Marina Marquardt

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits bei der Einbringung des Gesetzes wurde nochmals darauf verwiesen, dass wir mit dem Investitionsprogramm Pflege für das Land Brandenburg gute Voraussetzungen für eine menschenwürdige Unterbringung alter, behinderter, chronisch kranker und suchtmittelabhängiger Menschen schaffen konnten. Das war eine großartige Leistung; denn nach der Wende entsprachen lediglich drei Einrichtungen in ihrem baulichen Standard der Heimmindestbauverordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Wie die Unterbringung in den Einrichtungen zum Teil erfolgte, muss man, glaube ich, an dieser Stelle nicht noch einmal ausführen. Aber in der Diskussion kamen mir doch Zweifel dahin gehend, dass einige die Einrichtungen vor der Wende nicht gesehen haben können, wie sie ausschauten und wie die Zusammensetzung in den Heimen funktionieren sollte.
Aus dieser Not heraus möglichst schnell zum bundesdeutschen Standard aufzuschließen, dazu ist auch das IVP-Programm notwendig gewesen, wenn es auch - im Nachhinein betrachtet dazu beigetragen hat, einige Verwerfungen im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit zuzulassen. Dennoch bildete sich nach der Wende eine Vielfalt von Trägern, die an der Umsetzung des Programms beteiligt waren, wodurch Bedingungen geschaffen wurden, die wir heute für gut befinden müssen. Es lässt sich nicht verhehlen - das muss auch noch einmal gesagt werden -, dass wir das Investitionsprogramm Pflege nicht in jedem Falle ungeteilt hätten mittragen können, weil Ungleichbehandlungen vorprogrammiert waren.
Wir alle wissen, dass wir im Land Brandenburg nicht nur auf das Allgemeinwohl bedachte Unternehmen binden konnten, sondern dass bei einigen Trägern auch eine gewisse „BedienerMentalität“ festgestellt werden konnte. Beispiele sind wohl jedem bekannt.
Die betreffende Entscheidung lässt sich heute nicht mehr korrigieren. Es wurde bereits mehrfach aus Anhörungen zitiert. Daher ist klar, dass natürlich auch Bedenken geäußert wurden. Dennoch steht das Land davor, vordergründig die öffentlich geförderten Plätze entsprechend zu besetzen, weil die Fördergelderausreichung - auch im Nachhinein - letztlich immer wieder nachgewiesen werden muss. Insofern ist dies wohl verständlich. Dass die privaten Träger eine Ungleichbehandlung darin sehen, muss man ehrlicherweise zur Kenntnis nehmen. Man kann diese Bedenken sicherlich nachvollziehen und verstehen, zumal wir im Land in keiner Weise auf diese Träger
verzichten können, erfüllen sie doch im Wesentlichen den staatlichen Versorgungsauftrag mit.
Andererseits muss man ehrlicherweise sagen, dass nach Fortsetzung des Investitionsprogrammes Pflege eine weitere Förderung nicht mehr möglich ist. Bei unserem Landeshaushalt braucht man darüber, glaube ich, nicht mehr zu diskutieren. Ich teile auch nicht ganz die Sorge, die Frau Bednarsky hat, dass es eine Zweiteilung gibt. In meinem Wahlkreis kann ich das nicht feststellen. Es gibt eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen dem Sozialamt und den Trägern - egal, ob es sich um Träger der freien Wohlfahrt oder um private Träger handelt.
Ich möchte an dieser Stelle dennoch etwas zu den privaten Trägern anmerken, was man noch einmal formulieren kann: Es gibt seit dem vergangenen Jahr ein bundesdeutsches Altenpflegeausbildungsgesetz. Ich muss feststellen, dass sich auch in diesem Jahr wie bereits im vergangenen Jahr abzeichnet, dass es nur die freien Träger sind, die sich um die Ausbildung des Nachwuchses bemühen. Nur diese Träger sind bereit, die Kosten - wenn auch über Refinanzierung - mit zu übernehmen, während sich die übrigen Träger im Moment in einer stillen Verweigerungshaltung befinden. Ich sehe das mit sehr viel Bedenken vor dem demographischen Hintergrund des Landes und vor dem Hintergrund, dass wir in wenigen Jahren einerseits eine noch wesentlich höhere Decke absichern müssen und andererseits die Jugendlichen nicht mehr zur Verfügung haben, die dann in eine Ausbildung streben müssten. Wenn das von dieser Stelle aus nicht gesehen und unterstützt wird, kommen wir in wirklich schwieriges Fahrwasser. So sehe ich es zumindest in den potsdamfernen Regionen.
Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass man diesem Gesetz erst einmal ungeteilt zustimmen kann. Ich denke - auch das hat Frau Konzack gesagt -, wir werden es weiterhin parlamentarisch begleiten und es wird sicherlich aufgrund der demographischen Veränderungen auch immer wieder einer Korrektur bedürfen, damit der Versorgungsauftrag jederzeit erfüllt werden kann. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass wir dieses Thema immer wieder im Landtag haben, zeugt davon, dass es uns um die Behinderten geht und dass sie uns nicht gleichgültig sind. Jetzt war der Anlass dazu, dass die PDS-Fraktion eine Große Anfrage gestellt hat. Diese Anfrage impliziert, dass das Land Brandenburg zu wenig für Behinderte tue und dass permanent Standards zurückgefahren würden. Das kann man insbesondere ich - nicht so im Raum stehen lassen.
Aber lassen Sie mich einiges Grundsätzliche voranstellen. Wir haben im Land Brandenburg - das hatte ich bereits im vorhergehenden Beitrag gesagt - wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Probleme, sodass auch aus haushalterischen Gesichtspunkten sozialpolitischen Forderungen Grenzen gesetzt sind. Es gefällt uns Sozialpolitikern sicherlich nicht immer, wenn wir Kürzungen hinnehmen müssen. Aber wir streiten in jedem Einzelfall und um jede Haushaltsposition. Trotzdem möchte ich anmerken, dass sich aus fachlicher Sicht mein Widerstand regt, wenn Sie sagen, das Land kümmere sich nur um die über 40-Jährigen.
- Sie haben in Ihrem Beitrag gesagt, es habe den Anschein, dass wir uns verstärkt um die über 40-Jährigen kümmerten.
Ich denke, dass sie ein Recht darauf haben. Wir haben erst seit 1974 - das sollte allen, die in der DDR gelebt haben, bekannt sein - eine staatliche Behindertenpolitik betrieben. Bis 1974 oblag es ausschließlich den kirchlichen Trägern, sich um Behinderte, vor allen Dingen um die Schwerstbehinderten, zu kümmern. Davon sollte man ausgehen. Wer die Einrichtungen kennt, weiß, dass sie einfach unmenschlich waren.
Im Moment bitte nicht.
Ich denke, in den letzten 14 Jahren ist viel geschehen. Schauen wir uns den Standard der Einrichtungen an. Schauen wir uns Einzelfälle an. Ich bin immer wieder beeindruckt und zutiefst
betroffen, wenn ich in das Haus "Martin" in Eisenhüttenstadt gehe und dort einen 50-jährigen Mann vorfinde, der 40 Jahre lang in Teupitz hospitalisiert war und nun nach zehn Jahren Förderpflege in der Lage ist, elementare Selbstbedienungstätigkeiten zu verrichten. Auch das ist Behindertenpolitik in Brandenburg. Diese kann man nicht mit einem Staubwedel wegwischen.
Ich möchte das im Moment bitte nicht.
Übrigens gelten in der Bundesrepublik 15 bis 20 % der Bevölkerung im weiteren Sinne als Behinderte. Diese Menschen sind körperlich, geistig oder psychisch behindert oder mehrfach schwerstbehindert. Das ist keine Randgruppe, sondern eine Gruppe, die ständig unserer besonderen Fürsorge und unseres besonderen Augenmerks bedarf, weil es eben auch eine Querschnittsaufgabe ist, die sich durch alle Bereiche unserer Gesellschaft zieht.
Sie zielen in Ihrer Anfrage auf die nicht werkstattfähigen Behinderungen ab. Hinsichtlich der werkstattfähigen und der nicht werkstattfähigen Behinderten wurden in Brandenburg große Fortschritte erzielt. Deshalb ist der unterschwellige Vorwurf der PDS-Fraktion nicht nachvollziehbar. Bei der Beantwortung der Frage 5 wird beispielsweise deutlich, dass Brandenburg im Vergleich mit den neuen Bundesländern, aber auch im Vergleich mit den von Ihnen zitierten Ländern wie dem Saarland, Hamburg und Berlin, besonders viele Plätze - pro 1 000 Einwohner sind es 4,75 - zur Verfügung stellt. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 4,19 Plätzen.
Auch andere in der Großen Anfrage gestellte Fragen sind zum Teil nicht nachvollziehbar, so beispielsweise die Frage nach Einsparungen oder nach neu zu errichtenden Plätzen im Förder- und Beschäftigungsbereich. Die Anzahl der Plätze ist zurzeit ausreichend. Mir ist kein Fall bekannt, dass kein Platz zur Verfügung gestellt werden konnte. Wie die Landesregierung in ihrer Antwort mitteilt, ist die Anzahl der Plätze auch mittelfristig auskömmlich.
Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass die PDS mit ihrer Anfrage nachweisen will, dass es Behinderten in der heutigen Zeit schlechter geht als in der DDR.
Das ist für mich nicht nachvollziehbar, wenn ich mir anschaue, was wir in 14...
- Ich bin vor Ort in unseren Werkstätten. Es gibt immer Probleme.
- Ich nehme sie zur Kenntnis und wir sprechen sie aus, aber sie sind einfach kein gesamtgesellschaftliches Problem.
Wenn ich mir zum Beispiel den Qualitätsstandard des Personals anschaue, dann frage ich Sie: Wo gab es früher den Heilerziehungspfleger? Wo gab es den Heilerziehungspädagogen? Wir haben heute hoch qualifiziertes Personal, therapeutisches Personal, sodass sich mir nicht erschließt, wie man eine solche Negativbilanz aufmachen kann. Dem kann ich nicht zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal wenden wir uns dem Problem der Alten, Kranken und Behinderten zu. Aber ich möchte dieses Thema unter einem anderen Gesichtspunkt beleuchten. Frau Konzack hat dazu das Sachlich-Fachliche beigetragen.
Erst wenn man sich die Ausgangslage von 1990 anguckt, unter der alte, behinderte, chronisch kranke und suchtmittelabhängige Menschen leben mussten, kann man verstehen, was in den letzten 14 Jahren gewachsen und umgesetzt worden ist. Das war ein unvergleichlicher Kraftakt, um für all diese Betroffenen menschenwürdige Verhältnisse zu schaffen. Durch materiell-technische Änderungen, durch die personellen Verstärkungen durch qualifiziertes Personal, aber auch durch strukturelle Änderungen in der Betreuung haben wir viel erreicht. Sicherlich kann man mit dem Erreichten nie zufrieden sein, aber ich meine, nach 14 Jahren ist angesagt, dass auch in den Häusern selbst Positionen neu bestimmt werden, dass sie nach qualitativ neuen Wegen suchen, ohne in jedem Fall noch die materielle und auch personelle Zuführung zu bekommen, die sie bis zum heutigen Zeitpunkt erfahren haben.
Da das Elfte Buch Sozialgesetzbuch den Wettbewerb regelt und auch europarechtliche Vorgaben bestehen, ist es notwendig, eine entsprechende Anpassung des Landespflegegesetzes vorzunehmen. Ich meine, es ist auch an der Zeit zu sagen, dass die Förderung durch die öffentliche Hand eingeschränkt wird. Das wird uns aber nicht daran hindern, weiter nach Wegen zu suchen, den Leitsatz - darin gehen wir sicherlich konform „ambulant vor stationär“ weiter zu verfolgen. Darüber hinaus sehe ich auch einen Riesendiskussionsbedarf, der uns vor dem Hintergrund der Studie, welche Folgen die demographische Entwicklung in den peripheren Räumen Brandenburgs haben wird, erwartet, um auch insofern möglicherweise nach völlig anderen Wegen zu suchen, als wir sie heute gehen. Ich meine, das ist auch ein Erarbeitungsgewinn, den wir im Fachausschuss
weiter verfolgen und begleiten werden. Ich bitte daher darum, diesen Gesetzentwurf an den Fachausschuss zu überweisen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte als Erstes die Möglichkeit nutzen, die Drucksache 3/6507 allen Abgeordneten wärmstens zur Lektüre zu empfehlen, vor allem die einleitend aufgeführten 58 Fragen - 58 Fragen querbeet, wenig zielorientiert, um Grundprobleme behinderter Frauen und Mädchen aufzuzeigen.
Die Antwort auf die Große Anfrage der PDS schließt sich der Anfrage an, die die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter zum Inhalt hat. Niemand wird bestreiten wollen, dass die Situation behinderter Frauen und Mädchen oft schwieriger ist als die der behinderten Männer. Das ist aber auch bei nicht Behinderten der Fall.
Dass die Belange von Menschen mit Behinderungen für uns keine Nebensächlichkeit sind, muss man nicht betonen. Ein Beispiel dafür ist das Brandenburgische Chancengleichheitsgesetz, das wir im vorigen Jahr verabschiedet haben. Lassen Sie mich daran erinnern, dass wir als Sozialpolitiker froh darüber
waren, dass es trotz knapper Kassen nicht zu weiteren Kürzungen des Landespflegegeldes gekommen ist.
Natürlich - das habe ich an dieser Stelle schon gesagt - ist nicht immer alles von uns Sozialpolitikern Gewünschte auch das Finanzier- und Machbare. Das gilt auch für die Dinge, die wir für unsere Behinderten tun können.
Die Nachteile möglichst umfassend auszugleichen ist, so glaube ich, ein guter Ansatz. Es ist richtig, sich mit einzelnen Punkten der Anfrage zu beschäftigen, damit das Augenmerk immer wieder einmal auch auf die Probleme der Betroffenen gelenkt wird. Bezüglich dessen, wie man sich des Themas annehmen sollte, gehen unsere Ansichten jedoch weit auseinander.
Einige der von der PDS-Fraktion gestellten Fragen sind weltfremd, weil sie davon ausgehen, dass wir alles statistisch erfassen können, wie wir es zu DDR-Zeiten leider erfahren mussten. Der gläserne Bürger war allgegenwärtig.
Demzufolge empfinde ich einen Teil der Fragen - Frau Konzack hat dies vorhin deutlich gesagt; ich kann es nur noch einmal betonen -, beispielsweise die Frage 54, einfach als entwürdigend. Ich stelle mir dies in der Praxis vor, wo dann die Standesbeamtin, wenn zwei Menschen das Aufgebot bestellen, zunächst fragt: „Wer von Ihnen ist behindert?“; denn es gibt natürlich auch Behinderungen, die nicht sichtbar sind. So helfen wir Behinderten nicht.
Viele Ihrer Fragen, zum Beispiel die nach Wohnsituation, Familienstand oder Schul- und Berufsausbildung, wären in gleicher Weise behinderten Männern zu stellen. Die beste Möglichkeit, Menschen mit Behinderungen zu integrieren, sehe ich in der beruflichen Integration. Die Arbeit ermöglicht es, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Es werden nicht nur soziale Kontakte - eben auch zu Nichtbehinderten - geknüpft, sondern dies gibt den Behinderten auch das Gefühl, das sie brauchen: angenommen zu werden, wie sie sind.
Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass schwerbehinderte Frauen überproportional stark an Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen haben. In diesem Zusammenhang ist auch - diesbezüglich hat Frau Konzack vorhin ebenfalls vorgearbeitet - das Sonderprogramm SOFIA, das die Integration behinderter Frauen auf dem ersten Arbeitsmarkt unterstützen sollte, sehr zu begrüßen. Es hat jedoch, wie wir mit Bedauern feststellen mussten, nicht das gewünschte Echo gehabt. Dahinter verbergen sich gewisse Probleme. Wir müssen das Selbstwertgefühl, das Selbstbewusstsein der Menschen stärken, sich auch zu ihrer Behinderung zu bekennen und ihr unverbrieftes Recht wahrzunehmen. - Auch solche Dinge müssen wir also unterstützen.
Die umfassenden arbeitsmarktpolitischen Umwälzungen dürfen nicht dazu führen, dass künftig weniger Augenmerk auf die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen gerichtet wird.
Positiv wird es sich künftig auch auswirken, dass Behinderte starke Interessenvertretungen haben, Selbsthilfegruppen usw., die engagiert auf Unzulänglichkeiten aufmerksam machen.
Ich denke, dass wir einen Teil der Probleme wie gehabt weiter im Fachausschuss - wo sie hingehören - diskutieren werden,
um auch der Würde der Betroffenen in zunehmendem Maße gerecht werden zu können.
Wenn wir es ehrlich meinen, sollten wir Behinderte so weit wie möglich nicht auf ihre Behinderung reduzieren und nicht zuvörderst fragen, was derjenige nicht kann, sondern sollten zuerst die Frage stellen, was er kann. Das trifft auf Gesunde zu und das sollten wir auch Behinderten angedeihen lassen.
Bundesminister Clement setzt sich für mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze ein. Der Presse war zu entnehmen, dass der Minister in der vergangenen Woche mit einem Bus durch Berlin und Brandenburg gereist ist und in ausgesuchten Betrieben für zusätzliche Ausbildungsplätze geworben hat. Am 15.08.2003 fand dann der Aktionstag „Team-Arbeit für Deutschland“ statt und Anfang September soll ein Programm für 100 000 Langzeitarbeitslose in den neuen Bundesländern starten. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Aktionismus über den fehlenden Aufschwung hinwegtäuschen soll.
Ich frage die Landesregierung: Welche messbaren Erfolge wird es für Brandenburg durch die oben genannten Aktivitäten geben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor fast zwei Jahren, am 04.04.2001, haben wir uns schon einmal mit dieser Thematik sehr ernsthaft auseinander gesetzt. Lassen Sie mich in diesem Jahr einmal mit einem emotionalen Einstieg beginnen.
Wegen des Parlamentarischen Abends ist es gestern recht spät geworden. Um noch etwas abzuschalten und zur Ruhe zu kommen, nahm ich Gelegenheit, mir die Fernsehsendung Johannes B. Kerner anzusehen. Es war mittlerweile 23.45 Uhr, als Menschen vorgestellt wurden, denen entweder eine sehr frühe Schädigung oder eine sehr späte Schädigung widerfahren ist.
In der Sendung trat ein junger Mann auf, der armlos geboren wurde und heute als Brillen-Designer bei einem anerkannten deutschen Modedesigner arbeitet. Er fährt Auto und macht Menschen Mut. Er hat mich nachdenklich gestimmt, warum man oft schlecht gelaunt ist. Dazu haben wir überhaupt keinen Grund. Diese Menschen sind bewundernswert. - Was in der Sendung weiter folgte, war noch schlimmer.
Was mich veranlasst hat, heute Bezug darauf zu nehmen, ist folgender Sachverhalt: Die Medien haben den wichtigen Auftrag zu helfen, Vorurteile abzubauen. Ich beobachte immer wieder, dass solche Beiträge zu so später Stunde kommen, dass kaum jemand noch wach ist bzw. nur der so genannte normale Bürger Fernsehen schaut - ob es nun die Problematik alter oder die behinderter Menschen betrifft. Das bedauere ich außerordentlich. Die Medien haben meiner Meinung nach die Aufgabe, uns schrittweise auch ein wenig dabei zu helfen, Vorurteile abzubauen; denn es ist unabänderlich, dass hier einiges getan werden muss.
Ich habe schon in meinem Redebeitrag vor zwei Jahren gesagt, dass es sehr wichtig ist, durch Informationen, Wissen und vielfältige Kommunikationsebenen Vorurteile in den Köpfen Nichtbehinderter abzubauen. Hier kann sich jeder Einzelne einbringen.
Es ist schon beschämend, wenn so ein junger Mann kommt und jemand ihm die Hand geben möchte und dann peinlich berührt ist, weil er das einfach nicht täglich übt. Die tägliche Begrüßung erfolgt eben durch das Handgeben. Wie erreiche ich die Schulter? Das ist ein Lernprozess. Je mehr Begegnungen wir durch integrative Arbeit schaffen - auch in unseren Bildungseinrichtungen -, desto eher werden wir ein Stück vorankommen. Wir sind bereits ein ganzes Stück vorangekommen.
Ich möchte hier nicht immer wieder das Negative in den Vordergrund stellen, sondern auch daran erinnern, was wir getan und auf den Weg gebracht haben, sicherlich nicht, um uns im Erfolg zu sonnen, sondern um Stück für Stück immer weiter auf dem Weg voranzukommen.
Ich möchte die sicherlich dramatisch zu nennenden Zahlen der Arbeitslosen im Lande anführen: Im April 2003 waren 262 060
Menschen arbeitslos, davon 6 487 schwerbehinderte. Warum nenne ich diese Zahlen? Ich möchte damit verdeutlichen, dass wir uns insgesamt in einer äußerst angespannten und brisanten arbeitsmarktpolitischen Situation befinden und die Rate des Monats April des Vorjahres beträchtlich überschritten haben.
Bei wirklicher Integration Behinderter ist es allerdings so, dass Behinderte genauso betroffen sind wie Nichtbehinderte. Diese Koppelung ist nicht schön, ist aber eine Gegebenheit.
Insbesondere für schwerbehinderte Menschen ist Arbeit eine wichtige Integrationsmöglichkeit. Die Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme demonstriert sozusagen die tatsächliche Integration in die Gesellschaft. Sie ist für die Behinderten ebenso wichtig wie für die meisten so genannten Gesunden.
Den Lebensunterhalt selbst zu verdienen ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben, frei von der Alimentierung durch die Gesellschaft. Die Arbeitslosigkeit unter Schwerbehinderten hat, wie auch in der Antwort ausgeführt, bundesweit wieder zugenommen. Daran konnten weder das SGB IX, das Schwerbehindertengesetz noch das Gleichstellungsgesetz etwas ändern. Es lag mit Sicherheit auch nicht am mangelnden Engagement der Landesregierung oder der Arbeitsämter. Ich suche regelmäßig drei Arbeitsämter auf, um nachzufragen, wie sich die Situation der arbeitslosen Behinderten darstellt. Niemand ist mit der aktuellen Situation zufrieden. Jeder sucht nach Lösungsansätzen, aber der Königsweg ist noch nicht gefunden.
Die von Landesseite gestartete Initiative SOFIA, das Sonderprogramm zur Einstellung behinderter Frauen, erweist sich in der Umsetzung als nicht so erfolgreich wie erwartet. Die Initiatoren hatten gehofft, dass es nach Ablauf des Förderzeitraumes zu einer arbeitsmäßigen Bindung kommen würde. Dies ist nicht in jedem Falle gelungen. Die Unternehmen haben die zielgruppenscharfe Regelung begrüßt. Trotz allem muss man feststellen, dass jeder Nachteilsausgleich per Gesetz oder Verordnung immer nur ein Anstoß zum Handeln sein kann.
Wenn die Belange Behinderter nicht aus Überzeugung berücksichtigt werden, ist auch die Politik machtlos. In letzter Zeit sind im Zuge des Europäischen Jahres des Behinderten mehrere Artikel erschienen, auf die ich mich beziehen möchte. Wenn es um arbeitslose Schwerbehinderte geht, muss individuell verfahren werden, je nachdem, um welchen Arbeitsplatz und um welche Art der Behinderung es sich handelt. Lösungswege sind nicht für zehn Betroffene gleichzeitig, sondern individuell festzulegen.
Oft ist es Gedankenlosigkeit der Nichtbehinderten, die Menschen mit Behinderung das Leben erschwert. Die Arbeit des Integrationsamtes war meiner Ansicht nach immer von großem Engagement für die Belange behinderter Menschen geprägt. Gleiches gilt für die Integrationsfachdienste. Wenn ich mich mit den Problemen vor Ort beschäftige, stelle ich immer wieder fest, dass diejenigen, die sich in ihrer Arbeitswelt den Behinderten widmen, dies mit Engagement, Herz und Verstand tun und nicht nur als bezahlte Lohnarbeit ansehen. Das bewegt mich immer wieder; denn eine solche Haltung findet man nicht in jedem Bereich der Gesellschaft. Ich bin der festen Überzeugung, dass diejenigen, die in der Behindertenbetreuung tätig sind, ihren Beruf als Berufung verstehen. Diese Tätigkeit ist an Zufriedenheit gebunden, weil niemand so dankbar auf Menschen zugehen kann wie die Betroffenen selbst.
Ich komme zur Arbeitgeberseite. Es gibt Arbeitgeber, die aus eigener Überzeugung handeln; andere finden Möglichkeiten, Gesetze zu umgehen. Häufig wird nur auf die negativen Erscheinungen hingewiesen. Im „Oder-Spree-Journal“ vom 16. Mai wurde die Metallbaufirma Heckmann vorgestellt, die zwei gehörlose Mitarbeiter eingestellt hat. In einem großen Beitrag wurde dargestellt, welche Probleme sich aus der Zusammenarbeit mit den übrigen Mitarbeitern ergeben, aber auch, welche Chancen sich für das Unternehmen eröffnen. Auf dieser Ebene kann das Gesetz wirksam werden.
Die Antwort auf die Frage nach den Auswirkungen der Neuregelung der Ausgleichsabgabe bzw. der Pflichtquote ist sicherlich mit Spannung erwartet worden. Es ist bedauerlich, dass uns dazu noch keine Zahlen vorliegen.
Positiv ist festzustellen, dass in der Landesverwaltung und den nachgeordneten Behörden bei rückläufiger Gesamtmitarbeiterzahl eine Zunahme der Zahl schwerbehinderter Mitarbeiter zu verzeichnen ist. Dieser positive Trend kann nicht schlecht geredet werden.
Die Entwicklung der Platzkapazität in den Werkstätten für Behinderte ist ebenfalls positiv zu bewerten. Man darf mit dem Erreichten nie zufrieden sein, es bleiben immer Wünsche offen. Dennoch bin ich der Auffassung, dass wir im Bereich der Behindertenbetreuung trotz aller Sparzwänge auf einem guten Wege sind. Dies ist sicherlich auch dem Engagement des Landesbehindertenbeauftragten, Herrn Kluge, und der Behindertenverbände zu danken. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Referatsleiterin im MASGF, Frau Lammel, die sich stets sehr kooperativ zeigt. In vielen Einzelfällen, für die ich mich eingesetzt habe, sind ihr Sachverstand und ihre differenzierten Kenntnisse der Situation der Behinderten im Lande deutlich geworden. Dies ist anerkennenswert.
Jeder ist aufgerufen, seine Gedankenlosigkeit abzulegen und etwas mehr mit dem Herzen zu sehen; denn 84 % der Betroffenen werden durch Krankheit oder Unfälle schwerbehindert. Nur bei 16 % sind die Schäden angeboren. Morgen kann jeder von uns Betroffener sein. Deswegen ist jeder von uns angesprochen. Erst wenn wir eine Sonderzeitung drucken können, die nur solche Beispiele, wie ich sie soeben genannt habe, enthält, oder wenn sich ein Zeitungsartikel, der die Besonderheiten des Umgangs mit diesen Fragen herausstellt, erübrigt, können wir ein Stück weit zufrieden sein. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich tue mich mit dem Antrag der PDS allein von der Interpretationsleistung her, wie er gestellt ist, schwer. Es geht erstens darum, die Sprachkompetenzen unserer Kinder in der Hauptentwicklungsphase des Sprechens - Frau Redepenning hat dazu bereits Ausführungen gemacht - weiterhin zu stärken, um Entwicklungsverzögerungen oder Sprachauffälligkeiten zu verhindern. Das ist der erste Auftrag, den Eltern und auch Kindereinrichtungen, die mit Fachpersonal ausgestattet sind, einfach zu leisten haben.
Zum Zweiten, denke ich, muss man sicherlich prüfen, inwieweit wir in der Erzieherausbildung stärker für ein frühzeitiges Signalisieren - sprich diagnostischer Fähigkeiten, psychologischer Fähigkeiten - sorgen, damit die Erzieher in der Lage sind, erste Ansätze von Entwicklungsabweichungen oder einer verzögerten Entwicklung zu diagnostizieren, um geeignete Frühmaßnahmen zu tätigen.
Was sie nicht leisten kann und wird - das wird sicherlich auch künftig nicht zu leisten sein -, sind Sondersprachleistungen, also Sondersprachförderung. Dafür haben wir Fachpädagogen, Sprachtherapeuten und Logopäden, die das leisten sollen und müssen. Diesbezüglich tue ich mich etwas schwer; denn der Ansatz ist sicherlich folgender - so lautet auch das Modellprojekt -: „Sprechverhalten und Sprachförderung in der Kita“
Seit 1963 bin ich mit dem Tätigkeitsfeld befasst und weiß, dass die Sprechentwicklung und Sprachförderung von Anfang an ein Brennthema war, das uns immer beschäftigt hat, weil wir nie auch nicht zu DDR-Zeiten - mit den Ergebnissen zufrieden waren, wenn man das Gefälle betrachtet. Die Verweildauer der Kinder in den Einrichtungen - beispielsweise in den Wochenkrippen - ist immer mit erheblichen Sprachdefiziten einhergegangen. So neu ist das Problem also nicht. Wir haben diesbezüglich sicherlich noch sehr viel mehr zu leisten.
Mir kommt es darauf an, die Bedingungen für die Sprechentwicklung zu stärken, also eine Umwelt zu schaffen, die entwicklungsgerecht ist, um die Kinder, die von Hause aus neugierig und interessiert sind, anzuregen, Dinge zu erkunden und Dinge zu erfassen, um auch sprachlich animiert zu werden. Sprache entwickelt sich, indem die Kinder Gegenstände, Erscheinungen, Personen benennen möchten, um sich verständlich zu machen. Das ist sicherlich der Ansatz.
Ja, gern.
Diesen Zusammenhang sehe ich so nicht. Es ist keine Frage des einfachen Verbalisierens, sondern ich sehe auch zeitbezogene Probleme, wenn ich an Sprechgeschwindigkeit oder an die Mängel in den Familien denke. Es setzt sich im gesamten Alltag der Kita sicherlich fort, dass mitunter zu wenig Zeit bleibt, um sich zu artikulieren. Die Studie zeigt, dass sprachauffällige Kinder in einer Gruppe sehr gut sprechender Kinder - das wird in der Studie eindeutig gesagt - ganz einfach auch zurückgedrängt werden. Das können wir nicht zulassen. Da gibt es schon Bezüge und ich glaube, dass wir fachlich gar nicht sehr weit auseinander liegen. Ich tue mich aber einerseits mit der Formulierung des Antrags schwer, andererseits stört mich wieder, dass in der Kürze der Zeit - Juli 2003 - Dinge festgelegt werden sollen, die innerhalb dieses Zeitraums nicht mit langfristigen Zielen zu versehen sind. Lassen Sie uns doch erst einmal in Ruhe die Studie überdenken. Die Forderung, dass sie weiter publiziert wird, ist nicht wichtig. Jeder Pädagoge im Landesdienst, der die Kinder betreut, ist dazu verpflichtet, ins Internet zu schauen. Der Bericht ist daher jederzeit zugänglich, sodass wir ihn nicht weiter streuen müssen. Damit haben wir überhaupt nichts gewonnen. Die Studie ist schon bisher jedem Erzieher zugänglich gewesen. In seinem Interesse liegt es, die Ergebnisse der Studie in seiner Arbeit auch zu bewerten. Darin steckt meiner Ansicht nach das Problem. Für mich ergibt sich allein schon aus der Zeitschiene, dass wir den Antrag ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, im Wesentlichen sind alle Dinge besprochen. Meine Koalitionskollegin Konzack hat auch über den Werdegang referiert und dargelegt, wie schwer es war, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen, vor allem auch vor dem Hintergrund unseres aufgrund der Haushaltslage begrenzten Handlungsspielraums.
Ich meine, dass dieses Gesetz zur Gleichstellung nur eine Integrationshilfe ist - ich habe dies hier bereits mehrmals betont -, dass es ein Zeichen nach draußen setzt, dass wir uns im Sozialausschuss und als Abgeordnete dieses Landtages durchaus mit den Problemen von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen auseinander setzen und dass wir bemüht waren, uns auch im Zuge dieses Verfahrens die Probleme Behinderter sehr genau anzuhören, um feststellen zu können, was dazu im Gesetz festgeschrieben werden muss und was uns aus den bereits genannten Gründen nicht möglich ist.
Mehrere Landtagsausschüsse waren mitberatend eingebunden. Trotz der Bedenken der Finanz- und Innenpolitiker hinsichtlich der Finanzier- und Umsetzbarkeit des Gesetzes wurde es in der vergangenen Woche im zuständigen Fachausschuss abschließend behandelt. Die Sozialpolitiker gehen davon aus, dass es sich um eine für das Land leistbare Summe handelt, die wir auch unter den gegenwärtig schwierigen Bedingungen erbringen können und müssen, um für die behinderten Menschen im Lande glaubwürdig zu werden.
Außerdem muss man anmerken, dass bei dem Abstimmungsmarathon mit dem Städte- und Gemeindebund, dem Landkreistag und den Betroffenenverbänden, der der Einbringung des Gesetzes vorausging, verschiedene Hinweise und Änderungsvorschläge sehr wohl berücksichtigt wurden.
Obwohl das heute zur Verabschiedung vorliegende Gesetz für die einen zu weitreichend ist und den anderen nicht weit genug geht, halte ich seine Verabschiedung nach wie vor für mehr als nur ein positives Signal nach draußen. Das Gesetz wird dazu
beitragen, einen weiteren Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen durchzusetzen, gleichgültig, ob es zum Beispiel um die Gestaltung von Bescheiden oder Vordrucken geht. Ich möchte das nicht erweitern, Frau Konzack hat es bereits genannt. Das Gesetz - damit wiederhole ich mich zum dritten Mal - kann nur ein Beitrag sein. Gleichberechtigung, Gleichstellung ermöglicht jeder Bürger dem anderen, egal, ob er behindert oder nicht behindert ist. Nur, die Behinderten brauchen unsere Wachsamkeit in einem größeren Maße. Das, denke ich, wird das Gesetz mit durchsetzen helfen.
Es bleiben noch alle anderen Aufgaben der mühevollen Kleinarbeit, etwa die, jedem klarzumachen, dass auch er morgen zu der Gruppe der Behinderten gehören könnte, und ihm klarzumachen, was das dann bedeuten könnte. Vielleicht hilft uns das, dem Prinzip der Chancengleichheit stärker zur Durchsetzung zu verhelfen, an unseren Schulen, bei unserer jungen Generation, von der Vertreter auf der Besucherbank Platz genommen haben. Vielleicht hilft es uns auch, dafür Sorge zu tragen, mit Menschen mit Behinderung sorgsamer umzugehen.
In Bezug auf die Wirksamkeit des Gesetzes werden wir im zuständigen Fachausschuss nach einem angemessenen Zeitraum mit Sicherheit Bilanz ziehen. Wir werden immer wieder aktuell prüfen, wo man das Gesetz eventuell erweitern oder ergänzen müsste. Das kann aber erst, wie gesagt, nach einer angemessenen Zeit geschehen. - Ich bedanke mich.
Presseberichten war zu entnehmen, dass der Stahlkonzern Arcelor plant, einen Hochofen in Eisenhüttenstadt zu schließen. Ferner war der öffentlichen Berichterstattung zu entnehmen, dass Arcelor im Flachstahlbereich zukünftig nur noch in profitable Standorte in Küstennähe investieren will.
Ich frage: Wie bewertet die Landesregierung die Ankündigung des Stahlkonzerns Arcelor hinsichtlich der Zukunftschancen des Stahlstandortes Eisenhüttenstadt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Datenmaterial, das uns das MASGF vorgelegt hat, liegt uns allen eine ehrliche, eine geschlossene Datensammlung vor.
Wenn man die Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage richtig liest, dann kann man erkennen, dass wir auch politisch für die Pflegebedürftigen etwas tun können. Es ist Material, das uns auf Anfrage der PDS zur Verfügung gestellt worden ist. Nun geht es darum, dass wir das nicht zu den Akten heften und uns dabei aufhalten festzustellen, was alles noch nicht ist, sondern darum, dass wir mit dem Material auch als Abgeordnete arbeiten. Im Übrigen steht es jedem und jeder Abgeordneten frei, sich an den MDK zu wenden und vielleicht einmal eine Einrichtung zu besuchen, sich von der Qualität der Arbeit vor Ort zu überzeugen, um dann wirklich zu wissen, wovon er bzw. sie redet oder was er bzw. sie da bekrittelt.
Die in den Pflegeeinrichtungen seit Jahrzehnten geleistete Arbeit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ich weiß, wovon ich rede; denn ich selbst bin sehr häufig in Pflegeeinrichtungen vor Ort, und zwar sowohl in solchen der Altenhilfe als auch in solchen der Behindertenhilfe.
Wir sollten ganz klar festhalten, was seit Einführung der Pflegeversicherung am 1. Januar 1995 in die Wege geleitet wurde, was die Pflegeversicherung als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung an Hilfe und an Qualität der Pflege für die Pflegebedürftigen bietet. Dies muss auch vor dem Hintergrund der Ausgangslage von 1990 gesehen werden, vor der wir im Jahre 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR standen. Von den damals bestehenden 258 Heimen konnten nur drei die Voraussetzungen der Heimbaumindestverordnung erfüllen.
Auch die Strukturen für die ambulante Versorgung mussten erst aufgebaut werden. Seit 1994 sind 116 Heime - das konnte gestern jeder in der Presse nachlesen - mit 9 595 Plätzen fertiggestellt und menschenwürdig ausgestattet worden. Jeder, der die Heime bis 1989 oder 1990 kannte, müsste sich eigentlich schämen, wenn er sich heute hinstellt und das kritisiert, was wir in den zurückliegenden 12 oder 13 Jahren noch nicht geschafft haben. Sicherlich ist es vor dem Hintergrund der Ansprüche der
Betroffenen, derjenigen, die unsere Hilfe und unser politisches Engagement brauchen, immer zu wenig und deshalb müssen wir an dieser Stelle auch für sie kämpfen. Das ist das eine. Wir müssen aber auch den Leuten vor Ort, mit denen wir sprechen, immer wieder Mut machen; denn die Arbeit, die sie leisten, ist äußerst schwer.
Das Investitionsprogramm Pflege wird 2004/05 abgeschlossen werden und damit werden 154 Einrichtungen fertiggestellt sein. Damit ist das Fundament für eine ordentliche Betreuung in der Senioren- und Behindertenhilfe sowie in der Altenbetreuung geschaffen.
Es ist logisch und folgerichtig, dass als Erstes die Schaffung der materiell-technischen Voraussetzungen und Leistungen notwendig war, um von den, wie gesagt, geerbten menschenunwürdigen Verhältnissen in der Pflege wegzukommen.
Fakt ist: Unsere Menschen werden in den kommenden zwanzig Jahren um ein Vielfaches älter werden als heute. Mit der Zahl der Hochbetagten steigt aber auch die Zahl der Pflegebedürftigen. Auch das ist schon gesagt worden. Wie absehbar ist, wird auch die Zahl der Leistungsempfänger ansteigen. Bei all unserer Fokussierung auf die stationäre Pflege wollen wir noch einmal betonen - meine Kollegin Konzack hat das schon mit Nachdruck getan -, dass wir nach wie vor an unserer Forderung „ambulant vor stationär“ festhalten. Das ist nicht nur eine fiskalische Angelegenheit, sondern vor allen Dingen auch eine Sichtweise in Bezug auf die Betroffenen, die lieber in ihrem häuslichen Umfeld, in ihrer gewohnten Umgebung betreut werden möchten.
Wir wollen auch nicht vergessen, dass wir darüber hinaus aufgrund von Verkehrs- oder Freizeitunfällen einen Zuwachs an jüngeren pflegebedürftigen Menschen haben werden. Wir können feststellen, dass es der Normalität entspricht, dass oft die Angehörigen selbst die Pflege ihres Mannes, ihrer Kinder oder ihres Partners in die Hand nehmen wollen, dass aber mit zunehmendem Alter diese familiäre Betreuung wegfallen muss, weil die Angehörigen selbst in eine pflegerische Betreuung kommen oder einfach physisch und psychisch nicht mehr zur Betreuung in der Lage sind. Das ist die Situation, vor der wir uns befinden.
Ich will vielleicht als Letztes - das Lämpchen leuchtet schon darauf hinweisen, dass wir jetzt damit beginnen können, an qualitativen Inhalten zu arbeiten. Ich meine, auf diesem Gebiet wird sehr viel getan, wenn ich nur an solche Dinge wie die Qualifizierung der Mitarbeiter - vor allem im Ausblick, den Frau Bednarsky nannte -, zum Beispiel die gerontopsychiatrische Fortbildung, denke...
Ja. -... oder wenn ich daran denke, dass wir die Ausbildung der Altenpfleger jetzt inhaltlich aufgrund des bundeseinheitlichen Gesetzes entsprechend verändern können. Wenn jetzt - als Letztes - die Novellierung des Krankenpflegegesetzes ins Haus steht und auch wir in diesem Bereich den Anforderungen der Pflege besser gerecht werden können, dann sind wir auf dem richtigen Weg. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem In-KraftTreten des Bundesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen im Mai 2002 - es ist heute schon mehrmals darauf hingewiesen worden - ist heute einfach folgerichtig der Gesetzentwurf der brandenburgischen Verordnungen zu beraten. Ich denke auch, dass es eine überfällige Regelung ist und sich auch das politische Feld und das politische Augenmerk auf Menschen richten muss, denen die Natur nicht die gleichen Möglichkeiten eingeräumt hat oder denen aufgrund äußerer Einflüsse nicht die gleichen Möglichkeiten gegeben sind, wie wir sie unter Umständen haben.
Aber all das, was hier als Rundumschlag gesagt wurde, ist, denke ich, nicht nötig. Es ist nicht nötig, hier zu versuchen, irgendjemandem einen schwarzen Peter zuzuschieben und ihm nachzuweisen, dass er gegen dieses Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen ist. Sich gerade auf Kosten Benachteiligter zu profilieren oder auch politisches Kalkül mit einfließen zu lassen, halte ich für nicht gerechtfertigt.
Ich bin froh, dass das Gesetz jetzt vorliegt, und ich kann auch nicht sagen, dass es lässig oder unmoderat gehändelt wurde. Wir beschäftigen uns in der gesamten Legislaturperiode mit diesem Problemkreis. Sicherlich gibt es immer Haken, wenn es dann ums Geld geht. Aber wir werden weiterhin, auch wenn wir uns im Ausschuss dazu verständigen, die Behindertengruppen und den Behindertensprecher mit einbeziehen; denn wer kann besser als Behinderte selbst wissen, wo im täglichen Leben der Schuh drückt.
Mich stört bei der ganzen Diskussion - ich hatte ja schon einmal dazu gesprochen - auch immer wieder die Problematisierung der Chancengleichheit. Wenn ich blind oder taub bin, habe ich erst einmal eine bestimmte Chance im Leben von der Natur nicht mitbekommen. Was wir regeln können, ist ganz einfach der Versuch eines Ausgleichs für diese Menschen, dass sie am Alltag teilhaben können, dass sie wegen ihrer Behinderung nicht ausgegrenzt werden, sondern wir Möglichkeiten schaffen, sie dennoch oder gerade wegen der Behinderung mit einzubeziehen.
Ich möchte an der Stelle auch noch einmal sagen: Einen völligen Nachteilsausgleich kann es einfach nicht geben, da einerseits Behinderungen so vielfältig und auch so einmalig und individuell sind und andererseits vor allen Dingen auch die individuelle Erlebbarkeit einer Behinderung oder Beeinträchtigung gesundheitlich, physisch, psychisch, wie auch immer, nochmals ein Indivi
dualfall ist. Deshalb also bleibt die Frage nach der absoluten Chancengleichheit der Menschen ohne Behinderungen, nach Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten.
Auch wir haben unsere ganz natürlichen Grenzen, auch als scheinbar nicht Behinderte. Wir sollten uns immer bewusst machen, dass Behinderte nicht schwächer oder bedauernswerter sind als andere. Sie haben das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und wollen von uns so genannten Nichtbehinderten als gleichwertige Bürger und nicht wegen ihrer Behinderung akzeptiert werden. Ich denke, das ist ein Kernstück, das wir sichern müssen.
Viele Nichtbehinderte können von Behinderten lernen; denn diese meistern ihr Leben meist mit sehr viel Kraft und Lebensmut, ja, können es oft nur dank ihres besonders stark ausgesprägten Persönlichkeitsprofils meistern. Dafür sollten wir Anerkennung zollen und darauf sollten wir schauen, denn da können wir von ihnen lernen.
Ich darf an dieser Stelle nur auf die zahlreichen Behinderten verweisen, die sich sportlich oder auch künstlerisch in höchstem Maße engagieren. Wir merken immer besonders in der Vorweihnachtszeit, was für kreative Potenzen in Behinderten stecken, die wir bei uns oft gar nicht wahrnehmen.
Aufgabe des Gleichstellungsgesetzes ist es, Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben zu schaffen. Dies wäre nach dem Nachteilsausgleich ein weiteres wichtiges Ziel des Gesetzes. Es hat für mich mit Menschenwürde zu tun, anderen zuzubilligen, für sich selbst Entscheidungen zu treffen. Und es gibt für jeden von uns die Verpflichtung, auf andere Rücksicht zu nehmen und die Würde des anderen nicht zu verletzen. Das ist natürlich eine Frage des Umgangs miteinander. Das lässt sich nicht allein - und das betone ich, das habe ich auch schon in meinem vorangegangenen Redebeitrag gesagt - gesetzlich regeln.
Ich denke, das Bundesgesetz hat auch eines bewirkt, und das sollte man anerkennen: dass die Gesellschaft ein Gesetz hat, womit der Hinweis auf eine Benachteiligtengruppe in der Gesellschaft gegeben wird. Wenn jeder, auch der nicht politisch Tätige, im Alltag auf den anderen achtet, ist ein ganz wesentlicher Auftrag an die Gesellschaft weitergegeben worden. Wenn wir das erreicht haben...
... sind wir ein ganzes Stück weiter. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Ambulante Dienste und andere Betreuungsformen in der Behindertenhilfe” war der Ansatz für die Große Anfrage der PDS. Als letzte Rednerin bin ich daran, nur noch einiges ergänzen zu können und auch zu wollen. Aber ich möchte eingangs daran erinnern, nicht zu vergessen, was wir in zwölf Jahren auf dem Gebiet der sozialen Dienste, der sozialen Netzwerke geschaffen haben und aus welcher Ausgangslage wir 1989 gestartet sind.
Wenn ich mir diese Zahlen hier ansehe, würde es sich allein auf dieser Grundlage gehören, auch zu sagen, was wir geschaffen haben, aber auch, was es ohne Zweifel noch zu tun gilt. Ich bin seit über 30 Jahren dem Gesundheits- und Sozialwesen verbunden und weiß um diese Entwicklung. Ich finde es ein bisschen unfair, uns auf diese Art und Weise wenig konstruktiv behilflich zu sein. Denn nur mit Negativauflistung ist niemandem gedient, schon gar nicht Behinderten, Schwachen und Kranken.
Egal, ob wir das SGB IX zugrunde legen, in dem es um die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen geht, oder das SGB XI, in dem Regelungen zur sozialen Pflegeversicherung getroffen werden - es gilt immer der Grundgedanke, dass die Prävention Vorrang hat und die ambulante Pflege im häuslichen Umfeld der stationären Pflege vorzuziehen ist.
Das ist für die von Pflege Betroffenen wichtig, denn jeder soll, solange es irgend geht, ein selbstbestimmtes Leben in einem sehr persönlichen Umfeld führen können.
Ich möchte hier, Frau Konzack, unser beider Bemühungen noch einmal in den Vordergrund stellen und sagen, dass wir als Koalition gemeinsam darum ringen, uns im Sozialausschuss zu verständigen, wirklich den Menschen zu helfen und nicht in Polemik zu verfallen.
Der Ausbau der ambulanten Pflege gewinnt vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung an Bedeutung, denn dank des medizinischen Fortschritts erreichen bei uns immer mehr Menschen ein beachtliches Lebensalter. Da mit zunehmendem Lebensalter bei vielen die Gefahr schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigungen zunimmt und fast immer eine Multimorbidität vorliegt, ist auch von einem vermehrten Pflegebedarf auszugehen. Er wird nicht geringer werden, sondern zunehmen, wenn wir von einer weiteren Erhöhung der Lebenserwartung unserer Menschen ausgehen. Wenn viele Krankheiten bei einem Menschen auftreten, werden wir zu einem erhöhten Pflegebedarf kommen.
Erfreulicherweise erreichen dank des medizinischen Fortschritts auch Menschen mit Behinderungen ein höheres Lebensalter. Wir sind vor die Tatsache gestellt, dass auch psychisch Kranke, Menschen mit angeborenen psychischen Behinderungen ein hohes Alter erreichen werden und dass diese Probleme jetzt zusätzlich für uns erwachsen und wir an neue Netzwerke denken und sie erarbeiten müssen.
Wenn diese Menschen das Rentenalter erreicht haben und nicht mehr die Werkstätten für Behinderte aufsuchen können, ist darüber hinaus eine intensive Betreuung erforderlich, um auch nach der Berufstätigkeit eine Integration zu ermöglichen.
Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien zur Schaffung eines flächendeckenden und gemeindenahen psychiatrischen Versorgungssystems bekannt.
Wir gehen davon aus, dass psychisch kranke Menschen nicht unnötig lange in Großkrankenhäusern untergebracht werden sollen. Wer diese Einrichtungen kennt - genannt seien an dieser Stelle Wittstock und Brandenburg -, wird unseren Intentionen folgen können. Und wenn man einmal die Biografie eines Schwerstbehinderten, Mehrfachbehinderten sieht, der 30 Jahre lang in der Psychiatrischen Anstalt Teupitz eingesessen hat und
seit 8 Jahren im Sankt Martin unseres Sankt-Florian-Stiftes ein menschenwürdiges Leben führen kann, dann stellt sich für mich die Frage: Wie hätten wir ihn fördern können, wenn man ihm im Kindesalter eine Chance für die Rehabilitation und geistige Förderung gegeben hätte?
Es sind viele Problemfelder, die sich abzeichnen. Wir stehen sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Pflege vor großen Herausforderungen. Das ist für uns in den zurückliegenden Monaten sehr deutlich geworden, denn das AG-BSHG und in Verbindung damit auch das Haushaltsstrukturgesetz 2002 waren im letzten Jahr Anlass für mehrere Anhörungen und Diskussionsrunden.
Insbesondere durch den Landkreistag und die Kreise Prignitz und Potsdam-Mittelmark gab es heftige Kritik an den Festlegungen, die das Land getroffen hat. Die Festlegungen wurden als völlig unzureichend und damit nicht praktikabel kritisiert. Andere Kreise, wie beispielsweise Dahme-Spree, haben in ihren Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht, dass für sie die landesseitigen Regelungen der Versuch einer Steuerung sind, dass man, wenn man große Anstrengungen unternimmt, die Vorgaben auch umsetzen kann.
Hauptprobleme waren für die Kreise die fehlende Mitsprachemöglichkeit und die Fallzahlenobergrenze, die durch das Land festgelegt wurde.
Auch in verwaltungstechnischer Hinsicht gibt es sicherlich einige Gesichtspunkte, die die Vereinfachung der Arbeit für die Kommunen betreffen. Aber ich denke, wir sollten uns an der Sache orientieren. Da können wir nicht sagen, dass wir nur die Negativseite belasten können, sondern wir müssen das anerkennen, was auf den Weg gebracht wird, und uns gemeinsam darüber streiten, was noch zu tun ist. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die Absenkung der Mehrwertsteuer wird seit vielen Jahren zum Teil in berechtigter Weise geführt, da diese insbesondere die chronisch Kranken belastet. Es handelt sich um eine Summe, die der Bundesregierung bei Verzicht oder Kürzung erhebliche Einnahmeverluste bescheren würde. Dies hat bislang jede Bundesregierung davon abgehalten, eine derartige Regelung auf den Weg zu bringen.
Auch der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat sich in den
letzten Monaten - dies haben wir schon in vorigen Ausführungen gehört - zweimal mit dieser Thematik befasst. Letztlich wurde die Diskussion am 27.06. dieses Jahres in unserem zuständigen Ausschuss anlässlich einer Anhörung über die ambulante Versorgung geführt. Mein Fraktionskollege Dr. Wagner hat seine diesbezügliche Auffassung in einer Presseerklärung verdeutlicht.
Wir müssen diese Problematik aber auch vor dem Hintergrund diskutieren, dass in einigen EU-Ländern - auch dies ist bereits mehrfach gesagt worden - gar keine oder eine sehr viel geringere Mehrwertsteuer auf Pharmaka erhoben wird. Insoweit wäre eine Harmonisierung sicher dringend geboten.
Da auch die Bundesgesundheitsministerin ähnliche Gedanken äußert, können wir darauf hoffen, dass wir doch noch zu einer Lösung kommen. Aber es wird schwer sein, dafür den Bundesfinanzminister mit ins Boot zu holen.
Derartige Veränderungen lassen sich jedoch nicht im Schnellverfahren umsetzen, sondern bedürfen einer umfassenden Diskussion; denn letztlich müssten die Einnahmedefizite, die sich aus einer Absenkung des Mehrwertsteuersatzes ergäben, an anderer Stelle in irgendeiner Form ausgeglichen werden. Daher sollte der Antrag abgelehnt werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Werdegang zur Einbringung des Gesetzes zur Herstellung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen im Land Brandenburg wurde schon durch die Vorrednerinnen dargestellt. Heute stehen wir wieder hier, weil es ein Problem ist, dass über ein Gesetz geregelt werden soll. Ich möchte das aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
Es ist eigentlich schlimm genug, dass wir das für Menschen, die einfach nicht in der Lage sind, ihr Leben so zu regeln und zu
leben, wie wir es zum Teil können, per Gesetz regeln müssen und es uns nicht gelingt, sie ganz selbstverständlich zu integrieren.
Chancengleichheit im Sinne des Herstellens einer vollkommenen Gerechtigkeit gibt es meiner Ansicht nach nicht. Im eigentlichen Sinne gibt es die absolute Chancengleichheit für niemanden. Es gibt aber für jeden von uns die Verpflichtung zur Rücksichtnahme, zu Hilfe und Unterstützung für Menschen, die aus eigener Kraft das eigene Leben nicht mehr in vollem Umfang gestalten können. Aus dieser Verantwortung kann sich niemand von uns stehlen, zumal diese Forderung sowohl im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als auch in Artikel 12 der Landesverfassung verankert ist.
Ich möchte an dieser Stelle auch sagen - Frau Schildhauer-Gaffrey bezog sich ebenfalls darauf -: Wir wollen auch sehen, was in den elf Jahren nach der Wiedervereinigung auf dem Gebiet der Behindertenarbeit passiert ist. Das muss man einfach auch gerecht einschätzen.
Ich kann mich noch an eine Begegnung erinnern. Als ich 1988 in die alte Bundesrepublik reisen durfte, fand ich am Rathaus von Herne in Westfalen neben einer Klingel ein Schild - nicht nur, dass die Rampe und die behindertengerechte Ausstattung mich beeindruckten; denn so etwas kannte ich nicht von Rathäusern -, auf dem stand: Bitte klingeln Sie, wenn Sie Hilfe brauchen! Es war also neben den gegebenen Erleichterungen noch einmal der Hinweis angebracht worden: Wenn es dennoch irgendwo klemmt, wir sind für Sie da. In dem Zusammenhang erinnere ich an den Kampf, den wir zu führen hatten, als ein behindertes Kind in eine Kindereinrichtung, die behindertengerecht ausgebaut war, aufgenommen werden sollte. Letztlich scheiterte es an den Verwaltungsentscheidungen, an Menschen wie uns, den so genannten Gesunden. Das ist das Beschämende.
Ich will in der Diskussion zum Gleichstellungsgesetz auch darauf hinweisen, dass viele Regelungen bereits staatlich festgelegt sind, aber es an der stringenten Umsetzung, an der Handhabung durch die so genannten Gesunden, scheitert.
Es ist immer bedenklich, wenn wir Regularien und Gesetze schaffen müssen, um ein Problem zu regeln, oder glauben, es damit regeln zu können. Ich denke, auch die Art und Weise, wie man dann damit umgeht, ist ganz entscheidend.
Zu Ihrem vorliegenden Gesetzentwurf vielleicht so viel - Frau Schildhauer-Gaffrey hat sich bereits auf viele Positionen bezogen -: Ich denke, dass wir im Ausschuss noch einmal über Formulierungen sprechen und eindeutige Aussagen treffen müssen, um wirklich Klarheit für Betroffene und die mit der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen Befassten zu gewährleisten.
Politik für behinderte Menschen ist immer eine Querschnittsaufgabe. Sie betrifft viele Ressorts. Anhand der Stellungnahmen des Behindertenverbandes zum vorliegenden Gesetzentwurf wird auch deutlich, dass die Betroffenen selbst noch eine Korrektur und Nachregulierungen für sinnvoll halten.
Ich denke, dass wir auch berücksichtigen sollten, dass eine besonders gründliche Befassung mit ihren Problemen auf den verschiedenen Feldern unserer Gesellschaft notwendig ist, um nicht im Vorfeld Hoffnungen zu wecken, die wir dann sowohl
von der materiellen als auch von der anderen Seite der Machbarkeit her nicht sichern können.
Es gilt das Prinzip, dass wir uns im Ausschuss noch einmal fachlich verständigen und uns auch mit den betroffenen Wohlfahrtsverbänden und sonstigen so beschäftigen, dass wir ihre Probleme noch effizienter einbringen können.
Ja. - Ich denke, in dem Sinne werden wir im Ausschuss einen Schritt weiterkommen. - Ich danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS verweist in ihrem Antrag auf ein absolut nicht unbekanntes Problem und auf einen von der Wissenschaft schon seit längerem begleiteten und untersuchten Prozess. Es bedarf keiner Aufforderung an die Landesregierung, sich dieser Problematik anzunehmen.
Das von allen bisherigen Rednern festgestellte zunehmend höhere Lebensalter unserer Bürger führt zwangsläufig dazu, dass wir mehr ältere Menschen zu betreuen haben, die eine geistige Behinderung aufweisen, aber auch eine größere Anzahl von Menschen, die durch Hirnleistungsschwäche oder durch eine Beeinträchtigung von so genannten psychischen Normalfunktionen mit veränderten Verhaltensmustern bzw. Handlungsmustern umgehen. Wenn wir feststellen, dass wir uns den Menschen mit geistiger Behinderung im Alter besonders zuwenden sollten, dann trifft das genauso den Kern wie die Aussage, dass wir insgesamt eine große Anzahl von veränderten Verhaltensmustern in dem so genannten normal alt werdenden Kreis haben.
Wir alle kennen den soziologischen Begriff des Pensionierungsschocks, auf den der eine in stärkerem Maße und der andere in schwächerem Maße mit einem gestörten Verhalten reagiert. Wenn Sie davon ausgehen, dass ältere behinderte Menschen, die nicht mehr die Werkstätten besuchen, schneller pflegebedürftig werden, dann kann man das nicht leugnen, aber das gilt, wie eben festgestellt, genauso für den anderen Peronenkreis der älter Werdenden.
Wenig sinnvoll, weil auch sehr allgemein gehalten, sind Ihre Forderungen dahin gehend, dass sich die Wissenschaft mit dieser Thematik zu beschäftigen habe. Wie man heute schon im Internet sehen kann, gibt es bereits jede Menge grenzüberschreitender Projekte, etwa zwischen den Niederlanden und Deutschland, die sich eindeutig mit dieser Problematik beschäftigen und Lösungsansätze vorschlagen.
Es bedarf einer weitaus komplexeren Betrachtungsweise, bei der in den Forschungsprojekten unter anderem das multifaktorielle Geschehen, die möglichen Ursachen und Unterscheidungsformen untersucht werden, damit die theoretisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Praxis besser händelbar gemacht werden, das heißt, wir brauchen keine gesonderten Modellversuche oder andere Veranstaltungsreihen. Wir haben gerade die Woche der Senioren hinter uns. Überall hat man sich auch mit der Problematik des veränderten Verhaltens im Alter, mit der zunehmenden Zahl der Alzheimer-Erkrankungen und den möglichen Gegenstrategien, die man bedenken muss, beschäftigt. In umfassender Form beschäftigen sich beispielsweise das Deutsche Zentrum für Altersforschung der Ruprecht-KarlsUniversität in Heidelberg und die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie mit den vielschichtigen Problemen.
Mit bereits vorhandenen Ideen und Konzepten befassen sich unsere sozialen Dienste nicht erst seit heute bzw. sollen einen entsprechenden Auftrag dazu bekommen.
Wenn man in die Praxis geht, dann kann man also sehr wohl feststellen, dass es bereits entsprechende Projekte gibt. Dabei denke ich etwa daran, dass in Eisenhüttenstadt bereits seit gut sieben Jahren eine Einrichtung existiert, die mit geistig behinderten alten Menschen in dieser Form arbeitet und damit auch zur Familienentlastung beiträgt.
Es wird also bereits vieles getan. Wenn dies nicht in einem groß angelegten Stil geschieht, dann deshalb, weil der jeweilige Einzelfall und die regionalen Bedarfe berücksichtigt werden müssen, das heißt, weil das nicht in einer administrierenden globalen Form geschehen kann.
Die sozialen Organisationen stellen sich, wie gesagt, bereits seit Jahren planerisch auf die Strukturveränderungen ein und sind durch veränderte Betreuungs- und geragogische Strategien an der Lösung des Problems.
Wir würdigen in diesem Jahr ganz besonders die ehrenamtlich tätigen Menschen. Ehrenamtliche Arbeit findet auch gerade im Bereich der geistig behinderten Älteren statt.
Kommunikation und Aufbau ganz persönlicher Beziehungen, das heißt, wenig wechselnde Kontaktpersonen, das individuelle Umgehen mit der einzelnen Lebensbiographie, sind für jeden alten Menschen, aber insbesondere für alte Menschen mit einer geistigen Behinderung wichtig.
Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, dass wir uns im zuständigen Fachausschuss mit der Thematik befassen und auch den jeweiligen Stand der Dinge im Lande verfolgen. Aber wir halten den Antrag einfach für zu allgemein und können ihm nicht zustimmen, weil die praktischen Gegebenheiten das einfach nicht zulassen. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So differenziert die Thematik zu betrachten ist, so differenziert sind sicherlich auch die Ausführungen der Abgeordneten an dieser Stelle.
Ich halte es aus meinen ganz persönlichen Einstellungen heraus für wichtig, immer wieder die Akzeptanz und Integration Behinderter bzw. Schwerbehinderter in unserer Gesellschaft auf den erreichten Stand hin zu prüfen und ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu fördern. Aber wer ist die Gesellschaft? Sind wir das nicht alle? Was tut jeder Einzelne von uns? Wer engagiert sich in seinen regionalen Behindertenverbänden?
Dass die Gesellschaft - die Politik im Besonderen - sich sorgt, davon zeugen letztlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen, unter anderem das in der Großen Anfrage aufgeführte Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter.
Die in der Großen Anfrage gestellten Fragen stimmen aus meiner Sicht mit der Überschrift nicht in jedem Fall überein; denn sie zielen weniger auf das Land ab als vielmehr auf die Aktivitäten der Arbeitsverwaltung und auf die künftige bzw. schon eingerichtete Hauptfürsorgestelle, die sich künftig der Probleme der Behinderten annehmen wird und das zum Teil schon tut.
Dennoch wollen wir die heutige Gelegenheit nutzen, uns mit der für die Betroffenen problematischen Situation auseinander zu setzen. Die hohen Arbeitslosenzahlen im Lande lassen nach wie vor keine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt erkennen. So lag die Arbeitslosenrate im Februar 2001 bei 20 %. Von den 247 068 Arbeitslosen waren 2,5 % Schwerbehinderte; das waren rund 339 mehr als im Dezember 2000.
Frau Schildhauer-Gaffrey hatte in ihrem Beitrag auf die Senkung seit Februar 2000 Bezug genommen. Wir merken: Sobald wir mit Zahlen operieren, haben wir ein Auf und Ab und auch keine befriedigende Situation.
In den alten Bundesländern liegt der Anteil der Schwerbehinderten bei 15,9 %, in den neuen Bundesländern bei 23,7 % und damit noch einmal höher gegenüber der allgemeinen Arbeitslosenquote.
Das allgemeine weitere Wegbrechen von Arbeitsplätzen und die damit angespannte Lage des Arbeitsmarktes wirkt sich natürlich besonders auf die Situation der Schwerbehinderten aus.
Erschwerend bei der Vermittlung von Schwerbehinderten auf dem Arbeitsmarkt kommt noch hinzu, dass es sich besonders um die Älteren handelt. 65 % der Schwerbehinderungen treten erst ab dem 55. Lebensjahr auf. Mehr als die Hälfte der Schwerbehinderten sind über 65 Jahre alt.
Ein weiteres Problem der Doppelbenachteiligung betrifft die Frauen, die behindert und ohne Arbeit sind. Bezüglich der betroffenen Frauen liegt eine Studie vor, die aussagt, dass gerade in diesem Bereich Frauen besonders motiviert und leistungsbereit sind.
Das sind die Fakten und Zahlen, doch Probleme lösen sich nicht durch Fakten und Zahlen. Sie bringen vielmehr zum Ausdruck, wie viel es noch zu tun gibt. Das ist primär nicht nur durch Gesetze und Anordnungen zu bewältigen.
Was wissen wir über Sorgen, Probleme und Bedürfnisse Schwerstbehinderter? Drei Viertel aller Arbeitgeber genügen ihrer Beschäftigungspflicht nicht oder nur ungenügend. Selbst die Behörden des Landes, der Kreise, der Kommunen als öffentliche Arbeitgeber kommen ihrer Vorbildwirkung trotz politischer Forderungen nicht in vollem Umfang nach. Das kann und darf uns nicht ruhig werden lassen.
Liegt die Beschäftigungsquote Schwerbehinderter auf Bundesebene bei 6,7 %, so liegt sie in den Kommunalverwaltungen bei 5,2 % und bei den obersten Landesbehörden bei nur rund 4,6 %. Das ist sicher ein Grund dafür, dass auch in der privaten Wirtschaft das Negativbild mit einer Quote von nur 3,5 % sichtbar wird. Drei Viertel aller Firmen erfüllten 1999 die Pflichtquote nicht. Das kann und darf von uns so nicht hingenommen werden.
Arbeit und Leistung erbringen heißt Verwirklichung von Selbstwertgefühl und Teilhaben am gesellschaftlichen Leben für jeden von uns. Erst recht für einen behinderten Menschen ist ein Arbeitsplatz ein entscheidender Faktor für seine gesellschaftliche Integration, ja, die entscheidende Tatsache der Integration. Integration bezieht sich auf ein Konzept der Eingliederung, ohne Selbstaufgabe, ohne bedingungslose Anpassung an die Nicht
behinderten. Integration ist immer ein Prozess der Fortschreibung und Entwicklung.
Das am 1. Oktober 2000 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter soll durch spezifische Instrumente die Eingliederung Schwerbehinderter in das Arbeitsleben verbessern.
Beschäftigungsquote und Ausgleichsabgaben stellen dabei wichtige Steuerungsinstrumente dar, aber auch wohl durchdachte Qualifizierungsmaßnahmen für Behinderte und der weitere behindertengerechte Ausbau von Arbeitsplätzen, deren Wohnstätten und Zufahrtswegen.
Barrierefreie Lebensbedingungen beziehen sich aber nicht nur und ausschließlich auf die materiell-technischen Voraussetzungen, mit dieser Behinderung gut umgehen zu können. Das kann immer nur die Basis, die selbstverständliche Basis sein.
Viel wichtiger ist es, durch Informationen, Wissen und vielfältige Kommunikationsebenen Vorurteile in den Köpfen Nichtbehinderter abzubauen. Dabei kann sich jeder Einzelne von uns einbringen. Hier wird immer wieder allzu gern ein amerikanischer Präsident zitiert, der sinngemäß sagte: Frage nicht zuerst nach der Gesellschaft, frage, was du selbst tun kannst.
Ich denke, jeder von uns - wir sind hier etliche Abgeordnete im Saal - kann die Behindertenverbände und Selbsthilfeorganisationen unterstützen, denn diese leisten eine wichtige Arbeit für die Behinderten.
Ich bin seit Jahren Mitglied eines Behindertenvereins und bemühe mich selbst aktiv um das Abschmelzen der Barrieren in den Köpfen. Sie werden es mir nicht glauben: Ich profitiere davon.
Wir alle können von Menschen mit Handicaps lernen, wie man die Probleme des Alltags nicht zuerst durch den Gedanken, was alles nicht geht, bewältigt. Alltagsproblembewältigung bedeutet für einen Behinderten in erster Linie, zu schauen, was geht. Dankbarkeit für viele Selbstverständlichkeiten des Lebens, emotionale Erlebnistiefe, die von uns schon allzu stark von der Vernunft beherrscht wird, sollten uns zumindest zum Nachdenken über die Sicht auf das Leben anregen. Das schafft zwingend eigene und neue Positionen zur Akzeptanz der Behinderten und führt zu der Erkenntnis, wie man Probleme des Alltags dadurch löst, dass man zuerst fragt, wie es gehen kann, und nicht, warum ein Problem überhaupt nicht gelöst werden kann.
Sorgen wir dafür, dass das Gesetz umgesetzt wird, so wie anlässlich des Internationalen Tages der Behinderten am 3. Dezember 2000 gefordert: Die gewählten Volksvertreter sollen vor Ort in ihren Wahlkreisen bei Unternehmen, Arbeitsämtern, Hauptfürsorgestellen für die Umsetzung des Programms werben. In diesem Sinne lassen Sie mich mit einem Zitat aus der Bibel enden, und zwar aus dem Römer-Brief Kapitel 15 Vers 1:
„Wir aber, die wir stark sind, sollen der Schwächeren Unvermögen tragen und nicht uns selber zu Gefallen leben.”
Ich danke.
Die abscheulichen rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Gewalttaten. die nahezu täglich verübt werden, sind mit allen dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen.
Ich frage die Landesregierung: Inwieweit sieht sie die Möglichkeiten, die das Jugendstrafrecht derzeit bietet, als ausreichend an?
Presseveröffentlichungen war zu entnehmen, dass der Minister der Justiz und für Europaangelegenheiten einen externen Beirat für den Justizvollzug des Landes Brandenburg eingerichtet hat.
Ich frage die Landesregierung: Welche konkreten Aufgaben hat dieser Beirat?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs direkt zu Frau Kaiser-Nicht sprechen. Ihr Zitat aus „Der Kleine Prinz" - mit dem Herzen sehen und nicht mit dem Geldbeutel! - ist genau der Punkt, um den wir uns mühen. Wir reden von einer emotionalen und beziehungsvollen Erziehung. Genau dazu bedarf es aber einer besonderen, auch sinnlichen Wahrnehmungsentwicklung unserer Kinder. Das geschieht durch eine Bezugsperson in den ersten 18 Lebensmonaten.
Ihre euphorische und scheinbar wenig von der Sorge um das Kindeswohl und den Elternwillen getragene Aussage. die CDUFraktion würde ideologisch oder ideologiebetont mit dem Begriff des Kindeswohls umgehen, war doch wohl das Kernstück Ihrer Vorgängerpartei.
Der Weg kann doch nur
wie vom Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Fritsch, gefordert - ein ideologiefreier. sachlicher und fachbetonter Umgang mit dieser Debatte sein.
Wir verlassen uns auf die Aussagen und Wünsche verantwortungsbewusster Eltern und auf die Wissenschaft.
Gerade diese stehen zur folgenden Aussage: So viel Kita wie nötig und nicht so viel wie möglich.
Die wichtigsten sachlichen und politischen Fakten sind bereits von den Vorrednern genannt worden. Wenn ich dennoch die Gelegenheit nutze, zu dieser überaus brisanten Thematik zu sprechen, tue ich das aus einer ganz persönlichen Position heraus.
Ich habe über 23 Jahre Krippenerzieherinnen ausgebildet. Ich stehe zur Qualität der Ausbildung und zu den pädagogischen Fähigkeiten unserer Erzieherinnen.
Der Grundsatz pädagogischer Arbeit ist die Betonung der familienergänzenden Rolle der Kitas mit dem Gedanken an das Kindeswohl und die optimale kindliche Entwicklung. Nur diese steht im Vordergrund. Umso befremdlicher finde ich zum Teil die Methoden und Mittel, mit denen versucht wird, eine Umkehr zu erreichen. Welche denn überhaupt?
Auch die Eltern können wir beruhigen. Wir wollen mit dieser Regelung die Frauen nicht in das alte Rollenklischee drängen, sondern wir wollen neue Akzente setzen, da der Entwicklung des Kindes in den für seine Entwicklung besonders kritischen Entwicklungsphasen - das sind nun einmal die ersten 18 Lebensmonate - in der Familie eine besondere Rolle zukommt.
Ich erinnere die PDS-Fraktion daran, dass wir in der DDR einen sehr frühen Eintritt des Kindes in die Krippe hatten. Erst durch die Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki wurde die DDR durch die Vereinten Nationen und ihre Kinderorganisationen gezwungen, das Mütterjahr einzuführen. Das geschah aufgrund des äußeren Druckes.
Es geschah also nicht, weil der DDR das Kindeswohl wichtig war.
Im menschlichen Leben vollziehen sich nie wieder Entwicklungszuwächse so sichtbar und in so kurzen Zeitabständen, wie wir seit Anfang der 70er Jahre durch Entwicklungspsychologen wissen.
In diesen 18 Lebensmonaten werden die entscheidenden sozialen und emotionalen Verhaltensmuster geprägt.
Wir nennen diese Phase eine kritische Phase in der Entwicklung des Menschen, das heißt, Versäumnisse in dieser Zeit sind in späteren Phasen nicht ausgleichbar. In dieser Phase bilden sich Urvertrauen, emotionales Gleich gewicht und Geborgenheit zwischen den Sozialpartnern. Das ist die Basis für die spätere Fähigkeit, Konflikte sozial. anständig, ordentlich und verträglich zu lösen. Das kann nicht oder nur schwer gelingen. wenn häufig wechselnde Bezugspersonen unsere Kinder begleiten.
Das sind Gründe, die Eltern abwägen und abwägen sollten, bevor sie ihre Kleinsten in eine Betreuung geben und vor allem entscheiden, zu welchem Zeitpunkt und in welche Form der Betreuung sie ihre Kinder geben.
Das Gruppenleben unter Gleichaltrigen erfordert bereits einen bestimmten Stand der Sozialisation. um gruppenfähig zu sein. Zuerst finden aber die Personalisation, die Individualisierung statt. Erst dann findet die Sozialisierung, das Erlernen von Normen und das normbestimmte Handeln, statt.