Protocol of the Session on December 15, 2016

Tagesordnungspunkt 40: Mitteilungen des Präsidenten

Ich sehe, dass das Haus schon so gut besetzt ist, dass ich die Beschlussfähigkeit feststellen kann.

Viele von uns hatten schon das Vergnügen, an einem Tage, an dem das Parlament tagt, Geburtstag zu haben. Es gibt doch nichts Schöneres für die Geburtstagskinder, als den Geburtstag im Kreis der Freundinnen und Freunde des Parlaments

(Beifall)

- auf allen Seiten; das zeigt der Beifall - zu begehen.

Diese besondere Freude hat heute Herr Ministerpräsident Stephan Weil, unser Abgeordnetenkollege. Herzlichen Glückwunsch, Herr Ministerpräsident, im Namen des ganzen Hauses!

(Lebhafter Beifall)

Nachdem ich Ihnen die Glückwünsche des Hauses - Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr! - übermittelt habe, kommen wir zum Ernst der Angelegenheit - ein Geburtstag ist auch ernst; aber wir haben heute hier eine andere Aufgabe, als nur Geburtstag zu feiern - und gehen zur Tagesordnung über.

Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 41 - Mündliche Anfragen. Anschließend kommen wir zu den Abstimmungen im Rahmen der Haushaltsberatung. Danach setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.

Die heutige Sitzung soll gegen 14.35 Uhr enden.

Zunächst wird die Schriftführerin Frau Rakow die uns vorliegenden Entschuldigungen vortragen. Bitte schön, Frau Kollegin!

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Von der Fraktion der CDU haben sich Frau Karin Bertholdes-Sandrock, Herr Frank Oesterhelweg und Frau Gudrun Pieper entschuldigt. Von der Fraktion der SPD hat sich Herr Uwe Schwarz entschuldigt.

Vielen Dank. - Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 41: Mündliche Anfragen - Drs. 17/7050

Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt voraus. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, sich schriftlich zu Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich stelle fest: Es ist jetzt 9.05 Uhr.

Ich rufe auf die

Frage 1: Welchen besonderen Herausforderungen bei der Behandlung kranker Straftäter müssen sich die niedersächsischen Maßregelvollzugseinrichtungen künftig stellen?

Diese Frage, die einige Abgeordnete der CDUFraktion eingereicht haben, wird vom Kollegen Volker Meyer vorgetragen. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die niedersächsischen Maßregelvollzugseinrichtungen haben die schwierige Aufgabe, mit kranken Straftätern unterschiedlichster Herkunft und Sozialisation umzugehen.

So gibt es bei der Therapie kranker Straftäter ausländischer Herkunft oft kulturelle Hürden, die die Behandlung erschweren. Aus Brandenburg gab es aus diesen Gründen im vergangenen Jahr bereits den Vorstoß, eine länderübergreifende Spezialeinrichtung mit speziell geschulten Fachkräften zur Behandlung von psychisch kranken Straftätern mit Migrationshintergrund zu errichten.

Zu manchen Kulturkreisen bekomme man nur schwer Zugang, heißt es in Brandenburg. Zum Beispiel gebe es Täter, die sich weigerten, mit Frauen zu sprechen; der überwiegende Teil des therapeutischen Personals sei allerdings weiblich.

Größtes Problem sei jedoch die Sprache. Man versuche daher, sich über Dolmetscher zu behelfen, was bei der Therapie aber schwierig sei. Um analysieren zu können, wie jemand auf eine Frage reagiere, dürfe es keinen Zeitverzug durch Übersetzung geben. So könne man den Menschen, die teils schwer traumatisiert seien, nicht gerecht werden, heißt es aus Brandenburg. Ein zentrale Spezialeinrichtung in Deutschland, in der ausländische Täter aus dem gesamten Bundesgebiet von dafür extra ausgebildeten Ärzten und Therapeuten begleitet werden, könne daher die Chancen auf einen Therapieerfolg und die gewünschte Resozialisierung erhöhen.

Da der Maßregelvollzug Ländersache ist, müssten sich die Länder untereinander auf solche gemeinsamen Einrichtungen verständigen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie hoch ist der Anteil an Straftätern ausländischer Herkunft in den niedersächsischen Maßregelvollzugseinrichtungen - differenziert nach Unterbringungen gemäß § 63 und § 64 Strafgesetzbuch?

2. Welche Unterschiede gibt es bei der therapeutischen Behandlung von kranken Straftätern mit Migrationshintergrund in Abhängigkeit von ihrer kulturellen Identität und ihren Kenntnissen der deutschen Sprache?

3. Wie gehen die niedersächsischen Maßregelvollzugseinrichtungen mit kranken Straftätern um, die einen salafistischen bzw. islamistischen Hintergrund haben?

Herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Die Mündliche Anfrage wird durch Frau Sozialministerin Rundt beantwortet. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im Sommer letzten Jahres forderte der Chefarzt einer Maßregelvollzugsklinik in Brandenburg in der Märkischen Allgemeinen, eine spe

zielle Klinik zur Behandlung von psychisch kranken Straftäterinnen und Straftätern mit Migrationshintergrund einzurichten. Damit sollte 2015 insbesondere der konkreten Situation in Brandenburg begegnet werden, die von einem hohen Anteil deutsch-russischer Patientinnen und Patienten, aber auch solchen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, z. B. Tschetschenien, geprägt war.

Das für den Maßregelvollzug zuständige Gesundheitsministerium in Potsdam lehnte den Vorschlag zwar nicht sofort ab, hob jedoch gleichwohl hervor, Brandenburger Gerichtspsychiatrien leisteten gute Arbeit, auch bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund. Das Land Brandenburg hat bezüglich der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund im Maßregelvollzug dann auch bislang keine solche Maßnahme eingeleitet oder umgesetzt.

Im niedersächsischen Maßregelvollzug befinden sich zurzeit 165 Patientinnen und Patienten mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Behandlung.

Überwiegend weisen diese Menschen Abhängigkeiten von Suchtstoffen auf und kommen gemäß § 64 StGB in Behandlung. Manchmal handelt es sich allerdings auch um Patientinnen und Patienten, die bereits in ihren Herkunftsländern unter klassisch psychiatrischen Erkrankungen wie z. B. unter Schizophrenie gelitten haben. Sie sind dann im Kontext dieser Erkrankung straffällig geworden und gemäß § 63 StGB untergebracht.

Es handelt sich dabei um Menschen aus sehr unterschiedlichen Herkunftsländern mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen, so z. B. um ausländische wie deutsche Patientinnen und Patienten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, aber auch um Patientinnen und Patienten aus dem arabischmuslimischen Kulturkreis.

Migrantinnen und Migranten können im Maßregelvollzug eine besondere Herausforderung darstellen. Verständigungsschwierigkeiten, soziokulturelle Unterschiede und zum Teil wenig Hintergrundinformationen können die Behandlung von Ausländerinnen und Ausländern sowie von Migrantinnen und Migranten erschweren.

Es ist aber definitiv nicht zielführend, alle Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund in einer zentralen Einrichtung zusammenzufassen. Soweit die Patientinnen und Patienten aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen, ist oft das einzige, was sie verbindet, dass sie in Deutschland leben. Unser Ziel muss es sein, sie zu befähigen,

sich in Deutschland und im deutschen Kulturkreis so weit zurechtzufinden, dass sie nicht mit unseren Gesetzen in Konflikt geraten.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine Konzentrierung der Betroffenen in einer Anstalt fördert gerade nicht die Integration in den deutschen Kulturkreis, sondern bedeutet eine Trennung, die in jedem Fall ein Integrationshindernis darstellt.

Es ist deshalb gut, dass wir in Niedersachsen über einen Maßregelvollzug verfügen, der auf zehn Klinikstandorte verteilt ist. Wir haben auf diesem Weg die Möglichkeit, einerseits differenzierte Behandlungskonzepte störungsspezifisch anzubieten und Patientinnen und Patienten nahe ihrem zukünftigen Lebensbereich zu resozialisieren. Wir haben andererseits aber auch die Möglichkeit, Patientinnen und Patienten voneinander getrennt zu behandeln.

Als Beispiel für Besonderheiten, die Patientinnen und Patienten aus ihren Herkunftsländern mitbringen, können Unterschiede hinsichtlich des Frauenbildes sowie ein anderes Verständnis von Sucht oder von Ehre und Höflichkeit genannt werden. Diese Besonderheiten sind aber nicht auf Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund beschränkt, sondern sie finden sich im Maßregelvollzug - so oder ähnlich - auch bei deutschen Patientinnen und Patienten. Insgesamt geht es darum, die psychischen Erkrankungen, aus denen allein sich die Unterbringung im Maßregelvollzug begründen lässt, fachgerecht zu behandeln.

Sicher zählen zu diesen Erkrankungen unter Umständen auch Traumatisierungen, die entweder auf Kriegserlebnisse aus den Herkunftsländern oder auf Erlebnisse im Rahmen der Flucht zurückgeführt werden können. Psychisch kranke Menschen, insbesondere diejenigen, die längerfristig in psychiatrischen Kliniken untergebracht sind, können für vermeintliche „Heilsbotschaften“ empfänglich sein - und vulnerabel für jede Art von Radikalisierung.

Soweit diese Menschen in forensisch-psychiatrischen Kliniken leben, stehen sie natürlich unter Betreuung, und Personen, die „missionieren“ wollen, können nicht ohne Weiteres zu ihnen gelangen.

Darüber hinaus werden die Aktivitäten von Patientinnen und Patienten im Maßregelvollzug in der virtuellen Welt aktiv beobachtet und überwacht.

Internetfähige stationäre und mobile Geräte wie z. B. PC, Spielkonsolen, MP3-Player, aber auch Handys und Datenträger werden regelmäßig auf ihre Inhalte und den Inhalt der besuchten Seiten im Internet überprüft. Zuständig für diese Überprüfung ist unter der Leitung des IT-Sicherheitsbeauftragten eine insgesamt vierköpfige Gruppe von Mitarbeitern, die sich speziell fort- und weitergebildet haben. Die Überprüfung findet im Maßregelvollzugszentrum statt, auch für die Maßregelvollzugseinrichtungen bei den beliehenen Trägern.

Auffällige Befunde werden an die Polizei weitergeleitet. Durch die enge Abstimmung mit der Polizei wird auch die strafrechtliche Verwertbarkeit der Ermittlungsergebnisse gewährleistet. Über den weiteren ermittlungsrechtlichen Ansatz entscheidet dann in jedem Einzelfall die Polizei mit ihrer Fachkompetenz in strafrechtlichen und gegebenenfalls auch verfassungsschutzrechtlichen Ermittlungen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass unsere niedersächsischen Maßregelvollzugskliniken gute Arbeit leisten, auch bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund. Die Maßregelvollzugskliniken sind sich der Probleme, die aus der Salafisten- bzw. Islamistenszene, aber auch aus anderen Radikalisierungen erwachsen können, durchaus bewusst. Wir werden deshalb in den fachlichen Austausch mit den Justizvollzugsanstalten auch weiterhin solche Fragestellungen einbeziehen. Ein gemeinsames Treffen von Vollzugsleitungen aus Strafvollzugsanstalten und Maßregelvollzugsanstalten hat gerade erst im November in Celle stattgefunden, zunächst zum Thema Lockerungspraxis. Weitere Treffen sind vereinbart. Gemeinsame Qualitätszirkel auf regionaler Ebene sind in Vorbereitung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen:

Zu Frage 1: Eine aktuelle Erhebung in den zehn niedersächsischen Maßregelvollzugskliniken erbrachte, dass sich zurzeit insgesamt 165 Maßregelvollzugspatientinnen und -patienten mit ausländischer Herkunft - Stand: 31. Oktober dieses Jahres - in niedersächsischen Maßregelvollzugskliniken in Behandlung befinden.