Susanna Tausendfreund

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Last Statements

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Als Anfang letzten Jahres die Opposition die Forderung stellte, auch in Bayern einen Untersuchungsausschuss zum Rechtsterroris mus einzusetzen, um das Versagen der bayerischen Sicherheitsbehörden im eigenen Parlament aufzuklä ren, kam von vielen Seiten die Frage: Ist das denn überhaupt nötig? Es ist doch alles richtig gelaufen; es sind doch gar keine Fehler gemacht worden; das kann doch auch der Untersuchungsausschuss in Ber lin übernehmen.
Ich denke, heute zweifelt niemand mehr daran, dass die Aufklärungsarbeit hier im Hause mehr als erfor derlich war. Der Untersuchungsausschuss hat durch aus erfolgreich gearbeitet, auch wenn noch viele Fra gen offenbleiben mussten. Wir haben etliche Erkenntnisse zutage gefördert, die zu einer umfassen deren Aufklärung des NSU-Komplexes beitragen. Diese Aufklärung waren wir schon allein den Angehö rigen der Opfer dieser grausamen Mordserie schuldig.
In diesem Zusammenhang konnten wir auch klar he rausarbeiten, dass es gerade nicht die behauptete Mauer des Schweigens gegeben hat, wie es seitens des Innenministeriums damals gesagt worden ist. Vielmehr haben die Angehörigen der Opfer, die gera de ihren Ehemann, Vater oder Bruder verloren hatten,
bereitwillig alle Auskünfte erteilt, obwohl sie teils sehr belastende Ermittlungsmaßnahmen über sich erge hen lassen mussten. Selbst als klar war, dass es sich um eine Mordserie handeln musste, bei der die Opfer immer wieder mit derselben Waffe regelrecht hinge richtet worden sind, wurde im privaten Umfeld der Fa milien intensivst ermittelt, den Opfern Straftaten oder ein Doppelleben unterstellt, nach sexuellen Präferen zen gefragt und verdeckte Ermittler eingesetzt, um die Angehörigen auszuforschen.
Dem Umstand, dass die Opfer ausländischer Herkunft gewesen sind, wurde keine Bedeutung im Hinblick auf eine fremdenfeindliche Motivation beigemessen. Immer wieder wurde das Argument vorgetragen: Es gibt ja kein Bekennerschreiben etc. Jedenfalls hat sich dies als fataler Fehler herausgestellt.
Ich begrüße sehr, dass der Untersuchungsausschuss einen weitgehend einvernehmlichen Abschlussbericht vorlegen konnte. Das ist bei diesem Thema angemes sen. Einigkeit konnte darüber erzielt werden, dass es etliche Fehler und schwere Versäumnisse gegeben hat.
Dissens besteht bei der Frage, wie die Sicherheitsar chitektur zukünftig aufgestellt werden muss, welche Konsequenzen sich für den Verfassungsschutz erge ben, ob zukünftig noch V-Leute eingesetzt werden dürfen und welche konkreten Strategien gegen Rechtsextremismus zusätzlich ergriffen werden müs sen.
In der Ausschussdebatte über den Abschlussbericht wurde deutlich, dass viele der sonstigen Punkte aus dem Sondervotum von GRÜNEN und SPD auch von den übrigen Ausschussmitgliedern getragen werden. Aus zeitlichen Gründen – das hat Kollege Bernhard schon ausgeführt – konnten die Punkte jetzt nicht mehr mit aufgenommen werden.
Die Kernpunkte habe ich gerade genannt: Sicher heitsarchitektur, Konsequenzen für den Verfassungs schutz, Einsatz von V-Leuten und Strategien gegen Rechtsextremismus.
Nach der Sichtung von über 400 Akten und der Befra gung von mehr als 50 Zeugen und drei Sachverstän digen haben wir uns in 31 Ausschusssitzungen, in denen 90 Beschlüsse gefasst wurden, einen guten Überblick verschaffen können. Die Zeit von einem Jahr reichte nach unserer Auffassung aber nicht aus, alle Fragen zu beantworten und alle Missstände auf zuklären.
Wir sehen den heutigen Abschlussbericht deshalb eher als einen Zwischenbericht an. Wir haben Vor kehrungen getroffen, dass es in der nächsten Legisla
turperiode nahtlos mit den Untersuchungen weiterge hen kann. Wir werden die Akten aufbewahren, um es dem neuen Landtag zu ermöglichen, direkt anzu schließen. Er wird auf weitere offene Fragen, die am Rande des Prozesses vor dem Oberlandesgericht oder bei den anderen Untersuchungsausschüssen, deren Arbeit zum Teil noch läuft, auftauchen, reagie ren und eventuell eine Neubewertung vornehmen.
Nach wie vor ist es erschreckend und bei Weitem nicht vollständig aufgeklärt, wie es möglich war, dass der Nationalsozialistische Untergrund mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 13 Jahre lang unentdeckt mordend durch die Lande ziehen konnte, Sprengstoffattentate beging und Banken aus geraubt hat, ohne irgendwie aufzufallen. Diese Tatsa che hat erhebliche Mängel in der Sicherheitsarchitek tur offenbart.
Ich nenne drei Beispiele vorab. Die Gefahren, die von rechtsterroristischen Gruppen ausgehen konnten, wurden vom Verfassungsschutz, der Polizei und der Staatsanwaltschaft nicht für möglich gehalten und lange Zeit völlig ausgeblendet, obwohl die Strategie des führerlosen Widerstands, "Combat 18" und Vorbil der aus den anderen Ländern bekannt gewesen sein mussten und zum Teil auch waren, wie sich bei den Zeugeneinvernahmen herausgestellt hat.
"Blood and Honour" wurde im Jahr 2000 verboten. In diesem Jahr begann auch die Mordserie. Der damali ge Innenminister Günther Beckstein hatte zwar nach dem ersten Mord an Enver Simsek den richtigen Ge danken. Auf seine Nachfragen nach einem möglichen fremdenfeindlichen Hintergrund gab er sich aber wäh rend der gesamten Mordserie mit oberflächlichen Stellungnahmen seines Hauses und der Polizei zufrie den.
Justizministerin Beate Merk hat sich erst gar nicht über die Mordserie informieren lassen. Sie hat an scheinend die Dimension dieser Taten nicht gesehen. Hier besteht natürlich politische Verantwortung.
Nach dem sechsten Mord, dem Mord an Ismail Yasar in Nürnberg, gab es endlich eine konkrete Spur. Eine Zeugin hatte die Täter, die mit dem Fahrrad unter wegs gewesen sind, genau beschreiben können. Es konnte die Verbindung zu dem Nagelbombenattentat in der Kölner Keupstraße, das genau ein Jahr zuvor stattfand, hergestellt werden. Die Zeugin erkannte auf den Videoaufnahmen jemanden als Täter, den sie schon in Nürnberg gesehen hatte. Der damals für die fünf bayerischen Morde zuständige Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth befand es nicht einmal für notwendig, seinen Staatsanwaltskollegen in Köln anzurufen oder sich anderweitig mit ihm in Ver
bindung zu setzen. Die Initiative, sich bei den Kölnern zu erkundigen, ging damals auch nicht von der BAO Bosporus aus, sondern die Kölner haben sich von sich aus gerührt und auf eventuelle Verbindungen hin gewiesen. Dennoch verlief die Spur im Sande. Es wurde nicht wirklich nachgeforscht.
Zudem ist deutlich geworden, dass die immer wieder vorgetragene Aussage, es sei in alle Richtungen er mittelt worden, nicht zutrifft. Als im Jahr 2006 - nach dem neunten Mord! - endlich in die Richtung eines oder mehrerer missionsgeleiteter Ausländerhasser im Sinne einer Arbeitshypothese ermittelt wurde, funktio nierte der Informationsaustausch zwischen dem Ver fassungsschutz und der BAO der Polizei nicht. Ob wohl der Verfassungsschutz den neuen Ermittlungsansatz genau kannte, kam von ihm keine Unterstützung. Er lieferte trotz vieler Nachfragen le diglich eine dürre Namensliste von Rechtsextremis ten, aber auch das erst gut sieben Monate später. Zwei Postleitzahlbezirke Nürnbergs – das war das einzige Kriterium.
Diese Spur wurde zwar nach und nach – teilweise bü romäßig – abgearbeitet, verlief aber ebenfalls im Sande. Es wurde nicht nachgehakt. Nur die 682 Na men wurden überprüft, 161 etwas genauer, und neun Personen wurden im Rahmen sogenannter Ge fährderansprachen angesprochen. Aber diese Spur verlief im Sande; die BAO Bosporus wurde Anfang 2008 zurückgeführt.
So weit drei herausragende Beispiele aus einer Serie von Fehleinschätzungen bzw. begangenen Fehlern.
Hinsichtlich der Gefahren durch rechte Gruppen bzw. Rechtsterroristen waren die Fehleinschätzungen gra vierend. Wir hatten im Rahmen unseres Auftrags auch zu untersuchen, wie sich die rechtsextremisti sche Szene seit 1994 in Bayern entwickelt hat, wie sie eingeschätzt worden ist und welche Kenntnisse die bayerischen Sicherheitsbehörden hatten. Erschre ckend ist, dass damals sowohl bei den zuständigen Beamten des Verfassungsschutzes als auch bei denen der Polizei die Kenntnisse ziemlich dürftig waren. Sie konnten mit vielen Begrifflichkeiten nichts anfangen und kannten radikale Strömungen nicht, ob wohl zum Beispiel das Verfahren zum Verbot von "Blood and Honour" lief.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte eine Broschüre herausgegeben, in der die Entwicklungen in der rechtsextremen Szene, insbesondere was die Gewaltbereitschaft anbelangt, für den Zeitraum 1997 bis 2004 aufbereitet wurden. Das war genau der we sentliche Zeitraum. Die wenigsten Zeugen kannten diese Broschüre, geschweige denn, dass sie sie gele
sen hatten. Am auffälligsten war für mich, dass der Beamte, der im Innenministerium lange Zeit für den Verfassungsschutz zuständig war und dann Präsident des Landesamtes wurde, in dieser entscheidenden Phase diese Broschüre ebenfalls nicht kannte bzw. nicht gelesen hatte. In dieser Broschüre – das ist be zeichnend – taucht das Neonazitrio aus Jena auf. Dass bei ihnen Waffen und Sprengstoff gefunden wurden, ist dort ebenso nachzulesen wie der Hinweis darauf, dass sie untergetaucht sind.
Dem engen Kontakt zwischen bayerischen und thürin gischen Neonazis hat der Verfassungsschutz keine große Bedeutung beigemessen, obwohl Tino Brandt als damaliger V-Mann des Thüringer Verfassungs schutzes hier sehr umtriebig war und spiegelbildlich zu dem "Thüringer Heimatschutz" den "Fränkischen Heimatschutz" aufbauen wollte. Das Landesamt hat dies nur als Thüringer Problem und nicht als baye risches Problem angesehen, obwohl sich hier auch ein bayerischer V-Mann getummelt hat.
Wie war die Reaktion? Statt sich an einer Operation mehrerer Geheimdienste zu beteiligen, rief der dama lige Verfassungsschutzpräsident seinen Kollegen aus Thüringen an und forderte ihn auf, seinen V-Mann zu rückzupfeifen.
Es ist nicht erkannt worden, dass Fremdenhass nicht an Landesgrenzen haltmacht. Das Bayerische Lan desamt für Verfassungsschutz hat nicht nachgehakt. Dort meinte man, man habe seine Rechtsextremen schon im Griff.
Es ist herausgekommen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz bei der V-Mann-Führung erhebli che Fehler gemacht hat. Man ließ einen V-Mann ein fach gewähren: Er konnte die Szene maßgeblich be einflussen bzw. steuern, das Thule-Netz aufbauen und Heß-Gedenkmärsche vorbereiten. Der Verfas sungsschutz ließ sich dann über die Anzahl der Teil nehmenden informieren und bezahlte dem V-Mann dafür wahrscheinlich ein Honorar. Die Art und Weise, wie dieser V-Mann damals geführt wurde, führte 1997 zu einem regelrechten Brandbrief des Bundeskrimina lamtes. Darin beschwert sich das BKA darüber, dass durch V-Leute ein Brandstiftereffekt in der rechtsext remistischen Szene angestoßen worden sei. Es habe Warnungen vor Strafverfolgung bzw. Verschonungen gegeben. Bei dem schon erwähnten V-Mann ist ein Verfahren nach § 129 StGB tatsächlich deshalb ein gestellt worden, weil er V-Mann war.
Der Untersuchungsausschuss brachte ans Licht, dass das NSU-Trio vor seinem Untertauchen rege Kontakte nach Bayern hatte. Für die Zeit seit 1994 sind mehre re Treffen mit anderen Neonazis dokumentiert, unter
anderem in der Kiesgrube Straubing und der "Tiroler Höhe" in Nürnberg. Beate Zschäpe war bei einer Ver anstaltung des "Volksbundes Deutsches Reich" in Nürnberg dabei, Mundlos und Böhnhardt nahmen am Münstermann-Marsch in Aschaffenburg teil.
Auf einer Liste, die der Polizeidirektion Nürnberg vor lag, waren Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos als be kannte Rechtsextremisten verzeichnet. Beide beteilig ten sich 1997 an einer Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung in München. Auf der Telefon liste, die im Fluchtrucksack von Uwe Mundlos gefun den wurde, finden sich zahlreiche Namen von bayeri schen Neonazis und von diversen V-Leuten.
Der Verfassungsschutz hat auch nicht mitbekommen, wie früh die Begrifflichkeit "NSU" schon vorhanden war. In einem Neonazi-Fanzine erschien Anfang 2002 folgender Text:
Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getra gen. Der Kampf geht weiter!
Diese Zeitung hatte eine Postfachadresse in Kronach - zufällig der Ort, in dem auch der V-Mann wohnte. Der zitierte Text ging zurück auf eine Spende an den "Weißen Wolf" – so ist es zumindest heute nachvoll ziehbar –, die von dem NSU-Trio geleistet worden war.
Auch auf einem Flugblatt des "Nationalsozialistischen Untergrunds" tauchte die Abkürzung NSU recht früh auf. Dort ist zudem das Logo, das wir aus dem grau samen Bekennervideo kennen, abgebildet. In diesem Flugblatt werden die Ziele bereits unverhohlen darge stellt: "Sieg oder Tod!", "Entschlossenes, bedingungs loses Handeln ist gefordert!", "Der Worte sind genug gewechselt!" Das waren einige Zitate aus diesem Flugblatt. Dieses Flugblatt muss schon 2001 kursiert sein. Anscheinend hat dies aber niemand mitbekom men, obwohl in dem Flugblatt ausdrücklich um Ver breitung desselben gebeten wurde.
Ich habe aus den verschiedenen Informationen, die wir über Presse und sonstige Kanäle erhalten haben, eine Zusammenstellung über die Zeit des NSU-Trios vor und nach dem Untertauchen gefertigt. Danach müssen es über 20 V-Leute gewesen sein, die eine sehr problematische Rolle gespielt und auch engen Kontakt zum NSU-Trio gehabt haben. Die verschiede nen Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder wollen aber damals keine Kenntnis von die sem Trio gehabt haben. Wenn sie keine Kenntnis hat ten, wenn also über diese V-Leute, die dann so engen Kontakt zum NSU-Trio gehabt haben, keine Informa tionen geflossen sind, dann zeigt dies, dass das VLeute-System absolut versagt hat.
Fazit hierzu: Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Gefahr einer möglichen rechtsterroristischen Bedrohung nicht erkannt, obwohl dies damals möglich gewesen wäre. Bis einschließlich 2011 findet sich in den Verfassungsschutzberichten immer wieder der Satz, dass der Rechtsextremismus über keine gefes tigte einheitliche Ideologie verfügen würde. Das ist meines Erachtens ein Ausdruck dafür, wie stark die Szene unterschätzt wurde. Die Möglichkeit der Exis tenz einer braunen RAF wurde über die ganzen Jahre hinweg nicht für möglich gehalten – auch das ist eine fatale Fehleinschätzung. Spätestens seit dem Okto berfest-Attentat hätten diese Tendenzen aber wahrge nommen werden müssen. Dieses Oktoberfest-Atten tat war ja nicht der einzige Mordanschlag oder das einzige Attentat, der oder das in Bayern aus fremden feindlichen Gründen stattgefunden hat.
Zu den Kardinalfehlern, die es bei den Ermittlungen gegeben hat: Das BKA war frühzeitig bereit, die Er mittlungen zu übernehmen. 2004 wurde dies unter an derem von BKA-Beamten vorgeschlagen. Es wurde immer behauptet, dass das BKA 2004 nicht bereit ge wesen wäre, die Ermittlungen zu übernehmen. Das stimmt nicht. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat die Voraussetzungen nicht geschaffen, um die Verfahren an das BKA abzugeben, obwohl sie es in der Hand gehabt hätte. Der Staatsanwalt hat dies aber nicht für nötig befunden.
Trotz fehlender konkreter Anhaltspunkte wurde mit großer Intensität in die falsche Richtung ermittelt. Die Ermittlungen konzentrierten sich ja auf die organisier te Kriminalität. Es wurde immer gesagt: In fremden feindlicher Richtung konnten wir nicht ermitteln; wir haben ja keine Anhaltspunkte gehabt. Aber auch in Richtung der organisierten Kriminalität gab es keine Anhaltspunkte. Die vermeintliche Spur wurde mit gro ßer Fantasie und Hartnäckigkeit verfolgt. Als Privatde tektive getarnte verdeckte Ermittler wollten Informatio nen aus dem Umfeld der Opfer bekommen. Auch Journalisten getarnte verdeckte Ermittler waren unter wegs. Zwei Döner-Buden wurden aufgebaut, eine in Nürnberg und eine in München, die dann von V-Per sonen geführt worden sind. Damals hat man sich an scheinend überhaupt keine Gedanken darüber ge macht, dass man dadurch diese V-Personen auch in Gefahr gebracht hat. Man wusste, wie der Ablauf die ser Morde ist: Sie kommen, schießen und sind ganz schnell wieder weg. Wenn diese Personen wirklich als Lockvögel eingesetzt worden sind, hätte man sie nicht schützen können.
Das Nichtverfolgen der Fahrradfahrerspur ist ein gra vierender Fehler gewesen. Hier hat es endlich einmal eine Spur gegeben, die hätte nachverfolgt werden müssen. Man hätte auch rekapitulieren können: Bei
anderen Mordtaten sind ja auch Fahrradfahrer beo bachtet worden, die sich auffällig bewegt haben. In einem Fall sind auch zwei Männer in Fahrradhosen beobachtet worden. Man hätte das Puzzlespiel viel besser zusammenbringen können. Diese Fahrradfah rerspur in Köln ist nicht weiterverfolgt worden. Obwohl der Profiler Alexander Horn vorgeschlagen und emp fohlen hat, die Fälle in Köln mit der Mordserie intensiv zu vergleichen, ist dies ausgeblieben. Einer der Zeu gen hat uns gesagt: Na ja, diese Fälle haben ja gar nicht zusammengepasst; es waren völlig unterschied liche Täterprofile; die einen haben ein Sprengstoffat tentat verübt, die anderen haben gemordet; das kön nen doch nicht die gleichen Täter gewesen sein. Auch das war eine gravierende Fehleinschätzung.
Mit der zweiten operativen Fallanalyse ist dann erst malig im Jahr 2006 nach dem neunten Mord endlich in Richtung fremdenfeindlicher Serientäter ermittelt worden, aber eben auch nur kurzfristig.
Die Weigerung des Landesamtes für Verfassungs schutz, die gewünschten Daten an die BAO Bosporus herauszugeben, ist schon angesprochen worden. Die Unterstützung ist komplett versagt worden. Der Ver fassungsschutz wusste genau, wo die Ermittlungsan sätze sind, und hätte deutlich unterstützen können. Das Wort Arbeitsverweigerung ist hier schon genannt worden. Das Landesamt ließ die BAO praktisch auf laufen; dann kamen dürre Daten, mit denen die Poli zei wiederum nicht wirklich etwas anfangen konnte.
Die Medienstrategie, dass man nach außen hin eine mögliche fremdenfeindliche Motivation nicht themati sieren wollte, halte ich auch für fatal. Ich meine, damit hätte offensiv umgegangen werden können, um auf diesem Weg auch Hinweise aus der Bevölkerung zu bekommen. Die Motivation kann auch gewesen sein – so ergibt es sich zumindest aus einer Aktennotiz des BKA aus dem Jahr 2006 –, dass die Staatsanwalt schaft Nürnberg-Fürth auch damit vermeiden wollte, dass der Generalbundesanwalt zuständig wird.
Nicht nachvollziehbar ist, dass die Sachleitung der Staatsanwaltschaft eigentlich nicht wahrgenommen worden ist. Die Ermittlungen der Polizei sind nicht ausreichend hinterfragt worden. Es ist kein Sammel verfahren eingeleitet worden, obwohl dies die Staats anwaltschaft Nürnberg-Fürth in der Hand gehabt hätte und dies auch von anderen beteiligten Staatsanwalt schaften gewünscht gewesen ist. Somit war alles zer splittert auf fünf verschiedene Staatsanwaltschaften aufgeteilt. Sechs verschiedene Polizeien waren einge schaltet. Natürlich konnten somit Reibungsverluste entstehen und Informationen untergehen und wichtige Spuren dann nicht mehr weiterverfolgt werden.
Das Justizministerium hat sich mit periodischen Fort schreibungen der Berichte des Generalstaatsanwalts zufrieden gegeben, ohne jemals nachzufragen, ob nicht vielleicht die Einleitung eines Sammelverfahrens zu forcieren wäre. Meines Erachtens ist die Dimen sion der Mordserie nicht erkannt worden. In den ge meinsamen Bewertungen im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses, also von allen getragen, findet sich deshalb auch die Aussage: Das Baye rische Staatsministerium für Justiz ist seiner Fachauf sicht über die Staatsanwaltschaft nicht in erforderlich em Maß nachgekommen.
Ausblick und Forderungen: Nach unserer Sicht ist eine der notwendigen Konsequenzen, dass wir mit dieser Art des Verfassungsschutzes nicht weiterarbei ten können, dass wir einen Neustart und eine anders strukturierte Behörde brauchen, deren geheimdienstli che Mittel auf ein Mindestmaß reduziert werden, die sich auf die Beobachtung gewaltorientierter rassisti scher Bestrebungen konzentriert und die eine bessere Analysefähigkeit bekommt, indem wissenschaftlicher gearbeitet wird. Ein wissenschaftlicher Beirat wird von uns vorgeschlagen.
Wir wollen die parlamentarische Kontrolle des Lan desamts für Verfassungsschutz verstärken. Das ist hier schon häufiger diskutiert worden. So, wie die par lamentarische Kontrolle jetzt stattfindet, reicht sie nicht aus. Wir wollen, dass auf den Einsatz von VLeuten grundsätzlich verzichtet wird; denn die VLeute schaden mehr als sie nutzen. Das ist im ge samten NSU-Komplex ganz deutlich geworden.
Die Verfahrens- und Entscheidungsabläufe innerhalb der Behörde müssen endlich nachvollziehbar sein. So dünne Akten, wie wir sie vom Verfassungsschutz be kommen haben, habe ich noch nie gesehen, wenn sie überhaupt vorhanden gewesen sind; vieles ist über haupt nicht dokumentiert worden.
Wir wollen, dass die Ausbildung bei der Polizei, von Richtern und Staatsanwälten verbessert wird. Die Po lizei soll verpflichtet werden, in Ermittlungsverfahren zu Straftaten, bei denen Menschen mit Migrationshin tergrund Opfer geworden sind, standardmäßig auch das Vorliegen eines fremdenfeindlichen Motivs zu überprüfen.
Wir wollen, dass rechtsextremistische Aktivitäten stär ker verfolgt und unterbunden werden und der Kontroll druck erhöht wird. Wir wollen, dass nach unterge tauchten Rechtsextremisten verstärkt gefahndet wird,
und wir wollen die Strategien gegen Rechtsextremis mus verbessern; denn diese reichen nach unserer Auffassung nicht aus.
Die Zivilgesellschaft muss stärker eingebunden wer den. Wir brauchen ein zivilgesellschaftlich organisier tes Programm für Aussteiger aus der Neonazi-Szene. Die Bilanz, dass seit dem Jahr 2001 lediglich 90 Aus stiege über das staatlich organisierte Aussteigerpro gramm erfolgreich gewesen sind, ist uns zu wenig. In anderen Bundesländern gibt es deutlich bessere Bi lanzen, höhere Zahlen von Personen, die sich von der rechtsextremistischen Szene losgesagt haben.
Wir wollen auch die politische Bildungsarbeit und De mokratieerziehung stärken. Wir müssen die Bekämp fung des Rechtsextremismus’ als gesamtgesellschaft liche Aufgabe ansehen und wirklich ernst nehmen, damit derartige Mordtaten in Zukunft schon im Vorfeld verhindert werden können, damit Straftaten mit frem denfeindlichem, rechtsextremistischem Hintergrund schneller erkannt und aufgeklärt werden.
Bayern könnte hier durchaus vorne sein. Derzeit sind Menschen, die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheit unter rechtli cher Betreuung stehen, und Personen, die sich im Maßregelvollzug befinden, pauschal vom Wahlrecht ausgeschlossen. Im ersten Fall geht es um Men schen, die wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung ihre ei genen Angelegenheiten nicht regeln können und des halb einen Betreuer oder eine Betreuerin haben. Das heißt aber nicht, dass diese Personen automatisch unfähig wären, ihren Willen bei Wahlen zum Ausdruck zu bringen.
Im zweiten Fall geht es um Personen, die wegen Schuldunfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkran kung nicht verurteilt wurden, aber in den Maßregel vollzug eingewiesen wurden, weil sie als gefährlich
eingestuft werden. Die Unterbringung kann länger dauern, als ein Gefängnisaufenthalt bei einer Verurtei lung gedauert hätte. Warum sollte jemand, der nicht verurteilt wurde, sondern wegen einer Prognoseent scheidung als potenziell gefährlich eingeschätzt wird und deshalb in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt untergebracht ist, nicht wählen dürfen? Gustl Mollath sitzt nicht nur schon seit sieben Jahren in der Psychiatrie. Er durfte in dieser Zeit auch nicht wählen.
Das Recht, an Wahlen teilzunehmen, ist ein hohes demokratisches Gut. Es sollte nur in absoluten Aus nahmefällen aberkannt werden. Die UN-Behinderten rechtskonvention verpflichtet uns zu Recht dazu, dass Menschen mit Behinderung ihre politischen Rechte gleichberechtigt ausüben können. Ich nenne das Stichwort politische Teilhabe. Das hat auch der Bun desrat in seiner schon genannten Entschließung zur Verbesserung des Wahlrechts für Menschen mit Be hinderung festgehalten. Dies soll auch bei den Bun destags- und Europawahlen berücksichtigt werden. Der Gesetzentwurf greift diese Forderung nun für die bayerischen Wahlen auf. Ich habe damit den Gesetz entwurf gleich mitbegründet.
Wir unterstützen diesen positiven Vorstoß.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Inhalt des Gesetzentwurfes über die Öffentlichkeit und Transparenz der Verwaltung nenne ich zwei Kernpunkte: erstens die Einforderung von Informationsfreiheit, die den voraussetzungslosen Anspruch auf Akteneinsicht und Informationszugang für alle Bürgerinnen und Bürger bedeutet, und zweitens die Verpflichtung der Verwaltungen, proaktiv Informationen wie Gutachten, Stellungnahmen, Daten, Protokolle und Sitzungsunterlagen bis hin zu Verträgen im Internet zur Verfügung zu stellen. Dies gilt für alle Behörden, seien sie staatlich oder kommunal, und für Unternehmen, die Aufgaben der Daseinsvorsorge übernehmen.
Dies ist nun der neunte Versuch innerhalb von drei Legislaturperioden, Informationsfreiheit nach Bayern zu tragen. Steter Tropfen höhlt den Stein. Irgendwann wird es schon klappen. Ich denke, die gesellschaftlichen Voraussetzungen sind so weit gegeben, dass die Menschen diese gesetzliche Änderung zunehmend einfordern.
In Bayern herrscht immer noch ein längst überkommenes Amtsgeheimnis, ein Amtsgeheimnis, das ein Staatsverständnis und ein Verständnis des Verhältnisses von Bürger und Staat aus dem vorletzten Jahrhundert widerspiegelt. Es ist schon lange nicht mehr zeitgemäß und passt nicht zu einem modernen Staat.
In fast allen europäischen Staaten, in 90 Ländern weltweit, sind gesetzliche Regelungen zur Informationsfreiheit eine Selbstverständlichkeit. Auf Bundesebene gilt das Informationsfreiheitsgesetz für die Bundesbehörden. Die meisten Bundesländer haben seit etlichen Jahren mit ihren Informationsfreiheitsgesetzen sehr gute Erfahrungen gemacht. Zusätzlich gilt
die Konvention des Europarats über den Zugang zu amtlichen Dokumenten vom November 2008. Diese Konvention verlangt, dass die Bürgerinnen und Bürger das Recht erhalten, amtliche Dokumente einsehen zu können, und legt Mindeststandards für die Bearbeitung von Anträgen fest.
Auch in Bayern steigt die Zustimmung zur Informationsfreiheit. Inzwischen haben 57 Kommunen, darunter der Bezirk Oberbayern und vier Landkreise, eine eigene Informationsfreiheitssatzung erlassen, weil sie es leid waren, auf die Regierungsmehrheit von CSU und FDP hier im Landtag zu warten. Die Regierungsfraktionen erweisen sich in diesem Punkt als sehr träge. So ist beispielsweise in der Landeshauptstadt München 2011 eine eigene Informationsfreiheitssatzung erlassen worden. Dort hat auch die CSU eingesehen, dass es für eine bürgerfreundliche Politik notwendig ist, dass die Menschen Zugang zu Akten und Informationen bekommen.
Bevor vonseiten der CSU-Fraktion hier im Hohen Haus das Datenschutzargument angeführt wird, möchte ich Folgendes ausführen: Erst vergangene Woche hat die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten, die alle auch gleichzeitig Datenschutzbeauftragte sind, ein Positionspapier beschlossen, in dem klipp und klar gefordert wird, dass auch die übrigen fünf Bundesländer, die jetzt noch das Schlusslicht bilden, unter ihnen natürlich Bayern, endlich ein Informationsfreiheits- und auch ein Transparenzgesetz erlassen sollen. In aller Deutlichkeit wird darin ausgeführt, dass in allen Bundesländern, in denen es Informationsfreiheitsgesetze gibt, diese sich großer Akzeptanz erfreuen, intensiv genutzt werden und vor allem reibungslos angewandt werden. Die täglichen Erfahrungen werden von den Datenschutz- bzw. Informationsfreiheitsbeauftragten als sehr positiv beschrieben. Sie verweisen auch ausdrücklich darauf, welcher Mehrwert entsteht, wenn zusätzlich die Daten proaktiv von den Verwaltungen veröffentlicht werden. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten inzwischen von den Verwaltungen, dass sie Informationen von sich aus aktiv und transparent zur Verfügung stellen und nicht erst auf Antrag.
Oft wird das Argument vorgebracht, dass die Kostenpflicht von Anfragen, die gestellt werden, eine abschreckende Wirkung hätte. Durch aktive Veröffentlichungen, wie wir sie zusätzlich fordern, würden gerade diese Kosten für die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr anfallen.
Natürlich ist die Bereitstellung der Informationen zunächst mit zusätzlichem Aufwand verbunden, bis das System funktioniert, bis die Internetseiten entsprechend ausgestaltet sind und bis sich das Vorgehen
eingespielt hat, dass Informationen sofort eingestellt und im Informationsregister eingetragen werden. Aber langfristig sparen die Behörden Geld, weil sie keine Anfragen mehr aufwendig beantworten müssen, sondern die Informationen im Internet abgerufen werden können. Der Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger und auch für die Unternehmen ist groß, ganz abgesehen von der Vorsorgewirkung gegen Korruption und Misswirtschaft.
Mit unserem Gesetz wäre Bayern eines der modernsten Bundesländer. Das Gesetz wäre ein Zeichen für alle Bürgerinnen und Bürger, dass wir gemeinsam mit ihnen die Herausforderungen in unserem Land anpacken wollen. Für unseren Gesetzentwurf haben wir uns das Hamburger und das Bremer Gesetz zum Vorbild genommen. Dort ist inzwischen auch der zweite Faktor verwirklicht, der die aktive Bereitstellung von Informationen betrifft. Das Gesetz heißt dort Transparenzgesetz. Wir haben diese gesetzlichen Grundlagen in einem Prozess mit engagierten und interessierten Bürgerinnen und Bürgern im Internet und in vielen Treffen an die bayerischen Verhältnisse angepasst und Verbesserungen aufgenommen. Schließlich muss auch die Behördenvielfalt in Bayern berücksichtigt werden. Wir haben eine Expertenanhörung organisiert und deren Ergebnisse in unseren Gesetzentwurf einfließen lassen. Der Gesetzentwurf ist jetzt kurz vor Ende der Legislaturperiode in der Ersten Lesung. Wir werden es wohl kaum schaffen, ihn in drei Wochen zur Zweiten Lesung zu bringen. Sollte dieser Gesetzentwurf aber der Diskontinuität verfallen, dann wird er einer der ersten Gesetzentwürfe sein, die wir in der nächsten Legislaturperiode einbringen werden. Geben Sie sich doch einmal einen Ruck, damit wir endlich ein modernes Bayern bekommen, auch was die Informationsfreiheit und die Transparenz anbelangt.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Dem Antrag können wir zustimmen. Er schadet nicht, bringt aber auch sehr wenig. Das ist ein Berichtsantrag zur Prüfung eines Sachverhalts, der eigentlich klar ist. Wir wissen, dass Schaulustige Hilfseinsätze behindern. In vielen Fällen rauben sie den Einsatzkräften wertvolle Zeit, die diese dringend bräuchten, um schnell zu helfen; Fahrzeuge können nicht bis zum Einsatzort durchfahren. Es ist allgemein bekannt, dass die Behinderungen teilweise zu chaotischen Verhältnissen führen. Es ist bekannt, dass dies auch bei der Hochwasserkatastrophe der Fall gewesen sein soll. Das war aber doch eher die Ausnahme. Einzelne Personen sind vielleicht als Schaulustige gekommen, aber sie haben dann tatkräftig angepackt. Diese Dramatisierung in der Diskussion ist nicht angebracht.
Wir können uns das alles gerne im Detail berichten lassen. Wir können uns auch gerne die rechtliche Situation darstellen lassen. Im Wesentlichen stellt sich die Rechtslage wie folgt dar – ich sage das ergänzend zu dem, was von den Kollegen schon ausgeführt worden ist: Die Polizei kann Platzverweise erteilen und durchsetzen. Wenn die Polizei noch nicht vor Ort ist, kann auch die Feuerwehr Schaulustigen, die den Einsatz behindern, Platzverweise erteilen und sogar unmittelbaren Zwang bis hin zur körperlichen Gewalt anwenden. Die jeweiligen Schadensstellen können weiträumig abgesperrt werden. Das Betreten kann verboten werden. Das alles ist mit bis zu 5.000 Euro bußgeldbewehrt. Ich glaube, mehr als 5.000 Euro braucht man für diese Ordnungswidrigkeit nicht einzuführen. Das reicht völlig aus.
Im Katastrophenfall kann die Katastrophenschutzbehörde das Betreten des Katastrophengebiets verbieten und Personen von dort verweisen; sie kann das Katastrophengebiet räumen und sperren. Wenn Gefahr im Verzug ist, können das auch die eingesetzten Kräfte und die Polizei tun. Auch bei Verstößen gegen diese Anordnungen gibt es eine Bußgeldbewehrung von bis zu 5.000 Euro.
Dieser rechtliche Rahmen ist ausreichend. Sie können aber gerne prüfen lassen, ob dem Ministerium noch zusätzliche Erfordernisse einfallen. Ich habe jedenfalls keine Klagen gehört, dass es an Befugnissen und Sanktionsmöglichkeiten fehlen würde.
Natürlich sind die Polizei und die Einsatzkräfte belastet. Das werden wir auch mit Veränderungen am rechtlichen Rahmen nicht in den Griff bekommen. Herr Dr. Fischer hat den rechtlichen Rahmen schon als stumpfes Schwert bezeichnet. Auch wenn wir ihn verändern, wird es bei dem stumpfen Schwert bleiben, wenn die Hilfskräfte überlastet sind.
Eigentlich ist der Antrag entbehrlich. Als ehrenvolles Motiv lasse ich aber gelten, dass er als Zeichen an die Helferinnen und Helfer bei der Hochwasserkatastrophe gedacht war, als Signal, dass der Landtag die Arbeitsbedingungen verbessern und die Leistungen der Hilfskräfte würdigen will.
Wirksamer als dieser Antrag wäre es aber gewesen, die Energie, die Sie zur Anfertigung dieses Antrags aufgebracht haben, in die Zustimmung zu unseren Anträgen zum Hochwasserschutz zu stecken, die Sie in der Debatte zum Landesentwicklungsprogramm wieder einmal abgelehnt haben; denn nur effektiver Hochwasserschutz kann helfen, derartige Katastrophen abzumildern.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir die parlamentarische Kontrolle der Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutz verbessern. Dieses Anliegen haben wir hier schon öfter thematisiert. Das Thema hat durch das Auffliegen der NSU-Gruppe im November 2011 und die Arbeit der verschiedenen Untersuchungsausschüsse neue Aktualität bekommen.
Dabei ist auch deutlich geworden, wie wichtig die wirksame Kontrolle einer Behörde ist, die geheimdienstliche Mittel zur Informationsgewinnung einsetzt und Informationsgewinnung sozusagen verdeckt gegen Bürgerinnen und Bürger, die sie für verdächtig hält, betreiben darf. Diese wirksame Kontrolle ist eine demokratische Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit besteht unabhängig davon, welche strukturellen Änderungen gegebenenfalls in der Zukunft beim Landesamt für Verfassungsschutz erfolgen sollten. Die Debatte darüber, ob Änderungen herbeizuführen sind, wird bundesweit geführt. Hierzu haben wir auch diverse Vorschläge. In dem Gesetzentwurf, der hier vorliegt, haben wir jedenfalls folgende Vorschläge:
Wir wollen erstens das Kontrollgremium insgesamt stärken, wir wollen zweitens Individualrechte für die sieben Mitglieder des Gremiums einführen und drittens die Arbeit des Gremiums auch nachvollziehbar machen.
Zu den einzelnen Punkten: Dort, wo bisher eine Zweidrittelmehrheit vorgesehen ist, wollen wir künftig eine einfache Mehrheit vorsehen. Praktisch heißt dies: Statt mit 5 : 2 würden die Beschlüsse dann mit 4 : 3 gefasst werden. Dies betrifft zum Beispiel erstens die Einschaltung eines Sachverständigen, um bestimmte Vorgänge zu prüfen. Hierzu gab es im PKG auch schon einen Antrag, und es wurde darüber debattiert, ob ein Sachverständiger eingeschaltet werden soll, um das Gerangel zwischen der BAO "Bosporus" und dem Verfassungsschutz bezüglich der Herausgabe von Informationen zu bayerischen Rechtsextremisten aufzuklären, das sich über acht Monate hingezogen hat.
Der zweite Bereich ist, dass man mit 4 : 3 beschließen kann, dass auch dem Landtag Bericht zu derartigen Untersuchungen erstattet wird.
Der dritte Punkt, bei dem wir die Zweidrittelmehrheit auf eine einfache Mehrheit senken wollen, ist die öffentliche Bewertung bestimmter Vorgänge. Dies wäre eine Möglichkeit – die zwar auch schon besteht, aber mit einer Zweidrittelmehrheit und dann mit einer einfachen Mehrheit –, eine gewisse Abstufung der strikten Geheimhaltung vorzunehmen. – Das gilt nur für die
Bewertung, nicht für die Einzelheiten. Die strikte Geheimhaltung ist für das PKG vorgesehen.
Dies trägt manchmal absurde Züge, weil wir natürlich häufig über Dinge berichtet bekommen, die entweder schon in der Zeitung gestanden haben oder demnächst veröffentlicht werden. Nicht einmal darüber dürfen wir reden; wir dürfen überhaupt nicht sagen, über welche Themen im Gremium gesprochen worden ist. Es ist sozusagen ein großer Fortschritt, dass die Termine, wann das PKG tagt, jetzt in den Terminlisten des Landtages überhaupt veröffentlicht sind. Aber dabei steht nur: "Im Hause". Mir wurde spaßeshalber schon vorgeworfen, Geheimnisverrat zu betreiben, nachdem ich die Journalisten darauf aufmerksam gemacht habe, dass der Saal S 424 der einzige abhörsichere Raum hier im Landtag ist. Da liegt natürlich die Vermutung nahe, wo wir möglicherweise tagen könnten. – Jedenfalls geht es um Erleichterung, geht es darum, eine gewisse Abstufung der strikten Geheimhaltung vorzunehmen, was die Bewertungen anbelangt.
Wir halten es darüber hinaus für erforderlich, dass die einzelnen PKG-Mitglieder eigene Kontrollrechte erhalten. Das heißt, sie können selbst Akteneinsicht nehmen, sie haben dann Zutritt zum Landesamt für Verfassungsschutz, sie können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bestimmten Vorgängen befragen.
Herr Dr. Weiß wird wahrscheinlich in den Raum stellen, dass doch die bisherige Praxis völlig ausreiche. Ich muss allerdings sagen, ohne hier irgendeinen Geheimnisverrat zu begehen: So wie die Sitzungen des PKG ablaufen, ist dies unzureichend. Wir bekommen die Informationen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums. In den seltensten Fällen sind Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, geschweige denn der Präsident mit anwesend, es sei denn, wenn wir ins Landesamt selber gehen, und häufig passiert es mir dann auch, dass ein anderes Mitglied aus dem Gremium infrage stellt, dass die Frage, die ich stelle, sachdienlich ist, und dann diskutieren wir eben darüber, ob eine Frage von mir sachdienlich ist oder nicht. Ich denke, das Recht der einzelnen Mitglieder muss einfach gestärkt werden.
Die Problematik, dass ich mehr Informationen zu VLeuten haben wollte, ist auch schon in öffentlicher Sitzung im Innenausschuss debattiert worden. Diese Informationen wurden mir deshalb nicht gegeben, weil die Mehrheit des Gremiums dies gar nicht wissen wollte.
Als weiteren Punkt haben wir zur Stärkung des gesamten Gremiums aufgenommen, dass im Bedarfsfall zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt werden
kann, entweder persönliche Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtages. Es sind Bedenken wegen des Geheimschutzes geäußert worden. Aber wenn ich das mit dem laufenden NSUUntersuchungsausschuss vergleiche, so gibt es dort auch Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die selbstverständlich dann auch verpflichtet und sicherheitsüberprüft sind, und da gibt es auch keinerlei Probleme. Wir brauchen bessere Ressourcen; denn unsere Aufgabe ist schließlich die Kontrolle einer Behörde mit 450 Planstellen, mehr Mitarbeitern – ungefähr 500 – und einem Etat von 27 Millionen Euro im Jahr. Diese Kontrolle mit nur sieben Personen neben dem parlamentarischen Betrieb durchzuführen, ist meines Erachtens nicht wirklich machbar.
Ein weiterer Punkt ist, dass von den Sitzungen praktisch kein Protokoll gefertigt wird. Wenn man einmal etwas nachlesen will – das könnte man ja dann in dem Sicherheitsraum tun –, gibt es gerade einmal Überschriften zu dem, was diskutiert worden ist, aber keine näheren Inhalte. Es ist weder für die Mitglieder des Gremiums möglich, ihre Erinnerung aufzufrischen – mitschreiben dürfen wir ja auch nicht –, noch kann im Nachhinein nachvollzogen werden, wie dieses Gremium seiner Kontrollarbeit überhaupt nachgekommen ist, welche Themen überhaupt eine Rolle gespielt haben.
Ich habe letztens ein Protokoll des Vorgängers, des Sicherheitsausschusses, von 1963 nachgelesen. Darin ging es um die NS-Vergangenheit eines Mitarbeiters des Landesamts für Verfassungsschutz. Hierzu hat es ein ausführliches Protokoll gegeben. Die Protokolle liegen jetzt im Landtagsarchiv, und es kann nachvollzogen werden, wie und mit welchen Inhalten die Diskussionen damals gelaufen sind. - Dies zu unseren Forderungen bezüglich der Kontrolle.
Die Arbeit der Geheimdienste auf Bundesebene wie auf Landesebene steht natürlich seit dem Auffliegen der Terrorgruppe des NSU ganz besonders auf dem Prüfstand. Dies ist aus gutem Grund so. Erstens ist offenbar geworden, dass die Gefahren, die von Neonazis ausgegangen sind, eklatant unterschätzt wurden. Niemand bei den Verfassungsschutzbehörden konnte sich vorstellen, dass eine Gruppe von Rechtsextremisten kaltblütig mordend durch die Lande zieht.
Zweitens hat sich gezeigt, wie problematisch der Einsatz von V-Leuten war und meines Erachtens immer noch ist. Wir wissen heute, dass das NSU-Trio samt Umfeld bundesweit von mehr als einem Dutzend VLeuten regelrecht umzingelt war. Trotzdem hat niemand den Bezug zwischen den Morden, Brandanschlägen, Banküberfällen und dem Nationalsozialistischem Untergrund herstellen kön
nen. Hinzu kommt die höchst fragwürdige Rolle, die die einzelnen V-Leute gespielt haben.
Drittens haben erhebliche Defizite beim Informationsaustausch mit der Polizei bestanden. Als die Polizei im Jahr 2006 nach der zweiten operativen Fallanalyse endlich in Richtung missionsgeleiteter Ausländerhasser ermittelte, hat sich das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz über Monate äußerst zugeknöpft gezeigt, als es darum ging, der BAO "Bosporus" auf der Basis der Inhalte dieser Fallanalyse Informationen zu den bayerischen Rechtsextremen zu geben. Herausgekommen ist diese dürre Liste von 682 Namen aus zwei Postleitzahlbezirken aus Nürnberg, ohne weitere Hintergrundinformationen.
Vor diesem Hintergrund haben wir im Bund und in den Ländern die Diskussion zu führen, wie die Verfassungsschutzbehörden, die Geheimdienste, in Zukunft aufgestellt sein müssen, um ihren Aufgaben am besten gerecht zu werden. Unseres Erachtens sind eine komplette Umstrukturierung und Neuausrichtung der Arbeitsbereiche, eine Reduzierung des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel auf ein absolut erforderliches Minimum, ein Verzicht auf V-Leute, eine stärkere wissenschaftliche Ausrichtung, Abstufungen bei den Geheimhaltungspflichten und eben die verstärkte Kontrolle erforderlich.
Da scheint die Präsenz wieder einmal nicht auszureichen, sodass namentliche Abstimmung beantragt wurde.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion hat durchaus gewisse Sympathien für diesen Gesetzentwurf. Er ist allerdings nicht konsequent zu Ende gedacht. Die Angleichung der Wahlsysteme der drei kommunalen Ebenen hat durchaus Charme. Das System mit Kumulieren und Panaschieren ist ein sehr demokratisches Wahlsystem. Es stellt sehr viel stärker als andere Wahlsysteme auf die einzelnen Persönlichkeiten ab, die sich zur Wahl stellen, mit der Möglichkeit, quer durch alle Parteien zu wählen. Um dies hervorzuheben, müssten aber die Wahltermine einander angeglichen werden. Wenn weiterhin die Bezirkstagswahl mit der Landtagswahl zusammenfällt, bleibt die Bezirkstagswahl ein Anhängsel der Landtagswahl. Zusätzlich werden die Wählerinnen und Wähler dann mit zwei komplett unterschiedlichen Wahlsystemen verwirrt. Wenn, dann müsste man die Bezirkstagswahl parallel zu den Gemeinderats-, Stadtrats- und Landkreiswahlen stattfinden lassen.
Ein anderes Problem ist auch nicht gelöst; nämlich die unterschiedliche regionale Verteilung. Wenn ein solches Wahlsystem für die Bezirkstage eingeführt wird, sind bestimmte Regionen innerhalb eines Bezirkes nicht vertreten. Welche genauen Auswirkungen es da gibt, ist heute noch Spekulation. Aber es wird nicht so sein, dass jeder heute bestehende Stimmkreis in den zukünftigen Bezirkstagen tatsächlich vertreten sein wird. Dieses Problem ist nicht gelöst.
Ein zweiter Punkt ist die Direktwahl des Bezirkstagspräsidenten. Das ist überlegenswert, denn damit würde diese Position erheblich aufgewertet. Dieser Aufwertung muss im Grunde dann auch eine Aufwertung der Aufgaben folgen, was mit diesem Gesetzentwurf nicht geschieht. Wenn es eine Direktwahl des Bezirkstagspräsidenten bzw. der Bezirkstagspräsidentin geben soll, müsste die Position so gestrickt sein, dass er oder sie Behördenchef bzw. Behördenchefin einer zusammengelegten Behörde aus Regierungsbezirk plus kommunaler Bezirksverwaltung wäre. Dann könnte man sich eine solche Direktwahl überlegen. Damit finge allerdings die gesamte Debat
te erneut an: Brauchen wir die Bezirke überhaupt? Kann man nicht deren Aufgaben auf die Landkreise einerseits oder auf höhere staatliche Behörden andererseits aufteilen? Die Bezirke gibt es ja nur in Bayern.
Ich habe zwei dieser Debatten hier im Hohen Hause mitgemacht. Keine der Debatten ist für die Bezirke vorteilhaft abgelaufen. Diese Bezirksdebatten waren für ihre Arbeit eher hinderlich. Jetzt ist da etwas Ruhe eingekehrt. Wenn aber die Gedanken bezüglich der Direktwahl des Bezirkstagspräsidenten weitergeführt werden, haben wir, glaube ich, die nächste Debatte über die Abschaffung der Bezirke. - Aus diesen von mir vorgetragenen Gründen werden wir den Gesetzentwurf trotz der geschilderten Sympathie ablehnen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Verwandtschaftsbeschäftigung scheint die politische Arbeit der Koalitionsfraktionen ziemlich lahmgelegt zu haben. Jedenfalls hat die Themensuche für einen Dringlichkeitsantrag zum heutigen Plenum der Koalition wohl einige Mühe bereitet. Deshalb haben wir es hier mit dem typischen Schema zu tun, das wir im Bereich der Innenpolitik schon kennen. Es gibt entweder auf Bundesebene oder auf Landesebene eine Pressekonferenz des Bundes- oder des Landesinnenministers. Die Koalitionsfraktionen sekundieren mit einem Antrag im Parlament, damit die Arbeit des jeweiligen Ministers dort noch einmal bejubelt werden kann. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob Selbstverständlichkeiten wiederholt oder Lösungsvorschläge für Probleme aufgezeigt werden.
In diesem Fall war es wie folgt: Bundesinnenminister Friedrich stellt die bundesweite Kriminalstatistik vor und setzt einen Schwerpunkt: Die Zahl der Wohnungseinbrüche hat um 8,7 % zugenommen, und die
Aufklärungsquote ist mit 15,7 % niedrig. Als Reaktion kam jetzt der Antrag, die Staatsregierung zu Selbstverständlichkeiten aufzufordern und sie zu bitten, dem Landtag einen Bericht zu geben.
Ein wichtigeres Thema scheint Ihnen nicht eingefallen zu sein. Wenn Ihnen das Phänomen der Wohnungseinbrüche wirklich auf den Nägeln gebrannt hätte, hätten Sie eigentlich schon nach der Vorstellung der bayerischen Kriminalstatistik vor zwei Monaten reagieren müssen. Schon damals hat Innenminister Herrmann auf den Anstieg der Wohnungseinbrüche um 9 % auf 5.709 Fälle hingewiesen. Aber wahrscheinlich haben Sie auch gesehen, dass zwar ein Anstieg zu verzeichnen war, aber die Fallzahl insgesamt auf einem erfreulich niedrigen Niveau liegt. Im Jahr 2004 lag die Zahl der Wohnungseinbrüche noch bei 7.000.
Im Bundesdurchschnitt liegen die Fallzahlen im Verhältnis viermal so hoch wie in Bayern. Es ist super, dass wir hier eine so niedrige Anzahl von Wohnungseinbrüchen im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt haben. Das haben wir sicher auch der guten Präventionsarbeit der Polizei zu verdanken, die nicht müde wird, vor den Dämmerungseinbrüchen zu warnen, Beratungsarbeit anzubieten und die Haus- und Wohnungsbesitzer auf ihre Eigenverantwortung und auf technische Möglichkeiten hinzuweisen. Ich bin sehr häufig auf Bürgerversammlungen und weiß, wie dort die Polizeiberichte gegeben werden.
Allerdings muss ich sagen: Mir ist ein Wohnumfeld lieber, wo die Schlüssel im Schloss stecken bleiben können. So halte ich es in der Regel, wenn ein gutes Wohnumfeld vorhanden ist. Ein solches gutes Wohnumfeld ist auch ein Einbruchsschutz. Die Polizei wäre gern mit mehr Streifenwagen unterwegs, um damit Präventionsarbeit zu leisten.
Zu denken gibt die niedrige Aufklärungsquote von bundesweit 15,7 % und 16 % in Bayern. Zur Verbesserung der Aufklärungsquote finden sich in dem Dringlichkeitsantrag allerdings keine Lösungsansätze. Bei Einbruchsdiebstählen muss schnell und qualifiziert ermittelt werden, damit die Fälle aufgeklärt werden können. Das ist natürlich sehr personalintensiv. Wahrscheinlich wären auch deutlich mehr Fachleute erforderlich.
Wir werden Ihrem Antrag zustimmen. Wahrscheinlich wird er uns im Teil 1 aber nicht wirklich weiterbringen. Die Kooperation mit anderen Partnern an einem runden Tisch, die ich für eine Selbstverständlichkeit halte, ist nichts Neues. Aber vielleicht erfahren wir aus dem Bericht etwas mehr Substanz. Für den Bericht würde ich mir wünschen, dass auch der Aspekt aufgenommen wird, wie man die Opfer unterstützen kann.
Denn viele Menschen sind von dem Ereignis eines Einbruchs traumatisiert. So ein Ereignis ist einschneidend. Mich würde interessieren, welche Maßnahmen getroffen werden können, um die Opfer besser zu unterstützen.
Ein dringenderes Thema hätte heute natürlich auch die Förderung des Wohnungsbaus sein können. Sinn der Förderung sollte natürlich nicht sein, den potenziellen Dieben mehr Wohnungen als Einbruchsgelegenheiten zur Verfügung zu stellen, sondern den dringenden Wohnungsbedarf der Bevölkerung zu decken.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die namentliche Abstimmung wurde nicht von uns, sondern von der CSU
beantragt. Anscheinend ist das eine Disziplinierungsmaßnahme, weil sich die Reihen doch etwas gelichtet haben.
Zum Thema: In Sachen Informationsfreiheit, Transparenz und Öffentlichkeit des Verwaltungshandelns ist Bayern rückständig. Verantwortlich hierfür ist die CSU, die seit Jahren verhindert, dass die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf freien Informationszugang bekommen, also ein allgemeines Akteneinsichtsrecht, natürlich unter Wahrung der Rechte Dritter und des Datenschutzes. Sie verweigert das Recht, Daten und Unterlagen in Kopie oder elektronisch zu erhalten, ohne ein besonderes, berechtigtes Interesse nachweisen zu müssen. Bei der CSU muss der Datenschutz als Begründung herhalten, um diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
In fast allen europäischen Staaten, in 90 Ländern weltweit, sind gesetzliche Regelungen zur Informationsfreiheit eine Selbstverständlichkeit. Die meisten Bundesländer haben seit etlichen Jahren ihre Informationsfreiheitsgesetze. Nach und nach garantieren jetzt einzelne Bundesländer nicht mehr nur den Informationszugang auf Antrag, sondern normieren Veröffentlichungspflichten für ihre Behörden, und zwar sogar für privatrechtlich organisierte Unternehmen, an denen die öffentliche Hand maßgeblich beteiligt ist. In Bremen und Hamburg müssen beispielsweise Verträge der Daseinsvorsorge veröffentlicht werden. Welche Informationen, das heißt Sitzungsvorlagen, Protokolle, Gutachten, Verfahrensunterlagen etc. zur Verfügung stehen, ist über ein Informationsregister im Internet abrufbar, ebenso sind es die jeweiligen Daten und Dokumente selbst.
So können sich die Bürgerinnen und Bürger bequem, umfassend und kostenfrei über staatliches und kommunales Handeln sowie Verwaltungsvorgänge und Entscheidungen informieren. Der Anspruch auf freien Informationszugang und die diversen Veröffentlichungspflichten sind Grundvoraussetzungen für eine wirksame Kontrolle staatlichen und kommunalen Handelns durch die Gesellschaft und durch die Presse. Sie sind eine wichtige Grundlage für den wachsenden Partizipationsanspruch der Bevölkerung. Es fördert die Akzeptanz von Entscheidungsprozessen, wenn diese transparent gestaltet werden und die vielfältige Geheimniskrämerei endlich beendet wird.
Fehlentscheidungen kommen frühzeitig auf den Prüfstand, können öffentlich diskutiert und, wenn nötig, rechtzeitig korrigiert werden. In Hamburg hat es sich die Bevölkerung nicht mehr länger gefallen lassen, dass bei Planung und Bau der Elbphilharmonie die
Kosten immer weiter davongelaufen sind. Aus den Verträgen und den diversen Vorgängen ist ein regelrechtes Staatsgeheimnis gemacht worden. Ein breites Bündnis von Initiativen, insbesondere der Verein "Mehr Demokratie" hat daraufhin das momentan fortschrittlichste Transparenzgesetz entwickelt. Nach einer intensiven öffentlichen Debatte wurde es einstimmig im Hamburger Senat beschlossen und gilt seit letztem Oktober. An diesem Gesetz hat sich auch der SPD-Gesetzentwurf orientiert. Somit ist nicht irgendetwas aus der Luft gegriffen oder etwas völlig Neues gefordert worden.
Nachdem die CSU die demokratische Notwendigkeit der Informationsfreiheit nicht sehen will und sogar die entsprechende Konvention des Europarates ignoriert, gehen inzwischen immer mehr bayerische Kommunen dazu über, eigene Satzungen für ihren Bereich zu erlassen. Inzwischen erhebt mehr als ein Viertel der bayerischen Bevölkerung auf diese Art und Weise einen Informationsanspruch gegenüber ihren Kommunen für die eigenen kommunalen Angelegenheiten.
Aktuell gibt es 52 solcher Satzungen. Darunter befinden sich ein Bezirk und vier Landkreise. Selbst Josef Schmid war in der Landeshauptstadt München vehementer Befürworter einer derartigen Satzung. Er ist der Oberbürgermeisterkandidat der CSU. An dieser Stelle müssen Sie mir den Wertungswiderspruch erklären.
Demnächst findet sogar ein Bürgerentscheid zur Einführung einer Informationsfreiheitssatzung statt. Das ist in Traunreut. Die Anträge stammen von den unterschiedlichsten Parteien und Gruppierungen. Interessanterweise war öfter, nicht nur in München, auch die örtliche CSU dabei. Ein Antrag kam aus Bad Aibling. Diese Entwicklungen werden jedoch von der CSUFraktion im Landtag nicht zur Kenntnis genommen. Die Opposition hat aber einen langen Atem. Bald stehen Wahlen an. Mittlerweile diskutieren wir den achten Gesetzentwurf zur Informationsfreiheit seit Beginn der vorletzten Legislaturperiode.
An dieser Stelle kann ich bereits den nächsten Gesetzentwurf ankündigen. Wir GRÜNE haben uns bei diesem Gesetzentwurf ebenfalls am Hamburger Modell orientiert und diesen zusammen mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern weiterentwickelt. Letzten Samstag haben wir den Gesetzentwurf im Rahmen einer Anhörung mit Fachleuten noch einmal überprüfen lassen und weitere Vorschläge eingeholt. Die Anhörung hat unsere Auffassung bestärkt. Zu einer modernen Demokratie gehört ein Staat, der sich als Dienstleister gegenüber der Gesellschaft versteht, der
einer umfänglichen Transparenz unterliegt und der ein proaktives Informationsangebot entwickelt und bereithält.
Unabhängig von unserem Gesetzentwurf könnte der Bayerische Landtag schon heute ein fortschrittliches Transparenzgesetz beschließen, wenn die FDP über ihren Koalitionsschatten springen würde. Sie will ein derartiges Gesetz auch durchsetzen. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der FDP, werden Ihren verbliebenen Anhängern erneut erklären müssen, warum Sie eine Ihnen wichtige Forderung dem Koalitionsfrieden opfern.
Die CSU muss erklären, warum sie die Entwicklung in Sachen Transparenz und Informationszugang weiterhin so vehement blockiert. Ich freue mich schon auf den 15. September.
Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, Herr Innenminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese große Regierungserklärung wurde uns schon vor einigen Wochen als die Regierungserklärung über das vermeintliche Spezialthema unseres Innenministers, die innere Sicherheit, angekündigt. So wie es aussieht, hat sich der Spitzenkandidat der SPD, Christian Ude, bemüßigt gefühlt, die Gelegenheit zu ergreifen, seinerseits noch schnell vor dieser Regierungserklärung eine Grundsatzrede zur inneren Sicherheit zu halten. Wie dies abgelaufen ist, fand ich sehr interessant.
Allerdings war auch diese Rede nicht unbedingt der große Wurf. Bemerkenswert fand ich auch, dass Christian Ude dem Kollegen Ritter im Bereich der Videoüberwachung ausdrücklich widersprochen hat. Insoweit wird noch einiger Beratungsbedarf vorhanden sein.
Aber dies nur als kleine Nebenbemerkung, bevor ich in meine Rede einsteige.
- Wenn wir dann zusammen regieren, werden wir uns schon zusammenraufen. Das kann ich Ihnen versichern, Herr Kollege Dr. Fischer.
Wir waren jedenfalls sehr gespannt, welche Pflöcke vom Innenminister als Bilanz der bisherigen Tätigkeit hinsichtlich der inneren Sicherheit und als Ausblick für die nächste Legislaturperiode eingeschlagen werden, mit welchen Taten seiner Amtszeit sich Innenminister Herrmann rühmen wird und in welchen Bereichen wir
es seiner Meinung nach mit den meisten Problemen und den größten Gefahren für die Sicherheit im Lande zu tun haben, wie er sich – das ist ein uns sehr wichtiger Bereich – dazu äußert, aus welchen Gründen der fremdenfeindliche, rassistische Hintergrund der rechtsterroristischen NSU-Morde von den Sicherheitsbehörden nicht erkannt wurden, warum die Gefahren von Rechts unterschätzt wurden, welche Fehler gemacht wurden und welche Lehren aus diesem vielschichtigen Desaster zu ziehen sind. Auf eine Geste der Demut seitens des Innenministers warten wir ja bis heute. Natürlich hätte uns auch interessiert, welche grundlegenden Projekte Herr Innenminister Herrmann in den nächsten Jahren anpacken will, mit welchen Weichenstellungen wir zu rechnen haben, wenn er Innenminister bleiben sollte.
Mit der Regierungserklärung über die Internetkriminalität ist eine Regierungserklärung zu einem durchaus ernsten Thema herausgekommen, um das wir uns zunehmend kümmern müssen. Die steigenden Fallzahlen und die niedrige Aufklärungsquote, die natürlich auch systembedingt ist, sind erwähnt worden. Aber so, wie Sie, Herr Innenminister, die Problematik hier präsentiert haben, und so, wie die Internetkriminalität bisher in der Praxis bearbeitet wurde, kommen wir in der Sache nicht weiter. Das war ein Ausdruck der Hilflosigkeit und alles andere als ein großer Wurf.
Inhaltlich haben Sie das Thema schwach unterfüttert und umso ideologischer verpackt. Das hat sich gezeigt, wenn man sich Ihre Rede durchgelesen hat – gestern Abend gegen 20 Uhr haben wir Sie doch noch zugestellt bekommen – und wenn man heute genau zugehört hat. Die von Ihnen dargestellten Maßnahmen sind altbekannt oder werden in ihrer Wirkung überschätzt oder sind aus rechtsstaatlichen Gründen nicht nur fragwürdig, sondern abzulehnen. Das gilt beispielsweise für die Vorratsdatenspeicherung und für die Verfestigung der Zuständigkeiten beim Landesamt für Verfassungsschutz. Stichwort: Cyber-Allianz-Zentrum.
Die Formulierungen in Ihrer Regierungserklärung bezüglich der Cyber-Angriffe, die von Nordkorea ausgehen, und über den immer heißer werdenden Krieg in der virtuellen Welt des Internets, der den Kalten Krieg abgelöst hat, sprechen doch Bände. Kommunistische Schurkenstaaten und böse Mächte sind verantwortlich für Cyber-Angriffe, denen die Bevölkerung ungeschützt ausgeliefert ist, als Ersatz für den Kalten Krieg. In diesem Bereich ist plötzlich ein neues Feindbild nötig.
Die von Ihnen ausgesprochene pauschale Warnung vor dem freien Internet als staats- und rechtsfreiem Raum, das zu Chaos und Anarchie führt sowie machtund geldgetriebene Verbrecher anzieht, ist eine Panikmache. Wir haben ausreichend rechtliche Regelungen für das Internet. Das Internet ist keine Krake, die die Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger bedroht. Vielmehr ist das Internet ein wesentlicher Garant für die freie Kommunikation als wesentlicher Bestandteil der Demokratie. Nicht ohne guten Grund schränken die Regime, die sich der Demokratie nicht im gleichen Maße verpflichtet fühlen, die Internetkommunikation regelmäßig ein.
Vor Extremisten und Terroristen im Netz und vor ihren Werbe- und Radikalisierungsmaßnahmen wird gewarnt. Es wird jedoch nicht weiter ins Detail gegangen, was genau gemeint ist. Wenn Islamfeinde in Foren wie "Politically Incorrect", "Pax Europa", "Nürnberg 2.0" und "Die Freiheit" oder rechtsradikale Netzwerke ihre Hetztiraden und fremdenfeindliche Aktivitäten im Netz verbreiten, haben sich die Sicherheitsbehörden bisher nicht gerade überschlagen, wenn sie diesen Phänomenen nachgehen sollen.
Nun zu den von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen des Fünf-Punkte-Programms: Bei näherer Betrachtung handelt es sich überwiegend um Zustandsbeschreibungen oder Selbstverständlichkeiten. IT-Sicherheit erreicht man selbstverständlich durch proaktives Absichern der Systeme und durch Prävention. Es ist eine Binsenweisheit, dass die Internetnutzer sensibilisiert werden müssen. Das ist doch klar. Sie sollten nicht mit ungeschützten Rechnern unterwegs sein und mit ihren Daten nicht unbedarft umgehen. Hinsichtlich konkreter Maßnahmen, wie das alles erreicht werden soll, gibt es von Ihnen nichts Neues im Maßnahmenkatalog. Das Landesamt für Datenschutzaufsicht ist von Ihnen erwähnt worden. Die machen ihren Job eigenverantwortlich. Deren Erfolge können Sie sich nicht unbedingt auf die Fahnen schreiben. Der Medienführerschein, der explizit erwähnt worden ist, war schon bei seiner Einführung eine PR-Aktion. Wir stellen uns Präventionsarbeit anders vor. Man muss Geld für Bildung und Forschung in die Hand nehmen, um voranzukommen.
Pikant ist die Förderung der Sensibilität der Nutzer vor dem Hintergrund der eigenen Netzaktivitäten der Staatsregierung. Sie können bei sich selbst anfangen. Kürzlich hat der Datenschutzbeauftragte Dr. Petri die Staatsregierung aufgefordert, nicht mehr über Facebook zu kommunizieren. Der Grund: Facebook und andere große soziale Netzwerke hätten mehrere Rechtsverstöße begangen. Über Facebook-Verknüpfungen auf den Internetseiten der Staatsregierung würden Nutzerdaten ohne Wissen der Betroffenen an
die Unternehmen übertragen. Haben Sie in diesem Bereich schon die Notbremse gezogen und gegengesteuert, damit die Nutzerdaten von Personen, die sich an die Staatsregierung wenden und die Internetseiten nutzen, nicht mehr ohne ihr Wissen an die Unternehmen übertragen werden?
Bedarf es deshalb einer besonderen Hervorhebung der Datensicherheit bei der Polizei und der Steuerverwaltung? Das ist bei Ihnen auch ein Extrakapitel. Dabei ist es doch eine Selbstverständlichkeit. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass die Daten bei der Polizei und der Steuerverwaltung sicher sind. Müssen wir uns Sorgen machen, wenn Sie das extra betonen? Oder musste noch eine Seite Ihrer Regierungserklärung gefüllt werden?
Ein positiver Ansatz ist die Einstellung von IT-Spezialisten bei der Polizei. Im Jahre 2012 hieß es noch, 54 Spezialisten sollten die Arbeit aufnehmen. Nun haben Sie 25 Polizei-Informatiker. Davon haben drei bereits wieder ihren Dienst quittiert. Mit dieser Größenordnung an Personal werden wir nicht weiterkommen. Aufgrund der hohen Anzahl der Fälle, die bearbeitet werden müssen, werden die IuK-Kriminalisten gnadenlos in der Arbeit untergehen. Das Modell muss natürlich fortgeführt werden. Wenn diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter längerfristig bei der Polizei gehalten werden sollen, müssen die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung nachgebessert werden. Wenn Leute eine Stelle antreten und diese nach kurzer Zeit wieder verlassen, ist das kein gutes Zeichen. So können wir kaum weitermachen. Zwar sind für die zwei Haushaltsjahre 100 zusätzliche Planstellen vorgesehen, jedoch frage ich mich, wie sie unter diesen Arbeitsbedingungen und dieser Bezahlung tatsächlich besetzt werden sollen.
Immer wieder, fast gebetsmühlenartig, kommt die Forderung nach der Vorratsdatenspeicherung. Es wird der Anschein erweckt, dass die Internetkriminalität wirksam bekämpft werden könnte, wenn die Sicherheitsbehörden alle Instrumente an die Hand bekommen würden, die sie sich wünschen. Fakt ist jedoch: Die Internetbetrüger werden den Sicherheitsbehörden immer einen Schritt voraus sein. Sie können von Servern aus agieren, auf die das deutsche oder europäische Rechtssystem keinen Zugriff hat. Das ist ein Fakt, mit dem man umgehen und auf den man regieren muss. Da helfen weder die Vorratsdatenspeicherung noch sonstige Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen.
Wenn es nach Kollegen Dr. Herrmann aus der CSUFraktion, den übrigen Kollegen aus der CSU-Fraktion und Herrn Innenminister Herrmann ginge, könnten mithilfe der Vorratsdatenspeicherung alle Straftaten
aufgeklärt werden. Im Januar letzten Jahres ist es richtig peinlich geworden. Innenminister Herrmann hat die mögliche Aufklärung der NSU-Morde im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung genannt. Da wird es wirklich absurd. Den Morden ist kein fremdenfeindlicher Hintergrund zugeordnet worden. In diese Richtung ist fast nichts ermittelt worden. Es ist absurd, zu mutmaßen, dass die Morde mit der Vorratsdatenspeicherung frühzeitiger hätten aufgeklärt werden können. Sie müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung einen massiven Grundrechtseingriff darstellt. Die Vorratsdatenspeicherung wird deshalb von uns als unverhältnismäßig abgelehnt.
Herr Innenminister Herrmann, wie Sie die TrojanerSoftware eingesetzt haben, ist im Hinblick auf die Grundrechtswahrung nicht vertrauenerweckend gewesen.
Sie sind gefährlich unbedarft an die Sache herangegangen. Es hat rechtswidrige Einsätze gegeben. Die Software konnte mehr, als sie durfte. Sie hätte nachgeladen werden können. Das Landeskriminalamt hat nicht über die Kompetenzen und Möglichkeiten verfügt, diese Software zu überblicken. Sie hat sich nicht den Quellcode gesichert. Es wurde nicht überprüft, was diese Software überhaupt kann. Herr Innenminister, bis heute wird der Trojaner von Ihnen verteidigt. Das kann nicht sein. Auf der einen Seite sprechen Sie von Netzsicherheit, auf der anderen Seite haben Sie durch die Missbrauchsmöglichkeiten der TrojanerSoftware erst Netzunsicherheit produziert.
Die neuen Maßnahmen enthalten nichts Neues und eröffnen keine neuen Zuständigkeiten. Was soll der neue schnittige Name "Cyber-Allianz-Zentrum" beim Landesamt für Verfassungsschutz? Vielleicht wollen Sie erreichen, dass eine Evaluation der Koordinations- und Beratungsarbeit für die Wirtschaft durch das Landesamt für Verfassungsschutz gar nicht durchgeführt werden kann, weil beim Verfassungsschutz alles unter strenger Geheimhaltung stattfindet. Eine schöne Strategie! Ist es denn wirklich Aufgabe des Verfassungsschutzes, die Interessen von Wirtschaftsunternehmen zu wahren? Ist denn ein Hacker-Angriff, der die mangelnde Datensicherheit eines Unternehmens offenbart und einen finanziellen Schaden verursacht, bereits ein Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung? Dafür ist der Verfassungsschutz zuständig. Ist das schon ein Angriff auf unsere Demokratie, auf die Grundfesten unserer Ordnung? Dies sind doch wirklich Aufgaben der Polizei im Rahmen
der Kriminalitätsbekämpfung. Aufgabe des Wirtschaftsministeriums ist es, bei der Beratung aktiv zu werden.
Herr Staatsminister, in Ihrem Maßnahmenkatalog ist ein Punkt sehr blumig dargestellt, nämlich der dauerhafte Dialog zwischen den Sicherheitsbehörden, dem IT-Beauftragten der Staatsregierung und den anderen Ressorts, also die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten im Bereich der Cyber-Sicherheit. Ich habe schon lange keine so schönen Leerformeln gehört. Und dann erst die Schaffung des neuen Sachgebiets "Cyber-Sicherheit" im Innenministerium. Die Schaffung eines neuen Sachgebiets ist wirklich eine grandiose Leistung. Das müssen wir schon sagen.
Herr Innenminister, Sie haben die Wertigkeit der politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit etwas verschoben dargestellt, indem Sie die Sicherheit im Internet als Herausforderung für Staat und Gesellschaft bezeichnet haben, wie sie in jeder Gesellschaft nur einmal vorkomme. Das ist ebenfalls eine wunderbare Leerformel. Wenn wir die anderen Herausforderungen unserer Zeit betrachten, zum Beispiel die Klimakatastrophe, die Armutsfalle, den Pflegenotstand, den Rechtsextremismus sowie die Krisen und Kriege in der Welt, dann stehen wir vor Herausforderungen mit ganz anderen Dimensionen.
Herr Innenminister, Ihre Regierungserklärung kann man so zusammenfassen: Der Berg kreißt und gebiert eine Maus, wenn es in diesem Fall nicht sogar ein Mäuschen gewesen ist. Wir brauchen durchgreifende Ansätze. Wir brauchen eine gute Ausbildung bei der Polizei und bei der Staatsanwaltschaft. Wir brauchen eine gute personelle Ausstattung und eine bessere Bezahlung. Herr Hanisch, ich würde nicht unbedingt kriminelle Hacker anheuern, meine aber, dass man bei den Computerspezialisten des Chaos-ComputerClubs fündig werden könnte. Wir brauchen auf den Dienststellen bessere Internetzugänge, damit auch dort Recherchen durchgeführt werden können. Die technische Ausstattung ist hier völlig unzureichend.
Wir brauchen mehr Forschung an unseren Hochschulen in Richtung auf sichere Internetsysteme. Wir brauchen außerdem verstärkte Aktivitäten bei der Prävention. Mich hat es gewundert, wie sich sowohl der Wirtschaftsminister als auch die Justizministerin bei diesem Thema in ihre Ressorts hineinregieren ließen; denn bei diesem Thema steht der Verbraucherschutz, Frau Dr. Merk, ganz vorn. Herr Zeil, auch die Wirtschaft steht hier ganz vorne. Diese beiden Ministerien sind gefordert, sich mehr zu engagieren.
Insgesamt ist diese Regierungserklärung kein großer Wurf und nicht richtungsweisend. Auf diesem Weg
werden wir die Problematik der Internetkriminalität sicher nicht in den Griff bekommen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" hat 13 Jahre lang unerkannt im Untergrund gelebt und in dieser Zeit in der ganzen Republik Anschläge verübt und Menschen türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin umgebracht. Diese Mordserie hat die Bevölkerung tief erschüttert und international Bestürzung hervorgerufen.
Am 17. April 2013 beginnt nun der Prozess vor dem Oberlandesgericht München gegen Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben und drei weitere Angeklagte. Von diesem Prozess geht eine gesellschaftliche Signalwirkung aus. Es besteht ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit an diesem Prozess und daran, dass international über die rechtsstaatliche Aufarbeitung der Taten des NSU berichtet werden kann.
Die Entscheidung des Gerichts zum Akkreditierungsverfahren wird unseres Erachtens der Dimension dieses Verfahrens nicht gerecht. Es besteht richterliche Unabhängigkeit, daher akzeptieren wir diese Entscheidung natürlich. Aber insbesondere die türkischen Medien, aber auch viele weitere international wie bundesweit berichtende Medien bleiben ausgeschlossen.
Diese Verfahrensweise hat in den letzten Wochen viel Kritik hervorgerufen, und zum Teil, das muss ich schon sagen, war die Kritik deutlich überzogen oder waren die Vorschläge rechtlich nicht umsetzbar. Aber viele Menschen halten es für absurd, dass es beispielsweise nicht möglich sein soll, auf einen sicheren Platz zugunsten türkischer Medienkollegen zu verzichten oder den türkischen Botschafter auf einem Sitz der Nebenkläger Platz nehmen zu lassen, der sonst ohnehin frei bliebe. Es ist schwer zu erklären, dass das Gericht formal korrekt handelt.
Wir respektieren die Entscheidung des Gerichts im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit. Wir können nachvollziehen, dass der Vorsitzende Richter und der gesamte Staatsschutzsenat den Prozess revisionsfest gestalten wollen, und ich kenne die räumlichen, logistischen und organisatorischen Zwänge, mit denen das OLG umgehen muss. Trotz der richterlichen Unabhängigkeit muss es aber möglich sein, die Entscheidungen zu hinterfragen und Lösungsvorschläge für diese jetzt sehr verfahrene Situation zu
machen. Ich erinnere an den Vorschlag des Innenministers Joachim Herrmann. Er hat an die Justiz appelliert, türkische Medien doch noch zum NSU-Prozess zuzulassen. Er wird in einer dpa-Meldung aus einer "Bild"-Zeitungsmeldung zitiert: "Es ist völlig klar und verständlich, dass auch die türkischen Medien ein starkes Interesse an dem NSU-Prozess haben."
Eine Information zum Verfahren haben wir uns im Landtag anlässlich des Berichts des Justizministeriums im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz am 21. März 2013 geben lassen. Wir haben also versucht, uns umfassend zu informieren. Allerdings habe ich mich bei dieser Sitzung nicht ausreichend informiert gefühlt. Es war noch von einer Poollösung für die Presse die Rede und davon, dass es eine Lösung in Bezug auf die Bitte des türkischen Botschafters geben könnte, obwohl zu diesem Zeitpunkt alles schon vom Gericht etwas anders entschieden war.
Nicht erwähnt wurde, dass die Mitteilungsmails an die Presse über den Beginn der Akkreditierung teilweise mit 20 Minuten Verzögerung an einzelne Pressevertreter verschickt wurden. Unter anderem war die türkische Zeitung "Sabah", die bereits das Bundesverfassungsgericht angerufen hat, davon betroffen. Außerdem scheinen manche Medien darüber informiert gewesen zu sein, wann mit dieser Mail zu rechnen ist, und konnten dann schneller als andere reagieren, die keine Vorabinformation hatten.
Die Verteilung der wenigen Plätze nach dem "Windhundprinzip" ist unseres Erachtens nicht geeignet, die Öffentlichkeit zu gewährleisten, wenn dadurch insbesondere ausländische Pressevertreter vom Prozess weitgehend ausgesperrt werden. Auch das Verfahren für die Zuschauer ist unbefriedigend. Ich bin sehr gespannt, wie nächste Woche, am 17. April, mit der wartenden Menge umgegangen wird. Jedenfalls wurde vom Gericht schon einmal mitgeteilt, dass Klappstühle und Lagerfeuer vor dem Gericht nicht erlaubt sind.
Wir haben in den letzten zwei Wochen sowohl die Justizministerin als auch den Gerichtspräsidenten gebeten, eine praktikable Lösung für die vielfältigen Probleme zu finden und eine Übertragung der Gerichtsverhandlung innerhalb des Justizgebäudes in einen weiteren Gerichtsraum insbesondere für die Presse noch einmal zu prüfen. Gegen eine Ton- und Bildübertragung in einen weiteren Gerichtssaal bestehen unseres Erachtens keine ernsthaften Bedenken. § 169 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes steht einer lediglich gerichtsöffentlichen Übertragung nicht entgegen. Das wird auch von immer mehr namhaften Verfassungsrechtlern und Strafrechtsprofessoren so beurteilt. Beispielsweise sagt Professor Dr. Claus
Roxin, das sei nichts anderes als eine Vergrößerung des Gerichtssaales mit den Mitteln der Technik, als ob man also eine Schiebetür zu einem anderen Zimmer öffnet. Ex-Verfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz hat folgende Auffassung vertreten:
Reicht der Gerichtssaal nicht aus, ist die Videoübertragung in einen zweiten hinlänglich großen Raum unumgänglich, richterliche Pflicht. Das Gerichtsverfassungsgesetz ist nicht misszuverstehen und nicht auslegbar. Reicht der Gerichtssaal nicht aus, müssen die Richter eine Videoübertragung in einen zweiten Raum ermöglichen. Das ist dann unumgänglich.
Ex-Verfassungsrichter Winfried Hassemer hält es für eine lediglich akustische Vergrößerung des Gerichtssaals. Ex-Verfassungsrichter Wolfgang HoffmannRiem meint: "Bei einer Videoübertragung in einen anderen Saal bleibt es bei einer legitimen Gerichtsöffentlichkeit." Allerdings räume ich ein, dass sich der Präsident des Bundesgerichtshofs Klaus Tolksdorf heute etwas zurückhaltender geäußert hat. Er sagt, die rechtlichen Fragen einer solchen Übertragung seien hoch schwierig.
Zu unserem Antrag: Nach dem bisherigen Stand will das Oberlandesgericht bei seiner Linie bleiben. Das ist natürlich zu akzeptieren. Es kann sein, dass das Bundesverfassungsgericht noch eine Änderung verlangt. Dann greift der SPD-Antrag, dem wir natürlich zustimmen und der vorsieht, dass die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um noch eine Übertragung oder andere Maßnahmen zu ermöglichen.
Unser Antrag zielt darauf ab, eine Klarstellung des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bekommen, damit wir erreichen können, dass die bestehenden Rechtsunsicherheiten nicht mehr vorhanden sind. Hier ist Handlungsbedarf, um für die Zukunft rechtliche Zweifel an der Zulässigkeit einer Ton- und Videoübertragung in einen anderen Raum zu beseitigen. Ob dann das jeweilige Gericht oder das Oberlandesgericht im laufenden Verfahren hiervon noch Gebrauch macht, liegt in der Entscheidung des jeweiligen Gerichts.
Wir haben auch einen Vorschlag von Justizministerin Merk aufgegriffen. Sie hat bereits vor zwei Wochen angekündigt, einen entsprechenden Änderungsvorschlag zum Gerichtsverfassungsgesetz vorzulegen, damit künftig Gerichte nicht in solche Zwangslagen kommen können. Diesen Vorschlag haben wir sozusagen heute in einen Dringlichkeitsantrag gegossen, damit über eine Bundesratsinitiative eine Klarstellung des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Weg kommt, sodass die Öffentlichkeit zukünftig in wichti
gen Gerichtsverhandlungen, bei denen ein großes öffentliches Interesse besteht, gewährleistet werden kann und eine so unbefriedigende Situation, wie wir sie jetzt im Zschäpe-NSU-Verfahren haben, nicht noch einmal auftreten wird.
Beifall bei den GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Kollege Fischer, bei meinem Redebeitrag vorhin habe ich es versäumt, auf Ihren Antrag einzugehen und mitzuteilen, wie die Fraktion der GRÜNEN abstimmen wird. Daher nutze ich die Zwischenbemerkung dazu.
Wir werden den Antrag ablehnen. Ich denke, eine Enthaltung ist nicht unbedingt angesagt; denn er läuft völlig ins Leere. Sie sollten uns einmal erklären, wen Sie eigentlich anmahnen, nicht mehr "schrill aufgeregt" zu sein. Ist hier irgendjemand "schrill aufgeregt" gewesen, sodass etwas zurückgenommen werden soll? Hat irgendjemand infrage gestellt, dass die richterliche Unabhängigkeit, dass die Gewaltenteilung zu wahren sind? Wollen Sie der Bevölkerung, die sich politisiert bzw. emotionalisiert, sagen, sie solle dies bitte schön sein lassen? An wen richtet sich eigentlich dieser Antrag? In welche Richtung zielt er? Ich verstehe nicht, welche Motivation hinter diesem Antrag steht.
Herr Kollege Arnold hat zu Recht auf die Äußerungen Ihres Kollegen Westerwelle hingewiesen, der sich auch relativ weit aus dem Fenster gelehnt hat. Haben Sie ihn schon angerufen und ihn angemahnt, nicht aufgeregt zu sein und möglichst keine Kommentare abzugeben?
Wir stehen selbstverständlich hinter der unabhängigen Justiz und akzeptieren deren Entscheidungen; aber wir nehmen uns auch heraus, Dinge, die wir nicht für richtig halten, zu hinterfragen, zu thematisieren, auch zu kritisieren und, wenn es notwendig ist, zum Beispiel auch Vorschläge zu machen, wie das Gerichtsverfassungsgesetz geändert werden könnte. Wir halten es nach langer Abwägung für schon nötig – nennen Sie es Änderung oder Klarstellung -, eine Video- oder Tonübertragung in einen anderen Gerichtssaal zu ermöglichen. Ich meine, so wie es in diesem Fall gelaufen ist, ist das Verfahren hinsichtlich der Öffentlichkeit und der Presse unwürdig.
Ja. – Noch Folgendes zur Begründung: Aus unserer Erkenntnis heraus wollen wir für zukünftige Verfahren eine Änderung oder Klarstellung erwirken.
Es ist ja gerade problematisch, Einzelfallentscheidungen fallbezogen zu treffen.
Frau Kollegin Guttenberger, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass eine Übertragung in Gänge etwas völlig anderes ist als eine Übertragung in einen anderen
Raum, in dem dieselben Voraussetzungen gegeben sind wie im Gerichtssaal selber, sodass dort die Sitzungsordnung vom Gericht aufrechterhalten werden kann. In dem NSU-Prozess gibt es auch Übertragungen über Leinwände etc. Die Übertragung in einen anderen Raum kann man dem Gericht ganz einfach zugänglich machen, sodass das Gericht jederzeit weiß, was in diesem anderen Raum geschieht. Übrigens kann das Gericht in dem Schwurgerichtssaal auch nicht in die letzten Winkel des Zuschauerraums sehen.
Eine Übertragung in die Gänge eines Gerichts, in denen die Sitzungsordnung vom Gericht nicht aufrechterhalten werden kann und in der das Geschehen vom Gericht nicht überblickt werden kann, ist also etwas anderes als die Übertragung in einen weiteren Gerichtssaal, in dem die gleichen Bedingungen wie im eigentlichen Gerichtssaal herrschen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kriminalstatistik mag ein wichtiger Anhaltspunkt für die Sicherheitslage in den jeweiligen Bundesländern sein. Sie ist ein Nachweis für die zahlenmäßig belegbare Arbeit der Polizei. Bayern steht unbestritten im Vergleich gut da. An dieser Stelle möchte ich deshalb der Polizei für ihre oft sehr schwierige Arbeit unseren Dank aussprechen.
Die Kriminalstatistik ist aber kein Grund für Eigenlob der Staatsregierung oder der CSU-Fraktion. Die Statistik kann die Sicherheitslage nur in Teilbereichen widerspiegeln, und sie ist viel zu wenig differenziert, als dass konkrete Aussagen getroffen werden könnten, die in die Tiefe gehen. Sie ist nur eine Momentaufnahme, eine Verdächtigtenstatistik. Es lässt sich nicht ablesen, in welchen Fällen es zu Verurteilungen gekommen ist oder kommen wird. Die Aufklärungsquote ist nur eingeschränkt aussagekräftig. Wenn die Polizei einen Schwerpunkt auf Kontrolldelikte legt wie beispielsweise Alkoholfahrten, dann sind alle Fälle sofort aufgeklärt. Demzufolge ergibt sich eine Aufklärungsquote von 100 %. Die niedrigen Aufklärungsquoten bei den Diebstahlsdelikten oder der Internetkriminalität können damit ausgeglichen werden. So kann von erheblichen Defiziten auch abgelenkt werden. So einfach kann Statistik eben sein.
Wir haben häufig über das Waffenrecht und seinen Vollzug gesprochen. Bei den Fällen, bei denen Schusswaffen zum Einsatz gekommen sind, fehlen aber Aussagen, ob es sich um legale oder um illegale Waffen gehandelt hat. Das wäre doch eine wichtige Information, damit die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Immerhin waren es fast 1.500 Fälle, bei denen mit einer Schusswaffe gedroht oder von ihr Gebrauch gemacht wurde.
Keine Aussagen trifft die Statistik über die Dunkelziffern. Das ist auch etwas schwierig. So etwas muss man wissenschaftlich begleiten. Gerade bei der häuslichen Gewalt gegen Kinder und Frauen − letztere sind überwiegend betroffen − und bei Sexualstraftaten dürfte diese Dunkelziffer sehr hoch liegen. Hier handelt es sich immer noch um Tabuthemen, und das macht sich auch beim Anzeigeverhalten bemerkbar. Hier wird sicher nicht jede Straftat angezeigt. Da muss gesellschaftlich gearbeitet werden, um diese Themen aus dem Bereich des Tabus herauszuholen.
Keine Aussagen trifft die Statistik über den Umfang und den Erfolg von Präventionsarbeit, auf die ein stärkerer Schwerpunkt gesetzt werden sollte. Keine Aussage trifft die Statistik auch über die Motivation der Täter von Gewalttaten beispielsweise bei einem fremdenfeindlichen Hintergrund. Der wird sicher häufig auch nicht erkannt. Die Bereiche Gewaltausübung gegen Polizeibeamte, aber auch von Polizeigewalt beim Einsatz werden ausgeklammert. Für beide Bereiche fordern wir eine genaue Erfassung und Auswertung, möglichst bundeseinheitlich, damit gegen diese Phänomene die richtigen Konsequenzen gezogen werden können.
Dies waren nur einige Beispiele, um deutlich zu machen, dass es nicht ausreicht, sich auf den statistischen Daten auszuruhen und sich selbst zu loben. Für eine verbesserte Sicherheitslage brauchen wir eine gute Sach- und Personalausstattung bei der Polizei, wie wir sie hier immer wieder beantragt haben. Gerade in der Fläche besteht noch immer ein großer Engpass bei den Polizeiinspektionen. Der Schichtdienst kann kaum aufrechterhalten werden, es gibt keinen Ersatz für Beamte, die in Erziehungszeiten sind. Es ist mehr Präsenz auf der Straße notwendig. Ich denke an die langen Anfahrtszeiten. Damit die Steigerung der Wohnungseinbrüche um 9 % in Verbindung zu bringen, ist legitim. Wir brauchen die Fortentwicklung bei der Aus- und Fortbildung. Für die Nachbesprechung von Einsätzen und für Supervisionen bleibt derzeit meist keine Zeit. Wir brauchen mehr Computerspezialisten. Erforderlich sind Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen der Polizeidienstleistenden. Als Stichwort nenne ich hier nur die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das alles ist
besser als eine Sicherheitswacht, der ausufernde Ausbau der Videoüberwachung oder die Forderung nach der Vorratsdatenspeicherung.
Aber nicht nur die Polizei ist gefragt. In vielen Bereichen kann das Sicherheitsgefüge durch ressortübergreifende gesamtgesellschaftliche Präventionskonzepte verbessert werden. Ich möchte die Verhinderung von Jugendgewalt ansprechen. Die Prävention muss bereits mit sozialer Sicherung beginnen, mit einer guten Bildungsarbeit, mit einem Ausbau der Jugendhilfe und der Jugendsozialarbeit, mit Integration und mit Präventionsprojekten an den Schulen, solange diese nicht in Intimkontrollen wegen fünf Euro enden, wie das hier in München geschehen ist. Fazit: Die Liste der Hausaufgaben ist noch sehr lang. Es gibt keinen Grund, sich hier selbst zu loben.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorfall in der Münchner Polizeiinspektion 21 in der Au hat dem Ansehen der Polizei schwer geschadet.
Er muss vollständig aufgeklärt und auch parlamentarisch aufgearbeitet werden. Geklärt werden müssen in diesem konkreten Fall vor allem folgende offenen Fra
gen und Unstimmigkeiten: Wie konnte es zu dieser massiven Eskalation kommen? Was genau ist in der Zelle abgelaufen? Wurde die Schwerverletzte ohne Notversorgung alleine gelassen, bis der Rettungsdienst kam? Warum wurden die internen Ermittlungen nicht sofort aufgenommen, sondern erst nach fünf Tagen, als die Frau Anzeige erstattet hat?
Parlamentarische Aufarbeitung heißt für mich, dass wir ernsthaft prüfen, welche Konsequenzen aus diesem Fall zu ziehen sind. Wir müssen Deeskalationsstrategien besser trainieren. Wir müssen die Fehlerkultur bei der Polizei fördern. Professor Joachim Kersten von der Polizeihochschule in Münster hat sehr detailliert Umstrukturierungen und eine andere Sichtweise innerhalb der Polizei gefordert. Er hat strukturelle Änderungen bei der Aufklärung von möglichem Fehlverhalten, Änderungen zur Vermeidung von Übergriffen und eine wissenschaftliche Aufarbeitung von Widerstandshandlungen auf der einen Seite und Fälle möglicher Polizeigewalt auf der anderen Seite in ihrer Wechselwirkung gefordert.
Zum konkreten Fall: Selbst wenn Notwehr vorgelegen hat, was nach den bisher bekannten Umständen zwar kaum vorstellbar ist, darf es nicht passieren, dass ein Polizist einer gefesselten Person mit derartiger Wucht ins Gesicht schlägt, dass es zu einem Bruch des Nasenbeins und der Augenhöhle kommt.
So weit darf es nicht kommen, selbst wenn die betreffende Person den Polizeibeamten vorher angespuckt hat. So viel Professionalität, dass so etwas nicht geschieht, hätte ich von unseren Polizeibeamten erwartet.
Zusätzlich hat die Art und Weise, wie der Münchner Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer auf die öffentliche Debatte reagiert hat, dem Ansehen der Polizei geschadet. In seinem Interview blieb er nicht neutral, wie es seine Pflicht gewesen wäre. Schließlich ist er Dienstvorgesetzter sowohl der Beamten der Polizeiinspektion 21 als auch der internen Ermittler, wobei er jetzt nicht mehr lange Dienstvorgesetzter der internen Ermittler sein wird. Er hat Verständnis für die Vorgehensweise seiner Beamten geäußert und die junge Frau, wo es nur ging, in ein schlechtes Licht gerückt. Angeblich sei sie unter Drogenrausch etc. gestanden. Das eigentliche Problem sieht Schmidbauer offensichtlich bei der Veröffentlichung des Fotos, welches die Verletzungen sehr deutlich macht, und bei der Presseberichterstattung. Ich hätte mir zumindest ein Wort des Bedauerns, dass es zu diesen schweren Verletzungen gekommen ist, erwartet.
Eine echte Wagenburgmentalität zeigt deutlich der Inhalt eines internen Newsletters der Leitung des Polizeipräsidiums München. Danach versuchten die bösen Journalisten, die Glaubwürdigkeit aller Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu erschüttern. Es heißt, es mehrten sich die Indizien, dass vor allem politische Ziele verfolgt werden. Ich frage mich: Welche politischen Ziele? Die Presseberichterstattung hätte den Ansehensverlust des Polizeipräsidiums München zum Ziel. Welches Interesse soll die Presse daran haben? Zum Schluss heißt es, Teile der Presse und sogar eine Landtagsabgeordnete würden an der Objektivität und Neutralität der internen Ermittlungen des KFD 11 zweifeln. Damit hat sich Schmidbauer selbst disqualifiziert. Damit hat er sich auch für mögliche höhere Aufgaben disqualifiziert.
Echte Zweifel scheinen gestern Ihnen, Herr Innenminister Herrmann, gekommen zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, dass Sie jetzt völlig überraschend die Umstrukturierung der internen Ermittlungseinheiten angeordnet und als Begründung angeführt haben, dass der Besorgnis der Befangenheit vorgebeugt werden soll? Das fand ich schon sehr bemerkenswert. Grundsätzlich ist die Ausgliederung der internen Ermittlung aus den Präsidien München und Nürnberg und die Ansiedlung beim Landeskriminalamt ein Schritt in die richtige Richtung. Diese plötzliche Veränderung sieht aber doch sehr nach einer kosmetischen Notoperation aus. Erst vor Kurzem ist vom Ministerium bei uns im Ausschuss eine sehr positive Bilanz der Arbeit der beiden Ermittlungsstellen in München und in Nürnberg gezogen worden. Dies galt vor allem für die bisherige Arbeit und den Aufbau dieser Stellen. Ich vermute, Herr Innenminister, dass Sie sich nicht in den Strudel hineinziehen lassen wollten, in den sich der Münchner Polizeipräsident hineinmanövriert hat. Deshalb haben Sie ihm die Zuständigkeit für die internen Ermittlungen entzogen. Herr Schmidbauer wäre Ihnen sonst heute auf die Füße gefallen.