Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 114. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, spreche ich einen Geburtstagsglückwunsch aus. Am 2. Dezember feierte Herr Kollege Karsten Klein einen halbrunden Geburtstag.
Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg für die parlamentarische Arbeit.
Regierungserklärung des Staatsministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst "Kulturstaat Bayern - Aufgaben der Politik"
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was lässt Menschen überall auf der Welt in Museen, Kunstausstellungen, Konzerte, Lesungen und Theater strömen? Woher kommt diese faszinierende Anziehungskraft? - Kunst und Kultur helfen uns, Antworten zu finden auf die Fragen nach unserer Identität, unserem Standpunkt und unserer Orientierung.
Künstlerinnen und Künstler machen uns auf ihre Art diese Fragen stets aufs Neue bewusst und laden uns ein, darauf selber Antworten zu finden. In ihrem kreativen Schaffen halten sie uns den Spiegel vor und geben uns wichtige Impulse für Innovation und Fortschritt in der Gesellschaft. Kunst und Kultur bereichern damit nicht nur unser Leben; sie sind eine wichtige Voraussetzung für unser demokratisches Miteinander in einer liberalen Gesellschaft.
Die Bayerische Verfassung hat diese fundamentale Bedeutung erkannt und Kunst und Kultur im Freistaat unter einen besonderen Schutz gestellt. Unsere Verfassung legt an prominenter Stelle fest: "Bayern ist ein Kulturstaat." Sie billigt nur zwei weiteren Belangen diese außerordentliche Rolle zu, wenn sie bestimmt, dass Bayern auch ein Rechts- und Sozialstaat ist. Unsere Verfassung ist klug genug, um zu wissen, dass man sich von diesem Grundsatz allein nichts kaufen kann. Deshalb verpflichtet sie an anderer Stelle den
Staat und die Gemeinden, die Kunst und das kulturelle Leben zu fördern und damit den Verfassungsgrundsatz mit Leben zu füllen.
Die Bayerische Staatsregierung ist sich der herausragenden Verantwortung, die ihr daraus erwächst, bewusst. Der Entwurf des Doppelhaushalts, über den Sie in der nächsten Woche entscheiden werden, macht das eindrucksvoll deutlich. Mit unserem bayerischen Kulturkonzept setzen wir einen deutlichen Schwerpunkt. In unserem Haushalt ergibt sich für den Bereich Kunst und Kultur einschließlich der Kunsthochschulen, Bibliotheken und Archive bis zum Jahr 2014 ein zusätzliches Plus von 83 Millionen Euro gegenüber 2012. Seit Beginn der Legislaturperiode werden wir die Ausgaben für Kunst und Kultur dann um rund 24 % auf 674 Millionen Euro gesteigert haben das alles trotz Finanzkrise. Betrachtet man den Gesamtbereich einschließlich der Schlösser- und Seenverwaltung sowie der Medienförderung, so erhöhen sich die Ausgaben in der Legislaturperiode auf knapp 854 Millionen Euro. Das zeigt: Kunst und Kultur haben in Bayern einen besonderen Stellenwert. Ausdruck dafür ist Bayerns vielfältige, vitale und reichhaltige Kunst- und Kulturlandschaft.
Die Menschen, die in Bayern leben, genießen das dynamische Musik- und Theaterleben im Freistaat. Sie sind stolz auf die weltweit bedeutenden Sammlungen und zahlreichen Museen im ganzen Land. Es sind mehr als 1.350, so viele wie in keinem anderen Bundesland. Mehr als 20 Millionen besuchen diese Museen. Das sind mehr Menschen, als es den Museumsbesuchen in jedem anderen Bundesland entspricht.
Die Menschen, die hier leben, machen die Bibliotheken zu den meistgenutzten Kultureinrichtungen im Land und sie besuchen die zahlreichen Veranstaltungen der Kunstvereine und Künstlergruppen. Sie investieren privat Zeit und Geld in den Denkmalschutz und sind selbst lebender Teil unseres Kulturstaates, im Brauchtum ebenso wie im Trachtenwesen oder in der Laienmusik.
Diese einzigartige bayerische Kulturlandschaft wirkt auch als Nährboden für die Kreativität der Künstlerinnen und Künstler, die überall im Land Neues denken, Neues schaffen und Neues anstoßen. Ich denke dabei beispielsweise an die beeindruckenden Talente, die wir alljährlich mit den bayerischen Kunstförderpreisen auszeichnen und von denen wir auch weltweit noch viel hören und sehen werden.
Mithilfe der staatlichen Künstlerförderung müssen wir diesen Talenten die notwendigen Gestaltungsfreiräume schaffen und sie in ihrer Eigenverantwortung stärken. Der Freistaat hat deshalb ein ganzes Bündel an
Fördermaßnahmen entwickelt. Sie reichen vom bayerischen Atelierförderprogramm und zahlreichen Stipendien über Förderungen für Existenzgründungen bis hin zur Künstlerhilfe. Wir wollen damit Künstlern eine praxisnahe und qualitativ hochwertige Ausbildung anbieten und sie dabei unterstützen, eine eigenständige Existenz aufzubauen.
Ich bin überzeugt: Wir brauchen weniger Entwederoder und mehr Sowohl-als-auch, wenn es darum geht, Altes zu bewahren und gleichzeitig Neues zu wagen und neue Impulse zu setzen.
Ich verwahre mich entschieden dagegen, das eine gegen das andere auszuspielen. Stattdessen müssen wir einen Ausgleich finden.
Mir ist bewusst: Es ist eine enorme Aufgabe, unsere Kultureinrichtungen den Erfordernissen der Zeit anzupassen und vor allem die Gebäude zu erhalten, in denen sie untergebracht sind. Oftmals sind sie bedeutende Baudenkmäler und damit selbst wertvolle Kulturgüter. An vielen Orten müssen wir kräftig in die Bausubstanz investieren. Große Sanierungen stehen zum Beispiel bei der Staats- und Stadtbibliothek in Augsburg an, beim Landestheater in Coburg, bei der Walhalla in Donaustauf, am Gärtnerplatztheater in München, beim Haus der Kunst und bei der Neuen Pinakothek. Wir beteiligen uns an der Sanierung des Mainfranken-Theaters Würzburg und des Nürnberger Opernhauses. Beim Germanischen Nationalmuseum steht die Errichtung eines Tiefgebäudes an. Auch das berühmte Festspielhaus in Bayreuth braucht die Generalsanierung.
Die Aufzählung könnte ich noch lange fortsetzen. Sie umfasst Liegenschaften in ganz Bayern und aus allen Bereichen, von den Theatern über die Museen bis hin zu den Kunsthochschulen. Der Sanierungsbedarf summiert sich derzeit auf insgesamt über 850 Millionen Euro. Das ist eine gewaltige Summe. Dennoch dürfen wir vor dieser Zahl nicht erstarren wie das Kaninchen vor der Schlange; denn die Zahl verliert dann ihren Schrecken, wenn wir berücksichtigen, dass sich die Sanierungen über einen Zeitraum von zehn Jahren erstrecken. Wir werden uns dieser Herausforderung stellen − Schritt für Schritt.
Verehrte Damen und Herren, so wichtig es ist, die großartige kulturelle Tradition zu pflegen, so wichtig ist es auch, nicht beim bloßen Bewahren stehen zu
bleiben; denn jede Generation, auch unsere, muss bereit sein, an unserem Kulturstaat weiterzuarbeiten. Traditionen, auf die wir heute stolz sind, gäbe es nicht, hätten nicht unsere Vorfahren Neues gewagt, nicht selten auch Unverstandenes oder gar Unerhörtes. Darum muss gerade eine traditionsbewusste Kulturpolitik bereit sein, neue Projekte anzugehen.
Unser Kulturstaat braucht neue Impulse. Ich nenne hier das Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg mit seinem richtungsweisenden Konzept. Ich nenne auch die Planungen für einen neuen Konzertsaal für die Musikmetropole München. Wir brauchen ihn dringend, damit wir weiterhin als musikalischer Spitzenstandort weltweit wahrgenommen werden und diese Strahlkraft auch weit in das Land hinaus ihre Wirkung entfalten kann.
Für die Realisierung des Konzertsaals auf der Museumsinsel habe ich eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Dazu kann ich heute sagen: Die bisherigen Ergebnisse des Planungsbüros sind sehr ermutigend, auch wenn noch einige Punkte zu klären und nachzubearbeiten sind. Wir können mit Lösungsvorschlägen für ein attraktives Konzertsaalgebäude rechnen, die auch dem Deutschen Museum beträchtliche Vorteile bringen werden. Bis Ende Januar werden die notwendigen Gespräche mit den Beteiligten geführt sein, um Ihnen und der Öffentlichkeit ein tragfähiges Ergebnis präsentieren zu können.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, um Kunst und Kultur flächendeckend weiter gezielt zu stärken, haben wir das Bayerische Kulturkonzept aufgelegt. Alle Menschen in Bayern sollen von der kulturellen Stärke unseres Landes profitieren. Das deutschlandweit einmalige Programm baut auf den bewährten Strukturen vor Ort auf, stärkt diese und setzt Impulse für die Kultur in allen Landesteilen.
Die erste Säule des Kulturkonzepts sieht vor, bereits im Doppelhaushalt 2013/2014 zusätzlich 50 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Wir unterstützen damit 18 "Leuchtturmprojekte", die in allen Regierungsbezirken auf die Kulturlandschaft vor Ort ausstrahlen. Einen Schwerpunkt setzen wir dabei im Museumsbereich. So wird in jedem Regierungsbezirk künftig ein Landesmuseum die regionale Identität in besonderer Weise prägen. Das Porzellanikon in Selb, das Glasmuseum in Frauenau, das Jüdische Museum Franken in Fürth und das Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg sind nur beispielhafte Projekte, die wir mit unserem Kulturkonzept unterstützen.
Ergänzt werden diese herausragenden Vorhaben um eine zweite Säule, die sich insbesondere auf Maßnahmen mit Breitenwirkung konzentriert. Im kommenden
Wir fördern damit nichtstaatliche Theater, Orchester, Museen sowie Sing- und Musikschulen ebenso wie die Museumspädagogik sowie die Kinder- und Jugendliteratur, um wiederum nur einige Bereiche beispielhaft zu nennen.
Gerade im Zusammenhang mit den Diskussionen über das Bayerische Kulturkonzept oder einen neuen Konzertsaal möchte ich zu bedenken geben: Wer in der kulturpolitischen Debatte Zentren und Regionen oder einzelne Kulturbereiche gegeneinander ausspielt, handelt in meinen Augen fahrlässig und schadet dem Kulturstaat; denn dieser ist eben einzigartig und lebendig: als Gesamtwerk, in seiner Vielfalt, im guten Nebeneinander von Spitzen- und Breitenkultur und in den Besonderheiten, ja Unterschiedlichkeiten seiner Regionen. Von den kulturellen Leuchttürmen in den großen Städten profitieren das ganze Land und alle Bürger. Sie bieten ein kulturelles Angebot auf Spitzenniveau, lenken einen beeindruckenden Blick aus der ganzen Welt auf Bayern und setzen Impulse im ganzen Land.
Andererseits ist Bayern für mich nicht vorstellbar ohne seine stabile kulturelle Basis und die unerschöpflichen Quellen der Talente überall in den einzelnen Landesteilen. Bayern kann stolz sein auf das bunte kulturelle Leben, das im gesamten Freistaat lebendig ist. Diesem Selbstverständnis müssen wir gerecht werden. Das bleibt die stete Herausforderung für alle Kulturpolitiker in unserem Land.
Der Kulturstaat Bayern wird in der ganzen Welt anerkannt. Wir dürfen dieses einzigartige, wertvolle Markenzeichen im Ansehen nicht beschädigen, indem wir lokale Einzelinteressen gegeneinander ausspielen, oftmals nur um eines kurzen Beifalls willen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, deshalb trete ich für eine Politikkultur in der Kulturpolitik ein, die geprägt ist von Freiheit und Offenheit, von Mitverantwortung und Subsidiarität sowie von Partizipation. Ich denke dabei an unseren Kulturfonds, der ohne die vielfältigen Ideen vor Ort nicht denkbar wäre. Ich denke auch daran, wie wir die Entscheidung für den Standort des Museums der Bayerischen Geschichte getroffen haben − sachlich, offen und in einem fairen Wettbewerb. Die Bevölkerung werden wir bei der Gestaltung ihres Museums von Anfang an mit Ideen und Ausstellungsstücken der Bürgerinnen und Bürger beteiligen.
Nur im breiten gesellschaftlichen Konsens und mit dem außergewöhnlichen Engagement aller Verantwortlichen lässt sich unser Kulturstaat bewahren und weiterentwickeln. Für dieses anspruchsvolle und ehrgeizige Vorhaben brauchen wir alle: natürlich den Staat, aber auch die Kommunen und − nicht zu vergessen − den privaten Bereich. Insbesondere an die Kommunen möchte ich appellieren: Zieht euch nicht zurück, wenn das staatliche Engagement zunimmt. Gerade das Gegenteil sollte der Fall sein.
Verehrte Damen und Herren, eine zukunftsfähige Kulturpolitik plant nicht von oben und verordnet nicht. Allen Forderungen nach einem Landeskulturplan möchte ich deshalb mit allem Nachdruck widersprechen.
Wir brauchen keine toten Papiere, die in zeit- und energieraubenden Sitzungen mit vielen Interessenvertretern entstehen und die im schlimmsten Fall sogar Entwicklungen verhindern. Nein, Kunst und Kultur sind nicht planbar. Kunst und Kultur kommen aus der Mitte einer offenen, freien Bürgergesellschaft. Kunst und Kultur brauchen keinen Plan, sondern klare Leitlinien, an denen sie sich verlässlich orientieren können. Das sind für mich Internationalisierung, Öffnung und Vernetzung.
Wir müssen unseren Kulturstaat international ausrichten und den interkulturellen Dialog suchen. Das gilt auch für die Besetzung von Spitzenpositionen. Ich nenne jetzt einige Personen aus dem Ausland, die internationale Spitzenpositionen innehaben: Nikolaus Bachler, Okwui Enwezor, Josef Köpplinger, Martin Kušej, Ivan Liška, Goyo Montero, Kirill Petrenko und Peter Theiler. Sie sind in Bayern, und haben international höchstes Ansehen und sind auch entsprechend umworben.
Verehrte Damen und Herren, wir müssen unsere Museen und Sammlungen noch weiter öffnen und sie dadurch als multifunktionale Orte der Begegnung in der Mitte der Gesellschaft neu beleben. Wir müssen neue Begegnungen und Partnerschaften anstoßen. So ist es mir wichtig, dass sich Kunst und Kultur intensiver austauschen; denn ich bin mir sicher: Beide Bereiche können davon profitieren.
Außerdem haben wir ein breit angelegtes Vernetzungsprojekt mit Museen, Archiven und Bibliotheken angestoßen, um ein umfassendes digitales Kulturportal aufzubauen. Mithilfe modernster Kommunikationstechnik können wir so unser bayerisches Kulturgut zugänglich machen; denn Kunst und Kultur muss viele, nein: jeden Einzelnen erreichen können, unabhängig vom Alter und seiner sozialen Herkunft.
Ich weiß sehr wohl, dass hier vieles Vision ist und es noch viel zu tun gibt. Um diese Visionen Wirklichkeit werden zu lassen, müssen wir die kulturelle Bildung fördern und in allen Bildungsbereichen Zugänge zu Kunst und Kultur schaffen − von der Vorschule über die Schule bis hin zur akademischen und beruflichen Bildung.
Verehrte Damen und Herren, die unmittelbare Begegnung mit Kunst und Kultur prägt und bereichert unser Leben. Sie ist eine wichtige Voraussetzung, um eigene Talente zu entdecken und ihnen Raum für die persönliche Entwicklung zu geben. Die unmittelbare Begegnung mit Kunst und Kultur ist so eine Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und damit wichtige Grundlage einer lebendigen Demokratie. Gerade im Zeitalter digitaler Medien sind wir aufgerufen, ganz neue Möglichkeiten der Begegnung mit Kunst und Kultur zu schaffen.
Nur beispielhaft will ich in diesem Zusammenhang auf das Literaturportal Bayern aufmerksam machen, das im Juli online gegangen ist. Hier ist in einem vorbildlichen Gemeinschaftsprojekt eine einzigartige Informations- und Kommunikationsplattform für das literarische Leben in Bayern entstanden.
Ja, Kunst und Kultur müssen jeden Einzelnen erreichen können. Sie sind ein Bürgerrecht und keine Spielwiese des Elitären. Kunst und Kultur sind kein Luxus, den man sich sparen kann − gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen. Sie lassen sich nicht auf Euro und Cent reduzieren. Sie haben einen Eigenwert. Sie bedeuten mehr. Kunst und Kultur sind ein Zeichen von gesellschaftlicher Stabilität, Kraft und Reife: sich Dinge leisten zu können, die keinen unmittelbaren Zweck erfüllen müssen. So verstanden werden Kunst und Kultur zum Zeichen der Freiheit.
Keine Frage: Die Wunschliste staatlicher Leistungen in Kunst und Kultur ist lang, sehr lang. Immer wieder stoßen wir an die Grenzen der Finanzierbarkeit. Nicht selten lassen sich Projekte nur mit großzügiger Unterstützung von privaten Mäzenen und mannigfachem bürgerschaftlichen Engagement verwirklichen. Ich nenne hier an dieser Stelle nur die Initiative zum Bayerischen Naturkundemuseum.