichen Vorteil gegenüber konventioneller Vergabe. Nur solche Organisationen, die von ÖPP profitieren, können Vorteile erkennen. Was für eine Überraschung! Alle anderen Organisationen können dem nichts abgewinnen.
Es gibt so viele Kritikpunkte, dass ich bisher davon ausgegangen bin, dass selbst die strukturkonservative CDU-Fraktion diese nicht einfach ignorieren kann. Aber doch! Sie kann es. Sie bedient routiniert die Interessen einer kleinen Gruppe von Profiteuren und opfert dabei den gesunden Menschenverstand und die politische Sauberkeit auf dem Altar privatwirtschaftlicher Interessen.
Um es kurz zu machen: ÖPP-Projekte kommen die Bürger teuer zu stehen. Sie bieten weder höhere Kostensicherheit noch höhere Planungssicherheit als konventionell betriebene Infrastrukturprojekte.
Dass die öffentliche Hand ein Liquiditätsproblem hat, das sie beinahe nötigt, auf privates Kapital zurückzugreifen, das hat nichts mit irgendwelchen Vorteilen von ÖPP zu tun, sondern mit den Ergebnissen der politisch gewollten und durchgesetzten Schuldenbremse und natürlich der über alle Regierungsfarben hinweg betriebenen Steuerentlastung der hohen Einkommen und Vermögen.
Dass dieses so generierte frische Kapital jetzt angesichts schwieriger Anlagebedingungen auf der Suche nach rentierlichen Projekten ist, das liegt auf der Hand. Die CDU macht sich ein weiteres Mal zum Handlanger dieser Clique. Die CDU im Gespann mit der langweiligen FDP macht sich zum Sprachrohr dieser Einzelinteressen, während SPD und Grüne ganz andere politische Prioritäten setzen. So einfach ist es leider nicht.
Es ist schon fast Herrn Groscheks Glücks, dass er von Herrn Dobrindt vorhersehbar genötigt werden wird, die A1 als ÖPP-Projekt durchzusetzen. Das muss er nämlich dann machen und kann weiterhin herausposaunen, dass er das ja eigentlich gar nicht will. In Wirklichkeit hat er schon längst die entlarvende Sprachformel von der unideologischen Einzelfallprüfung gefunden. Die SPD und ihre Minister haben sich schon längst von einer fundamentalen Ablehnung von ÖPP-Projekten verabschiedet. Da braucht man keinen Wolfgang Clement und keinen Peer Steinbrück mehr. Das schafft die aktuelle Landesregierung auch alleine, und die Minister Groschek und Duin müssen sich gar nicht streiten.
Ohne ÖPP leiht sich der Bund auf den Finanzmärkten Geld und baut damit Straßen. Ein ÖPPUnternehmen steht dann als zusätzliche Instanz dazwischen, die nur weitere Kosten verursacht. Ein Gutachten des Bundesrechnungshofes – also nicht von irgendwem – kam zu dem Schluss, dass die Großprojekte um Milliarden teurer wurden, als sie es bei konventioneller Finanzierung gewesen wären.
Ergo: ÖPP ist eine Verschwendung öffentlicher Mittel. ÖPP ist eine Privatisierung öffentlichen Vermögens. ÖPP ist eine Umgehung der Schuldenbremse durch diejenigen, die sie erst durchgesetzt haben, ein lausiger Buchhaltungstrick zum Schaden des Landes.
Daher lehnen wir den vorliegenden Antrag entschieden ab. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Vorne weg: Auch wir werden diesem Antrag zustimmen.
Das mag Sie überraschen. Denn bisher gab es kaum Anlass dafür, Anträgen der CDU zum Straßenbau zu folgen. Im Grunde sind die meisten Anträge der CDU hierzu nicht einmal ernst zu nehmen. Insofern unterscheidet sich dieser Antrag kaum von früheren, aber er fordert halt nichts Falsches. Die Piraten werden also mal über ihren Schatten springen.
Worum geht es eigentlich? Die CDU stellt – für alle Anwesenden natürlich total überraschend – fest, dass wir in Nordrhein-Westfalen ein Problem mit unserer Straßeninfrastruktur haben. Dann folgt das unvermeidliche Loblied auf den Bundesverkehrsminister, der in seiner unendlichen Güte weitere Mittel zur Verfügung stellen will, auf dass die Straßen in diesem Lande wieder in einen vernünftigen Zustand versetzt werden.
Dass wir beschließen sollen, dass wir das begrüßen, ist wenig zielführend. Irgendwie fühle ich mich auch nicht besonders wohl bei dem Gedanken, qua Beschluss Mitglied des Alexander-Dobrindt-Fanclubs zu werden. Aber die Mitgliedsgebühren sehen ja erst einmal gar nicht so unattraktiv aus. Also: Was soll‘s? Die von Ihnen versprochenen Milliarden hören sich ja nicht schlecht an, auch wenn damit noch lange nicht alles finanziert werden könnte, was repariert werden muss.
Wie viel davon dann aber auf NRW entfällt, bleibt jedoch abzuwarten.
Der Bundesverkehrsminister hat da so seine ganz eigenen Vorstellungen von gerechter Verteilung auf die Länder und die Wahlkreise. Herr Kollege Breuer hat es ja schon erwähnt: In seinem eigenen bayerischen Wahlkreis wird schon ein Tunnel geplant, der die grasenden Kühe vor unangenehmen Emissio
nen schützen soll. Dieser Tunnel wird im Volksmund nach ihm benannt.
Ich gestehe: Da habe ich dann doch Schwierigkeiten, dem Fanclub beizutreten.
Aber darum geht es eigentlich nicht. Es geht darum, dass wir uns über kaum eine Sache einiger sind als darüber, dass die NRW-Straßeninfrastruktur saniert werden muss und dass dafür Bundesmittel in genügender Höhe zur Verfügung gestellt werden müssen.
Dass dafür auch Planungsreserven aufzubauen sind, ist sogar schon bei der Landesregierung angekommen. Das Verkehrsministerium hat schon längst entsprechende Schritte unternommen.
Gleichwohl bleibt die Forderung richtig, auch wenn sie, nun ja, ein wenig geschichtsblind daherkommt. Wer hat denn noch mal schnell vor allem beim Landesbetrieb Straßen.NRW Personal in großen Mengen abgebaut? – Genau, das dürfen sich CDU und FDP auf die Fahnen schreiben. Übrigens, das ist ein gutes Beispiel für die ziemlich kurzsichtige Lust, Geld zu sparen, das hinterher doppelt ausgegeben werden muss. Die schwarze Null kommt uns noch teuer zu stehen.
Der damals verantwortliche NRW-Verkehrsminister hieß übrigens Oliver Wittke,
der ja bekanntermaßen besonders interessiert an hochgeschwindigkeitsgeeigneten Straßen ist und seit einiger Zeit nur noch Wahlkampfmodus kann.
Die FDP hält sich sowieso aus jeder inhaltlichen Debatte raus, weil sie Angst hat, aufs falsche Pferd zu setzen und so 2017 auch aus diesem Landtag zu galoppieren. Aber noch mal: Was soll’s?
Der Antrag benennt nichts Neues und ist überflüssig wie ein Schlagloch. Er bleibt bei Altbekanntem. Er vergisst die unrühmliche Rolle der alten schwarzgelben Landesregierung.
Er bezieht nicht kritisch Stellung zur total eigennützigen Politik des Bundesverkehrsministers, aber er fordert auch nichts, was nicht von allen unterschrieben werden kann.
Deshalb sind wir Piraten heute großzügig und machen uns kein bisschen lustig über diesen Antrag und seine Prosa. Wir sagen: Ja, lasst uns Bundesmittel für dringend notwendige Sanierungen akquirieren. Lasst uns dies tun, bevor wieder ein Sachzwang dann dazu missbraucht wird, demokratische
Rechte der Beteiligung auf dem satanischen Altar des „Basta“ zu opfern.
Kurz: Wir stimmen diesem Antrag zu und wollen jetzt aufhören, unsere Zeit mit unnötigem Zeug wie diesem Antrag weiter zu verschwenden. – Vielen Dank.
Verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kollegen und Kolleginnen und natürlich Bürger und Freunde im Stream! Ich bin der vorletzte Redner beim letzten Tagesordnungspunkt des letzten Tages der letzten Plenarsit
zung vor den Sommerferien – also nicht ganz der Letzte.
Eigentlich sollte bei meiner Rede auch eine dezente Hintergrundmusik laufen – so etwas wie „In the Summertime“ von Mungo Jerry oder auch „Splish Splash“ – von wem war das gleich wieder?
Aber egal, ich heiße Sie herzlich Willkommen zu einem Jubiläum, der fünften Edition der Düsseldorfer Wasserspiele, passend zum Beginn eines hoffentlich schönen und heißen Sommers. Diese Wasserspiele der Binnenschifffahrt haben ja schon eine Geschichte; sie geht weit zurück, bis in die letzte Legislaturperiode.
Soweit ich diese Geschichte ausgegraben habe – ich bin leider kein Historiker oder Archäologe –, beginnt sie im November 2010 mit dem Antrag 15/544 von SPD, Grünen und der FDP, der auch mit deren Stimmen beschlossen wurde. Nur die CDU hat abgelehnt.
Darauf folgten die Anträge Drucksachen 15/1912 und 15/2850 der Linken vom Mai und September 2011, die zwar nur den Duisburger Hafen betrafen, jedoch wegen der vorzeitigen Auflösung des Landtags nicht mehr behandelt wurden.
Dann kam der Antrag Drucksache 16/3226 vom Juni 2013 – also vor zwei Jahren – von der SPD, den Grünen, mitgetragen von uns, der mit den Stimmen der Antragsteller beschlossen wurde. CDU und FDP stimmten dagegen.
Im Juli 2013 erschien dann die FDP mit einem zwar anders formulierten, inhaltlich jedoch praktisch identischen Antrag, Drucksache 16/3450, auf der Tagesordnung – nur einen Monat, nachdem sie genau dieses Thema abgelehnt hatte.
Im September 2013 tauchte dann der Antrag Drucksache 16/4015 aus den Fluten, gestellt von der SPD und den Grünen. Offensichtlich waren die Kollegen richtig erfrischt aus den Parlamentsferien zurückgekommen. Doch diese beiden Anträge wurden nicht behandelt.
Sie wurden dann – nach nur einem Jahr – zugunsten des gemeinsamen Antrags aller Fraktionen Drucksache 16/6854 vom September 2014, der einstimmig angenommen wurde, ad acta gelegt. Das ist nun fast wieder ein Jahr her.
Und prompt taucht wie ein Schachtelteufel wieder ein Antrag der FDP, der Antrag Drucksache 16/8993, zu diesem Thema auf.
Meine Damen und Herren, werte Kollegen, mit all dem Wasser, das in diesen fünf Jahren den Rhein, dem größten Fluss Deutschlands und einem der größten Europas, heruntergeflossen ist, sollten die Bürger Ihnen, werte Kollegen, einmal anständig den Kopf waschen. Denn passiert ist in all den Jahren nämlich exakt nichts.
Nichts, nada, niente, rien, nothing, Herr Minister Groschek.
Unabhängig davon, dass die FDP sich einmal entscheiden sollte, was sie politisch in diesem Themenbereich eigentlich will, denke ich, dass es nun nach fünf Jahren endlich an der Zeit wäre, nicht mehr wie alte, unnütze Bojen in irgendeinem aufgegebenen Hafenbereich herumzudümpeln, sondern einmal Dampf auf die Kessel zu geben und Fahrt aufzunehmen. Sonst kommen am Ende noch irgendwelche Piraten und entern dieses traurige sinkende Schiff.
Mit dieser Wasserbombe wünsche ich Ihnen angenehme Sommerferien. – Vielen Dank.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich könnte jetzt hier zum 300sten Mal anprangern, wie desolat unsere Verkehrsinfrastruktur ist, und viele Statistiken zitieren und Milliarden fordern. Das haben wir aber schon oft genug gemacht; das werde ich heute hier nicht tun.
Herr Kollege Rasche, es mag sein, dass man in den Niederlanden die Gigaliner als „Ökoliner“ bezeichnet. Das könnte zwar von „Ökologie“ kommen, aber das ist nicht der Fall, denn sie reichen in der Umweltbilanz natürlich weder an die Bahn noch an das Schiff heran.
Die Bezeichnung könnte aber auch von „Ökonomie“ stammen. Wenn man diese Bezeichnung in dem Zusammenhang auf eine kleine Gruppe, nämlich auf die Betreiber, bezieht, könnte sie zutreffen. Aber insgesamt, wenn man die zusätzlichen Kosten für den Erhalt von Straßen und Brücken dazurechnet, die die Gigaliner verursachen, stellt man fest, dass sie für die Volkswirtschaft vielleicht nicht mehr so ökonomisch sind.
Es geht nicht nur um die Bundesregierung und die Union mit ihrer durchschaubaren Interessenpolitik, sondern ich muss alle Parlamentarier anklagen, die jahrzehntelang den bequemeren Weg des „Augen zu und durch“, des „Nach mir beziehungsweise nach Ende der Legislatur die Sintflut“ oder des „Der Verkehr ist ein stinkender CO2-Verursacher; davon wollen wir am besten gar nichts haben“ gegangen sind und dies alles verursacht haben. Die kann ich anklagen.
Nein, unsere Verkehrswege, unser Verkehr – ich denke da weiß Gott nicht nur an die seit den 30erJahren umschwärmte Autopower der Deutschen –
sind das lebensnotwendige Kreislaufsystem unserer Industrienation. Wäre das anders, stünde unsere Industrie in ökologisch-biologisch-dynamischen rheinischen Urwäldern. Klartext: Wir brauchen funktionsfähige Verkehrswege, um unseren Wohlstand zu erhalten.
Ja, bei allem typisch deutschen Gejammere: Wir leben hier noch vergleichsweise komfortabel. Aber dafür brauchen wir eben auch unsere liebgewonnenen und teuren Brücken.
Generationen von Politikern haben es gezielt verschlafen, Rücklagen für Wartung und Ersatz anzulegen. Jeder Autofahrer kennt das Problem: Wenn seine Kiste in die Jahre kommt, wird jeder Werkstattbesuch zum Opfergang, und der TÜV hängt wie ein Damoklesschwert über dem Autobesitzer. Genauso hängt es über uns Brückenbesitzern.
Ja, es sind unsere Brücken. Das sage ich bewusst auch den Zuschauern auf der Tribüne und im Stream: Die gehören uns allen, uns Steuerzahlern, und das soll auch so bleiben. Wir wollen nicht zurück ins Mittelalter mit einem Wegezoll oder einer Maut an jeder Ecke – elektronisch, mit Datensammelwut, wie auch immer.
Der Vorwurf der verkehrspolitischen Vogel-StraußPolitik richtet sich gezielt an Berlin und auch an Bonn – so weit geht das zurück. So blöd ist kein Techniker, Planer oder Ingenieur, dass er nicht vorausgesehen oder berechnet hätte, wann der Verkehrsinfarkt infolge des veralteten Materials einsetzt.
Klar, ich kann gut die Klappe weit aufreißen, denn ich trage erst seit kurzer Zeit die Verantwortung für das Land mit. Aber auch ich trage Schuld, nämlich als Wähler. Die Piraten konnte ich ja erst seit 2009 wählen.
Wie kommen wir aus diesem Infrastrukturschlamassel heraus? – Die Daehre-Kommission hat unwiderlegbar nachgewiesen, wie viele Milliarden wir für unsere existenzsichernde Infrastruktur lockermachen müssen – statt für die Rettung der Dividenden von Bankaktionären. Nachdenken ist hier erlaubt, werte Kollegen.
Berlin entscheidet in letzter Konsequenz, wie viel uns die Rettung unserer Verkehrsinfrastruktur wert sein darf. De facto haben wir in NRW eine GigaKoalition: Schwarz-Rot-Grünlich. Minister Groschek rührt die Trommel der NRW-Empörung, derweil sein Parteikollege Gabriel in Berlin in eine gefährlich andere Richtung arbeitet, leider nicht nur in Verkehrsfragen. Wie auch sonst erbuckelt man sich das „vollste Vertrauen der Kanzlerin“?
Wir brauchen gerade im Bereich des Verkehrswegebaus eine wirklich demokratische, transparente Politik. Denken Sie an die Milliarden, die dort bewegt werden. Kein Wunder, wie dort Begehrlichkei
ten wunderschöne, berückende Sumpfblüten treiben. Das ist aber ein anderes Thema demnächst hier in diesem hochnoblen Theater. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer am Stream und auf der Tribüne! Wir begrüßen den hier vorliegenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion und wundern uns. Worüber? Offensichtlich hat jetzt die FDP in Nordrhein-Westfalen die Regierung übernommen, zumindest wenn man sich diesen Gesetzentwurf ansieht. Der hätte nämlich eigentlich von der Landesregierung kommen müssen.
Eigentlich – wobei zu fragen ist, ob damit die Landesregierung nicht ein Eingeständnis ihrer eigenen Untätigkeit geliefert hätte. Eigentlich schon. – Also, liebe Landesregierung, Sie sind nach wie vor im Amt. So etwas würden Sie nie, aber auch niemals tun.
Fakt ist: In zwei Jahren – seit dem entsprechenden Beschluss vom Juni 2013 – hat es die Landesregierung nicht auf die Reihe bekommen, trotz diverser Ermahnungen, unter anderem der Ermahnung meines Fraktionskollegen Bayer vor ziemlich genau einem Jahr, im April 2014, einen erneuerten Entwurf des Landesentwicklungsplan vorzulegen. Wie üblich also großes Getöse, viele große Versprechungen und keine Ergebnisse. Diesmal sogar gar keine im Vergleich zu der heißen Luft, die in anderen Bereichen produziert wird.
Das muss man wohl aber auch positiv sehen. Immerhin trägt die Regierung von Frau Kraft wenigstens hier nicht zur Erderwärmung bei. Legen wir dies also als einen zu vernachlässigenden Fall ab. Zur Planungssicherheit in diesem Bundesland trägt sie allerdings auch nichts bei. Das ist leider nicht zu vernachlässigen, sondern aufs Schärfste zu kritisieren.
Ein Hinweis noch an die Kollegen der FDP. Sie schreiben in Ihrer Begründung des Gesetzentwurfs: „… und es ist absehbar, dass bis Ende des Jahres 2015 ein Aufstellungsbeschluss für einen Regionalplan durch den RVR nicht gefasst werden wird.“ Das ist etwas missverständlich formuliert und kann sehr unterschiedlich verstanden werden. Vielleicht möchten Sie diese Passage ja umformulieren.
Dieser Gesetzentwurf wird aber wie üblich in die Ausschüsse verwiesen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuschauer am Stream und auf der Tribüne. Ich sehe, es sitzt noch einer auf der Tribüne. Zunächst hielt ich diesen CDUAntrag eigentlich für überflüssig, Beschäftigungstherapie für Abgeordnete. Denn haben wir nicht vor etwa einem Jahr über die Kompetenzzentren beraten und wurden nicht entsprechende Beschlüsse gefasst? – Für die behindertenspezifische Aus- und Weiterbildung der ehrenamtlich Tätigen leisten diese Zentren nämlich eine großartige Arbeit, da sie die im Antrag erwähnten Lotsinnen und Lotsen ausbilden. Das können sie am besten. Denn diese Lotsinnen und Lotsen sind sehr häufig selbst Menschen mit Behinderung.
Aber, die Forderung nach Ausbau der Erwachsenenbildung auch für Menschen mit Behinderung steht ja auch schon im Aktionsplan der Landesregierung. Im Ausschuss kann natürlich auch geprüft werden, ob die Landesregierung nicht ein wenig mehr hätte tun können, um diesen Aktionsplan auch umzusetzen.
Leider gibt es nur in der Begründung etwas Gutes, aber nicht in dem konkret abzustimmenden Beschluss, und zwar betreffend die Art und Weise, wie die Sozialämter mit Kosten für ehrenamtliches Engagement – nicht nur von Schwerbehinderten – allgemein umgehen. Es wurde ja schon gesagt, dass solche Kosten erstattungsfähig sind und nicht angerechnet werden sollen. Das geschieht aber oft.
Die CDU blockiert Klarstellungen, die man auf Bundesebene hätte vornehmen können. Da gab es schon mehrere Vorschläge. Gerade Ehrenamtler mit Behinderungen haben hier oft Mehrbedarf, der im Rahmen der Eingliederungshilfe erstattet werden könnte. Aber auch hier weigern sich die Kommunen. Die CDU-Forderung, einen Landesfonds für
solche Kosten aufzulegen, heißt im Klartext, das Land soll in letzter Konsequenz die finanziellen Verpflichtungen anderer übernehmen. Im Sozialgesetzbuch ist gar nicht vorgesehen, die Kosten hierüber abzudecken. Sinnvoller wäre es hier, das Sozialrecht zu ändern und gegebenenfalls die Mittel, die Sie für den Landesfonds vorschlagen, den Kommunen zur Verfügung zu stellen, damit diese nicht auf den Kosten sitzenbleiben.
Wenn die Landesregierung oder auch Frau Kraft persönlich nicht wollen, dass man ihr Engagement in Sachen UN-Behindertencharta als bloße Sonntagsreden bezeichnet, dann sorgen Sie bitte dafür, dass die Behörden angehalten werden, die von Ihnen gewünschte ehrenamtliche Arbeit nicht zu behindern.
Notfalls muss man auch vom Verfassungsgericht klären lassen, was am höchsten anzusiedeln ist: die UN-Charta, das Sozialgesetzbuch oder amtsinterne Durchführungsvorschriften der Sozialämter. Klarstellungsversuche auf Bundesebene sind hier, wie ich schon sagte, mehrfach auf den Weg gebracht worden. Aber die CDU-Kollegen in Berlin mauern. Der Ball liegt jetzt bei der Landesregierung. Bitte sorgen Sie dafür, dass ehrenamtliche Tätigkeit, speziell die Peer-zu-Peer-Beratung und das Lotsentum, nicht torpediert werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Verehrte Fahrgäste! Herr Schemmer, Herr Breuer, wenn ich bei Google „Groschek fordert“ eingebe, dann bekomme ich auch solche Treffer angezeigt, bei denen es zum Beispiel heißt „CDU fordert von Groschek“. Das kann man aber ausfiltern, indem man das Ganze in Anführungszeichen setzt. Dann bleiben immer noch etwa 3.000 Treffer übrig, bei denen Herr Groschek Forderungen an die Bundesregierung stellt.
Nun aber zur Verkehrspolitik: Unsere Brücken werden immer maroder. Selbst die leidgeprüfte NRWWirtschaft sieht sich schon wie im Fall Leverkusen gezwungen, Brandbriefe an die Landesregierung zu schreiben.
Aber immerhin wirft Herr Groschek nicht wie letztes Jahr 42 Millionen € weg, zumindest nicht in Gänze. Einen Teil davon schiebt er einer Gesellschaft in den Rachen, die der Landesregierung erklären soll, wie sie Geld auszugeben hat. Das ist ein tolles Tauschgeschäft angesichts der Tatsache, dass das so ziemlich das Einzige ist, was Regierung und Verwaltungsbehörden auch ohne Nachhilfe wirklich gut können. Da würde noch nicht mal interessieren, wie viele Straßenbauingenieure und Planer man für diesen Betrag einstellen und selbst zu einem übertariflichen Gehalt bezahlen könnte, den die DEGES nun wofür genau kassiert. Die DEGES hat ja offensichtlich eine seltsame Konstruktion in Art einer Superbehörde für Straßenbau und Verkehrsmanagement mit verschiedenen Ländern als Gesellschafter. Das ist weder Fisch noch Fleisch, weder öffentlich noch privat, die übliche Geldvernichtungsmaschine.
Aber eigentlich waren wir ja bei der Bahn, beim schienengebundenen Personennahverkehr. Der
explodiert, zumindest die Kosten des SPNV explodieren. Die Leistungsfähigkeit implodiert dagegen eher. Das wird wohl damit zu tun haben, dass der Bund über seine Eigentümerschaft an der Bahn hier die Länder abzockt, ohne Gegenleistungen zu erbringen.
Das ist dann sicher die Motivationshilfe für den Bürger, den ÖPNV zu nutzen, vor allem für diejenigen, die sich private Mobilität nicht leisten können und auf das Sozialticket angewiesen sind. Da zeigt die Landesregierung ja schon lange ihre soziale Seite und die umweltfreundliche gleich mit. Das kostet 30 €. Oh nein, Entschuldigung, das Sozialticket gibt es im Sonderangebot für nur 29,90 €, während im ALG II-Satz gerade mal eben 19,50 € vorgesehen sind und das für Menschen, die sich anders als wir hier für einen Hungerlohn knechten lassen müssen, der nicht zum Leben reicht und den sie bei den Jobcentern auf das Existenzminimum aufstocken lassen müssen, wenn sie überhaupt Arbeit haben. Für die zählt jeder einzelne Euro.
Jetzt kommt die Ausrede der Zusagen zur Regionalfinanzierung, die vom Bund und Herrn Schäuble nicht eingehalten wurden. Das wissen natürlich alle, dass Herr Dobrindt lügt wie gedruckt. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Nicht umsonst hält er das famose Gutachten geheim, wenn er sagt, das von ihm in Auftrag gegebene IGES-Gutachten würde belegen, dass eine Dynamisierung der Regionalisierungsmittel nicht erforderlich sei. Aber wer kann denn noch Aussagen des Bundesverkehrsministers ernst nehmen angesichts seines Hin und Her, Vor und Zurück bei der Pkw-Maut?
Aber das alles ändert ja nichts daran und ist weder Grund noch Entschuldigung dafür, dass diese Landesregierung die Verkehrsinfrastruktur und nicht nur den ÖPNV allgemein, sondern ganz besonders den schienengebundenen Verkehr verlottern lässt.
Deswegen werden wir gegen die Verabschiedung des Haushalts stimmen und fordern die Landesregierung dringend auf, den Einzelhaushalt deutlich nachzubessern. Sonst haben wir demnächst hier in Nordrhein-Westfalen nicht nur einstürzende Brückenbauten – ohne Musik –, sondern auch noch ein Total Derailing nicht nur bei der Landesregierung. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz besonders liebe
Bürgerinnen und Bürger – egal ob mit oder ohne Behinderung! Heute geht es um den vor knapp zwei Jahren beschlossenen Inklusionsplan der Landesregierung. Sie fragen sich nun vielleicht, warum ausgerechnet ich mich mit diesem Thema beschäftige und nicht ein im Fachbereich Soziales aktiver Kollege. Sollte das zutreffen, frage ich zurück: Wer, glauben Sie, könnte besser für dieses Thema geeignet sein als ein Mensch, der nicht nur selbst betroffen, sondern auch in den legislativen Prozess miteingebunden ist? Tatsächlich war es mir ein großes Anliegen, mich intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen und aus dieser Doppelrolle heraus dazu Stellung zu nehmen. Sonst werden die Betroffenen ja eher selten gefragt.
Die Landesregierung hat es nun nach „nur“ 23 Monaten tatsächlich geschafft, den neuen, im Juli 2012 beschlossenen Inklusionsplan vorzustellen. Ich vermute mal, dass sie sich einfach schämt und deshalb mit der Vorstellung dieses Werks so zögerlich war.
Natürlich war vor über einem Jahr, als der erste Termin überraschend abgesagt wurde, die Holzaffäre von enormer Bedeutung. Es mussten schließlich die besten Bretter herausgesucht werden. Fragen Sie mich aber um Himmels willen nicht nach deren Verwendungszweck. Das war ein willkommener Anlass, die Inklusion ins Tagesgeschäft zu inkludieren.
Dumm nur, dass in der vorletzten Plenarrunde ursprünglich die sogenannten Kompetenzzentren wie Kaninchen aus dem Zylinder auf die Tagesordnung hüpften; denn so hatte ich Gelegenheit, die regierende Koalition an ihr Versäumnis zu erinnern. Leise und verstohlen wurde die Vorstellung dieses Werkes dann wieder auf die Tagesordnung gesetzt und der Termin sogar auf den ersten Plenartag gelegt. „Honi soit qui mal y pense“: Es wäre wirklich nicht schön gewesen, wenn die Parlamentarier genügend Zeit gehabt hätten, sich mit diesem vergessenen Text auseinanderzusetzen.
23 Monate! In all dieser vergangenen Zeit wäre eine Förderung der Inklusion – vielleicht sogar in Kompetenzzentren – nicht nur möglich, sondern sogar sehr wünschenswert gewesen. Aber da ist dieser wunderschöne Inklusionsplan. Korrekt müsste man sagen: Dieses wunderschöne Inklusionsmärchen ist leider über seine eigenen Füße oder – besser gesagt – Lücken gestolpert. Dabei kann man noch nicht einmal von „Lücken“ reden, denn dazu müsste ja zunächst einmal Substanz vorhanden sein. Der Plan folgt spurgetreu seinen eigenen Vorgaben. Das ist ein Paradoxon, denn ein Plan sollte doch etwas vorgeben. Dieser Plan ist aber quasi eine verfilmte Tragödie seines eigenen Skripts. Er gibt nichts vor, sondern er beinhaltet nur eine schlichte Zusammenfassung von Bestehendem mit neuem Etikett.
„Etikettenschwindel“ nennt man so etwas wohl im Verbraucherschutz oder – wenn man es schönfärben will – „Umetikettierung“!
Ich habe lange überlegt, womit ich anfangen soll: mit einer Aufzählung dessen, was in knapp zwei Jahren seit der Erstellung dieses Märchenbuchs alles hätte getan werden können, aber nicht getan worden ist? Oder damit, woran sich unsere Landesregierung tatsächlich versucht hat? – Ja, ja, meine Damen und Herren, so etwas gibt es tatsächlich. Aber leider hat die Landesregierung dermaßen danebengelangt, dass es ihr widerstrebt, diesen Plan vorzustellen – was ich gut verstehen kann.
Vielleicht sollte man tatsächlich mal am Anfang beginnen: den Bedürfnissen der Betroffenen. Hat denn irgendjemand mal diese Menschen gefragt, was sie für eine funktionierende Inklusion brauchen, was sie von einer funktionierenden Inklusion erwarten? Ich spreche hier von Menschen, nicht von Strukturen, meine Damen und Herren. Es sind Menschen, die mit ihrer Behinderung leben und zurechtkommen müssen.
Nehmen wir als Beispiel mal unser Hohes Haus. Das ist – nicht nur nach Vorgaben und Konstruktion – wirklich schon sehr weit – so weit, dass man es durchaus als behindertenfreundlich bezeichnen kann; behindertengerecht ist es jedoch noch lange nicht. Wie soll sich zum Beispiel ein blinder Mensch in diesem Bau zurechtfinden? Würden Blinde jemals ohne Hilfspersonal hierher eingeladen, ohne fremde Hilfe, nur mit ihrem Taststock oder Spürhund, auf eine Reise durch dieses Gebäude geschickt?
Es gibt hier im Haus in der Telefonzentrale – einem schon seit Jahrzehnten klassischen Arbeitsplatz für Blinde – eine blinde Mitarbeiterin, die auch ihren Führhund mitbringen darf. Aber auch das ist kein Musterbeispiel für Inklusion. Wurde sie jemals um ihre Meinung zu eventuellen Verbesserungen gefragt?
Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass der Antrag unserer Fraktion an den Ältestenrat des Hauses, als einen ersten Schritt in Richtung Behindertengerechtigkeit die Büros in Braille zu kennzeichnen, abgelehnt wurde. Ist es das, was die Landesregierung unter „gelebter Inklusion“ versteht?
Wie gesagt, unser Haus ist aus Behindertensicht durchaus als fortschrittlich zu betrachten. Wie mag es also erst anderswo aussehen?
Inklusion ist mehr als nur der Bau von Rampen in öffentlichen Gebäuden oder das Errichten oder Aufblähen von Strukturen. Inklusion heißt und sollte es auch sein: das Miteinander, das gemeinsame Leben von Menschen mit und ohne Behinderung aller
Art. Behinderte Menschen, das sind Rollstuhlfahrer, Gehörlose, Blinde, sensoral, mental und psychisch – teilweise multipel – beeinträchtigte Menschen, die mit den „Normalen“ „normalen“ Umgang haben sollten.
„Normaler“ Umgang fängt im Kindesalter an. Theoretisch! Praktisch sieht es aber so aus, dass bei unserer Landesregierung und in deren Strukturen behinderte Menschen im Kindesalter nicht existieren. Denn der famose Inklusionsplan sieht sie erst gar nicht vor. Pech für sie!
Weiter geht es mit der schulischen Inklusion. Diesem Aspekt widme ich nachher noch detailliertere Ausführungen. Fangen wir mit den einfachen Dingen an.
Inklusion in NRW in den Bereichen Bauen und Verkehr: Diese Inklusion findet nicht statt. Das ist eine Nullnummer, egal ob es sich um den Punkt 4.1.1.2 – Landesbauordnung – handelt oder den Punkt IV.1.1.8 – Wohn- und Teilhabegesetz NRW – oder den Punkt IV.4.6 – Barrierefreier Wohnraum. Sie alle sind im Inklusionsplan aufgeführt. Teilweise wird schon seit Jahrzehnten darüber geredet. Das ist es dann aber auch schon. Zu manchen Themenbereichen muss man wirklich nicht mehr viele Worte verlieren. Das immerhin ist erfreulich.
Zur Inklusion im Bereich des gemeinsamen Lebens gehört auch der Sport. „Im Westen nichts Neues“ – das ist fast so alt wie der Roman von Erich Maria Remarque. Viele schöne Absichtserklärungen, aber noch nicht einmal eine Zeile, die man auch nur ansatzweise als Ergebnis interpretieren könnte.
Ach, nein – beinahe hätte ich etwas vergessen: Am 24. Oktober 2012 fand laut Inklusionsplan ein Fachkongress statt, an dessen Erkenntnissen auch ich durchaus interessiert gewesen wäre, wozu ich aber leider auch nichts gefunden habe. Hat der Behindertensport in NRW in den letzten Jahren in irgendeiner Form eine zusätzliche, nicht durch den Inklusionsplan initiierte Förderung erfahren? – Mir ist nichts dazu bekannt.
Kommen wir nun zur schulischen Inklusion. Hier und nur hier sind tatsächlich Aktivitäten unserer Landesregierung feststellbar:
Im Oktober vergangenen Jahres wurde das Inklusionsgesetz beschlossen. Meine Kollegin Monika Pieper hat sich zu diesem Bereich ebenso kritisch wie konstruktiv geäußert – leider jedoch ohne Erfolg. Das Ergebnis ist ein komplettes Fail mit verheerenden Auswirkungen für die Betroffenen.
Aber lassen Sie uns auch hier bei den Bedürfnissen der Betroffenen beginnen. Wurden die Eltern behinderter Kinder jemals gefragt, ob sie ihren Nachwuchs überhaupt in Regelschulen schicken wollen? – Nicht dass ich wüsste. Teilweise wollen sie
das sicher. Dieser Tage ging ein Fall aus BadenWürttemberg durch die Presse, in dem die Eltern ihr behindertes Kind auf dem Rechtsweg in eine Regelschule einklagen wollen. Ob das immer der richtige Weg ist, bleibt dahingestellt.
Sozialdemokraten wie Grüne frönen hier in NRW ungeniert ihrer altmissionarischen Nanny-Tradition: Wir wissen, was für dich, Bürger, gut ist! – Da es nicht so direkt sicht- und spürbar ist wie ein VeggieDay, gibt es hier auch keinen Aufschrei.
Wie viele Eltern gibt es denn, die entsetzt darüber sind, dass Förderschulen, die ihrem Namen Ehre machen und den behinderten Nachwuchs bestmöglich auf das Leben vorbereiten, geschlossen werden, da ja alles inkludiert wird?
Und werden behinderte Kinder heute weniger gehänselt als in X Jahrzehnten? – Nicht dass ich wüsste. Aber das soziale Klima wird insgesamt rauer, und daher ist eine gesunde Abhärtung in jungen Jahren sicherlich sinnvoll.
Entschuldigen Sie bitte meinen unechten Zynismus und die – allerdings nur leicht – überzeichnete Darstellung, aber diese Form sozialer Kälte unter einer Landesregierung, die „sozial“ in ihrem Namen trägt, ist für mich unerträglich.
Nach dem neuen Gesetzeswerk, welches spätestens im kommenden Schuljahr Anwendung finden soll, ist die Regelschule auch für diejenigen Kinder, die eine sonderpädagogische Betreuung brauchen, der Regelförderort. Dort sollen sie an eigene Bildungsabschlüsse herangeführt werden, wenn sie die Lernziele der regulären Unterrichtspläne nicht erreichen. Neu ist an dieser Regelung nur, dass das nunmehr in der Regelschule geschieht. Die Regelschulen sind jedoch in keiner Weise, und zwar weder personell noch finanziell, auf diese Aufgabe vorbereitet.
Dies zeigt plakativ ein aktueller Fall des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit dem Aktenzeichen 19 K 469/14, der es bis in den „Spiegel“ geschafft hat. Ob dies ein Einzelfall bleibt, wird sich noch zeigen. Für die betroffenen Eltern ist es sicherlich kein Trost, dass die Landesregierung für eine verkorkste Gesetzgebung in Amtshaftung genommen werden kann; ich zumindest bezweifle das.
Verstehen wir uns richtig: Inklusion ist dringend nötig; viel zu lange wurden Menschen wie ich ausgegrenzt. Inklusion ist aber kein Spielplatz für Experimente auf Kosten der Betroffenen. Die haben nämlich schon genug zu kämpfen.
Ich möchte nun noch auf die Strukturen zu sprechen kommen. Wofür sollen Strukturen denn gut sein, wenn sie den Bedürfnissen der Betroffenen nicht gerecht werden? Das, was die Regierung bisher vorgelegt hat, ist lediglich eine riesige Montgolfiere, eine Aufblähung von bürokratischen Struktu
ren ohne jeglichen effektiven und praktischen Nutzen. Wollte man behinderte Menschen tatsächlich in das Alltagsleben einbinden und inkludieren, ginge das ganz einfach: Dazu müssten alle Entscheidungsträger lediglich einmal vier Wochen mit einem der Betroffenen zusammenleben. Das könnte man wunderbar in den anstehenden Parlamentssommerferien arrangieren. Dann würden Sie begriffen haben, wo die tatsächlichen Probleme stecken. Das würde sicherlich auch im Bereich der Inklusion sehr schnell einiges bewegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger, ich bin am Ende meiner Ausführungen angekommen und sage vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf ein Neues! Lieber Herr Schneider, welches Band meinen Sie? Ich würde mich freuen, mal etwas wirklich Konkretes aus Ihrer Hand zu bekommen. Wenn Sie sagen, der Weg ist das Ziel, dann sollte der Weg, da er ja für Menschen mit Behinderung geeignet sein sollte, zumindest schon mal trassiert worden sein, damit man ihn auch findet, vom Entfernen des Dornengestrüpps gar nicht zu reden. Da fahre ich dann einfach mal drüber hinweg.
Nun noch etwas, was ich vorhin ausgelassen habe: die Informationsplattform über die Zugänglichkeit von öffentlichen Gebäuden. Unter dem Namen Signet „Barrierefrei NRW“ wurde eine Website geschaffen, die Menschen mit Behinderung eine OnlineÜberprüfung auf Barrierefreiheit ermöglichen soll.
Einmal ganz abgesehen davon, dass die Site selbst von Haus aus nicht barrierefrei ist – es werden zum Beispiel keine unterschiedlichen Schriftgrößen für Sehbehinderte angeboten, und das ausgerechnet unter einem Bild eines Taststocks –, gibt es dort auf einer Seite eine PDF-Datei zum Thema „Barrierefreies Bauen“ – den Link hierzu übersende ich Ihnen gern per Mail –, eine Broschüre zur Gestaltung von barrierefreien Gebäuden in NRW, zum Download, die selbst auch nicht barrierefrei ist. Ein Treppenwitz.
Kann man den Unfug besser darstellen als in dieser Art? Ich denke, nicht.
Noch ein Joke am Rande: Genau aus dieser Broschüre geht auch hervor, dass nach den dort beschriebenen Richtlinien unser Haus – wie von mir vorhin schon erwähnt – nicht behindertengerecht ist, da es über kein wie in der Bauordnung vorgesehenes Blindenleitsystem verfügt.
Wir haben 50 eng beschriebene A4-Seiten mit Rechercheergebnissen, meine Damen und Herren, und das Ergebnis ist eine große, dicke und fette Null.
Jetzt komme ich zum Schluss. Es wurden hier sowohl von Minister Schneider, der Kollegin Doppmeier und vor allem von Manuela GrochowiakSchmieding, die netterweise zugegeben hat, dass wir selbst im Vergleich mit Italien im Bereich der Inklusion der Entwicklung um 25 Jahre hinterherhinken, viele große und schöne Worte zu diesem
Thema gemacht. Das bedeutendste Wort ist allerdings: „Inklusion fängt im Kopf an“. Das ist richtig. Wenn sie aber dort bleibt, existiert sie auch nur dort. Genau das sehen wir hier. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer – egal, ob mit oder ohne Behinderung! Der uns vorliegende Antrag der Regierungskoalition erscheint mir wie ein Eckpunkt eines nordrhein-westfälischen Bermudadreiecks im Bereich Soziales, in dem Haushaltsmittel spurlos verschwinden.
Dazu passt hervorragend, dass der berühmte Landesplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“, auf den im Antrag so stark Bezug genommen wird und der vor etwa einem Jahr in diesem Haus diskutiert werden sollte, im letzten Moment von der Tagesordnung genommen worden war. Der ersatzweise eingefügte Tagesordnungspunkt zur Holzaffäre kann keine Entschuldigung sein, denn man hätte die damals abgesagte Unterrichtung in einer der folgenden Plenarsitzungen erneut aufrufen können.
Schon dieser Landesplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ liest sich wie ein Märchenbuch der Luftschlösser: Viele hübsche Bilder, kaum Absichtserklärungen, aber absolut keine konkreten Maßnahmen sind darin enthalten. Das ist sicherlich ein guter Grund, um eine öffentliche Diskussion zu vermeiden.
Mit diesem Antrag soll nun offenbar diese missliche Tradition fortgesetzt werden: nur keine öffentliche Debatte darüber, denn dann könnten die schwarzen Geldvernichtungslöcher bekannt werden, die flächendeckend gegraben werden.
Aber sehen wir uns die Dinge genauer an, und beginnen wir mit dem schönen Begriff „Kompetenzzentren“. Was soll das eigentlich heißen? Welche Kompetenzen diese Kompetenzzentren tatsächlich haben oder gar weitergeben sollen, ist nirgendwo definiert. Im vorliegenden Antrag werden zwei Einrichtungen genannt, die folgendermaßen bezeichnet werden – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – :
„Als Anlaufstellen für Menschen mit Behinderung übernehmen sie verschiedene Aufgaben, wie Öffentlichkeitsarbeit, Interessenvertretung, Qualifizierung, leistungsträger- und anbieterunabhängige Beratung in besonderen Einzelfällen und die Vertretung der Interessen von Menschen mit Behinderung im Inklusionsbeirat des Landes NRW.“
Wunderbar, diese Einrichtungen leisten sicherlich gute und notwendige Arbeit. Das tun sie aber schon seit sehr langer Zeit mit den Mitteln, die sie bereits von Bund und Land NRW erhalten.
Was würde sich nun durch diesen Antrag ändern oder gar verbessern? Ist der Bedarf langsam oder auch plötzlich so sehr gestiegen, dass die bisherigen Fördermittel nicht mehr ausreichen? Haben diese Einrichtungen ihr Angebot so sehr erweitert,
dass sie mehr Fördermittel benötigen? Wollen sie ihr Angebot quantitativ oder qualitativ verbessern und benötigen deshalb mehr Fördermittel? Man weiß es nicht. Dazu gibt es keinerlei Informationen. Eine Debatte ist ja ganz offensichtlich hierzu nicht gewollt.
Im Landesplan gibt es dazu auf Seite 149 eine Zusammenfassung unter dem Titel „Ausbau und Finanzierung der Kompetenzzentren in NRW“, die wie der Antrag selbst darauf hinweist, dass die Rechte und Ansprüche der Menschen mit Behinderungen aus den Bundesmitteln des SGB gedeckt sind. Werden denn alle diese zur Verfügung stehenden Mittel auch tatsächlich abgerufen? Oder gibt es ähnliche Probleme, wie wir sie in anderen Bereichen kennen, zum Beispiel beim Bundesfernstraßenausbau?
Darüber hinaus Finanzmittel aus öffentlichen Kassen in Anspruch nehmen zu wollen, ohne die Notwendigkeit darzulegen und ein klares Konzept zu bieten, erscheint mir reichlich abenteuerlich.