Protocol of the Session on March 29, 2011

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Ich eröffne die 71. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich Herrn Kollegen Jakob Schwimmer zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Gratulieren möchte ich auch Frau Kollegin Reserl Sem zur Wahl zur stellvertretenden Vorsitzenden der CSU-Fraktion.

(Allgemeiner Beifall)

Zur Wiederwahl gratuliere ich dem Vorsitzenden der Fraktion der Freien Wähler, Herrn Kollegen Hubert Aiwanger, ebenso seinem bestätigten Stellvertreter, dem Kollegen Alexander Muthmann, und den neu gewählten Stellvertretern, der Kollegin Eva Gottstein und dem Kollegen Bernhard Pohl. Ebenso gratuliere ich dem Kollegen Florian Streibl zur Wahl in das Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers. - Wenigstens ihm kann ich persönlich gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

- Frau Gottstein sitzt heute ganz hinten; deswegen habe ich sie leider nicht gesehen. Ich hatte Sie immer an einem anderen Platz im Blick.

Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Ministerbefragung gem. § 73 GeschO auf Vorschlag der CSU-Fraktion "Gewalt bei Fußballspielen: Welche Sicherheitsmaßnahmen trifft die Polizei im Zusammenhang mit Fußballeinsätzen?"

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Zuständig für die Beantwortung der Fragen ist der Staatsminister des Innern. Erster Fragesteller für die CSU-Fraktion ist Herr Kollege Christian Meißner. Herr Kollege, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, das Prob

lem mit gewaltbereiten Fußballfans und randalierenden Hooligans war schon öfter Gegenstand der Beratungen im Hohen Haus. Ich erinnere an eine gemeinsame Sitzung des Innen- und des Bildungsausschusses im Jahr 2009, an der Sie, Herr Staatsminister Herrmann, sowie Rainer Koch, der Vorsitzende des Bayerischen Fußball-Verbandes, und Herr Spahn, der Sicherheitsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bundes, teilgenommen haben. Wir stellen nach dieser damaligen Anhörung und Diskussion über Prävention in dem Bereich fest: Inzwischen sind zwei Jahre vergangen, aber auch in der laufenden Spielsaison kommt es immer wieder zu Krawallen, Schlägereien und Randale in und um die Stadien. Das betrifft die erste und die zweite Liga, aber insbesondere auch die dritte Liga und die Regionalliga. Ich habe hier eine ganze Reihe von Beispielen: Im September 2010 gab es Krawalle im Umfeld des Stadtderbys zwischen St. Pauli und dem HSV; sechs Polizisten wurden durch Flaschenwürfe verletzt. Im September 2010 bewerfen Schalke-Fans beim Marsch zum Stadion Polizisten mit Böllern und verletzen diese. Sogenannte Fans zünden am Rande des Lokalderbys zwischen dem FSV Mainz 05 und Kaiserslautern auf dem Weg zum Stadion Böller in einem Tunnel, was bei mehreren Polizisten und einem Fan zu Ohrverletzungen mit Knalltrauma und Trommelfellriss geführt hat.

Wir müssen aber gar nicht so weit weg gehen. Ich habe mir vor einigen Wochen selbst das riesige Aufgebot von Landespolizei und Bundespolizei am Bahnhof Lichtenfels angeschaut. Das war einzig und allein deswegen nötig, weil 18 gewaltbereite Anhänger von Hansa Rostock einen Zug verließen, die Treppe an einem Bahnsteig hinuntergingen, am anderen Bahnsteig die Treppe wieder hochgingen und in einen anderen Zug einstiegen. Weil diese Fans schon zuvor in Halle randaliert hatten, mussten einige Polizisten ihren Samstag am Bahnhof Lichtenfels verbringen. Deshalb, Herr Minister, haben wir das Thema aufgegriffen.

Herr Minister, ich frage Sie im Einzelnen: Wie entwickelt sich die Lage bei den Profi- und den oberen Amateurligen in Bayern und im Bund? Welche Fanstruktur und welche Probleme mit dem Fanpotenzial bestehen in Bayern und im Bund?

Danke schön, Herr Kollege Meißner. Das Wort hat nun der Herr Staatsminister des Innern, Herr Herrmann. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Kollege Meißner, wenn solche Kontrollen dazu führen, dass man unverhofft eine Nacht am Bahnhof in Lichtenfels ver

bringen kann, ist das das Höchste der Gefühle für solche Fußballfans. Aber davon einmal abgesehen: Wir haben einerseits natürlich überaus positive Erfahrungen mit großen Fußballturnieren. Ich denke an die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland und die Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz. Die sind insgesamt sehr gut abgelaufen.

Wir haben in den letzten Jahren aber leider auch immer mehr gewalttätige Ausschreitungen durch sogenannte Fußballfans. Deren Zahl schwankt seit Jahren saisonal, aber auf einem insgesamt hohen Niveau. Die Spielklassenreform des Deutschen FußballBundes zu Beginn der Saison 2008/2009 mit der Einführung der neuen dritten Liga als bundesweite Staffel hat unsere bayerische Polizei deutlich mehr belastet als früher. Unsere Beamtinnen und Beamten mussten zum einen wesentlich mehr Risikospiele betreuen als bisher, zum anderen gab es häufiger Probleme auf den Reisewegen,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

zum Beispiel an Autobahnraststätten oder an Bahnhöfen, wie Sie es gerade berichtet haben, Herr Kollege Meißner.

Ich will kurz den personellen Aufwand beschreiben, den wir inzwischen dadurch haben. Unter Einbeziehung der ersten vier Ligen sowie des DFB-Pokals, der UEFA-Wettbewerbe, der Liga-Relegationsspiele und von vier Länderspielen waren in der letzten Saison 2009/2010 in Bayern insgesamt 32.871 Beamte bei insgesamt 308 Fußballbegegnungen eingesetzt. Das waren noch einmal rund 3 % mehr als im vorangegangenen Jahr. In Mann-Stunden ausgedrückt beträgt der Anstieg von 205.000 Stunden in der Saison 2008/2009 auf über 224.000 Stunden in der Saison 2009/2010 sogar 9 %. Darin sind die Unterstützungsleistungen bayerischer Kräfte bei Fußballspielen in anderen Bundesländern nicht enthalten, wenn also andere Bundesländer die bayerische Polizei zur Unterstützung angefordert haben.

Die Zahl der Anzeigen im Zusammenhang mit Spielen in der Regionalliga und den oben genannten sonstigen Begegnungen stieg im Vergleichszeitraum auf 588; die Zahl der Festnahmen stieg von 597 auf 792, also um rund 25 % innerhalb dieses Jahres an.

Die bundesweiten Zahlen sprechen übrigens eine noch deutlichere Sprache. Der Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze in Nordrhein-Westfalen weist für die beiden Bundesligen in der Saison 2009/2010 mit über 1,7 Millionen Arbeitsstunden der Polizeien der Länder und des Bundes, 6.043 eingeleiteten Strafverfahren und 784 verletzten Personen die höchsten Werte der letzten zwölf Jahre

aus. Das heißt, wir hatten dort im vergangenen Jahr ein so hohes Einsatzgeschehen und auch so viele verletzte Personen rund um Fußballspiele wie in den letzten zwölf Jahren nicht mehr.

Ich sage auch an dieser Stelle ganz deutlich, Kollege Meißner, was mir besondere Sorge bereitet: Das ist die Tatsache, dass das mit einer gestiegenen Aggressivität gegen unsere Polizeibeamten einhergeht. Viele sogenannte Fans schrecken vor Provokationen, vor Beleidigungen und auch vor Körperverletzungsdelikten nicht zurück - eine Entwicklung, die sich im Übrigen mit den bundesweiten Erfahrungen deckt.

Bundesweit rechnet die Polizei inzwischen rund 12.000 Personen der Problemfanszene zu. Davon wohnen etwa 1.100 in Bayern. Der harte Kern, im polizeilichen Sprachgebrauch die sogenannten Hooligans, die Personen, die der Kategorie C zugeordnet werden, umfasst etwa 3.000 Personen, davon 150 in Bayern.

So stellt sich die Lage für uns insgesamt dar. Ich will nur noch einmal deutlich unterstreichen, dass selbstverständlich Gott sei Dank die weit überwiegende Mehrheit der Fußballfans friedlich ist und ein Fußballspiel nur besucht, um Spaß zu haben, um den eigenen Club anzufeuern und dergleichen mehr. Aber es ist eben leider so, dass sich immer mehr Gewalttäter auch im Umfeld der Fußballspiele breitmachen.

Danke schön, Herr Staatsminister. Sie haben noch eine Nachfrage, Herr Kollege. Bitte schön.

Ich muss noch einmal auf die scherzhafte Bemerkung über die Nacht in Lichtenfels zurückkommen. Wir haben nichts gegen Übernachtungsgäste, Herr Minister, aber solche schicken wir gleich weiter nach Oberbayern.

(Heiterkeit)

Nun zu Ihren Ausführungen: Mich würde schon interessieren, welche Initiativen der Freistaat Bayern in diesem Zusammenhang in Bayern und über Bayern hinaus gegen diese Entwicklung nach der Reform des Spielbetriebes ergriffen hat.

Danke schön, Herr Meißner. Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Wir haben unsere Einsatzkonzepte dieser veränderten Lage angepasst. Natürlich mussten wir insgesamt auch mehr Polizeibeamtinnen und -beamte zur Verfügung stellen. Wir haben darüber hinaus ver

sucht, den bundesweit standardisierten Informationsaustausch zu verbessern und anzupassen. Das geht hin bis zu regelmäßigen Sicherheitsbesprechungen auch auf örtlicher Ebene.

Wir haben bereits im Jahr 2007 mit dem Bayerischen Fußball-Verband die gemeinsame Vereinbarung zur Verbesserung der Sicherheit bei Sportveranstaltungen in der Bayernliga und in den Landesligen geschlossen. Dieses Konzept sieht im Wesentlichen eine Intensivierung der Kooperation zwischen allen Beteiligten, eine verbesserte Erkenntnisgewinnung bei der Polizei sowie auch klare Sicherheitsrichtlinien des Bayerischen Fußball-Verbandes vor. Außerdem haben wir den Einsatz der sogenannten szenekundigen Beamten ausgeweitet. Inzwischen haben wir 63 Beamte in ganz Bayern, die eine wirklich sehr gute Aufklärungs- und Präventionsarbeit leisten.

Aufgrund der enormen Belastung der Polizeien der Länder und des Bundes durch die Einsätze bei Fußballspielen haben wir das Thema wiederholt in der Innenministerkonferenz behandelt. Wir haben dort mit Vertretern des Deutschen Fußball-Bundes und der DFL gesprochen. Ich habe auch persönlich wiederholt mit dem DFB-Präsidenten über die aktuelle Lage gesprochen und damit insgesamt, denke ich, die Konzepte noch weiter verbessert.

Ich will drei konkrete Beispiele nennen. Das eine ist die Veränderung der Spieltagsplanung. Wir arbeiten zusammen mit DFB und DFL an einer Konzeption für die kommenden Spielzeiten, um künftig einsatzmäßig die Belastungsspitzen der Polizeibehörden der Länder und des Bundes besser entzerren zu können. Wir wissen inzwischen alle, dass es in weiten Teilen Deutschlands regelmäßig am 1. Mai nicht nur zu Gewerkschaftsdemonstrationen, sondern auch zu einer Reihe Veranstaltungen von extremistischen Organisationen kommt. Es erleichtert der Polizei die Arbeit, wenn nicht am gleichen Tag auch jede Menge Spiele der Fußballbundesliga stattfinden, wenn der 1. Mai auf ein Wochenende fällt. Solche Dinge versucht man jetzt in der langfristigen Spielplanung zu beachten.

Es gibt eine Lenkungsgruppe unter Beteiligung des Arbeitskreises II der Innenministerkonferenz, des Deutschen Fußball-Bundes und der DFL zur Abstimmung der wissenschaftlichen Begleitung dieser Thematik, und es gibt eine bundesweit einheitliche Rahmenkonzeption - jedenfalls wird daran gearbeitet - für den Umgang mit Fangruppen und gewaltbereiten und gewalttätigen Personen. Ziel ist hierbei, ein einheitliches abgestimmtes Vorgehen der Polizei bei Fußballeinsätzen zu erreichen und damit letztlich auch die Akzeptanz des polizeilichen Handelns zu verbessern. Ein solches einheitliches Konzept ist außerdem natür

lich hilfreich, wenn sich länderübergreifend Polizeieinheiten gegenseitig unterstützen.

Danke schön, Herr Staatsminister. Als Nächste hat Frau Kollegin Tausendfreund das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Staatsminister, die Gewalttätigkeiten bei Fußballspielen müssen natürlich sehr ernst genommen werden, und es muss wirksam gegengesteuert werden. Angemessene Polizeieinsätze sind erforderlich. Dazu gehören eine ausreichende Personalausstattung und Hilfen für verletzte Beamte. Es ist aber auch Augenmaß erforderlich; es muss nach Alternativstrategien gesucht werden, und die Bürgerrechte dürfen nicht hintangestellt werden.

Zur personellen Situation: Wie viel personelle Unterstützung bekommen konkret die Inspektionen vor Ort, die insbesondere bei problematischen Zweit- und Drittligaspielen zuständig sind, und wird dieser zusätzliche Personalaufwand bei den Stellenplänen berücksichtigt? Kann sichergestellt werden, dass die eingesetzten Polizeibeamten - meistens sind das die USK-Einheiten - in zumutbaren Abständen planbare Wochenenden haben? Ich weiß zum Beispiel aus Würzburg, dass USK-Beamte aufgrund verschiedener Einsätze bis zu 17 Wochenenden hintereinander im Einsatz gewesen sind.

Dann zur Kooperation mit den Fanprojekten: Werden Sie stärker als bisher die Kooperation mit den Fanprojekten suchen und sich für eine bessere finanzielle Förderung der sozialpädagogischen Arbeit der Fanprojekte einsetzen? Die Fanprojekte können unseres Erachtens sehr viel zur Ächtung der Gewalt in den Stadien und zur Entschärfung des Spannungsverhältnisses zwischen Polizei und Fans beitragen. Werden Sie gegebenenfalls mit den Fanprojekten Deeskalationsstrategien entwickeln? Wenn ja, welche?

Zu den Bürgerrechten: Wie stehen Sie zum weiteren Ausbau der Überwachungstechniken in den Stadien und deren Umgebung? Die Kameraüberwachung trifft schließlich alle Fans. Der Einsatz von sogenannten Smart Eyes zur Verarbeitung aller Bewegungen im Stadion im Computersystem ist mit der Erfassung der biometrischen Daten der ganz normalen Fans verbunden. Das geht uns eindeutig zu weit.

Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um zukünftig unverhältnismäßige Einsätze und Übergriffe der Polizei auf friedliche Fans zu verhindern? Bei aller Gewaltproblematik in den Stadien dürfen sich Vorfälle wie beim Lokalderby in München 2007 und beim Pokalspiel Bayern München gegen Greuther Fürth 2010

nicht wiederholen, und die Ermittlungen dürfen schon gar nicht im Sande verlaufen.

Frau Kollegin, für Sie waren zwei Minuten vorgesehen. Sie liegen bereits 30 Sekunden darüber.

Okay, dann zur Problematik der Gewalttäterdatei im Sport bei nächster Gelegenheit.