Wolfgang Jörg

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Last Statements

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hatte zu Beginn ihrer Legislaturperiode die Messlatte der Ansprüche für die frühkindliche Bildung sehr hoch gelegt. Man wollte kein Kind verloren gehen lassen, eine individuelle Förderung ermöglichen und auch quantitativ den Ausbau so voranbringen, dass ab 2013 ein gesetzlicher Anspruch für die U3-Betreuung möglich würde.
Darüber hinaus wollte man noch ab 2011 einen gesetzlichen Anspruch für die unter Zweijährigen ermöglichen, falls Sie sich daran erinnern. Davon, Herr Minister, habe ich überhaupt nichts mehr gehört. Ich möchte Sie bitten, gleich noch einmal Stellung dazu zu nehmen. Die Gesetzgebung müsste dann ja noch in dieser Legislaturperiode geschehen.
Zwei Bereiche wurden eben besonders herausgestellt: zum einen die Qualität, zum anderen die Quantität der frühkindlichen Betreuung. Wenn man
nach fünf Jahren CDU/FDP-Regierung in die Realität blickt, dann kann man schwermütig werden, meine Damen und Herren, liebe Besucher; denn die Qualität in den Einrichtungen ist furchtbar, sie hat enorm gelitten. Ich kann einige Beispiele dafür nennen:
Neulich habe ich eine 20er-Gruppe besucht, in der sechs U3-Kinder waren. Wenn man daran denkt, dass sich diese kleinen Kinder in einer Schicht im normalen Tagesablauf ungefähr zwei- bis dreimal in die Windeln machen – das ist auch gut so, meine Damen und Herren –
und man pro Windelwechsel 14 Minuten braucht, dann können Sie nachrechnen und sollten nicht lachen, dass die Kolleginnen viereinhalb Stunden nur mit Wickeln in der Gruppe beschäftigt. Das bedeutet, dass die 19 verbleibenden Kinder mit anderthalb Kräften auskommen müssen. Was ist das für eine Qualität, meine Damen und Herren? Wie kann man unter diesen Bedingungen von individueller Förderung sprechen? Das ist gar nicht möglich.
Darüber hinaus ist nicht jedes Kind – ich will das gerne an diesem Beispiel noch einmal deutlich machen –, das drei wird, sauber. Nein, dort muss noch Reinlichkeitserziehung geschehen, und man muss die Kinder teilweise mit Engelszungen überreden, ihre Geschäfte auf dem Töpfchen zu machen. Das kostet enorm viel Zeit. Diese Zeit haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht, weil die Gruppen dafür einfach zu groß sind.
Sehr geehrter Herr Minister Laschet, in der besagten Gruppe mit zweieinhalb Mitarbeiterinnen bei 20 Kindern, sechs davon U3, sagte mir eine Kollegin, sie hätte gerne eine U3-Qualifizierung, eine Weiterbildung über fünf Wochen gemacht. Ich habe geantwortet: Das ist prima, aber Sie arbeiten doch schon mit den unter Dreijährigen. Darauf erklärte sie mir: Ja, aber das war nicht Bestandteil unserer Ausbildung. Ich hätte es gerne gemacht. Leider kostet die Ausbildung 1.500 €. Diese 1.500 € sind aus der Kindespauschale nicht zu entnehmen. Ich darf diese Weiterbildung nicht machen.
Dann hat sie ein bisschen Alarm geschlagen und sich geeinigt. Der Träger, die Einrichtung und sie selber bringen jeder 500 € mit. Die Kollegin selber bringt also 500 € mit, um die Maßnahme für die U3-Betreuung zu machen. Die Weiterbildungsmaßnahme dauert fünf Wochen. Als sie das Geld zusammen hatte, hat dann die Leitung gesagt: Ich schätze Ihr Engagement. Ich finde es gut, dass Sie das wollen. Aber ich kann Sie leider nicht gehen lassen. Denn wenn Sie gehen, sind nur noch anderthalb Kräfte in der Gruppe. Das kann ich nicht verantworten.
Das ist die Realität. Das ist Ihre Qualität der Betreuung, lieber Minister Laschet.
Die Zeitverträge, die im ganzen Land jetzt organisiert werden, und der Wettbewerb, den Sie wollten – Herr Minister Laschet, wenn Sie mir da noch einmal zuhören würden –,
bedeuten, dass die Erzieherinnen nur noch Jahresverträge haben.
Ja, für Sie stimmt das alles nicht. Ich habe Ihnen schon mehrfach angeboten, mein lieber Herr Minister Laschet: Wir fahren zusammen in die Einrichtungen.
Ich habe es nicht nötig, hier zu lügen. Wir können zusammen da hinfahren.
Das Problem der Zeitverträge, der fragilen Arbeitsstrukturen und der Unplanbarkeit der Buchungen ist, dass die Kinder in einem Kindergartenleben drei bis vier Beziehungsabbrüche haben. Das ist Ihre Qualität. Sie haben drei bis vier unterschiedliche Erzieherinnen in einer Lebensphase. Jeder weiß, dass für ein Kind ein Jahr eine ganze Ewigkeit ist. Wenn in dieser Zeit Entwicklungsabbrüche organisiert werden – und das hat das KiBiz getan –, leidet natürlich die Qualität der Betreuung. Jeder in diesem Raum, inklusive der Besucher, weiß doch, dass Kinder vor allen Dingen stabile Bezugspersonen brauchen. Das haben Sie kaputt gemacht.
Aber, sehr geehrter Herr Minister, auch bei der Quantität sind Sie völlig gescheitert. An allen Orten im Land wird die Ausbaudynamik zurückgefahren, weil die Kommunen das Geld nicht mehr haben, um die Plätze zu bauen. Zwei Drittel der Ausbaukosten bleiben an den Kommunen hängen, Herr Minister.
Und man höre und staune: Die Stadt Aachen hat bei der Ausbaudynamik – alternativ waren 150 bzw. 100 Plätze im Angebot – die kleinere Ausbaudynamik gewählt: 100 Plätze pro Jahr. Damit wird die Stadt Aachen die 35 %, die als gesetzlicher Anspruch angenommen werden, nicht erreichen, meine Damen und Herren.
Das wäre ja nichts Besonderes, weil ganz viele Städte das momentan so machen. Es ist nur deshalb etwas Besonderes, weil Herr Minister Laschet in Person in Aachen als CDU-Vorsitzender Verantwortung getragen hat. Was schickt das für einen Impuls in die Landschaft, wenn der Minister dort, wo er politisch Verantwortung trägt, in Aachen, mit dafür sorgt, dass die 35 % in der eigenen Stadt nicht erreicht werden, weil die Ausbaudynamik auf 100
zurückgefahren ist? Das ist doppelzüngig, Herr Minister.
Ich kann Ihnen sagen: Im gesamten Ruhrgebiet, aber auch in der Peripherie wird überall zurückgefahren. Die Kommunen leiden extrem. Sie haben sie im Stich gelassen. Die Zahlen, die Sie sich wünschen, die 35 %, die ja auch im Gesetz verankert werden, werden nicht erreicht.
Das Perfide an der Situation ist, dass der Gewährträger des Gesetzes, mindestens diese 35 % – in Großstädten sind es eher 50 % und auf dem Land sind es ein bisschen weniger – zu erreichen, eben nicht das Land ist, sondern die Kommunen sind. Sie lassen sie in eine Katastrophe rennen, Herr Minister. Denn 2013 haben die Eltern einen gesetzlichen Anspruch. Die können sich einklagen. Wenn die Plätze nicht da sind, wird diese Katastrophe an den Kommunen hängen bleiben, Herr Minister. Dafür tragen Sie die Verantwortung.
Was aber nach meiner Überzeugung noch schlimmer ist: Dem Ministerpräsidenten traut in diesem Land kein Mensch mehr. Das wissen wir.
Aber mindestens genauso schlimm ist, Herr Minister, dass Ihnen niemand mehr zutraut, diese Ausbaudynamik bis 2013 aufrechtzuerhalten. Das traut Ihnen niemand mehr zu. Deshalb werden Sie am 9. Mai auch abgewählt. Sie hinterlassen familienpolitisch eine Katastrophe.
Die von Ihnen selbst an Qualität und Quantität gelegte Messlatte haben Sie nicht erreicht. Sie sind bei der Qualität komplett gescheitert. Es gibt keine individuelle Förderung. Viele Kinder bleiben auf der Strecke. Das ist nicht nur in den Kitas so. Das setzt sich auch im Schulsystem fort.
Schade, dass Herr Witzel nicht da ist, der Erich Honecker der Bildungspolitiker. Dem hätte ich das gerne auch noch einmal gesagt.
Herr Witzel, da sind Sie ja. Ich höre Sie gar nicht dazwischenrufen. Ich vermisse etwas, Herr Witzel.
Kommt noch? Schön. Wenn ich Sie sehe, Herr Witzel, denke ich auch immer an den lieben Gott. Ich denke dann immer: Herr, schmeiß Hirn vom Himmel. – Aber das ist ein anderes Thema.
Was übrigbleibt, ist: Die Qualität bei der Erziehung, bei der frühkindlichen Bildung ist auf der Strecke geblieben. Darunter leiden besonders die Kinder. Die Erzieherinnen leiden unter einer enormen Arbeitsbelastung. In jeder Einrichtung wird auf Reser
ve gefahren. Viel persönliches Engagement und auch ehrenamtliches Engagement und die unbedingte Liebe zu den Kindern halten dieses KiBiz momentan überhaupt nur noch aufrecht.
Die Eltern und deren Ansprüche bleiben natürlich auch auf der Strecke, weil die Quantität nicht erreicht wird. Viele Eltern, gerade alleinerziehende Mütter, Herr Minister, werden nicht die nötigen Plätze finden, weil Sie nicht in der Lage waren, mit den Kommunen die Kommunen so auszustatten, dass die Plätze geschaffen werden können.
Das ist die bittere Bilanz. Deshalb bin ich ganz sicher, dass wir ab dem 10. Mai dieses Ministerium so aufräumen werden und so viele Impulse bringen werden, dass wir bis 2013 eine deutlich höhere Dynamik entfalten können.
Wissen Sie, andere Länder wie Rheinland-Pfalz haben diese Dynamik entwickelt, und wir können es nicht.
Um das auch noch einmal deutlich zu machen: Es geht nicht nur um den U3-Bereich. Im Ü3-Bereich, bei den Drei- bis Sechsjährigen, hatten wir, als wir die Regierung verließen, eine Quote von deutlich über 90 %, nämlich 97 %. Sie liegt jetzt bei Ihnen bei etwas über 80 %. Das ist eine katastrophale Entwicklung. Dazu sollten Sie, Herr Minister, auch gleich noch Stellung nehmen.
Das ist ein Skandal, wie sich das entwickelt hat. Vor allen Dingen: Am Anfang waren die Ansprüche sehr hoch gesetzt. Jetzt können Sie – Sie sowieso, aber auch, wenn Sie noch einige huckepack nehmen – deutlich unter dieser Latte herlaufen und werden sie nicht erreichen. – Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister Laschet, wir haben gestern unter dem Tagesordnungspunkt 4 die psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen diskutiert. Ihr Kollege Herr Laumann hat uns bestätigt, dass es in den letzten Jahren einen dramatischen Anstieg gibt. Darunter sind natürlich auch die versuchten Selbsttötungen. Wie erklären Sie sich den Anstieg in den letzten Jahren? Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem immer höher werdenden Druck bei Jugendlichen, ihre Lebensplanung zu gestalten, und der Anzahl der versuchten Selbsttötungen, oder glauben Sie, das wäre völlig ohne Zusammenhang?
Herr Minister, erst einmal will ich hier feststellen – Sie haben es ja selber gesagt –: Frau Kraft hat klargestellt, dass es sich um Versuche handelt. Sie haben vorhin erklärt, ob es mehr Selbstmordversuche gibt, ist nicht nachzuweisen. Es gibt also keinerlei Zahlen darüber. Daher ist diese Diskussion auf jeden Fall virulent.
Meine Frage: Haben Sie persönlich den Eindruck, dass Leistungsdruck, Konkurrenz und Versagensangst bei Jugendlichen auch etwas mit dem gesellschaftlichen Druck, der entwickelt wird, zu tun haben? Glauben Sie, dass ein solches Klima die persönliche Stabilität von Jugendlichen eher stärker oder eher schwächt?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Walter Kern, der Anteil der Ausgaben für Kinder und Jugend gemessen am Haushalt war noch nie so gering wie in diesem Jahr. Als Sie angefangen haben, hatte das Land 110 Millionen € Schulden, jetzt sind es 135 Millionen €.
Milliarden, Entschuldigung. Ihr wart alle so aufgeregt und nervös, jetzt habe ich mich tatsächlich mit Milliarden und Millionen vertan.
Damals gab es ein großes Versprechen an die Jugendverbände, nämlich – dafür hat der Ministerpräsident persönlich geradegestanden –: Wir erhöhen den Landesjugendplan wieder auf 96 Millionen €. Das wären jetzt 15 Millionen € mehr. Vom Gesamthaushalt, um das deutlich zu machen, hättet ihr 0,0026 % mehr ausgeben müssen, um euer Wahlversprechen zu halten. Das ist nicht passiert. Warum? – Weil die Jugendpolitik in dieser Regierung keine Rolle spielt, meine Damen und Herren.
Auch der Bertelsmann-Vergleich zeigt ganz deutlich: Pro Kind wird in Nordrhein-Westfalen zu wenig Geld ausgegeben. Die Bertelsmann Stiftung steht ja nicht in dem Verdacht, besonders sozialdemokratisch oder grün gefärbt oder gar von der Linkspartei gesteuert zu sein.
Schauen Sie sich die Zahlen an: Dort sind Erhebungen und keine Wahlkampfreden formuliert worden.
Herr Witzel, zu Ihnen und den Gesamtschulen – jetzt telefoniert er –: Ich befürchte, Sie sind als kleines Kind mal mit voller Wucht gegen eine Gesamtschule gelaufen. Irgendetwas muss da passiert sein.
Anders kann ich mir nicht erklären, wie Sie hier Daten und Fakten durcheinanderbringen. In Nordrhein-Westfalen finden 15.000 Kinder – das ist der heutige Stand – keinen Platz an einer Gesamtschule. Das ist Ihre Politik.
Es gibt Halbtagszulassungen von Gesamtschulen. Keine Regierung in ganz Deutschland bekämpft die Gesamtschulen derart wie diese schwarz-gelbe Landesregierung.
Herr Witzel, Sie erinnern mich …
Seien Sie nicht so nervös.
Ja, ich lasse die Frage gleich zu. Bis zum 9. halten wir noch durch. Ich möchte nur noch einen Vergleich ziehen: Herr Witzel, Sie erinnern mich häufig an Erich Honecker.
Er hat auch bis zum Schluss geglaubt, das System wäre zu retten.
Ich sage Ihnen: Sie sind der Letzte, der die Tür zu- und das Licht ausmacht. Sie sind auf einem falschen Dampfer.
Jetzt lasse ich die Zwischenfrage gerne zu.
Lieber Herr Kollege, es kommt nicht nur darauf an, dass es einen erheblichen Elternwillen im ganzen Land und einen erheblichen Drang nach Gesamtschulen gibt. Ich habe kritisiert, lieber Herr Kollege, dass Sie den Elternwillen nicht aufnehmen,
dass Sie Gesamtschulstrukturen bekämpfen, dass Sie Gesamtschulen im Halbtag genehmigen. Das ist die Kritik, die ich gerade formuliert habe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einmal kurz auf den Bericht eingehen und speziell die Situation der Jugendlichen herausarbeiten: Jugendliche drängen nach Anerkennung und Respekt, wie wir übrigens meistens auch. Sie wollen Respekt für ihre Leistungen und Anerkennung beispielsweise durch einen Studienplatz oder eine Lehrstelle. Tausende von Jugendlichen finden diese Anerkennung und diesen Respekt in unserer Gesellschaft nicht. Sie finden keine Lehrstelle und gehen von Maßnahme zu Maßnahme.
Wenn Sie in unserer Gesellschaft keinen Respekt und keine Anerkennung finden, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann suchen sie dies eben außerhalb
unserer Gesellschaft. Sie versuchen, sich Anerkennung und Respekt dadurch zu erwerben, dass sie vielleicht länger trinken oder länger zuschlagen können als andere usw. Das ist eine schwierige Situation, der wir uns auch hier im Parlament gemeinsam stellen müssen. Ich habe den Eindruck, dass der Situation falsch begegnet wird, wenn man sagt: Wir müssen die Hauptschulstrukturen stärken.
Das führt nicht zu dem gewünschten Ergebnis, den Jugendlichen mit Anerkennung und Respekt zu begegnen.
Aber nicht nur die Jugendlichen, die Hauptschulen besuchen, sind in einem Dilemma, sondern zum Beispiel auch auf Gymnasien gibt es einen erheblichen Leistungsdruck, liebe Kolleginnen und Kollegen. In Deutschland werden 4 Milliarden € für Nachhilfe ausgegeben. Bei den Grundschülern wird angefangen, Nachhilfe zu geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist krank.
Diese Jugendlichen haben keine Zeit mehr, ihre Freizeit zu gestalten. Diese Jugendlichen fehlen uns an allen Ecken und Kanten. Der Minister hat gerade zu Recht darauf hingewiesen – darin stimmen wir völlig überein –, dass man 70 % dessen, was man lernt, außerhalb der Schule lernt. Wenn wir nur auf Schule, auf Leistung und auf Druck setzen, kommen wir bei den von mir gerade genannten Problemen nicht weiter.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist auch abenteuerlich, dass wir unter Tagesordnungspunkt 4 den dramatischen Anstieg von psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen diskutieren und anschließend hier bei der Debatte über Schulsysteme so tun, als ob alles in Ordnung wäre. Das ist falsch.
Die Jugendlichen, die sich in der Knochenmühle Schule bewegen, kaum Freizeit haben und wirklich um ihre Existenz bangen, fehlen uns natürlich in der ehrenamtlichen Arbeit, bei den Jusos, bei der Jungen Union, bei der Kirche und bei den Jugendverbänden.
Hören Sie sich doch bitte einmal die Klagen an. Leider setzen Sie sich ja nicht mehr mit den Jugendverbänden zusammen. Tun Sie das einmal. Sie haben 75 Millionen € über die Legislaturperiode versprochen, aber arbeiten in Bezug darauf, wie es denn weitergehen soll, mit ihnen nicht mehr inhaltlich zusammen.
Es ist doch ein Dilemma, wenn der Ganztagsbetrieb – wie wir das auch wollen – ausgebaut wird,
aber gleichzeitig die Angebote der Jugendarbeit nicht mehr genutzt werden können. Dort muss eine Zusammenarbeit organisiert werden. Das muss man gemeinsam tun. Die Landesregierung steht hier in der Verantwortung, sich mit den Jugendverbänden zusammenzusetzen.
Zum Thema Respekt will ich noch Folgendes anführen: Die Jugendverbände haben mit ihren Jugendlichen 500.000 Unterschriften gesammelt, um noch einmal deutlich zu machen, dass es das Wahlversprechen gab, die von mir vorhin genannten 96 Millionen € einzuführen. Ich finde, dass Ihr Umgang mit diesen 500.000 Unterschriften respektlos war, meine Damen und meine Herren von der Regierung. Sie sind ignoriert worden. So geht man nicht mit der Initiative von Jugendlichen um.
Leider ist meine Redezeit jetzt zu Ende. Als letzten Punkt möchte ich aber noch eine Formulierung aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 41 ansprechen. In einer Frage ging es um delinquente Jugendliche und intensivpädagogische Maßnahmen. Diese intensivpädagogischen Maßnahmen sind sehr wichtig und müssen eigentlich besonders gefördert werden. Das haben wir gerade in der Enquetekommission zusammen herausgefunden, und zwar parteiübergreifend. In der Antwort der Landesregierung steht in Bezug auf diese intensivpädagogischen Maßnahmen allerdings:
Jedoch ist festzustellen, dass die Belegung solcher Einrichtungen häufig dadurch schwierig zu sein scheint, weil die … Kosten zu einer gewissen Zurückhaltung der Jugendämter führen können.
Meine Damen und Herren von der Regierung, die Kommunen sind pleite, weil Sie sie im Stich gelassen haben. Die Formulierung „zu einer gewissen Zurückhaltung der Jugendämter führen können“ schlägt dem Fass den Boden aus. Das ist unglaublich.
Dieser Jugendbericht und Ihre Jugendpolitik zeigen ganz deutlich: Für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land haben Sie außer Druck wenig übrig. Leistung, Leistung, Leistung – das ist die einzige Antwort, die Sie auf die Lebenssituation unserer jungen Menschen geben. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Kinderlärm ist Zukunftsmusik; da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Ich habe selten vonseiten der FDP und der CDU, von Christian Lindner und Walter Kern, Reden gehört, denen ich in dem Maße zustimmen kann. Von daher glaube ich, dass wir eine gute Grundlage haben, um bei den Beratungen im Ausschuss einen gemeinsamen Antrag hinzubekommen. Denn über dem Problem steht nicht CDU, SPD oder Grüne, sondern es betrifft unsere Kinder, und da sollten wir gemeinsam handeln.
Aber, Herr Minister, Ihre Kritik an Frau Asch kann ich nur energisch zurückweisen. Denn wenn man einen solchen Antrag machen wollte, dann würde man ihn so schreiben, dass sich alle Fraktionen hier im Landtag darin wiederfinden. Dies sehe ich bei Ihrem Antrag
in dem Antrag der Mehrheitsfraktionen – überhaupt nicht. Ich zitiere einmal:
Kinder sollen in Nordrhein-Westfalen die besten Entwicklungsmöglichkeiten und die besten Chancen haben.
Da bin ich sehr dafür, und Frau Asch ist, glaube ich, auch sehr dafür.
Weiter heißt es in dem Antrag:
Daher sind wir auf dem Weg, aus NordrheinWestfalen das kinderfreundlichste Land in Deutschland zu machen.
Auch das kann inhaltlich keiner infrage stellen; das wollen wir alle. – Dann heißt es:
Der Landtag begrüßt diese Perspektive sowie die bereits in diese Richtung unternommenen Schritte ausdrücklich.
Da, lieber Herr Minister, falle ich nach hinten weg. Die Initiativen zur Familienfreundlichkeit, die Sie bisher organisiert haben, kann man in ein paar Stichworten auf den Punkt bringen.
Doch, Christian Lindner, das bleibt dir nicht erspart. – Ich nehme als erstes Beispiel die Frauenhäuser. Wenn man in diesem Bereich derartige Kürzungen durchzieht, wie Sie es getan haben, dann kann man nicht von Familienfreundlichkeit sprechen. Denn geschundene Frauen und Kinder, die sich dahin flüchten und unter großem Druck stehen, finden da ein Zuhause. Sie haben da massiv gekürzt. Das hat mit Familienfreundlichkeit nichts zu tun.
Zweitens haben Sie bei Erziehungsberatungsstellen und Familienberatungsstellen gekürzt. Jetzt fordern
Sie von den Familienzentren, sich zu vernetzen; genau in diesem Bereich ist aber gekürzt worden. Das hat mit Familienfreundlichkeit wenig zu tun.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen hohe, zum Teil höchste Kindergartenbeiträge, die auch noch völlig ungerecht über das Land verteilt sind. Das hat nichts mit Familiengerechtigkeit zu tun.
Das stimmt sehr wohl. In den armen Gegenden in unserem Land werden die höchsten Beiträge gezahlt.
So ist das. Das ist nicht nur sozial ungerecht, sondern das belastet in erheblichem Maße die …
Herr Minister, ich beschimpfe nicht die Kommunen, sondern ich beschimpfe Sie, weil Sie für diese Ungerechtigkeit im Land verantwortlich sind.
Ja, das ist so. Sie haben das organisiert. Wir haben viel zu niedrige Kindpauschalen; wir werden das im Verlauf des Tages noch als eigenen Tagesordnungspunkt haben. Die U-3-Betreuung haben wir wirklich gut ausgebaut; das ist überhaupt keine Frage. Das hat die Bundesregierung auch von uns verlangt. Unter den 16 Ländern sind wir aber immer noch ganz hinten.
Das, wofür Sie sich rühmen und von dem Sie sagen, Sie hätten weiß der Teufel was geschaffen, hat letztlich die Bundesregierung Ihnen ins Stammbuch geschrieben, und alle Länder bemühen sich. Deshalb sind wir im Bundesvergleich immer noch an vorletzter Stelle.
Es gibt viele Länder – zum Beispiel RheinlandPfalz –, die deutlich mehr tun als NordrheinWestfalen; das muss man zur Kenntnis nehmen.
Die letzten beiden Punkte will ich nicht verschweigen, weil wir ja im Bundestagswahlkampf sind. Es gehört zu einer familienfreundlichen Politik auch dazu, dass man für einen Mindestlohn einsteht, damit gerade alleinerziehende Mütter nicht vier, fünf Jobs machen müssen, um über die Runden zu kommen. Ein Mindestlohn bedeutet familienfreundliche Politik.
Zum Schluss möchte ich noch ins Feld führen, dass Nordrhein-Westfalen ein Land ist, in dem Kinderarmut sehr verbreitet ist; jedes fünfte Kind lebt in Armut. Auch das ist kein Grund für Sie, zu sagen, wir
seien ein kinderfreundliches Land und die Dinge, die Sie unternommen hätten, würden dazu führen. Das Gegenteil ist der Fall.
Wenn man die Polemik und das Wahlkampfgetöse aus Ihrem Antrag herausnimmt, wenn wir uns im Ausschuss vernünftig zusammensetzen, dann bin ich optimistisch, dass wir einen gemeinsamen Antrag hinbekommen. Bei den Eltern würde es am besten ankommen, wenn wir das schaffen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Jarzombek, für mich haben Sie zu diesem Thema stellenweise derart abgehoben vorgetragen, dass ich glaube, Sie haben den Blickkontakt zum Boden schon verloren. Ich empfehle Ihnen, einmal mit Ihrem Kollegen Bernhard Tenhumberg zu reden. Er hat ein Praktikum in einem Kindergarten gemacht und kam zu dem Schluss: Es fehlt an allen Ecken und Kanten, vor allem beim Personal. Reden Sie mit ihm, oder machen Sie selbst einmal ein Praktikum!
Natürlich hat das etwas mit KiBiz zu tun, Herr Minister. Ich komme gleich noch darauf. – Ich habe in den letzten zwei Jahren unzählige Kitas im ganzen Land besucht. Sicherlich war von jedem Träger eine dabei. Ich kann Ihnen sagen, alle Kitas haben eines gemeinsam, und zwar das Engagement der Erzieherinnen und Erzieher. Dieses Engagement wird schlicht und einfach – das ist die Hauptmotivation – von der Liebe zu den Kindern getragen. Das ist in fast allen Einrichtungen immer wieder das Gleiche.
Diese Liebe zu den Kindern wird von dieser Landesregierung und durch das KiBiz ausgenutzt. Gäbe es die Erzieherinnen und Erzieher mit dieser Motivationslage nicht, wäre das System der Kinderbetreuung in Nordrhein-Westfalen schon zusam
mengebrochen; denn die Bedingungen haben sich unter dem KiBiz deutlich verschlechtert.
Ich erinnere: Früher gab es eine Gruppe mit 15 Kindern. Zwei Fachkräfte, eine Ergänzungskraft und eine Jahrespraktikantin waren mit dabei,
und natürlich gab es vernünftige Vertretungsregelungen. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, heute sind es 20 Kinder. Es gibt zwei Fachkräfte, 15 Fachstunden, und es ist noch nicht einmal eine Vertretung geregelt. Das ist die Situation. Allein von den Zahlen her ist das eine unendlich große Mehrbelastung, ganz unabhängig von den bürokratischen Aufwendungen, die hinzugekommen sind.
Sie haben es von der Kollegin Asch schon gehört: Die Erzieherinnen und Erzieher arbeiten unter einer extremen Belastung: der Geräuschpegel und die immer komplizierter werdenden Problemlagen in den Familien. Die Probleme werden zum Teil vor den Türen der Kitas, vor den Füßen der Erzieherinnen und Erzieher abgeladen. Deshalb kann man sagen …
Herr Minister, ich widerspreche Ihnen nicht. Natürlich gibt es mehr Personal. Dem widerspricht kein Mensch. Leider haben sich die Belastungen derart erhöht und leider haben die Aufgaben derart zugenommen, dass sich das Mehr an Personal in keiner Weise in Form von Entlastungen auswirkt.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ausgerechnet in dieser Situation – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – fordert der Minister selbst mehr Lohn und Gehalt für Erzieherinnen und Erzieher. Herr Minister, ich kann nur mit Erich Kästner antworten: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. – Dann machen Sie es!
Erhöhen Sie die Pauschalen, und geben Sie den Trägern die Möglichkeit, in den Verhandlungen mit den Tarifpartnern höhere Bedarfe zu decken. Aber nein, das tun Sie eben nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das für meine Kommune ausrechnen lassen. Die Wahrheit über die Verteilung der Lasten im KiBiz sieht so aus: Die Kommunen zahlen zwei Drittel. Das ist die Zahl. Zwei Drittel zahlen die Kommunen, und ein Drittel gibt es vom Land beziehungsweise vom Bund.
Jede Steigerung bedeutet, es wird den Kommunen mehr Verantwortung zugemutet. Herr Minister, darum geht es Ihnen im Kern. Sie wollen Verantwortung abwälzen. Im GTK hat man sich noch dazu bekannt, dass das Land eine gehörige Verantwor
tung in der Erziehung der Kinder und der Ausstattung der Kitas hat. Das wälzen Sie ab. Sie kommunalisieren. Sie wollen diese Verantwortung nicht mehr haben.
Das führt zu Ungleichheit, und diese Ungleichheit, Herr Minister, ist systemimmanent. Diese Ungleichheit wollten Sie mit dem KiBiz erreichen, und die gibt es leider auch bei den Erzieherinnen und Erziehern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei wollen wir doch das Beste aus unseren Kindern herausholen. Wir wollen ihre Begabungen wecken. Wir wollen versuchen, ihre naturwissenschaftlichen Begabungen zu wecken. Wir wollen versuchen, Herr Minister, ihre sozialen und ihre sportlichen Begabungen zu wecken. Das geht nur mit einer optimalen Ausstattung. Aber es ist möglich.
In Anbetracht dieser Landesregierung beende ich meine Rede mit einem Zitat von Wolfgang Neuss. Wolfgang Neuss hat gesagt: „Stell’ Dir vor es geht und keiner kriegt’s hin“. – Ich glaube, das beschreibt die Situation dieser Landesregierung am besten. Stellen Sie sich vor, es geht – man könnte die Kinder bestens fördern –, aber von denen, die hier rechts und links sitzen, kriegt es keiner hin. Das ist die momentane Situation.
Unsere Solidarität gilt den Erzieherinnen und Erziehern. Von hier aus ein großes Dankeschön. Sie machen einen Superjob. Halten Sie etwas durch! Ich hoffe, 2010, wenn diese Regierung weg ist, werden sich die Rahmenbedingungen für Sie wieder deutlich verbessern.
Dazu stehen wir auf jeden Fall. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Liebe Frau Sommer, auch ich freue mich, dass ich heute mit Ihnen über Bildung reden darf. Das finde ich toll. Wenn Sie da Bedarf haben,
ich komme immer gerne zu Ihnen, und wir können darüber reden. Ich denke, das kann der Sache nur guttun.
Missverständnisse würden zugrunde liegen, haben Sie gesagt, Frau Sommer. Teilen Sie meine Auffassung, dass Missverständnisse aus unklaren Formulierungen entstehen können, dass Missverständnisse aus unklaren Zusammenhängen entstehen können, dass Missverständnisse aber nicht entstehen können, wenn auf unterschiedlichen Sitzungen zweifelsfrei hochbegabte Schulleiter die gleichen Erkenntnisse erlangen?
Frau Sommer, Sie sprechen von Ungereimtheiten und von Irritationen. Ich glaube, das ist schon näher an der Wahrheit, als von Missverständnissen zu sprechen.
Das Ganze ist für die Lehrer und für die Schulträger, die sich beteiligt haben, ein absoluter MotivationsGAU. Denn diese Lehrerinnen und Lehrer – in Anführungszeichen – „direkt an der Front“ wissen natürlich genau, was Schülerinnen und Schülern im Moment fehlt. Sie bekamen durch Ihr Ministerium eröffnet, das alles umsetzen zu können. Tausende von Arbeitsstunden sind dabei draufgegangen.
Wenn man alles zusammenzählt, kommt man auf Tausende von Arbeitsstunden.
Ingenieure und Architekten sind durch die Schulen geschickt worden. Ratsbeschlüsse sind gefasst und Schulausschusssitzungen abgehalten worden. Meine Frage lautet: Haben Sie eine Vorstellung, wie Sie das den Lehrern wiedergutmachen können? Gibt es in Ihrem Ministerium Überlegungen, die über Entschuldigungen hinausgehen, da dabei materieller Schaden entstanden ist?
Frau Präsidentin! Frau Sommer, ich bin fassungslos, dass ich von Ihnen höre: Es gab einen Verteilungsschlüssel. – Sie sagen, er wäre nicht veröffentlicht worden. Ich bitte Sie, dem Parlament diesen Verteilungsschlüssel zur Verfügung zu stellen, damit wir überprüfen können, ob die dort aufgeführten Zahlen mit den Zahlen, die in den Kommunen angekommen sind, übereinstimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dreieinhalb Jahren hat sich die Situation für Kinder und Jugendliche in NordrheinWestfalen erheblich verschlechtert.
Nordrhein-Westfalen ist ungerechter geworden – nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für ihre Eltern. Leistungsdruck, Konkurrenz und Wettbewerb sind die ideologischen Eckpunkte dieser Landesregierung. „Privat vor Staat“ ist das Brandmal der Landesregierung, das in alle Lebensbereiche eingebrannt werden soll. Viele Themenfelder im Einzelplan 15 sind von diesem Brandmal betroffen.
Ich fange bei den Kleinsten an, nämlich bei den U3Betreuungen im Land. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die ersten drei Jahre sind die wichtigsten im Leben eines Menschen. Denn in ihnen werden Grundlagen für die Zukunft und Impulse für ein selbstständiges Leben gegeben. Das ist eine ganz zentrale Lebensphase.
Wie reagiert die Landesregierung auf diese Situation? – Mit einem Spar- und Verwahrgesetz, dem sogenannten Kinderbildungsgesetz. Seit Inkrafttreten des Gesetzes im August 2008 wird immer deut
licher: Das KiBiz wirkt – als falsche Medizin mit erheblichen Nebenwirkungen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Lassen Sie mich einige dieser Nebenwirkungen nennen.
Zunächst stellen wir fest, dass die Ausbauquoten für die unter Dreijährigen auf Kosten der Qualität genau bis zum notwendigen Limit steigen sollen und dass Kinderbildung im Wesentlichen zur Glückssache wird.
Für die Gebühren der Kinderbetreuung ist weniger der Geldbeutel als vielmehr der Wohnort der Eltern entscheidend. Millionäre in der einen Region des Landes haben Glück und zahlen rund 250 €; Eltern, die in einer anderen Region dieses Landes leben und ein durchschnittliches Einkommen beziehen, kann es passieren, dass sie ein Vielfaches davon bezahlen. Das ist zutiefst ungerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ungerechtigkeit spüren auch die Beschäftigten in den Einrichtungen. Sie müssen mit einer Situation fertig werden, auf die sie nicht ausreichend vorbereitet wurden, und erhalten zunehmend befristete und Teilzeit-Arbeitsverträge. Jedes Jahr haben sie Angst um den Fortbestand ihrer Einrichtungen. Statt jedoch mit den neuen Herausforderungen die dringend benötigten Kompetenzen der vorhandenen Kräfte zu bündeln und systematisch weiterzuentwickeln, sind die Kindpauschalen so berechnet, dass eine Qualifizierung und Weiterqualifizierung mit entsprechenden Freistellungen kaum möglich ist, meine Damen und Herren.
Das wirkt sich auch auf die Auszubildenden aus. Der Beruf wird unattraktiv; ganz unabhängig davon, dass viele Einrichtungen keine Jahrespraktikanten mehr einstellen, was allein schon schlimm genug ist. Darüber hinaus werden die schlechten Rahmenbedingungen auch zu einem Fachkräftemangel führen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist gegenüber den Mitarbeitern und vor allen Dingen gegenüber den Kindern ungerecht.
Gleichzeitig sorgen sich Kinderpflegerinnen und andere Ergänzungskräfte um ihre Arbeitsplätze. Sie sollen an hektisch zusammengeschusterten Fortbildungen teilnehmen, die weder zahlenmäßig noch inhaltlich den heutigen Anforderungen gerecht werden. Die Beschäftigten in den Einrichtungen laufen auf dem Zahnfleisch. Sie sind den Arbeitsbelastungen nicht mehr gewachsen. Der in dieser Gemengelage entstehende Stress wirkt sich natürlich auf die Kinder aus. Das ist gegenüber den Beschäftigten und gegenüber den Kindern ungerecht.
Die Bundesmittel für den Ausbau der Betreuungsplätze für die unter Dreijährigen verschwinden entweder im Landeshaushalt oder werden wegen bürokratischer Verzögerungen nicht abgerufen.
So werden dann auch die Kommunen und die Träger ungerecht behandelt.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich schlage der Landesregierung vor – weil Ihnen das Motto „Privat vor Staat“ unangenehm geworden ist –, ihr Motto in „Gleiches Unrecht für alle“ zu ändern. Das würde die Situation in den Kindertageseinrichtungen und im Land insgesamt deutlicher beschreiben als „Privat vor Staat“. „Gleiches Unrecht für alle“ ist das Motto Ihres Kinderbildungsgesetzes.
Dabei liegen im Bereich der frühkindlichen Bildung die Erfordernisse klar auf der Hand: Eine Beitragsfreiheit für den Kindergartenbesuch wäre ein wichtiges Signal für den Stellenwert dieses Bildungsbereiches. Die Gehälter der pädagogischen Fachkräfte müssen verbessert werden. Bei ganztägigen Angeboten müssen kostenfreie Mahlzeiten zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt muss die pädagogische Qualität natürlich deutlich verbessert werden.
Beim Ausbau der Plätze für die unter Dreijährigen muss der Elternwille uneingeschränkt umgesetzt werden.
Die Kommunen sollten darin unterstützt werden, für alle Bezieher niedriger Einkommen eine Beitragsfreiheit zu erreichen und besondere Maßnahmen zur Errichtung einer höheren Kinderbesuchsquote einzuleiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Familienzentren sind eklatant unterfinanziert.
Das sogenannte Kinderbildungsgesetz fordert von den Familienzentren nicht nur eine zum Teil sehr aufwendige Zertifizierung, lieber Christian, sondern auch einen erheblichen Ausbau der Leistungen. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen – das kann sich jeder vor Ort noch einmal selber zu Gemüte führen –, ist mit einer monatlichen Zahlung von 1.000 € nicht möglich. Die Familienzentren sind absolut unterfinanziert. Daran muss dringend etwas geändert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sprachförderung in unserem Land liegt am Boden. Sie haben es innerhalb von dreieinhalb Jahren zwar geschafft, sehr viele Tests einzurichten, wissen aber genauso gut wie wir, dass diese Tests nur einen ganz kleinen Ausschnitt der Sprachbegabung eines Kindes abbilden.
Diese Tests sagen nicht aus, wer gefördert werden muss und wer nicht. Deshalb fallen bei diesen Tests viele Kinder durch, die eigentlich keinen Test brauchten. Aber viele, die den Test schaffen, brauchten dringend eine Sprachförderung. Insgesamt ist das derart schlecht aufgestellt, dass Sprachförderung in Nordrhein-Westfalen – man kann es so sagen – wirklich am Boden liegt.
Mit dem Haushaltsplan hat sich das Land fast komplett aus der Finanzierung der Investitionen für Kindertageseinrichtungen zurückgezogen. Im Bereich der Kindertageseinrichtungen werden 2009 rund 1,7 Millionen € weniger veranschlagt als im Jahr 2008. 90 % der Ausgaben, die überhaupt getätigt werden, werden durch den Bund finanziert und aufgebracht.
Selbstverständlich stimmt das, Herr Minister. Es ist ja Ihr Haushalt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so weit zu den Kleinsten.
Jugendliche werden von dieser Landesregierung komplett alleine gelassen. Wir haben heute einige jüngere Gäste hier. Herzlich willkommen!
Man muss sich das einmal vorstellen: 13-, 14- oder 15-Jährige kommen um 3 Uhr aus der Schule nach Hause, häufig ohne Mittagessen, machen Schulaufgaben. Falls die Mama oder der Papa oder beide arbeiten gehen, müssen sie sich selber etwas machen.
Nach dem Abendessen müssen sie überlegen, wo sie schulische Defizite haben. Dann müssen sie weiter büffeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so nehmen wir den jungen Menschen ihre Jugend. Das ist Leistungsdruck. Das ist Stress, der dem Lernen auch nicht gerecht wird. In anderen Ländern, die es besser organisiert haben als wir, sind die Lernerfolge zum Teil größer. An dieser Stelle müssen wir etwas ändern.
Seitdem wir die Enquetekommission zu den Chancen für Kinder installiert haben und deren Ergebnisse kennen, wissen wir: 70 % dessen, was Kinder lernen, lernen sie informell außerhalb der Schule. Nur brauchen sie dazu Raum, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dazu brauchen Sie Platz und Zeit, um sich auf die Socken zu machen, ihr Leben selber zu entdecken und darüber zu lernen. Dieser Raum und diese Zeit werden ihnen genommen. Dabei ist das genau der Punkt, an dem sich Charaktere herausbilden, die wir uns alle wünschen und die ihr Leben selber gestalten und selbstbestimmt führen können.
Der Kinder- und Jugendförderplan im Haushalt 2009 ist um rund 5,1 Millionen € erhöht worden.
Diese Steigerung erfolgte im Wesentlichen durch eine Zusammenlegung mit dem Sonderprogramm „Jugend in sozialen Brennpunkten“, das wir als SPD übrigens schon im letzten Jahr gefordert haben. Lesen Sie die Anträge bitte noch einmal nach!
Dies kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Kinder- und Jugendfördergesetz im Gegensatz zur vorherigen Absichtserklärung aller Parteien niemals die vorgesehene Höhe von 96 Millionen € erreicht hat.
Lieber Christian Lindner, das war ein zentrales Wahlkampfversprechen, das von Ihnen und den regierungstragenden Fraktionen gebrochen wurde. Die Landesregierung liegt um 16 Millionen € unter dem versprochenen Ansatz. Angesichts der Erkenntnislage, die ich gerade zitiert habe – 70 % des Erlernten werden informell erlernt –, ungerecht, und zwar nicht nur gegenüber den Kindern und Jugendlichen, sondern es ist schlichtweg ein Betrug an ihnen.
Eine besondere Ungerechtigkeit noch zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen. Herr Rüttgers ist im letzten Jahr viel verreist. Ich meine nicht seine langen Urlaube, sondern er war auch in Brasilien und hat dorthin eine Dienstreise gemacht. Er hat kleine, obdachlose brasilianische Kinder auf den Arm genommen. Ich habe das auf einem Foto gesehen. Es war sehr rührend.
Gleichzeitig, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat er ganz Nordrhein-Westfalen auf den Arm genommen. Hier hat er nämlich – Frau Kollegin Steffens hat es gerade schon gesagt – den Ansatz für die Obdachlosenhilfe auf null gesetzt.
Das ist ungerecht und eine Ungeheuerlichkeit und zeigt genau, wie er vorgeht: In Brasilien nimmt er kleine, obdachlose Kinder auf den Arm, und hier nimmt er sozusagen ganz Nordrhein-Westfalen auf den Arm, weil er die Förderung kürzt.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und entschuldige mich noch einmal für meine anfängliche Unkonzentriertheit.
Lieber Kollege Christian Lindner,
haben Sie schon einmal irgendwo von irgendeinem Parteigremium der SPD ein einziges Mal den Slogan „Staat vor Privat“ gehört?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung ist in Sachen Kinder- und Jugendpolitik nicht aufrichtig. Der Charakter dieser Landesregierung ist an einigen Beispielen in Sachen Kinderpolitik deutlich herauszuarbeiten. Ich
versuche das nicht nur bezogen auf den jetzt vorliegenden Antrag der Grünen, sondern auch im Geiste der Dinge, die wir bislang erlebt haben, deutlich zu machen.
Zunächst hat – wie Sie wissen – die Landesregierung die Unterstützung für die ärmsten Familien zurückgezogen. Die Beiträge für die ärmsten Familien wurden nicht mehr erstattet. Man hat es den Kommunen überlassen, dafür Sorge zu tragen, dass diese Gelder aufgebracht werden. Das führt zu großen Verwerfungen. Wir haben es hier schon häufiger diskutiert.
Das führt dazu – ich habe noch einen Zeitungsartikel, den ich gleich näher zitieren werde –, dass zum Beispiel der Rhein-Sieg-Kreis Preise von 910 € für zwei Kinder hat. Das ist nur ein Beispiel. Es gibt noch mehr Beispiele. Das führt zu Verwerfungen. Das ganze Land durchzieht eine Ungerechtigkeit, eine Nichtgleichbehandlung von Kindern. Festzuhalten bei diesen Elternbeiträgen ist, dass es besonders bedauerlich für unser Land ist. Je niedriger das Einkommen der Eltern ist, desto höher ist die prozentuale Belastung durch die Elternbeiträge.
Das stimmt, Herr Minister Laschet. Ich zeige es Ihnen anhand einer Studie. Bertelsmann ist bestimmt nicht nahe unserer Partei, aber gleichwohl haben sie es wunderbar herausgearbeitet.
Die Eltern, die ganz normal verdienen in NordrheinWestfalen, sind prozentual besonders belastet, und das ist die Folge Ihrer Politik.
Ich will gerne noch die Unehrlichkeit herausarbeiten. Das zum Thema: Wir nehmen alle mit. Wir wollen nicht, dass jemand sozial abgehängt wird. Das Gegenteil organisieren Sie. Die Elternbeiträge sind ein gutes Beispiel dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das zweite Beispiel dazu, wie Sie vorgehen, ist das KiBiz. Schon der Name Kinderbildungsgesetz war von Anfang an eine Fehlleitung, eine Irreführung der interessierten Elternschaft.
Es gibt, vor allen Dingen ausgelöst durch das KiBiz, Wettbewerbsdruck. Das ist eine Ideologie, die Sie auch im Kinder- und Jugendbereich platziert haben. Die Sprachförderung ist in einem katastrophalen Zustand, Herr Minister. Wir haben deutlich weniger Förderung als vorher. Das haben Sie zu verantworten. Gleichzeitig reden Sie hier vom Erfolg des KiBiz und davon, dass nur wenige Menschen im Lande anfangen, sich über das KiBiz aufzuregen.
Gerne.
Herr Bollenbach, das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass im RheinSieg-Kreis als Beispiel ein Elternpaar für zwei Kinder 910 € bezahlt.
Natürlich verdienen die auch gut. Das ist doch keine Frage.
Ich habe doch gesagt, dass sie sicherlich auch gut verdienen.
Ich weiß nicht, wie viel die verdienen.
Ich habe Ihnen doch gerade erklärt, und dieser Satz gilt: Je weniger Einkommen in den Familien, desto höher ist der prozentuale Anteil an der Kinderbetreuung. Das können Sie diskutieren, wie Sie wollen; Sie können das hier nicht wegdiskutieren. Das ist doch das Problem. Dass solche Elternbeiträge zustande kommen, ist doch in der Situation, wo wir von Elternbeitragsfreiheit sprechen, ein Skandal. Das ist doch der Punkt, bei dem Sie sich wegducken. Dass es in Aachen zu Beschwerden kommt, versuchen Sie als Singularität darzustellen. Das ist völlig falsch. Die Beschwerdewelle fängt gerade an. Heute steht ein Artikel in der „Westfälischen Rundschau“, wenn ich Ihnen den einmal zeigen darf, Herr Minister. Lesen Sie hin und wieder Zeitung, Herr Minister? Die „Westfälischen Rundschau“ – er will gar nicht zuhören – schreibt: Der
Widerstand gegen KiBiz wächst. Ich zitiere die „Westfälische Rundschau“ vom heutigen Tage:
Das Gesetz zwinge die Stadt zu Personalkürzungen, weil das Geld vom Land nicht reicht. Die personellen Bedingungen in den Einrichtungen sind eine Katastrophe. Die Mitarbeiter können nicht mehr. Zu hohe Belastungen bedeuten zwangsläufig auch eine Abnahme der Qualität der Betreuung.
Das, was Sie getan haben, und das, was der Minister getan hat, ist, ein Versprechen zu machen, dass die U3-Betreuung ungefähr 20.000 € im Jahr kosten wird. Die Realität holt Sie jetzt ein. Das wird nämlich nicht 20.000 € kosten, sondern zwischen 30.000 € und 38.000 €. Und das ist der Streitpunkt. Darum geht es. Darum regen sich die Kolleginnen und Kollegen auch von der CDU in Aachen auf. Dazu werden sich auch noch weitere Städte äußern.
Dieser Widerstand – da gebe ich der „Westfälischen Rundschau“ recht – wird bis zur Kommunalwahl noch erheblich wachsen, weil Sie mit falschen Kalkulationen die Gemeinden in die Irre geführt haben. Sie lassen sie jetzt hängen.
Sie entziehen sich der Verantwortung, wenn es darum geht, die U3-Betreuung auszubauen. Der Bund soll etwas herausgeben. Damit konsolidieren Sie Ihren eigenen Haushalt. Der Rest soll durch die Kommunen kompensiert werden. So leicht werden wir Sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass jetzt gleich mehrere Fraktionen dieses Thema zum Gegenstand der Debatte machen, sagt noch nichts über die Qualität der Anträge aus. Deshalb möchte ich die Qualität als ersten Punkt beleuchten.
Der Antrag von CDU und FDP enthält im Prinzip einen Appell an Unternehmen, etwas zu tun. Immer dann, wenn die schwarz-gelbe Landesregierung beziehungsweise die sie tragenden Fraktionen einen Appell formulieren, dann in der sicheren Erkenntnis, dass man super appellieren kann, die schönsten Forderungen hineinschreiben kann, genau wissend, dass nichts passiert. Das ist ungefähr der Charakter eines Appells. Dass sich die Grünen jetzt diesem Appell anschließen oder in den Appellcharakter verfallen,
verwundert mich.
Man weiß ja, wenn die Grünen an die Wirtschaft appellieren, sind gleich Tausende von Unternehmen bereit, das sofort umzusetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Appellcharakter
zeigt im Prinzip die Ernsthaftigkeit dieses Antrages. Es geht um 0,2 % der Plätze in NordrheinWestfalen. Das hätte man ohne Plenum sicherlich vernünftiger regeln können. Das zur Qualität des Antrages.
Inhaltlich sind Sie leider auch völlig auf dem Holzweg, weil der Antrag komplett an der Fachdiskussion vorbeigeht. Betriebskitas sind nicht immer die beste Lösung für die Kinder. Wir alle wollen doch unsere Politik mehr aus der Sicht der Kinder gestalten. Bei der Lufthansa mag es richtig und wichtig sein, einen Betriebskindergarten zu haben. Wenn Mama irgendwo über den Wolken unterwegs ist und zu spät kommt, weil das Flugzeug Verspätung hat, ist das sinnvoll.
Die Fachdebatte zeigt aber, dass man sich so etwas vor Ort überlegen muss. Dagegen stehen schon erhebliche pädagogische Gründe, Herr Minister, beispielsweise, dass sich Kinder in Wohnortnähe orientieren müssen. Sie müssen lernen, sich in ihrem Sozialraum zurechtzufinden. Das sollte man nicht unterschätzen.
Deshalb weist der Trend auch nicht so sehr in Richtung Betriebskindergärten, die meistens für die Betriebe in der Umsetzung auch deutlich zu teuer sind. Im Mittelpunkt stehen vielmehr
individuelle Lösungen in den Betrieben, wie man bedarfsorientiert den Müttern, die sie benötigen, Angebote unterbreiten kann.
Es gibt eine breite Palette an Möglichkeiten. Man kann Kooperationen mit bestehenden Kitas eingehen. Man kann den Eltern finanzielle Möglichkeiten eröffnen, zum Beispiel kann man den Arbeitnehmern die in den meisten Städten NordrheinWestfalens viel zu hohen Beiträge für die Kitas erstatten. Es gibt vielerlei Möglichkeiten, als Unternehmen durch Kooperation mit örtlichen Trägern die Familien im Betrieb zu unterstützen. Dazu bedarf es in den wenigsten Fällen eines Betriebskindergartens.
Das werden wir im Ausschuss noch intensiv diskutieren. Meine Fraktion wird einen Entschließungsantrag einbringen, der diese inhaltlichen Komponenten aufnimmt.
Als letzten Punkt möchte ich, um die Ernsthaftigkeit des Antrages noch einmal deutlich zu machen, zu bedenken geben: Wenn die Landesregierung oder die sie tragenden Fraktionen das von ihnen Beantragte ernsthaft beabsichtigten, dann hätten sie es
in irgendeinem Ministerium bereits praktizieren oder hier im Landtag realisieren können. Sie hätten hier einen Betriebskindergarten einrichten können. Mehrere Kollegen und Mitarbeiter haben Kinder, auch die Vizepräsidentin hat ein Kind. Das haben Sie nicht getan, und das zeigt, dass man diesen Bereich nicht ganz so ernst nimmt, wie man das aus der Tagesordnung herauslesen könnte. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, dass wir im Beratungsverfahren zu diesem Tagesordnungspunkt noch eine Einigkeit erzielen werden; denn Kinderrechte gehen nicht nur eine Fraktion an, sondern wir alle sollten hier gemeinsam als Parlament initiativ werden.
Meine Damen und Herren, viele Kinder sind materiell unterversorgt, sie leben in Armut, sie werden gedemütigt, sie werden geschlagen, sie werden sexuell missbraucht, sie sind psychischer Gewalt ausgesetzt, sie werden vernachlässigt und verwahrlosen. Das Ganze passiert nicht irgendwo in der Welt, sondern mitten in unserer Gesellschaft, in Deutschland und leider auch hier in NordrheinWestfalen.
Kinder sind die noch schwachen Glieder unserer Gesellschaft, Kinder sind abhängig von Eltern, von Bezugspersonen, von Pädagogen und anderen zu ihrem Schutz Verpflichteten. Diese können oder wollen ihre Schutzfunktion allerdings nicht immer so ausfüllen, wie wir es uns wünschen.
Diese Situation ist übrigens unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und ihrer sozialen Situation. Neulich hatten wir im Ausschuss eine Anhörung, aus der ich wenige Sätze von Dr. Erwin Jordan vom Institut für soziale Arbeit in Münster vorlesen möchte: Andererseits ist natürlich nicht zu verkennen, dass das Risiko eines Kindes, zu einem vernachlässigten, misshandelten, sexuell missbrauchten Kind zu werden, in dem Maße zunimmt, wie die für ihre Erziehung verantwortlichen Personen in ihren Handlungs- und Problemlösungsressourcen beeinträchtigt sind. Hier können durchaus Tendenzen wahrgenommen werden, dass gesellschaftliche Belastungs- und Stressfaktoren, bezogen auf die spezifischen Familiensitua
tionen, zunehmen. Neben der gegenwärtig zu Recht intensiv diskutierten Kinder- bzw. Familienarmut können hier noch genannt werden: familiäre Instabilitäten wie Trennung, Scheidung usw.
Meine Damen und Herren, in den allermeisten Familien läuft es gut. Dort werden die Kinder gut betreut, gut gepflegt und genießen eine gute Erziehung. Deshalb ist für uns Sozialdemokraten der im Grundgesetz festgehaltene Satz „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern …“ auch in keiner Weise infrage zu stellen. Wir sehen das absolut so, wie es formuliert ist, und wir stehen dahinter.
Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir müssen über die Unterstützungssituation der Kinder in unserem Land reden. Kinder haben Rechte. Ich zitiere aus der „Bremer Entschließung“ des Bundesrates vom 24. Juni 2008: Kinder haben ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit, ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung, ein Recht auf Schutz vor Vernachlässigung und Ausbeutung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als staatliche Gemeinschaft haben die Pflicht zur Schaffung kindgerechter Lebensbedingungen. Ein Schritt dahin wäre es, die Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen. Kurz gesagt: Die Kinder, denen es schlecht geht, brauchen den Schutz unserer Gesellschaft. Diesen Schutz können wir als Parlament und als Gesellschaft nur dadurch garantieren, dass wir die Kinderrechte in unsere Verfassung aufnehmen. Das ist sehr wichtig.