Protocol of the Session on September 15, 2016

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!)

Tagesordnungspunkt 16: Mitteilungen des Präsidenten

Das Plenum ist schon ordentlich besucht. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf jetzt um Ihre besondere Aufmerksamkeit bitten. Geburtstag hat heute die Kollegin Petra Joumaah.

(Beifall)

Liebe Frau Joumaah, ich übermittle Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche: Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr und für ein paar Jahre drauf allemal! Also: Alles Gute!

Meine Damen und Herren, wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 17, Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.

Die heutige Sitzung soll gegen 20.20 Uhr enden. Ich wäre dankbar, wenn wir gemeinsam daran arbeiten würden - im Laufe des Tages wird sich ja noch das eine oder andere ergeben -, dass wir ein bisschen früher enden werden; denn bei dieser Hitze ist es für alle ein bisschen anstrengend. Es folgt heute auch noch ein Parlamentarischer Abend. Vielleicht kriegen wir das ja miteinander hin.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr Herr Onay als Schriftführer mit.

Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der CDU Herr Otto Deppmeyer und von der Fraktion der FDP Frau Gabriela König.

Vielen Dank, Herr Onay. - Meine Damen und Herren, wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 17: Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise, wie üblich, besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind. Um uns im Präsidium den Überblick zu erleichtern, wären wir dankbar, wenn Sie sich schriftlich zu Wort melden würden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich rufe auf

a) „Immer mehr Terrorverdächtige im Land?“ - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 17/6445

Diese Anfrage wird vorgetragen vom Kollegen Dr. Birkner. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer mehr Terrorverdächtige im Land?

Die Nordwest-Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 25. August 2016, dass es derzeit insgesamt 27 laufende Terrorverfahren in Niedersachsen gebe - davon 21 in der Zuständigkeit des Landeskriminalamtes und die übrigen in der Zuständigkeit der Polizeidienststellen. 10 Fälle, die sich in der Zuständigkeit des LKA befänden, sowie 6 Fälle in der Zuständigkeit der Polizei würden nach §§ 89 a, b des Strafgesetzbuches geführt. In den restlichen Fällen handele es sich um Verfahren nach § 129 StGB.

Der Staatsschutz beim LKA bestätigte im 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, dass ein starker Anstieg solcher Verfahren verzeichnet wurde. Der zuständige Abteilungsleiter des Staatsschutzes: „Wir haben eine rasante Entwicklung im Bereich politisch motivierte Ausländerkriminalität in den letzten Jahren.“ Früher seien solche Ermittlungen hingegen „ausgesprochene Einzelfälle“ gewesen (NOZ, 24. August 2016).

Zudem führte der Staatsschutzchef in der betreffenden Sitzung des 23. PUA aus, dass auch die Einordnung sogenannter Gefährder stark gestiegen sei und im „niedrigen dreistelligen Bereich“ liege. Zu diesen Gefährdern gehört auch

Ahmed A., der laut dem Artikel der Neuen Presse vom 7. September 2016 seit dem 11. Juli 2016 untergetaucht sei.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie hat sich die Anzahl von Strafverfahren wegen Terrorismusverdachts, insbesondere nach §§ 89 a, b und c sowie nach §§ 129 a, b StGB, seit dem 1. Januar 2013 entwickelt?

2. Wie hat sich in diesem Zeitraum der Stand des Personals der Polizei, das für die Bearbeitung dieser Fälle zuständig ist, entwickelt?

3. Wieviel Personal steht der Polizei für Gefahrenabwehrmaßnahmen bei Personen, die als Gefährder eingestuft sind, seit 2013 zur Verfügung?

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Unruhe)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Einen Moment noch, meine Damen und Herren! Ich wäre dankbar, wenn etwas mehr Ruhe einkehren würde. Das Thema ist ernst genug.

Jetzt antwortet die Landesregierung, in persona Herr Innenminister Pistorius. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Grascha, die Sicherheitslage in Deutschland - auch in Niedersachsen - hat sich gerade und vor allem seit den schrecklichen Terroranschlägen auf das World Trade Center im Jahr 2001 deutlich verändert. Im Bereich des islamistisch motivierten Terrorismus besteht eine anhaltend hohe abstrakte Gefährdung, die sich jederzeit in Form von gefährdungsrelevanten Ereignissen bis hin zu terroristischen Anschlägen konkretisieren kann. Dies zeigt sich insbesondere auch an der erheblichen Steigerung der Zahl entsprechender terroristischer Strafverfahren und Gefahrenermittlungsvorgänge.

Der feige Messerangriff der 15-Jährigen gegen einen Beamten der Bundespolizei in Hannover sowie die terroristischen Ereignisse in dem Regionalzug bei Würzburg und dem Musikfestival in Ansbach im Juli dieses Jahres haben diese Einschätzung der Sicherheitsbehörden leider bestätigt.

Objektiv ist Deutschland dennoch eines der sichersten Länder der Welt. Die Gefahr, hier durch derartige Gefahren ums Leben zu kommen, ist

glücklicherweise deutlich geringer als in den meisten anderen Ländern. Das soll keine Beruhigungspille sein und ist auch keine. Es ist schlicht die Wahrheit. Dennoch müssen wir dort, wo es Verbesserungspotenzial bei den Sicherheitsbehörden gibt, dieses klar ansprechen. Ebenso richtig ist aber: Mit Kritik an der engagierten Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden sollte man sich so lange zurückhalten, wie sie nur auf Mutmaßungen beruht.

Die aktuellen Ereignisse in Deutschland und auch in Niedersachsen machen uns deutlich, dass die Sicherheitsbehörden in unserem Land im Zusammenhang mit dem islamistischen Terrorismus vor großen Herausforderungen stehen. Ich kann Ihnen versichern: Unsere Polizei in Niedersachsen ist gut vorbereitet und aufgestellt. Allerdings sind insbesondere zahlreiche terroristische Strafverfahren und Gefahrenermittlungsvorgänge eine hohe Herausforderung und natürlich auch Belastung für die Polizei.

Umfangreiche und detaillierte Rahmenkonzepte und Handlungsempfehlungen auf nationaler und internationaler Ebene bilden die strategische Ausrichtung und definieren die erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und gewährleisten so ein hohes Maß an Handlungssicherheit.

Ein gutes Beispiel dafür ist der gemeinsame „Standardisierte Maßnahmenkatalog der niedersächsischen Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit salafistischen Brennpunkten sowie Dschihad-Ausreisenden und -Rückkehrern“ von Polizei und Verfassungsschutz in Niedersachsen. Mein Vertrauen gilt der engen Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz zur Erkenntnisgewinnung und zum Informationsaustausch. Wichtig ist mir eine intensive Verzahnung und Kooperation aller Akteure zur fortlaufenden Abstimmung und Weiterentwicklung der jeweiligen Interventions-, aber auch Präventionsansätze.

Das Landeskriminalamt als Zentralstelle für den Polizeilichen Staatsschutz des Landes Niedersachsen spielt im Zusammenwirken mit dem Staatsschutz der Polizeidirektionen, aber natürlich auch dem Verfassungsschutz bei der Terrorismusbekämpfung eine wichtige Rolle. In Niedersachsen wird im Gemeinsamen Informations- und Analysezentrum (GIAZ) ein fachbezogener Informations- und Erkenntnisaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz gewährleistet.

Herausragende Ermittlungssachverhalte und zahlreiche Gefahrenermittlungsvorgänge zeigen, wie unverzichtbar es ist, überregional und auch länderübergreifend zu agieren. Dadurch können Informationen so gebündelt und bewertet werden, dass die richtigen Einsatzmaßnahmen und Ermittlungsschritte durchgeführt werden.

Unser Anspruch ist es, uns in der Terrorismusbekämpfung in unserem Land und auch über die Landesgrenzen hinweg stets weiterzuentwickeln und sich engagiert den neuen Herausforderungen zu stellen.

Aus diesem Grund ist das LKA im vergangenen Jahr in diesem Bereich erneut personell um acht Stellen verstärkt worden. Darüber hinaus haben wir in den sechs Zentralen Kriminalinspektionen Ermittlungseinheiten mit jeweils mindestens vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschaffen, die eine wichtige Unterstützung bei dem Erkennen von islamistischen Strukturen und Gefahren geben und bei der erforderlichen Ermittlungsarbeit einen großen Beitrag leisten.

Von der Vernetzung und Bündelung der langjährigen Kompetenzen und Erfahrungen aus der OKBekämpfung mit denen des Polizeilichen Staatsschutzes verspreche ich mir das bestmögliche Potenzial zur Bekämpfung der terroristischen Bedrohung.

Die Einrichtung dieser zentralen Ermittlungseinheiten erfolgte übrigens auch vor dem Hintergrund, dass bei dem nach wie vor aufwachsenden Personenpotenzial an Gefährdern, Relevanten Personen als auch an Ausreisewilligen und Rückkehrern aus Dschihadgebieten sowie der steigenden Anzahl der zu bearbeitenden Gefahrenermittlungsvorgänge und Strafverfahren eine zentrale Bearbeitung aller Vorgänge durch das LKA ergänzt werden sollte und die Arbeit damit in der Fläche gestärkt wird.

Neben dem reaktiven Verhalten ist die Kriminalprävention ein weiterer wichtiger Baustein in der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Nur wenn wir es schaffen, Radikalisierungsprozesse frühzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren, haben wir eine Chance, dem dschihadistischen, selbstmörderischen Gedankengut und Handeln effektiv entgegenzuwirken.

Aus diesem Grund wurde bereits im Jahr 2014 im LKA ein eigenständiger Bereich dafür geschaffen, die phänomenübergreifend ausgerichtete Präven

tionsstelle „Politisch Motivierte Kriminalität“, die PPMK.

Im Hinblick auf die Prävention gegen den Islamismus hat die Niedersächsische Landesregierung ferner am 5. Juli 2016 die Einrichtung der „Kompetenzstelle Islamismusprävention Niedersachsen“ beschlossen. Die Kompetenzstelle bündelt, institutionalisiert und intensiviert unter der Leitung der Polizei und des Verfassungsschutzes die Aktivitäten und die bereits bestehende Vernetzung der Akteure im Bereich der Islamismusprävention in Niedersachsen und dient ihnen als Koordinierungs- und Servicestelle.

Zu Frage 1: In den Jahren 2008 bis 2012 wurden von den niedersächsischen Justizbehörden fünf Strafverfahren wegen Terrorismusverdachts geführt, davon 2008 zwei Verfahren wegen der §§ 129 a, b des Strafgesetzbuches, kein Verfahren in den Jahren 2009 und 2010, ein Verfahren im Jahr 2011 wegen § 89 a StGB und im Jahr 2012 zwei Verfahren wegen § 89 a StGB.

Im Jahr 2013 gab es insgesamt drei Verfahren gemäß § 89 a des Strafgesetzbuches, im Jahr 2014 insgesamt 14 Verfahren, davon 12 Verfahren gemäß § 89 a StGB und zwei Verfahren gemäß § 89 b des Strafgesetzbuches.

Im Jahr 2015 waren es insgesamt 30 Verfahren, davon sechs Verfahren wegen § 129 a und § 129 b des Strafgesetzbuches, 23 Verfahren wegen § 89 a des Strafgesetzbuches und ein Verfahren wegen § 89 b des Strafgesetzbuches.

Im Jahr 2016 sind es bislang 33 Verfahren, davon 10 wegen §§ 129 a und b des Strafgesetzbuches, 19 wegen § 89 a StGB, ein Verfahren wegen § 89 b StGB und drei Verfahren wegen § 89 c des Strafgesetzbuches.

Um es Ihnen noch einmal deutlich zu machen: Während in den Jahren 2008 bis 2012 insgesamt fünf Strafverfahren wegen Terrorismus anhängig waren, sind es nunmehr im Laufe dieser Legislaturperiode insgesamt 80 solcher Strafverfahren.

Zu Frage 2: Die Stärken im Bereich des Polizeilichen Staatsschutzes wurden in den letzten Jahren kontinuierlich den erhöhten Anforderungen angepasst. Die Polizeidirektionen erhalten in diesem Zusammenhang Vollzugspersonal nach einem sogenannten Staatsschutzsockel. Dieser betrug im Jahr 2008 für die sechs Polizeidirektionen 279 Stellen.