Christoph Bratmann
Appearances
17/8
17/14
17/18
17/26
17/33
17/37
17/38
17/42
17/43
17/48
17/53
17/55
17/57
17/61
17/70
17/73
17/77
17/86
17/89
17/98
17/99
17/101
17/106
17/109
17/117
17/118
17/126
17/132
17/139
Last Statements
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Niedersächsische Landesregierung sind in der 17. Wahlperiode ja besondere Herausforderungen im Bereich der Sprachförderung zugekommen. Wir wissen alle, woran das lag. Wie ist die Landesregierung dieser Herausforderung begegnet, mit welchen Maßnahmen hat sie versucht, Lehrkräfte für die Sprachförderung zu gewinnen, und wie erfolgreich waren sie?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Seefried durchaus dankbar dafür, dass er den Gesetzentwurf seiner Fraktion so sachlich eingebracht hat, bevor der Beitrag von Herrn Försterling am Ende leider vollends in Wahlkampfklamauk abgedriftet ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine solche Wahlkampfrhetorik hat dieses wirklich ernste und wichtige Thema nicht verdient.
Ich möchte beginnen mit ein paar persönlichen Erfahrungen. Hier ist ja schon viel über persönliche Erfahrungen gesprochen worden, die in Gesprächen mit Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie mit Lehrkräften gemacht worden sind. Immer dann, wenn die Debatte auf die Förderschule Lernen kommt, denke ich einerseits an meine eigene Schulzeit, andererseits aber auch an meine berufliche Tätigkeit als Lehrkraft zurück.
In meiner eigenen Schulzeit war ich Realschüler in einem Ort in der Nähe von Braunschweig. Dort gab es drei Schulstandorte: die Realschule, damals noch die Orientierungsstufe und eine Förderschule
Schwerpunkt Lernen, die hieß damals noch Sonderschule.
Sie kennen sicherlich alle aus Ihrer Schulzeit noch den Begriff der Sonderschule. Der Bus fuhr zuerst Realschule und Orientierungsstufe an, danach dann die sogenannte Sonderschule. Sie kennen das vielleicht auch, jedenfalls einige von Ihnen, dass sogenannte Sonderschüler damals - so würde man heute sagen - Stigmatisierung ausgesetzt waren. Wir haben damals gesagt, dass sie gehänselt wurden.
Das führte dazu, dass es zu einem ernst zu nehmenden Problem wurde, dass diese Schülerinnen und Schüler häufig zu spät kamen. Was war der Hintergrund? Sie sind, um nicht als sogenannte Sonderschüler erkannt zu werden, am Realschulzentrum ausgestiegen und haben den langen Fußmarsch ans andere Ende des Ortes auf sich genommen, um zur Sonderschule zu kommen.
Das zeigt die Problematik, die sich dargestellt hat, bevor wir überhaupt an Inklusion zu denken wagten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass wir heute wesentliche Schritte weiter sind.
Die zweite Erfahrung aus meiner beruflichen Tätigkeit, wie ich sie hier schon immer wieder geschildert habe: Ich war Lehrer an einer Berufsbildenden Schule in Goslar in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Förderschule Schwerpunkt Lernen. Wir hatten ein Kooperationsprojekt dieser Berufsbildenden Schule Goslar-Baßgeige mit der benachbarten Pestalozzischule. Ich war über sieben Jahre hinweg einmal in der Woche an der Förderschule Schwerpunkt Lernen und hatte viel Einblick, viel Kontakt natürlich zu den Schülerinnen und Schülern, zu den Lehrkräften und hin und wieder auch zu den Eltern.
Ich habe vor allem mitbekommen, dass sich viele Eltern - gerade in umgekehrter Art und Weise - mit Händen und Füßen dagegen gewehrt haben, dass bei ihren Kindern sonderpädagogischer Förderbedarf diagnostiziert wird und sie an dieser Schulform unterrichtet werden. Sie haben alles versucht, um eine Beschulung an einer Förderschule Schwerpunkt Lernen zu vermeiden.
Das war damals die Realität, und ich denke: Das muss man auch zur Kenntnis nehmen.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich will hier überhaupt nicht diese Schulform stigmatisieren. An dieser Schulform machen die Lehrkräfte seit Jahrzehnten eine wunderbare Arbeit; unter erschwerten Bedingungen. Herr Kollege Heiner Scholing hat es schon geschildert. Diese Schule ist alles andere als ein Schonraum, das Gegenteil ist häufig der Fall.
Wenn Sie einmal an einer Förderschule Schwerpunkt Lernen hospitiert haben, dann werden Sie das mitbekommen haben. Denn die Situation sieht so aus, dass in Klassen mit bis zu 16 Schülerinnen und Schülern in der Regel eine Lehrkraft ohne Schulsozialarbeit immer die Aufgabe hatte, den Klassenunterricht und die Einzelförderung von Schülerinnen und Schülern mit ganz unterschiedlichen Hintergründen unter einen Hut zu bringen. Nicht wenige Lehrkräfte sind an dieser Situation schier verzweifelt. Von daher ist der Wunsch der Lehrkräfte nach Erhalt dieser Schulform wirklich an vielen Orten überhaupt nicht vorhanden.
Das zu persönlichen Eindrücken, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir haben schon darüber gesprochen: Im März 2012 wurde mit großer Mehrheit in diesem Haus das Gesetz zur Umsetzung der schulischen Inklusion in Niedersachsen besprochen, damit dann zwangsläufig das Auslaufen der Förderschule Schwerpunkt Lernen im Primarbereich und - das weiß man, wenn man sich mit Schulstrukturen auskennt - damit dann auch zwangsläufig das Ende dieser Schulform perspektivisch eingeläutet. Das ist ja das, was Sie nicht wahrhaben wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition.
Seitdem gibt es zunehmend Förderschulstandorte, die keine Schülerinnen und Schüler mehr haben. Schulen werden in Förderzentren umgewandelt, zusammengelegt oder anderweitig genutzt. Wir haben in den letzten Jahren als Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker von Rot-Grün immer wieder Schulstandorte dieser Schulform besucht und unterschiedliche Reaktionen erfahren. Allerdings waren sich alle Schulleitungen und Lehrkräfte in einem Punkt einig: Der 2012 eingeleitete Prozess des Auslaufens der Förderschule Schwerpunkt Lernen ist schon aus organisatorischen Gründen unumkehrbar.
Ich will das einmal an einem Beispiel aus meiner Heimatstadt und der Region Braunschweig deutlich machen. Die geschilderte Sonderschule aus dem Beispiel meiner eigenen Schulzeit hat mittlerweile keine Schülerinnen und Schüler mehr. In Braunschweig gibt es ab dem kommenden Schuljahr nur noch eine Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Eine weitere läuft jetzt aus; sie hat nur noch 20 Schülerinnen und Schüler.
Selbst wenn der Gesetzentwurf der CDU beschlossen werden würde, würde sich daran überhaupt nichts ändern. Der Schulträger würde so verfahren, schon allein aus organisatorischen Gründen, aber auch in enger Abstimmung mit den Lehrkräften, mit den Eltern, mit Schülerinnen und Schülern. Es würde noch eine Schule für Stadt und Region Braunschweig übrigbleiben; mit 100 Schulplätzen.
Und da suggerieren Sie den Menschen im Land, Sie würden in diesem Bereich Wahlfreiheit wiederherstellen. Das ist unseriös, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Bei den vielen Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf kann es gar nicht mehr um Wahlfreiheit gehen, weil es landesweit gar nicht mehr zu machen ist. Wir haben die Schulstandorte gar nicht mehr.
Es ist Sand, was Sie den Menschen in die Augen streuen, und das macht die Unseriosität dieses Gesetzentwurfes deutlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wenn sich dann auch noch Kollege Försterling hinstellt, hier immer wieder den Elternwillen betont und sich als Gralshüter des Elternwillens und der Wahlfreiheit aufspielt, dann kann man nur sagen: Sie haben in eigener Regierungsverantwortung an ganz anderer Stelle - ich nenne als nur Stichwort die Integrierte Gesamtschule - die Wahlfreiheit der Eltern mit den Füßen getreten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und jetzt spielen Sie sich hier in dieser Art und Weise auf.
Ich will aber noch einmal auf die Schulgesetznovelle im Jahr 2015 zurückkommen, die von Ihnen angeführt wird.
Wir haben eine umfangreiche Anhörung gehabt - vielleicht können Sie sich noch gut daran erinnern; das ist ziemlich genau zwei Jahre her -, in der vor allen Dingen auch die Verbände, die die Menschen mit Behinderungen vertreten, unterschiedliche Meinungen zu den verschiedenen Förderschularten vertreten haben. Es gab die Maximalforderung der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, Petra Wontorra, die gesagt hat: Über kurz oder lang sollten alle Förderschulen abgeschafft werden, um die totale Inklusion an Schulen durchzusetzen. - Das ist ein Diskussionspunkt. Wir haben uns diese Sichtweise nicht zu eigen gemacht.
Andere Verbände haben gesagt: Im Bereich Hören, im Bereich Sehen, im Bereich geistige Entwicklung usw. müssen die Standorte erhalten bleiben. - Das haben wir uns sehr wohl zu eigen gemacht.
Es waren sich aber fast alle in der Anhörung einig, dass das Auslaufen der Förderschule Schwerpunkt Lernen richtig ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, und zwar der Verband der Sonderpädagogen, der Landeselternrat, der Landesschülerrat, die GEW als größte Lehrervertretung, der Schulleitungsverband Niedersachsen. Sie alle waren sich in dieser Anhörung in einem Punkt einig. Und da werfen Sie uns Realitätsverlust vor und werfen uns vor, wir würden nicht mit den Menschen im Land sprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das Gegenteil ist der Fall.
Die Anhörung hat eines deutlich gemacht: Es gibt unterschiedliche Sichtweisen zur Inklusion. Sie haben vorhin Reinhard Fricke zitiert. Ich glaube, Reinhard Fricke haben sich die Nackenhaare gekraust, wenn er verfolgt hat, dass er heute in dieser Debatte hier ausgerechnet von Ihnen zitiert wird.
Reinhard Fricke ist - ich kenne ihn gut - ein sehr erfolgreicher Schulleiter. Die Schule liegt zufälligerweise in meinem Wahlkreis. Ich war schon häufig da und schätze ihn sehr. Reinhard Fricke ist ein absoluter Befürworter des Auslaufens der Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen.
Reinhard Fricke hat gesagt: „Wir brauchen keine Schulstrukturdebatte, sondern eine Qualitätsdebatte!“ Lassen Sie uns diese endlich führen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich werde wohl die volle Zeit nicht ausschöpfen müssen.
Ich will nur noch einmal klarstellen - das wurde auch schon von der Ministerin gesagt -, dass uns die praktische Umsetzung dieses Gesetzentwurfs vor Schwierigkeiten stellen würde, die deutlich größer wären als das, was wir damit erreichen würden. Insbesondere wäre - da spreche ich auch aus kommunaler Sicht - der mit den Kommunen
ausgehandelte Kostenausgleich zur schulischen Inklusion damit hinfällig.
Außerdem sind die Strukturen überhaupt nicht mehr vorhanden. Das habe ich bereits deutlich gemacht. Auch aus pädagogischer Sicht ist das nicht sinnvoll, weil vielerorts die Strukturen überhaupt nicht mehr vorhanden sind, die notwendig wären, um qualitätsvollen, guten Unterricht an einer Förderschule Schwerpunkt Lernen durchzuführen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Daher kann man nur noch einmal sagen:
Das Thema „Wahlfreiheit und Elternwille“ ist hier eine Farce und soll mit Ihrem Gesetzentwurf nicht bewirkt werden.
Zum Schluss der Debatte ist es meines Erachtens tatsächlich noch einmal wichtig, Einigkeit zu betonen - Einigkeit im Sinne der Schülerinnen und Schüler für die Umsetzung der schulischen Inklusion. Ich habe ja vorhin geschildert, wie die Situation war, bevor wir überhaupt an Inklusion gedacht haben. Dann stand der Begriff Integration im Mittelpunkt. Und heute sind wir alle gefordert - nicht nur schulisch, sondern auch gesellschaftlich -, Inklusion umzusetzen.
Hans Wocken, der UNESCO-Beauftragte für Inklusion, hat gesagt: Integration war eine Gnade. Inklusion ist ein Recht. - Um dieses Recht umzusetzen, müssen wir alles tun, im Sinne der Schülerinnen und Schüler.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich mache das ein bisschen weniger theatralisch als der Kollege Försterling.
Ich glaube, ich habe mich sogar noch etwas intensiver mit dem Antrag auseinandergesetzt als der Kollege Seefried. - Lieber Kollege Seefried, wenn Sie sich tatsächlich inhaltlich so intensiv mit diesem Antrag zum Thema Oberschule als Erfolgsmodell auseinandergesetzt hätten, dann wäre Ihnen ein fundamentaler Widerspruch in diesem Antrag aufgefallen. Denn in den Forderungen an die Landesregierung fordern Sie unter Punkt 1 eine wissenschaftliche Evaluation der Arbeit der Oberschulen, um dann auf Basis der Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Evaluation diese Schulform schrittweise weiterzuentwickeln.
Das klingt erst einmal logisch, und ich glaube, es ist auch bedenkenswert, in der Zukunft tatsächlich mal eine wissenschaftliche Evaluation auf den Weg zu bringen. Das sollte man aber dann machen, wenn auch alle Schulen dieser Schulform einen Abschlussjahrgang gehabt haben. Zurzeit ist das noch nicht der Fall.
Danach, nach Punkt 1, stellen Sie aber zehn mehr oder weniger konkrete Forderungen an die Landesregierung, wie diese Schulform weiterzuentwickeln sei. - Was denn nun? Sie wollen erst eine Evaluation, um dann auf Basis der Ergebnisse die Schulform zu entwickeln, aber gleichzeitig wissen Sie offenbar schon, was dabei herauskommt, und fordern, wie diese Schulform weiterzuentwickeln sei. Dieser Widerspruch allein begründet schon,
dass dieser Antrag abzulehnen ist, weil er einfach unausgegoren ist.
Vor allem finde ich es immer interessant, wenn Sie uns in diesem Zusammenhang ideologiegeleitetes Handeln vorwerfen; aber dazu später mehr.
Sie haben in Ihrer Regierungszeit zunächst das Hohelied auf die Dreigliedrigkeit gesungen. Sie haben versucht, die Hauptschulen zu stärken, indem Sie Mittel aus dem Konjunkturprogramm bereitgestellt haben. Sie haben aus ideologischen Gründen die Errichtung weiterer Gesamtschulen damals verboten - im Übrigen ohne jemals eine wissenschaftliche Evaluation der Gesamtschulen auf den Weg zu bringen. Und Sie werfen uns ideologiegeleitetes Handeln vor? - Meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann doch wohl nicht wahr sein!
Sie mussten aber auch erkennen, dass Sie den Trend nicht aufhalten konnten. Die Entwicklung der Schülerzahlen war in Niedersachsen landauf, landab eindeutig. Beliebt waren Gymnasium und Gesamtschule, die Realschule fiel demgegenüber deutlich ab, und an letzter Stelle lag die Hauptschule, die - diese Begrifflichkeit wurde vor einigen Jahren geprägt - zur Restschule verkommen war. Ich finde diese Begrifflichkeit hässlich. Sie wird den Schülerinnen und Schülern der Hauptschule und vor allen Dingen den engagierten Lehrkräften, die an Hauptschulen unter schwierigen Bedingungen arbeiten, nicht gerecht.
Aber die Schülerzahlen sprachen nun einmal eine eindeutige Sprache. Auf diese Entwicklung haben Sie reagiert. Sie haben mit heißer Nadel eine Schulform gestrickt, die nicht „Gesamtschule“ heißen durfte, aber dem Umstand gerecht wurde, dass die Eltern Schulformen wollen, die mehrere Bildungsabschlüsse unter einem Dach ermöglichen.
Lieber Kollege Försterling, ich teile ausdrücklich Ihre Einschätzung und die des Kollegen Seefried, dass sich die Oberschulen mittlerweile bewährt haben. Da gibt es überhaupt keinen Widerspruch. Wir von den Fraktionen der SPD und der Grünen haben auch im Ausschuss immer wieder deutlich
gemacht, dass wir überhaupt gar kein Interesse daran haben, die Oberschulen zu schwächen. Die Oberschulen haben sich bewährt. Sie sind insbesondere im ländlichen Raum wichtig für die Schulträger, um beispielsweise Schulstandorte zu erhalten, die sonst bedroht wären. Das ist völlig klar!
Sie haben den Schulträgern mehr Flexibilität gegeben, und das entspricht unserem Verständnis und vor allem auch dem der Kultusministerin Heiligenstadt, die immer wieder sagt, was die Schulträger angeht, handeln wir nach dem Motto „Ermöglichen, statt verordnen“.
So gibt es im ländlichen Raum etliche Oberschulen - insgesamt sind es ungefähr 100 - mit einer Mindestgröße von zwei Zügen. Wie gesagt, das sind Schulstandorte, die andernfalls wahrscheinlich vielfach nicht mehr vorhanden wären.
In den großen Städten im Umfeld von Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen, die gut erreichbar sind, spielen die Oberschulen dagegen eher eine untergeordnete oder, wie in meiner Heimatstadt Braunschweig, gar keine Rolle.
Ich will auf die eingangs angesprochenen zehn Forderungen aus dem Antrag eingehen. Sie lassen sich aus meiner Sicht in drei Kategorien einteilen. Zum einen gibt es die Kategorie der Forderungen, die bereits geltender Erlasslage entsprechen und damit überflüssig sind. Das gilt für den Unterricht in Französisch als zweite Fremdsprache oder den Profilunterricht ab Jahrgang 9, den Sie flexibilisieren wollen. Das ist bereits geschehen und muss deshalb nicht mehr in einem Antrag gefordert werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Sie fordern, die didaktische Leitung unabhängig von der Schulgröße zu installieren. Das ist die zweite Kategorie: Sie fordern eine einseitige Besserstellung der Oberschule als Schulform. Wir wollen die Oberschule nicht benachteiligen, wir wollen sie aber auch nicht einseitig besserstellen. Von daher gilt, was die didaktische Leitung angeht, für die Oberschule genau das Gleiche wie für Haupt- und Realschulen.
Und die dritte Kategorie Ihrer Forderungen ist aus unserer Sicht aus pädagogischen Gründen abzulehnen, wie z. B. die Forderung nach eigenen Förderschulklassen im Bereich Lernen unter dem Dach der Oberschule oder die Einrichtung eigener L-Kurse neben den G-, E- und Z-Kursen an der Oberschule.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, hieran wird wieder eines deutlich: Die Inklusion im Schulbereich - das vorweg geschickt - stellt uns, stellt vor allem die Lehrkräfte und stellt mitunter auch die Schülerinnen und Schüler vor große Herausforderungen. Das ist völlig unbestritten. Wir müssen alles dafür tun, die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Inklusion gut umgesetzt werden kann. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie fordern - eigene L-Klassen unter dem Dach der Oberschule -, ist keine Inklusion. Das muss man hier mal feststellen. Das ist keine Inklusion.
In allen Ihren Anträgen, die Sie zu diesem Thema stellen, in allen Reden, die der Kollege Försterling oder der Kollege Seefried zu diesem Thema halten, ist immer wieder festzustellen: Was Sie fordern, bedeutet, dass wir hinter das zurückfallen, was Sie selber einmal im Jahr 2012 mitbeschlossen haben. Das ist mit uns nicht zu machen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Inklusion ist nun einmal die gemeinsame Beschulung - nicht nur unter einem Dach, sondern in einer Klasse, in einer Lerngruppe - von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung. Das wollen wir umsetzten, das müssen wir umsetzen. Alles andere, was Sie fordern, ist Exklusion. Das machen wir nicht mit, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Bajus hat zum Thema schon gut ausgeführt. Ich denke, die FDP macht hier Politik nach dem Motto: „Ich habe eine Lösung anzubieten, jetzt muss ich nur noch ein Problem
für diese Lösung konstruieren.“ Dieses konstruierte Problem heißt: Pfand auf Milchtüten. - Aber dieses Problem existiert überhaupt nicht! Kollege Bajus hat eben schon deutlich gemacht: Das hat nie jemand gefordert.
Aber der Reihe nach, meine sehr geehrten Damen und Herren: Als ich mich mit dem Thema befasst habe, wurde ich an eine Situation mit meiner kleinen siebenjährigen Tochter erinnert. Als wir beim samstäglichen Einkauf die Pfandflaschen zusammengesucht und geguckt haben, was denn so in die gelbe Tonne gehört, die es bei uns in Braunschweig gibt, hat meine Tochter die Frage gestellt: Warum gibt es im Supermarkt für manche Plastikflaschen Geld zurück und für andere nicht? - Es war zu sehen, dass es beispielsweise für Apfelschorle in PET-Flaschen Geld zurück gibt - weil Apfelschorle bepfandet ist -, für Apfelsaft in PETFlaschen aber nicht.
Die Logik, die dahinter steckt, ist weder einer Siebenjährigen noch auf andere Weise irgendwie zu erklären. Das Verpackungsgesetz orientiert sich tatsächlich am Inhalt und nicht an der Umweltschädlichkeit der Verpackung. Das war, wie ich finde, völlig zu Recht Gegenstand der Kritik des Bundesrates.
An diesem Umstand hat sich auch nach dem neuen Verpackungsgesetz, das in der letzten Woche im Bundestag verabschiedet wurde, nichts geändert. Die Bepfandung orientiert sich weiterhin am Inhalt und nicht an der Umweltschädlichkeit der Verpackung. In dem Gesetz wird zwar die Pfandpflicht auf weitere Getränke ausgeweitet - auf Fruchtschorlen, Getränke mit 50 % Molkegehalt usw. -, aber an dem Grundsatz, dass das Getränk entscheidend ist und nicht die Verpackung, hat man festgehalten. Von daher besteht also ohnehin keine Gefahr, dass Milchtüten und Weinflaschen zukünftig bepfandet werden.
Milch kommt ohnehin in umweltfreundlichen Verpackungen daher - auch das hat der Kollege Bajus schon ausgeführt -, in sogenannten TetraPaks, Getränkekartons. Immer häufiger wird Biomilch in Mehrwegglasflaschen oder in sogenannten Polyethylen-Standbeuteln, die auch relativ umweltfreundlich sind, verkauft. Von daher bestand, wie schon erwähnt, die Gefahr des Pfandes auf Milchtüten nicht. Die Kernforderung der Länderkammer fand im Gesetz dann eben keine Berücksichtigung.
Zu begrüßen ist an dem Gesetz, dass die Kommunen durch die Einrichtung einer zentralen Stelle nun mehr Spielraum bei der Gestaltung ihrer Ver
packungssammlung vor Ort haben. Es bleibt abzuwarten, ob das Ziel des Gesetzes erreicht werden kann, eine Mehrwegquote von über 70 % zu erreichen. Wir hoffen, dass das gelingt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ja, wie der Kollege Bock schon ausgeführt hat, an dieser Stelle bereits mehrfach über das Thema gesprochen. Neben vielem, was uns in der beruflichen Bildung eint, ist dieses tatsächlich ein Punkt, der auch verhindert hat, dass wir uns im Ausschuss auf einen der gestellten Anträge zum Thema Weiterentwicklung der beruflichen Bildung einigen konnten.
Der Petent möchte, wie eben schon geschildert, die Zurücknahme des Erlasses vom 30. Juli 2014, der besagt, dass die Stellenbewirtschaftung wieder zentral auf das Kultusministerium übertragen wird. Sicherlich sind wir uns in einem Punkt einig, nämlich in dem, dass es durchaus kritisch zu sehen war, wie dieser Erlass damals kommuniziert wurde. Es wurde aber auch deutlich, dass das Thema Stellenbewirtschaftung ein Streitpunkt nicht nur hier im Parlament ist, sondern auch bei den Verbänden und bei den Akteuren der beruflichen Bildung. Dies wurde in einer Anhörung klar; denn während Schulleitungsverband, Berufsschullehrerverband und einige andere gesagt haben, wir brauchen die dezentrale Stellenbewirtschaftung zwingend wieder, haben z. B. die GEW und der DGB das ganz anders gesehen.
Wichtig ist für uns in erster Linie, dass der ProReKo-Gedanke weitergetragen wird, und das wird er aus unserer Sicht; denn die Schulen sind weiterhin allein verantwortlich für die Personalplanung auf Basis ihrer Stellenpläne sowie für die Auswahl des Personals. Auch das Stellenausgleichsverfahren bleibt transparent, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass dem ProReKo-Gedanken abgeschworen wird.
Die Möglichkeit, darüber hinaus Personal flexibel zulasten ihrer Budgets einzustellen - das wurde in Reden von CDU und FDP schon häufiger skandalisiert -, die aus den Schulen heraus vorgeschlagen worden ist, sorgt für Flexibilität an den berufsbildenden Schulen und hat die Situation deutlich entspannt.
Mittlerweile hat eine Arbeitsgruppe im MK getagt, auch unter Einbeziehung von Verbänden und Schulleitungen. Man redet jetzt nicht mehr von zentraler oder dezentraler Stellenbewirtschaftung, sondern von koordinierter Stellenbewirtschaftung. Wir fragen uns: Ist das der Weisheit letzter Schluss? Das vermag ich nicht zu sagen; denn das ist es nur, wenn es sich mittel- und langfristig in der Praxis bewährt und die Unterrichtsversorgung tatsächlich besser wird. Tendenzen sind erkennbar. Deswegen sagen wir: Diese Petition bewerten wir mit „Material“:
Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Bock, ich bin jetzt auch nicht beleidigt, dass Sie eine Zwischenfrage von Frau Menge zugelassen haben, von mir aber nicht.
Die Unterrichtsversorgung hat mich doch noch einmal auf den Plan gerufen. Angesichts der Tatsache, dass der Herr Kollege Seefried bei einer Tagung des BLVN, bei der auch ich zugegen war, 100 % Unterrichtsversorgung an berufsbildenden Schulen versprochen hat und Sie eben etwa in die gleiche Kerbe gehauen haben, stellt sich mir die Frage: Meinen Sie das sowohl für den Vollzeit- als auch für den Teilzeitbereich? Wenn ja, wo sind die Haushaltsanträge von der CDU-Fraktion für die 100-prozentige Unterrichtsversorgung an den be
rufsbildenden Schulen? - Die sind für mich nicht ersichtlich.
Daran schließt sich die Frage an: Was haben Sie in Ihrer Regierungszeit getan, um die Berufspädagogik an Hochschulen weiter aufzubauen?
Wie erklärt sich der Lehrkräftemangel, den wir jetzt haben, aus Ihrer Regierungszeit heraus?
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde diesen Terminus nicht verwenden. Ich denke, das ist bei diesen Petitionen auch nicht nötig.
Es ist schon viel zu der Petition zu den Kürzungen in den MINT-Fächern gesagt worden. Das Anliegen des Petenten ist es, dass es nicht zu Kürzungen im MINT-Bereich kommt. Es ist ausgeführt worden, dass es auch keine Kürzungen gegeben hat; vielmehr ist der Stoff auf eine längere Schulzeit ausgedehnt worden. Das ist aus meiner Sicht auch richtig; denn wir haben ja gemerkt, welche Probleme sich bei der Verkürzung der Schulzeit von neun auf acht Jahre und dem Zusammenpressen des Unterrichtsstoffs ergeben haben. Alle diese Probleme haben wir jetzt - Gott sei Dank! - nicht mehr. Deswegen war das ein richtiger und wichtiger Schritt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es ist auch richtig, dass es nicht darum ging, das alte G 9 wieder einzuführen, wie Herr Seefried das gerade gefordert hat. In allen Arbeitsgruppen, die
dazu stattgefunden haben, ist es Konsens gewesen, dass ein modernes G 9 eingerichtet werden soll. Natürlich ist es trotzdem wichtig, den Prozess zu evaluieren und zu schauen, ob die Stundentafeln für die einzelnen Schulen handhabbar sind. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die MINT-Fächer, die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer, nicht hinten runterfallen dürfen. Denn - das sage ich auch als jemand aus dem Bereich der Berufsbildung - wir haben in diesem Bereich einen großen Fachkräftemangel und einen großen Nachwuchsbedarf. Deswegen ist es aus meiner Sicht richtig, diese Petition der Landesregierung als Material zu überweisen und nicht einfach die Petenten nur über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten.
Im Übrigen waren wir uns in dieser Frage im Petitionsausschuss mit der CDU-Fraktion einig.
Deshalb war ich etwas überrascht, dass man heute von diesem Votum abweicht und sich jetzt für „Berücksichtigung“ ausspricht.
Zur Petition zum Thema Qualität der Bildung an Gymnasien. Petitionen zu diesem Thema haben wir im Kultusausschuss schon öfter behandelt, sodass man geneigt ist, sich wieder an die langjährige bildungsideologische Debatte darüber zu erinnern, ob Gymnasien benachteiligt werden. Dass das so wäre, ist nirgendwo erkennbar, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Gymnasien - und das werden alle wissen, die ein kommunales Mandat haben und wissen, wie sich die Schulen vor Ort entwickeln - erfreuen sich nach wie vor größter und durch die Rückkehr zum G 9 sogar noch größerer Beliebtheit. Die Schülerzahlen sind überall entsprechend hoch. Das Gymnasium ist neben der Integrierten Gesamtschule die beliebteste Schulform in Niedersachsen. Das allein zeigt, dass die Gymnasien nicht benachteiligt werden.
In dieser Petition ist u. a. von der Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung die Rede; die ist aber längst rückgängig gemacht worden. Es geht um Schulsozialarbeit - dazu hat der Kollege Scholing schon etwas ausgeführt. Auch an Gymnasien wird in weiteren Schritten Schulsozialarbeit eingeführt. Es ging erst einmal darum, zu priorisieren, an welchen Schulformen eine besondere Notwendigkeit besteht. Wenn der Kultushaushalt es hergeben würde, hätte man natürlich die Gymnasien schon längst berücksichtigt, aber es gibt Grenzen, wie
Sie aus Ihrer eigenen Regierungszeit sicherlich noch wissen.
Es geht in dieser Petition auch darum, mehr Planstellen für Verwaltungsfachkräfte einzurichten. Das liegt weniger in unserer Hand; das ist eine Angelegenheit des Schulträgers. Und es gibt die Forderung nach einer Vertretungsreserve. Auch die ist verständlich. Eine solche Vertretungsreserve hat sich allerdings in der Vergangenheit nicht bewährt; denn die „Springer“ sind nicht immer zwischen den Schulen gewechselt, sondern wurden häufig im Pflichtunterricht eingesetzt. Von daher ist das Konzept der Ressourcensteuerung, so wie es heute ist, denke ich, auch richtig.
Im Großen und Ganzen ist es aus unserer Sicht vertretbar, die Petentin über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Bock, erst einmal gibt es ein Lob von meiner Seite - das kommt ja nicht so oft vor -, allerdings nicht für Ihre Rede - denn die war nur in der Einleitung gut -,
sondern für die guten Beratungen, die wir im Kultusausschuss hatten. In der Tat wurde dort die Diskussion über die berufliche Bildung im Gegensatz zu anderen Themen wie dem Wegfall der Schullaufbahnempfehlung, der Rückkehr zu G 9 usw. nicht ideologisch überlagert.
Wir haben sehr pragmatisch beraten. Ihre Aussage, dass wir in Sachen berufliche Bildung diametral auseinanderliegen, verstehe ich nicht; denn wir waren uns in vielen Punkten einig. Nur in einem Punkt waren wir das am Ende nicht mehr, aber darauf komme ich später noch zu sprechen.
Herr Kollege Bock, den Ausführungen, die Sie in Ihrer Einleitung gemacht haben, kann ich zustimmen. Es ist tatsächlich so, dass die Akteure in der beruflichen Bildung, insbesondere die Lehrkräfte in den BBSen, manchmal das Gefühl haben, die berufliche Bildung ist das Stiefkind der Bildungspolitik und fällt ein bisschen hinten runter. Das liegt, glaube ich, daran, dass Berufsschullehrkräfte pragmatisch unterwegs sind und häufig stillschweigend ihre Arbeit machen. Das machen sie gut, und dafür gebührt ihnen auch der Dank des Landtags.
Man muss sich einmal vor Augen führen, was die berufsbildenden Schulen täglich leisten: Sie sorgen für Durchlässigkeit in unserem Schulsystem - die Durchlässigkeit nach oben ist immer noch ein Problem -, indem sie vielen Schülerinnen und Schülern ermöglichen, höherwertige Schulabschlüsse zu erlangen, beispielsweise über die Berufsfachschulen oder über die Fachoberschulen. Sie sorgen aber auch für Durchlässigkeit in den Arbeitsmarkt, indem sie es insbesondere den leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern mit Hauptschulabschluss, mit schwachem Hauptschulabschluss oder auch ohne jeglichen Ab
schluss ermöglichen, über die Übergangssysteme in eine Berufsausbildung zu kommen. Diese Leistung ist nicht zu unterschätzen.
Deshalb liegt dazu auch unser Entschließungsantrag mit dem Titel „Berufliche Bildung gemeinsam stärken“ vor. Ich möchte trotz der Unterschiede zu den Kolleginnen und Kollegen der Opposition heute die Gemeinsamkeiten betonen.
Uns geht es in unserem Entschließungsantrag darum, die Handlungsempfehlungen des Bündnisses Duale Berufsausbildung aufzugreifen und darüber hinaus notwendige Veränderungen und Weiterentwicklungen an den BBSen zu thematisieren. Aus meiner Sicht ergeben sich im Bereich der beruflichen Bildung im Wesentlichen vier Zielsetzungen:
Das erste wichtige Ziel ist die bestmögliche Vorbereitung und Unterstützung junger Menschen beim Übergang in das Berufsleben. Das ist ein ganz entscheidender Faktor gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.
Das zweite wichtige Ziel ist die Sicherung und Weiterentwicklung der dualen Berufsausbildung als einem weltweit beachteten Erfolgsmodell. In Grußworten und Reden der Handwerkskammer, der Industrie- und Handelskammer usw. hört man immer wieder, dass unser deutsches System der dualen Berufsausbildung weltweit seinesgleichen sucht und immens erfolgreich ist. Dabei dürfen wir aber nicht ignorieren, dass dieses System nicht von alleine und einfach so zu halten ist, sondern wir müssen dafür arbeiten, dass die duale Berufsausbildung weiterhin ein Erfolgsmodell ist. Ich denke aber, das ist unstrittig, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das dritte wichtige Ziel ist, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken oder, um es positiv zu formulieren, den Fachkräftenachwuchs für die Betriebe, insbesondere in Niedersachsen, zu sichern.
Das vierte Ziel gab es auch immer schon, es war immer schon bedeutend, ist aber durch die Entwicklung insbesondere im letzten Jahr noch wichtiger geworden. Es lautet, Menschen mit Migrationshintergrund, und hier insbesondere Flüchtlingen, die erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Das Erreichen dieser vier großen Ziele, über die bei den Beratungen im Kultusausschuss auch Einigkeit herrschte, erfordert ein Maßnahmenpaket. Dieses Maßnahmenpaket haben wir in unse
rem Antrag formuliert. Die entsprechenden Maßnahmen kann man wie folgt beschreiben:
Zunächst einmal geht es darum, die Bildungslandschaft regional abzustimmen. Das ist gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen mit seinen ganz unterschiedlichen Voraussetzungen hinsichtlich der demografischen Entwicklung von alles entscheidender Bedeutung. Es kann nicht sein, dass sich Berufsschulstandorte gegenseitig das Wasser abgraben. Es kann aber auch nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler immense Strecken auf sich nehmen müssen, um zu ihrer Ausbildungsstätte zu kommen. Es geht also darum, die Bildungslandschaft regional abzustimmen.
Das ist mit Sicherheit ein Punkt, bei dem man nicht von allen Seiten Beifall erwarten kann. Diese Abstimmung ist konfliktbeladen. Sie lässt sich meines Erachtens nicht zentral über das Land steuern, aber man kann sie auch nicht allein den Kommunen überlassen. Wie gesagt, der Schlüssel liegt in der Regionalität.
Ferner geht es um eine erfolgreiche Berufsorientierung. Um diese zu gewährleisten, brauchen wir die stärkere Einbindung der Berufsorientierung in den Sek-I- und Sek-II-Bereich der allgemeinbildenden Schulen. Wir brauchen Kooperationsmodelle mit der Wirtschaft, und die, die es schon gibt, müssen ausgebaut, evaluiert und weiterentwickelt werden. Ein entscheidender Faktor ist auch die Kooperation zwischen den allgemeinbildenden und den berufsbildenden Schulen; denn - und da spreche ich als früherer Berufsschullehrer aus eigener Erfahrung - Schülerinnen und Schüler, die in den berufsbildenden Schulen nicht wissen, wohin sie wollen, haben ein Problem, für sich eine entsprechende Ausbildung zu finden.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Begleitung und Beratung aus einem Guss. Hier gibt es ein Erfolgsmodell, das von dieser Landesregierung angeschoben wurde: die Jugendberufsagenturen. Sie gilt es aus meiner Sicht auszubauen, insbesondere im Blick auf die leistungsschwächeren Jugendlichen im Anschluss an ihre Zeit an den berufsbildenden Schulen. Es ist wichtig, dass man diese Jugendlichen an die Hand nimmt, dass man ihnen die bestmögliche Beratung zukommen lässt und dass man vor allen Dingen auf die Vorerfahrungen, die die berufsbildenden und auch die allgemeinbildenden Schulen mit ihnen hatten, aufbauen kann, um ein zielorientiertes Matching zu
haben, um für sie die richtigen Möglichkeiten zum Einstieg in den Arbeitsmarkt, zum Einstieg in die Berufsausbildung zu finden. - Die Jugendberufsagenturen sind ein Erfolgsmodell, und es ist richtig und gut, sie weiter auszubauen.
Im Kern geht es darum, das Recht auf Ausbildung zu sichern: generell, aber auch für die Leistungsschwächeren, für diejenigen, die sich nicht am Ausbildungsmarkt behaupten können, weil sie nicht die entsprechenden Zeugnisse haben, weil sie nicht auf die entsprechenden Qualifikationen verweisen können. Auch das ist ein zentrales Anliegen unseres Antrages: Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit am Ausbildungsmarkt umzusetzen und Ausbildungsmöglichkeiten für alle Jugendlichen zu schaffen. Das darf auf gar keinen Fall hinten runterfallen.
Darüber hinaus geht es darum - das hat Herr Kollege Bock auch schon angesprochen -, die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung nicht nur herzustellen, sondern auch immer wieder zu betonen. Das kann man durch eine weitere Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte gewährleisten.
Wir müssen dem Fachlehrkräftemangel entgegenwirken, und wir müssen auch die Inklusion an den berufsbildenden Schulen weiter umsetzen - über Modellprojekte, über Beratungsangebote, über Fortbildungsangebote für Lehrkräfte.
Das alles ist in unserem Antrag enthalten. Deswegen ist in der Anhörung zur beruflichen Bildung zu Recht gesagt worden, dass unser Antrag der weitestgehende, der umfangreichste ist. Es ist schade, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir uns am Ende nicht darauf haben einigen können.
Einen Aspekt habe ich noch nicht erwähnt - das war auch der zentrale Aspekt in der Rede des Kollegen Bock -, nämlich die Stellenbewirtschaftung. Ich kann den Unmut einzelner berufsbildender Schulen sogar verstehen. Man muss aber auch das Land verstehen; denn als es immer mehr unbesetzte Stellen gab und die Unterrichtsversorgung immer weiter nach unten ging, war es an der Zeit zu handeln. Ich denke, mit der jetzigen Lösung einer koordinierten Stellenbewirtschaftung im Dialog mit den relevanten Vertreterinnen und Vertretern der Verbände ist man auf einem guten Weg. Wir haben im Bereich der beruflichen Bildung so viele Einstellungsermächtigungen wie schon lange nicht mehr. Das zeigt, dass es richtig war.
Ja.
Lieber Kollege Seefried, in diesem Zusammenhang von einem Stellenabbau an den berufsbildenden Schulen zu reden, ist irreführend; denn es geht um Stellen, die im System waren, aber nicht besetzt werden konnten und deshalb abgeführt werden mussten.
In diesem Jahr sind über 500 Stellen geschaffen und Lehrkräfte eingestellt worden. Deswegen sage ich: Man ist hier auf einem guten Weg. Natürlich ist die Unterrichtsversorgung noch immer nicht zufriedenstellend. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass aufgrund der Struktur der berufsbildenden Schulen mit Teilzeit- und Vollzeitunterricht im berufsbildenden Bereich eine Unterrichtsversorgung von 100 % nie erreicht werden kann.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die werde ich, glaube ich, nicht brauchen. Es geht mir nur darum, noch einmal geradezurücken, wie die Debatten gelaufen, wie die Beratungen auch im Kultusausschuss gelaufen sind.
Wir waren uns in der Tat in vielen Punkten einig.
Leider ist die Debatte - deswegen bin ich ziemlich unzufrieden mit ihr und nicht mit meiner Kollegin Julia Willie Hamburg; ich glaube, sie ist auch nicht mit meiner Rede unzufrieden, sondern damit, in welche Richtung die ganze Debatte gegangen ist -
auf das technische Probleme der Stellenbewirtschaftung verengt worden.
Ihnen ist völlig aus dem Blick geraten, worum es überhaupt geht. Es geht darum, Jugendliche so zu unterstützen, zu beraten und zu bilden, dass sie auf den richtigen Weg durch die berufliche Ausbildung und damit auf den Arbeitsmarkt kommen. Es geht darum, auf diese Weise den Fachkräftenachwuchs für Niedersachsen zu sichern. Es geht letzten Endes auch um die Zukunftsfähigkeit der niedersächsischen Wirtschaft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gerät Ihnen völlig aus dem Blick, weil Sie die Debatte auf die Stellenbewirtschaftung an berufsbildenden Schulen verengt haben.
Letztendlich ist doch in der Anhörung zu den BBSAnträgen eines deutlich geworden: Für die einen war die dezentrale Stellenbewirtschaftung Teufelszeug; insbesondere die Gewerkschaften hatten damit ein großes Problem und haben gesagt: Das muss wieder alles zentral erfolgen. - Andere Verbände, z. B. der Berufsschullehrerverband Niedersachsen, haben das Gegenteil gesagt: Wir brauchen die dezentrale Stellenbewirtschaftung durch die berufsbildenden Schulen; Zentralität ist Teufelszeug.
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Diese Wahrheit versucht man gerade in einer Arbeitsgruppe im Kultusministerium unter Beteiligung der relevanten Verbände zu erarbeiten - wie die Ministerin schon ausgeführt hat -, um zu einer koordinierten Stellenbewirtschaftung zu kommen, die die Kompetenz der berufsbildenden Schulen, diejenigen Leute einzustellen, die man vor Ort wirklich braucht, mit der Steuerung durch das Land verbindet, die nun einmal erfolgen muss, weil es ohne sie - das gehört zur Wahrheit - auch nicht richtig gut funktioniert hat.
Wie gesagt, ich finde es schade, dass diese Debatte allein darauf verengt wurde.
Im Kern haben Sie sich an zwei Punkten unseres Antrages gestört. Den einen Punkt wären wir bereit gewesen herauszunehmen. Über den anderen Punkt haben wir zahlreiche Debatten, auch im Beisein des Ministeriums, geführt, um zu einer Einigung zu kommen; das hat sich hier leider heute nicht widergespiegelt.
Dennoch will ich am Ende versöhnlich werden: Ich hoffe trotzdem, dass wir zukünftig - es gibt noch viele wichtige Aufgaben in der beruflichen Bildung - konstruktiv beraten werden und dass wir auch wieder zu Einigungen im Bereich der beruflichen Bildung kommen.
Die berufliche Bildung ist ein ganz entscheidender Aspekt für unser Land Niedersachsen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Winkelmann, Sie haben in fast allen Punkten, die Sie eben genannt haben, recht. Deswegen will ich das gar nicht weiter ausführen. Weil ich weiß, dass Sie Musiker sind, gestehe ich Ihnen auch eine größere Kompetenz zu, zu beurteilen, welche positiven Effekte Musik hat. Als Pädagoge kann ich das bestätigen. Es ist völlig unstrittig, das ist ein hervorragendes Programm. „Wir machen die Musik“ ist sehr erfolgreich. Es hat tolle Effekte bei der Arbeit mit den Kindern. Das ist alles schon gesagt worden.
Das ist im Übrigen auch schon alles bei der Plenardebatte am 8. Juni vor den Sommerferien gesagt worden. Auch damals haben alle Rednerinnen und Redner hier im Plenum dieses Programm gelobt. Es ging um einen CDU-Antrag zur Fortführung des Programms. In der Debatte ist deutlich geworden, dass dieser CDU-Antrag überflüssig war; denn dieses Programm wird fortgeführt. Es wurde evaluiert. Die positiven Ergebnisse sind in dieser Evaluation bestätigt worden.
Von daher kommen wir zu dem Schluss, dass der Petent, der im Übrigen schwerpunktmäßig die Fortführung des Programms fordert - die Erweiterung ist nur am Rande mit dem Zusatz „wenn möglich auch Erweiterung“ erwähnt -, über die Sach- und Rechtslage aufgeklärt wird. Dann wird er erfreut zur Kenntnis nehmen, dass dieses Programm fortgeführt wird.
Ich zitiere dazu mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, Frau Ministerin Dr. Heinen-Kljajić in der Debatte am 8. Juni, die gesagt hat:
„Ich muss eigentlich gar nicht weiter ausführen, dass das Programm ‚Wir machen die Musik‘ längst über die Mipla auch über die Folgejahre abgesichert ist bis 2020 und selbstverständlich fortgeführt wird. Dafür hätte es keines Antrags bedurft.“
Ich sage dazu: Dazu müssen wir hier nicht „Berücksichtigung“ beschließen, sondern es reicht, wenn wir den Petenten aufklären. Seinem Anliegen wird nachgekommen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die Debatte schon mehrfach geführt. Es ist immer wieder das Gleiche: alter Wein in neuen Schläuchen.
Ich kann mich noch gut an die Einbringung dieses Antrages vor wenigen Monaten, im Juni, kurz vor den Sommerferien, erinnern. Ich fand, dass da
mals der Kollege Försterling seine beste bildungspolitische Rede gehalten hat, indem er einfach nur gesagt hat: Ich wünsche den Schülerinnen und Schülern und den Lehrkräften schöne Sommerferien. - Das war eigentlich auch der angemessene Umgang mit diesem Antrag, lieber Kollege Seefried.
Wir haben uns zunächst mit dem Antrag auseinandergesetzt. Wir haben darüber im Kultusausschuss intensiv darüber diskutiert. Dass wir nicht zu einer Anhörung gekommen sind, könnte auch an der Qualität des Antrages liegen, mein lieber Kollege Seefried.
Sie kritisieren in Ihrem Antrag, um es noch einmal aufzuzählen, den Wegfall der Schullaufbahnempfehlung und ignorieren dabei, dass das breit getragen wurde: Landeselternrat, Landesschülerrat, GEW als größte Lehrervertretung usw. usf., alle haben sich bei der Anhörung im letzten Jahr, im Vorfeld der Schulgesetznovelle, für den Wegfall der Schullaufbahnempfehlung ausgesprochen. Es ist unstrittig, dass das breit getragen wurde und auf breite Zustimmung gestoßen ist.
Der Wegfall der Schullaufbahnempfehlung ermöglicht differenzierte Gespräche mit Eltern. Das ist viel aussagekräftiger als das, was vorher war.
Sie kritisieren die Wiedereinführung des G 9. Auch das ist schon von der - - -
Sie schreiben in Ihrem Antrag von „Wiedereinführung“. Das ist schon vom Wortlaut her falsch. Stattdessen gibt es ein neues, modernes G 9, und das ist richtig so.
Sie reden davon, dass die zweite Fremdsprache wegfällt. Klar ist: Die zweite Fremdsprache ist weiterhin fester Bestandteil der Einführungs- und Qualifikationsphase. Sie Schulen können aber ein Ersatzangebot machen. Auch das ist richtig so, immer nach dem Grundsatz „ermöglichen, statt verordnen“, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Auch die Mär von der angeblichen Benachteiligung der Gymnasien steht wieder in diesem Antrag. Aber die Gymnasien erfreuen sich landauf, landab größten Zuspruchs. Die Anmeldezahlen steigen in Braunschweig, in Hannover, in Gifhorn, in Wolfen
büttel und in anderen Orten eben durch das moderne Abitur nach neun Jahren. Die Gymnasien sind durch die Einführung des modernen G 9 attraktiver geworden. Auch das ist festzustellen, mein lieber Herr Seefried.
Über das Thema Unterrichtsausfall und Unterrichtsversorgung ist heute schon kompetent gesprochen worden. Der Kollege Strümpel hat, glaube ich, schon alles dazu gesagt. Wäre die Zahl der Sollstunden so niedrig wie unter der Vorgängerregierung, wäre die prozentuale Unterrichtsversorgung deutlich höher. Das alles ist heute schon ausgeführt worden.
Alles in allem wird eines deutlich: Sie haben ein ganz anderes Verständnis von Pädagogik als wir. Ihr Verständnis ist nach wie vor: möglichst viel Stoff in möglichst kurze Zeit zu packen.
Dann kritisieren Sie im Zusammenhang mit einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung - ich habe manchmal den Verdacht, Studien der KonradAdenauer-Stiftung könnten ein bisschen politisch eingefärbt sein; vielleicht ist das ja nur ein Verdacht, aber die Studie legt ja auch Fakten auf -, dass es zu viele Studien- und zu viele Ausbildungsabbrecher in Niedersachsen gibt.
Sie sollten sich solche Studien einmal genauer ansehen. Warum gibt es so viele Studien- und so viele Ausbildungsabbrecher? - Weil die Schülerinnen und Schüler zu wenig gelernt haben, wie man richtig lernt. Bei den Ausbildungsabbrechern sind es die fehlenden Sozial- und Personalkompetenzen. Zu mehr als 70 % führen fehlende Personal- und Sozialkompetenzen zum Abbruch von Ausbildungen.
Auch das lernt man nicht durch Klassenarbeiten. Das lernt man nicht, indem viel Stoff in wenig Unterrichtszeit gepackt wird. Dazu braucht es vielmehr Schule mit entzerrten Stundenplänen. Dazu braucht es Schule, die wirklich auf die Arbeitswelt vorbereitet. Dazu gehört auch so etwas wie eine Präsentationsprüfung. Denn im Arbeitsleben werden nun einmal kaum Klausuren geschrieben. Dort geht es darum, das eigene Tun und Handeln zu präsentieren und das kompetent zu tun, zu interagieren. Das lernt man durch solche neuen Unterrichts- und Prüfungsmethoden.
Wir sind also auf dem richtigen Weg.
Wenn Sie das Ganze auch noch als „PowerpointAbitur“ betiteln, dann wird klar, was Sie unseren Lehrkräften und unseren Schülerinnen und Schüler zutrauen. Das ist wirklich bemerkenswert.
Von daher zeigt dieser Antrag - ich glaube, ich muss es gar nicht weiter ausführen -, dass es ein zusammengesuchtes Sammelsurium der Bildungsdebatten der letzten drei Jahre ist. Ich glaube, die Diskussion müssen wir in der Intensität nicht noch einmal führen. Die Würfel sind gefallen. Die Schulgesetznovelle wird umgesetzt. Damit lasse ich es für heute gut sein.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. Die drei Minuten habe ich mir extra aufgehoben.
Ein kleines Beispiel aus meiner persönlichen Erfahrung als Lehrer - solange ist das noch nicht her; gut dreieinhalb Jahre -: Klasse 12, berufliches Gymnasium, Politikunterricht. Was glauben Sie, wie viele der Schülerinnen und Schüler die Ebene der Landespolitik, den Niedersächsischen Landtag kannten und wussten, wer niedersächsischer Ministerpräsident ist? - Einer wusste das - einer! Und zwei bis drei kannten die Ebene der Landespolitik.
Nun kann man sagen: Die sind alle zu blöd. - Oder: Das ist die Folge davon, dass nicht genug Stoff in den Politikunterricht gepackt wurde. - Es war aber ganz anders. Die Schüler haben das alles hinreichend gelernt und auch Klausuren darüber geschrieben. Sie haben das aber überhaupt nicht verinnerlicht. Das zeigt, dass wir heute ganz andere Lernformen und eine ganz andere Lernatmosphäre brauchen, als Sie sich das vorstellen. Schule funktioniert so nicht mehr.
Möglichst viel Stoff in eine möglichst kurze Unterrichtszeit zu packen und das dann als Bildungserfolg zu verkaufen - so funktioniert Schule nicht mehr; ich habe es schon gesagt. In der Arbeitswelt hat man das längst erkannt, da geht man ganz anders miteinander um. Da geht man auch ganz anders an Themen heran. Eine echte Vorbereitung auf die Arbeitswelt bedeutet, dass Schüler selbstständig lernen, ihren Lernstoff zum Teil mit auswählen können, zum Teil Einfluss auf die Unterrichtungsgestaltung haben und vor allem - das ist eine besondere Leistung - ihren Lernerfolg und ihre Weiterentwicklung selbst bewerten und evaluieren können. Das ist wahre Leistung, die in der Schule passiert.
Frau Bertholdes-Sandrock, um auf Sie einzugehen: Die Lernatmosphäre, die Aktivität der Schülerinnen und Schüler, das Klima, das in der Schule herrscht, und vor allem die Eigentätigkeit der Schülerinnen und Schüler - das sind Kriterien aus der Laudatio der IGS Franzsches Feld, die 2006 den Deutschen Schulpreis gewonnen hat. Die Grundschule Comeniusstraße in Braunschweig ist ebenfalls Gewinner des Deutschen Schulpreises, und in ihrer Laudatio finden sich ähnliche Begrifflichkeiten.
Das macht gute Schule aus, und das steht konträr zu Ihrem Verständnis von Lernen und von Pädagogik, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will am Ende noch etwas Versöhnliches sagen. Da übernehme ich den Job des immer sehr angenehm pastoral auftretenden Heiner Scholing.
Ich will ein Angebot machen, das ich wirklich ernst meine, lieber Kollege Försterling - am Anfang dachte ich ja, Sie wären differenzierter unterwegs als Kollege Seefried -, nämlich eine offene und ehrliche Debatte darüber zu führen, was gute Schule ist und welche Voraussetzungen für gute Schule notwendig sind. Diese Debatte müssen wir im Kultusausschuss weiter führen - völlig unbenommen -, aber nicht anhand von ideologisch bedingten Anträgen, die nichts anderes fordern, als dass wir das zurückdrehen, was wir eben gerade beschlossen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Eine ehrliche Debatte darüber, was gute Schule ist, was gute Schule ausmacht und wie wir für unsere Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen die besten Voraussetzungen schaffen können, müssen wir weiterführen. Dazu sind wir gerne bereit.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich mache es auch kurz.
Liebe Kollegin Bertholdes-Sandrock, ich antworte auf Ihre Kurzintervention, obwohl sie sich eigentlich gar nicht an mich gerichtet hat. Ich glaube, sie richtete sich mehr an Kollegin Hamburg. Aber kein Problem!
Ich glaube, es wäre gut, wenn sie einfach mal hospitieren würden. Gehen Sie mal in eine Gesamtschule, und hospitieren Sie dort mal! Sehen Sie sich mal Präsentationsprüfungen an! Denn es wird ja bemerkenswert deutlich, dass Sie ein fehlendes Vertrauen in die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler haben.
Sie wollen Leistung ausschließlich an Klausuren bemessen. Wo werden in der Arbeitswelt Klausuren geschrieben? Wo ist das der einzige Maßstab für Leistung? - Es braucht viel mehr Kompetenzen, und ich glaube, das weiß man nicht erst seit wenigen Jahren, sondern das ist schon länger bekannt. Diese Kompetenzen werden über andere Unterrichtsformen und auch über andere Formen der Prüfungen erkannt. Ich glaube, in dieser Frage sind andere Bundesländer und andere europäische Länder schon viel, viel weiter.
Außerdem lässt sich Leistung nicht immer nur an Zahlen bemessen. Man muss auch keinen minutiös aufgelisteten Kriterienkatalog haben, um zu schauen, was gute Schule ist. Von einer guten Lernatmosphäre bekommt man keinen Eindruck, wenn Kreuze auf Listen gemacht werden und minutiös Kriterien für gute Lernatmosphäre und gutes Lernklima festgelegt werden.
Ich empfehle dringend, einmal zu hospitieren und mal wieder zu schauen, wie Unterricht heute läuft. Das wäre, glaube ich, vonnöten.
Vielen Dank.
Herr Präsident, dafür habe ich auf jeden Fall Verständnis. Ich hätte auch gern als Letzter geredet. Jetzt hat der Kollege Försterling das letzte Wort. Das wollte ich eigentlich vermeiden.
- Ach so. Das ist auch gut.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Scholing hat schon vieles über den Antrag der CDU gesagt. 15 Punkte stehen drin. Ich werde auf fünf Punkte genauer eingehen.
Erstens. Die CDU kritisiert den Wegfall der Schullaufbahnempfehlung und fordert quasi ihre Wiedereinführung. Dabei ignoriert sie völlig, dass der Wegfall der Schullaufbahnempfehlung im Rahmen der Schulgesetznovelle im letzten Jahr auf eine breite Zustimmung gestoßen ist: beim Landeselternrat, beim Landesschülerrat, bei der größten Lehrervertretung, der GEW, dem DGB, dem Schulleitungsverband usw. usf. Sie alle haben erkannt, dass die Schullaufbahnempfehlung in dieser Form nicht mehr zeitgemäß ist und dass sie auch für Ungerechtigkeit sorgt.
Meine Damen und Herren, wie sie für Ungerechtigkeit sorgte, kann man an einem ganz einfachen Beispiel erkennen: Zwei Schüler, die beide auf ein Gymnasium gingen und exakt den gleichen Leistungsstand hatten, wurden hinsichtlich ihrer weiteren Bildungsbiografie unterschiedlich beurteilt. Der
eine, der nur eine Realschulempfehlung hatte, durfte nicht wiederholen, sondern wurde abgeschult. Der andere, der eine Gymnasialempfehlung hatte, durfte - bei genau gleichem Leistungsstand! - wiederholen. Das war ungerecht. Das haben wir jetzt abgeschafft.
Zudem wird im Antrag kritisiert, dass die Eltern mittlerweile verunsichert seien, weil sie nicht mehr genau wüssten, auf welche Schulform sie nun ihre Kinder schicken sollten. Auch das ist widerlegt. Denn die Eltern werden natürlich informiert. In Gesprächen findet Beratung in Bezug auf die weiteren Weg der Schülerinnen und Schülern statt, viel differenzierter als nur durch die Schullaufbahnempfehlung.
Zweitens. Sie kritisieren in Ihrem Antrag wortwörtlich die „Wiedereinführung“ des G 9.
Das ist schon vom Wortlaut her falsch. Denn es wurde nicht das alte G 9 wiedereingeführt. Vielmehr haben wir neues, modernes G 9 als Ergebnis eines beispiellosen Dialogprozesses eingeführt. Das stieß auf breite Zustimmung sogar seitens der CDU und sogar seitens des Philologenverbandes.
Die Entzerrung der Stundentafel ist sinnvoll. Sie ermöglicht ganzheitliches und vertieftes Lernen, und sie ermöglicht mehr Flexibilität und Profilbildung im naturwissenschaftlichen Bereich. Auch das folgt unserem Grundsatz „ermöglichen statt verordnen“.
Drittens. Sie beklagen insgesamt ein Absinken des Anforderungsniveaus und nennen als Beispiel, dass die zweite Fremdsprache nicht mehr zwingend vorgeschrieben ist.
Dazu kann man nur sagen - das hat gestern schon der Kollege Strümpel ausgeführt -: Die zweite Fremdsprache bleibt fester Bestandteil der Einführungs- und Qualifikationsphase. Abweichend davon kann die Schule ein Ersatzangebot schaffen, z. B. im geisteswissenschaftlichen Bereich. Den Potenzialen der Schülerinnen und Schüler kommt das entgegen. Auch das folgt unserem Grundsatz „ermöglichen statt verordnen“.
Viertens lesen wir - auch darauf ist die Kollege Scholing schon eingegangen - wieder die Mär von der Benachteiligung der Gymnasien.
Ich will jetzt gar nicht auf die Grafik der FDP eingehen
- ich habe sie jetzt leider nicht zur Hand -, die skizziert hat, dass wir irgendwann nur noch 30 Gymnasien in Niedersachsen hätten. Das hat niemand ernst genommen, wahrscheinlich nicht einmal Sie selber. Aber Sie sind der Versuchung erlegen, damit Stimmung zu machen.
Die Gymnasien erfreuen sich landauf, landab großer Beliebtheit. Vielerorts - z. B. in Braunschweig, Hannover, Gifhorn, Wolfenbüttel - steigen die Anmeldezahlen an Gymnasien an. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Gymnasium durch die Einführung des modernen G 9 attraktiver geworden ist. Viele Schulleitungen von Gymnasien werden das bestätigen können. Die Schließungsdebatte war also Quatsch.
Ebenso Quatsch ist die Aufforderung an die Schulträger, alle Schulformen beizubehalten, ohne Rücksicht auf die Schülerbewegungen und ohne Rücksicht auf die kommunale Schulentwicklungsplanung, die nun einmal einzig und allein in der Verantwortung der Schulträger liegt. Unterhalten Sie sich einmal mit Hauptverwaltungsbeamten, auch mit solchen, die ein CDU-Parteibuch haben! Die sehen das ganz anders, als Sie in diesem Antrag fordern.
Der fünfte Punkt ist die Unterrichtsversorgung. Hierzu muss zunächst einmal klargestellt werden, dass die Zahl der Sollstunden an den Schulen in der letzten Zeit stark angestiegen ist, insbesondere durch Ganztagsausbau, Sprachlernangebote etc. Wäre die Zahl der Sollstunden so niedrig wie zur Zeit der Vorgängerregierung, wäre die prozentuale Unterrichtsversorgung deutlich höher. Bereits jetzt sind deutlich mehr Lehrerstunden im System. Die Landesregierung hat gut daran getan, zum Schuljahr 2016/2017 rund 930 Stellen zusätzlich zur Verfügung zu stellen.
Die geforderten 100 % an allen Schulformen sind aber illusorisch. Das würde auch den BBS-Bereich einschließen, und da werden wir 100 % nicht erreichen, auch wenn wir da natürlich ein großes Stück weiterkommen müssen, was die Unterrichtsversorgung angeht.
Auf die weiteren Forderungen in diesem Antrag werde ich zusammenfassend eingehen: Sie fordern, die Möglichkeit des sogenannten Sitzenbleibens beizubehalten, Sie wollen Grundschulen zur
Notenvergabe verpflichten usw. usf. Insgesamt wird in diesem Antrag eines deutlich: Wir streiten uns hier deshalb immer wieder über gute Bildungspolitik, weil Sie ein ganz anderes Verständnis von guter Schule und von Pädagogik haben.
Ihre Pädagogik bedeutet, dass möglichste viel Stoff in möglichst kurzer Zeit vermittelt wird, dass die Schülerinnen und Schüler konsequent möglichst früh auf möglichst viele verschiedene Schulformen selektiert werden und dass darüber hinaus Noten die einzige aussagekräftige Form der Leistungsbewertung sind, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Weil heute die Fußball-EM anfängt, drängt sich ein Fußball-Vergleich auf. Wenn Sie über gute Schule sprechen, muss ich immer an ein Zitat von Felix Magath denken. Er hat einmal gesagt: „Qualität kommt von Qual.“ Aber genauso, wie die Trainingsmethoden von Felix Magath heutzutage nicht mehr zeitgemäß sind und er mittlerweile überall gescheitert ist und deswegen nach China auswandert, wo man seine Methoden wahrscheinlich noch goutiert,