Raed Saleh

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Last Statements

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin steht kurz vor einer wichtigen Wahl. Jetzt ist es an der Zeit, klar zu sagen, wohin es mit der Stadt in den nächsten Jahren gehen soll. Jetzt ist es auch an der Zeit, Bilanz zu ziehen, wie sich die Stadt in den letzten Jahren entwickelt hat und was politisch geleistet wurde. Die Berlinerinnen und Berliner können auf fünf gute Jahre zurückblicken. Für viele Menschen hat sich die Lebenssituation verbessert.
Denken Sie allein an den Rückgang der Arbeitslosigkeit und die vielen neuen Arbeitsplätze in Berlin.
100 000 Arbeitsplätze sind in den letzten fünf Jahren entstanden. Wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote seit 25 Jahren. Zehntausende Menschen kommen in unsere Stadt, um hier zu leben, zu arbeiten und Familien zu gründen. Viele wichtige Entscheidungen haben wir in den letzten fünf Jahren getroffen, und vieles ist gelungen.
Ich erinnere Sie daran, dass wir den Bildungsetat seit 2012 um fast 1 Milliarde Euro erhöht haben.
Das zusätzliche Geld fließt zum Beispiel an Brennpunktschulen. Über 230 Schulen bekommen durch das Brennpunktschulprogramm zusätzliche Mittel. Damit haben wir Lehrern, Eltern und Schülern wieder ein Stück Hoffnung gegeben. Sie wissen jetzt, dass wir sie bei ihrer wichtigen Arbeit für gute Bildung und sozialen Aufstieg nicht allein lassen.
Wir haben in den letzten fünf Jahren 20 000 neue Kitaplätze geschaffen. Wir haben dafür gesorgt, dass die Kitas zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher für eine bessere Betreuung einstellen können, und wir haben die Kitagebühren vollständig abgeschafft.
Das entlastet Tausende Familien, also gerade diejenigen, die jeden Cent dringend benötigen. Es ist schon bemerkenswert, dass die Grünen die Eltern wieder zur Kasse bitten wollen. Wären Sie ehrlich, würden Sie es auf Ihre Wahlplakate drucken und den Eltern in der Stadt offen sagen: Wer Grün wählt, wird abkassiert.
Auch in der Wohnungspolitik gab es in den letzten fünf Jahren einen Richtungswechsel. Mit dem Verbot von Ferienwohnungen und dem Umwandlungsverbot haben wir für Mieterschutz und Entlastung auf dem Wohnungsmarkt gesorgt.
Ich erinnere Sie, dass es heute mehr als 300 000 Wohnungen im Besitz des Landes gibt. Das sind 30 000 mehr als noch zu Zeiten von Rot-Rot.
Ich erinnere Sie, dass wir aus der BIH die Berlinovo gemacht haben, die heute wieder Wohnungen in Berlin baut. Ein Wirtschaftssenator Harald Wolf wollte die BIH vor sechs Jahren noch verkaufen. Es war die SPDFraktion, die das verhindert hat.
Auch wir als SPD haben sicherlich Fehler gemacht. Das bestreiten wir gar nicht, aber wir haben im Unterschied zu Ihnen aus den Fehlern gelernt.
Auch im Bereich der Daseinsvorsorge sind wir vorangekommen. Ich erinnere an den Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe, mit dem wir einen Fehler der Vergangenheit korrigiert haben.
Und wir haben gezeigt, dass öffentliche Unternehmen den Bürgerinnen und Bürgern nutzen. Die Wasserpreise sind zum ersten Mal seit Jahren gesunken.
Ich erinnere Sie auch an die neue Liegenschaftspolitik des Landes. Wir haben, und zwar mit erheblichem Druck aus dem Parlament, gemeinsam mit Michael Müller durchgesetzt, dass Grundstücke des Landes nicht mehr meistbietend verscherbelt werden.
Die Grundstücke des Landes Berlin sind jetzt nicht mehr dazu da, Haushaltslöcher zu stopfen. Sie sind für Wohnungsbau, die Förderung der Wirtschaft und das Gemeinwohl da.
Zu den wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahre gehört, dass wir 2 Milliarden Euro Schulden tilgen konnten. Mit dem Wachstumsfonds, dem SIWA, sorgen wir sogar dafür, dass endlich wieder in größerem Umfang investiert werden kann, zum Beispiel in Schulen, Kitas, Hochschulen und in die Infrastruktur. Berlins Finanzen stehen heute so gut da wie seit Jahrzehnten nicht. Das ist nicht allein das Verdienst der letzten fünf Jahre, sondern auch der zehn Jahre davor.
Unsere gemeinsame Politik war eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir heute so gut dastehen. Es ist doch verrückt, wie sich die Linken immer für die Politik schämen, die sie in Berlin mitgemacht haben.
Wir haben auch im Bereich der inneren Sicherheit vieles erreicht. Wir haben in dieser Koalition 600 neue Stellen bei der Polizei geschaffen und 300 zusätzlich beim Objektschutz.
Wir haben gemeinsam ein Terrorabwehrzentrum geschaffen und den Staatsschutz verstärkt. Mir ist aber auch wichtig, dass anständig mit unseren Polizistinnen und Polizisten umgegangen wird. Das ist eine Frage des Respekts.
Wenn es ein Problem in der Innenpolitik der letzten Jahre gab, dann war es nicht die finanzielle Ausstattung, sondern die politische Führung.
Beim Görlitzer Park wurde mehr geredet als gehandelt. Am Kottbusser Tor hören wir jeden Tag eine neue Schreckensnachricht. Bei der Rigaer Straße wurde erst eskaliert und dann rechtswidrig gehandelt. Mir tut es weh, wenn unsere Polizistinnen und Polizisten für Schlagzeilen und Wahlkampf verheizt werden. Ja, wir haben Kritik an der Amtsführung des Innensenators, der immer stärker tut, als er ist, und dem Symbole wichtiger sind als Entscheidungen.
Politik ist neben den großen Grundsatzfragen, auf die wir Sozialdemokraten manch andere Antwort haben als die CDU, eben auch das unaufgeregte Klären von Fragen und das Lösen von Problemen. Wir haben in der rotschwarzen Koalition gemeinsam viel umgesetzt, und das liegt daran, dass wir im Kern rational und vernünftig zum Wohle dieser Stadt zusammengearbeitet haben.
In den kommenden Jahren werden die Aufgaben nicht kleiner. Viele wichtige Entscheidungen sind zu treffen. Darum ist die Wahl am 18. September von so zentraler Bedeutung.
Berlin steht vor einem großen Umbruch. Die Zunahme der Bevölkerung, das Wachstum der Stadt wird Berlin verändern und für Jahrzehnte prägen. Auch die Wirtschaft wächst. Berlin steht am Beginn einer neuen Gründerzeit. Diese neue Gründerzeit bietet enorme Chancen. Die rasanten Veränderungen machen vielen Menschen aber auch Sorgen und Angst. Viele Dinge kommen zusammen: Die Kieze verändern sich, die Stadt wird voller, schneller, lauter, und manchem, der hier schon lange lebt, auch fremder. Ich kann gut verstehen, dass Menschen sich vor allem etwas von dem ganzen Wandel überfordert fühlen und sich von allem ein bisschen weniger wünschen.
Vieles, was wir in Berlin erleben, ist auf Großstädten auf der ganzen Welt zu beobachten. So droht in Berlin der soziale Zusammenhalt verlorenzugehen, weil die immer weiter steigenden Mieten für viele kaum noch bezahlbar sind. Familien mit geringem Einkommen werden aus der Innenstadt an den Stadtrand verdrängt. Selbst Normalverdiener haben mittlerweile Probleme, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Aus dem coolen Berlin droht ein gespaltenes Berlin zu werden. Wir können aber dafür sorgen, dass Berlin in den
nächsten Jahren sozial, menschlich und nachhaltig bleibt. Es geht darum, den Veränderungsprozess zu gestalten, von dem sich viele Menschen überrollt fühlen. Wir wollen dafür sorgen, dass weiter alle Berlinerinnen und Berliner in unserer Stadt gut, sicher und friedlich zusammenleben können.
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist Wohnen keine Ware, die wir einfach dem Markt überlassen dürfen. Wohnen ist Heimat. Wohnen ist Leben und genauso notwendig wie z. B. Trinkwasser oder ärztliche Versorgung.
Deshalb müssen wir den Mut haben, Wohnen als Teil des Gemeinwohls zu regulieren und als Staat selbst aktiv zu werden.
Wir werden darum 100 000 weitere Wohnungen in Landesbesitz bringen. Wir wollen und wir werden diese Wohnungen dem Gemeinwohl verpflichten, so wie es im Mietenbündnis vereinbart wurde.
Mit uns wird es aber kein Zurück zur Wohnungsbauförderung der Achtzigerjahre geben. Wir wollen öffentliche Mittel dafür einsetzen, Wohnungen für Mieterinnen und Mieter bezahlbar zu machen, und nicht die Wohlhabenden oder Baulöwen finanzieren.
Unser Weg ist klar: Mehr Geld für öffentliche Wohnungen und günstige Mieten. Die Frage ist, was Grüne, Linke und CDU dazu sagen.
Die Berlinerinnen und Berliner wollen das wissen. Sagen Sie Ja oder Nein zu mehr öffentlichen Wohnungen und einer Förderung, die denen zukommt, die wenig Geld haben?
Berlin als gerechte Metropole zu erhalten, bedeutet für uns auch, dass alle Kinder hier eine echte Chance auf gute Bildung und Aufstieg haben
und dass die Stadt tatsächlich familienfreundlich ist. Beides gehört zusammen. Wir müssen für gute Kitas und Schulen für alle Kinder sorgen und gleichzeitig Familien entlasten, wo immer das geht.
Darum sagen wir klar, dass es mit der SPD keine Kitagebühren in Berlin geben wird.
Was sagen die anderen Parteien in diesem Parlament dazu? Sagen Sie Ja oder Nein zu Kitagebühren? Wollen Sie Familien belasten oder entlasten?
Wir wollen aber noch weitergehen.
Wir wollen, dass alle Kinder eine gute Ganztagsbetreuung in Kita und Hort bekommen. Die Bedarfsprüfung bei Kita und Hort wollen wir darum abschaffen.
Und was sagen Sie dazu? Sagen Sie Ja oder Nein zur Betreuung aller Kinder in Berlin?
Unseren Weg, Familien zu entlasten, wollen wir fortsetzen
und auch die Hortgebühren abschaffen. Bildung darf nichts kosten und nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Auch hier sind die anderen Parteien den Berlinerinnen und Berlinern eine Antwort schuldig. Sagen Sie Ja oder Nein zur Abschaffung der Hortgebühren? Sagen Sie Ja oder Nein zur Entlastung der Familien in Berlin?
Wir wollen auch das kostenlose Mittagessen für alle Kinder in den Kitas und Schulen und die Einführung der Lernmittelfreiheit perspektivisch erreichen. Dieser Weg ist konsequent für ein gerechtes Berlin.
Auch bei der öffentlichen Daseinsvorsorge haben wir ein klares Bild von einer starken Stadt und klare Ziele. Wir wollen ein Stadtwerk, das für alle Berlinerinnen und Berliner da ist. Was sagen die anderen Parteien dazu? Sagen Sie Ja oder Nein zu einem echten Stadtwerk? Sagen Sie Ja oder Nein, dass die Strom- und Gasnetze in öffentliche Hand gehören? Die Berlinerinnen und Berliner wollen auch das von Ihnen wissen.
Wir als SPD stehen dazu: Wir brauchen eine Privatisierungsbremse in der Landesverfassung.
Wenn kommende Politikergenerationen öffentliche Krankenhäuser privatisieren wollen, wenn sie den öffentlichen Nahverkehr oder die Wasserversorgung in private Hände geben wollen, dann kann und darf das in einer zeitgemäßen Demokratie nicht ohne ein Votum der Bevölkerung passieren.
Und wieder weiß die Stadt nicht, wie CDU, Grüne und Linke in Berlin zu dieser Frage stehen.
Sagen Sie Ja oder Nein zu einer Privatisierungsbremse?
Die Berlinerinnen und Berliner wissen, woran sie mit der Sozialdemokratie sind.
Sie wissen, dass wir mit Michael Müller einen Regierenden Bürgermeister haben, der eine klare Richtung hat, die Stadt kennt und auch weiß, wo den Berlinerinnen und Berlinern der Schuh drückt.
Mit Michael Müller hat Berlin den richtigen Regierenden Bürgermeister, um die Herausforderungen der nächsten fünf Jahre zu meistern.
Wir zeigen, dass die Menschen am 18. September tatsächlich eine Wahl haben. Es macht einen Unterschied, ob Eltern für den Besuch der Kita zur Kasse gebeten werden oder nicht.
Es macht einen Unterschied, ob man für den Bau von öffentlichen Wohnungen sorgt oder es den Privaten überlässt. Es macht einen Unterschied, ob man die Strom- und Gasnetze rekommunalisiert oder sie lieber internationalen Konzernen überlässt.
Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob man an der Seite unserer Polizistinnen und Polizisten steht oder ihnen fast feindselig gegenübertritt.
Das sind Unterschiede, und die Berlinerinnen und Berliner haben die Wahl. Die Berlinerinnen und Berliner werden entscheiden, welchen Weg sie für ihre Stadt wählen.
Was uns alle in diesem Haus trotz aller Unterschiede, trotz allen Streits in der Sache verbindet, sind die Werte einer offenen und demokratischen Gesellschaft. Darum können demokratische Parteien grundsätzlich zusammenarbeiten. Eine Zusammenarbeit mit den Feinden von Demokratie und Freiheit verbietet sich selbstverständlich. Nach dem 18. September wird es darum gehen, eine stabile, verlässliche und tatkräftige Regierung für Berlin zu bilden. Die Sozialdemokratie und Michael Müller sind dazu bereit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An diesem Wochenende konnte man das Brandenburger Tor in Regenbogenfarben und den Pariser Platz voller Menschen sehen.
Nicht nur im deutschen Fernsehen, auch in der internationalen Presse waren diese Bilder aus Berlin zu sehen. Die Berlinerinnen und Berliner hatten sich versammelt, um der Opfer des schrecklichen Terroranschlags von Orlando zu gedenken. Die Menschen am Brandenburger Tor haben der Welt wieder einmal gezeigt: Berlin steht gegen Hass und für Vielfalt.
Berlin hat ein Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls gesendet. Wir stehen zusammen mit allen, die ein freies und gleichberechtigtes Leben wollen. Junge und ältere Menschen standen gemeinsam auf dem Pariser Platz, Homosexuelle und Heterosexuelle, Menschen mit Wurzeln in der ganzen Welt, Menschen verschiedener Religionen oder gar keiner Religion. Auf dieses bunte Berlin, diese Stadt der Vielfalt, der Freiheit und des Mitgefühls sind wir so stolz.
(Antje Kapek)
Das ist die Hauptstadt dieser Republik. Das ist die Hauptstadt, die ein weltoffenes, ein zukunftsorientiertes Deutschland repräsentiert. Das ist das Berlin, auf das die ganze Welt schaut und das ein Sehnsuchtsort für alle ist, die Vielfalt und Freiheit lieben.
Es war eine gute Entscheidung, dass Berlin vor 25 Jahren Hauptstadt und später Regierungssitz geworden ist. In diesen 25 Jahren hat Berlin verschiedene Entwicklungsphasen durchgemacht. Zuerst waren wir die Hauptstadt der Armut. Die Subventionen fielen weg. Die Währungsunion löschte die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft aus. Die Privatisierungspolitik der Treuhand zerstörte die Substanz der Wirtschaft in traditionsreichen Berliner Industriezentren wie Oberschöneweide und Stralau. Auch im Westen Berlins wurden nach dem Wegfall der Berlinzulage zahlreiche Industriearbeitsplätze vernichtet. Insgesamt fielen in Berlin in den Nachwendejahren mehr als 200 000 Arbeitsplätze in der Industrie weg. Die Arbeitslosigkeit schnellte in die Höhe, und aus den Hoffnungen der Wiedervereinigung wurden für viele Menschen Ängste und sozialer Abstieg. Wir dürfen die Verliererinnen und Verlierer des Wandels nicht vergessen.
Auch heute gilt es, die Schattenseiten von Veränderungen zu bedenken. Vor 25 Jahren war ich 14 Jahre alt und noch weit davon entfernt, politische Verantwortung zu tragen. Wenn ich heute zurückblicke, dann tue ich das mit der Distanz einer neuen Generation. Aus der Sicht von heute muss man viele Entscheidungen der Anfangsjahre kritisch bewerten: die hohe Neuverschuldung, den Bankenskandal, den massenhaften Verkauf von Wohnungen, die Privatisierung der Wasserbetriebe und der GASAG. Auf der anderen Seite stehen aber auch Errungenschaften aus dieser Zeit: die Wiederherstellung der Verkehrsinfrastruktur für die ganze Stadt, die schnelle Angleichung der Gehälter im öffentlichen Dienst, die Bezirksreform. Es war eine schwierige Ausgangslage. Es wurden damals Fehler gemacht. Aber es wurde auch unendlich viel geleistet, um die innere Einheit Berlins zu wahren.
Meine Generation baut auf das auf, was unsere Vorgängerinnen und Vorgänger geschaffen haben. Deshalb gelten mein Respekt und Dank den damaligen Abgeordneten und allen, die politische Verantwortung im Land und in den Bezirken trugen.
Nach der Hauptstadt der Armut wurde Berlin immer mehr zur Hauptstadt der Coolness. Klaus Wowereit fasste das mit dem Spruch „Arm, aber sexy“ zusammen.
Aus den Schwächen Berlins wurden plötzlich Stärken. Günstige Mieten zogen Künstler und später Start-ups in die Stadt. Die Freiräume in Berlin waren spürbar. Die
Kulturlandschaft wurde trotz harter Konsolidierung gepflegt.
Die Entscheidung, drei Volluniversitäten zu unterhalten, machte Berlin zur beliebtesten Studentenstadt Deutschlands. Die Strategie der Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung brachte neue Perspektiven. Mit Adlershof gelang ein Vorzeigestandort für Technologie und Forschung. Die Politik jener Jahre war beharrlich und manchmal schwierig, aber sie war erfolgreich.
Deshalb sind wir zu einer wachsenden und boomenden Stadt geworden. Nicht nur unsere Wirtschaft wächst, sondern jedes Jahr kommen 40 000 Menschen nach Berlin. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie noch nie nach der Wende. Das Lohnniveau verbessert sich, wenn auch nicht in allen Bereichen.
Der Tourismus ist eine starke Säule unserer Wirtschaft geworden. Berlin ist eine Stadt für Messen und Veranstaltungen. Das produzierende Gewerbe hat sich auf niedrigem Niveau erholt. Berlin ist Heimat einer lebendigen Start-up-Szene. Die wachsende Stadt, das ist eine neue Phase in der Entwicklung Berlins. Wieder verändert sich unsere Stadt in atemberaubendem Tempo, aber ich rate auch zur Nachdenklichkeit. Wir dürfen nicht nur die Vorteile des Wandels feiern, wir müssen auch die Schattenseiten sehen. Nur dann können wir Probleme beheben und für eine höhere Akzeptanz werben.
Die Mieten sind gestiegen, sodass die Mittelschicht in Berlin von höheren Gehältern zu wenig profitiert. Viele Menschen wurden und werden aus den Innenstadtbezirken an die Ränder der Stadt verdrängt. Viele der neuen Jobs im Tourismus- und im Dienstleistungssektor sind schlecht bezahlt und prekär. Nach 25 Jahren als Hauptstadt stellen sich zu viele Menschen die Frage: Kann ich morgen und übermorgen noch sicher leben, in sozialer Sicherheit, aber auch in einer friedlichen Gesellschaft?
Die politische Generation vor 25 Jahren hatte die Aufgabe, die Spaltung von Ost und West zu überwinden. Nach Jahrzehnten der Teilung und des Gegeneinanders mussten in Europa Feindbilder überwunden werden. Heute hat unsere Generation neue Aufgaben. Es geht darum, die Spaltung unserer Gesellschaft zu verhindern.
Es gibt ein aufgeheiztes Klima. Es gibt ein gespaltenes politisches Klima, nicht nur, aber auch in Berlin. Viele falsche Tabubrecher sind unterwegs. Sie suchen sich ständig neue Sündenböcke. Erst waren die Griechen, dann die Journalisten, dann die Flüchtlinge, dann die
Muslime und jetzt sind offenbar Menschen mit dunkler Hautfarbe das Ziel ihrer Hetze. Mittlerweile zeigt sich ganz klar: Es geht ihnen nicht darum, falsche gesellschaftliche Tabus zu brechen; es geht ihnen darum, Rassismus wieder hoffähig zu machen. Darum geht es ihnen!
Viele Bürgerinnen und Bürger sorgen sich um den inneren Frieden in unserer Stadt. Deshalb sage ich: Ja, wir müssen das Gespräch mit allen in der Bevölkerung suchen, auch und gerade mit Anhängern der AfD, aber wir dürfen ihnen nicht nach dem Mund reden. Wir müssen Haltung bewahren und deutlich machen: Berlin ist nicht durch Abschottung stark geworden, Berlin ist durch Offenheit stark geworden!
Wir sind eine Metropole im Herzen Europas – nicht nur im geografischen Sinne. Das Projekt der europäischen Einigung ist untrennbar mit Berlin verbunden. Wie keine andere Metropole haben wir unter der Spaltung Europas, die unsere Stadt in zwei Teile trennte, gelitten. Und wie kein anderer Ort symbolisiert das wiedervereinte Berlin das neue Europa. Deshalb lässt es uns nicht kalt, wenn die Bürger Großbritanniens heute darüber abstimmen, ob dieses Europa stärker wird oder geschwächt wird. Auch wenn Europa und die EU unpopulär sind, müssen wir immer wieder deutlich machen, dass Europa Fortschritt bedeutet und dass Nationalismus ins Verderben führt.
Unsere Stadt kann ein Labor und ein Vorbild für ein versöhnliches, friedliches Miteinander sein. Denn bei uns hat sich eine Gesellschaft geformt, die nicht durch Religion oder Herkunft zusammengehalten wird, sondern durch die Werte der Toleranz, der Vielfalt und der Freiheit. Diese Unterschiedlichkeit macht uns stark. Wir müssen lernen, uns in unserer Vielfalt gegenseitig auszuhalten, denn Berlin ist in den Augen vieler Menschen nicht nur eine Stadt, sondern ein Versprechen. Das Versprechen lautet, dass Berlin eine Heimat für alle sein kann, die sich hier zu Hause fühlen und etwas aufbauen wollen, eine Heimat der Mutigen.
Wenn es unserer politischen Generation gelingen soll, dieses Versprechen Berlins einzulösen, dann müssen wir weiter an den Rahmenbedingungen für eine soziale Stadt arbeiten. Nach wie vor hängt die Zukunft der jungen Menschen zu sehr von der wirtschaftlichen Situation ab, in die sie hineingeboren wurden. Jedes dritte Kind in Berlin ist arm. Ich weiß genau, was das für ein Kind bedeutet. Reichtum wird vererbt, Armut aber auch. Deshalb müssen wir als politisch Verantwortliche weiterhin
alles dafür tun, dass die Schere zwischen arm und reich wieder geschlossen wird.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben die Vision, Berlin zur familienfreundlichsten Metropole Europas zu machen. In den letzten Jahren haben wir 20 000 neue Kitaplätze geschaffen, denn die Kita ist der Ort, wo Bildung beginnen muss – spätestens da. Berlin ist mittlerweile die einzige Metropole in Westeuropa, die ausreichend bezahlbare Kitaplätze anbietet. Wir werden die Kitagebühren vollständig abschaffen, um junge Familien zu entlasten. Wir werden die Qualität der Kitas und die Betreuung für die allerkleinsten Kinder verbessern, und perspektivisch schaffen wir auch die Hortgebühren ab.
Wir haben bereits 1 Milliarde Euro in die Schulsanierung investiert. Und ich bin froh über die Zusage des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, in den nächsten Jahren alle Schulen anzufassen, denn Bildung bleibt die Schlüsselfrage für ein gerechtes Berlin. In manchen Gegenden, zum Beispiel in der Heerstraße Nord oder in Gegenden in Marzahn-Hellersdorf, glauben 70 Prozent der Jugendlichen nicht an ihren eigenen sozialen Aufstieg. Das macht mich traurig und wütend zugleich.
Ich finde, alle Kinder Berlins haben eine Chance verdient.
Mit dem Brennpunkt-Schulprogramm haben wir den Anspruch formuliert, kein Kind, keinen Jugendlichen zurückzulassen.
Wir wollen ein Berlin, dass sich die breite Mitte der Gesellschaft leisten kann. Wohnen darf nicht arm machen. In Hauptstädten wie London und Paris wurden Normalverdiener aus der Stadt vertrieben. Der wirtschaftliche Boom hat nicht zu mehr Wohlstand, sondern die allermeisten Menschen zu mehr Unsicherheit und sozialem Abstieg geführt. Das ist der Scheideweg, an dem Berlin steht.
Die erste Generation politischer Verantwortungsträger nach der Wende musste die Wunden der Teilung schließen. Die zweite Generation musste reformieren und konsolidieren. Unsere Generation muss die soziale Spaltung Berlins verhindern. Die soziale Frage ist die stadtpolitische Kernfrage für die Zukunft unserer Stadt.
Dafür brauchen wir ein Bündnis aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die bereit sind, diese Spaltung
zu überwinden. Das Gegenmodell zur Verdrängung der Mittelschichten – wie in London oder Paris – ist Wien. In Wien wurde über ein Jahrhundert lang der Bestand an öffentlichen Wohnungen aufgestockt. In Berlin haben wir in den letzten fünf Jahren den Bestand an öffentlichen Wohnungen um fast 30 000 Wohnungen erhöht.
Wohnen ist für mich als Sozialdemokrat keine Ware, die man dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen darf. Deshalb wollen wir mehr Wohnungsbau, und wir wollen bezahlbaren Wohnraum statt Luxuswohnungen.
Das ist eine entscheidende Frage für die Entwicklung Berlins in den nächsten Jahrzehnten.
Unsere Metropole hat dazu beigetragen, dass Deutschland heute mehr Weltoffenheit und Freundlichkeit ausstrahlt. Unsere Stadt steht für Vielfalt und für Freiheit. Sie steht für ein Deutschland, das der Welt zugewandt ist. 25 Jahre Hauptstadt, das ist ein Grund, stolz zu sein, denn die Hauptstadt Berlin hat sich ihrer Verantwortung würdig erwiesen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir standen in diesen Haushaltsberatungen vor der Frage, ob wir auf die wachsende Stadt nur reagieren oder ob wir darüber hinaus diese Stadt gestalten. Wir haben uns für einen echten Gestaltungshaushalt entschieden,
der Berlin weit über die nächsten Jahre hinaus prägen wird.
[Beifall bei der SPD und der CDU]
Wir machen das, weil wir eine klare Vorstellung von Berlin haben. Wir wollen eine weltoffene Metropole sein, die sich nicht spalten lässt. Keine Spaltung in Arm und Reich, keine Spaltung in wohlhabende, gentrifizierte und abgehängte Kieze, und keine Spaltung in Alt- oder Neuberliner! Wenn Berlin etwas auszeichnet, dann ist es das, dass alle Platz haben in dieser Stadt mit ihrer Geschichte, mit ihrer Art zu leben, mit ihren Fähigkeiten und Interessen, mit ihren Weltanschauungen oder Religionen.
Das macht Berlin so besonders und so einzigartig.
Berlin ist aber kein Idyll. Berlin ist eine Metropole am Scheideweg. Viele Berlinerinnen und Berliner haben Angst, dass sie sich ihre Stadt bald nicht mehr leisten können. Wir wollen eine Stadt, die wirtschaftlich stark ist und in der ein soziales Miteinander bestimmend ist, eine
(Fréderic Verrycken)
Metropole, die aus ihrer Vielfalt Chancen macht, und dafür arbeiten wir mit diesem Haushalt.
Ich bin zurzeit oft an vielen Stammtischen und in Vereinshäusern dieser Stadt unterwegs.
Hören Sie lieber zu, dann lernen Sie auch etwas außerhalb Ihres Kiezes Boxhagener Straße dazu!
Die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der Politik ist oft sehr kritisch. Viele Leute sagen mir: Sonst war nie Geld da, z. B. für Schulsanierungen oder Straßenbau, –
Wohnungsbau oder Personal, und jetzt, für die Flüchtlingskrise, gebt ihr Politiker plötzlich das Geld aus! – Und auf diese Fragen geben wir die Antwort: Wie beweisen mit diesem Haushalt, dass durch die Flüchtlingskrise niemandem etwas weggenommen wird. Wir beweisen, dass wir Politik für die ganze Stadt machen. Wir kümmern uns um Kitas und Schulen. Wir schieben den Wohnungsbau massiv an. Wir stärken die Sicherheit. Wir investieren in Berlins Wirtschaft. Diese Politik ist im Interesse aller Gruppen in Berlin, und das ist genau das, was diese Stadtgesellschaft im Moment am dringendsten braucht.
Berlin wird in den nächsten zwei Jahren insgesamt 140 Millionen Euro für neue Kitaplätze ausgeben. Das ist ein finanzieller Kraftakt und ein strategischer Schwerpunkt unserer Haushaltspolitik, den niemand übersehen kann. Unser Ziel als SPD-Fraktion ist: Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz darf nicht nur auf dem Papier stehen. Wir wollen und werden alles dafür tun, dass alle Eltern einen Kitaplatz für ihre Kinder finden.
Kinder lernen im Umgang mit anderen Kindern. Sie lernen die deutsche Sprache, auch wenn Mama oder Papa aus einem anderen Land gekommen sind. Sie lernen den sozialen Umgang, und sie sollen teilhaben an den Chancen, die unsere Gesellschaft bietet. Deshalb investieren wir so viel Geld in die Kitas in Berlin. Deshalb wächst dieser Bereich so stark wie sonst kein anderer Politikbereich. Es ist eine Frage von Gerechtigkeit und Anstand, dass wir unseren Kindern diese Chancen geben.
Wir werden in diesem Haushalt schrittweise 49 Millionen Euro mehr ausgeben, damit es in den Kitas mehr Personal gibt und der Betreuungsschlüssel verbessert wird. Die Erzieherinnen und Erzieher leisten in Berlin einen extrem harten Job. Wissen Sie, meine Frau und ich, wir sind Eltern von Zwillingen, und abends sind wir manchmal so erschöpft, und das bei einem Betreuungsschlüssel von eins zu eins. Wir wissen also, wovon wir reden. Die Berliner Kitas haben im Bereich der unter Dreijährigen einen schlechteren Betreuungsschlüssel als die anderen Bundesländer. Dieser Zustand ist im Interesse der Erzieherinnen und Erzieher und der Kinder nicht akzeptabel, und deshalb werden wir das verändern. Wir werden den Betreuungsschlüssel bei den Krippenkindern senken.
Wir schaffen mehr Kitaplätze, wir senken den Betreuungsschlüssel, und wir werden zugleich die Familien entlasten. Ja, wir werden die Kitagebühren für die unter dreijährigen Kinder Schritt für Schritt abschaffen. Die Entlastung der Eltern kostet 40,5 Millionen Euro. Bei einem Haushalt von 25 Milliarden Euro sind das 0,16 Prozent des Haushalts.
Wer da von falschen Prioritäten spricht, hat von gestaltender Finanzpolitik wirklich nichts verstanden.
Unser Schritt ist sozial gerecht, denn in einer gerechten Gesellschaft ist Bildung kostenfrei, und das von der Kita bis zur Uni. Nehmen wir als Beispiel eine junge Familie. Nehmen wir an, die Mutter arbeitet als Verkäuferin, der Vater vielleicht im Wachschutz. Beide arbeiten Vollzeit. Beide verdienen exakt den heute gültigen Mindestlohn von 8,50 Euro. Sie verdienen womöglich so wenig, dass sie Wohngeld bekommen. Ihr Verdienst ist so gering, dass sie keine Einkommensteuer zahlen. Diese Familie soll für einen Krippenplatz 105 Euro netto zahlen, Monat für Monat. Und wenn dieses Pärchen dann die „Abendschau“ guckt, dann sehen sie Herrn Esser von den Grünen.
Dann fängt der Abend gut an. Allein seine Diäten sind höher als das Einkommen der gesamten Familie.
Und Herr Esser sagt dann mit lächelndem Gesicht in die Kamera: Die Abschaffung der Krippengebühren nutzt den Besserverdienenden.
Wer Mindestlohn verdient, ist nach Logik der Grünen ein Besserverdienender. Ich hoffe, dass an diesem Abend ganz viele Berlinerinnen und Berlin die „Abendschau“
gesehen haben, denn wer so redet, hat sich von der sozialen Realität in dieser Stadt völlig entkoppelt!
Lieber Herr Wolf! Liebe Linksfraktion!
Eigentlich hätte die Idee, die Krippenbeiträge abzuschaffen, von Ihnen kommen müssen. Alle Kitagebühren sind „unsozial“ und „eine Erfindung des Westens“.
Gegen beides müssten Sie eigentlich sein. Stattdessen muss die SPD-Fraktion den Job der Linkspartei übernehmen.
Herr Wolf! Sie hatten als eine Reaktion auf unseren Kompromiss von einem „persönlichen Steckenpferd“ und von „falschen Prioritäten“ gesprochen.
Bitte, seien Sie ehrlich! Erzählen Sie es nächstes Jahr im Sommer an allen Infoständen: Die Linkspartei möchte die Krippengebühren erhalten. – Bitte sagen Sie es allen, gerade im Ostteil der Stadt: Die Abschaffung der Kitagebühren war eine verrückte Idee von Saleh. – Bitte machen Sie es! Ich schicke Ihnen gerne von mir ein Foto für Ihre Plakate und Ihre Flyer.
Lernen Sie mal Opposition an der richtigen Stelle, bitte!
Lehrerinnen und Lehrer an Brennpunktschulen arbeiten oft bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Deshalb haben wir 2013 das Brennpunktschulprogramm eingeführt. Mein Dank gilt der Senatorin Sandra Scheeres und allen Lehrerinnen und Lehrern, Schulleiterinnen und Schulleitern, die dieses Programm mit Leben erfüllt haben. Wir sprechen aus, dass in unserer Stadt nicht alle Schulen die gleichen Bedingungen haben. Wir sagen aber zugleich: Den Schulen, die es schwerer haben, wollen wir helfen. Ich bin fast jede Woche an einer Berliner Schule unterwegs, sehr oft an Brennpunktschulen.
Überall danken uns die Schulleiterinnen und Schulleiter und die Lehrkräfte für unser Programm. Sie bedanken sich für das Geld, aber vor allem dafür, dass sie selbst entscheiden können, was mit dem Geld geschieht, denn die Schulen kennen ihre Schulen am besten. Sie bestätigen uns aus dem Schulalltag: Das Programm wirkt.
Erinnern wir uns: Es gab eine Phase, da hatten wir regelmäßig Brandbriefe aus öffentlichen Schulen, geschrieben von verzweifelten Lehrkräften, von verzweifelten Eltern, von verzweifelten Schülerinnen und Schülern. Das war der traurige Alltag in der Berliner Bildungspolitik. Wir haben uns damit nicht abgefunden. Seit es das Brennpunktschulprogramm gibt, haben wir keine neuen Brandbriefe mehr erhalten, und man konnte letzte Woche in der Zeitung lesen: Die Anzahl der Schulschwänzer hat sich halbiert, und das ist ein Erfolg.
Wir werden in diesem Haushalt konsequent sein und auch die freien Schulen und Berufsschulen in das Brennpunktschulprogramm mit aufnehmen, denn uns sind alle Schülerinnen und Schüler gleich viel wert – egal, an welche Schule sie gehen. Denn für mich ist völlig klar: Scheitern die Schulen, dann scheitert die Gesellschaft.
Das Brennpunktschulprogramm ist nur ein kleiner Baustein unserer Politik für die Schulen. Die große Koalition hat konsequent die Schulsanierung in Berlin seit Beginn der Legislaturperiode vorangetrieben. Für den Schulausbau und die Schulsanierung investiert Berlin in den nächsten zwei Jahren
564 Millionen Euro. Wir investieren aber auch in mehr Personal im Bildungsbereich. Wir schaffen 2 000 neue Stellen für Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher. Noch nie seit der Wiedervereinigung hat Berlin so viel Geld in die Bildung investiert, und darauf sind wir stolz.
Der Wohnungsbau und faire Mieten, das ist eines der wichtigsten Aufgabenfelder dieses Jahrzehnts für die Stadt Berlin. In der rot-roten Koalition hat die SPD das Thema zu spät erkannt. Aus diesen Fehlern haben wir gelernt. Wir haben die Privatisierung des Wohnungsmarkts und der öffentlichen Liegenschaften beendet. Wir setzen auf mehr öffentlichen Wohnraum. 400 000 landeseigene Wohnungen – das ist unser Ziel. Damit zeigen wir mehr Entschlossenheit für den Wohnungsbau als jede andere politische Kraft in Berlin.
Genau deshalb war ein Kompromiss mit der Initiative „Mietenvolksentscheid“ überhaupt möglich. Es waren keine leichten Verhandlungen in diesem Sommer. Die Wege waren umstritten, aber im Ziel sind wir uns mit der Initiative einig. Unter dem Strich hat die Initiative durch die Verhandlungen mit uns mehr erreicht, als in einem Volksentscheid wegen des Kopplungsverbots möglich gewesen wäre.
Meine Bitte an alle Aktivistinnen und Aktivisten ist: Machen Sie weiter! Engagieren Sie sich weiter! Alleine
hätte die SPD die Mietenpolitik niemals gegen den Koalitionspartner so weit voranbringen können.
Wir haben gute Kompromisse gefunden. Anstatt wieder die Vermieter zu stärken, werden wir die Mieterinnen und Mieter von Sozialwohnungen direkt unterstützen. Wir haben die Aufgaben der städtischen Wohnungsbaugesellschaften klar definiert. Sie haben eine soziale Funktion in dieser Stadt. Deshalb sollen gerade Bürgerinnen und Bürger, die weniger verdienen, eine Chance auf eine städtische Wohnung haben. Wir werden das Eigenkapital der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften um 300 Millionen Euro verstärken. 900 Millionen Euro werden in den nächsten fünf Jahren für den Neubau mobilisiert.
Nirgendwo zeigt sich das strategische Dilemma der Linkspartei so sehr wie beim Wohnraumversorgungsgesetz. Die SPD hat mit der Initiative „Mietenvolksentscheid“ in einem Sommer mehr erreicht als mit der Linkspartei in zehn Jahren Regierung.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Steffen Zillich (LINKE): Im Doppelhaushalt erst mal gar kein Eigenkapital! – Martin Delius (PIRATEN): Wer war denn damals Stadtentwicklungssenator? – Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]
Der Wohnungsmarkt braucht einen starken Staat, der reguliert und Mieterinnen und Mieter schützt. Wir haben deshalb den Kündigungsschutz beim Eigenbedarf von Privatwohnungen auf zehn Jahre verlängert. Wir haben ein Gesetz gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum geschaffen und die Mietpreisbremse als erstes Bundesland schnell umgesetzt. Michael Müller und Andreas Geisel haben alle rechtlich möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um die Mieterinnen und Mieter im angespannten Wohnungsmarkt zu schützen, und darauf sind wir stolz.
Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Was bisher im Bundesrecht möglich war, reicht bei Weitem nicht mehr aus. Die Bundespolitik muss entschlossen handeln, um Übertreibungen und Auswüchse auf dem Wohnungsmarkt zu begrenzen. Justizminister Heiko Maas hat dazu Vorschläge erarbeitet, die ich voll und ganz unterstütze. Modernisierungskosten sind heute der Schleich
weg zum Mietwucher, und deshalb muss die Umlage von Modernisierungskosten stark begrenzt werden.
Der Beobachtungszeitraum für den Mietspiegel soll auf zehn Jahre ausgeweitet werden. Das würde für Berlin erhebliche Verbesserungen bedeuten. Deshalb werden wir als Land Berlin diese Initiative von Heiko Maas unterstützen. Wir brauchen mehr Ordnung auf dem Wohnungsmarkt!
Wir haben zu Beginn der Legislaturperiode einen Schwerpunkt auf den Ausbau der Sicherheit gelegt.
Es gibt in unserer Stadt zu Recht ein Grundbedürfnis nach Sicherheit. Reiche Leute können sich schützen, aber die breite Masse der Bevölkerung braucht einen starken Staat und eine starke Polizei. Das gehört für mich zur Daseinsvorsorge dazu.
Alles andere stärkt die Willkür. Ich möchte, dass sich in Berlin alle Menschen auf den Straßen und Plätzen, in der U- und S-Bahn sicher fühlen, Tag und Nacht.
Zum Beispiel die Zustände beim RAW-Gelände in diesem Sommer spotten jeder Beschreibung
vom Görlitzer Park ganz zu schweigen. Es kann und darf in einer weltoffenen Stadt keine rechtsfreien Räume geben. Damit können und werden wir uns als SPDFraktion niemals abfinden.
Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren
Berlins Polizei und Justiz gestärkt.
Im letzten Doppelhaushalt haben wir über 250 neue Stellen für unsere Sicherheitsbehörden geschaffen. In diesem Doppelhaushalt schaffen wir wieder 610 neue Stellen bei der Polizei und 370 Anwärterpositionen im Polizeivollzug. Wir haben nach langen Jahren der Entbehrungen und der knappen Kassen die Sicherheit in Berlin im Interesse der Bürgerinnen und Bürger stark erhöht.
In den Haushaltsberatungen haben immer die Grünen, die Linken, aber auch die Piraten von allem etwas mehr gefordert. Nur beim Thema Sicherheit ist bei Grünen und
Linken stille Nacht. Warum eigentlich? Das müssten Sie mal den Berlinerinnen und Berlinern erklären.
Die SPD-Fraktion und Finanzsenator Kollatz-Ahnen haben gemeinsam deutlich gemacht: Wenn die Stadt weiter wächst, dann werden wir in Zukunft pro Jahr 110 neue Stellen bei der Berliner Polizei haben. Wir wollen und werden die Polizei in dieser Stadt weiter stärken. Und wir als SPD-Fraktion werden an diesem Kurs auch in der nächsten Legislaturperiode festhalten. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind die Garantie dafür, dass die Berliner Polizei von der Landespolitik auch in Zukunft unterstützt wird.
Dazu gehört für mich auch, dass wir als Politik eine Fürsorgepflicht für unsere Polizistinnen und Polizisten haben
und dass wir als Arbeitgeber Rechtsschutz organisieren, wenn im Dienst etwas passiert. Wir nehmen unsere Fürsorgepflicht für die Berliner Polizistinnen und Polizisten ernst. Ich fordere den Senat auf, den behördlichen Rechtsschutz für die Polizei schnell umzusetzen.
Wir haben in den Schlussverhandlungen zu diesem Doppelhaushalt ein Sicherheitspaket beschlossen.
Der schreckliche Terroranschlag auf unsere Partnerstadt Paris hat gezeigt, dass alle Länder gefährdet sind. Das heißt aber auch, dass wir gerade in Berlin als herausgehobene Stadt in Deutschland das Mögliche tun müssen, um unsere Sicherheitsbehörden stark zu machen. Deshalb finanzieren wir die Einrichtung einer Taskforce für besondere Lagen in Berlin. Wir treffen damit Vorsorge für Situationen, die hoffentlich niemals eintreffen werden.
Terrorismus entsteht nicht nur im Ausland, sondern es gibt auch eine Gefahr von innen – auch hier in Berlin.
Aber auch viele liberale muslimische Verbände in Berlin machen jeden Tag deutlich: Terror hat keinen Gott! Keine Religion rechtfertigt Gewalt!
Deshalb müssen und werden wir die Prävention gegen Radikalisierung in Berlin weiter vorantreiben. Wir unterstützen zahlreiche Vereine in Berlin, die in der Bekämpfung von Antisemitismus, Rechtsradikalismus und Salafismus arbeiten. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir weiterhin alles tun müssen, damit unsere Jugendli
chen nicht in die Hände von Salafisten, Rechtsradikalen und anderen kriminellen Rattenfängern fallen.
Das ist unsere Verantwortung für die freie Gesellschaft und für den Frieden in unserer Stadt.
Zum sozialen Miteinander gehört auch, dass mehr und mehr Bürgerinnen und Bürger in Berlin eine wirtschaftliche Perspektive haben. Unsere Finanzpolitik trägt dazu bei, das Wirtschaftswachstum in Berlin auch in Zukunft zu stärken. Mit dem SIWA-Fonds haben wir in diesem Jahr Investitionen von 500 Millionen Euro mobilisiert: Investitionen in Schulen, in Krankenhäuser, in Polizei und Feuerwehr.
Diese Politik wirkt wie ein mittleres Konjunkturprogramm. Damit leisten wir einen echten Beitrag für eine starke Wirtschaft in unserer Stadt.
Im Landeshaushalt haben wir festgelegt, dass wir in den künftigen Innovations- und Technologiestandort Tegel insgesamt 34 Millionen Euro investieren. Dort haben wir Chancen auf einen neuen Standort nach dem Vorbild des Technologieparks Adlershof. Das Erfolgsrezept gilt auch weiterhin: Im Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft liegt die Zukunft unserer Stadt.
Die wirtschaftliche Vernetzung Berlins mit anderen Metropolen in aller Welt wird zunehmen. Und Berliner Unternehmen werden dann erfolgreich sein, wenn sie auf den globalen Wachstumsmärkten mitspielen.
Ich habe ja im September gemeinsam mit Susanne Kitschun, Ülker Radziwill und Rainer-Michael Lehmann unsere Partnerstadt Istanbul besucht.
Der Chef der Außenhandelskammer hat uns bestätigt: Berlin ist eine Marke. Berlin hat ein Profil, das in aller Welt beachtet wird. Dieses Profil bietet Chancen für eine stärkere Wirtschaft, und deshalb wollen und werden wir uns schrittweise stärker mit Auslandsvertretungen in wichtigen Wachstumsmärkten engagieren.
Andere Bundesländer haben bei der Werbung im Ausland Jahrzehnte Vorsprung. Das Bundesland Bayern hat in den letzten Jahren ständig neue Vertretungen eröffnet. Sie fördern damit ihren Export auch politisch. – Und Berlin? Berlin sitzt auf der Zuschauertribüne.
Es kann nicht sein, dass wir uns als wirtschaftlich starke Metropole, die wir ja sein wollen, kleinmachen.
Wir werden Berlin als Standort für Investitionen, für Fachkräfte und als Exportstandort international besser sichtbar machen.
Der Senat und die Fraktionen von SPD und CDU haben in diesen Haushaltsberatungen verantwortlich agiert. Wir haben uns nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausgeruht. Wir werden nicht den Weg der Opposition beschreiten und mehr Schulden machen.
Die Zahlen geben unserer echten, entschlossenen Konsolidierungspolitik recht. Hätte wir seit 2001 die Ausgaben so gesteigert wie die anderen Bundesländer, dann würden wir heute in Richtung 90 Milliarden Euro Schulden gehen. Niemand, auch nicht die Opposition sollte so tun, als ob dies ein gangbarer Weg wäre.
Er wäre weder nachhaltig noch wäre er sozial. Stattdessen senken wir die Schulden auf unter 60 Milliarden Euro.
In dieser Legislaturperiode ist der Schuldenstand jedes Jahr gesunken. Das ist ein Erfolg der großen Koalition, und das wird Berlin für Jahrzehnte stärken.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Ajibola Olalowo (GRÜNE): Sanierungsstau! – Joachim Esser (GRÜNE): Und die größten Geldverschwender von der CDU klatschen! – Unruhe]
Herr Esser ist aufgewacht. – Es stimmt, dass Berlin in diesem Haushalt Spielräume hatte. Aber wir müssen zugleich weiter die Rahmenbedingungen wie die gute Konjunktur, die Zinslage und die politische Stabilität beachten. Wir brauchten das stabile Ergebnis bei den Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich. Die Bundesländer haben es in ihrem Kompromiss geschafft, den Föderalismus in seiner Kernfunktion als solidarisches Miteinander zu erhalten. Das war so nicht zu erwarten,
und das ist ein großer Erfolg auch unseres Regierenden Bürgermeisters Michael Müller und des Finanzsenators. – Vielen Dank dafür!
Ich möchte gerne mal wissen, was die Opposition gesagt hätte, wenn das Stadtstaatenprivileg im Länderkompromiss nicht mehr enthalten wäre. Dann hätten Sie reingerufen: „Müller und Kollatz-Ahnen sind schuld!“ Und jetzt müssen Sie eigentlich den Mumm haben und hier vorne nachher zugeben, dass dieser Senat für die Stadt Berlin eine hervorragende Arbeit gemacht hat.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Evrim Sommer (LINKE): Oh, Mann! Das glauben Sie doch selber nicht! – Udo Wolf (LINKE): Gucken wir mal, was dabei rauskommt!]
Mein erster Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und der Fraktionen. Ich danke meinen Kollegen, Florian Graf und den Finanzpolitikern beider Fraktionen, aber auch Matthias Kollatz-Ahnen und den Senatsverwaltungen, unabhängig von ihrer parteipolitischen Prägung. Wir haben in den Verhandlungen zu diesem Haushalt gute Arbeit geleistet.
Wir leben in einer Zeit, die von Unsicherheiten geprägt ist: Die Flüchtlingskrise, die Kriege im Nahen Osten und das aufgeheizte innenpolitische Klima berühren die Bürgerinnen und Bürger. Viele machen sich Sorgen, ob es uns in Berlin auch morgen und übermorgen noch gut geht. Die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass Deutschland keine Insel der Seligen ist und dass die Konflikte dieser Welt auch in Berlin stattfinden. Gerade in dieser Zeit war und ist es die Aufgabe einer Regierung, Stabilität und Verlässlichkeit an den Tag zu legen, und genau das zeigen wir mit diesem Haushalt.
Die Bürgerinnen und Bürger werden uns nur vertrauen, wenn wir uns selbst vertrauen. Mit diesem Haushalt stellen wir die Weichen, worauf wir gemeinsam stolz sein können. Und dieses Vertrauen verkörpert der Regierende Bürgermeister Michael Müller. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin leistet in diesen Tagen unglaublich viel, um den ankommenden Flüchtlingen in unserer Stadt eine Unterkunft zu geben. Mein Dank gilt den Ehrenamtlichen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes Berlin auf allen Ebenen, ob beim LAGeSo, bei der Feuerwehr, in der Landesverwaltung oder in den Bezirken. Sie gehen über ihre Leistungsgrenzen hinaus.
Wir danken der Berliner Polizei, die in diesen Tagen die Sicherheitslage der Unterkünfte ganz besonders absichert. Wir danken auch den Tausenden Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen und Erziehern, die in den Schulen und Kitas mit Flüchtlingskindern arbeiten. Hier hat die Integration einer neuen Generation bereits begonnen!
In Berlin leben mittlerweile 56 000 Geflüchtete. Die Verteilung auf die Berliner Bezirke ist ungleich. Es gibt Bezirke, da leben nur 600 Flüchtlinge, in anderen sind es über 4 000. Dieses Ungleichgewicht ist nicht mehr hinnehmbar. Es kann doch nicht sein, dass zum Beispiel in Reinickendorf ein privates Unternehmen eine Halle zur Verfügung stellt, und dann verzögert sich die Nutzung, weil der Bezirk die Unterkunft blockiert. Das ist verantwortungslos!
Der Winter ist da, und jeden Tag kommen neue Flüchtlinge zu uns. Es ist unsere Verantwortung, dass sie ein Dach über dem Kopf haben. Um nicht mehr geht es im Moment, um die Vermeidung von Obdachlosigkeit. Es geht längst nicht mehr um Mindeststandards. Deshalb bin ich dem Regierenden Bürgermeister dankbar. Er hat zu Recht deutlich gemacht: Es besteht Handlungsbedarf. Die Prozesse müssen beschleunigt werden. Und die Politik hat die Aufgabe, das besser zu organisieren. Diese Haltung des Regierenden Bürgermeisters unterstützen wir als SPD-Fraktion.
Alles andere hieße, nichts zu tun und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Und das wäre verantwortungslos. Unsere Aufgabe liegt aber darin, Verantwortung zu übernehmen und Antworten auf die drängenden Fragen zu finden.
Die politischen Maßnahmen von heute werden aber nicht die einzigen bleiben. Nach Berlin kommen nicht nur jeden Tag Flüchtlinge, sondern auch Bürgerinnen und
(Ramona Pop)
Bürger aus Deutschland und aus ganz Europa. Berlin ist und bleibt eine der attraktivsten Städte Europas und ein Magnet für viele Menschen. Das heißt für uns: Wir werden unsere gesamte Wohnungsbaupolitik weiter ausbauen müssen, und zwar für alle Berlinerinnen und Berliner; nicht nur für Flüchtlinge, aber auch für Flüchtlinge.
Und jede und jeder in dieser Stadt muss seine Chance auf angemessenen Wohnraum haben. Wir lassen nicht zu, dass die Menschen in Berlin gegeneinander ausgespielt werden: die Rentnerin gegen den Studenten, der Flüchtling gegen die alleinerziehende Mutter. Sie alle beanspruchen zu Recht ihren Platz in Berlin.
Berlin und auch die anderen Bundesländer bemühen sich zurzeit um pragmatische Lösungen. Doch auf Bundesebene herrscht ein unsägliches Chaos. Die Bearbeitung von Asylanträgen dauert immer noch viel zu lange. Zugleich werden fast jede Woche neue politische Ideen von Regierungsvertretern in die Öffentlichkeit hinausposaunt. Der Tiefpunkt der Debatte ist der Versuch, den Familiennachzug von syrischen Flüchtlingen zu begrenzen. Es ist klar, auf Dauer ist eine Situation, wie wir sie im Moment erleben, nicht tragbar. Natürlich ist Deutschland nicht unbegrenzt belastbar. Aber mit denjenigen, die bereits hier sind, muss man respektvoll umgehen. Beim Familiennachzug anzusetzen, ist der falscheste aller Wege!
Das ist unmenschlich. Es bedeutet, dass Frauen und Kinder im Kriegsgebiet bleiben sollen. Oder meint der Bundesinnenminister, dass jetzt tausendfach Frauen und Kinder über die gefährliche Balkanroute kommen sollen? Eine Begrenzung des Familiennachzugs ist aber auch völlig kontraproduktiv. Denn wenn man Familien zerreißt, dann kann keine Integration gelingen. Deshalb schafft diese Idee Unsicherheit und Angst. So schadet man der Integration in Deutschland. Daher ist die Idee abzulehnen!
Solche Debatten zeigen, dass es einen inneren Konflikt in der Union gibt. Die CSU steht dem Rechtspopulisten Viktor Orbán näher als der eigenen Kanzlerin. Auch die CDU-Minister Schäuble und de Maizière gehen auf Distanz zur Kanzlerin. Und die CDU-Bundestagsfraktion stellt sich gegen die Haltung der Kanzlerin. Dieser Konflikt ist in solch einer angespannten Lage unerträglich. Die Union steht auf der Bundesebene am Rande der Regierungsfähigkeit. Meine Hoffnung ist, dass die Berliner CDU sich nicht weiter in diesen Sog hineinbegibt, dass wir weiter sachlich und pragmatisch arbeiten. Mit Paro
len und Scheinlösungen ist in Berlin niemandem geholfen. Stattdessen müssen und werden wir weiter unsere Hausaufgaben machen und diese Situation so gut wie möglich meistern – miteinander und nicht gegeneinander. Bitte bleiben Sie auf diesem Weg! Gerade in Ihren Ressorts und Verantwortungsbereichen ist doch so viel zu tun. Konzentrieren Sie sich lieber darauf!
Auf Bundesebene erleben wir politische Geisterfahrer. Doch auch die europäische Politik ist Teil des Problems. Europa droht an der Flüchtlingskrise zu scheitern. Deutschland ist mittlerweile fast das letzte Land mit einer liberalen Flüchtlingspolitik. Wenn es nicht mehr zu mehr Gemeinsamkeiten innerhalb der EU kommt, dann ist klar, das europäische Projekt der gemeinsamen Lasten und der Solidarität steht vor dem Aus. Zugleich ist die Flüchtlingskrise die Quittung für eine misslungene Politik der Weltgemeinschaft in den letzten 15 Jahren.
Wir haben nach 2001 Interventionen in Afghanistan, dem Irak und in Libyen erlebt. Aber es hat kaum oder gar keine politischen Lösungen gegeben. Das Vakuum, das nach den Interventionen und nach dem Arabischen Frühling entstanden ist, haben radikale Kräfte für sich genutzt.
Deshalb sind Afghanistan und der Irak natürlich keine sicheren Drittstaaten. Wer ernsthaft so tut, als wenn Afghanistan ein sicherer Drittstaat wäre, der macht der Bevölkerung etwas vor.
Wir müssen uns doch nicht wundern, wenn sich Menschen auf den Weg zu uns machen. Früher schien der Krieg in Syrien weit entfernt, nun sind die syrischen Kriegsflüchtlinge Teil unserer Lebenswirklichkeit in Berlin. Genau diese Zusammenhänge müssen wir den Menschen erklären. Wir müssen als Politik den Mut haben, auch in Kleingärten, auch in Vereinshäusern zu erklären, wie kompliziert diese Welt ist und dass Deutschland keine Insel ist.
Integration beginnt, wenn die Leute ihre Koffer auspacken. Wir dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Als die Gastarbeiter zu uns kamen, da glaubten viele noch, dass sie Gäste bleiben würden. Aber es sind Deutsche geworden. Die Aussage, dass die Leute schon bald wieder zurückkehren, war eine Lebenslüge. Und diese Lebenslüge dürfen wir nicht wiederholen. Viele Flüchtlinge werden bei uns bleiben. Sie sollen zu gleichberechtigten Berlinerinnen und Berlinern werden. Sie sollen teilhaben an unserer Wirtschaft, an unserer Kultur und an unserer Demokratie. Dafür brauchen wir
mehr als nur eine Willkommenskultur. Wir müssen dafür sorgen, dass sich Berlin für die, die hier sind, weiter wie eine Heimat anfühlt und dass Berlin für die, die zu uns kommen, zu einer Heimat wird.
Wie kann das gelingen? – Ich glaube, dass wir einen neuen Verständigungsprozess über das Gemeinsame, das Verbindende brauchen, eine Debatte über eine neue deutsche Leitkultur. Die Diskussion über die Leitkultur müssen wir gemeinsam führen, die Alteingesessenen und die Zugezogenen. So können wir Ängste abbauen, auf beiden Seiten. Eine Leitkultur heißt, wir stehen auf dem Boden des Grundgesetzes, alle gemeinsam. Rechtsstaatlichkeit und Schulpflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das Verbot der Diskriminierung von Minderheiten, Religionsfreiheit statt Staatsreligion, das sind Selbstverständlichkeiten. Wer sie nicht achtet, schließt sich aus der Gemeinschaft aus.
Unsere Werte gehen aber über die Rechte des Grundgesetzes hinaus. Wir stehen für harte Arbeit und soziale Sicherheit. Wir stehen ein für die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Und wir lassen auch nicht zu, dass diese Gleichberechtigung mit Verweis auf angebliche kulturelle Unterschiede beschränkt wird. Wir stehen ein für die gewaltfreie Erziehung. Zu unserer Leitkultur gehört auch, dass wir die Mitte unserer Gesellschaft stark machen, dass wir nach politischem Konsens suchen und dass wir Extremismus ablehnen, egal ob Rechtsextremismus, Linksextremismus, religiösen Extremismus oder Antisemitismus. Extremismus hat bei uns in Berlin keinen Platz!
Denn genau weil wir eine Demokratie sind, genau weil wir alle die Werte einer offenen Gesellschaft leben und teilen, deshalb fliehen die Menschen zu uns. Sie wollen nicht nach Saudi-Arabien oder nach Katar; sie wollen in Freiheit leben. Sie wünschen sich ein Leben in unserer Wertegemeinschaft. Das kann uns stolz machen und selbstbewusst. Es heißt aber auch, dass unsere Werte und unserer Kultur stärker werden und nicht schwächer, wie manche behaupten. Genau das müssen wir als Politik der Bevölkerung immer wieder erklären, erklären, erklären. Wir müssen das Gespräch mit den Berlinerinnen und Berlinern suchen, überall in der Stadt, auch an den Stammtischen. Und wir müssen, auch wenn es schwerfällt, jeden Tag neu für die Werte der Menschlichkeit, der Demokratie und der offenen Gesellschaft werben, anstatt Ängste zu schüren und Vorurteile zu verbreiten. Das ist unsere Aufgabe in dieser Zeit.
PEGIDA, AfD und andere Rechte sind die rhetorischen Brandstifter in unserer Republik. Die Gewalt der Worte schafft die Grundlage für einen neuen rechten Terror. Mittlerweile müssen wir erleben, dass Flüchtlingshelfer angegriffen werden, dass – wie in dieser Woche – auf ein Flüchtlingsheim geschossen wird. Journalisten werden von Rechtsextremen angegriffen, hier bei uns in unserer Hauptstadt. Vor den Wahlkreisbüros unserer Abgeordneten randalieren Nazis und bedrohen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. All das sind Angriffe auf unsere Werte, all das sind Angriffe auf unsere Kultur. Und all das sind Angriffe auf unsere Demokratie und damit auf uns alle!
Diesem neuen rechten Terror, dem Terror der Worte und dem Terror der Gewalt, müssen wir uns gemeinsam mit der Zivilgesellschaft entgegenstellen. Wir stehen zusammen für Freiheit, gesellschaftlichen Frieden, Vielfalt und Demokratie. Wir als Politikerinnen und Politiker tragen Verantwortung dafür, dass sich unsere Gesellschaft nicht spalten lässt, dass wir wirklich unsere deutsche Einheit, die Einheit von Ost und West, von Arm und Reich, von Migranten und Nichtmigranten, dass wir diese Einheit gemeinsam schaffen – mit Sachlichkeit, mit Augenmaß und mit entschlossenem Handeln. Mit einer Gemeinsamkeit über Parteigrenzen hinweg werden wir die Integration in eine starke deutsche Gesellschaft meistern. – Vielen Dank!