Marianne Wonnay

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Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden heute nicht nur über die Bilanz von fünf Jahren, sondern wir reden über ein Gesetz, das es seit 15 Jah ren gibt und das seit fünf Jahren einen neuen Namen trägt, nämlich das Chancengleichheitsgesetz – mit leicht veränder ten Inhalten.
Als das Landesgleichberechtigungsgesetz im Dezember des Jahres 1995, also vor 15 Jahren, verabschiedet wurde, da hat te es in der Vorbereitung auch im außerparlamentarischen Raum bedeutende Unterstützung erfahren, insbesondere durch den Landesfrauenrat. Die damalige Vorsitzende Annemarie Engelhardt, die der CDU angehört, hat ein anschauliches Bild geprägt und gesagt, dass es darum gehen müsse, dem Thema Gleichberechtigung – sie sprach von der „Schnecke der Gleichberechtigung“ – endlich Beine zu machen bzw. ihm Flügel zu verleihen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss die Messlatte für die heutige Bilanz sein.
Wie wichtig dieses Thema ist, haben wir gestern bei der Aus sprache über die Arbeit der Enquetekommission, aber auch heute in der Rede des Bundespräsidenten gehört. Auch im Re gierungsgutachten „Wirtschaftliche und technologische Per spektiven der baden-württembergischen Landespolitik bis 2020“ hat die Forderung, die beruflichen Potenziale der Frau en stärker zu nutzen, eine außerordentliche Bedeutung. Dies zieht sich wie ein roter Faden hindurch.
Allerdings kann ich Ihnen Folgendes nicht ersparen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es war ernüchternd, dass in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zwar das The ma Elektromobilität großen Raum einnahm, sich aber das wichtige Thema „Erhöhung der Frauenerwerbsbeteiligung“ nur in Spurenelementen wiederfand.
Das spiegelt wider, wie dieses Thema bei Ihnen wahrgenom men wird.
Rufen wir uns die Ziele des Chancengleichheitsgesetzes noch einmal in Erinnerung. Ich nenne sie Ihnen: Verbesserung der Zugangs- und Aufstiegschancen von Frauen, deutliche Erhö
hung des Frauenanteils in Bereichen mit Unterrepräsentanz – dies betrifft z. B. Frauen in Führungspositionen – und die Auf gabe, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu er reichen. Dieser Bilanzbericht zeigt, dass Sie die Messlatte in diesem Bereich schlichtweg reißen.
Schauen wir uns den Bereich „Frauen in Führungspositionen“ an. Es ist mehr als ernüchternd, dass im Bereich der B-Posi tionen, dort, wo es wirklich um Führungsverantwortung geht, der Frauenanteil jetzt gerade einmal 13,3 % beträgt. Das ist noch nicht einmal ein Siebtel.
Davon liegen auch noch zwei Drittel im Eingangsbereich der B-Gruppierungen. Selbst wenn man den größten Weichspüler darüber legt, Frau Kollegin Netzhammer, kann von einem deutlichen Fortschritt doch überhaupt nicht die Rede sein.
Das Gleiche gilt für den Aufstieg vom gehobenen in den hö heren Dienst. Auch dabei macht der Frauenanteil noch nicht einmal ein Drittel aus. Er liegt bei 31,7 %. Da muss ich Ihnen einfach sagen: Sie werden Ihrer Vorbildfunktion schlichtweg nicht gerecht.
Aussagen zur Stellenbesetzung in Führungspositionen mit Müttern und Vätern – Fehlanzeige in diesem Bericht. Aussa gen zur kommunalen Entwicklung – Fehlanzeige in diesem Bericht. Aber vor allem: Aussagen darüber, wie Sie denn in Zukunft endlich den Turbogang einlegen wollen – Fehlanzei ge in diesem Bericht.
Deshalb: Wenn die Ministerin nicht nur am Ende des Bilanz berichts, sondern auch in der öffentlichen Beratung im Sozi alausschuss sagt: „Dieser Bericht ermutigt zu weiteren An strengungen“, dann sage ich: Damit werden Sie der Bedeu tung dieses Themas überhaupt nicht gerecht.
Sie hatten 15 Jahre Zeit zur Gestaltung. Sie zeigen auch mit diesem Bilanzbericht: Mit den jetzigen Regierungsfraktionen wird die Schnecke der Gleichberechtigung weder Beine noch Flügel bekommen.
Vielen Dank.
Werte Frau Kollegin, ich will die Besinnlichkeit nicht lange aufhalten. Trotzdem möchte ich Sie gerade zu dem, was Sie abschließend geäußert haben, fra gen: Empfinden Sie es dann nicht als umso bedauerlicher, dass dieser Bilanzbericht gerade zu der Frage, wie man es den in der Landesverwaltung beschäftigten Müttern und Vätern er möglicht, auch Führungsverantwortung zu übernehmen, über haupt keine Aussagen macht? Das ist doch bedauerlich.
Das werde ich dann gern auf mich nehmen.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie fragen, ob Sie mir zustim men, dass es Ihr Haus war, das die Universität Tübingen be auftragt hat, zu untersuchen, wie wirksam Schulsozialarbeit ist, und ob es zutreffend ist, dass das Gutachten, das damals vorgelegt worden ist, zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Schulsozialarbeit eine der effizientesten und effektivsten Maß nahmen überhaupt im Bildungssystem ist.
Die Gutachter haben jedoch ergänzt – was Sie allerdings nicht nachgefragt haben –, dass Schulsozialarbeit Teil der Bildungs aufgabe ist. Damit ist klar, dass es nicht nur Aufgabe der Kom munen ist, Schulsozialarbeit zu finanzieren. Stimmen Sie mir zu, dass dies das Ergebnis des Gutachtens war?
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ganz so einfach wie für den Kollegen, der vor mir geredet hat,
stellt sich das Thema für uns in der SPD-Fraktion nicht dar.
Ja. Ich will Sie nicht enttäuschen, Herr Kollege Hoffmann.
Erinnern Sie sich an die gestrige Regierungserklärung Ihres Ministerpräsidenten. Er sprach – sehr richtig – davon, dass es in der Bildungspolitik auf den Anfang ankomme. Da erstaunt es schon, wenn Sie angesichts dieser Einsicht und im Hinblick auf das Motto „Länger gemeinsam lernen“ erst ab einem Al ter der Kinder von drei Jahren beginnen und die wichtige Zeit vorher ausblenden.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, entspricht mitnichten dem Stand der Wissenschaft.
Genau diese Haltung spiegelt sich auch in der Umsetzung des Orientierungsplans wider. Darauf will ich mich in dieser kur zen Einlassung, die möglich ist, schwerpunktmäßig beschrän ken.
Sie wissen – das erspare ich Ihnen auch heute nicht –, dass Baden-Württemberg das letzte von 16 Bundesländern ist, das jetzt diesen Orientierungsplan in Stufen verbindlich umzuset zen beginnt.
Es ist das allerletzte Bundesland. Dazu muss ich Ihnen ein fach sagen: Für ein Bundesland, das den Anspruch erhebt, „Kinderland“ zu sein, ist das einfach viel zu wenig und viel zu spät.
Der Ministerpräsident hat gestern sagt: „Wir haben im Bereich der unter Dreijährigen die Mittel verzehnfacht.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist bei dem winzigen, verschwindend geringen Betrag, den wir als Ausgangsbasis hatten, nicht schwierig. Zehn mal wenig mehr als null ist auch noch nicht besonders viel. So wenig ist es zwar nicht, aber im Vergleich unter den Bundesländern taugt es bezüglich der In vestitionen in diesem Bereich nicht – das wissen Sie sehr wohl, die Sie sich auch mit bundesweiten Vergleichen be schäftigen –, um sich dadurch mit einem Ehrenkranz auszu zeichnen.
Jetzt beschäftigen Sie sich mit der Umsetzung des Orientie rungsplans. Herr Kollege Hoffmann, Sie haben sich viel Mü he gegeben,
zu erklären, warum die Erzieherinnen bei Kindern unter drei Jahren keinen Schnitt machen. Ich sage Ihnen jedoch: Dass Sie mit der verbindlichen Umsetzung erst bei über Dreijähri gen beginnen und glauben, dass man den noch wichtigeren Bereich der unter Dreijährigen – in dieser Altersgruppe wird
auch nach Aussage aller Wissenschaftler der Grund gelegt – der Unverbindlichkeit und der Beliebigkeit überlassen kann, ist symptomatisch. Das halten wir für einen völlig verfehlten Ansatz.
Natürlich spiegelt sich das auch in der Personalausstattung wider. Das, was Sie vorlegen, reicht für den Anspruch der heu tigen Zeit nicht aus.
Ich will Ihnen noch einen anderen Bereich nennen, in dem wir unsere Hausaufgaben machen müssen. Sie wissen genau, wel che Bedeutung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit insbesondere der Ausbau einer verlässlichen Kinderbe treuung als Standortfaktor für das Land, aber auch für die Kommunen hat. Wenn jetzt zum einen die Kommunen in der Situation, in der sie sich befinden, sagen: „Wir haben damit finanziell ein Problem“, wir auf der anderen Seite lesen, dass wir unter Umständen ein Problem haben, bis 2013 überhaupt die 35-%-Marke zu erreichen – auch wenn das noch kein Rechtsanspruch ist; darüber sind wir uns sicher im Klaren –, und sich zudem das Riesenproblem abzeichnet, überhaupt aus reichend Fachkräfte zu gewinnen, dann muss man sagen: Das ist eine der zentralen Aufgaben, denen sich das Land gemein sam mit Partnern zu stellen hat. Da werden Sie Ihrem eige nen, selbst gestellten Anspruch jedoch überhaupt nicht ge recht.
Dieser Gesetzentwurf ist eine Teilantwort, aber diese Teilant wort reicht uns als Antwort auf diese zentrale gesellschaftli che Herausforderung nicht aus.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich in der verbleibenden Redezeit für meine Fraktion auf zwei wesentliche Punkte eingehen, bei denen ich erwartet hätte, dass sie hier im Haus durch eine große Einigkeit geprägt wären.
Das eine ist der Anspruch, den insbesondere CDU und FDP/ DVP verkünden, nämlich nicht nur ein „Kinderland“, sondern ein „Kinderland plus“ zu sein.
Bevor man sich anschaut, was bei einem der wesentlichen Vorhaben, nämlich beim Ausbau der Kleinkindbetreuung, konkret im Haushalt steht,
muss man zunächst feststellen, dass Sie da überhaupt erst einmal die Nachhilfe aus Berlin von Rot und von Rot-Grün gebraucht haben, um zu erkennen, dass das eine der wesentlichen Zukunftsaufgaben ist.
Wenn wir uns dann anschauen, was im Haushalt für diese wichtigen Aufgaben, frühkindliche Bildung voranzutreiben, Eltern zu unterstützen, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, steht, dann muss man sagen: Sie tun zu wenig. Sie lassen die Kinder, die Eltern, aber auch die Kommunen bei dieser Aufgabe im Stich.
Deshalb geben wir Ihnen die Chance, dass Sie an dieser Stelle zumindest einmal – „Kinderland plus“ ist ja schon übertrieben – den Anspruch, „Kinderland“ zu sein, erfüllen, indem Sie unserem Antrag auf Erhöhung der Mittel zustimmen.
Wenn ich fertig bin, können Sie gern fragen, Herr Kollege.
Ich komme zum zweiten Punkt. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir wissen aus dem Gender-Atlas,
den das Sozialministerium von Baden-Württemberg gemeinsam mit der früheren Bundesministerin für Gleichstellung erstellt hat, dass wesentliche Antworten auf die Herausforderungen des demografischen Wandels die Kreativität und das Potenzial der Frauen sind, und dass wir im Land Baden-Würt temberg hier zulegen müssen. In diesem Haushalt ist die Antwort darauf Fehlanzeige.
Für mich war es heute Morgen geradezu typisch, als der Herr Ministerpräsident – man soll ja Scheidenden nichts Böses nachsagen – von der Zukunftsbewältigung gesprochen hat: Er sprach immer nur von den Arbeitnehmern, den Unternehmern, den Wissenschaftlern. Genau das spiegelt sich in diesem Haushalt wider: Die Frauen kommen nicht vor.
Ich will Ihnen dies an einem Punkt verdeutlichen. Vorab will ich klarstellen – damit hier gar nicht erst ein Misston aufkommt –: Wir von der SPD schätzen alle vier Räte: den
Landesjugendring, den Landesseniorenrat, den Landesfamilienrat und den Landesfrauenrat. Der Landesfrauenrat hat sich über viele Jahre um das Thema Gleichstellung verdient gemacht. Dass es in diesem Haushalt nicht gelingt, endlich eine Anhebung der Förderung des Landesfrauenrats vorzunehmen,
den wir alle wertschätzen – das tun Sie in Ihren Sonntagsreden auch, aber wenn es darum geht, im Haushalt konkret einer Erhöhung zuzustimmen, bleiben Sie die Antwort schuldig –, ist bedauerlich.
Das ist der zweite Punkt. Wir haben in diesem Haushalt eine eklatante Schieflage zwischen dem, was Sie dem Landesseniorenrat an Unterstützung geben, und dem, was Sie dem Landesfrauenrat gewähren. Ich will die Räte durchaus nicht gegeneinander ausspielen. Ich bitte Sie aber: Nutzen Sie jetzt die Chance hier im Parlament, um dem Landesfrauenrat gegenüber ein wichtiges Signal zu geben, indem Sie dem Antrag auf Erhöhung der Fördermittel, den wir vorgelegt haben, zustimmen.
Ich bin ganz Ohr.
Herr Kollege Wetzel, genau das ist das Problem. Das zeigt symptomatisch, wie Sie hier arbeiten.
Sie suchen sich immer das kleine Fitzelchen heraus, das gut ist,
und wiederholen dann wie ein Mantra: „Alles ist gut, und wir sind auf einem guten Weg.“
Sie haben mich etwas gefragt, und ich antworte Ihnen, Herr Kollege Wetzel.
Herr Kollege Wetzel, wenn Sie meinen, wir seien auf einem solch guten Weg, dann sage ich Ihnen umgekehrt: Das ist ein Indiz, und da hat sich tatsächlich etwas verbessert.
Es gibt jedoch auch noch andere Indikatoren, und diese müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen. Gerade in der jetzigen Situation, die insbesondere Sie – deshalb verstehe ich gar nicht, dass Sie sich da jetzt so ans Mikrofon drängen – mit herbeigeführt haben, in der nämlich den Kommunen die Mittel fehlen,
um den Ausbau der Kleinkindbetreuung voranzubringen,
bleiben Sie die Antwort schuldig. Dazu aber müssten Sie sich hier nicht ans Mikrofon stellen, sondern Sie sollten im Haushalt eine Antwort geben.
Lieber Herr Kollege Noll, würden Sie mir zugestehen, dass es überhaupt nichts mit einer Neiddebatte zu tun hat, wenn wir an dieser Stelle insistieren? Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Wir reden bei der bisherigen Bezuschussung des Landesfrauenrats über einen Betrag von 80 000 €. Sie wissen, dass das, was beim Landesseniorenrat insgesamt mit der Zuwendung für den wichtigen Landesseniorentag – dessen Wichtigkeit streiten wir nicht ab – …
… jetzt an Förderung ankommt, nahezu das Dreifache ausmacht und dass dies angesichts gestiegener Aufgaben eben auch für den Landesfrauenrat gelten sollte. Schauen Sie sich einmal an, liebe Kolleginnen und Kollegen, was in dem Gender-Atlas für uns in Baden-Württemberg an Hausaufgaben enthalten ist: Der größte Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern ist in Baden-Württemberg festzustellen, die wenigsten Frauen in Führungspositionen sind in Baden-Württemberg zu finden. Da sind doch genauso Aufklärung, Sensibilisierung und Mobilisierung notwendig. Das ist der Grund, weshalb wir sagen: Es darf nicht eine solche Ungleichbehandlung geben. Deshalb sagen wir: Geben Sie sich einen Ruck, und stimmen Sie jetzt zu! Darum geht es, Herr Kollege.
Die Frage hatte ich ganz am Anfang gestellt.
Die Frage war, ob Kollege Noll mir zugesteht, dass es nicht um eine Neiddebatte, …
… sondern um Gleichbehandlung geht.
Herr Staatssekretär, Sie haben ja schon ein Stück weit relativiert. Dennoch möchte ich an die eingangs von Frau Kollegin Altpeter gestellte Frage anknüpfen. Herr Minister Rau hat darauf geantwortet, dass er in vollem Umfang hinter diesem Leitantrag zum CDU-Parteitag stehe. Sie haben das ein Stück weit relativiert.
Ich möchte nochmals Bezug nehmen auf die Anhörung, die wir am 15. Oktober zum Thema „Maßnahmen zum Schutz vernachlässigter Kinder“ durchgeführt haben. Dieses Thema ist ein gemeinsames Anliegen dieses Hauses. Ich möchte in Erinnerung rufen: Das Fazit aller angehörten Experten – vom Kinderschutzbund über den Landesfamilienrat bis zum öffentlichen Gesundheitsdienst – war, dass wir früh ansetzen müssen, insbesondere bei Familien, in denen Kinder vernachlässigt werden. Wir wissen, dass aus vernachlässigten Kindern oft vernachlässigende Eltern werden.
Die Experten haben uns frühe aufsuchende Hilfen, das Schaffen von Vertrauen zu Problemfamilien und die Vermeidung von Stigmatisierung empfohlen. Deshalb frage ich Sie, ob der angesprochene Leitantrag zum CDU-Parteitag zu dieser Linie passt; denn Ihr Vorschlag – Bestrafung und Sanktionen – führt nicht zur Vertrauensbildung, sondern zur Stigmatisierung.
Ich frage Sie: Wie verhält sich die Landesregierung hierzu? Stellt sich die Landesregierung hinter Sanktionen, oder bleiben Sie bei der Linie, die uns auch die Experten vorgegeben haben: frühe Hilfen, Vertrauen bilden, nicht stigmatisieren?
Herr Staatssekretär, Sie haben den Prozess der Abwägung zwischen dem Wohl des Kindes und dem Recht bzw. der Pflicht der Eltern angesprochen. Sie haben im Rahmen dieses Abwägungsprozesses allerdings die öffentliche Verantwortung für das Wohl des Kindes außer Acht gelassen. Aber natürlich ist die öffentliche Verantwortung sehr wohl auch gefragt.
Ich will Folgendes noch einmal deutlich sagen: Mit diesem Satz – ich freue mich, dass Sie, Herr Herrmann, den Leitantrag in Gänze zitiert haben –
belegen Sie sämtliche ALG-II-Bezieher mit einem Generalverdacht.
Das ist aber doch völlig daneben.
Jetzt will ich Sie fragen: Wie soll das denn in der Praxis aussehen?
Wie wollen Sie das denn machen? Wenn festgestellt wird, dass Kinder nicht am Schulessen teilnehmen können, kann man entweder einen solchen Beschluss fassen, wie Sie ihn gefasst haben – damit belegen Sie Familien mit einem Generalverdacht –, oder man kann das tun – damit würden Sie nicht den
Weg der Stigmatisierung, sondern den Weg der Hilfe gehen –, was das Land Rheinland-Pfalz gemacht hat. Das Land Rheinland-Pfalz bezuschusst das Mittagessen für Kinder an den Schulen und an den Kindertageseinrichtungen. Das wäre der richtige Weg, wenn Sie dem Anliegen, dass alle Kinder die Chance haben sollten, ein warmes Essen zu bekommen, entsprechen wollen. Ebendiesen Weg müssten Sie gehen und nicht den Weg der Stigmatisierung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Wortmeldung bezieht sich auf eines der wichtigsten bildungspolitischen Vorhaben des Lan des Baden-Württemberg, ein Vorhaben, für das wir dringend eine Antwort der Landesregierung brauchen, nämlich den Orientierungsplan.
Sie wissen: Wir sind bei der Frage, welche verbindliche Bildungsgrundlage wir für den entscheidendsten Bildungsschritt
insgesamt haben, nämlich für den Bereich der frühkindlichen Bildung, nicht an der Spitze der Bundesländer. Wir sind das letzte Bundesland, das einen solchen Bildungsplan – bei uns heißt er „Orientierungsplan“ – jetzt endlich verbindlich einführen will. Die Einführung ist erneut ins Stocken geraten, weil die Landesregierung noch immer nicht geklärt hat, wie sie sich an dieser wichtigen Bildungsaufgabe beteiligen wird.
Das ist ein ganz entscheidender Schritt zur Herstellung der Chancengleichheit gerade für die Kinder – das haben uns auch internationale Studien immer wieder bestätigt –, die bei uns bisher noch nicht ihre Chancen wahrnehmen können, nämlich Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus sozial schwachen Familien. Diese Kinder hätten durch den Orientierungsplan jetzt wirklich die Chance auf eine frühzeitige Förderung. Damit könnten auch sie ihre Bildungschancen ausschöpfen. Das ist also eine ganz entscheidende Weichenstellung.
Ich bitte die Landesregierung, den Herrn Kultusminister, in diesem Haus zu sagen, ob wir im Land Baden-Württemberg bei dieser wichtigen frühkindlichen Frage weiterhin im Bremserhäuschen sitzen oder ob das Land gegenüber den Partnern – den Kommunen, den Trägern, auch den Eltern – jetzt endlich erklärt, wie es sich hinsichtlich dieser wichtigen Bildungszukunftsweichenstellung – das ist eine der ganz entscheidenden zentralen Bildungsfragen, die das Land BadenWürttemberg zu beantworten hat – zu verhalten gedenkt, und ob Sie jetzt endlich sagen: „Wir sind Partner in diesem wichtigen Bereich“, und zwar auch Partner, was die Finanzierung betrifft. Das ist die Frage.
Vielen Dank.
Herr Minister, gerade angesichts der Aufbruchstimmung, die Sie selbst erwähnt haben und die wirklich eine ganz tolle Chance darstellt, im Bereich der frühkindlichen Bildung ganz entscheidend voranzukommen, muss es doch geradezu alarmierend sein, wenn Gemeindetag und Städtetag als wesentliche Umsetzungspartner jetzt sagen: Wir müssen diesen Prozess aussetzen – der Städtetag hat Klage angedroht –, weil eben noch immer nicht geklärt ist, wie sich das Land beim frühkindlichen Bildungsprozess nicht nur an der Erstellung, sondern auch an der fachlichen Umsetzung beteiligt, die zu den Rahmenbedingungen, die es bisher gibt, einfach nicht möglich ist. Deshalb lautet doch eine ganz entscheidende Frage – sie geht noch einmal an Sie; die Umsetzung des Orientierungsplans muss ein gelingender Prozess werden –: Wie beteiligt sich das Land auch finanziell daran, damit dies möglich wird?
Herr Minister, Sie sagten, Sie hätten die Hoffnung, dass weitere Kindergärten dazukommen. Jetzt will ich doch noch einmal nachfragen. Ich bin davon ausgegangen, dass es das erklärte Ziel ist, dass der Orientierungsplan bis zum Jahr 2009/2010 verbindliche Grundlage für alle Kindergärten im Land wird, damit auch alle Kinder im Land die Chance auf bestmögliche Förderung haben. Wenn das das Ziel ist, dann muss es doch auch das Ziel sein, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Wir haben im Vergleich zu Ländern wie Rheinland-Pfalz, das bereits seit fünf Jahren mit einem verbindlichen Orientierungsplan arbeitet, wie gesagt, fünf Jahre in der flächendeckenden Umsetzung verloren.
Ist es die Absicht, in den Verhandlungen unter Beteiligung des Landes zu erreichen, dass der Orientierungsplan, der eine gute Grundlage ist, jetzt wirklich in allen Kindergärten des Landes zum Wohl aller Kinder umgesetzt wird?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es fällt manchmal außerordentlich schwer, in diesem Haus die ständig gleiche Klaviatur, die Sie bedienen, auszuhalten: „Wir sind auf dem richtigen Weg“, auch wenn Sie selbst einräumen – wie es Frau Kollegin Arnold in schöner Offenheit getan hat –, dass Sie zumindest in Teilbereichen nicht glauben, auf dem richtigen Weg zu sein.
Diese Selbstgefälligkeit hilft uns in der Sache nicht weiter, und sie hilft vor allem den Kindern nicht weiter.
Werter Herr Staatssekretär, es gehört schon etwas Chuzpe dazu,
an dieser Stelle so zu tun, als ob mit dem Aufschreiben eines Orientierungsplans, bei dem wir inhaltlich durchaus bei Ihnen sind und den auch nicht Sie, sondern Gott sei Dank Fachleute entwickelt haben, alles getan sei.
Die entscheidende Frage, die Sie gemeinsam mit den Regierungsfraktionen zu beantworten haben, ist, ob Sie diesen Orientierungsplan umsetzen, ob Sie das Ihre dazu tun, dass dies auch im Bereich der Sprachförderung wirklich erfüllt werden kann. Wenn Sie im Moment sehen, dass Erzieherinnen auch
deshalb auf die Straße gehen – Erzieherinnen, die das ganz selten tun –, wenn sich Träger zu Wort melden, wenn sich vor allem auch diejenigen zu Wort melden, die den ganzen Prozess der Implementierung des Orientierungsplans wissenschaftlich begleiten und genau das wiederholen, was uns die Fachleute der OECD schon seit vielen Jahren sagen, nämlich dass dieser Anspruch bei der jetzigen Gruppengröße und dem Personalschlüssel nicht zu erfüllen ist, dann können Sie sich als Verantwortlicher doch nicht hier ans Rednerpult stellen und wie ein Mantra immer wieder sagen: „Alles wird gut!“
Sie müssen endlich klipp und klar sagen, dass Sie auch bei der Umsetzung dabei sind. Sie müssen die Sprachförderung aus der Obhut der Landesstiftung entlassen und sie endlich zu einer im Haushalt verankerten Landesaufgabe machen.
Sie müssen zudem endlich dafür sorgen, dass durch verbesserte Rahmenbedingungen, durch kleinere Gruppen und mehr Personal, unter partnerschaftlicher finanzieller Beteiligung des Landes die inhaltliche Sprachförderung nicht nur auf dem Papier festgelegt wird, sondern dass sie vor allem in der Praxis zum Wohl aller Kinder umgesetzt werden kann.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In vielen Bundesländern gibt es regionale Analysen über die Armuts- und Reichtumsentwicklung und die Entwicklung der sozialen Situation von Familien. In Baden-Württemberg gibt es eine solche Berichterstattung nicht. Weshalb – das ist die spannende Frage – lehnt die Landesregierung die Erstellung eines solchen Berichts für Baden-Württemberg seit Jahren vehement ab, obwohl von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden ein solcher Bericht schon seit Langem mit großer Regelmäßigkeit eingefordert wird?
Es kann wohl kaum an den Kosten von angeblich 300 000 bis 350 000 € liegen, die die Landesregierung in ihrer Stellungnahme zu einem Antrag aus dem Jahr 2006 für die Erstellung eines solchen Berichts veranschlagt hat. Angesichts der Großzügigkeit, mit der die Landesregierung bereit ist, klammen Adelshäusern, die selbst bei großzügigster Betrachtungsweise nicht als armutsgefährdet zu bezeichnen sind, finanziell unter die Arme zu greifen, kann dieses Kostenargument nur vorgeschoben sein.
Die Weigerung der Landesregierung, einen Bericht über die Armuts- und Reichtumsentwicklung in Baden-Württemberg zu erstellen, geht vielmehr darauf zurück, dass die Landesregierung Angst vor unangenehmen Wahrheiten hat,
die ein solcher Bericht für jeden einsehbar und nachvollziehbar dokumentieren würde.
Eine der unangenehmen Wahrheiten, denen sich die Landesregierung in einem solchen Bericht stellen müsste, wäre nämlich die hohe Armutsgefährdung von kinderreichen Familien, von ausländischen Familien und vor allem von alleinerziehenden Frauen. Über diese Armutsgefährdung gibt es in der Fachwelt nicht den geringsten Zweifel. Darauf will ich jetzt im Besonderen eingehen.
Ich zitiere aus dem Familienreport 4/2008 der Familienwissenschaftlichen Forschungsstelle des Statistischen Landesamts zur ökonomischen Lage von Familien:
Die größte Armutsgefährdung für Familien ist die fehlende Erwerbsbeteiligung der Eltern. Insbesondere für Alleinerziehende ist es häufig schwierig, Familie und Beruf zu vereinbaren.
Wie schwierig es für Alleinerziehende in Baden-Württemberg ist, Beruf und Familie zu vereinbaren, wird im Familienreport ebenfalls deutlich. Ich erlaube mir nochmals ein Zitat:
Alleinerziehende in Baden-Württemberg sind zwar häufiger erwerbstätig als im Bundesdurchschnitt, aber sie sind es in deutlich geringerem Umfang. In Baden-Würt temberg arbeiten 36 % der erwerbstätigen alleinerziehenden Mütter in Vollzeit, bundesweit geht etwa jede Zweite einer Vollzeitbeschäftigung nach (54 %). …
Die höhere Armutsgefährdung von Kindern alleinerziehender Mütter in Baden-Württemberg (gemessen am Lan- desmedianeinkommen) könnte demnach auch damit zusammenhängen, dass Alleinerziehende hier zwar häufiger, aber offensichtlich weniger umfangreich erwerbstätig sind als im Bundesgebiet …
Das hat natürlich Ursachen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das liegt nach wie vor am unzureichenden Kinderbetreuungs angebot, vor allem für Kinder unter drei Jahren und im Bereich der Ganztagsbetreuung. Die Folgen sind für alleinerziehende Frauen in Baden-Württemberg fatal. Hier müssen wir endlich ansetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Zahlen, die uns das Statistische Landesamt für das Jahr 2006 – nachzulesen im Statistischen Monatsheft 6/2008 – unter der Überschrift „Kinderarmut – auch in Baden-Württemberg?“ mitgeteilt hat, sind wirklich alarmierend und dürfen niemanden in diesem Haus zu zufriedenem Zurücklehnen veranlassen. Wenn bundesweit 35 % aller minderjährigen Kinder alleinerziehender Mütter in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen leben – das heißt, ihr Einkommen beträgt nur 60 % des Durchschnittseinkommens aller Haushalte oder weniger –, dann ist schon das eine bedrückende Zahl. Noch bedrückender ist jedoch die Zahl für Baden-Württemberg. Im vergleichsweise reichen Land Baden-Württemberg leben 45 % aller minderjährigen Kinder alleinerziehender Mütter in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen. Das zeigt, wie weit wir
in Baden-Württemberg noch vom „Kinderland“ entfernt sind.
Nun versucht die CDU in einem eilig für diese Plenardebatte nachgeschobenen Antrag, diese Zahlen zu kaschieren, indem sie argumentiert, diese Zahlen seien nicht aussagekräftig,
weil das Einkommen der Alleinerziehenden in Baden-Würt temberg mit dem Durchschnittseinkommen in Baden-Würt temberg verglichen werde. Vergleiche man es mit dem Einkommen im Bundesdurchschnitt, dann sei die Armutsgefährdung geringer. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es wird Ihnen nicht gelingen, durch solche Zahlenspielereien Armut in Baden-Württemberg wegzudefinieren.
Armut ist auch ein Mangel an Teilhabe und an Verwirklichungschancen und betrifft alle zentralen Lebensbereiche wie Bildung, Erziehung, Gesundheit, Wohnen sowie den Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Alleinerziehenden in unserem Land leben eben hier. Sie leben nicht in Mecklenburg-Vorpommern. Sie müssen für die in Baden-Württemberg deutlich höheren Lebenshaltungskosten, z. B. bei den Mieten, aufkommen.
Es erstaunt mich schon, dass Sie in diesem Bereich der Kinderarmut einen solchen regionalen Vergleich nicht wollen, sich aber die Landesregierung im Bereich der Gesundheitspolitik einer solchen regionalen Betrachtung gegenüber durchaus aufgeschlossen zeigt. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wer bei der Gesundheitspolitik die regionale Betrachtung will, der kann sie bei der Armutsgefährdung von Familien nicht zurückweisen. Das wäre nur zu erklären, wenn Sie versuchen würden, die Armut wegzudefinieren. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht darum, alles daranzusetzen, die Armut wegzubekommen, und nicht darum, die Armutsbegriffe wegzudefinieren.
Wir brauchen eine solche regionale Analyse über die Armuts- und Reichtumsentwicklung sowie die Entwicklung der sozialen Situation von Familien, damit wir die Maßnahmen ganz konkret zuschneiden können. Dazu gehört natürlich der Ausbau der Kleinkindbetreuung, dazu gehören Beratungsangebote, insbesondere für Alleinerziehende, die ganz früh ansetzen, und zwar nicht nur an einzelnen Standorten. Wir brauchen vielmehr ein verlässliches Angebot in allen Teilen des Landes. In der Tat darf uns kein einziges Kind verloren gehen. Dabei kommt es wirklich darauf an, dass wir gesicherte Zahlen haben und uns dann bei den Maßnahmen, bei denen das Land gefordert ist, mit aller Konsequenz daranmachen, auch in diesem Bereich endlich dem Anspruch eines „Kinderlands“ gerecht zu werden.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Jetzt könnte man diese Debatte ein bisschen wie bei „Dinner for one“ abtun: „Same procedure“ wie in jeder Plenardebatte.
Wenn man auf die Seite der Regierungsfraktionen schaut, dann sind wir nach Ihren Ausführungen in Baden-Württemberg – wie immer – auf einem guten Weg, dann sind wir schon nahezu spitze.
Die alleinerziehende Mutter, die nicht weiß, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten kann, empfindet Ihre Argumentation – so empfinden wir es auch; Sie wissen, dass wir über Tausende von Kindern sprechen – nur als zynisch, ja geradezu als menschenverachtend.
All die strukturellen Fortschritte, die Sie zur Verbesserung der Situation von Familien und zur Armutsvermeidung erreicht haben – Ganztagsschule, Ausbau der Kleinkindbetreuung –, beruhten jeweils auf Nachhilfeunterricht durch eine rot-grüne bzw. rot-schwarze Bundesregierung.
Wenn ich mir im Bereich „Frühe Hilfen“ Ihr Gemurkse bei der Sprachförderung, bei der Einführung des Orientierungsplans anschaue, dann kann ich Ihre Ausführungen wirklich nur als fern der Realität bezeichnen. Ich kann Ihnen nur sagen: Hochmut, liebe Kolleginnen und Kollegen,
kommt vor dem Fall.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einen ungewöhnlichen Antrag für eine ungewöhnliche Schule begründen. Die integrative Waldorfschule in Emmendingen schreibt seit 13 Jahren eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte bei der Integration von Kindern mit Behinderungen. Das verdient unser aller Anerkennung und Respekt.
Die Schule, die vor 13 Jahren ihre Arbeit aufgenommen hat, die ich seit 13 Jahren begleite – liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns gerade an dieser Stelle nicht an dem beliebten Spiel beteiligen: Wer hat denn das Engagement für die integrative Waldorfschule erfunden? –, hat es verdient, dass sie ohne Wenn und Aber Unterstützung findet.
In diesen vergangenen Jahren wurde aufbauend eine herausragende Integrationsleistung betrieben, die ganz hohe Akzeptanz und Anerkennung findet, nicht nur in Emmendingen, sondern auch in der gesamten Region. Davon kündet die Resolution der Stadt Emmendingen für den Erhalt und die Fortführung dieser wichtigen Arbeit. Davon kündet aber auch der gemeinsame Einsatz von uns drei Wahlkreisabgeordneten – Marcel Schwehr von der CDU-Fraktion, Dieter Ehret von der FDP/DVP-Fraktion und mir selbst – über Jahre hinweg. Wir haben uns in vielen Briefen und in vielen Gesprächen für die Fortführung dieser erfolgreichen Arbeit eingesetzt.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen – das kann ich Ihnen am heutigen Tag nicht ersparen –, in den vergangenen Jahren wurde auch dafür gesorgt, dass diese Erfolgsgeschichte ein Stück weit zur Leidensgeschichte wurde.
Die jeweilige Verlängerung für das integrative Schulentwicklungsprojekt, das seit über einem Jahrzehnt stattfindet, war immer verknüpft mit der Evaluation, mit der Bewertung, und in keiner einzigen dieser Unterlagen – ich habe sie dabei, falls jemand das nachlesen möchte – wurde eine kritische Aussage getroffen. Vielmehr enthält die Bewertung sehr viel Anerkennendes, Würdigendes. Es steht immer drin, dass die Arbeit in dieser Form fortzuführen sei.
Aber nachdem das Kultusministerium das letzte Mal im Jahr 2004 mitgeteilt hatte, dass dieses Modell zunächst bis zum Schuljahr 2007/2008 als integratives Schulentwicklungsprojekt genehmigt werde, gab es ein langes Ringen darum, in welcher Form dies geschehen soll. Immer wurde gesagt, an der inhaltlichen Arbeit solle sich nichts ändern. Aber die Formen, die vom Kultusministerium vorgeschlagen wurden – nämlich einen Schulverbund mit einer noch zu gründenden Schule für
geistig Behinderte, sozusagen zwei Schulen unter einem Dach, zu machen –, wie auch die Vorschläge, die dann in der Folge gemacht wurden, mit Kooperationsmodellen, mit Außenklassenmodellen – immer wieder wurde als Vorschlag das Modell der Gebhardschule in Konstanz genannt –, stoßen immer auf die gleichen Hindernisse, die die Schulgemeinschaft auch immer wieder vorgetragen hat und die sowohl wir drei Wahlkreisabgeordneten als auch die beiden Fraktionen – die Fraktion GRÜNE mit ihrer schulpolitischen Sprecherin Renate Rastätter, die sich jeweils auch vor Ort kundig gemacht hat, und die SPD-Fraktion – gesehen haben.
Für uns war immer nachvollziehbar, dass all diese Modelle aus zwei Gründen nicht gehen. Der eine Grund ist: Die Eltern haben sich bewusst für diese integrative Schulform entschieden. Sie wollten eben nicht, auch nicht im Schulverbund, sozusagen Teil einer Schule für geistig Behinderte sein, sondern sie wollten das integrative Modell. Alle Beteiligten, die sich vor Ort informiert haben, wissen, dass Eltern von weither nach Emmendingen gezogen sind, sich für die Region entschieden haben, weil sie genau dieses schulische Angebot für ihre Kinder haben wollten. Das eine ist also das inhaltliche Argument: Die integrative Arbeit darf nicht behindert werden.
Das Zweite ist ein finanzielles Argument. Auch das ist legitim. Das unterscheidet – das haben wir aber wirklich in den Gesprächen gebetsmühlenartig vorgetragen – das Modell in Konstanz von dem Modell in Emmendingen. Hier sind ein Stadtkreis und mehrere Landkreise betroffen. Wir hätten mit einer Entscheidung, sozusagen einen Schulverbund einzurichten, der Schule das Alleinstellungsmerkmal genommen, das bei den Stadt- und Landkreisen ausschlaggebend dafür war, bisher auch für Schüler aus ihren Kreisen Assistenzdienste und Fahrdienste an dieser Schule zu erstatten. Dieses Alleinstellungsmerkmal wäre der Schule genommen worden, mit existenziellen Folgen.
Im letzten Jahr ist es zumindest gelungen, eine Verlängerung des ISEP zu erreichen – allerdings mit einem ganz schwerwiegenden Wermutstropfen: Die Schüler der Klasse 1 wurden nicht mit einbezogen. Ich muss Ihnen, glaube ich, gar nicht schildern, was das für die Familien bedeutet hat, was das für eine unerträgliche Hängepartie war, was das für einen Druck erzeugt hat.
Die Schule hat sich dann entschlossen, diese Kinder zu dulden. Aber das ist natürlich nicht die Lösung, die wir uns vorstellen.
Es gibt Petitionen. Der Vorsitzende des Petitionsausschusses hat in seiner Stellungnahme im Petitionsausschuss noch einmal ausdrücklich auf die UN-Konvention abgehoben, die auch von Deutschland unterschrieben wurde und die uns das integrative Bildungssystem auf allen Ebenen als Hausaufgabe mitgibt. Wir sollten jetzt aber nicht drei Jahre warten, bis die Arbeitsgruppe der Kultusminister zu Ergebnissen kommt, sondern – so gibt es uns auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg auf – jetzt handeln. Ich hoffe, dass die Buschtrommeln in Form der „Badischen Zeitung“ stimmen. Sie sollten, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Staatssekretär im Kultusministerium, liebe Kolleginnen und Kollegen aus
den Regierungsfraktionen, dem Antrag hier Folge leisten und die unerträgliche Hängepartie, in der sich Eltern in der integrativen Waldorfschule in Emmendingen schon wieder befinden, heute beenden. Sie sollten für Klarheit sorgen, nicht in Berufung gehen und der Schule endlich die Genehmigung erteilen. Sie sollten mit der Umsetzung der UN-Konvention in Emmendingen heute beginnen, aber Sie sollten dabei nicht aufhören.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
So lautet der klare Auftrag von Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes. Um diesen Auftrag umzusetzen, gibt es hier im Land das Chancengleichheitsgesetz. In § 1 dieses Gesetzes wird als Ziel formuliert – ich zitiere –:
Ziel des Gesetzes ist die berufliche Förderung von Frauen unter Wahrung des Vorrangs von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Artikel 33 Abs. 2 GG), insbesondere die Verbesserung der Zugangs- und Aufstiegschancen für Frauen, eine deutliche Erhöhung des Anteils der Frauen in Bereichen, in denen sie geringer repräsentiert sind als Männer, sowie die Beseitigung bestehender Benachteiligungen.
Sowohl unser Grundgesetz als auch das Chancengleichheitsgesetz formulieren also klare Ziele. Betrachten wir allerdings die Umsetzung, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir leider feststellen, dass diese Ziele bisher klar verfehlt werden.
Die Frauenförderung im Land, so, wie sie im Chancengleichheitsgesetz formuliert wird, kommt kaum von der Stelle. Frauen sind in Führungspositionen der Landesverwaltung nach wie vor stark unterrepräsentiert. Viele Kommunen ignorieren die viel zu lasch formulierten gesetzlichen Vorgaben zur Frauenförderung. Das halten wir für völlig inakzeptabel.
Ich beginne mit der Landesverwaltung. Betrachtet man die von der Landesregierung in ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag vorgelegten Zahlen aus dem vorigen Jahr, kommt man zu der ernüchternden Erkenntnis, dass es über 20 Jahre dauern wird, bis Frauen in Führungspositionen angemessen vertreten sind, wenn es beim bisherigen Schneckentempo bleiben würde. Das kann es nun wirklich nicht sein.
Seit dem Inkrafttreten des Chancengleichheitsgesetzes Ende des Jahres 2005 hat sich die Zahl der Frauen in Führungs positionen – z. B. in der Besoldungsgruppe A 16 bzw. in der B-Besoldung, z. B. Abteilungsleiterin in einem Ministerium – nur ganz geringfügig erhöht: in der Besoldungsgruppe A 16 um 2,7 Prozentpunkte auf durchschnittlich 17,1 % und in der B-Besoldung um 4,3 Prozentpunkte auf durchschnittlich 12,4 %.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt die Landesverwaltung noch weit unter dem ebenfalls sehr geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen in der privaten Wirtschaft, der in Baden-Württemberg bei etwas mehr als 18 % liegt.
Genauso wenig kann die schleppende Umsetzung des Gesetzes im kommunalen Bereich hingenommen werden. Im Gegensatz zu den Frauenfördergesetzen anderer Bundesländer bezieht das baden-württembergische Chancengleichheitsgesetz – das haben wir von Anfang an kritisiert – die Kommunen, die Kommunalverwaltungen nur in sehr eingeschränkter Form ein. Die von der Landesregierung vorgelegte Umsetzungsbilanz offenbart, dass die Kommunen sogar die wenigen gesetzlichen Vorgaben zur Frauenförderung in weiten Bereichen ignorieren.
Das gilt z. B. für die gesetzliche Pflicht, dass Gemeinden mit mehr als 8 000 Einwohnerinnen und Einwohnern sowie die Stadt- und Landkreise Chancengleichheitspläne zu erstellen haben. Bei einer Umfrage gaben nur 92 Gemeinden im Land an, dass sie einen Chancengleichheits- bzw. Frauenförderplan erstellt haben. Insgesamt haben sich 212 der 315 Gemeinden mit mehr als 8 000 Einwohnerinnen und Einwohnern an der Umfrage der Landesregierung beteiligt. Das heißt, es gibt viele Gemeinden, bei denen wir überhaupt keine Erkenntnisse über die Umsetzung des Chancengleichheitsgesetzes haben.
Liebe Frau Ministerin, das Mindeste wäre, dass die Landesregierung Sorge dafür trägt, dass es zumindest einmal ein voll
ständiges Bild über den Stand der Umsetzung des Chancengleichheitsgesetzes gibt.
Die Landesregierung nimmt bisher achselzuckend hin, dass nach dieser Umfrage aus dem letzten Jahr deutlich mehr als die Hälfte der Gemeinden trotz gesetzlicher Vorgaben keinen Chancengleichheitsplan erstellt haben. Das zeigt, dass die Gleichstellungspolitik bei Ihnen leider nach wie vor ein Mauerblümchendasein führt. Das wird der Bedeutung dieses wichtigen Feldes einfach nicht gerecht.
Nach der Verwaltungsreform hat die Bedeutung der Stadt- und Landkreisverwaltungen zugenommen. Deshalb ist es einfach nicht hinnehmbar, dass die Frauenförderung so schleppend vorankommt und viele noch nicht einmal die gesetzlichen Vorgaben einhalten.
Für uns in der SPD, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Konsequenzen aus dieser Bestandsaufnahme klar: Wir brauchen endlich ein Chancengleichheitsgesetz mit deutlich mehr Biss,
das dann dafür sorgt, dass die Beauftragten für Chancengleichheit Instrumente in der Hand haben, um die gleichstellungspolitischen Ziele tatsächlich umsetzen zu können.
Die zweite Forderung ist: Eine uneingeschränkte Durchsetzung des Gesetzes im kommunalen Bereich ist überfällig. Es kann nicht hingenommen werden, dass viele Kommunen die gesetzlichen Vorgaben des Chancengleichheitsgesetzes offenkundig ignorieren, und es kann erst recht nicht hingenommen werden, dass die Landesregierung bisher tatenlos dabei zuschaut.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sprache ist der Schlüssel zur Bildung, ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe. Das ist in diesem Raum unbestritten. Wir wissen, dass wir in diesem Bereich ein enormes Problem haben. Bis zu 30 % der Kindergartenkinder – nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund – sind förderbedürftig. Diese Zahl stammt von Staatssekretär Georg Wacker und ist durch viele Untersuchungen belegt.
Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, haben angekündigt, im Bereich der Sprachförderung wesentlich mehr zu tun. Auf die Vorhaltung, dass diese wichtige Bildungsaufgabe nicht ausschließlich über die Landesstiftung zu meistern sei, sondern über den Landeshaushalt gewährleistet sein müsse, haben Sie angekündigt, Sie wollten dafür sorgen, dass jedes Kind, das nach der Sprachstandsdiagnose förderbedürftig ist, auch ein entsprechendes Förderangebot erhält.
Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Die Landesstiftung hat ihre Richtlinien verschärft, die Sprachstandsdiagnose findet mit vier Jahren statt. Nach den neuen Richtlinien jedoch soll die Sprachförderung künftig erst im Alter von fünf Jahren beginnen. Ein ganzes Jahr wollen Sie verschenken.
Sie sind zudem nicht bereit, von der Mindestgruppengröße von sechs Kindern abzuweichen. Gerade im ländlichen Raum wird es allerdings bei ein- und zweigruppigen Betreuungseinrichtungen schwierig sein, diese Mindestgröße überhaupt zu erreichen. Sie nehmen also eine eklatante Benachteiligung des ländlichen Raums in Kauf.
Sie senken die Förderhöhe von 2 700 € auf 2 400 €. Sie vergrößern die Fördergruppe von acht auf elf Kinder, was eklatant schlechtere Bedingungen für die Sprachförderung bedeutet, und Sie streichen das, was bisher vorgesehen war, dass nämlich pro Kindergartengruppe für die Elternbeteiligung
500 € zur Verfügung gestellt werden können, obwohl die wissenschaftliche Begleitung ausdrücklich gesagt hat, wie wichtig dies ist. Entgegen allen hehren Bekundungen, Sie wollten die Sprachförderung ausweiten und wollten jedem Kind, das sprachförderbedürftig ist, ein entsprechendes Angebot machen – ich könnte Ihnen aus den verschiedenen Debatten zitieren –, verschlechtern Sie die Situation.
Das ist ein Armutszeugnis. Ich fordere Sie auf – dies ist meine Frage –, jetzt in diesem Haus darzulegen, ob Sie bereit sind, diese Verschlechterung sofort zu korrigieren, und ob Sie bereit sind, endlich über den Landeshaushalt sicherzustellen, dass wir in Baden-Württemberg für jedes Kind vom ersten Kindergartentag an ein verlässliches Sprachförderkonzept haben, so, wie es sich für ein „Kinderland“ gehören würde.
Herr Minister Rau, das war überhaupt keine zufriedenstellende Antwort, weil Sie mit keiner Silbe darauf eingegangen sind, was Sie mit den verschärften Bedingungen anrichten. Diese sind natürlich darauf ausgelegt, mit den 8 Millionen € auszukommen.
Bisher haben Sie nach Ihren eigenen Aussagen über die Landesstiftung etwa 15 000 Kinder erreicht. Wenn jedoch – das haben Sie in Plenardebatten selbst gesagt – bei bis zu 30 % der Kinder Förderbedarf besteht, dann sind das in BadenWürttemberg nahezu 100 000 Kinder, für die es ein Angebot zu schaffen gilt.
Mit diesen Maßnahmen betreiben Sie keine Ausweitung, sondern eine Restriktion. Ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie es schaffen wollen, dass jedes förderbedürftige Kind ein Angebot der Förderung erhält, und zwar zeitnah und möglichst vom ersten Kindergartentag an. Bei der Beantwortung dieser Frage können Sie sich nicht hinter der Landesstiftung wegducken. Das liegt vielmehr in der ureigenen Verantwortung der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dieses Gesetz nennt sich immerhin Kinderschutzgesetz, Gesetz zum präventiven Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Wir tragen einen Baustein dieses Gesetzentwurfs der Landesregierung mit,
nämlich die verbindliche Ausgestaltung der Früherkennungsuntersuchungen als e i n e n Baustein eines Kinderschutzkonzepts.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/DVP, mit einem umfassenden Kinderschutzgesetz, so wie wir es uns vorstellen, hat dieser Gesetzentwurf leider gar nichts zu tun.
Deshalb haben im Anhörungsverfahren auch die Verbände, die ganz besonders mit diesem Problem, das uns doch alle umtreibt, zu tun haben, sehr zu Recht ein Gesamtkonzept gefordert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns doch einig, dass uns kein einziges Kind verloren gehen darf und dass wir uns um jedes Kind kümmern müssen.
Aber dazu bedarf es eben eines Gesetzes – davon sind wir zutiefst überzeugt –, das nicht nur diesen einen Baustein regelt. Im Anhörungsverfahren haben der Landesfamilienrat, der Kinderschutzbund, die Liga der freien Wohlfahrtsverbände, der Paritätische Wohlfahrtsverband eben nicht nur diesen Einzelbaustein, sondern wirklich ein in sich verknüpftes, stimmiges Gesamtkonzept eingefordert. Da geht es um ein Gesamtkonzept, das aus der Gewährleistung notwendiger niedrigschwelliger Angebote besteht. Es geht um die Früherkennung von Risiken für das Kindeswohl, um die konsequente Sicherstellung der erforderlichen Hilfen und um den Aufbau lokaler Netzwerke zur Förderung des Kindeswohls.
Jetzt sagen Sie, liebe Kollegin Krueger: „Das haben wir doch alles schon.“ Wir haben eine ganze Reihe von unverbundenen Maßnahmen in Baden-Württemberg. Sie haben ja gerade einige Gesetze anderer Bundesländer zitiert. Dort sind für einen besseren Kinderschutz genau diese Einzelmaßnahmen in einem Gesamtnetzwerk miteinander verknüpft. Genau das brauchen wir auch hier in Baden-Württemberg, und das fordern wir.
Das Nächste, was wir Ihnen vorgeschlagen haben, ist Folgendes: Sie haben ja in der Anhörung selbst gesagt, dass es durchaus auch für das Land Baden-Württemberg die Möglichkeit gebe, sich z. B. bei der Stabilisierung dieser örtlichen Netzwerke gemäß § 82 SGB VIII zu beteiligen. Das tun Sie nicht. Wir haben Ihnen dazu einen Vorschlag gemacht. Da, muss man schon sagen, trennt sich dann ganz schnell die Spreu vom Weizen, wenn wir uns das anschauen.
Hinzu kommt, dass Sie bei den Haushaltsberatungen unseren Antrag abgelehnt haben, 1,5 Millionen € mehr zur Ausgestaltung dieser lokalen Netzwerke zur Verfügung zu stellen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir einen sehr unterschiedlichen Stand haben, was diesen Bereich betrifft. Wir wollen, dass es überall verlässliche Netzwerke für die Kinder, die ei
nen entsprechenden Bedarf haben, und für ihre Familien gibt. Das haben Sie abgelehnt.
Ein Zweites will ich Ihnen nicht ersparen: Wir haben mit dem Kinderschutzbund einen besonderen Anwalt, der sich um den Kinderschutz verdient gemacht hat.
Auch den Antrag, mit dem wir diese Arbeit anerkennen, wertschätzen und unterstützen wollten, haben Sie abgelehnt. Es waren noch nicht einmal 100 000 €, die wir für den Deutschen Kinderschutzbund, Landesverband Baden-Württemberg, zusätzlich beantragt hatten.
Ich schaue mir an, was Sie mit diesem Gesetzentwurf proklamieren und was Sie tatsächlich regeln. Einen Baustein halten wir für richtig; ihm werden wir zustimmen. Wir werden das Gesetz in Gänze aber trotzdem ablehnen, weil wir ein umfassendes Gesetz wollen und nicht nur einen einzigen, unverbundenen Baustein.
Sie haben mit der Ablehnung der Unterstützung für den Kinderschutzbund wieder einmal deutlich gemacht, dass Sie es bei den Akteuren, die sich in diesem Bereich wirklich verdient machen, bei einem „Vergelt’s Gott!“ belassen. Nach unserer Auffassung haben Sie damit gezeigt, dass Sie nicht verstanden haben, wie ernst wir diesen Bereich wirklich nehmen sollen und müssen. Das war vielmehr – ich erspare Ihnen das nicht – wirklich wieder einmal ein Armutszeugnis, was Ihren Anspruch betrifft, „Kinderland“ zu sein.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir beraten heute den Entwurf des Gesetzes zum präventiven Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg – kurz Kinderschutzgesetz – in erster Lesung. Dazu möchte ich Ihnen, Frau Ministerin, auch wenn Sie jetzt vieles ergänzend angekündigt haben, eingangs sehr klar und deutlich für unsere Fraktion sagen: Sie versprechen mit diesem Gesetzentwurf mehr, als Sie halten.
Denn es handelt sich bei dem, was Sie mit diesem Gesetzentwurf heute vorlegen, um einen losen Baustein. Dessen Zielsetzung unterstützen wir durchaus. Aber wir sind hier in Baden-Württemberg – im „Kinderland“, wie Sie immer so gern sagen – noch weit weg von einem umfassenden, systematischen Kinderschutzkonzept. Das ist es, was wir brauchen; wir brauchen nicht nur einen losen Baustein.
Für die Kinder, die in ihren Familien keine ausreichende Unterstützung bekommen oder die sogar Gewalt erfahren, hat der Staat eine besondere Verantwortung, sein Wächteramt auszuüben. Deshalb, sehr geehrte Frau Ministerin, teilen wir selbstverständlich die Einschätzung, dass die verpflichtenden Untersuchungen ein notwendiger Schritt sind. Das hätten Sie schon längst einführen können. Andere Bundesländer haben das getan. Diese haben dann allerdings umfassende Kinderschutzgesetze vorgelegt und dabei nicht nur auf die Pflichtuntersuchungen gesetzt, sondern vor allem frühe, aufsuchende, niedrigschwellige Hilfen einbezogen, und sie haben dies zur Grundlage für eine Kinderschutzkonzeption gemacht. Sie kündigen an, das tun zu wollen. Sie hätten es aber schon längst tun können, und Sie hätten es auch schon längst tun müssen.
Völlig zu Recht haben im Anhörungsverfahren zu diesem Gesetzentwurf der Landesfamilienrat, der Zusammenschluss aller Familienverbände im Land Baden-Württemberg, die Liga der freien Wohlfahrtsverbände, der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Kinderschutzbund genau dieses umfassende Konzept eingefordert. Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, dass Sie hier auf das sogenannte Kinderschutzkonzept verweisen, das wir angeblich schon hätten. Gerade haben Sie eingeräumt, dass vieles in diesem umfassenden Kinderschutzkonzept erst noch kommen muss. Ein Sammelsurium unverbundener Einzelmaßnahmen und Modellprojekte ist eben kein Ersatz für ein umfassendes Kinderschutzkonzept, wie wir es dringend brauchen.
Ich möchte, weil Sie immer wieder auf das Programm STÄRKE verweisen – Frau Kollegin Krueger hat das eben auch wieder getan –, den Aspekt der aufsuchenden Hilfe schon noch einmal sehr eindringlich ansprechen. Genau dort sind Verlässlichkeit und schnelle Handlungsfähigkeit, die in solch schlimmen Situationen notwendig sind, bisher nicht gegeben. Ich will jetzt gar nicht von den Bildungsgutscheinen reden. Wir wissen, dass wir mit diesen Gutscheinen die Risikofamilien gerade nicht erreichen.
Das Programm STÄRKE bietet Möglichkeiten, die ich gar nicht kleinreden will. Aber für den Bereich der Risikofamilien ist der andere Teil dieses Pakets, den Frau Krueger ja auch genannt hat, wichtig. Ich möchte einmal aus der Homepage des Sozialministeriums, Thema „Familien mit Kindern“, Rubrik „Antworten auf häufig gestellte Fragen zu STÄRKE“, zitieren. Eine Frage dort lautet:
Können Eltern in besonderen Lebenssituationen
das ist genau das, wovon wir im Hinblick auf den Kinderschutz sprechen –
genauso sicher damit rechnen, weitere Zuschüsse zu erhalten, wie Gutscheininhaber auf die Einlösung ihres Gutscheins vertrauen können?
Die Antwort des Sozialministeriums lautet:
Leider nicht, da die Jugendämter am Jahresanfang einen bestimmten Anteil der Programmmittel erhalten und diese zunächst für die Gutscheineinlösung verwendet werden müssen. Die Jugendämter bestimmen …
die Konditionen.
Dies wird sich nach den örtlichen Strukturen und Handlungsbedarfen richten. Sobald die jährlich zur Verfügung gestellten Mittel des Programms erschöpft sind, können Zuschüsse aus STÄRKE für Familien in besonderen Lebenssituationen erst wieder im nächsten Jahr gewährt werden.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren: Familien in einer solchen Notsituation, Kinder in einer solchen Notsituation können nicht bis zum nächsten Jahr warten.
Deswegen ist das eben kein verlässlicher Baustein.
Wir wollen über das, was Sie heute vorschlagen, Frau Minis terin, hinaus – da werden wir Sie sehr ernst nehmen und prüfen, ob Sie Ihren Worten tatsächlich auch die entsprechenden Taten folgen lassen –, also über den Bereich der Pflichtuntersuchungen hinaus eine Gesamtkonzeption, die vor allem auf die aufsuchende, niederschwellige Arbeit setzt. Wir wollen dazu insbesondere auch die Familienhebammen stärken. Da werden Sie dann schon unter Beweis stellen müssen, wie ernst es dem Land wirklich ist. Das gilt beispielsweise für die Fort
bildung zur Familienhebamme ebenso wie für die Finanzierung, um die Arbeit der Familienhebamme verlässlich zu regeln.
Noch einmal das Schlussfazit: Ein Baustein allein reicht nicht. Mit dem sind Sie spät genug dran. Wir brauchen endlich ein umfassendes Kinderschutzkonzept.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte heute zu unserem Antrag, den wir zum Thema Aufsicht eingebracht haben, nicht viel sagen, da ich bei den Regierungsfraktionen Bewegung in die richtige Richtung erkenne, nämlich die Aufsicht nicht auf die Stadt- und Landkreise zu übertragen. Da haben Sie selbst für Verwirrung gesorgt, sind aber offensichtlich zur Korrektur bereit. Damit sind wir zufrieden und freuen uns, wenn wir im Herbst zum Ergebnis kommen.
Diese Lernfähigkeit wünschte ich mir auch in anderen Punkten, Herr Kollege Noll.
Ich möchte deshalb zum Kern der heutigen Debatte kommen. Die Frau Ministerin hat den Gesetzentwurf vorgestellt. Schon heute Morgen bei der Aussprache über die Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ haben wir von allen sehr viel verbale Zustimmung gehört und vernommen, wie wichtig das Thema „Kinderland“ und die frühen Jahre sind. Für uns in der SPD gilt ganz klar: Wir brauchen dazu eine Trias bestehend aus mehr Plätzen für Kleinkinder und mehr Ganztagesplätzen, aus mehr Qualität und aus der Beitragsfreiheit. Nur diese Trias ist sinnvoll.
Jetzt muss ich sagen: Das Thema Qualität hat zwar eine große Rolle gespielt – davon haben wir auch gestern viel gehört –, aber dieser Gesetzentwurf lässt überhaupt nicht erkennen, in welchen Bereichen Sie dem gerecht werden wollen. Ich will Ihnen schon noch einmal sehr klar sagen: Eine Qualitätsoffensive, eine Bildungsoffensive, die bis auf einen winzigen Bereich die ersten sechs Lebensjahre völlig außer Acht lässt,
lässt nicht im Geringsten erkennen, dass Sie die Bedeutung der frühkindlichen Bildung wirklich erkannt haben und ernst nehmen.
Jetzt komme ich zum Kern. Mit diesem Gesetzentwurf wird wieder einmal auf Nachhilfeunterricht des Bundes reagiert. Ich muss Ihnen sagen: Ich finde es traurig, dass ein Bundesland mit dem Anspruch, „Kinderland“ zu sein, immer wieder der maßgeblichen Nachhilfe des Bundes bedarf, um wirklich in die Gänge zu kommen. Was Sie jetzt von dem, was auf dem Gipfel besprochen wurde, nachvollziehen, ist wieder symptomatisch, Frau Ministerin.
Ich wollte Sie fragen, wie Sie denn überhaupt erklären können, dass alle anderen Bundesländer die Zielmarke haben, bis zum Jahr 2013 auf 35 % zu kommen, während sich ausgerechnet das „Kinderland“ Baden-Württemberg mit 34 % begnügt und darauf sogar noch stolz ist. Da klaffen Anspruch und Wirklichkeit doch sehr auseinander.
Das hat weder etwas mit dem Haar in der Suppe noch mit Erbsenzählerei zu tun, sondern das ist symptomatisch.
Auch wenn Sie jetzt den Ausbau in den Blick nehmen, so nehmen Sie einfach nicht zur Kenntnis, dass der Städtetag sagt, diesen Ausbau bis zum Jahr 2013 vorzunehmen sei zu kurz gesprungen, sei zu langsam. Wir brauchen diesen Ausbau viel rascher. Das heißt auch: Das Land muss mehr Geld in die Hand nehmen. Das schlägt die SPD Ihnen vor.
Denn wir können die Eltern, die dringend auf einen Betreuungsplatz warten, nicht noch länger warten lassen. Tun Sie also das Richtige, tun Sie es schneller, und unterstützen Sie Kommunen und Eltern stärker als bisher geplant!
Frau Ministerin, wenn man sich die Landeszahlen einmal ganz genau anschaut, dann zeigt sich: Das, was Sie als Kraftakt bezeichnen, ist weit von einem Kraftakt entfernt.
Alle miteinander wiederholen Sie es wie ein Mantra: „Wir sind spitze, wir sind auf dem richtigen Weg.“ Das wiederholen Sie doch gebetsmühlenartig. Aber Sie bleiben den Beweis schuldig.