Ralf Kalich

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Last Statements

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die PDS bzw. die Fraktion DIE LINKE setzte sich bereits für die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ein. Die Linke in Thüringen hat immer wieder deutlich und öffentlich kritisiert, dass eine umfassende Gleichstellung von Lesben und Schwulen in Thüringen in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen verwirklicht werden muss.
Geschieht das nicht, was leider immer noch der Fall ist, findet fortgesetzter Verfassungsbruch statt, und zwar schon mehr als 20 Jahre, denn von Anfang an steht in Artikel 2 der Thüringer Verfassung das Diskriminierungsverbot wegen der sexuellen Orientierung. Es verwundert daher auch nicht, dass die Fraktion DIE LINKE als parlamentarischer Arm des
Lesben- und Schwulenverbandes Deutschlands in Thüringen in der 4. Wahlperiode einen Gesetzentwurf mit 50 Punkten zur Anpassung des Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsrecht des Bundes eingebracht hat. Er wurde leider von der Landtagsmehrheit abgelehnt. Die Linke wiederholte wenige Monate danach die Gesetzesinitiative im Rahmen der Beratung der Reform des Thüringer Beamtenrechts. Auch diesmal lehnte die Landtagsmehrheit trotz Diskriminierungsverbot in der Verfassung ab. Daraufhin reichte die Fraktion DIE LINKE eine Normenkontrollklage beim Verfassungsgerichtshof im Weimar ein. Hier wurde exemplarisch die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften im Beamtenrecht in Thüringen verlangt. Der Verfassungsgerichtshof machte im Laufe des Verfahrens deutlich, dass der Gesetzgeber aktiv werden müsse, oder aber es wird ein entsprechendes Urteil ergehen. Daraufhin wurde der Landesgesetzgeber aktiv, allerdings nicht bis zum Jahr 2001 zurück.
Das politische Anliegen des grünen Gesetzentwurfs wird angesichts der Verfassungsvorgaben in Thüringen und anknüpfend an die eigenen Initiativen der Fraktion DIE LINKE in all den Jahren selbstverständlich geteilt. Allerdings bleiben für die Fraktion DIE LINKE mit Blick auf die im Gesetzentwurf vorgesehene Rückwirkung bis zum Jahr 2001 eine politische und eine formale Frage. Zuerst die formale: Wie kann ein Landesgesetzgeber eine Rückwirkung von Besoldungsleistungen für eine Zeit beschließen, in der die Gesetzgebungszuständigkeit für diesen Rechtsbereich noch gar nicht beim Landesgesetzgeber, also beim Landtag, lag? Stichwort: Änderung der Gesetzgebungskompetenz bei der Föderalismusreform im Jahr 2006. Aber ich gehe davon aus, dass sich dieses formale Problem lösen ließe. Es bleibt noch die politische Frage: Warum soll die Rückwirkung bei der Gleichstellung von Lebenspartnern nicht bis 1993 bzw. 1994 zurückgehen? Denn so lange gibt es in Thüringen schon die Gleichstellungsverpflichtung gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aus dem Diskriminierungsverbot der Verfassung. Die Fraktion DIE LINKE will an dieser Stelle auch nochmals anmahnen, dass es nicht nur um die Anpassung des Beamtenrechts geht, siehe 50-Punkte-Katalog meiner Partei im Gesetzentwurf aus der letzten Legislaturperiode, auf den ich mich vorhin schon bezogen habe. Daher sollte so zeitnah wie möglich mit einem Gleichstellungscheck aller rechtlichen Regelungen in Thüringen begonnen werden, vor allem, welchen Anpassungsbedarf es hier noch gibt bis hin zu Vorgaben für den Schulbereich, zum Beispiel Gestaltung von Unterrichtsinhalten unter Berücksichtigung des Themenfeldes im Rahmen von Ausbildungsgängen, auch Beratungs- und Unterstützungsangebote mit Blick auf Antidiskriminierungsmitarbeiter. Den Gesetzesvorstoß der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden wir als Linke jedenfalls unterstützen.
Jetzt komme ich zu Teil b, dem Besoldungsrecht aus der Drucksache 5/7155, dem Gesetzentwurf der Landesregierung. Die meisten Änderungen sind eher unproblematisch. Ich hatte das Sammelsurium bei der ersten Lesung schon als „Erfurter Allerlei“ bezeichnet. Heute will ich nur noch auf zwei Dinge eingehen. Das Erste ist die Herabsenkung der Stellenobergrenze bei Polizisten in der Besoldungsgruppe A 9 von 60 auf 55 Prozent. Es mag sein, dass Sie die bisherige Grenze noch nicht ausgeschöpft haben, aber genau das ist das Problem. Vor dem Hintergrund des hohen dienstlichen Engagements dieser Polizistinnen und Polizisten sollte es ein paar mehr Beförderungen geben. Die Linke sieht das jedenfalls so und hat im Ausschuss die Rücknahme der Reduzierung auf 55 Prozent beantragt. Im Juli des Jahres 2014 war dieser Antrag leider noch erfolglos. In meiner Anfrage in der Drucksache 5/7700 führte der Staatssekretär Rieder aus
- ich zitiere mit Ihrer Genehmigung -: „Es wird Aufgabe des Haushaltsgesetzgebers sein, im Rahmen des Doppelhaushalts 2015/2016 den Stellenplan unter Beachtung der beamten- und besoldungsrechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen.“ Wir werden uns wohl selbst darum kümmern müssen, da Sie es in Regierungsverantwortung nun auf die nächste Legislaturperiode abgeschoben haben.
Bei den Grundschullehrern - um zum zweiten Problem zu kommen - zeigen Sie der Welt erneut, wie schlecht SPD und CDU zusammen regieren können. Im Besoldungsgesetz steht, dass Lehrer für untere Klassen, also die Grundschullehrer, in die Besoldungsgruppe A 11 oder A 12 gehören. Dabei ist die A 11 nur für diejenigen, die ihre Ausbildung noch zu DDR-Zeiten gemacht haben. Diese Lehrer sollten die A 12 erst bekommen, wenn sie sich im neuen Schulsystem acht Jahre bewährt haben. Wie kann das sein, dass 24 Jahre nach der Einführung des neuen Systems nun immer noch rund 2.000 Lehrer mit einer DDR-Ausbildung nicht so bezahlt werden wie ihre Kollegen mit derselben Ausbildung im Westen oder auch hier nach der Wende? Das ist eine - ich halte mich jetzt ein bisschen zurück und werde das nicht so sagen, wie ich es mir aufgeschrieben habe. Das ist eigentlich nicht zu halten.
Meine Damen und Herren, da kommt man nur raus, wenn man das sofort ändert - jetzt, sofort und unverzüglich, denn Sie stehen im Wort. Ich erinnere daran, dass es mal eine Übergangsphase von acht Jahren gegeben hat. Ihre Lösungsvariante heißt
aber, dass weitere drei Jahre vergehen werden. Das ist nicht hinnehmbar. Die Linke versucht es noch einmal mit einem Änderungsantrag in Drucksache 5/8038. Sie können entscheiden, wollen Sie das Unrecht weitere drei Jahre hinnehmen oder wollen Sie eine sofortige Lösung? Herr Pidde und einige andere haben genau das gefordert. Sie können unserem Änderungsantrag zustimmen und damit dem Unrecht ein Ende bereiten. Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird Sie wohl nicht überraschen, Herr Hey, dass ich erwartungsgemäß diesen Optimismus nicht ganz so teilen kann, denn letztendlich haben die Beratungen des Gesetzentwurfs im Innenausschuss dokumentiert, dass richtiges Herzblut eigentlich gefehlt hat. Da meine ich ausnahmslos alle, die an diesen Beratungen zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften teilgenommen haben. Wenn ich jetzt im Nachgang auch noch höre, dass die Skandale in der Landesregierung dazu geführt haben, dass wir dort ein Stück vorwärtsgekommen sind und wenn wir das eher beschlossen hätten, dass das dann vielleicht nicht so gekommen wäre, dann stimmt mich das zumindest sehr nachdenklich.
Nachdem im Thüringer Landtag im März bei der Einbringung des Gesetzentwurfs noch fraktionsübergreifend eine Beratung im Innenausschuss angekündigt wurde, hat sich diese im Ausschuss selbst aber nicht eingestellt oder wiedergefunden. Dies hat meines Erachtens nach drei Gründe: Erstens hat es der Innenausschuss vorgezogen, auf eine mündliche Anhörung zu verzichten. Das ist ein grundsätzlicher Kritikpunkt, den wir anbringen. Gerade die in den letzten Wochen stattgefundenen sehr lebhaften - in rechtlichen wie politischen Augen - öffentlichen und mündlichen Anhörungen zum Verfassungsschutz haben gezeigt, welchen Erkenntnisgewinns und damit auch Gestaltungsmöglichkeiten sich das Parlament beraubt, wenn es sich einfach nur Stellungnahmen zuschicken lässt, aber nicht mehr in der gemeinsamen Diskussion auswertet und hinterfragt.
Diese parlamentarische Unsitte, die auch Ausdruck der grundsätzlichen Skepsis gegenüber Experten ist, sollte eine Mehrheit im neu zu wählenden Landtag nicht weiter fortführen. Wir brauchen gerade bei eigentlichen grundsätzlichen Reformvorhaben den Dialog auf Augenhöhe mit den Menschen in diesem Land und mit den von den Gesetzen unmittelbar Betroffenen.
Zweitens: Der Gesetzentwurf selbst ist frei von Kreativität und tatsächlich nach vorn gerichteten Änderungen. Der Gesetzentwurf ist also weniger eine Reform als eine notwendige Anpassung; auch die Berufsverbände haben nach einer mehr als zwei Jahre andauernden Debatte mit dem Innenministerium in Vorbereitung des Entwurfs für das Parlament nur noch wenig Energie in das Vorhaben einer tatsächlichen Reform investiert. Die von Innenminister Geibert in der ersten Lesung geäußerte Auffassung, dass Thüringen - ich zitiere - „mit diesem Gesetz die durch die Föderalismusreform hin
zugewonnenen Kompetenzen für eine zukunftsorientierte Anpassung und Neuordnung des Beamtenrechts“ nutzt und „gleichzeitig die Zielstellung des Koalitionsvertrags nach einem modernen und leistungsgerechten Beamtenrecht“ umsetzt, ist eher eine Einzelmeinung.
Drittens: Das Dienstrecht ist auf den ersten Blick eine trockene Rechtsmaterie, zugegeben; die bleibt es auch auf den zweiten Blick. Es kommen aber durchaus politische und nicht zu vernachlässigende Aspekte hinzu. In der ersten Lesung wurde auf einige hingewiesen. So äußerten sich nahezu alle Redner zu Fragen, ob das Beamtentum grundsätzlich auch in Zukunft eine Organisationsoption im öffentlichen Dienst bleiben muss bzw. in welchem Umfang dieses künftig ausgestaltet wird. Der Bund der Steuerzahler verweist in seiner Stellungnahme zu Recht auf den hohen Grad der Verbeamtung in Thüringen. Thüringen nimmt hier mit über 14,3 Beamten je 1.000 Bewohnerinnen den Spitzenplatz in den neuen Bundesländern ein. Nun ist das nicht zwingend Thema und Gestaltungsinhalt des Gesetzentwurfs, aber allein die Tatsache, dass nahezu alle an der Debatte Beteiligten diese Frage zum Gegenstand ihrer Erörterungen machten, zeigt doch den bestehenden Bedarf an einer grundsätzlichen Diskussion, der sich die Landesregierung verweigerte.
Natürlich ist eine Dienstrechtsreform auch eine sozialpolitische Frage, die weit über die Frage nach der Besoldung hinausgeht und die mit dem Gesetzentwurf durchaus angefassten Fragen etwa nach der Familienfreundlichkeit, der Organisation der Dienststruktur mit umfasst. Aber der Thüringer Beamtenbund weist in seiner Stellungnahme auch auf die Versäumnisse dieses Gesetzentwurfs hin und kritisiert, dass eine - ich zitiere - „Vereinfachung des Nebentätigkeitsrechts, (...) eine Neuregelung eines flexiblen Altersausstiegs sowie den Dienstherren verpflichtende Festlegungen zum Gesundheitsmanagement“ nicht aufgenommen wurden. Die Frage der Reform des Dienstrechts ist darüber hinaus auch eine zutiefst demokratische Frage, nämlich nach der Gewichtung zwischen hierarchischen und organisatorischen Dienststrukturen und beteiligungsfreundlicher Dienststruktur, die die Bediensteten zum Mitmachen und Mitgestalten einlädt oder anders: Sind Beamte Objekte der öffentlichen Verwaltung oder Beamte Subjekte der öffentlichen Verwaltung? Deswegen sind die Vorschläge der im DGB organisierten Gewerkschaften zur konkretisierten Regelung zur Personalentwicklung keine Nebensächlichkeit und haben Ausdruck in dem von uns vorgelegten Änderungsantrag zur Beschlussempfehlung gefunden.
Keinen Änderungsantrag haben wir zu dem von mir bereits in erster Lesung angesprochenen Problem der politischen Beamten eingereicht. Der Gesetzentwurf übernimmt hier in § 27 wortgleich die bishe
rige Regelung des § 48 Thüringer Beamtengesetz, und das, obwohl es zwischenzeitlich hieß, auch aus CDU-Kreisen bis hin zum Innenminister hier im Plenum, dass die Frage der Reduzierung der Anzahl der politischen Beamtenfunktionen auf der Agenda stünde und sowohl vom Innen- als auch vom Finanzministerium geprüft werde. Verschiedene Anzuhörende haben ebenso darauf hingewiesen, so etwa der Bund der Steuerzahler, aber auch der Thüringer Beamtenbund fordert - ich zitiere -, „die Anzahl der politischen Beamten unter Achtung dieser verfassungsrechtlichen Rechtsprechung nochmals zu überprüfen und zu reduzieren“. Die Fraktion DIE LINKE lehnt die Fortsetzung der bisherigen Regelungen und des bisherigen Umfangs der politischen Beamten in Thüringen ab und wir verweisen auf unsere entsprechende Parlamentsinitiative von September vergangenen Jahres in Drucksache 5/6592, in der wir einen umfänglichen Vorschlag zur Abschaffung politischer Beamter und zur Einführung des Rotationsmodells bei der Besetzung der Funktionsstellen bisheriger politischer Beamten vorgeschlagen hatten. Diese Forderungen bleiben grundsätzlich bestehen und zielen nunmehr auf die Streichung des § 27 ab. Auf eine erneute Einbringung des Änderungsantrags verzichteten wir, da parallel zu diesen Änderungen Neuregelungen in der Verfassung und im Ministergesetz notwendig wären. Im Übrigen würde sich, wenn man diesen konsequenten Schritt der Abschaffung politischer Beamter in Thüringen gehen würde, die Frage des einstweiligen Ruhestands und der Anrechnung von Bezügen, Stichwort Verbot der Doppel-Alimentierung, lösen. Nach der faktischen Nichtlösung des Problems wirkt die Verschärfung der Anrechnungsvorschriften wie halbherziger Aktionismus.
Meine Damen und Herren, abschließend: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wurde sicher nicht erreicht, was der DGB in seinem Eckpunktepapier zur Dienstrechtsreform in Thüringen als Anforderung an eine Dienstrechtsreform formulierte und der Innenminister in erster Beratung als Ziel des Gesetzentwurfs darstellte - ein zukunftsorientiertes und modernes Beamtenrecht. Dafür notwendige Voraussetzungen, wie etwa eine umfassende Aufgabenkritik, eine gründliche Analyse der Entwicklung des Beamtenrechts und die Ableitung einer klaren Zielstellung, bleiben auch nach diesem Gesetzentwurf offen und auf der Agenda. Es gibt also auch in der nächsten Legislaturperiode viel zu tun. Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, als Erstes muss ich noch mal eine Bemerkung, die kann ich mir nicht verkneifen, zum Bericht machen, der gerade aus dem Innenausschuss gegeben wurde. Herr Engel ist wohl nicht Vorsitzender der MLPD, sondern ist der ehemalige stellvertretende Landtagsdirektor. Das ist ein kleiner Unterschied.
Nur mal so als Hinweis am Rande: Wenn mich nicht alles täuscht, gibt es da ein Beschäftigungsverbot im öffentlichen Dienst für Mitglieder der MLPD oder so etwas Ähnliches habe ich da im Kopf.
Nun zum eigentlichen Antrag oder zu den drei Gesetzen, die uns heute hier im Landtag abschließend zur Beratung vorliegen.
Werter Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Änderung sicherheitsrechtlicher Vorschriften war und ist ein Paradebeispiel, wie die Koalition aus CDU und SPD Politik dieses Parlaments jedweder inhaltlicher Auseinandersetzung entzogen hat. Ich sage ganz ehrlich, es ist ein Trauerspiel. Zweieinhalb Jahre nach der Selbstenttarnung des neonazistischen Terrornetzwerkes NSU - der Untersuchungsausschuss 5/1 hat heute einen über 1.700 Seiten starken Abschlussbericht beschlossen - reagiert die Landesregierung und werkelt am Thüringer Verfassungsschutzgesetz herum. Ja, sie hat reagiert. Was sie aber nicht macht, ist, Konsequenzen aus den offen zutage tretenden Verfehlungen, aus dem Versagen und der offenbar gewordenen Gefährlichkeit eines sich verselbstständigten und nicht kontrollierbaren Geheimdienstes ohne rechtsstaatlich kontrollierbare Eingriffshürden und ohne rechtsstaatlich begründbare Eingriffsbefugnisse zu ziehen. Das tut die Koalition auch nicht mit ihrem Änderungsantrag. Um es gleich vorweg zu sagen: Ohne Zweifel wurde in den letzten Jahren öffentlich sehr intensiv über den Verfassungsschutz als Geheimdienst diskutiert, insbesondere auch in Thüringen. Immer wieder wurde durch Journalisten Bürgerrechtlern und in der Auseinandersetzung mit Neonazismus Engagierten die Frage nach der Notwendigkeit eines Inlandsgeheimdienstes gestellt. Auch in der Anhörung des Innenausschusses haben wir die Angehörten danach gefragt. Wir haben die Gesetzentwürfe der Landesregierung und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufmerksam gelesen. Was wir aber nicht in den Anhörungen gefunden und auch nicht gehört haben, ist ein Argument für die immer wieder vorgetragene Behauptung, dass es einen Geheimdienst brauche. Darin unterscheiden sich die Herren Geibert, Fiedler, Gentzel und auch Herr Adams nicht;
nicht ein einziges Argument außer der diffusen Darstellung, man müsse sich ja schließlich schützen. Beseelt von dieser Annahme negieren Sie die Funktion, Struktur und Aufgabenbeschreibung eines Geheimdienstes vollkommen. Ein Anzuhörender, kein grundsätzlicher Befürworter der Abschaffung des Verfassungsschutzes, hat den Abgeordneten des Innenausschusses dieses sehr deutlich vor Augen geführt. Prof. Dr. Hans Peter Bull, von der CDU und SPD vorgeschlagener Experte, führte
in seiner Stellungnahme das rechtsstaatliche Dilemma der Geheimdienstbefürworter aus - mit Ihrer Genehmigung zitiere ich -: „Die Konzentration des Verfassungsschutzes auf gewaltorientierte Bestrebungen ist im Sinne einer Reduktion staatlicher Überwachung zu begrüßen; sie würde die unselige Gesinnungsschnüffelei beenden, die den Verfassungsschutz in der Vergangenheit in ein rechtsstaatliches Abseits gebracht hat.“ So weit, so gut. Weiter führt Prof. Bull aber aus - Zitat -: „Würden sich die Verfassungsschutzbehörden nun auf die Beobachtung der gewaltbereiten Szene beschränken, so träte noch deutlicher zutage, was heute schon ein zentrales Problem der Sicherheitsverwaltung darstellt: die Doppelzuständigkeit von Polizei und Geheimdiensten, die oft genug zu einem unkoordinierten Nebeneinander beider Behördenstränge geführt hat.“ Was haben wir? Wir können uns laut Herrn Bull zwischen Doppelzuständigkeit und darauf aufbauenden Begehrlichkeiten zum Informationsaustausch und damit der Verletzung des Trennungsgebots einerseits und andererseits einem Geheimdienst, der ausschließlich Gesinnungsschnüffelei betreibt, entscheiden. Oder aber wir entscheiden uns, dieses Dilemma dahin gehend aufzulösen, da es weder eine Doppelzuständigkeit braucht, diese eher rechtsstaatlichen Prinzipien infrage stellt, noch eine Behörde, die ausschließlich oder auch Gesinnungsschnüffelei betreibt, und schaffen das ganze Amt einfach ab.
Meine Damen und Herren, diese Frage aber wollen weder die Fraktionen von CDU und SPD noch die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ernsthaft erörtert wissen. So unterblieb auch, wie so viele Male in dieser Legislatur, eine inhaltliche Auswertung der durchgeführten Anhörung im Innenausschuss. Die Änderung des Verfassungsschutzgesetzes wird zum Politikum, zum Gegenstand eines Machtpokers in einer Koalition, deren Partner sich lieber gegenseitig vorwerfen, einen Geist wie unter Honecker in Thüringen etabliert zu haben oder gleich völlig ungeeignet für ein Amt zu sein. Morgen werden wir wahrscheinlich eine Erfolgsgeschichte erzählt bekommen, was für eine tolle Regierung Thüringen in den letzten fünf Jahren ihr Eigen nennen konnte.
Beim Verfassungsschutzgesetz gieren die Sozialdemokraten nach besonderer Anerkennung und betonen noch vor Veröffentlichung des Änderungsantrags, dass dieser eine sozialdemokratische Handschrift tragen würde - wohl in der Hoffnung, dass am Ende keiner mehr überprüft, was man laut genug behauptet hat.
Aber schauen wir uns die sozialdemokratische Handschrift einmal an. Der SPD-Abgeordnete Hey wurde in der Nachrichtenagentur dpa wie folgt wie
dergegeben, dass der nun ausgehandelte Reformvorschlag unter anderem vorsieht - Zitat -, „… dass sich der Nachrichtendienst auf seine Kernaufgaben beschränkt. Dies sei in erster Linie der Kampf gegen gewaltbereite Bestrebungen. Die immer wieder von der CDU geforderte Übertragung von Präventionsaufgaben an den Verfassungsschutz sei mit dem gefundenen Kompromiss nun kein Thema mehr.“ Das Interessante dabei ist, dass der Änderungsantrag zu genau diesen Themen überhaupt keine Aussage trifft. Wie ist dann erst die Aussage Herrn Heys zu bewerten, dass sich die SPD in allen entscheidenden Punkten durchgesetzt habe. Aber auch für die CDU war die Einigung mit dem Koalitionspartner ein Erfolg und man ziehe nun die richtigen Konsequenzen.
Meine Damen und Herren, hier will uns ein jeder dieser Koalition ein X für ein U vormachen oder besser, man will einen Geheimdienst zur demokratischen Institution verklären und gesellschaftlich verankern und der weitgehend erfolgten öffentlichen Delegitimation durch einfach falsche Behauptungen begegnen.
Im Einzelnen zur Darstellung des Abgeordneten Hey: 1. § 1 Abs. 1 setzt in der allgemeinen Zweckbestimmung des Verfassungsschutzes tatsächlich den Schwerpunkt auf gewaltorientierte Bestrebungen, übrigens von Anfang an. Bei den eigentlichen Aufgaben in § 4 und § 5 bei den Eingriffsbefugnissen und Eingriffsschwellen und beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gibt es diese Grenzen gar nicht. Im Gegenteil, selbst § 1 beschreibt, dass dem Entstehen von Bestrebungen durch den Geheimdienst begegnet werden soll. Also der Geheimdienst soll Bestrebungen bekämpfen, die es noch gar nicht gibt. Damit verbleibt dieser Thüringer Verfassungsschutz und erfährt dadurch sogar noch eine Stärkung und, um mit den Worten von Prof. Bull zu sprechen, ist im Bereich der Gesinnungsschnüffelei tätig. Wenn nicht, wäre er bereits strukturell überflüssig, weil für die Gefahrenabwehr die Polizei zuständig ist; auch darauf verwies Prof. Bull.
In § 5 Abs. 1 und noch sehr viel deutlicher in Absatz 2 wird die Präventionsaufgabe des Geheimdienstes gestärkt und ausgebaut ganz im Sinne der Eingangsbemerkung zum Gesetzentwurf, dass die Landesregierung den Geheimdienst in der Mitte der Gesellschaft verankern möchte. Anders als Herr Hey verweisen andere in der Darstellung zur koalitionären Einigung auf die durchaus richtige Feststellung, man habe sich dazu verständigt, die Vorschläge der Parlamentarischen Kontrollkommission aufzunehmen - sicher nicht vollständig und auch nicht ausschließlich, aber zu einem großen Teil.
Ich möchte zuerst auf einen Punkt eingehen, der als Vorschlag der PKK nicht Einzug in den Änderungsantrag gehalten hat. Nach dem nun in diesem Punkt unverändert bleibenden Gesetzentwurf soll
der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel dann unzulässig sein, wenn allein Kenntnis aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt werden würde. Da es also praktisch ausreicht, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass nur eine Information jenseits des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung erlangt werden könnte, ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in der Praxis immer zulässig. Das heißt de facto, in dem verfassungsrechtlich garantierten und vor dem staatlichen Zugriff unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung gilt es für den Geheimdienst nicht und soll es für das künftige Amt für Verfassungsschutz auch nicht gelten. Die PKK hat dies erkannt und zumindest vorgeschlagen, das Wort „allein“ durch „im Schwerpunkt“ zu ersetzen. Das hätte zwar nicht...
Haben wir nicht drei gesagt?
Dann gestatten Sie mir bitte noch einen Satz, da hatte ich jetzt ein Verständnisproblem. Das hätte zwar nicht wirklich den Kernbereich privater Lebensgestaltung vor dem Zugriff des Geheimdienstes geschützt,
aber die Hürden hätten ein klein wenig höher gelegen. Es stellt nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Hey also eine sozialdemokratische Handschrift dar, bereits auf den Minimalschutz - den verfassungsrechtlich eigentlich unantastbaren Kern - zu verzichten. Ich habe einen Punkt gesetzt.
Die werde ich nicht ausschöpfen.
Ich fahre dann fort, meine Damen und Herren. Dahin gehend Aufnahme gefunden hat ein Änderungsvorschlag der Parlamentarischen Kontrollkommission zu § 10 Abs. 2. Manch einer wird sich im Hohen Haus noch an die Beantwortung einer Mündlichen Anfrage durch den Staatssekretär Rieder erinnern, der in unnachahmlicher Art und Weise ausführte, dass Mitarbeiter von Abgeordneten für den Verfassungsschutz sakrosankt, das heißt also, Personen unantastbar werden. Anlass für seine Äußerung war, dass der Verfassungsschutz einen Mitarbeiter der Abgeordneten König als Informanten anwerben wollte. Sozialdemokratische Handschrift heißt in diesem Fall, hinter diese Aussage des Innenstaatssekretärs zurückzufallen, und bindet die gesetzliche Möglichkeit der Anwerbung eines Mitarbeiters eines verfassungsrechtlich geschützten Abgeordneten als inoffiziellen Mitarbeiter und Zuträger an die vorherige Information des Landtagspräsidenten und des Vorsitzenden der PKK. Völlig unberührt zeigt sie sich hier, sowohl die Abgeordneten als auch deren Mitarbeiter betreffend, von den zwischenzeitlich ergangenen Verfassungsgerichtsentscheidungen, die ihnen nicht folgenlose Informationspflichten an Geheimnisträger auferlegen, sondern enge Grenzen für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen Parlamentarier an sich setzen. Aufgenommen wurden auch die Regelungsvorschläge der PKK zum Ausbau der parlamentarischen Kontrolle. Frau Holbe nennt dies die richtigen Konsequenzen. Sicher doch, erweitert sie die Kontrollmöglichkeiten und erweitert auch die Befugnisse der PKK und erleichtert deren Arbeit, aber sie sind keineswegs geeignet, die parlamentarische Kontrolle zu revolutionieren, weil sich der Grundsatz der Transparenz des Parlaments und der Grundsatz der Geheimhaltung eines Nachrichtendienstes grundsätzlich diametral gegenüberstehen. Das löst der Gesetzentwurf auch nicht unter Berücksichtigung des Änderungsantrags auf. Da er dies aber auch nicht kann, sollte auch nicht so getan werden. Es wäre unredlich, wenn man behaupten würde, Thüringen zieht damit die Konsequenzen aus der Arbeit des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem neonazistischen Terrornetzwerk NSU, denn die übergroße Mehrzahl der vorgenommenen Änderungen entsprechen einfach den Regelungen des seit 2009 geltenden Kontrollgremiumsgesetzes des Bundes. Wie wirksam die parlamentarische Kontrolle mit diesen in Thüringen nun eingeführten Instrumentarien auf Bundesebene funktioniert hat, zeigt die Arbeit des Untersuchungsausschusses des Bundes, die Vernichtung von Akten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, die die Arbeit selbst der Untersuchungsausschüsse erheblich erschwerte und behinderte, und zeigen die öffentlichen Äußerungen von Kontrollgremiumsmitgliedern darüber, über was sie alles nicht informiert wurden und was damit auch nicht zum Gegenstand ihrer Kontrolle wurde.
Um nicht falsch verstanden zu werden, die Anhebung der Kontrollbefugnisse in Thüringen auf das Niveau des Bundes ist im föderalen System kein falscher Schritt. Es ist nur keine Konsequenz, die es notwendig zu ziehen galt. Unbeeindruckt zeigt sich die Koalition auch bei den Fragen nach Wiederherstellung eines verfassungskonformen Zustands bei der funktionellen Trennung von Geheimdienst und Polizei. Das Trennungsgebot führt seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen Verteidigungskampf, den es nun völlig zu verlieren droht. Das Trennungsgebot meint nicht allein eine rein organisatorisch-strukturelle Trennung von Überwachung und Repression. Es meint vor allem, dass Menschen durch den Staat nicht ohne Vorliegen von Anhaltspunkten einer Überwachung aufgrund ihrer politischen Betätigung und im Ergebnis staatlichen Repressivmaßnahmen unterzogen werden dürfen. Dies aber passiert dann, wenn zwar organisatorisch und personell die Trennung zwischen Geheimdienst und Polizei aufrechterhalten wird, der Informationsfluss aber weitestgehend barrierefrei ermöglicht wird, so wie das der vorliegende Gesetzentwurf schafft. Die Thüringer Informations- und Auswertungszentrale von Polizei und Verfassungsschutz erhält eine gesetzliche Grundlage und überdies dürften das Amt für Verfassungsschutz und andere Behörden, unter ihnen auch Polizeibehörden des Landes, gemeinsame Dateien projektbezogen führen können. Damit ist in der Konsequenz das Trennungsgebot nahezu vollständig aufgehoben - offenbar eine sozialdemokratische Handschrift.
Meine Damen und Herren, die Linke sieht keinerlei Grund, von der Forderung zur ersatzlosen Abschaffung des Landesamtes für Verfassungsschutz abzurücken.
Wir verstehen unter Verfassungsschutz eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung für den Schutz der Demokratie mit den Mitteln der Demokratie, wahrgenommen durch zivilgesellschaftliche Akteure bei Unterstützung staatlicher Institutionen. Im Februar 2012 haben wir Ihnen einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Die Argumente, die wir Ihnen damals hier vorgetragen und mit Sachverständigen diskutiert haben, sind auch heute noch richtig. Ihr Gesetzentwurf, dies gilt auch für den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zu dem ich mich in erster Beratung ausführlich geäußert habe, ist in erster Linie ein Bekenntnis zum Geheimdienst. Das wirklich Tragische daran ist, trotz NSU, trotz V-Leute-Skandal, trotz Beteiligung der Verfassungsschutzämter am Strukturaufbau und an politischen Aktionen von Neonazis gilt dies als ungebrochenes Bekenntnis zum Geheimdienst als solchem.
Wir lehnen die Gesetzentwürfe der Landesregierung, also der Koalition aus SPD und CDU, sowie den der Grünen ab.
Danke, Frau Präsidentin.
Konsequenzen für den Katastrophenschutz
In einer Pressemitteilung vom 2. Juni 2014 warf der Thüringer Feuerwehr-Verband e.V. dem Thüringer Innenministerium Arbeitsverweigerung und Versagen im Katastrophenschutz vor, da bislang keine Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2013 gezogen worden seien. So gäbe es bis heute keine Auswertung der Katstrophe für den Bereich des Katastrophenschutzes. Notwendige Konsequenzen, wie beispielsweise die Etablierung eines flächendeckenden Warnsystems oder die Bildung von Großverbänden aus den Katastrophenschutzeinsatzzügen mehrerer Landkreise, fehlten. Im Dezember 2013 nahm das Thüringer Innenministerium auf Antrag der Fraktion DIE LINKE im Innenausschuss Stellung zu dem vom Thüringer Feuerwehr-Verband vorgelegten Forderungskatalog. Unter anderem äußerte die Landesregierung, dass die Warnung und Information der Bevölkerung zuerst eine Aufgabe der kommunalen Gefahrenabwehr sei, bei der die Aufgabenträger durch Bund und Land unterstützt würden, und dass derzeit überlegt werde, wie die Unterstützung der Führung von nach der Thüringer Katastrophenschutzverordnung möglichen Großverbänden perspektivisch erneuert und erweitert werden könne.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie ist gegenwärtig die Alarmierung der Bevölkerung im Katastrophenfall flächendeckend sichergestellt und welchen Anteil (Deckungsgrad) haben dabei Sirenensysteme?
2. Welche Änderungen wurden durch die Aufgabenträger im Katastrophenschutz mit welcher konkreten Unterstützung durch das Land seit der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2013 diesbezüglich tatsächlich umgesetzt?
3. Welche Maßnahmen der Erneuerung und Erweiterung der Unterstützung bei der Führung von Großverbänden wurden zwischenzeitlich konkret geplant bzw. umgesetzt?
4. Wie beurteilt die Landesregierung den Umsetzungsstand der mit der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2013 gemachten Erfahrungen jeweils für die Gemeinden, die Landkreise und das Land und wie begründet sie ihre jeweiligen Einschätzungen sachlich?
In meiner Einleitung habe ich mich auf den Thüringer Feuerwehrverband bezogen. Gab es mit dem Thüringer Feuerwehrverband eine Gesamtauswertung der Situation oder ist dies nur auf Kreisebene entstanden? Und zu den Wasserwehren - wir haben uns auch mit dem Landesfeuerwehrverband unterhalten: Wie sehen Sie denn die Verantwortung der Kreise dort oder wie ist denn der Rücklauf oder wie ist denn der Stand wirklich, wie viel sind denn vorhanden?
Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, der dem Landtag heute zur Änderung des Thüringer Rettungsdienstgesetzes sowie des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes zur ab
schließenden Entscheidung vorliegt, ist bereits im September des vergangenen Jahres durch die Landesregierung eingereicht worden. Grund für den langen Beratungszeitraum sind nicht etwa Differenzen in der Regierungskoalition, die wir in der Vergangenheit des Öfteren erlebt haben, oder gar, was tatsächlich etwas noch Außergewöhnlicheres wäre, dass wir das im zuständigen Innenausschuss ganz intensiv beraten hätten, sondern schlicht und einfach Rechtsetzungsverfahren auf europäischer und auf Bundesebene. Der Gesetzentwurf ging im vergangenen Jahr nämlich noch davon aus, dass künftig bei Vergabe des Rettungsdienstes dieser europaweit ausgeschrieben werden muss. Damit einher ging die Befürchtung, dass nicht ortsansässige Unternehmen künftig mit Dumpinglöhnen Ausschreibungen gewinnen und dies nachhaltige Auswirkungen auf den Katastrophenschutz haben wird, da für gewöhnlich die regionalen Rettungsdienstleister - in der Regel sind dies anerkannte Hilfsorganisationen - auch in die Struktur des Katastrophenschutzes eingebunden sind, nicht ortsansässige gewinnorientierte Unternehmen aber auch keinerlei Veranlassung darin sehen, sich strukturell in gleichem Maße einzubinden. Dem sollte, so der ursprüngliche Entwurf der Landesregierung, insofern begegnet werden, dass bei der Ausschreibung der Rettungsdienstleistung die erforderlichen personellen Mitwirkungen im Katastrophenschutz als Wertungskriterium angemessen berücksichtigt werden sollen.
Nun sind durch Rechtsänderungen zur Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie sowie zur Konzessionsrichtlinie auch künftig europaweite Ausschreibungen für den Rettungsdienst nicht notwendig, was unsere Zustimmung findet. Dennoch meinen wir, dass man an der ursprünglich gefundenen Lösung festhalten kann. Die Abänderung von einer Soll-Vorschrift hin zu einer reinen Ermessensentscheidung können wir nicht nachvollziehen. Grundsätzlich ist zwar zu begrüßen, dass Landkreise ein weiteres Ermessen haben, aber die gewollte und auch sachgerecht enge Verzahnung von Katastrophenschutz mit dem Rettungsdienst würde dadurch nicht flächendeckend sichergestellt sein. Sowohl Rettungsdienst als auch Katastrophenschutz sind gerade keine Aufgaben im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung, sondern es ist staatliche Aufgabe, flächendeckend und gleichwertig auf hohem Niveau Rettungsdienst sicherzustellen und einen wirksamen Katastrophenschutz vorzuhalten.
Mit dem Änderungsgesetz wird darüber hinaus das zum 1. Januar 2014 in Kraft getretene Notfallsanitätergesetz landesrechtlich umgesetzt. Das Bundesgesetz löst den Rettungsassistenten als Ausbildungsberuf ab und wir ersetzen diesen durch den höher qualifizierten Notfallsanitäter. Wie wir bereits in der ersten Beratung des Gesetzentwurfs deutlich gemacht haben, begrüßt die Linke diese Änderung. Für die auf den Rettungsdienst angewiesenen Men
schen bedeutet dies in der Zukunft eine schnellere und kompetentere Hilfe im Notfall, für die rettungsdienstleistenden Beschäftigten eine höhere Rechtssicherheit, denn wir sind ehrlich, auch Rettungsassistenten haben in der Vergangenheit mit einer hohen Kompetenz und auf hohem Niveau Leben gerettet und Leistungen im Interesse der Patienten erbracht.
Nur waren sie nicht immer für jede einzelne Maßnahme ausgebildet oder berechtigt, was im Ernstfall für den Rettungsassistenten zu erheblichen rechtlichen Problemen hätte führen können. Diese gewollte Qualitätssteigerung im Rettungsdienst wird man aber nur erreichen können, wenn man konsequenterweise den zweiten nach dem ersten Schritt geht und die im Dienst befindlichen Rettungsassistenten auch zu Notfallsanitätern weiterbildet.
Im Übrigen auch mit der Folge, dass sich dies in der Entlohnung widerspiegeln muss. Das Notfallsanitätergesetz des Bundes lässt für die Weiterbildung eine Frist von sieben Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes zu. Danach endet, so der bisherige Wortlaut des Gesetzes, die Möglichkeit der aufbauenden Weiterbildungsmöglichkeit. Vor diesem Hintergrund macht es überhaupt keinen Sinn, die im Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehene Frist, in der der Einsatz von Rettungsassistenten noch möglich ist, zu verlängern, so, wie dies einzelne Anzuhörende fordern.
Wir haben bei einer Ausbildungskapazität von jährlich 130 Ausbildungsplätzen in Thüringen 2.300 im Einsatz befindliche Rettungsassistenten weiterzuqualifizieren. Durch die klarstellende Regelung in der Beschlussempfehlung, dass die Kosten für die Weiterbildung von Rettungsassistenten zu Notfallsanitätern durch die Kostenträger, also die Krankenkasse, zu tragen sind und nicht die Aufgabenträger, also die Landkreise und kreisfreien Städte, zusätzlich belastet werden, gehen wir davon aus, dass die entsprechend notwendigen Kapazitäten gegebenenfalls auch geschaffen werden. Unsere Nachfrage zu diesem Punkt im Innenausschuss beantwortete der Innenminister zumindest dahin gehend, dass es hier zu keinerlei strukturell begründeten Schwierigkeiten kommen wird. Bleibt der Umstand, dass dadurch in den nächsten sieben Jahren pro Jahr durchschnittlich mehr als 300 der derzeit aktiven Rettungsassistenten zum Zweck der Weiterbildung aus dem Dienst genommen werden. Ob dies Auswirkungen auf den Rettungsdienst haben wird, muss Gegenstand einer ständigen Evaluierung sein und darf nicht dem Zufall überlassen bleiben. Ein entsprechend begleitendes Management durch die oberste Landesbehörde zur Unterstützung für die Landkreise wäre sinnvoll.
Ich möchte es an dieser Stelle auch nicht versäumen, mich hier bei allen Rettungssanitätern, die bei hervorragender Einsatzbereitschaft ihre Arbeit gemacht haben, zu bedanken.
Eine abschließende Bemerkung zur Aufnahme der Regelung zur Beschaffung von für den Katastrophenschutz benötigten Fahrzeugen durch das Land: Die gefundene Regelung ist grundsätzlich zu begrüßen, nur erfolgt die Beschaffung auf der Grundlage eines fortzuschreibenden Ausstattungsprogramms für den Katastrophenschutz, also der Katastrophenschutzverordnung. Nur dies sieht eine in Thüringen ausgesprochen kleinteilige Struktur des Katastrophenschutzes vor, eine Kleinteiligkeit, die sich nicht aus den Erfordernissen des Katastrophenschutzes ergibt, sondern aus der Kleingeistigkeit des Blickes auf die Struktur der Landkreise und kreisfreien Städte. Hier bedarf es im Interesse effektiver Verzahnung und Synergien einer tatsächlichen Fortschreibung.
Meine Damen und Herren, wir hatten in der ersten Lesung gesagt, dass sich jede Änderung von Vorschriften im Bereich des Rettungswesens und im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes daran messen lassen muss, ob die Qualität im Rettungswesen zukünftig im Interesse von Menschen, welche sich in lebensbedrohlichen Situationen befinden, gesteigert wird. Vor diesem Hintergrund sehen wir keinerlei Veranlassung, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Zuschauer auf der Zuschauertribüne oder an den Monitoren! Bevor ich in meine Rede einsteige, Herr Minister, möchte ich ganz einfach noch einmal darauf hinweisen, dass die Zwickauer Zelle des NSU Thüringer waren.
Wir sollten auch dabei bleiben, das gehört zur Wahrheit gegenüber den anderen Bundesländern dazu.
Meine Damen und Herren, bereits vor einem Monat diskutierte der Thüringer Landtag über die Zukunft der Thüringer Version des Inlandgeheimdienstes, denn um einen solchen handelt es sich, wenn Poli
tiker und andere gewöhnlich und euphemistisch zugleich über den Verfassungsschutz reden. Es ist naheliegend, dass zwischen der Vorlage des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der uns in der letzten Landtagssitzung in der Drucksache 5/7327 beschäftigte, und der sich zeitlich anschließenden Vorlage des Entwurfs der Landesregierung ein Zusammenhang besteht. Möglicherweise hätte es den zweiten ohne den ersten nicht gegeben, aber vielleicht war es genau das Ziel der Grünen-Fraktion, die Landesregierung aus CDU und SPD zu einem Kompromiss zu treiben, ein Kompromiss, der lange Zeit als undenkbar galt. Nun liegt er auf dem Tisch und man ahnt, warum die SPD lieber noch schnell einen Erfolg ihrer Kompromiss- oder Leidensfähigkeit verkündet, aber auf gar keinen Fall darauf warten wollte, unter den Bedingungen veränderter Konstellationen im Herbst Verfassungsschutz neu zu denken und schließlich auch bürgerrechtsfreundlich, demokratisch und vor allem geeignet in Thüringen zu etablieren.
Aber das hätte vorausgesetzt, unter dem Begriff „Verfassungsschutz“ nicht einen Geheimdienst zu verstehen, sondern im Prinzip das Gegenteil, eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung für den Schutz der Demokratie mit den Mitteln der Demokratie, wahrgenommen durch zivilgesellschaftliche Akteure bei Unterstützung staatlicher Institutionen. Weder der Gesetzentwurf der Grünen noch weniger der der Landesregierung schlagen auch nur im Ansatz eine solche Denkrichtung ein. Beide Entwürfe haben aber auch noch eine zweite Gemeinsamkeit. Auch diesen Gesetzentwurf haben wir zuallererst dahin gehend lesend überprüft, ob sich an irgendeiner Stelle auch nur der Ansatz einer nachvollziehbaren Begründung für die Notwendigkeit eines Inlandgeheimdienstes finden lässt. Aber das ist bei den Grünen wie auch bei der Landesregierung Fehlanzeige. Der Gesetzentwurf geht einfach davon aus. Nicht einmal bei den Alternativen sind CDU und SPD geneigt, die ersatzlose Abschaffung des Dienstes zu benennen. Ich sage Ihnen auch, warum sie dies nicht tun. Sie müssten sich dann selbst mit der Frage auseinandersetzen, warum Sie an einem solchen Amt mit der Befugnis zur Bespitzelung festhalten, und Sie haben Angst, selbst keine Antwort liefern zu können. Sie müssten schließlich auch zwei Drittel der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland überzeugen, die nach Umfrage kein Vertrauen in eine solche Behörde haben. In den neuen Bundesländern sind dies sogar 77 Prozent. Sie sollten darüber nachdenken, welche historischen Gründe für diese Differenz infrage kommen könnten.
Aber dessen ungeachtet und unabhängig einer grundsätzlichen Fragestellung behaupten Sie im ersten Vorsatz Ihrer Vorlage, mit Ihrer Genehmigung zitiere ich: „Der Verfassungsschutz in Thürin
gen bedarf einer grundlegenden Neuausrichtung.“ Dann sagen Sie weiter, dass sich der Änderungsund Reformbedarf aus der Aufklärung der Vorgänge in den 90er-Jahren im Zusammenhang mit der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund zeigt. Allein diese Formulierung zeigt schon, dass Sie in den vergangenen Jahren öffentlich diskutierte Kritik an den Verfassungsschutzbehörden überhaupt nicht verstanden haben. Aber darauf möchte ich an dieser Stelle gar nicht weiter eingehen. Denn die absolute Zumutung ist, wie Sie diese notwendige Änderung beschreiben. Sie schreiben als Regelungsbedürfnis wörtlich, ich zitiere: „Es bedarf gesetzlicher Regelungen, die den Verfassungsschutz noch besser in der Mitte der Gesellschaft positionieren.“ Bei „Lösung“ schreiben Sie davon, den Verfassungsschutz, auch das ist ein Zitat, „in der Mitte der Gesellschaft zu verankern“. Glauben Sie tatsächlich, eine Institution wie den Verfassungsschutz durch Gesetz in der Gesellschaft verankern zu können und der Tatsache der vollständigen Delegitimierung des Inlandsgeheimdienstes in einigen Änderungen hier und da zu begegnen? Ich will Ihnen einmal ein Zitat aus einem Wahlprogramm vorlesen, in dem konsequent die gemachten Erfahrungen verarbeitet und zu Ende gedacht worden sind. Von wem es stammt, sage ich am Ende. Ich zitiere: „Das Landesamt für Verfassungsschutz hat im Bereich der Beobachtung und Bekämpfung des Rechtsextremismus versagt. Die Arbeit der Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern hat erhebliche Zweifel an der Reformierbarkeit und den Möglichkeiten zur demokratischen und rechtsstaatlichen Kontrolle der Inlandsgeheimdienste aufkommen lassen. Wir treten daher für eine klare Zäsur ein: Es ist Zeit den Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form als Inlandsgeheimdienst abzuschaffen.“ Zitat Ende. Der Titel des Wahlprogramms, jetzt wird es einigen aufgehen, heißt „Jetzt ist alles drin! Wir bringen Bayern ins Gleichgewicht.“ und wurde von den Delegierten des 65. Ordentlichen Landesparteitages der SPD Bayern im Mai 2013 in Augsburg beschlossen. Und was macht die SPD in Thüringen? Sie erzählt uns etwas von der Positionierung des Geheimdienstes in der Mitte der Gesellschaft und verbindet die Frage nach den Konsequenzen für den Inlandgeheimdienst Verfassungsschutz mit Fragen der Dienstrechtsreform. Allein der Gedanke, dass in Thüringen eine Geheimdienststruktur und Geheimdienstbefugnisse zwischen zwei Parteien offenbar als verbundenes Geschäft mit sachfremden Themen ausgehandelt werden, zeigt, wie notwendig ein Politikwechsel in diesem Land ist.
Meine Damen und Herren, dass Geheimdienst drin ist, wo Verfassungsschutz draufsteht und sich auch nach einer etwaigen Annahme dieses Gesetzentwurfs, vor der uns eine Mehrheit dieses Hauses zu gegebener Zeit bewahren sollte, daran nichts verändern wird, möchte ich beispielhaft an einigen vorgeschlagenen Änderungen veranschaulichen, die
uns hier als Neuausrichtung angeboten werden. Bislang war es gesetzliche Aufgabe des Landesamts für Verfassungsschutz, zuständigen Stellen zu ermöglichen, die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren usw. usf. zu treffen. Zweck der neuen Organisationseinheit soll es nach Auffassung der einbringenden Landesregierung sein, bereits das Entstehen von Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sein werden, vorzubeugen. Das heißt, das Amt für Verfassungsschutz - man beachte die Namensänderung - soll nicht gegen die Bestrebungen selbst agieren, sondern auch gegen deren Entstehung in der Zukunft, so legt es § 1 Abs. 1 Satz 2 nahe. Eine Bestätigung erfahren wir dann in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Danach sollen die nachrichtendienstlichen Befugnisse - also geheimdienstliche Spitzelei - dann zum Einsatz kommen, wenn dadurch Erkenntnisse über im Sinne des Verfassungsschutzes gefährliche Bestrebungen gewonnen werden können, aber auch die zur Erforschung solcher Erkenntnisse notwendigen Quellen gewonnen werden können. Übersetzt heißt das also, das Amt für Verfassungsschutz darf in Bestrebungen spitzeln, die sie bereits als gefährlich ausgemacht hat und dort, wo sie glaubt, Erkenntnisse zu gewinnen, die erst belegen könnten, dass eine Bestrebung gefährlich im Sinne des Verfassungsschutzes ist. Was, meine Damen und Herren, ist das anderes als eine Überwachung von politischen Aktivitäten weit im Vorfeld tatsächlicher Anhaltspunkte für die Gefährlichkeit von Bestrebungen oder Aktivitäten? Das ist zusammengenommen mit der Zweckbestimmung in § 1 des geplanten Amts für Verfassungsschutz die Berechtigung zur Ausforschung ohne eines einer Prüfung nach rechtsstaatlichen Kriterien standhaltenden Verdachts. Die Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 3, die offenbar Anlass für die etwas hysterische Pressemitteilung der Deutschen Polizeigewerkschaft gewesen ist, ist vor diesem Hintergrund allenfalls billige Lyrik, aber keinesfalls eine Beschränkung des Einsatzes der nachrichtendienstlichen Befugnisse.
Auch keine wirksame Beschränkung nehmen Sie bei den nichtnachrichtendienstlichen Befugnissen in den §§ 10 bis 12 vor. Zunächst schaffen Sie Klarheit, indem Sie die nachrichtendienstlichen Mittel abschließend aufzählen, aber auch alles aufgenommen haben, was der geheimdienstliche Instrumentenkasten hergibt. Unverzichtbar sind nach Ansicht der Einbringer auch in Zukunft die sogenannten Vertrauensleute, warum, erfahren wir aber auch an dieser Stelle nicht, es wird einfach vorausgesetzt. Dass das nicht ganz problemlos ist, ist der Landesregierung durchaus bewusst, finden sich doch einige Regelungen, die den Einsatz von V-Leuten irgendwie reglementieren sollen. Zum Beispiel sollen keine Personen eingesetzt werden, für die die Geld- und Sachzuwendungen überwiegende Le
bensgrundlage auf Dauer sind. Es kommt auf den Einzelfall an, was das konkret heißt.
Nun formuliert der Gesetzentwurf in § 12 Abs. 4 weiter, ich zitiere: „Beim Einsatz von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen Informanten und Gewährspersonen dürfen keine Straftaten begangen werden.“ Dass diese Passivsatzkonstruktion nicht dahin gehend interpretiert werden kann, dass Vertrauensleute nur dann als solche geführt werden dürfen, wenn sie keine Straftaten begehen, wird dem aufmerksamen Leser in Absatz 5 desselben Paragrafen offenbar klar. Dort heißt es, ich zitiere: „Sofern tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Vertrauensleute rechtswidrig einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung verwirklicht haben, ist die Zusammenarbeit unverzüglich zu beenden, und die Strafverfolgungsbehörden sind zu unterrichten.“ Dass es hier auch die Es-kommt-aufdie-Information-an-Ausnahme gibt, versteht sich fast schon von selbst. Es geht um einen Geheimdienst.
Andere Fragen drängen sich bei der Formulierung auf: Warum nur Straftaten von erheblicher Bedeutung? Warum erst nach Eintritt der Verwirklichung eines Straftatbestandes, nicht aber zur Verhinderung der Straftat?
Zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in Ihrem Gesetzentwurf möchte ich noch zwei Anmerkungen machen, die das einem Geheimdienst feindliche Verhältnis zu Grundrechten und Grundprinzipien der repräsentativen Demokratie offenbaren. So soll der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel dann unzulässig sein, wenn allein Kenntnis aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, erlangt werden würden. Da es also praktisch ausreicht, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass nur eine Information jenseits des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung erlangt werden könne, ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in der Praxis immer zulässig. Das heißt de facto, den verfassungsrechtlich garantierten und vor dem staatlichen Zugriff unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung gibt es für den Geheimdienst nicht und soll es für das künftige Amt für Verfassungsschutz auch nicht geben.
In § 10 Abs. 2 entwickeln Sie die bisherige Regelung des § 5 Abs. 4 dezent fort. Zukünftig wird, wenn ein Mitglied des Thüringer Landtags Ziel des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel ist, bereits vorab informiert werden. Völlig unberührt zeigen Sie sich hier von den zwischenzeitlich ergangen Verfassungsgerichtsentscheidungen, die Ihnen nicht folgenlose Informationspflichten an Geheimnisträger auferlegen, sondern enge Grenzen für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen Parlamentarier an sich setzen. Ein grundrechtstreuer und demokratiefester Gesetzentwurf hätte an dieser Stelle die verfassungsrechtlichen Grenzen
klar definiert, anstatt diese zu verschweigen, aber möglicherweise wäre es dann keiner, der die Fortsetzung geheimdienstlicher Tätigkeit ermöglicht.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf trifft im § 2 Regelungen zur Kontrolle der Tätigkeit des geplanten Amtes für Verfassungsschutz. Dazu soll eine Stabsstelle Controlling eingerichtet werden, die dem Präsidenten berichtet. Über die bereits erwähnte Ausnahme bei der Führung von straffälligen V-Leuten, also über die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit einer V-Person, die eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat, entscheidet der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz. Der Präsident entscheidet auch über das Belauschen von in Wohnungen nicht offen gesprochenen Worten. Nun kontrolliert die Stabsstelle Controlling also in diesen Fällen den Präsidenten und berichtet ihm über das Prüfergebnis, der wiederum über die Folgen entscheidet. Denn laut Gesetzentwurf hat die Stabsstelle keine weiteren Befugnisse. Nicht einmal gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission hat sie ein gesondertes Informationsrecht oder eine gesonderte Informationspflicht. Sie ist weniger eine wirksame Kontrollinstitution der Arbeit eines Geheimdienstes, sondern ein Hilfsorgan für den Präsidenten des Amtes, damit dieser die Einhaltung des Gesetzes in seinem Amt sicherstellen kann, immerhin eine Konsequenz aus den vorliegenden Erkenntnissen der letzten Jahre, wenn auch nach wie vor keine im bürgerrechtlichen Sinne beruhigende.
So soll die parlamentarische Kontrolle lediglich aufgehübscht werden. Der Grundsatz der Geheimhaltung der Kontrolle bleibt fortbestehen und damit auch die Unmöglichkeiten der demokratischen und öffentlichen Kontrolle. Aber hier wiederhole ich mich gern. Dies ist ausdrücklich kein Vorwurf an die Verfasser des Gesetzentwurfs, denn ein Geheimdienst, der demokratisch, das heißt auch öffentlich kontrolliert wird, ist kein Geheimdienst.
Es schließt sich einfach aus.
Meine Damen und Herren, denselben Grundwiderspruch bekommen Sie auch bei dem Fortbestehen des Trennungsgebots nicht aufgelöst. Es gibt gute Gründe, am Trennungsgebot festzuhalten, denn das Trennungsgebot meint nicht allein eine rein organisatorisch strukturelle Trennung von Überwachung und Repression; es meint vor allem, dass Menschen durch den Staat nicht ohne Vorliegen von Anhaltspunkten für Straftaten einer Überwachung aufgrund ihrer politischen Betätigung unterzogen werden und im Ergebnis freiheitsbeschränkenden Repressivmaßnahmen unterzogen werden dürfen.
Dies aber passiert dann, wenn zwar organisatorisch und personell die Trennung zwischen Geheim
dienst und Polizei aufrechterhalten wird, der Informationsfluss aber weitestgehend barrierefrei ermöglicht ist. Genau das aber schafft der vorliegende Gesetzentwurf. Zum einen schafft er die gesetzliche Grundlage für die bereits seit dem Jahr 2007 existierende Thüringer Informationsauswertungszentrale von Polizei und Verfassungsschutz. Mit der TIAZ wurde seit Jahren schon der Informationsaustausch zwischen dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz und dem LKA instrumentalisiert und das Trennungsgebot de facto ausgeblendet. Eine neue Qualität kennt der vorliegende Gesetzentwurf aber dennoch. Bislang hatten ausweislich der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3083 die Bediensteten der TIAZ keinen Zugriff auf Dateien der jeweils anderen Behörde. Dies soll sich nach dem Willen der Landesregierung nunmehr ändern.
Entsprechend § 14 des Entwurfs sollen das Amt für Verfassungsschutz und deren Behörden, unter ihnen auch Polizeibehörden des Landes, gemeinsame Dateien projektbezogen führen können. Damit ist in der Konsequenz das Trennungsgebot nahezu vollständig aufgehoben. Lediglich ein struktureller Anschein findet sich noch in der Tatsache der eigenständigen Organisationseinheit und dem Verbot der Angliederung an die für Polizei zuständige Abteilung in Innenministerium in § 2 Abs. 2.
Meine Damen und Herren, kritisch zu hinterfragen sind auch die erweiterten Befugnisse bei der Ermittlung von Daten im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Arbeitsförderung oder die Mitwirkung bei Zuverlässigkeitsprüfungen, etwa nach dem Waffengesetz. Diese beiden Beispiele zeigen die scheinbar im Einzelfall und nachträglich mitunter nachvollziehbaren Begehrlichkeiten, über Menschen ein umfassendes Bild zu besitzen, um Gefahren zu begegnen, bevor sie tatsächlich entstehen. Doch der Preis dafür ist eine an Freiheiten beschränkte Demokratie. Und dieser Preis ist zu hoch.
Er ist auch nicht notwendigerweise zu entrichten, um Gefahren präventiv zu begegnen. Denn die Erfahrungen der vergangenen Jahre und die Aufklärungsarbeit in den Untersuchungsausschüssen haben zweierlei gezeigt. Erstens: Der gesellschaftlichen Gefahr des Neonazismus hätte frühzeitig und wirksam begegnet werden können, wenn zivilgesellschaftliche Initiativen, Bürgerbündnisse und antifaschistische Gruppen ernst genommen worden wären
und sie eine Unterstützung erfahren hätten, statt sie mit der Keule der unsäglichen Extremismustheorie zu diskreditieren und ihre wichtige Arbeit zu behindern.
Zweitens: Das Gefahrenabwehr- und das Strafprozessrecht hätten - die notwendige Sensibilisierung der Akteure vorausgesetzt - ausgereicht, um neonazistische Straf- und Gewalttäter sowie deren Aktivitäten aktive Unterstützer rechtsstaatlich zu verfolgen. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis zieht der Gesetzentwurf die falschen Schlüsse.
Wir kritisieren auch grundsätzlich den Gesetzentwurf der Grünen…
Ja. Wir kritisieren auch grundsätzlich den Gesetzentwurf der Grünen, aber wir sind der Meinung, dass er eine wesentlich bessere Arbeitsgrundlage bilden würde, um im Ausschuss sachgerecht darüber zu diskutieren. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst einige Anmerkungen, die mittelbar mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Regelung des Thüringer Beamtenrechts zusammenhängen. Seit vergangener Woche sind Angestellte des Bundes und der Kommunen im Warnstreik, um die Arbeitgeberseite zur Vorlage eines Angebots aufzufordern. In dieser Woche streiken auch Beschäftigte in Nahverkehrsbetrieben, um ihren Forderungen in den
Tarifverhandlungen mit dem kommunalen Arbeitgeberverband Thüringen Nachdruck zu verleihen. Die Forderung der Beschäftigten und Gewerkschafter sind keine unangemessenen.
Statt immer wiederkehrender, anerkennender Worte über die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des öffentlichen Dienstes zu verlieren, wäre es angemessen, diese Anerkennung durch ernsthafte Verhandlungen und durch ein ernsthaftes Angebot auch zu untersetzen.
Meine Damen und Herren, die Geschichte der immer wieder angekündigten und eingeforderten Dienstrechtsreform ist eine vergleichbar lange, selbst aus Sicht dieser Landesregierung, die ja nicht gerade, um es positiv zu formulieren, für Schnellschüsse bekannt ist. Auch beim langen Zielen wird die Hand nicht ruhiger, dafür aber das Trefferbild diffuser. Vielleicht ist dies auch beim vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften so. Jedenfalls verweist die Landesregierung selbst darauf, dass 2009 eine redaktionelle Änderung an das Beamtenstatusgesetz vorgenommen wurde und nunmehr der zweite Schritt folgt. Aber auch dies warf seine Schatten schon lange Zeit voraus. Dazu gehört auch das im Sommer 2012 durch den DGB Hessen-Thüringen vorgelegte Eckpunkte-Papier zur Dienstrechtsreform in Thüringen. Darin formulieren der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften ihre Anforderungen wie folgt - mit Ihrer Genehmigung zitiere ich -: „Der öffentliche Dienst in Thüringen muss zukunftsfähig gemacht und modernisiert werden. Eine Verwaltungsmodernisierung muss zunächst eine umfassende Aufgabenkritik zur Grundlage haben. Eine Dienstrechtsreform soll das Beamtenrecht reformieren und bedarf deshalb einer gründlichen Analyse der Entwicklung des Beamtenrechts in der Bundesrepublik sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung und daraus abgeleitet einer klaren Zielstellung.“
Ziele einer Dienstrechtsreform sind also die Verwaltungsmodernisierung, die Aufgabenkritik, eine gründliche Analyse, klare Zielstellungen und die Reform des Beamtenrechts am Ende. Eine Reform des Beamtenrechts liegt uns vor, mehr aber auch nicht. Das zeigt in der Tat die Schwächen des Entwurfs, dass er nicht mit anderen notwendigerweise im Zusammenhang stehenden Fragen einhergeht. Am Ende war die Koalitionsregierung wahrscheinlich nur noch froh darüber, den Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. In unserem Gespräch mit Personalvertretungen und Gewerkschaften glaubte keiner mehr daran, dass sich der Thüringer Landtag noch in dieser Legislatur mit einem Gesetzentwurf
befassen wird, den der Thüringer Innenminister bereits im Januar 2012 für das Jahr 2012 ankündigte. Im Januar 2013 teilte der Thüringer Innenminister auf Antrag der Fraktion DIE LINKE dem Innenausschuss mit: Aufgrund des nicht unerheblichen Umfangs einer Dienstrechtsreform habe sich das Innenministerium entschieden, das Gesamtpaket in zwei Teile aufzuspalten, die Neufassung des Thüringer Beamtengesetzes und der Thüringer Urlaubsverordnung sowie die Änderungen im Laufbahnrecht. Der Innenminister kündigte die Zuleitung der beiden Gesetzesvorhaben für das erste bzw. das zweite Halbjahr 2013 an. Im Februar 2014 wollte meine Fraktion doch noch einmal vorsichtig anfragen, wann der Landtag denn mit der Vorlage der Landesregierung rechnen könne. Innenminister Geibert war der Auffassung, man könne von einer Vorlage noch in dieser Legislaturperiode ausgehen. Entgegen aller Zweifel behielt er recht. Die SPD bekam einen Verfassungsschutz ohne Beirat und die CDU ihre Dienstrechtsreform. So einfach und schnell ist mitunter Politik, was allerdings keine Aussage über die Qualität beinhaltet.
Meine Damen und Herren, was diesem Gesetz fehlt, ist die grundlegende Analyse der Notwendigkeit eines gesonderten Dienstrechts für Beamte oder verfassungsrechtlich konkreterweise eine in die Zukunft gerichtete Debatte darüber, ob es sinnvoll und angemessen ist, an der Zweiteilung des Arbeits- und Dienstrechts im öffentlichen Dienst festzuhalten. Unabhängig einzelner bestehender Argumente, mit denen ich mich gern noch auseinandersetzen möchte, ist das Berufsbeamtentum Ausdruck eines obrigkeitsstaatlichen Staatsverständnisses und weniger von Gedanken einer MitmachDemokratie geprägt. Das wird auch im vorliegenden Gesetzentwurf deutlich. Das Beamtenrecht, so die Einbringer, soll an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst und damit zukunftsfähig gemacht werden. Die Landesregierung präzisiert dieses Ansinnen mit vier Zielen:
1. Stärkung des Leistungsprinzips,
2. Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes,
3. Förderung eines flexiblen Personaleinsatzes und der Mobilität der Beamten und
4. Stärkung der Verantwortung der personalführenden Stellen.
An keiner Stelle werden Ziele formuliert wie etwa Stärkung der Eigenverantwortung der Beamten, Ausbau der Mitbestimmung in dienstrechtlichen Angelegenheiten, Einbeziehung der Beamten bei der bevorstehenden Verwaltungsreform, Schaffung von Entwicklungsperspektiven für Beamte oder gerechte Anerkennung der von Beamten erbrachten Leistungen. Nein, diese Dienstrechtsreform ist eine Re
form aus Sicht des Dienstherrn und verkennt somit die veränderten Rahmenbedingungen, dass Beamte nicht mehr das Werkzeug der öffentlichen Verwaltung sind, sondern Menschen mit Erfahrungen, Fähigkeiten und Kompetenzen, die sie bereit sind im Rahmen ihres Dienstverhältnisses eigenverantwortlich für gesellschaftliche Belange einzusetzen und sich zu engagieren.
Ich will an dieser Stelle deutlich sagen, eine Kritik der Linken am System des Berufsbeamtentums ist keine Kritik an den Beamten selbst.
Nur bieten das Berufsbeamtentum und die damit verbundenen Unterschiede zu Tarifangestellten oder Beschäftigten im privaten Sektor genügend Angriffsfläche für eine von Vorurteilen getragene Ablehnung von Beamten und des öffentlichen Dienstes in Gänze. Das zweigeteilte Arbeits- und Dienstrecht im öffentlichen Dienst hält DIE LINKE nicht mehr für zeitgemäß: Tarifauseinandersetzungen zwischen den Sozialpartnern auf der einen Seite, auf der anderen Seite entscheiden politische Mehrheitsverhältnisse über die Besoldungshöhe. Unterschiedliche Formen der Mitbestimmung bei das Dienstverhältnis und die Dienststelle betreffenden Angelegenheiten und unterschiedliche Kostenlasten zur sozialen Absicherung bei Krankheit und im Alter führen zu nicht begründbarer Ungleichbehandlung von Menschen, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Verwaltung und ihrer Aufgaben tätig sind. Das Beamtentum ist auch nicht geeignet, das Problem ungleicher Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik zu kaschieren oder gar zu lösen. Wie Unternehmen werben nun auch die Bundesländer bundesweit um ausgebildete Fachkräfte und bieten hierfür einmal mehr und einmal weniger attraktive Bedingungen. Verbeamtung, zeit- und inhaltsgleiche Tarifübernahme und rasche Regelbeförderung sind hier in der Tat zu beachtende Aspekte, bei denen Thüringen nicht punkten kann, zum Beispiel auch, weil eine Mehrheit sich im Landtag gegen eine zeit- und inhaltsgleiche Übernahme des Tarifvertrags ausgesprochen hat oder weil sich mehr als 30 Prozent der Thüringer Polizeibeamten länger als zehn Jahre im Eingangsamt befinden und Lehrer nicht verbeamtet werden.
Aber es widerspricht dem föderalen Prinzip, wenn, anstatt das Ziel der Schaffung bundesweit einheitlicher Lebensverhältnisse zu verfolgen, die Bundesländer selbst bei der Ausübung staatlicher Aufgaben in Konkurrenz zueinander treten. Letztlich müssen Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Wohnortwahl von im öffentlichen Dienst Beschäftigten oder Bediensteten vom Arbeitsinhalt und den örtlichen Lebensbedingungen abhängig ist, nicht aber von Entlohnung und Besoldung sowie von formell bestehender oder eingeschränkter Berufsper
spektive. Das kann aber nicht durch Dienstrechtsreform und Beamtenstatus reguliert werden, sondern durch Einnahme- und Verteilungsgerechtigkeit in der Bundesrepublik. Nicht ohne Grund ist eine der Forderungen des DGB an die Thüringer Landespolitik, die der DGB am Dienstag öffentlich vorstellte, den Staat handlungsfähig zu erhalten. Nicht ohne Grund fordern die Gewerkschaften weiterhin das volle Recht der Koalitionsfreiheit für Beamte, also das Recht, Arbeitsbedingungen mit dem Dienstherren zu verhandeln und in Verträgen festzuschreiben. Diese statusunabhängige Möglichkeit zur Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsverhältnisse soll zum Grundprinzip eines modernen Staatsverhältnisses gehören. Dies schließt die Frage des Streikrechts zwangsläufig mit ein. An dieser Stelle weiterzudenken, bringt uns der Frage nach zukünftigen Verbeamtungen ein Stück näher, denn in welchem Bereich ist die Verantwortung so groß, dass sich dieser die Bediensteten auch nicht nur zeitweise durch Streiks entziehen können sollen? Im Bereich der Gefahrenabwehr und öffentlichen Sicherheit, also bei Polizei und in Teilbereichen der Justiz; in allen anderen Bereichen erschließt sich die Sinnhaftigkeit und die Notwendigkeit nicht, weder aus staatstheoretischer, demokratischer, sozialpolitischer noch aus verwaltungsinterner Sicht. Im Umkehrschluss sollten wir dazu beitragen, dass den im öffentlichen Dienst tätigen Menschen eine Entlohnung und Arbeitsbedingungen, aber auch Entwicklungsperspektiven geboten werden, die der Verantwortung ihrer Arbeit und ihrer Leistung entsprechen. Die Zweiteilung im öffentlichen Dienst wird dem aber nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, in der grundsätzlich geprägten Aussprache in erster Lesung eine Anmerkung zu einer in Thüringen sehr lebhaft diskutierten Frage, der nach der Zukunft der sogenannten politischen Beamten: Der Gesetzentwurf übernimmt hier im § 27 wortgleich die bisherige Regelung des § 48 Thüringer Beamtengesetz. Somit bleiben die in dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Abschaffung der politischen Beamten in Thüringen aufgeworfenen Fragen, und das, obwohl es zwischenzeitlich hieß, auch in CDU-Kreisen bis hin zum Innenminister hier im Plenum, dass die Frage der Reduzierung der Anzahl der politischen Beamtenfunktionen auf der Agenda stünde und sowohl vom Innen- als auch vom Finanzministerium geprüft werde.
Der Präsident der Landespolizeidirektion unterliegt weiterhin dem faktisch politischen Durchgriff der Regierungsebene, indem das Problem der jederzeitigen Entlassung ohne Nennung von Gründen über ihm schwebt. Aber genau das ist aus Demokratiegründen das Problem, ebenso wie der direkte politische Durchgriff auf den Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz ein Problem darstellt, ganz abgesehen davon, dass das Amt selbst das
Problem darstellt, wie ich im letzten Tagesordnungspunkt aufgezeigt habe. Es bleibt dabei: In Thüringen werden die Funktionen von politischen Beamten nicht gebraucht. Dafür gibt es andere Lösungsmodelle. Das hat der Linke-Gesetzentwurf aufgezeigt. Die Leitungsfunktionen bei der Polizei können zeitlich befristet in einem Rotationsprinzip an qualifizierte Lebenszeitbeamte vergeben werden. Die in § 27 des Entwurfs des Thüringer Beamtengesetzes genannten Beauftragten könnten in Wahlfunktionen vom Landtag bestimmt, umgestaltet werden, was der demokratischen Legitimation und Akzeptanz dieser Funktionen und ihrer Inhaberinnen guttun würde. Dass die Beauftragtenfunktionen noch ausgebaut werden müssen im Sinne von unabhängigen Anlaufstellen und Ombudspersonen, ist noch ein anderes Thema, das sich daran anschließt.
Wenn man diese konsequenten Schritte der Abschaffung der politischen Beamten in Thüringen gehen würde, dann hätte sich die Frage des einstweiligen Ruhestands und der Anrechnung von Bezügen, Stichwort Verbot von Doppelalimentierung, gelöst. Nach der faktischen Nichtlösung des Problems wirkt die Verschärfung der Anrechnungsvorschriften, auch wenn dies ein ganz kleiner Schritt in die richtige Richtung ist, wie halbherziger Aktionismus und ein Tropfen auf den heißen Stein.
Meine Damen und Herren, wir werden in den nächsten Wochen die Aufgabe haben, den Gesetzentwurf in seinen vielfältigen Detailregelungen zu prüfen, und die eine oder andere Diskussion noch führen müssen, auch zu Themenstellungen, die bislang im Gesetz ausgeblendet sind, wie etwa einer neuerlichen Altersteilzeitregelung. Aber auch die Bindung an Regelungen in anderen Ländern ist zu diskutieren, wenn damit Bedienstete in Thüringen gegenüber der jetzigen Rechtslage eine Verschlechterung erfahren bzw. bei beteiligungsfreien Abordnungszeiträumen oder der Verlängerung der Probezeit. Thüringen hätte gut daran getan, sich an anderen Ländern zu orientieren, als es um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen ging. Aber da war die Landesregierung weniger entschlussfreudig.
Nicht umhinkommen werden wir um eine Anhörung der Gewerkschaften und Berufsverbände der Beamten. Ich gehe davon aus, dass auch die Koalitionsmehrheit sich einer solchen in mündlicher Aussprache nicht verschließen wird. Dann wird sich zeigen, ob, wie angekündigt, gute Arbeit und mehr Mitbestimmung bei einem der derzeitigen Koalitionspartner tatsächlich auf der politischen Agenda weit oben stehen, wie am Dienstag in einer Pressemitteilung mitgeteilt und verkündet wurde. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist zwar ein bisschen eine undankbare Zeit für so einen Antrag,
aber im dritten Anlauf ist man schon froh, dass man ihn auf die Tagesordnung bringt. In der Drucksache 5/7013 liegt unser Antrag zur Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur im Freistaat Thüringen vor. Es gab dann einen Monat später einen eigenen Antrag der Regierungskoalition. Wir haben aber festgestellt, dass der in vielen Punkten ziemlich weich gewaschen ist. Ich möchte ganz kurz in der Begründung drei einzelne Punkte ansprechen. Wir stehen für einen Paradigmenwechsel bei Straßenneubau zur Instandsetzung. Aus unserer Sicht ist unser Antrag weitergehend, weil die Berichterstattung nicht nach freiem Ermessen der Landesregierung organisiert wird, sondern abrechenbar nach zwei Jahren eingefordert wird, ganz klar. Und es gehört ganz einfach dazu, eine klare Analyse der realen Zustände auf kommunaler Ebene zu machen, um dann im Bundesrat Initiativen ergreifen zu können. Als Bürgermeister und Kommunalpolitiker weiß ich, wie schwierig es auf kommunaler Ebene ist, viele Sachen zu organisieren bzw. die Instandsetzung von Straßen und Ähnliches hier aufrechtzuerhalten. Ich danke.
Erfolge der Polizeistrukturreform
Der Thüringer Landtag hat am 13. Oktober 2011 das „Thüringer Gesetz zur Neufassung und zur Änderung polizeiorganisatorischer Regelungen“ beschlossen. Damit wurde die Grundlage für die Umsetzung der Polizeistrukturreform geschaffen. Ziel der Reform ist es unter anderem, mit mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Basisvollzugsdienst die ständige Einsatzbereitschaft der Thüringer Polizei in einem hohen Maße sicherzustellen. Aus Sicht der Bevölkerung misst sich die Erreichung dieses Zieles daran, wie viele Funkstreifenwagen in Thüringen sich im Einsatz befinden und wie sich die Interventionszeiten entwickelt haben.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Funkstreifenwagen waren jeweils am 5. Februar 2014, 2011, 2009, 2006 sowie 2003 in Thüringen tatsächlich im Einsatz?
2. Nach wie vielen Minuten nach Auslösen des Einsatzes waren Polizeibeamte im Durchschnitt jeweils in den Jahren 2014, 2011, 2009, 2006 sowie 2003 am Einsatzort?
3. Wie bewertet die Landesregierung die dargestellte Entwicklung vor dem Hintergrund der mit der Polizeistrukturreform verfolgten Zielstellung?
4. Wenn die vorgenannten Fragen durch die Landesregierung nicht zu beantworten sind, aufgrund welcher vergleichenden Daten wird eine notwendigerweise zu erstellende Erfolgsanalyse der Polizeistrukturreform vorgenommen und wie stellen diese sich für den genannten Zeitraum dar?
Danke, Herr Präsident. Habe ich das jetzt richtig verstanden, Herr Staatssekretär, dass mit der vollständigen Zuschaltung der Landeseinsatzzentrale auch die Anzahl der Funkstreifenwagen sich pro Basisdienststelle erhöht?
Herr Präsident, meine Damen und Herren, viel trockener geht es nun wirklich nicht. Wenn ich mir den Titel noch mal anschaue: Gesetz zur Änderung des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes und anderer Vorschriften des öffentlichen Rechts in der Drucksache 5/6875. Dazu fand in der Plenarsitzung am 21.11.2013 die erste Beratung statt, in der der Gesetzentwurf ohne Aussprache zur weiteren Bearbeitung an den Innenausschuss überwiesen wurde. In der Sitzung des Innenausschusses am 13.12.2013 wurden die Durchführung einer schriftlichen Anhörung und die Einstellung des Gesetzentwurfs in das Online-Forum des Landtags beschlossen. In der schriftlichen Anhörung gingen nun Stellungnahmen ein, die des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, des Vereins Mehr Demokratie e.V., hier des Landesverbandes Thüringen, der Bürgerinitiative Fahner Höhe, der Umweltverbände BUND und NABU
sowie der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald sowie des Vereins Thüringer Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter e.V., der kommunalen Spitzenverbände, Thüringer Gemeinde- und Städtebund und Thüringer Landkreistag sowie des Staatsministeriums Baden-Württemberg, genauer des Büros der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung. Der Datenschutzbeauftragte forderte insbesondere Nachbesserungen beim Schutz besonders sensibler Daten, wie zum Beispiel Gesundheitsdaten, und verlangte zu deren Schutz im Rahmen der Anwendung des De-Mail-Verfahrens den Einsatz einer sogenannten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Er spricht sich gegen den Einsatz des ID-Verfahrens aus und erläutert darüber hinaus auch grundsätzliche datenschutzrechtliche Probleme. Der Verein der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter befürwortete den Gesetzentwurf auch mit Verweis auf die so mögliche Simultangesetzgebung auf Bundesebene und in den Bundesländern zu den von den Gesetzesänderungen betroffenen Regelungsthemen. Die Landesregierung, auch Befürworterin einer solchen Simultangesetzgebung, teilte auf Nachfrage in der Ausschussberatung am 14.02. mit, dass eine solche Simultangesetzgebung möglich, aber rechtlich nicht zwingend notwendig ist, und die einzelnen Länder jeweils einen eigenen Gestaltungsspielraum bei dieser Vorschrift haben. Auch die kommunalen Spitzenverbände befürworteten den Gesetzentwurf. Der Gemeinde- und Städtebund verlangte in seiner Stellungnahme auch die Einführung des zusätzlichen Berechtigungskriteriums der Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses, damit Personen den Anspruch auf die Erteilung von elektronischen Dokumenten durch die Behörden geltend machen können. Der Verein Mehr Demokratie, die Bürgerinitiative Fahner Höhe und die Verbände BUND und NABU monierten insbesondere, dass die Wortwahl in der neuen Vorschrift zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung rechtlich zu unverbindlich ist und forderten die Ausformulierung der Vorschriften im Sinne von Rechts-, Informations- und -Beteiligungsansprüchen für die Betroffenen bzw. die interessierte Öffentlichkeit. Die genannten bürgerschaftlich engagierten Organisationen forderten auch eine stärkere Verpflichtung zur Veröffentlichung von Verfahren bzw. Ergebnissen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Netz. Auch im Online-Forum des Landtags sind Beiträge von am Gesetzentwurf interessierten Bürgern eingegangen. Die Beiträge bezogen sich auf die zwei Schwerpunktbereiche des Gesetzentwurfs, den Ausbau der elektronischen Kommunikation der Behörden und Bürgerinnen und Bürger sowie die Einführung des Verfahrens der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung. Neben Beiträgen, die den Ausbau elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten befürworten, finden sich auch Stellungnahmen, die den Einsatz dieser Mittel, zum Beispiel des De-Mail-Verfahrens, aus da
tenschutzrechtlicher Sicht kritisch bewerten oder auch ablehnen bzw. zumindest technische Standards, wie die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, forderten. Von den vier zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Beiträgen sehen drei Beiträge positive Wirkungen des neuen Verfahrens, zum Beispiel hinsichtlich der Akzeptanz von Vorhaben, wenn das Verfahren eine wirkliche Steigerung der Beteiligungsmöglichkeit darstellt. Ein Beitrag lehnte die konkrete Vorschrift im Gesetzentwurf zu diesem neuen Verfahren ab.
In der Sitzung des Innenausschusses am 14.02.2014 wurden von drei Fraktionen zwei Änderungsanträge zur Debatte und Abstimmung gestellt. Der Änderungsantrag von CDU- und SPD-Fraktion in Vorlage 5/4363 greift unter anderem die Forderung des Gemeinde- und Städtebundes auf, die Änderung des § 33 Verwaltungsverfahrensgesetz betreffend hinsichtlich der Einführung des zusätzlichen Kriteriums Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses am Erhalt eines elektronischen Dokuments. Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in Vorlage 5/4387 berücksichtigte alle Änderungsforderungen des Datenschutzbeauftragten, insbesondere hinsichtlich des Verzichts auf Anwendung bestimmter Verfahren bzw. der Einführung erhöhter datenschutzrechtlicher Standards und umfassender Veröffentlichungspflichten zur Information über Verfahren der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Netz. Ebenfalls im Änderungsantrag der Linken aufgegriffen werden die Vorschläge der größeren rechtlichen Verbindlichkeit des Verfahrens der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne eines Rechtsanspruches auf Beteiligung, der Durchführung der Beteiligung von Antragstellung durch die Vorhabenträger und der Verlängerung der Stellungnahmefristen. Die Inhalte des Änderungsantrags der Linken fanden keine Mehrheit. Die Ausschussmehrheit beschloss in der Sitzung am 14.02.2014 die Annahme des Gesetzentwurfs unter Berücksichtigung der von der CDU- und SPD-Fraktion vorgeschlagenen Änderungen zu § 33 Verwaltungsverfahrensgesetz. Dieses Beratungsergebnis liegt heute als Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 5/7312 erneut zur Abstimmung vor. Ich danke.
Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verhält es sich debattentechnisch ein Stück weit wie mit dem Gesetzentwurf zu den Justizkosten. Die vorgeschlagenen Änderungen werden vor allem deshalb aktuell, weil der Bundesgesetzgeber aktiv geworden ist, a) im Bereich der Stärkung der elektronischen Kom
munikation im Verwaltungsverfahren und b) hinsichtlich der Verankerung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Verwaltungsverfahrensrecht, hier vor allem mit Blick auf die Planungsangelegenheiten.
Wenn solche Änderungen in Bundesgesetzen durch den Landesgesetzgeber widergespiegelt und umgesetzt werden, ist es nach Ansicht meiner Fraktion Aufgabe des Landesgesetzgebers, also des Thüringer Landtags, sich nochmals kritisch mit den bundesrechtlichen Änderungen auseinanderzusetzen. Zum einen ist dies notwendig für einen verantwortungsvollen Umgang mit den rechtlichen und verwaltungslogistischen Umsetzungsmöglichkeiten auf der Landesebene. Zum anderen ist dies notwendig, um schon im Gesetzgebungsprozess einen möglichst treffenden Überblick zu bekommen, an welchen Punkten der Umsetzung Probleme aufgetreten und gegebenenfalls Nachbesserungen notwendig werden könnten. Ein Ausbau der Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation in dem Verwaltungsverfahren und Behördenangelegenheiten ist sinnvoll. Allerdings sind dabei drei Punkte unverzichtbar. 1. Datenschutz und Datensicherheit auf möglichst hohem Niveau. Das muss auch gewährleistet sein bei Zulassung weiterer Verfahren der elektronischen Kommunikation über die schon bestehenden Verfahren der Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur hinaus. Hier ist vor allem auf das Problem der E-Mail zu verweisen. Der Landesdatenschutzbeauftragte hat in seiner Stellungnahme zur Anhörung sehr ausführlich auf dieses Problemfeld hingewiesen. Nun würde es, praktisch gesehen, problematisch sein, Thüringen als freie Insel aus dem Länderverbund auszuklinken. Aber es ist unverantwortlich, und diese Kritik geht an den Innenminister, sich sozusagen fast sklavisch auf eine gar nicht notwendige Simultangesetzgebung der Länder bei diesem Gesetz zu berufen und Datenschutzanforderungen über den Haufen zu fahren. Auch aus diesem Grund hat sich die Fraktion DIE LINKE zu einem Änderungsantrag zur Beschlussempfehlung entschlossen. In ihm werden die Änderungsforderungen des Landesbeauftragen für Datenschutz aufgegriffen, unter anderem die Forderung, bei Nutzung von sensiblen persönlichen Daten, zum Beispiel aus dem Gesundheitsbereich, das Verfahren der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu nutzen. Unbegreiflicherweise wird die CDU- und SPD-Koalition die Änderungsvorschläge des Datenschutzbeauftragten nicht übernehmen. Nur eine Forderung des Städte- und Gemeindebundes, die den Zugang zu Einwohnern zu elektronischen Dokumenten erschwert, ist in der Beschlussempfehlung als Änderung zu finden. Das zeugt von mangelndem Verständnis, was Informationsfreiheit als Grundrecht angeht. Die Informations, Nachweis- und Archivfunktion muss zugunsten der Beteiligten, vor allem der Bürgerinnen und Bürger, ebenso gut sein wie bei den klassischen Pa
pierverfahren. Deutlich wird dies auch an einer Forderung im Zusammenhang mit dem Verfahren der früheren Öffentlichkeitsbeteiligung. Hier verlangen Verbände wie BUND und NABU, aber auch Mehr Demokratie Thüringen, dass die Informationen zum Verfahren im Netz veröffentlicht werden müssen. Auch diese Forderung aus der Anhörung, die leider mit Blick auf das Thema „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ nur eine schriftliche war - das Online-Forum des Landtags gleicht diese Lücke nicht aus -, greift die Linke mit ihrem Änderungsantrag auf. Es darf durch die verstärkte Einführung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten im Behördenverkehr keine elektronische Zwei- oder sogar Mehrklassengesellschaft entstehen. Menschen aller Altersgruppen und aller gesellschaftlichen Schichten müssen in gleicher Weise ungehindert mit den Behörden zur Wahrnehmung ihrer Rechte kommunizieren können. Das muss ganz unabhängig davon sein, ob sich diese Menschen den elektronischen Weg leisten wollen oder finanziell und logistisch leisten können. Sind diese Gesichtspunkte berücksichtigt, ist der Ausbau der elektronischen Kommunikation zu befürworten. Die Frage der möglichst frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in Verwaltungsverfahren, vor allem in Planungsverfahren, ist ein wichtiger Schwerpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfs. Diese Beteiligung wird umso wichtiger, je aufwendiger das Projekt ist, je größer die Auswirkungen des Projekts auf Umgebung und Umwelt sind, je gesellschaftspolitisch umstrittener das Vorhaben ist. Die Stärkung der Bürgerbeteiligung, besser Einwohnerbeteiligung bzw. frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planungsverfahren und Projektplanungsprozessen wurde in der Vergangenheit, auf Thüringen bezogen, hier im Landtag schon diskutiert. Allerdings nicht so ausführlich hier im Plenum; vielmehr fand im Juni 2012 eine Demokratiefachtagung statt, veranstaltet vom Bündnis Mehr Demokratie in Thüringen, in dem auch die Linke sowie die SPD und das Bündnis 90 Mitglieder sind. Dabei wurde auch deutlich, dass die stärkere Einbeziehung der Einwohner, ihrer Belange und Vorschläge nicht nur bei klassischen Bauvorhaben sinnvoll ist, sondern zum Beispiel auch bei anderen öffentlichen Projekten wie Fragen der Ausgestaltung von Nah- und Fernverkehrsangeboten, Stichworte dazu die Festlegung von Haltepunkten oder Fahrplänen. Es ist insofern zu begrüßen, dass die Regelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in § 25 Verwaltungsverfahrensgesetz und dort unter „Verfahrensgrundsätzen“ aufgenommen wurde. Damit wird die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung für alle Verwaltungsverfahren anwendbar und nicht nur im Bereich der Planfeststellung. Allerdings signalisiert der Wortlaut des neuen Absatzes 3 wenig rechtliche Verbindlichkeiten, ich zitiere: „wirkt darauf hin“. Hier muss nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE, die sich hier mit zahlreich angehörten Organisationen deckt, eine andere Formulierung gewährt werden, die rechtli
che Verbindlichkeit des Verfahrens der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung absichert und auch die Pflichten der Vorhabenträger deutlich regelt. Im Änderungsantrag der Linken findet sich der entsprechende Vorschlag für die Neugestaltung des § 25, der auch Anregungen des BUND aufgreift. Wichtig ist, dass durch die Änderungen die Durchführung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung zwingend vor Antragstellung durch den Vorhabenträger stattfinden muss. Nur dann macht eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne der Rechte und Interessenwahrung der Einwohner wirklich Sinn. Es geht darum, dass betroffene, interessierte und engagierte Einwohner und Bürgerinitiativen so früh wie möglich mit ihren Anliegen, Vorschlägen usw. Einfluss nehmen können auf den Planungs- und Entscheidungsprozess. Weitere Details zum Verfahren sind dann in einer Verordnung, die der Zustimmung des zuständigen Fachausschusses des Landtags bedarf, zu regeln. Diese Rückbindung der Verordnung an das Parlament dient der demokratischen Kontrolle des Inhalts und der Ausgestaltung und Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit. Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung hat, wenn man sie ernst nimmt, eine durchaus schon gestalterische Funktion, auch ausgeübt von der einbezogenen Öffentlichkeit durch ihre Einschätzungen und Vorschläge. Das geht über bloße Beratung und Auskunft deutlich hinaus. In diesem Zusammenhang sei auch auf die in der ersten Lesung zum Bundesgesetz im Bundestag geäußerte Kritik aus der Fraktion DIE LINKE verwiesen. Mit Ihrer Genehmigung zitiere ich aus der Rede meiner Kollegin Sabine Leidig: „Sie nehmen die Anliegen und die konkreten Erfahrungen der Bürgerbeteiligung gar nicht ernst, sondern Sie wollen lediglich etwas früher um Akzeptanz werben, damit die Großprojekte, die Sie vorgeben, möglichst ungestört und beschleunigt umgesetzt werden können.“ Diese Kritik stimmt als Grundsatzkritik immer noch, obwohl es nach dieser ersten Lesung am Gesetzentwurf auf Bundesebene noch Änderungen gab. Das heißt aber auch, wie schon mit Blick auf Änderungsbedarf beim Punkt „elektronische Kommunikation“ gilt auch für die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung, wenn die vom Bund bzw. anderen Ländern vertretenen Regelungen, nachdem die Ergebnisse der Ausschussberatung, insbesondere der Anhörung, Mängel aufweisen, muss der Landesgesetzgeber sich für die inhaltliche bessere Regelung und gegen die sogenannte Simultangesetzgebung entscheiden, zumal der Innenminister zugibt, dass der Landesgesetzgeber diese Gestaltungsfreiheit hat.
Zum Schluss noch folgende kritische Gedanken, um das Verfahren der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung auch in den Gesamtzusammenhang der demokratischen Beteiligungsinstrumente insgesamt zu stellen. So sinnvoll für sich genommen eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ist, trifft auch zu: Diese Öffentlichkeitsbeteiligung darf als Instrument nicht
dazu missbraucht werden, um wirkliche Mitentscheidungsmöglichkeiten der Menschen bei Projekten, vor allem großen Bauprojekten, als überflüssig hinzustellen. Nach Ansicht meiner Fraktion gilt daher, eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung kann und darf kein Ersatz für direkte demokratische Mitbestimmungsverfahren sein. Um bei solchen Projekten Anwendung zu finden, müssen aber die derzeitigen Regelungen zur direkten Demokratie reformiert werden. So zum Beispiel: Eine Abschaffung des sogenannten Finanztabus bei Volksbegehren ist notwendig. Das Bahnhofsmonsterprojekt Stuttgart 21 wird mit Recht als gesellschaftspolitischer Auslöser für die Bundes- und Ländergesetzgebung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung benannt. Baden-Württemberg ist daher bei der Umsetzung und Ausgestaltung am aktivsten, bis hin zur Erstellung eines neuen Planungsleitfadens. Daran sollte sich Thüringen orientieren.
Bei Stuttgart 21 hatte es keine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung gegeben und der Volksentscheid wurde leider nicht in der Planungsphase abgehalten, sondern erst zu einem sogenannten Ausstiegsgesetz. Viel zu spät für wirkliche Mitentscheidung der Einwohner über das Projekt. Die spannende Frage ist daher, ob es je zu Stuttgart 21 gekommen wäre, wenn über dieses Großprojekt und Milliardengrab in der Planungsphase auf direktem demokratischem Weg entschieden worden wäre.
Auch in Thüringen gibt es solche Beispiele für in ihrem Sinne mehr als fragwürdige und damit hoch umstrittene Projekte. Ein Stichwort ist hier die 380-kV-Leitung durch den Thüringer Wald. Es gibt aber sichtlich bei intensiver Betrachtung noch manches Projekt, genauer genannt Bauprojekt, in Thüringen, das mit einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung oder noch besserer direkt demokratischer Entscheidung eine sinnvolle Lösung gefunden hätte. Insofern kann eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung zu mehr Akzeptanz für Projekte bei den Einwohnern führen. Wichtig dabei ist jedoch, dass sie die Erfahrungen machen, in dieser frühen Öffentlichkeitsbeteiligung auch wirklich ernst genommen zu werden mit ihren auch kritischen Einschätzungen, ihren Vorschlägen und es so tatsächlich die Möglichkeit gibt, konkrete Veränderungen bei Projekten zu erwirken. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe zur Reform und Neuausrichtung des Thüringer Inlandsgeheimdienstes mit dem Namen Verfassungsschutz haben eine durchaus interessante Genese zur Grundlage, wie man in der Medizin sagt. Ich möchte als Erstes mal darauf eingehen. Im Januar 2012 war die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Auffassung, dass eine notwendige und für ein Gesetzgebungsverfahren zum damaligen Zeitpunkt auch ausreichende Reaktion auf die Selbstenttarnung des neonazistischen Terrornetzwerks NSU war, die Kontrollbefugnisse des parlamentarischen Kontrollgremiums auf die PKK in Thüringen inhaltsgleich zu übertragen. Im Juni 2012 rief geradezu euphorisch der Abgeordnete Dirk Adams im Thüringer Landtag aus, mit Genehmigung darf ich zitieren: „Wir brauchen einen Verfassungsschutz, das ist unser Bekenntnis von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.“ Im September 2013 buhlten die Grünen bei der Landesregierung um Einbringung des damals bekannten Gesetzentwurfs aus dem Innenministerium. Wortwörtlich sagte wiederum Kollege Adams, ich zitiere: „Der Gesetzentwurf sollte auf die Anerkennung von Experten hin noch einmal überprüft werden. Wenn
wir diese breite Debatte in Thüringen und in Deutschland haben führen können, dann bin ich mir ganz sicher, Herr Minister Geibert, bekommen Sie dieses Gesetz auch durch.“ So viel Zustimmung erntete der Innenminister noch nicht einmal vom eigenen Koalitionspartner, was letztlich auch der Grund dafür sein dürfte, dass nunmehr die Grünen bei der Reform des Verfassungsschutzes ihrer Ungeduld erlagen oder nicht länger auf CDU und SPD warten wollten. Man kommt nicht umhin, bevor ich mich zum Gesetzentwurf selbst äußere, auf den politischen Rahmen hinzuweisen. Die Debatte um die Notwendigkeit von nach innen gerichteten Geheimdiensten ist zwar eine bürgerrechtliche und das Verständnis von Rechtsstaat berührende Debatte; sie ist im Jahr 2014 aber nicht mehr losgelöst vom systemisch begründeten Versagen der Geheimdienste bei der Verfolgung von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe und dem sich anschließenden Umherirren der Geheimdienste in und um das neonazistische Terrornetzwerk NSU zu führen.
Sie ist auch nicht losgelöst von der offenbar gewordenen anlasslosen Sammelwut der Geheimdienste von Kommunikationsinhalten und Verbindungsdaten zu führen, die nicht allein Sache der NSA ist. In jedem Fall aber wäre es Aufgabe des Verfassungsschutzes gewesen, Einwohner der Bundesrepublik vor dieser groß angelegten Spionage zu schützen. Um es auf den Punkt zu bringen: Keine andere Behörde hat innerhalb so kurzer Zeit ihre Legitimation und ihre Legitimität verloren wie der Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz.
Die jahrelang wie ein Mantra wiederholte Mär vom Verfassungsschutz als Frühwarnsystem ist zusammengefallen wie ein Kartenhaus. Nichts, aber auch gar nichts ist davon übrig. So gut wie nichts übrig ist von der angeblich parlamentarischen Kontrolle, die den Geheimdienst in einem demokratischen Rechtsstaat von denen in weniger demokratisch verfassten Systemen unterscheiden soll. Nichts ist übrig geblieben vom Schutz der Gesellschaft vor den Demokratie und Freiheit bedrohenden Bestrebungen, allein das Beispiel Ballstädt am Wochenende spricht Bände.
Was steht eigentlich auf der Habenseite für das Vorhandensein eines nach innen gerichteten Geheimdienstes? Der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lässt diese Frage auch unbeantwortet. Stattdessen wird suggeriert, es braucht einen transformatorischen Prozess in eine geheimdienstlich und nachrichtendienstlich freie Gesellschaft. Warum? Warum muss ich fortsetzen, was ich eigentlich abschaffen will? Es ist wirklich schwer nachzuvollziehen, warum die Neugründung eines Geheimdienstes der erste Schritt zu dessen Abschaffung sein soll.
An anderer Stelle formulieren die Autoren des Gesetzentwurfs, mit Hilfe der Reform des Verfassungsschutzes, wie von den Grünen vorgeschlagen, soll - und hören Sie bitte genau zu - „das gesellschaftliche Bewusstsein für die Bestrebungen gestärkt werden, die Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes sind“. Das, meine Damen und Herren der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ist eine Frechheit gegenüber all denen, die in den vergangenen 24 Jahren immer wieder auf die Gefahren des Neonazismus hingewiesen haben.
Es fehlt nicht das gesellschaftliche Bewusstsein, es fehlt die Bereitschaft in der Thüringer Landesregierung und den Sicherheitsbehörden anzuerkennen, worauf zivilgesellschaftliche Akteure immer wieder hingewiesen haben
- ich komme dazu -, dass es eine Verfestigung neonazistischer Strukturen in Thüringen gibt, dass diese eine Hegemonie in vielen Orten entfaltet haben, dass Neonazis sich bewaffnen und militant gegen Andersdenkende vorgehen, dass es Angsträume in Thüringen gibt, dass sich menschenverachtende Ideologien in der Gesellschaft verankern. Für all das gab es ein gesellschaftliches Bewusstsein. Nur das Bewusstsein, wenn es sich in Form antifaschistischer Demonstrationen und zivilgesellschaftlicher Gegenwehr artikuliert, wurde selbst eine politische Diskriminierung und Kriminalisierung ganz maßgeblich durch den Verfassungsschutz betrieben.
Diejenigen, die nunmehr zusagen, man brauche die Reform des Verfassungsschutzes, um das gesellschaftliche Bewusstsein zu stärken - das ist eine Frechheit. Wir haben wirklich gesucht in Ihrem Gesetzentwurf, auch in Ihren bisherigen Reden, um eine plausible Begründung für die Notwendigkeit des Geheimdienstes Verfassungsschutz zu finden, denn wenn man die nicht hat, braucht man über eine Reform nicht zu reden, sondern nur noch über das Verfahren der Auflösung.
Wir haben keine gefunden. Ganz im Gegenteil; Sie schreiben selbst im Gesetzentwurf, Zitat: „Einen Nachrichtendienst, eine staatliche Behörde, die nicht das notwendige Vertrauen genießt, bei der Abwehr von Gefahren dienlich zu sein, sondern vielmehr den Verdacht nicht ausräumen kann, Gefahren zu übersehen, zu unterschätzen, zu begünstigen oder gar erst ermöglicht zu haben, hat keine Daseinsberechtigung.“
Schöner hätten wir einen Satz unseres Gesetzentwurfs zur tatsächlichen und ersatzlosen Auflösung des Verfassungsschutzes nicht begründen können. Nur leider, und das unterscheidet uns, nehmen wir diesen Satz viel ernster als Sie selbst. Das findet auch darin seinen Ausdruck, dass Sie am Dienstag bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs einräumten, die Frage der Auflösung des Verfassungsschutzes innerhalb der Grünen in Thüringen nicht mehr diskutiert zu haben.
Das ist politisch schade, um es zurückhaltend zu formulieren. Das wirklich Tragische an der Debatte ist, dass es trotz NSU, trotz V-Leute-Skandal, trotz der Beteiligung der Verfassungsschutzämter am Strukturaufbau und an politischen Aktionen von Neonazis ein ungebrochenes Bekenntnis zum Geheimdienst als solchem gibt,
bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN füge ich hinzu trotz der Erfahrungen in der DDR. Die Linke hat im Februar 2012 einen Gesetzentwurf für eine tatsächliche Abschaffung des nach innen gerichteten Geheimdienstes in Thüringen vorgelegt. Die Argumente, die wir Ihnen damals hier vorgetragen und mit Sachverständigen diskutiert haben, sind auch heute noch richtig. Keine einzige Sitzung der beiden Untersuchungsausschüsse des Thüringer Landtags hat ein Argument für die ersatzlose Abschaffung entkräftet, im Gegenteil. Zutage getreten sind nicht nur personelle Fehler und strukturelle Mängel, zutage getreten sind vor allem systemische Fehler, die in einem Geheimdienst und in nachrichtendienstlichen, also verdeckten, Informationsbeschaffungen angelegt sind. Genau dies berücksichtigt Ihr Gesetzentwurf nicht. Ihr Gesetzentwurf ist in erster Linie ein Bekenntnis zum Geheimdienst, da werden Sie keine Unterstützung bei uns finden können. Aber Sie haben einen Vorschlag in den Landtag eingebracht, anders als die Regierungskoalition, und haben selbstverständlich ein Anrecht darauf, dass wir uns auch zum Gesetzentwurf in seinen Teilen äußern.
Meine Damen und Herren, Ihrem Gesetzentwurf haben Sie eine Änderung der Thüringer Verfassung im Artikel 97 vorangestellt. In der Pressekonferenz stellten Sie diese als hohe Hürde dar, die wie selbstverständlich von den Grünen in Angriff genommen wird, was eine neue und notwendige Qualität darstellt. Nun ist sie ein überflüssiger Popanz. In der Verfassung steht weder etwas von einem Landesamt noch von geheimdienstlichen Befugnissen. Wenn Sie sich mit Entstehung der Thüringer Verfassung und mit den Diskussionsbeiträgen in Thüringen zur Reform des Verfassungsschutzes
beschäftigt hätten, hätten Sie dies auch feststellen können. Prof. Baldus, Thüringer Verfassungsrichter, führt hierzu aus, ich zitiere: „Dem Wortlaut nach fordert Artikel 97 Satz 1 Thüringer Verfassung allein, dass es überhaupt eine Behörde gibt, die sich der Aufgabe des Schutzes der Verfassung annimmt, ohne dass damit auch die Organisationsform dieser Behörde, ihr Grad an Verselbstständigung festgelegt wird. Die Vorschrift spricht nicht davon, dass es ein Landesamt für Verfassungsschutz geben muss. Sie spricht nur von einer Landesbehörde. Der juristische Sprachgebrauch verwendet das Wort Behörde üblicherweise, um die in den staatlichen Hierarchien eingeordneten Organe zu bezeichnen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.“
Baldus verweist aufbauend auch auf eine Reihe von Aussagen von Sachverständigen unmittelbar vor der Abstimmung über den Artikel im Verfassungsausschuss im Oktober 1993. Da immer wieder behauptet wird, in der Verfassung begründet sich der Geheimdienst, sei Manfred Baldus noch in einem weiteren Auszug zitiert: „Wenn mithin die Thüringer Verfassung die Frage der Organisationsform offen lässt, fordert sie dann aber, dieser Behörde, in welcher Form sie auch immer organisiert ist, nachrichtendienstliche Befugnisse zuzuweisen, mithin Ermächtigungen zu heimlichen Informationserhebungen? Auch diese Frage ist zu verneinen. Artikel 97 Satz 2 Thüringer Verfassung bestimmt lediglich, dass dieser Landesbehörde keine polizeilichen Befugnisse und Weisungen zustehen. Es ist mit keinem Wort davon die Rede, sie stattdessen oder dann aber wenigstens mit nachrichtendienstlichen Befugnissen auszustatten.“
Kern Ihres Gesetzentwurfs ist die Auflösung eines Landesamtes für den Verfassungsschutz und die Neubildung einer Abteilung für den Verfassungsschutz. Was Sie vorher und hinterher haben, ist eine staatliche Behörde mit nachrichtendienstlichen Befugnissen für Zwecke des Verfassungsschutzes. Sie reden dabei von einem personellen und inhaltlichen Neuanfang. Den personellen haben Sie relativ plastisch dargestellt. Es darf keine personellen Identitäten geben. Den inhaltlichen Neuanfang konnten wir im Gesetz nicht erkennen. Während Sie die Weiterverwendung des Personals gesetzlich ausschließen, haben Sie zu den zwischenzeitlich über 16.000 Personendatensätzen und wahrscheinlich unzähligen Sachverhaltsdarstellungen keine Regelungen vorgesehen. Für einen inhaltlichen Neuanfang spricht dies nicht.
Aber Sie haben auch ein strukturelles Problem. Begründet haben Sie die Abteilungsbildung mit dem Schlagwort Verantwortungszuordnung. So groß sind die Unterschiede nicht. Derzeit ist der Innenminister oberster Dienstherr des Landesamtes. Zukünftig soll er der Leiter der Behörde für Verfassungsschutz sein. Die Durchgriffsmöglichkeiten ver
kürzen sich in der Tat. Allein das wirft schon die Frage nach der eigentlich erforderlichen politischen Neutralität auf, ist der Behördenleiter eines hochsensiblen Bereichs de facto ein Politiker, der von politischen Mehrheitsverhältnissen abhängig ist. Darüber hinaus ist der Innenminister in der Regel auch für die Polizei zuständig, mithin die Abteilung der Polizei unmittelbar in derselben Behördenstruktur, und zwar gleichrangig wie der Geheimdienst integriert. Hier stellt sich die Frage nach der strukturellen Einhaltung des verfassungsrechtlich erforderlichen Trennungsgebotes. So sehr Sie auch betonen, am Trennungsgebot aus historischen Gründen - Sacherwägungen standen ausweislich der Äußerung des Kollegen Dirk Adams in der Pressekonferenz nicht Pate - festhalten zu wollen, so scheitern Sie an diesem Vorhaben. Dafür trifft Sie allerdings keine Schuld, sondern es ist eine zwangsläufige Folge der Unvereinbarkeit eines Geheimdienstes mit einem demokratischen Rechtsstaat. Oder anders - an dieser Stelle offenbart sich der systemische Fehler. Das Trennungsgebot sagt, dass ein Geheimdienst über keinerlei Zwangsbefugnisse verfügen darf, weil er ja ohne strafprozessualen Anfangsverdacht und ohne das Vorliegen einer polizeirechtlichen Gefahr in Grundrechte von Menschen zur Informationsbeschaffung eingreifen darf. Dieses so verstandene Trennungsgebot macht aber auch nur dann Sinn, wenn die Institution mit Zwangsbefugnissen nicht auf ebenso erworbene Informationen anderer Behörden zugreifen darf. Mit Ihrem Gesetzentwurf werden die Aufgaben in getrennten Abteilungen ein und derselben Behörde organisiert, der Informationsaustausch aber derart instrumentalisiert, dass Sie von einer strukturellen oder gar informellen Trennung gar nicht mehr reden können, zum Beispiel dann, wenn die Informationsübermittlung an die Polizei zur, ich zitiere „vorbeugenden Bekämpfung von Staatsschutzdelikten ermöglicht wird“. Überdenkenswert sollte für Sie im Zusammenhang mit der Eingliederung in das Innenministerium auch die Tatsache sein, dass die mit der Einbringung des Verfassungsschutzes in das Ministerium verbundene Auflösung eines eigenständigen Amtes dieses als solches sich der öffentlichen Wahrnehmung entzieht und damit insbesondere die öffentliche, aber auch die parlamentarische Kontrolle durch den Landtag als Ganzes sich erschwert.
Nun haben Sie weiterhin versucht, die Eingriffschwellen zu konkretisieren. Im Wesentlichen belassen Sie sie aber im bisherigen Schema, ergänzen diese bloß durch die Norm zur Beendigung der Beobachtung im Falle fehlender Geeignetheit, der Gefährdung oder fehlender Anwendung von Gewalt. Auch zukünftig soll nach Ihrer Auffassung ohne konkreten Verdacht nachrichtendienstlich beobachtet werden können, wenn eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung bestehen könnte. Ihre Begründung dafür wörtlich im Presse
gespräch, Zitat: „Wahrscheinlich brauchen wir das für die Vorfeldaufklärung.“ Mit Wahrscheinlichkeit zum Grundrechtseingriff schreiten, halten wir für wenig verfassungsrechtlich belastbar. Belastbar wollen Sie es gestalten, wenn Sie zum Beispiel im Bereich der Überwachung nicht öffentlicher Kommunikationsinhalte auf eine Reihe von Strafrechtsnormen verweisen, ohne dabei festzustellen, dass, wenn Sie Straftaten oder tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen haben, die Strafverfolgungsbehörden nicht nur handlungsbefugt, sondern handlungsverpflichtet sind. Da braucht es keinen Geheimdienst.
Meine Damen und Herren, daher wollen die Grünen auf V-Leute verzichten. Das allein ist tatsächlich ein erster Schritt zur geheimdienstfreien Gesellschaft. Aber da waren die Grünen plötzlich überrascht von ihrer eigenen Courage und relativierten. Ein Verzicht auf Probe soll es lediglich sein. Wenn die noch zu benennenden Evaluatoren nach bislang unbekannten Kriterien zu der Auffassung gelangen, es macht Sinn, auf V-Leute zurückzugreifen, so sollen sie wieder eingeführt werden.
In der Zwischenzeit verzichtet man aber, anders als in der Pressekonferenz dargestellt, nicht auf die Gelegenheitsinformanten, sondern man wolle auch weiterhin verdeckt ermitteln und Befragungen vornehmen. Die Grünen legen im Rahmen der öffentlichen Vorstellung sehr viel Wert darauf, dass Rechte der Betroffenen gestärkt werden. Aber auch hier blieb die verbale Darstellung hinter den vorgeschlagenen konkreten gesetzlichen Regelungen zurück. Die Auskunftsrechte gegenüber von Datenerhebungen betroffenen Personen wollen die Grünen inhaltsgleich mit der Regelung des Bundesverfassungsschutzgesetzes ausgestalten. Danach kann unter den gleichen Voraussetzungen begründungslos die Auskunft verweigert werden. Den Betroffenen bleibt die Beschwerdemöglichkeit beim Datenschutzbeauftragten. An dieser Stelle wird wiederum der nicht auflösbare Widerspruch zwischen einem geheim arbeitenden Nachrichtendienst einerseits und den Grundrechten von Menschen andererseits sichtbar. Will ich das eine sicherstellen, muss ich auf das andere verzichten und umgekehrt.
Meine Damen und Herren, im Gesetzentwurf der Grünen ist mehr Geheimdienst drin, als der Titel des Artikelgesetzes auf den ersten Blick erahnen lässt.
Er beinhaltet eine Reihe von Unbekannten, aber auch die Aufweichung des Trennungsgebotes. Er vermag nicht den grundsätzlichen Konflikt zwischen einer offenen transparenten Demokratie einerseits und einem Geheimdienst andererseits aufzulösen.
Der Versuch, diesem Konflikt hinterherzujagen und ihn durch Herumkritteln an den Eingriffstellen und Befugnissen zu lösen oder im Nachsorgen durch etwas mehr parlamentarische Kontrolle im grundsätzlich Geheimen zu entschärfen, muss scheitern. Aber meine Damen und Herren, unsere grundsätzliche inhaltliche Kritik lässt keinen Zweifel an dem ernsthaften Anliegen der Grünen, die Sicherheitsarchitektur in Thüringen zu reformieren. Deswegen werden wir uns einer Beratung auch unter dem Einfluss von Sachverständigen nicht verschließen. Aber eins ist der Gesetzentwurf nicht - ein Baustein zur geheimdienstfreien Gesellschaft. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich gebe in meiner Funktion die Begründung zu unserer Drucksache 5/7065 „Gesetz zur Stärkung der kommunalen Haushalte“. Wir haben eine etwas andere Herangehensweise zu Ihrem Alternativantrag. Uns verbindet, dass die Finanzausgleichsmasse für die Kommunen nicht auskömmlich ist. Uns verbindet auch der Gedanke, dass wir diese ganze Angele
genheit nachbessern müssen, aber unsere Herangehensweise ist doch sehr unterschiedlich. In unserem Gesetz, was wir heute hier in der Drucksache beantragen, geht es in der Investpauschale vor allen Dingen darum, den Gemeinden und kreisfreien Städten und Landkreisen, die absehbar keinen Ausgleich im Verwaltungshaushalt herstellen können, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, vor allen Dingen damit die Investpauschale zu stärken und vor allen Dingen denjenigen auch finanzielle Mittel zu geben, die nicht in der Lage sind, ihre Haushalte auszugleichen.
Wir wollen diese Investpauschale vor allen Dingen auch stärken durch die Aufstockung des Landesausgleichsstocks, um denjenigen Kommunen zu helfen, die finanziell nicht in der Lage sind, ihre kommunalen Haushalte auszugleichen. Wir wollen, dass ganz einfach die Kommunen gleichgestellt werden. Wir wollen, dass finanzielle Mittel in den Kommunen nicht nach irgendwelchen Kriterien verteilt werden, sondern wir wollen, dass Kommunen in Thüringen gemeinsam nach vorne kommen. Wir wollen, dass Kommunen in Thüringen investieren können, und wir wollen, dass es den Kommunen in Thüringen besser geht.
Das ist unser Ansatzpunkt und in diesem Sinne hoffe ich auf eine sachliche und gute Diskussion über beide Gesetzesanträge.
Danke, Herr Präsident.
Umbau des Bahnübergangs in Blankenstein
Für den Umbau des Bahnübergangs in der Gemeinde Blankenstein wurde eine Zweckvereinbarung zwischen der Kommune Blankenstein, der Deutschen Bahn AG, einem ortsansässigen Kraftzellstoffunternehmen, dem Straßenbauamt Ostthüringen, dem Freistaat Thüringen und dem Bund geschlossen. Aktuell steht eine Verschiebung des Vorhabens über das Jahr 2014 hinaus in Rede.
Ich frage die Landesregierung:
1. Aus welchen Gründen wird die Baumaßnahme verschoben?
2. Wurde die Zweckvereinbarung von allen Beteiligten unterzeichnet?
3. Wann ist mit einer Entscheidung über den Baubeginn zu rechnen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Artikelgesetz in der Drucksache 5/7155 hat uns die Landesregierung eine ganze Reihe von Änderungen in insgesamt sieben verschiedenen Thüringer Gesetzen vorgelegt. Man könnte auch sagen: Leipziger Allerlei in einem Gesetz, nein, ein bisschen Erfurter Allerlei in einem Gesetz zusammengefasst. Die einzelnen Zutaten sind auf den ersten Blick nur schwer durchschaubar. In den Ausschüssen stehen uns, denke ich, recht intensive Beratungen bevor. Ich möchte hier wie auch meine Vorredner in der ersten Lesung nun nicht bis ins letzte Detail gehen, aber auf einige wenige Punkte möchte ich trotzdem eingehen. Da wäre zunächst der Familienzuschlag für eingetragene Lebenspartner zu nennen. Die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft wird bekanntlich von den Linken und auch von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seit vielen Jahren gefordert. Die Thüringer Landesregierung lässt sich allerdings nur von höchstrichterlichen Urteilen beeindrucken. Als die rückwirkende Zahlung des Familienzuschlags bis zum Jahr 2009 beschlossen wurde, stand bereits fest, dass dies nicht ausreichen würde. Jetzt gibt es wieder ein Urteil, und diesmal des Bundesverfassungsgerichts, das uns recht gibt. Ist es Ihnen nicht langsam peinlich, meine Damen und Herren der Koalition, immer wieder erst auf richterliche Entscheidungen zu warten?
Ein anderes Thema im Gesetzentwurf ist die Zulage für Schuldirektoren und ihre Stellvertreter. Die bundesgesetzliche Regelung, auf der der entsprechende Paragraf in Thüringen beruht, ist aus dem Jahr 1994, also dort ist er weggefallen. Jetzt soll sie auch in Thüringen gestrichen werden. Ich stelle einfach mal die Frage: Warum und warum jetzt? Ich sage das völlig wertfrei, weder positiv noch negativ besetzt. Und: Was verstehen Sie unter personalwirtschaftlichen Maßnahmen, wenn am Ende dann doch 381.000 € pro Jahr eingespart werden? An dieser Stelle beantrage ich namens meiner Fraktion schon mal die Überweisung an den Bildungsausschuss. Weil die Landesregierung in der Begründung angibt, dass der 1. September 1994 - und mit Ihrer Genehmigung zitiere ich mal - nunmehr 18 Jahre her ist, wir schreiben das Jahr 2014, sollten wir vielleicht einmal einen Ausschuss für Rechnen einberufen.
Meine Damen und Herren, im Landeshaushalt sind 499 Stellen für Professorinnen und Professoren mit einer Besoldung nach W 2 enthalten. Weil das Bun
desverfassungsgericht festgestellt hat, dass hessische Professoren mit einer W-2-Besoldung zu wenig Geld bekommen, meine Vorredner und Sie, Herr Minister, sind auch darauf eingegangen, soll das Grundgehalt in Thüringen bei W 2 auf ca. 5.000 €, Sie sagten 5.122 €, erhöht werden.
5.122,50 €, Entschuldigung. Rechnerisch würde diese Erhöhung im Jahr etwa 3,5 Mio. € kosten. Weil aber die aktuell bezahlten Leistungsbezüge entsprechend gekürzt werden, bleiben am Ende nur noch 200.000 € übrig. Das wiederum wären für 499 W-2-Professorinnen und -Professoren im Durchschnitt, und wir haben es einmal durchgerechnet, ganze 33,40 € mehr pro Monat. Darüber kann nicht nur im Haushalts- und Finanzausschuss befunden werden. Eine Diskussion im Kultusausschuss ist auf jeden Fall aus unserer Sicht genauso notwendig. Im Übrigen gehört der Gesetzentwurf auch in den Justizausschuss, weil sich die Landesregierung hier auf drei Urteile von Bundesgerichten beruft.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zum Schluss meiner Rede möchte ich noch auf ein besonderes Schmankerl hinweisen, meine Vorredner sind teilweise schon ein bisschen darauf eingegangen. In Bezug auf das Reisekostengesetz hatte der Beamtenbund eine Erhöhung des Kilometergeldes gefordert. Die Landesregierung konterte damit, dass die reinen Betriebskosten für Pkw sogar gesunken sind und somit 15 Cent pro Kilometer-Pauschale damit ausreichen und sie beruft sich mit dieser Aussage - und jetzt halten Sie sich fest - auf den ADAC. Ich freue mich jetzt schon auf die Anhörung im Ausschuss oder in den Ausschüssen und danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir bringen heute in der Drucksache 5/6858 einen Gesetzentwurf ein, der eigentlich dem Handeln in Thüringen geschuldet ist, der geschuldet ist der angedrohten bzw. teilweise schon vollzogenen Zwangsvollstreckung in 11 Kommunen in Thüringen. Die kommunalen Spitzenverbände haben das Handeln massiv kritisiert und haben die große Befürchtung, dass dies zur Regel wird. Denn letztendlich ist das, was wir hier in Thüringen gemacht haben, ein Tabubruch, denn in keinem anderen Bundesland der Bundesrepublik Deutschland ist es bis jetzt zu diesem Fall gekommen. Wir haben dieses Problem aufgegriffen und haben hiermit eine Änderung der Thüringer Kommunalordnung in einem Gesetz formuliert. Wir wollen letztendlich eins erreichen, dass Zwangsvollstreckungen, die nicht durch die Kommunen geschuldet sind und die letztendlich Ausdruck der Finanzpolitik in unserem Land sind, dem Kommunalen Finanzausgleich - wir haben uns ja im vergangenen Tagesordnungspunkt bereits darüber verständigt - geschuldet sind, und wollen ganz einfach eine Gesetzesänderung, um die Kommunen
hier zu entlasten und das in Zukunft auszuschließen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der von uns eingereichte Gesetzentwurf ist nicht das erste Mal hier im Hohen Haus. Ich habe mal nachgesehen, am 18.07.2012 habe ich das letzte Mal hier am Pult im Hohen Haus zu dem Problem gesprochen. Am nächsten Tag hatte Frau Aigner - sie war damals Verbraucherministerin oder so, auf jeden Fall in Berlin - das Problem ebenfalls aufgegriffen und hatte dann eine Begrenzung von 10 Prozent angeführt. Unterdessen kann man aus den Koalitionsverhandlungen von SPD und CDU vernehmen, dass man sich dort nicht einigen konnte. Deshalb, denke ich, ist es ganz wichtig, dass von den Ländern die Initiative ausgeht und mit einer Initiative dort in den Bundesrat gegangen wird, denn letztendlich sind die Verbraucherinnen und Verbraucher auch in unserem Land die Nutznießer, wenn es wirklich zu einer Absenkung der Zinsen käme. Ich glaube, das ist ein Dauerthema, was auch draußen die Menschen wirklich bewegt. Deshalb sollten wir uns wirklich dazu durchringen, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land endlich aktiv zu werden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, bereits im Jahre 2011 hatte die FDP in Drucksache 5/2780 einen ähnlichen Antrag ins Parlament eingebracht. In der 58. Landtagssitzung diskutierte dann das Hohe Haus über das Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Straßengesetzes. Allerdings wurde es zum damaligen Zeitpunkt nicht ausführlich in die Debatte geführt, auch nicht überwiesen an den Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr, dann hätte schon damals das Problem ernst
haft geklärt werden können. Vorgeschlagen wurde dort bereits die Möglichkeit zur einvernehmlichen Regelung bei Umstufung von Straßen sowie die Problematik, dass bei Abstufung vor allem von Landesstraßen die Kommunen nicht auf eventuellen Sanierungs- und Unterhaltskosten sitzen bleiben müssen. Kritisch hatte damals unsere Fraktion schon angemerkt, dass seit 2011 die umzustufenden Straßen nicht mehr saniert, sondern nur noch verkehrssicher übergeben werden. Sicher ist klar, dass eine zukünftige Kreisstraße nicht in den Ausmaßen einer bisherigen Landesstraße saniert werden muss. Allerdings muss man auch nicht den neuen Baulastträger zusätzlich belasten.
Zwar hatte der Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr den Kommunen 90 Prozent der benötigten Fördermittel für notwendige Sanierungen in Aussicht gestellt, aber es ist auch klar, dass ein Teil der Kosten bei den Kommunen hängen bleibt. Beim Zustand mancher Landesstraße kann das auch richtig viel Geld sein, was die Kommunen zusätzlich aufbringen müssen. Es ist bei der Finanzpolitik unseres Freistaates darüber hinaus auch kaum zu erwarten, dass der Kommunale Finanzausgleich die zukünftigen Unterhalts- und Wartungskosten entsprechend auffangen wird. Demzufolge besteht auch wenig Hoffnung, dass bei einer Straßenabstufung von einer Landes- in eine Kreisstraße oder von einer Kreisstraße in eine Gemeindestraße die betreffenden Kommunen ihr Einverständnis dafür bekunden. Wie soll denn ein Bürgermeister seinen Bürgern, vor allem seinen Gemeinderäten, erklären, dass er freiwillig eine Straße in seine Baulast übernimmt und dann die Kosten für den Winterdienst und den Unterhalt überhaupt zusätzlich in den Haushalt einstellen muss? Deshalb ist die im Gesetzentwurf der FDP in § 7 Abs. 3 angestrebte Einigung eine löbliche Absicht, aber kaum wahrscheinlich und kaum umzusetzen.
Nun noch ein paar Worte zum zweiten Teil des Gesetzentwurfes: Der vorgeschlagene Text ist nicht einfach zu lesen. Man muss ihn schon in höchster Konzentration lesen, um zu ahnen, was gemeint ist oder was man meinen könnte. Ich versuche mal zu erklären, was ich darunter verstehe bzw. herausgelesen habe. Mit der Veränderung des § 11 Abs. 4 soll vermutlich sichergestellt werden, dass die herabzustufende Straße sich faktisch in einem so sanierten und funktionstüchtigen Zustand befindet, dass sie zumindest den Anforderungen der neuen Straßenklasse genügt. Aber, ob der hinzugefügte Absatz diesem Anliegen gerecht wird, ist zumindest fraglich. Der jetzige Vorschlag der FDP ist nämlich in dieser Frage eher widersprüchlich. Wie kann denn der neue Baulastträger gegenüber dem bisherigen geltend machen, dass der Ausbauzustand der Straße nicht den Anforderungen an ihre neue Klasse entspricht? Schließlich soll noch im Satz davor
durch den Gesetzgeber sichergestellt werden, dass die bisherige, also höherklassige, Straße nur umgestuft wird, wenn sie sich im verkehrssicheren, ordnungsgemäß unterhaltenen Zustand befindet. Dazu müssten aber konkrete Regelungen über den Standard und den Zustand einer Straße im Zeitpunkt der Übergabe definiert werden, sonst bleibt es nur eine Absichtserklärung oder -bekundung.
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn mit dieser Gesetzesinitiative ein Versuch unternommen werden soll, konkret und einvernehmlich Regelungen für Umstufungen zu finden, muss die Debatte im Ausschuss geführt werden. Deshalb beantrage ich die Überweisung in den Bau- und Verkehrsausschuss. Der jetzige Gesetzentwurf, so wie er vorliegt, müsste auf jeden Fall geändert werden oder entspricht diesen Anforderungen aus unserer Sicht nicht. Ich danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Haushaltsstrukturkommission hatte mit der Nr. 0302 den Auftrag erteilt, den Aus- und Fortbildungsstandort der Landesregierung zu prüfen. Der Analyseauftrag hieß Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des Betriebes, des Unterhalts von drei Aus- und Fortbildungsstandorten gegenüber einer Zusammenführung jener Stätten im Bildungszentrum Gotha.
In der Koalitionsvereinbarung, die Herr Hey auch zitiert hat, hatten CDU und SPD immerhin vereinbart, dass das Bildungszentrum Gotha zu einem Zentrum für Aus- und Fortbildung des Freistaates ausgebaut werden sollte. Die Haushaltsstrukturkommission konnte sich schließlich nicht einigen, weil zwischen den Ressorts kein Konsens erzielt werden konnte. Das Kabinett hat im Dezember letzten Jahres beschlossen zu warten, bis die Expertenkommission zur Funktional- und Gebietsreform ihren Bericht vorlegt. Dieser Bericht liegt jetzt bekanntlich vor. Die Experten schlagen vor, dass Gotha zerschlagen wird, also nicht Gotha als Stadt, sondern als Ausbildungsstandort. Die Ausbildung soll auch nicht von der Lieblingsstadt von Herrn Hey nach Weimar verlegt werden, sondern nach Nordhausen, nach Rotenburg an der Fulda oder sonst wo hin.
Der Expertenkommission ging es dabei ausschließlich ums Geld, schlussfolgern wir. Die Qualität der Ausbildung spielt keine Rolle. Noch 2010 hat Finanzministerin Walsmann das Bildungszentrum besucht und die Ausbildung der Finanzbeamten in den höchsten Tönen gelobt. Vor Kurzem war der jetzige Finanzminister, Herr Dr. Voss, dort und hat ein Grußwort geredet und Absolventen beglückwünscht. Ich glaube, da war der 1000. auch mit dabei. Daraus schließe ich, dass es an der Qualität der Ausbildung in Gotha eigentlich nichts auszusetzen gibt.
Dann ist es ausschließlich eine Frage des Geldes und genau da wird lediglich behauptet, dass ein Outsourcing der Ausbildung billiger wird.
Eine Zusammenfassung der drei Standorte an einem Ort, wie es von der Haushaltsstrukturkommission untersucht werden sollte, ist gar nicht erst erwähnt worden, und welche Kosten uns Hessen oder andere Bundesländer in Rechnung stellen, wenn wir sie die Ausbildung unserer Anwärter machen lassen, wurde ebenfalls nicht erwähnt. Und so, meine Damen und Herren, also ohne konkrete Angabe der tatsächlichen Einsparungen und vor al
len Dingen ohne Bewertung der Qualität der Ausbildung, kann über eine Veränderung nicht entschieden werden. Wenn ich mir die aktuelle Homepage der Thüringer Landesfinanzdirektion ansehe, die Ausbildungsstellen ausschreibt, aber keinen Standort festlegt, so kann ich die Sorge der Eltern wie auch der Beschäftigten dort durchaus verstehen und ich denke, es bedarf schnellstmöglich einer Klärung. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Abgeordnete Bergner von der FDP ist in einer ähnlichen Situation wie ich, ich bin auch Bürgermeister. Das verbindet uns beide. Einige Schlussfolgerungen, die Sie hier gezogen haben, sehe ich nicht ganz so, aber letztendlich bleibt das Problem. Wenn ich mir mal einige Überschriften ansehe aus der Zeitungsgruppe Thüringen - „Hunderte verzweifelte Bürgermeister verlangen mehr Geld“ vom 16.10. oder überschrieben „Viele Thüringer Gemeinden pleite trotz Millionen-Überschuss beim Land“ ebenfalls vom 16.10. -, da mache ich mir schon so meine Gedanken. Wenn ich dann höre, dass das Problem im System liegt, dass das System wohl richtig ist, aber die Grundrichtung nicht so richtig stimmt oder man dreht das um und sagt, die Grundrichtung stimmt und das System funktioniert nicht, so bringt uns das letztendlich keinen Zentimeter weiter.
Wenn die CDU-geführte Landesregierung behauptet, alles kann bei den kommunalen Strukturen so bleiben, wie es ist, so sprechen doch die Zahlen, und einige sind hier schon genannt worden, eine völlig andere Sprache. Also wenn ich bei Zwangsvollstreckungen von 14 Kommunen rede, dann ist das einmalig in Deutschland. So etwas gab es überhaupt noch nicht. Wenn ich sehe, dass 97 Kommunen keine Kreisumlage mehr zahlen können - Kleine Anfragen dazu liegen vor, die kann sich jeder Abgeordnete selbst anschauen -, da fehlen mir ein bisschen die Worte. Ohne Haushalt sind 106 Kommunen, ohne Rücklagen 200 Kommunen. Wenn ich dann noch lese, 450 Städte und Gemeinden müssen auf Rücklagen zurückgreifen und das bei einem Gesamtstand von 883 Kommunen, so betrifft das über die Hälfte aller Kommunen und Städte in unserem Land. Wir haben hier also ein Riesenproblem. Ich erinnere in dem Zusammenhang auch an den Antrag meiner Fraktion, jährlich 50 Millionen mehr in den KFA zu geben. Wir hatten uns bei dieser Situation schon ein bisschen was gedacht.
Ich komme jetzt aber trotz alledem noch einmal zu meinem Ausgang zurück. Wenn ich mich dann aber hinstelle und sage, ich brauche hier nichts zu verändern und sage den Leuten vor Ort, es kann alles so bleiben, sehe mir die Zahlen an, dann habe ich einen Umkehrschluss. Ich drücke Kommunen in andere Strukturen, teilweise auch in Wildwuchs und ich sage es, so wie es ist, es bleibt gegenwärtig nirgendwo stehen. Wenn ich mir meine eigene VG ansehe, in der ich bin, von sieben Gemeinden fünf in der Haushaltssicherung, davon kein genehmigtes