Arif Tasdelen

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Last Statements

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir werden, wie auch Sie, Frau Präsidentin, angemerkt haben, die Tradition der Enquete-Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" weiterführen, indem wir die Redezeit für den Vorsitzenden aufteilen, sodass ich maximal fünf Minuten reden werde. Die übrigen fünf Minuten wird der stellvertretende Vorsitzende Thomas Huber in Anspruch nehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bayerische Landtag hat im Juli 2016 die Einsetzung der Enquete-Kommission "Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben" beschlossen. Das 19-köpfige Gremium, dem zehn Landtagsabgeordnete und neun Sachverständige angehören, hat am 21. Juli 2016 seine Arbeit aufgenommen.
Jede fünfte Einwohnerin, jeder fünfte Einwohner in Bayern hat einen Migrationshintergrund, ist also entweder aus dem Ausland zugewandert oder stammt von Zuwanderern ab. Deshalb ist und bleibt Integration eine wichtige Aufgabe für Bayern. Die Zukunftsfähigkeit Bayerns hängt auch davon ab, wie wir diese Aufgabe annehmen.
Gemeinsam mit den Mitgliedern der Enquete-Kommission und externen Expertinnen und Experten haben wir zwei Jahre lang in regelmäßigen Sitzungen über folgende Themenfelder diskutiert: "Sprache, Erziehung, Bildung", "Gesellschaftliche und politische Partizipation", "Antidiskriminierung und Antirassismus", "Wirtschaft und Arbeitsmarkt", "Wohnen und Stadtentwicklung", "Gesundheit und Pflege", "Religion und Weltanschauung", "Gleichstellung", "Kultur und Medien", "Integrationsbereitschaft, Integrationsrichtung, Leitkultur" und "Kommunales".
Ich danke allen Mitgliedern der Enquete-Kommission ausdrücklich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit,
was aber nicht heißt, dass wir immer einer Meinung waren. Herzlichen Dank an die Mitglieder der Enquete-Kommission. Das sind: Frau Landtagspräsidentin Stamm, unser stellvertretender Vorsitzender Herr Huber, ein ganz besonderer Dank auch an Herrn Kollegen Zellmeier – er war bis April 2018 stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission, dann wurde er zum Staatssekretär befördert –, Kollegin Weikert, Kollegin Kamm, Kollegin Müller, Kollegin Bause – mittlerweile Mitglied des Deutschen Bundestages –, Kollegin Kaniber – zur Staatsministerin befördert –, Kollege Blume, Kollege Dünkel, Kollege Fahn, Kollege Reiß, Kollege Neumeyer.
Ein großer Dank geht auch an alle stellvertretenden Mitglieder, die immer wieder an den Sitzungen teilgenommen haben. Das sind: Kollegin Schorer-Dremel, Kollegin Trautner, Kollege Rosenthal, Kollege Hölzl, Kollege Fackler, Kollege Schalk, Kollege Prof. Dr. Waschler und Kollege Hanisch.
Mein besonderer Dank geht an die Expertinnen und Experten unserer Enquete-Kommission. Herzlichen Dank an Frau Prof. Dr. Bendel, Frau Mitra SharifiNeystanak, Herrn Prof. Günther Goth, Herrn Thomas Karmasin, Herrn Heinz Grunwald, Herrn Eugen Hain, Herrn Prof. Dr. Georges Tamer, Herrn Michael Stenger, Herrn Dr. Frank Gesemann.
Liebe Expertinnen und Experten, wir Abgeordneten wären ohne Sie und Ihr Fachwissen oftmals aufgeschmissen.
Herzlichen Dank auch an die Staatsregierung für ihre Berichte im Vorfeld der Sitzungen der Enquete-Kommission. Ein ganz besonderer Dank geht an Herrn Schäfer, Frau Welte, Frau Jarawan, unsere Offiziantin Frau Schweimer, den Stenografischen Dienst, der bei den Sitzungen wirklich eine ganz große Herausforderung meistern musste. Liebe Angelika Weikert, du wirst es bezeugen, lieber Thomas Huber, die größte Herausforderung war tatsächlich, die verschiedenen Geschwindigkeiten der Reden etc. so gut und auch so schnell zusammenzufassen. Wir haben teilweise in dieser Enquete-Kommission tatsächlich auch mal vergessen, eine Pause zu machen, sodass wir zum Teil vier Stunden nonstop getagt haben – und der Stenografische Dienst ist trotzdem mitgekommen.
Natürlich auch ein herzliches Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen. Allen Genannten ist zu verdanken, dass die Enquete-Kommission immer reibungslos ablief und organisatorisch in den besten Händen lag. Ich danke ganz herzlich.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Thomas Huber, danke für das Dankeschön. Tatsächlich war es teilweise eine große Herausforderung, verschiedene Interessen und verschiedene Meinungen in der Enquete-Kommission zusammenzubringen. Geduld war, glaube ich, nicht nur vom Vorsitzenden gefordert, sondern von allen Mitgliedern der Enquete-Kommission. Wir haben tatsächlich am Anfang ein bisschen miteinander gestritten, was in einer Enquete-Kommission auch völlig normal ist, wo externe Expertinnen und Experten mit Abgeordneten diskutieren und wo zusätzlich Expertinnen und Experten von außen für jede Sitzung und für jedes Themenfeld eingeladen werden. Diese Diskussionen mussten zusammengeführt werden. Es gab auch die Herausforderung, dass beispielsweise – das ist wirklich nur ein Beispiel – die CSU-Fraktion teilweise mit den Expertisen der Expertinnen und Experten, die von der CSU-Fraktion selbst benannt worden sind, am unzufriedensten war. Das haben wir am Schluss nach den Ausführungen festgestellt. Das war, glaube ich, in der Sitzung, in der es um Religion und Weltanschauung ging. Als Vorsitzender habe ich die CSUFraktion daran erinnert, dass es die von ihr zu dieser Sitzung eingeladenen Experten waren. Aber, lieber Thomas, das war vor deiner Zeit.
Integration gelingt in Bayern unterschiedlich gut. Dort, wo wir viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer haben, die sich für Integration interessieren, wo wir eine Stadtverwaltung und eine Stadtführung haben, die Integration als wichtiges Thema identifizieren und annehmen, hat Integration in der Vergangenheit gut funktioniert. Dort, wo zum einen die Ehrenamtlichen gefehlt haben, die dieses Thema vorantreiben, oder zum anderen die Stadtverwaltung oder die Stadtführung dieses Thema nicht unbedingt als allerwichtigstes Thema identifiziert hatten, ist Integration weniger gut gelungen.
Integration wurde, wenn Sie so wollen, bisher mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Wir haben in Bayern keine regelmäßigen Berichte der Staatsregierung über die Erfolge und Fortschritte der Integration. Wir haben keinen bayernweiten Integrationsfahrplan und keine Integrationsstrategie für die nächsten Jahre oder Jahrzehnte. Wir wussten also nicht, wo wir in der
Integrationsfrage stehen und wo wir hinwollen. Im Jahr 2015 hat die SPD-Fraktion ein Integrations- und Partizipationsgesetz eingebracht, das hier abgelehnt wurde. Das Integrationsgesetz der Staatsregierung, das hier in diesem Hause verabschiedet wurde, dient unserer Meinung nach nicht dazu, Integration in Bayern zu gestalten. Mit dieser Meinung sind wir im Übrigen in dieser Republik nicht allein.
Deshalb bin ich froh, dass alle Fraktionen im Bayerischen Landtag für die Einsetzung der Enquete-Kommission gestimmt haben. Das hat uns die Möglichkeit gegeben, mit unseren Expertinnen und Experten in nichtöffentlichen Sitzungen offen und konstruktiv über die große Zukunftsaufgabe der Integration zu diskutieren. Die Sitzungen waren deswegen nichtöffentlich, weil wir bei den Sitzungen der Enquete-Kommission tatsächlich die Sachdebatte geführt haben. Unser Ziel war es, diese Debatte jenseits ideologischer Gesichtspunkte sachlich und fachlich zu führen. Das ist nicht immer gelungen. Wichtig ist aber, dass wir mit unseren Diskussionen in den Sitzungen die Integration vorangebracht haben, auch wenn es bei den verschiedenen Fraktionen bei diesem Thema unterschiedliche Meinungen gibt. Das ist völlig normal.
Kein Thema ist in diesem Hause so kontrovers diskutiert worden und wird vermutlich auch zukünftig so kontrovers diskutiert werden wie das Thema Integration. Wir hatten aber bei unseren Diskussionen nicht die Überschriften in den Zeitungen am nächsten Tag im Blick, sondern haben uns auf die Aufgabe konzentriert. Deshalb wurden die Sitzungen nichtöffentlich durchgeführt.
Dabei ging es uns nicht nur um die Menschen, die erst seit kurzer Zeit in Bayern leben. Uns ging es auch um die Menschen, die schon seit Jahrzehnten in Bayern leben. Wir müssen auch darüber sprechen, wie diese Menschen bessere Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt bekommen und wie sie sich politisch und gesellschaftlich stärker einbringen können. Im Grunde ging es um alle Menschen, da gelungene Integration allen zugutekommt. Wir haben deswegen darüber diskutiert, wie mehr Wohnraum geschaffen, wie Diskriminierung abgebaut werden und wie auch zukünftig ein friedliches Zusammenleben gelingen kann.
Die Enquete-Kommission hat uns wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, dass bei der Integration alle am gleichen Strang ziehen. Manchmal wird an unterschiedlichen Enden des Strangs gezogen, aber wichtig ist, dass alle am gleichen Strang ziehen.
Nun zu den Ergebnissen der Arbeit unserer EnqueteKommission. In den Sitzungen fanden viele konstruk
tive Diskussionen statt. Zum Austausch waren Expertinnen und Experten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Republik geladen. Diese lieferten einen wichtigen Beitrag zum Erfolg unserer Arbeit in der Kommission. Wir haben dabei erfolgreiche Integrationsprojekte aus der Praxis näher begutachtet. Ehrlicherweise muss jedoch auch gesagt werden, dass nicht alle Diskussionen in der Kommission konstruktiv verliefen. Insbesondere die Debatten über Grundsatzfragen der Integration und über die Leitkultur wurden leider, und auch verständlicherweise, sehr ideologisch geführt.
Kern der Debatte war weniger die Frage, wie Integration in Bayern gelingen kann, sondern vielmehr die Frage, welche Flüchtlinge Integrationsleistungen bekommen sollten und welche nicht, Stichwort Bleibeperspektive. Integrationsmaßnahmen von diesem rein verwaltungstechnischen Begriff abhängig zu machen, ist meiner Meinung nach zu kurz gedacht. Frau Kollegin Weikert wird zu diesem Thema weitere Ausführungen im Namen der SPD machen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir haben gemeinsam ein Bündel von Handlungsempfehlungen verabschiedet, von deren Umsetzung alle in Bayern profitieren werden. Insgesamt haben wir 354 Handlungsempfehlungen formuliert, von denen 158 von allen Fraktionen mitgetragen wurden. Das ist als ein großer Erfolg anzusehen.
Ehrlicherweise muss ich aber auch sagen, dass die einstimmig beschlossenen Handlungsempfehlungen meist im Verhandlungsprozess abgeschwächt und geändert wurden, damit die CSU diese Handlungsempfehlungen auch akzeptierte. Diesen 158 Handlungsempfehlungen stehen 169 Handlungsempfehlungen gegenüber, die mit Minderheitenvoten der SPD, der GRÜNEN oder der FREIEN WÄHLER aufgenommen wurden. Diese hohe Zahl von Minderheitenvoten verdeutlicht den mangelnden Kompromisswillen der CSU-Fraktion.
Insbesondere die Handlungsempfehlungen, mit denen die Staatsregierung zum Handeln aufgefordert wird, wurden von der CSU-Fraktion mit der Begründung abgelehnt, dass bereits eine Menge getan werde und kein weiterer Handlungsbedarf bestehe. Bei den Handlungsempfehlungen gab es auch Diskussionen über Formulierungen wie zum Beispiel "noch weiter fördern" oder "noch stärker ausbauen" usw. Damit wird der Anschein erweckt, dass bereits genug getan wird. Ganz ehrlich: Sprechen Sie einmal mit den vielen Ehrenamtlichen. Diese werden Ihnen sagen, dass
das nicht der Fall ist, dass sie sich mehr Unterstützung wünschen und dass sie teilweise von uns im Stich gelassen werden.
Ich möchte an dieser Stelle den vielen Tausend ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern im Namen aller Fraktionen des Bayerischen Landtags – ich glaube, das darf ich sagen – ein herzliches Dankeschön für ihren unermüdlichen Einsatz aussprechen und dafür, dass sie Bayern lebens- und liebenswerter machen. Herzlichen Dank an alle Ehrenamtlichen!
Bezüglich der Zustimmung bzw. der Ablehnung der einzelnen Handlungsempfehlungen lässt sich bei der CSU-Fraktion keine inhaltliche Stringenz erkennen. Auf der einen Seite werden ein stärkerer Ausbau und eine höhere Taktung der Verbindungen von Bahn und ÖPNV zugunsten der besseren Anbindung des ländlichen Raums abgelehnt, auf der anderen Seite wird der Handlungsempfehlung zugestimmt, wonach Zuwanderer häufig auf den ÖPNV angewiesen sind und daher weitere Lösungen entwickelt werden müssen, um die allgemeine Mobilität zu optimieren.
Wenig konstruktiv sind unserer Meinung nach die Handlungsempfehlungen mit Mehrheitsvoten, die überwiegend mit den Stimmen der CSU und teilweise auch der FREIEN WÄHLER zustande gekommen sind. Ein paar Beispiele: Eine Handlungsempfehlung zielt auf die Einbürgerung nur bei klarer Entscheidung allein für die deutsche Staatsbürgerschaft, also die Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft. Das war eine Handlungsempfehlung der CSU-Fraktion.
In einer weiteren Handlungsempfehlung heißt es: Der Freistaat unterstützt die Kommunen bei der Integration bereits umfangreich. – Dies empfinden die Kommunen nicht so. Der Bayerische Städtetag kritisiert zu Recht: Die Kommunen schultern ihren Anteil überwiegend allein.
Eine Handlungsempfehlung lautet: "Um die Identifizierung der Migrantinnen und Migranten mit ihrem neuen Heimatland weiter zu unterstützen …" sind "… das verpflichtende Lernen und regelmäßige Singen der … Nationalhymne und der Bayernhymne in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen … besonders geeignet."
Liebe Schülerinnen, liebe Schüler, wenn diese Handlungsempfehlung tatsächlich umgesetzt wird, wisst ihr, was auf euch zukommt. Es geht also nicht nur um die
Nationalhymne, sondern auch um die Bayernhymne. Wenn ich jetzt fragen würde, wer alles die Bayernhymne auswendig kann,
fiele mehr als die Hälfte an dieser Stelle durch.
Konsens, das heißt übereinstimmende Meinungen, gab es sowohl bei konkreten als auch bei allgemeinen Handlungsmaßnahmen, die für die Migrantinnen und Migranten in Bayern eine große Hilfe darstellen. Konkrete Maßnahmen sind: Erstorientierungskurse sollen flächendeckend bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen angeboten werden. Die Aussetzung der Vorrangprüfung soll auf alle Arbeitsagenturbezirke in Bayern ausgeweitet werden.
Zu den allgemeinen Maßnahmen gehören zum Beispiel: Kleinere Gemeinschaftsunterkünfte sind grundsätzlich zu bevorzugen. Die Sensibilität für andere Kulturen und Religionen in allen gesellschaftlichen und staatlichen Bereichen ist zu fördern. Bürokratische Hürden, die ein großes Hemmnis bei der Arbeitsmarktintegration darstellen, sind abzubauen. Außerschulische Bildungsangebote, Umweltbildung, Kunstprojekte etc. für Zugewanderte sollen gestärkt und ausgebaut werden. In allen weiterführenden Schulen müssen Kinder mit Migrationshintergrund weiterhin und gezielt beim Spracherwerb gefördert werden.
Jetzt fliegt mir alles um die Ohren; aber den Bericht der Enquete-Kommission, der 316 Seiten umfasst, weil wir auch viele Statistiken, Diagramme und Berichte der Staatsregierung aufgenommen haben, wollte ich Ihnen einmal gezeigt haben. Die Exemplare haben wir vor zweieinhalb Stunden druckfrisch bekommen.
Als SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag verstehen wir die im Abschlussbericht festgehaltenen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen als einen zentralen Auftrag an den Bayerischen Landtag und die Staatsregierung. Wir erwarten, dass die Handlungsempfehlungen als Maßgabe die künftige Integrations- und Migrationspolitik in Bayern bestimmen und dass die Empfehlungen, auf die sich alle Fraktionen verständigt haben, schnellstmöglich umgesetzt werden. Auf der Basis der Erkenntnisse der Enquete-Kommission muss der Gesetzgeber folglich ein neues Partizipations- und Integrationsgesetz verabschieden, das
nicht reine Symbolpolitik ist. Wir brauchen ein Gesetz, das nicht spaltet, sondern das Menschen zusammenführt.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, abschließend möchte ich, weil meine Redezeit zu Ende ist und Frau Weikert weitere Ausführungen machen wird, eine persönliche Bemerkung zu den aktuellen Diskussionen loswerden. Ich bin der Meinung, dass wir über das Thema Integration und Migration und alles, was dazugehört, hier im Hohen Haus diskutieren sollten und dass wir auf Äußerungen, die die Presselandschaft draußen bestimmen und die in der Bevölkerung teilweise Ängste und Unverständnis schüren, verzichten sollten. Dieses Parlament ist der richtige Ort, wo wir diese für alle in Bayern wichtigen Fragen zu beantworten haben. Ich lade Sie alle ein, diese Diskussionen nur in diesem Hohen Haus zu führen. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 1. Dezember haben in vielen Städten in Deutschland die Christkindlmärkte eröffnet. Die Weihnachtszeit hat begonnen. Neben dem Stress, Geschenke für
die Liebsten zu kaufen, ist das auch eine Zeit, die stark durch den christlichen Glauben und christliche Traditionen geprägt ist. Das Anzünden einer Kerze an jedem Adventswochenende, das Aufstellen des Weihnachtsbaums, der gemeinsame Kirchenbesuch und das Auspacken der Geschenke am Weihnachtsabend, all diese Traditionen sind aus der Weihnachtszeit nicht wegzudenken, und auch wer sonst sonntags nicht in die Kirche geht, legt, wenn christlich geprägt, doch großen Wert auf diese religiösen Bräuche.
Genauso verhält es sich mit dem Thema der Bestattungskultur, das wir heute diskutieren wollen. Sterben und Tod, in diesen Momenten kommen Menschen ihrem Glauben oft ganz nah. Es ist uns wichtig, dass Verstorbene nach bestimmten religiösen Regeln und Traditionen bestattet werden, entweder weil es die Verstorbenen so wünschen oder weil gerade in schweren Zeiten Rituale und Bräuche Kraft und Halt geben. Nun stellen Sie sich vor, Sie könnten Verstorbene, das heißt Verwandte, geliebte Eltern nicht in Ihrer Nähe nach den Regeln Ihrer Religion beerdigen, sondern müssten sie stattdessen in einem anderen Bundesland oder sogar in einem anderen Land beerdigen. Nicht die Möglichkeit zu haben, regelmäßig das Grab ihrer Angehörigen zu besuchen, wäre für viele Menschen unvorstellbar, und trotzdem ist genau das vielfach die Realität von Muslimen in Bayern.
Der Freistaat gehört mit Sachsen und Sachsen-Anhalt zu den letzten drei Bundesländern, in denen die Sargpflicht noch besteht. Muslime, die ihre Verstorbenen, so wie es ihre Religion vorgibt, ohne Sarg und nur in ein Leinentuch gehüllt begraben möchten, bringen ihre Angehörigen häufig noch in die alte Heimat zurück, obwohl sich besonders die junge Generation vielfach mehr mit ihrer neuen Heimat Deutschland als mit dem Herkunftsland ihrer Eltern identifiziert. Sie sind gezwungen, sich zwischen der Wahrung der Tradition und einem religiösen oder regelmäßigen Besuch des Grabes ihrer verstorbenen Angehörigen zu entscheiden.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Bestattungsgesetzes möchten wir deshalb die Verpflichtung zur Bestattung im Sarg abschaffen. Unter Experten besteht längst Konsens darüber, dass eine Bestattung im Sarg nicht notwendig ist. Dies hat auch die Expertenanhörung im Juni 2015 im Innenausschuss des Bayerischen Landtags ergeben. Weder hygienische noch irgendwelche anderen Bedenken sprechen gegen eine Bestattung ohne Sarg.
Vor wenigen Wochen habe ich eine Schriftliche Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Auch sie hat keinen einzigen Grund gegen eine Abschaffung der Sargpflicht vorgebracht, außer dem, dass die Staats
regierung keinen zwingenden Bedarf für eine Änderung sehe. Wir sollten uns deshalb die Frage stellen: Ist die Sargpflicht wirklich noch zeitgemäß? Immer weniger Menschen in Deutschland möchten sich im Sarg bestatten lassen, sondern befürworten alternative Bestattungsformen, zum Beispiel Urnenbestattung, Bestattung in der Natur, etwa im Wald oder auf See. Laut einer aktuellen Umfrage von Statista aus dem Jahr 2017 würden sich nur noch 8 % der Bevölkerung für eine Sargbeerdigung entscheiden. Das heißt, über 90 % von Menschen verschiedener Religionen – Christen, Muslime, Juden, aber auch Atheisten – in unserer Gesellschaft wünschen eine andere Bestattungsform.
Die Mehrheit der Bundesländer hat auf diesen Trend in der Bestattungskultur mit einer Reform ihres Bestattungsrechts reagiert. Friedhöfe, die häufig mit Leerflächen zu kämpfen haben, haben in anderen Bundesländern Muslime als neue Kunden für sich entdeckt. In Wuppertal wird 2018 sogar der erste muslimische Friedhof eröffnet.
Es geht uns bei unserem Gesetz also nicht darum, neue Regeln zu schaffen. Die genannten 8 % dürfen sich immer noch nach christlicher Tradition im Sarg bestatten lassen. Es geht uns im Gegenteil darum, eine längst überholte Verpflichtung endlich abzuschaffen und damit für den restlichen Teil der Bevölkerung neue Möglichkeiten zu schaffen bzw. ihre religiösen Bedürfnisse anzuerkennen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir haben 2015 in unserem Bayerischen Partizipations- und Integrationsgesetz auch die Abschaffung der Sargpflicht in Bayern gefordert. Seinerzeit haben die Mehrheitsfraktion, aber auch, so glaube ich, die FREIEN WÄHLER dieses Gesetz abgelehnt, weil nicht nur die Abschaffung der Sargpflicht gefordert wurde, sondern noch weitergehende Forderungen gestellt wurden. Anfang des Jahres hat die Fraktion der GRÜNEN einen Gesetzentwurf eingebracht. Wenn ich mich richtig entsinne, Herr Freiherr von Lerchenfeld, haben die CSU und auch die Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER diesen Gesetzentwurf abgelehnt, weil er ihnen zu weit ging. Ich glaube, die GRÜNEN hatten seinerzeit auch spezielle Räume zum Waschen der Leichname usw. gefordert. Deswegen haben Sie gesagt, dass Ihnen diese Forderungen zu weit gehen.
Deshalb machen wir als SPD-Fraktion es Ihnen heute ganz leicht, indem wir keine weitergehenden Forderungen, sondern nur eine einzige Forderung stellen: Das ist die Änderung des Artikels 16 des Bestattungsgesetzes, nämlich die Abschaffung der Sargpflicht.
Als ich meine Rede ausgedruckt habe – aus Nachhaltigkeitsgründen verwende ich immer Papier, das ich schon einmal benutzt habe –, habe ich gemerkt, dass sich auf der Rückseite meiner Rede ein geschmückter Weihnachtsbaum, gemalt von meiner Tochter, befand. Da dieser Weihnachtsbaum nicht so toll gelungen ist, vermute ich, dass dieses Papier zwei Jahre alt ist. Meine Tochter war damals vier Jahre alt. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen – da blicke ich insbesondere zu den Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion hinüber –, wir haben heute tatsächlich die Möglichkeit, den Menschen in Bayern in Aussicht zu stellen, dass wir ihnen ein Geschenk, nämlich die Abschaffung der Sargpflicht, unter den Weihnachtsbaum legen. Ich würde mich sehr freuen, wenn heute auch die CSUFraktion signalisieren würde, dass sie mit der Abschaffung der Sargpflicht zumindest leben kann.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Freiherr von Lerchenfeld, ich habe im Vorfeld dieser Beratung mit Herrn Jo-Achim Hamburger von der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg telefoniert. Er dürfte Ihnen bekannt sein; denn sein Vater, Arno Hamburger, dürfte über Nürnbergs Grenzen hinaus ein sehr bekannter Mann sein. Herr Hamburger meinte, dass die Juden auf dem jüdischen Friedhof in Nürnberg ganz einfache Särge verwenden, weil sie dies müssten. Er und der Rabbiner seien jedoch der Meinung, dass eine Abschaffung der Sargpflicht auch für sie eine ganz große Erleichterung wäre, da in Israel niemand in einem Sarg bestattet wird.
Also, nicht nur den Muslimen, sondern auch der jüdischen Gemeinde wäre die Abschaffung der Sargpflicht ein wichtiges Anliegen.
Ich möchte noch einmal auf die Statistik zurückkommen, die ich erwähnt habe: 92 % der Bundesbürger wünschen sich eine alternative Bestattung, keine Bestattung im Sarg. Ich habe von Ihnen immer noch kein Argument gehört, warum Sie an dieser Sargpflicht so festhalten. Vielleicht könnten Sie die Argumente irgendwann einmal auf den Tisch legen, damit wir nachvollziehen können, warum Sie sich so verhalten, wie Sie sich verhalten.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde mit der Bibel argumentiert. Herr Kollege von Lerchenfeld hat mit Protokollnotizen argumentiert. Jetzt fällt es mir natürlich schwer, andere weltliche Argumentationen zu finden. Ich versuche es aber trotzdem.
Deutschland hat vor ungefähr 50 Jahren viele Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter hierher geholt und sich darum gekümmert, dass diese Menschen hier leben und arbeiten, aber gar nicht darum, was mit diesen Menschen passiert, wenn sie bei uns sterben. Im Moment haben einige Städte, Kommunen und Gemeinden die Notwendigkeit erkannt, hier etwas zu regeln. Sie haben gesagt, dass auch der Tod zum Leben gehört. Beispielsweise haben Muslime und Menschen jüdischen Glaubens gewisse Bestattungsriten. Dann gibt es noch Menschen, die gar keinen Glauben haben. Viele, viele Friedhöfe versuchen auch, diesen Riten gerecht zu werden. Das ist der richtige Weg. Ich meine, dass wir diesen richtigen Weg auch weitergehen sollten, indem wir den Städten, den Gemeinden und den Kommunen die Möglichkeit geben, die Sargpflicht abzuschaffen.
Wir haben in unserem Integrationsgesetz 2015 die Abschaffung der Sargpflicht und die Zulassung der Bestattung im Leinentuch gefordert. Wir waren uns im Vorfeld in der Diskussion unter anderem auch mit der CSU im Grunde genommen zumindest in dem Punkt einig, dass die Sargpflicht nicht mehr zeitgemäß ist, weil Menschen, die ihre Angehörigen beispielsweise nach muslimischem Ritual beerdigen wollen, keine andere Wahl haben, als ihre Angehörigen in ihrer ersten Heimat zu beerdigen.
Nun kam aber alles ganz anders. Ehrlich gesagt fehlen mir von der CSU tatsächlich überzeugende Argumente, warum sie die Abschaffung der Sargpflicht nicht befürwortet hat. Das wäre der nächste Schritt, der absolut notwendig wäre.
Freiherr von Lerchenfeld, Sie haben auf den folgenden Punkt aufmerksam gemacht: Bei Bestattungseinrichtungen müssen beispielsweise rituelle Waschungen möglich sein. Sie haben auch die unbefristete Ruhezeit angesprochen. Ich meine, dass das tatsächlich der Markt regeln kann, weil man die Ruhezeit immer wieder verlängern kann. Allerdings ist die Sargpflicht eine Riesenhürde für diejenigen, die nach muslimischem Ritual bestatten wollen.
Der Herr Ministerpräsident ist jetzt nicht mehr hier. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir legen ja sehr viel Wert darauf, dass Bayern immer Vorreiter ist. In diesem Fall wird uns dies nicht mehr gelingen, weil
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern die einzigen Bundesländer sind, die noch an der Sargpflicht festhalten. Wir können aber alle gemeinsam dafür sorgen, dass wir, wenn wir schon nicht die Ersten sein können, wenigstens nicht die Letzten sind, indem wir die Sargpflicht abschaffen. – Die SPD-Fraktion wird dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zustimmen.
Frau Kollegin Gote – – Entschuldigung, Frau Präsidentin, habe ich das Wort?
Kollegin Gote, an die Anhörung kann ich mich sehr gut erinnern; Sie sind darauf schon eingegangen. Die Signale, auch die, die von der CSU-Fraktion kamen, waren im Allgemeinen sehr positiv. Der Einzige, der der Abschaffung der Sargpflicht kritisch gegenüberstand, war ein Herr von der Sargindustrie. Ich konnte ihm aber noch in der Anhörung die – in Anführungszeichen – "Angst" nehmen, dass nach Abschaffung der Sargpflicht die Sargindustrie nichts mehr verdienen werde: Auch bei der Bestattung von Muslimen wird ein Sarg benötigt; erst an der Grabstätte wird der Leichnam aus diesem genommen.
Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir, die SPD-Fraktion, hatten im vergangenen Jahr dem Hohen Haus ein Integrationsgesetz vorgelegt. Von dieser Stelle aus sagte der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer, CSU, dass er sich in Aibling mit seinem Freund Mehmet beim Currywurstessen unterhalten habe. Mehmet habe ihm gesagt, dass man Integration leben müsse und nicht gesetzlich regeln könne.
Deswegen haben Sie, die CSU-Fraktion, ein Bayerisches Integrationsgesetz, das diesen Namen tatsächlich verdient hätte, abgelehnt.
Vor wenigen Monaten war Martin Neumeyer wieder bei Mehmet in Aibling und hat wieder eine Currywurst
gegessen. Dieser Mehmet hat ihm gesagt: Herr Neumeyer, Sie in der Politik müssen etwas tun.
Daraufhin hat die CSU-Fraktion ein Integrationsgesetz formuliert und in den Landtag eingebracht. Wenn diejenigen, die Sie mit diesem Gesetz erreichen wollen, wüssten, dass "der Mehmet" Sie steuert, dann weiß ich nicht, was passieren würde.
Sie hätten die Möglichkeit gehabt, ein Integrationsgesetz vorzulegen, das diesen Namen tatsächlich verdient, ein Integrationsgesetz, das mit allen Fraktionen des Bayerischen Landtags – dieses Angebot haben wir Ihnen gemacht – abgesprochen ist, ein Gesetz, das Lösungen aufzeigt und nicht die Gesellschaft spaltet, ein Gesetz, das die Integrationsaufgabe ernst nimmt und auch Fragen beantwortet. Solche Fragen sind etwa: Warum sind Menschen mit Migrationshintergrund in Vereinen, in Gewerkschaften, bei Betriebsund Personalratswahlen genauso engagiert wie die Deutschen? Warum haben sie auf der anderen Seite, was Politik angeht, keine Partizipationsmöglichkeit, keine Teilhabemöglichkeit? Warum haben wir in Bayern nicht die gleichen Bildungschancen für alle? Warum ist in Bayern die Einbürgerungsquote im bundesweiten Vergleich eine der niedrigsten? Das alles sind Fragen, auf die wir Antworten finden können – und Antworten finden müssen.
Das ist übrigens auch unser Ziel in der Enquete-Kommission. In der Enquete-Kommission diskutieren wir nicht nur als Vertreter der Parteien, sondern auch mit vielen Expertinnen und Experten über dieses Thema. Wir wollen ehrliche Antworten finden, die in ein Bayerisches Integrationsgesetz oder ein Integrationskonzept einfließen können. Sie reden von Leitkultur. Auf der anderen Seite gibt es viele Tausende von ehrenamtlich engagierten Flüchtlingshelferinnen und Helfern, die das Problem haben, dass zu wenige Orientierungskurse und zu wenige Integrationskurse vorhanden sind. Die Ehrenamtlichen bringen Flüchtlingen die Sprache, aber auch Werte bei. Wir brauchen Orientierungskurse, in denen nicht nur die Sprache, sondern auch Werte vermittelt werden können. Diese Kurse sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Gleichzeitig reden wir über eine bayerische Leitkultur. Es wäre ein Anfang, genügend Sprachkurse, Integrationskurse und Erstorientierungskurse zur Verfügung zu stellen, damit die Flüchtlinge, die zu uns kommen, auch unsere Werte kennenlernen.
Ich fasse Ihr Gesetz in einem Satz zusammen: Wir schaffen keine einzige Integrationsmaßnahme. Wenn keine dieser zusätzlichen Integrationsmaßnahmen, die wir durch dieses Gesetz nicht schaffen, in Anspruch genommen wird, gibt es die Keule des Gesetzes. Das kann es nicht sein.
Der Herr Ministerpräsident betont immer die Koalition mit den Bürgerinnen und Bürgern. Man kann mit den Bürgerinnen und Bürgern jedoch keine Koalitionen eingehen, wenn man einen Keil zwischen die Menschen treibt. Deswegen sollten Sie dieses Gesetz zurückziehen.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In Bayern leben weit über
eine halbe Million Menschen jüdischen und muslimischen Glaubens. Wir sollten hier im Hohen Haus alles Mögliche dafür tun, dass diese Menschen nach ihren Riten bestatten können. Dazu gehört die Bestattung im Leinentuch.
Wir hatten im Bayerischen Landtag in den Ausschüssen für Soziales und Recht und Verfassung eine Expertenanhörung. Die Experten kamen zu dem Ergebnis, dass die sarglose Bestattung, die Leinentuchbestattung, auch in Bayern kein Problem wäre. Alle bis auf einen Herrn von der Sargindustrie waren dafür, dass die Sargpflicht abgeschafft wird. Wir hatten auch – Herr Kollege Mistol hat es angedeutet – von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, bei dieser Expertenanhörung eigentlich Signale bekommen, dass auch die CSU der Abschaffung der Sargpflicht zustimmen wird, zumal wir, ich glaube, eines von zwei oder drei Bundesländern sind, die noch an der Sargpflicht festhalten.
Ich glaube, es ist tatsächlich an der Zeit, dass wir diesen Menschen die Möglichkeit geben, nach ihren Riten zu bestatten. Vielleicht kann die CSU-Fraktion in diesem Fall einmal über ihren Schatten springen und diesen Menschen das Leben ein Stück weit erleichtern, damit der Tourismus in die Ursprungsländer oder in die Heimatländer endlich aufhört, der für die Angehörigen eine große Strapaze bedeutet.
Deshalb beantragen wir, den Artikel 16 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 Buchstabe f des Bestattungsgesetzes insoweit zu ändern, als nach dem Wort "Verstorbener" die Wörter "sowie für Bestattungen nur im Leinentuch," eingefügt werden.
Frau Staatsministerin, ich hätte eine ganz konkrete Frage: Teilen Sie die Bewunderung unseres Ministerpräsidenten für Herrn Putin, für Viktor Orbán und für Herrn Trump?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zufällig habe ich letzten Samstag an einer sogenannten Stadtverführung in Nürnberg teilgenommen. Im Rahmen dieser Stadtverführung kann man an einem Wochenende verschiedene Plätze und Sehenswürdigkeiten in Nürnberg besichtigen. Die Stadtverführung hatte das Thema "Wo Muslime in Nürnberg ihre letzte Ruhe finden". Wir haben unter anderem die Grabfelder für Muslime am Südfriedhof besucht. Dabei wurde mir klar, dass wir dieses Thema jahrzehntelang vernachlässigt haben. Wir haben den Muslimen, die hier verstorben sind, nicht die Möglichkeit gegeben, sich so bestatten zu lassen, wie es nach ihren Riten und ihrer Religion Brauch ist. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir heute über Bestattungen reden und darüber, ob beispielsweise die Sargpflicht noch zeitgemäß ist.
Natürlich ist in den letzten Jahren einiges passiert. Sie, Herr Kollege Freiherr von Lerchenfeld, sagen,
dass beispielsweise den Riten der Muslime Genüge getan wurde. Das stimmt so nicht. Muslime müssen mit Erdkontakt bestattet werden. Daher kommt eine Bestattung im Sarg für sie nicht infrage. Das ist nicht möglich. Die Hinterbliebenen stehen vor der Entscheidung, ob sie einen Menschen, den sie hier verloren haben, in ihrer Nähe bestatten, damit sie jeden Freitag oder Sonntag das Grab besuchen können, um auch mit dem Verstorbenen reden zu können. Die Alternative wäre, den Angehörigen in seine erste Heimat, und das sage ich gewissermaßen in Anführungszeichen, zu "verfrachten", weil sie ihren Angehörigen nach islamischem Ritual bestatten möchten.
Viele Menschen entscheiden sich dafür, ihre Angehörigen hier zu bestatten, weil sie sie in der Nähe haben wollen. Das ist aber keine Wahlfreiheit, sondern Zwang. Deswegen haben wir im letzten Jahr in unserem Integrationsgesetz die Abschaffung der Sargpflicht gefordert. Wir werden den vorliegenden Gesetzentwurf der GRÜNEN unterstützen.
Über die Frage, ob wir an jedem Friedhof Waschräume für Leichen brauchen, können wir in den Ausschüssen diskutieren. Über die Abschaffung der Sargpflicht und über den frühestmöglichen Bestattungszeitpunkt müssen wir aber nicht mehr diskutieren. Den Menschen wäre geholfen, und es wäre auch zeitgemäß, wenn wir diesen beiden Forderungen nachkommen würden. Deshalb kündige ich die Unterstützung der SPD-Fraktion für den Gesetzentwurf an.
Langfristig gesehen müssen wir diesen Menschen die Möglichkeit geben, ihre Angehörigen nach islamischem Ritual hier zu bestatten. Im Moment ist es so, dass diejenigen, die ihre Verstorbenen nach islamischem Ritual bestatten möchten, diese in ihrer ersten Heimat bestatten müssen, weil das hier nicht möglich ist. Diese Menschen stehen vor der Schwierigkeit, die Verstorbenen in die erste Heimat fliegen zu müssen. Als Schlimmstes kann ihnen dabei passieren, dass ihr Angehöriger an einem Freitagnachmittag oder Freitagabend stirbt. Dann wissen sie nämlich nicht, ob und bis wann sie die erforderlichen Papiere zusammen haben und wann sie den Verstorbenen in die erste Heimat fliegen können. Sie wissen auch nicht, ob die Angehörigen Urlaub bekommen.
Ich habe diese Situation vor einigen Wochen bei einem Bekannten erlebt. Ich habe einen Bekannten besucht, der seinen Vater verloren hat. Der Vater wollte ausdrücklich nach islamischem Ritual beerdigt werden. Die Familie stellte sich nicht die Frage, wie man trauert und ob man trauert, sondern die Familie stellte sich folgende Fragen: Werden wir die Papiere rechtzeitig erhalten? Wenn wir die Papiere rechtzeitig be
kommen, geht dann am Samstag überhaupt ein Flug? Wie viele Plätze sind in diesem Flugzeug frei? Wenn zu wenige Plätze frei sind, wie sieht es dann mit einem Flug am Sonntag aus? Bis wann werden die Papiere kommen, Samstag oder Sonntag? Die Schwester des Bekannten und seine Schwägerin wussten nicht einmal, ob sie mitfliegen könnten, weil sie nicht wussten, ob sie Urlaub bekommen würden. Sie konnten ihren Chef nicht anrufen bzw. nicht erreichen. So wussten sie nicht, ob sie Urlaub bekommen würden.
Ich glaube, dass wir diese Probleme lösen können, wenn wir den Menschen die Möglichkeit geben, ihre Angehörigen hier nach ihrem Brauch bestatten zu lassen. Es wäre ein gutes Zeichen von diesem Hohen Hause, den Menschen zu signalisieren, dass sie hier zu Hause sind und ihre Angehörigen hier beerdigen können.
Liebe Frau Kollegin Gote, sicherlich wird die Herausforderung darin bestehen, zu ermitteln, was in diesem Fall unter öffentlichem Interesse zu verstehen ist. Das wird man sicherlich im zuständigen Ausschuss mit allen Fraktionen klären können. Deshalb sind wir hier ganz nah beieinander.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Zellmeier, Ihr Gesetz wäre gut, wenn Sie es einstampfen würden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema Integration steht auf der Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung. Wir hätten nicht gedacht, dass wir uns, zumindest in der Einsetzung der Enquete-Kommission und in den Themen, so einig werden. Ich möchte den Dank an alle hier vertretenen Fraktionen zurückgeben. Zwar haben uns viele Gespräche Nerven und Kraft gekostet, aber trotzdem haben wir uns auf einen Fragenkatalog geeinigt, mit dem alle Fraktionen leben
können: die CSU, die GRÜNEN, die FREIEN WÄHLER und auch wir von der SPD.
Wir haben die Integration in Bayern bisher dem Zufall überlassen. Das ist meine Wahrnehmung, wenn ich in ganz Bayern herumfahre und mich mit Menschen unterhalte. Dort, wo es Menschen gab, die sich für das Thema interessiert haben und die sich ehrenamtlich oder hauptamtlich eingesetzt und dem Thema Integration gewidmet haben, und dort, wo wir eine Oberbürgermeisterin oder einen Oberbürgermeister hatten, der sich für das Thema interessiert hat, hat Integration funktioniert. Wo wir solche Personen nicht hatten, hat Integration faktisch nicht stattgefunden. Im Gespräch mit Bürgermeistern habe ich meistens die Antwort erhalten: Herr Taşdelen, bei mir hat die Integration gut funktioniert; bei mir sind Ausländer bisher nicht aufgefallen. – Damit meinte man, dass Ausländer nicht negativ aufgefallen sind. Der Umkehrschluss war: Wenn Migrantinnen und Migranten nicht negativ auffallen, ist die Integration vor Ort gelungen. – Wir wissen heute aber, dass diese Erkenntnis falsch ist. Was die Integration angeht, wissen wir nicht, wo wir stehen, und, ehrlich gesagt, auch nicht, wo wir hinwollen. Wir haben im Bayerischen Landtag nicht einmal einen Integrationsbericht, der uns Abgeordneten einen Spiegel vorhält, um zu erfahren: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin?
Deshalb ist die Einsetzung der Enquete-Kommission "Integration in Bayern aktiv gestalten und Richtung geben" richtig und wichtig. Wir wollen diese wichtigen Themen wie Sprache, Erziehung und Bildung, gesellschaftliche und politische Teilhabe bis hin zu Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Wohnen und Stadtentwicklung, Kultur und Medien auch mit Fachleuten und Expertinnen und Experten von außen diskutieren, um zu erfahren, wo wir stehen, wie wir Integration besser organisieren können und wie wir, was beispielsweise den Spracherwerb angeht, besser werden können, um die Menschen, die zu uns kommen, schnell zu integrieren.
Es geht uns auch nicht nur um die Menschen, die neu zu uns kommen, sondern auch um die Menschen, die schon länger bei uns leben. Wir haben diesen Menschen gegenüber eine politische Verantwortung und können vielleicht neue Wege gehen, um ihnen Angebote zu machen, die wir bisher nicht gemacht haben, oder auf neue Ideen kommen. Wir wollen zum Beispiel untersuchen, warum DAX-Unternehmen bisher nur 54 Flüchtlinge beschäftigen und kleine und mittelständische Unternehmen am meisten Arbeitsplätze angeboten haben. Wir wollen untersuchen, wie Menschen, die neu zu uns kommen, noch besser in den
Arbeitsmarkt integriert werden können. Wir wollen die Integrationsbereitschaft nach folgenden Fragen untersuchen: Wie gelingt das Zusammenleben? Welche Regeln sind für das Zusammenleben erforderlich? Wir wollen auch diese Themen beleuchten.
Wir wollen – wir als Opposition haben diese Kröte geschluckt – auch über die Leitkultur reden, aber nicht in dem Sinne, wie es die CSU-Fraktion ursprünglich vorgeschlagen hatte, sondern wir haben in den Fragenkatalog der Enquete-Kommission die Formulierung aufgenommen, dass wir untersuchen wollen, was der Begriff "Leitkultur" bedeutet, wie dieser Begriff definiert wird und ob dieser Begriff geeignet ist, die Integration zu fördern, oder ob er sie eher hemmt. Da sieht man, dass wir als Opposition, dass wir als SPD ein bisschen über den eigenen Schatten gesprungen sind, um tatsächlich alle Lebensbereiche der Menschen, die neu zu uns kommen, zu beleuchten und zu erfahren, wie wir die Integration in Bayern besser gestalten können und wie wir zukunftsfähiger werden können, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Für die SPD-Fraktion wird meine Kollegin Angelika Weikert in der Enquete-Kommission mitarbeiten. Als Expertinnen haben wir Frau Professor Petra Bendel vom Zentralinstitut für Regionenforschung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg – mein herzliches Dankeschön, weil die Mitarbeit viel Zeit und Kraft kosten wird – und Frau Mitra Sharifi, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns, berufen.
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und bin mir sicher, dass wir gemeinsam ein Integrationspapier erarbeiten können, das wir für die nächste Legislaturperiode als Integrationsgrundlage hinterlassen können. Ich hoffe, dass viele unserer Vorschläge in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden.
Ich richte noch einmal meinen Appell an Sie, weil Sie es angesprochen haben, Herr Zellmeier: Vielleicht kommen Sie als CSU-Fraktion doch noch zur Vernunft und legen das integrationshemmende Gesetz, das Sie schon in Erster Lesung eingebracht haben, auf Eis, um die Ergebnisse der Enquete-Kommission abzuwarten.
Verehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Zellmeier hat den Pressespiegel angeführt. Ich konnte in den letzten Tagen dem Pressespiegel entnehmen, dass die CSU davon spricht, dass wir in den nächsten Jahren für die Integration mehr ausgeben werden als andere Bundesländer. Dabei wurde ein Betrag von über 500 Millionen Euro genannt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Herr Kreuzer, lieber Herr Zellmeier, davon werden in den nächsten Jahren 200 Millionen Euro für zusätzliche Staatsbedienstete, inklusive Lehrerinnen und Lehrer, und 240 Millionen Euro für den Wohnungsbau verwendet.
Artikel 6 Ihres Integrationsgesetzes besagt, dass alle Kinder in Kindertageseinrichtungen zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur erfahren sollen. Ein zentrales Element der christlich-abendländischen Kultur ist die Wahrheit. Wenn wir bei der Wahrheit bleiben wollen, müssen wir Folgendes sagen: Die CSU hat es in den letzten Jahren und Jahrzehnten versäumt, den öffentlichen Dienst richtig auszustatten. Dies gilt vor allem für die Ausstattung der Schulen mit Lehrerinnen und Lehrern.
Die Polizei fordert schon seit vielen, vielen Jahren mehr Personal. Sie haben die GBW verhökert. Sie versuchen jetzt, so zu tun, als sei die Aufarbeitung Ihrer Versäumnisse in den letzten Jahren eine Integrationsmaßnahme.
Das sind die Versäumnisse der letzten Jahre, die Sie zu verantworten haben.
Frau Ministerin Müller, Sie haben die Frage gestellt, warum wir als Opposition diesem Integrationsgesetz nicht zustimmen könnten. Ich würde ja gerne einem Integrationsgesetz zustimmen, wenn dieses Gesetz seinen Namen verdienen würde. Ich habe tatsächlich dieses Gesetz von vorn bis hinten und von hinten bis vorne gelesen. Ich habe aber keine zusätzlichen An
gebote gefunden, weder für die Aufnahmegesellschaft noch für die Migrantinnen und Migranten.
Natürlich wollen wir, dass sich jeder, der zu uns kommt, integriert. Wir erwarten auch von jedem, der zu uns kommt, dass er sich integriert. Nach unserem Selbstverständnis müssen wir aber Angebote machen, damit sich die Menschen bei uns integrieren können. Ihr Gesetz ist substanzlos und reine Symbolpolitik.
Es schafft keine zusätzlichen Angebote. Das, was Sie als zusätzliches Angebot darstellen, wird unter Vorbehalt gestellt. Das ist eine reine Symbolpolitik. Auf wichtige Säulen, zum Beispiel auf soziale Gerechtigkeit oder gesellschaftliche und politische Teilhabe, gehen Sie überhaupt nicht ein. Eine Teilhabe kommt nicht von allein. Das muss gesetzlich geregelt werden. Darauf gehen Sie überhaupt nicht ein. Deshalb ist Ihr Entwurf im Grunde genommen auch kein richtiges Gesetz, sondern enthält lediglich irgendwelche symbolpolitischen Parolen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz ist der Versuch, Bayern für Migrantinnen und Migranten unschön zu machen; es gefährdet das gute Miteinander.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Zellmeier, gestatten Sie mir ein paar Worte zu Ihnen: Ich habe wirklich schon sehr viel gehört. Bei uns in Franken sagt man: So viel Gschmarri habe ich schon lange nicht mehr gehört.
Es ist schön, dass Sie sich Gedanken über den Zustand der SPD machen. Sie haben gesagt: Die SPD fällt.
Ich sage Ihnen: Ob die SPD fällt oder nicht, entscheiden nicht Sie, das entscheidet die Wählerin, das entscheidet der Wähler.
Eine persönliche Bemerkung: Wenn ich falle, dann falle ich mit Anstand.
Ich versuche dann nicht, mich auf Kosten anderer, auf dem Rücken anderer über Wasser zu halten. So viel zu Ihnen, lieber Herr Zellmeier.
Gefehlt hat nur noch, dass Sie bei Ihrer Bewunderung für Helmut Schmidt mit einer Mentholzigarette hier vorne stehen. Helmut Schmidt hat einmal gesagt: "Von einem 93-Jährigen Optimismus zu erwarten, ist ein bisschen viel verlangt." Er hat auch einmal gesagt: "In der Krise beweist sich der Charakter." Das ist jetzt aktuell der Fall.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben im Februar letzten Jahres in diesem Hohen Hause einen Gesetzentwurf eingebracht, in dem wir geschildert haben, wie wir uns Integration vorstellen, wie Integration richtig gelingen kann. Hier gibt es überhaupt keinen Gegensatz zu dem, was vorher gesagt wurde. Natürlich setzen auch wir darauf, dass wir den Menschen etwas anbieten. Wenn diese Angebote nicht angenommen werden, sind wir gerne bereit, über Sanktionen nachzudenken. Dem haben wir uns noch nie verwehrt. Wir müssen aber den Menschen ein Integrationsangebot machen.
Sie haben den Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben, im Februar dieses Jahres in Zweiter Lesung abgelehnt. Außerdem haben Sie in den letzten Monaten immer davon gesprochen, dass wir in Bayern kein solches Gesetz bräuchten. Gut ist, dass Sie jetzt schon einmal eingesehen haben, dass wir die Integration in Bayern steuern und anständig regeln müssen. Wir dürfen Integration nicht dem Zufall überlassen. Das ist schon einmal eine gute Erkenntnis.
Sie haben jetzt ein Papier vorgelegt – ich habe keine Ahnung, ob es überhaupt die Bezeichnung "Gesetz" verdient –, von dem Ihr Parteikollege Uwe Brandl, der Präsident des Bayerischen Gemeindetages, sagt: Dieser Gesetzentwurf ist an keiner Stelle konkret, er ist zu schwammig. Herr Brandl ist ein CSU-Politiker, und zwar kein unwichtiger. Martin Neumeyer, der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, musste vorhin selber lachen, als er sagte, dass es gut sei, dass er diesen Job ausübe. Er hat außerdem gesagt, dieser Gesetzentwurf sei repressiv statt motivationsfördernd.
Das ist die Aussage von Martin Neumeyer, nicht die Aussage eines SPD-Politikers. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Thema ist wirklich wichtig. Herr Minister Dr. Huber, Sie haben erklärt, dass Sie möglichst gemeinsam mit allen Fraktionen in diesem Hohen Haus einen Gesetzentwurf vorlegen wollen. Deshalb haben Sie zu einem Gespräch bei Ihnen eingeladen. Danach kam nichts. Herr Kreuzer hat ein Integrationsgesetz immer verteufelt. Als wir eine interkulturelle Öffnung und eine interkulturelle Schulung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst gefordert haben, hat er gesagt, dies sei ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Anscheinend hat er inzwischen umgedacht. In Ihrem Papier ist die interkulturelle Öffnung der Verwaltung erwähnt.
Wir machen Ihnen noch einmal ein konkretes Angebot. Der Ministerpräsident sucht die Koalition mit den Bürgerinnen und Bürgern. Die Bürgerinnen und Bürger, mit denen er diese Koalition eingehen möchte, haben diesen Gesetzentwurf der Staatsregierung in sehr vielen Sitzungen abgelehnt. Wir sollten uns deshalb noch einmal an einen Tisch setzen und gemeinsam ein Gesetz formulieren, das die Bezeichnung "Integrationsgesetz" wirklich verdient.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Thema ist viel zu wichtig, als dass es für wahlkampftaktische Überlegungen verwendet werden sollte. Bei diesem Thema geht es um den Zusammenhalt der Menschen in Bayern insgesamt. Dessen sollten Sie sich bewusst sein. Lassen Sie uns noch einmal darüber nachdenken.
Verehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Februar letzten Jahres den Entwurf eines Bayerischen Partizipations- und Integrationsgesetzes hier im Hohen Haus eingebracht. Seitdem hat sich einiges getan. Auch die Bayerische Staatsregierung hat jetzt ein Integrationsgesetz für Bayern formuliert, und wir haben seitdem versucht, unser Integrationsgesetz im Dialog zu verändern und dadurch zu ergänzen, dass wir die Herausforderung durch die Flüchtlinge in unseren Gesetzentwurf mit aufnehmen, damit dieses Hohe Haus ein Integrationsgesetz schaffen kann, mit dem alle hier im Bayerischen Landtag vertretenen Fraktionen leben können.
Die CSU-Fraktion hat das etwas anders gesehen, so wie sie in der Vergangenheit die Notwendigkeit eines Integrationsgesetzes nicht gesehen hat. Ich muss ehrlich sagen, wir waren dabei zu überlegen, ob wir unser Integrationsgesetz in den parlamentarischen Betrieb einbringen oder ob wir vielleicht sogar im Dialog mit der CSU, lieber Martin Neumeyer, ein Integrationsgesetz formulieren. Jetzt liegt der Entwurf eines Integrationsgesetzes der Bayerischen Staatsregierung vor. Ich habe ihn am Dienstagabend gelesen und bin zu dem Entschluss gekommen, dass das Integrationsgesetz der Bayerischen Staatsregierung das beste Argument dafür ist, dass wir hier in Bayern ein anständiges Integrationsgesetz brauchen.
Die CSU und die Bayerische Staatsregierung glauben tatsächlich, dass Integration ausschließlich dadurch gelingen kann, dass man Migrantinnen und Migranten auffordert, sich zu integrieren. Richtig ist, dass wir Migrantinnen und Migranten auffordern müssen, sich zu integrieren. Richtig ist aber auch, dass wir in Bayern durch einseitiges Auffordern keinen einzigen zusätzlichen Sprachkurs, keinen Integrationskurs und keinen zusätzlichen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz schaffen.
Das Integrationsgesetz der Bayerischen Staatsregierung wird die Herausforderung einer Integration in unsere Gesellschaft nicht angemessen abbilden. Unser Integrationsgesetz begreift stattdessen Integration als Gemeinschaftsaufgabe. Wir haben in unser Integrationsgesetz viele Aspekte aufgenommen, von denen wir der festen Überzeugung sind, dass wir mit ihnen den Herausforderungen der Integration der nächsten Jahrzehnte gerecht werden können.
Wir fordern einen Landesbeauftragten für Migration und Integration, der unabhängig ist und einmal im Jahr einen Integrationsbericht vorlegt, der auch die Situation im Hinblick auf Diskriminierung darstellt. Dem wird die CSU-Fraktion anschließend sicher entgegnen, dass der jetzige Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung Martin Neumeyer in der Community anerkannt ist und eine gute Arbeit macht.
Richtig. Aber stellen Sie sich vor, dass er dann, wenn er könnte, wie er wollte, viel anerkannter wäre.
In Ihrem Entwurf, sehr geehrter Herr Huber, steht, dass der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung vom Ministerpräsidenten eingesetzt und abberufen werden kann, wodurch er keine demokratische Legitimation hat. Martin Neumeyer hat, bevor wir unseren Gesetzentwurf in Erster Lesung eingebracht haben, gesagt, dass wir in Bayern kein Integrationsgesetz brauchen. Ich darf ihn zitieren: Ein Integrationsgesetz löst keine Probleme. Jetzt hat er anscheinend die Notwendigkeit eines Integrationsgesetzes doch eingesehen, nachdem die Bayerische Staatsregierung tätig geworden ist. Das ist der beste Beweis dafür, dass ein Integrationsbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung nicht einer Fraktion angehören darf, sondern unabhängig sein muss, damit er uns im Hohen Haus einmal im Jahr einen Spiegel vorhalten und uns aufzeigen kann, wo wir stehen, wohin wir wollen und was wir tun müssen, um dieses
Ziel zu erreichen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
"Ein Integrationsgesetz löst keine Probleme", lieber Martin Neumeyer. Vielleicht hast du hellseherische Fähigkeiten und meintest damit den Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung. Tatsächlich löst der Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung keine Probleme, sondern schafft zusätzliche Probleme.
Wir wollen einen Landesbeirat für Migration und Integration und wollen in den Städten und Gemeinden Integrationsbeiräte, die gegenüber dem Kommunalparlament antragsberechtigt sind. Wir wollen einen Landesbeirat für Migration und Integration, der eine feste Zusammensetzung hat und in dem sich Expertinnen und Experten regelmäßig treffen und uns aufzeigen, wohin wir wollen und was wir noch tun müssen, damit wir dorthin kommen.
Die Bayerische Staatsregierung fordert demgegenüber, dass der Landesbeirat für Migration und Integration vom Integrationsbeauftragen der Bayerischen Staatsregierung zu Rate gezogen werden kann, wenn dieser es will, und, wenn er es nicht will, dann nicht. Das wird dieser Aufgabe nicht gerecht.
Wir wollen die interkulturelle Öffnung der Verwaltung. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Nachdem ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Februar letzten Jahres unseren Gesetzentwurf vorgestellt und unter anderem die interkulturelle Öffnung der Verwaltung gefordert hatte, hat der Vorsitzende der CSU-Fraktion, Herr Kreuzer, eine Presseerklärung herausgegeben, in die er geschrieben hat, das sei ein Schlag ins Gesicht aller Beschäftigten des Freistaats Bayern. Wenn eine Fraktion fordert, dass sich unsere Verwaltung interkulturell öffnet und die Beschäftigten des Freistaats interkulturell geschult werden sollen oder zumindest die Möglichkeit bekommen sollen, sich interkulturell zu schulen, soll das ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten des Freistaats sein. Mir wurde damit vorgehalten, ich würde den Beschäftigten unterstellen, sie würden mit zweierlei Maß messen. Jetzt lese ich im Entwurf der Bayerischen Staatsregierung auch die interkulturelle Öffnung der Verwaltung.
Deswegen würde ich mir von Herrn Kreuzer, der gerade nicht anwesend ist, zumindest ein kleines "War nicht so gemeint"
und vielleicht sogar eine Entschuldigung erwarten!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fordern in unserem Integrationsgesetz die Teilnahme an Gremien und die interkulturelle Öffnung der Verwaltung, und wir definieren die Aufgaben der Bildungseinrichtungen. Wir haben in das Gesetz geschrieben, dass wir mehr Lehrerinnen und Lehrer und mehr Erzieherinnen und Erzieher brauchen. Wir möchten mit unserem Gesetz dafür sorgen, dass unser Bildungssystem für die Mammutaufgaben der Integration zukunftsfähig wird.
Jetzt bitte ich alle Fraktionen, insbesondere die CSUFraktion, noch einmal in sich zu gehen; denn wir haben in unser Integrationsgesetz – das stellen Sie fest, wenn Sie ganz ehrlich sind – ganz tolle Sachen geschrieben. Wir können das natürlich noch ergänzen. Gehen Sie bitte noch einmal in sich, liebe Abgeordnete der CSU, und versuchen Sie, über Ihren Schatten zu springen. Kommen Sie mir aber bitte nicht mit dem Argument, dass wir besser sind als Nordrhein-Westfalen oder sonst ein Land, sondern stellen Sie sich die Frage, wie weit wir wären, wenn Sie nicht überall blockieren würden.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Martin Neumeyer, bei deinem Currywurst-Gespräch wurde dir gesagt, dass die Menschen keine Geduld mehr hätten. Sie wollten Fakten, keine Debatten. Lieber Martin, ich bin in den 1980er-Jahren als Gastarbeiterkind nach Deutschland gekommen. Mein Schulweg ging an vielen Mauern und Wänden vorbei, an denen fast überall "Ausländer raus" etc. stand.
Wir haben den Fall Mehmet hier im Bayerischen Landtag monatelang diskutiert. Der damalige Innenminister hat diesen Fall aufgebauscht. Der damalige CSU-Generalsekretär und heutige Finanzminister hat die Minarett-Diskussion und die Kruzifix-Diskussion monatelang geführt. Neuerdings hat er eine Feier anlässlich zehn Jahre ausgeglichener Haushalt angekündigt, anstatt einen Gedenktag für die zehn Milliarden Euro einzulegen, die bei der BayernLB versenkt wurden.
Es gab eine Unterschriftenaktion von Stoiber, bei der Menschen ins Rathaus gekommen sind und gefragt haben, wo sie gegen Ausländer unterschreiben können, und eine Ausländermaut von Dobrindt, zu der mir Menschen im Wahlkampf gesagt haben, sie fänden es richtig, dass ich Maut zahlen müsse. Ich habe gesagt: Ich muss doch keine Maut zahlen. Die Antwort war: Natürlich müssen Sie Maut zahlen, Sie sind doch Ausländer. – Wir haben hier im Bayerischen Landtag Debatten genug geführt. Das reicht tatsächlich. Jetzt müssen wir endlich mal handeln.
Was ist die Frage? Was ist euer Angebot, lieber Martin Neumeyer, liebe Bayerische Staatsregierung? – Das Angebot kann doch nicht ernsthaft lauten, dass die Bayerische Staatsregierung ein Keulengesetz formuliert und zeitgleich der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung zur Besänftigung bei Migrantinnen und Migranten zum Currywurst-Essen geht. Das geht nicht.
Kollege Martin Neumeyer, ich versuche, das jetzt mal zu erklären. Ich komme zuerst zu dem Migranten, von dem du erzählt hast, der gesagt hat, wir haben keine Geduld mehr, Menschen wollen Fakten und keine Debatten. Ich habe lediglich dargelegt, dass diese Debatten hier im Hohen Haus – damals war ich nicht Mitglied dieses Hohen Hauses – monatelang geführt wurden. Warum debattiert man monatelang über einen straffällig gewordenen Jugendlichen im Hinblick auf das Integrationsverhalten oder im Hinblick auf alle Migrantinnen und Migranten in Bayern?
Wenn jemand straffällig wird, muss er vor Gericht und muss die Strafe annehmen, die der Richter ihm auferlegt. Warum diskutieren wir diesen Fall im Hinblick auf alle Migrantinnen und Migranten? – Das ist das Problem.
Wir beide wissen ganz genau, dass diese Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft war. Bei den Menschen, die Stoiber und Koch damals erreichen wollten, ist das so angekommen, als würde man gegen Ausländer unterschreiben.
Ich rede jetzt nicht von eigenen Gefühlen. Ich rede von Fakten. Menschen sind im Nürnberger Rathaus aufgetaucht und haben gefragt, wo sie gegen Ausländer unterschreiben können. – Diese Debatten bringen uns nicht weiter, lieber Martin Neumeyer.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einrichtung von Rückführungseinrichtungen ist ein Beschluss der Großen Koalition, und daran fühlen wir uns gebunden. Die SPD-Fraktion wird deshalb dem Antrag der GRÜNEN nicht zustimmen können. Da wir aber den Weihnachtsfrieden wahren wollen und der Antrag der GRÜNEN auch Aspekte enthält, die wir
durchaus mittragen können, wird sich die SPD-Fraktion bei diesem Antrag enthalten.
Wir haben einen Antrag formuliert, bei dem wir meinen, dass ihm alle Fraktionen des Landtags zustimmen können. Wir wollen, dass ungenutzte Kapazitäten in Rückführungseinrichtungen für Flüchtlinge genutzt werden, die eine Bleibeperspektive haben. Die Gemeinschaftsunterkünfte sind nämlich überfüllt. Wir wollen dadurch sicherstellen, dass in Bayern genügend Kapazitäten für Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen werden. Wir wollen, dass aus den Gemeinschaftsunterkünften und den Erstaufnahmeeinrichtungen nur diejenigen Flüchtlinge aus dem Westbalkan in die Rückführungseinrichtungen in Bamberg und Manching verlegt werden, die nicht länger als einen Monat in der Erstaufnahmeeinrichtung verweilt haben und dort noch untergebracht sind. Meine Damen und Herren, Flüchtlinge aber, für die bereits umfassende Integrationsmaßnahmen stattfinden, sollen nicht in die Rückführungseinrichtungen in Manching oder Bamberg verlegt werden. Der Grund dafür ist - Frau Kollegin Kamm, Sie haben es ausgeführt –, dass nicht nur die erwachsenen Flüchtlinge Integrationsmaßnahmen besuchen, sondern auch ihre Kinder. In den freien Kapazitäten in Manching und Bamberg – vor allem in Bamberg haben wir freie Kapazitäten – könnten Flüchtlinge mit Bleibeperspektive untergebracht werden. Außerdem geht die Zahl der Flüchtlinge aus dem Westbalkan sehr stark zurück. Irgendwann werden folglich kaum mehr Flüchtlinge aus dem Westbalkan zu uns kommen, und die Rückführungseinrichtungen in Bamberg und Manching würden als Rückführungseinrichtungen überflüssig. Wir könnten deshalb schon jetzt einen Testbetrieb durchführen, indem wir dort schon einmal Flüchtlinge aus den Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften unterbringen. Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag der SPD-Fraktion zuzustimmen.
Frau Kollegin Kamm, wir haben immer noch Flüchtlinge aus dem Westbalkan bei uns. Deshalb werden die Zahlen nicht bei null liegen. Wir kennen uns aus dem Sozialausschuss und wissen auch, wie wir ticken. Daher können Sie mir abnehmen, dass ich der Letzte bin, der Menschen, die sich hier über viele Jahre integriert haben, zurückführen möchte. Allerdings haben wir auf Bundesebene in der Großen Koalition einen Beschluss gefasst, der im Übrigen teilweise auch von den GRÜNEN im Bundesrat mitgetragen wurde. An diesen Beschluss fühlen wir uns gebunden.
Herr Kollege Huber, Sie haben die SPD-Fraktion direkt angesprochen. Sie haben gefragt, ob wir noch wüssten, was wir tun. Glauben Sie mir: Wir wissen sehr wohl, was wir tun.
Wenn Sie uns im Bayerischen Landtag nicht hätten, dann hätten Sie ein ganz großes Problem.
Wenn Sie die GRÜNEN nicht hätten, dann wüssten Sie nicht einmal, was die zweite Frage war.
Herr Kollege Huber, was spricht denn dagegen, dass auch schon für Asylbewerber, die noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung sind, Integrationsmaßnahmen beginnen? Dazu zählen beispielsweise Integrationskurse. Die Menschen können dort belassen und das Asylverfahren kann dort abgewickelt werden.
Jetzt schaue ich zu unserem Finanzminister hinüber: Es kostet doch auch Geld, den Transport der Asylbewerber und ihrer Familien in die Rückführungseinrichtungen Manching oder Bamberg zu organisieren. Wir wollen das nicht zur Regel machen, aber in den Fällen, in denen Menschen schon an Integrationskursen teilnehmen oder sonstige Integrationsleistungen erbringen, sollten sie nicht nach Manching oder Bamberg gebracht werden, insbesondere dann nicht, wenn dadurch Kinder aus ihrem Umfeld, an das sie sich mühsam gewöhnt haben, herausgerissen würden.
Wir wollen, wie gesagt, dadurch auch Geld sparen; denn das Ganze zu organisieren, kostet etwas. Daher spricht überhaupt nichts gegen unseren Vorschlag.
Wenn ich es richtig weiß, liegt die Kapazität in Bamberg im Moment bei über 1.500 Plätzen. Im Moment sind dort – wenn die Informationen, die ich habe, richtig sind – über 800 Flüchtlinge aus dem Westbalkan untergebracht. Es spricht nichts dagegen, Asylbewerber, die in Erstaufnahmeeinrichtungen keinen Platz
haben, dort unterzubringen. Deswegen verstehe ich Ihre Argumentation nicht ganz.
Verehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin dem Herrn Hanisch dankbar, dass er quasi erläutert hat, um welche Bedingungen für die Bestattungsformen es nach unserem Antrag gehen soll. Dass man die Asche nicht überall, schon gar nicht über der Allianz-Arena verstreuen kann, versteht sich von selbst. Daher brauchen wir nicht darüber reden, liebe Kolleginnen und Kollegen, wo die Asche verstreut wird und ob man beim FC Bayern oder beim Arena-Betreiber eine Zustimmung dafür bekommt oder nicht. Das ist schon eine gewisse Polemik, die wir uns gerne sparen können.
Ansonsten hat mein Kollege Professor Gantzer zu unserem Gesetzentwurf alles gesagt.
Ich möchte nur Folgendes zu dem GRÜNEN-Antrag sagen. Wir hatten angekündigt, dass wir uns bei der Abstimmung über diesen Antrag enthalten. Wir werden dem GRÜNEN-Antrag aber deswegen zustimmen, weil wir die sarglose Bestattung und die Erleichterung der muslimischen Bestattungsformen schon mit unserem Gesetzentwurf für ein Integrationsgesetz im Februar dieses Jahres gefordert haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Anhörung haben die Expertinnen und Experten nahezu einstimmig für die Abschaffung der Sargpflicht plädiert. Es gab nur eine Ausnahme, den Vertreter des Bestatterverbandes. Dieser hat logischerweise Angst, dass nicht nur Muslime, sondern auch Nichtmuslime auf den Sarg verzichten, da dies mit Einnahmeverlusten verbunden wäre.
Ich erinnere daran, dass der Herr Ministerpräsident in der gestrigen Diskussion über die dritte Startbahn gesagt hat, er wolle dieses Land im Dialog mit den Menschen regieren, das heißt, er wolle nicht über ihre Köpfe hinweg entscheiden. Ich hoffe, dass wir das, was der Herr Ministerpräsident gestern von sich gegeben hat, ernst nehmen können. Ich wiederhole: Fast alle Expertinnen und Experten sind für die Abschaffung der Sargpflicht. Die muslimischen Gemeinden und die Jüdische Gemeinde sprechen sich ebenfalls dafür aus. Bayern ist eines von nur noch drei Bundes
ländern, in denen die Sargpflicht gilt. Es gibt aber keinen Grund, daran festzuhalten. Deshalb werden wir auch dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. Ich fordere Sie auf, sich dem anzuschließen.
Ich kündige schon an dieser Stelle an, dass wir, falls die Mehrheitsfraktion unseren Gesetzentwurf und den Antrag der GRÜNEN ablehnen sollte, die CSU und das gesamte Hohe Haus nicht in Ruhe lassen werden. Wir werden solange auf eine entsprechende Gesetzesänderung drängen, bis sie durchgesetzt ist, damit sich alle Menschen, die in Bayern leben, von uns vertreten fühlen. Wir jedenfalls wollen, dass ihren Interessen Rechnung getragen wird.
Sehr geehrter Herr Aiwanger, ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, dass wir sehr viel Zeit verloren haben. Herr Kreuzer hat in seiner Rede gesagt, dass der Ministerpräsident zeigt, was
geht, und nicht herumeiert. Auch mein Fraktionschef Markus Rinderspacher hat schon vor Längerem ein Integrationsgesetz gefordert. Wir haben das hier in den Bayerischen Landtag eingebracht. Es wurde von Ihnen abgelehnt, weil der Herr Ministerpräsident irgendwann - in seiner ersten Regierungserklärung, glaube ich – gesagt hat, dass er keinen einzigen zusätzlichen Paragrafen in dieser Legislaturperiode möchte. Das kann aber kein Argument sein, um etwas abzulehnen. - Jetzt auf einmal entdeckt die Regierung, dass ein Integrationsgesetz sehr förderlich für Bayern sein kann. Das ist es, und das ist auch gut so.
Sie reden davon, dass dieses Paket nicht Millionen, sondern Milliarden kostet. Da gebe ich Ihnen völlig recht. Wir müssen aber den Bürgerinnen und Bürgern ganz deutlich sagen, dass dieses Geld nicht irgendjemandem in den Rachen geschmissen, sondern in bayerische Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Verwaltungskräfte und Polizistinnen und Polizisten investiert wird. Es ist im Grunde genommen ein Konjunkturpaket, was sehr gut für Bayern ist.
Lieber Herr Aiwanger, Sie wissen, ich schätze Sie sehr. Aber Formulierungen wie "Muslime finden in Bayern in der Gastronomie keinen Job" gehören nicht in den Bayerischen Landtag.
Ich glaube, dass Sie auch froh sind, wenn die Kellnerin oder der Kellner auf dem Weg von der Küche zu Ihnen an den Tisch Ihr Essen nicht mit bloßen Händen anfasst. Außerdem lade ich Sie gerne mal nach Nürnberg ein; wir gehen dann in ein veganes Restaurant.
Sie können quasi auf meine Kosten dort essen.
Lieber Martin Neumeyer, ich freue mich auch. Ich bin noch nicht allzu lange Mitglied dieses Hohen Hauses. In der ersten Sitzung, bei der ich dich erleben durfte, hast du gesagt: Wir brauchen ein Integrationsgesetz. Bei der zweiten Sitzung hast du dann gesagt, dass man mit Gesetzen nichts regeln kann, und schon gar nicht die Integration; diese müsse man leben. Hierfür gibt es genügend Zitate.
Dass du dich jetzt hier hinstellst – und das freut mich wirklich sehr – und sagst, wir bräuchten ein Integrationsgesetz, ist sehr erfreulich. Ich mache dir und Ihnen, lieber Herr Ministerpräsident, im Namen der SPD-Fraktion noch einmal das ehrliche Angebot, das mein Fraktionschef noch einmal wiederholt hat: Lassen Sie uns gemeinsam ein Integrationsgesetz schreiben, das vielleicht für uns alle in diesem Hohen Hause tragbar ist, weil es dabei nicht nur um irgendwelche parteipolitischen Taktiken geht, sondern um die Zukunft, um das gute Zusammenleben hier in Bayern.
Du, lieber Martin, hast die Gleichberechtigung angesprochen. Dabei muss man bedenken, dass auch auf die muslimischen Gemeinden hier in Bayern eine große Aufgabe zukommt. Ich gebe ein kleines Beispiel aus Nürnberg. In der DITIB-Moschee befinden sich an einem Freitag circa 2.000 Menschen; an einem Freitag, auf den ein Feiertag fällt, sind es sogar 7.000 Gläubige.
Diese Moschee wird gemanagt von rein Ehrenamtlichen, die nicht das Glück haben, dass ihre Arbeitszeit zwischen 08.00 Uhr und 16.00 Uhr liegt, sondern die in Schichten arbeiten müssen. Es sind gefühlte 150 Polizistinnen und Polizisten, die am Tag durch diese Moschee geführt werden, gefühlte 20 Schulklassen, die jeden Tag diese Moschee besuchen. Das machen die Mitarbeiter alles ehrenamtlich. Sie bekommen keinen Cent von der Stadt und keinen Cent vom Land.
Wir müssen bedenken, dass auch auf diese Gemeinden große Herausforderungen zukommen. Lassen Sie uns gemeinsam den Weg gehen, mit diesen Gruppen einen Staatsvertrag abzuschließen, damit auch diese Institutionen eine vernünftige Förderung erhalten können.
Sehr geehrter Herr Kreuzer, als ich Anfang der 80er-Jahre als Gastarbeiterkind nach Deutschland kam, hat genau Ihre Partei vor mir gewarnt. Ich glaube aber nicht, dass ich eine Gefahr für diese Gesellschaft bin.
Dass ich nicht der angenehmste Zeitgenosse für Sie bin, kann kein Maßstab sein.
In den 90er-Jahren wurde dann vor den vielen Aussiedlerinnen und Aussiedlern gewarnt, die zu uns kommen, das Land überschwemmen und Deutschland irgendwann zu Russland machen. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass das alles leere Worthülsen waren und diese Befürchtungen nicht wahr geworden sind.
Wissen Sie, wir stehen vor einer ganz großen Herausforderung. Die Menschen draußen sind bereit, diese Herausforderung anzunehmen.
Die Menschen erwarten von uns Politikerinnen und Politikern, dass wir nicht wackeln und dass wir keine Ängste schüren, sondern geradestehen und vielleicht, wenn es möglich ist, zusammenstehen, um diese Herausforderung zu meistern.
Es gibt Politikerinnen und Politiker, die nur an die nächste Wahl, an die Wiederwahl denken,
und es gibt Politikerinnen und Politiker, die an das Land denken.
Ihre Rede war eine reine Wahlkampfrede.
Deswegen: Hören Sie auf, an den nächsten Wahlkampf zu denken, sondern lassen Sie uns gemeinsam an das Land denken!
Herr Kollege Dr. Schwartz, Sie haben in Ihrem Redebeitrag auch davon gesprochen, dass Zollbeschäftigte quasi bewaffnet in die Firmen gehen, um Mindestlohn- und andere Verstöße zu kontrollieren. Ich war früher beim Zoll beschäftigt. Wissen Sie, dass es eine Gefährdungsanalyse gibt, aufgrund deren diese Berufsgruppe als besonders gefährdet eingestuft wurde, und wissen Sie, dass die Zuständigkeit nicht beim Bayerischen Landtag liegt, sondern bei unserem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble? Wenn Ihnen das Thema so wichtig ist und Sie es bei jeder Rede ansprechen – alle CSU-Kolleginnen und Kollegen im Bayerischen Landtag, die ich in den letzten Wochen erlebt habe, sprechen von schwer bewaffneten Zöllnern, die in die Firmen einfallen und die Firmen kriminalisieren –, frage ich Sie: Haben Sie dann schon Bundesfinanzminister Schäuble konkret darauf angesprochen,
dass er diese Gefahrenanalyse noch einmal überdenken und neu bewerten soll?
Ich habe noch Herrn Finanzminister Söder in Erinnerung, der letztes Jahr im Hauptausschuss des Beamtenbundes auch den Bund der Zollbeschäftigten und die Zusammenarbeit mit den Steuerprüferinnen und prüfern absolut gelobt hat. Deshalb verstehe ich Ihre heutigen Anmerkungen – das tut mir leid – überhaupt nicht.
(nicht autorisiert) Verehrte Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Bayern ist die Vorstufe zum Paradies."
Das hören wir hier sehr oft. Ich gehe davon aus, dass die CSU-Fraktion in den nächsten zehn Minuten meinen Ausführungen weiterhin so wohlwollenden Applaus spenden wird.
Wir haben nämlich sehr gute Maßnahmen formuliert, die unser Land insgesamt voranbringen werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten reicht es nicht, nur die Vorstufe zum Paradies zu sein. Wir waren jetzt lange genug die Vorstufe zum Paradies. Wir wollen endlich zum Paradies werden.
Für diejenigen, die es vergessen haben: Wilhelm Hoegner war der erste Bayerische Ministerpräsident im Nachkriegsdeutschland. Er ist auch einer der Väter unserer Bayerischen Verfassung, und er war ein Sozialdemokrat. Deshalb haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eine ganz besondere Verantwortung, wenn es um Bayern geht. Bayern hat mit Wilhelm Hoegner und seiner Regierung ein sehr gutes Fundament gesetzt; und auf diesem Fundament lässt es sich auch gut bauen. Meine sehr verehrten
Damen und Herren, dieses Fundament gilt es weiterzuentwickeln.
Wir dürfen aber nicht verkennen, dass es Menschen gibt, für die Bayern nicht die Vorstufe zum Paradies ist. Ich denke beispielsweise an die ältere Dame im Münchner Hauptbahnhof, die abends, wenn ich den letzten Zug Richtung Nürnberg nehme, im Mülleimer wühlt, um Pfandflaschen herauszuziehen, weil sie von ihrer Rente offensichtlich nicht leben kann. Für diese Menschen ist Bayern nicht die Vorstufe zum Paradies. Diese Menschen wollen auch gar nicht wissen, wie es im Paradies aussieht, wenn die Vorstufe schon so schlimm ist. Ich halte die Altersarmut für eine nicht tolerierbare Schande unserer Gesellschaft.
Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, diese Armut zu bekämpfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen nicht weitere Generationen in die Arbeitslosigkeit und die Perspektivlosigkeit entlassen, wie wir das bisher getan haben. Ich weiß, wovon ich rede. Ich war lange am Arbeitsamt, in der jetzigen Arbeitsagentur, beschäftigt. Wir können es uns nicht leisten, dass wir heute die Armen von morgen produzieren. Deshalb haben die bayerischen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein Bayerisches Partizipationsgesetz formuliert, das die Ansprüche an eine moderne Gesellschaft und ein modernes Bayern benennt. Wir wollen alle Potenziale in dieser Gesellschaft nutzen, um unser Land gemeinsam voranzubringen. Wir setzen dabei auf Partizipation, auf die Teilhabe von Migrantinnen und Migranten, die das Gefühl bekommen sollen, dass sie hier ernst genommen werden, dass sie dieses Land mitgestalten können und dass nicht über sie, sondern mit ihnen gesprochen wird.
Eine unserer zentralen Forderungen ist deshalb die Einrichtung eines Landesbeirats für Migration und Integration, der dann der Bayerischen Staatsregierung, dem Bayerischen Landtag und allen Ministerien zur Seite steht. Er soll sich aus Vertretern verschiedener Organisationen, verschiedener Verbände und Vereine zusammensetzen und unabhängig sein. Migrantinnen und Migranten sollen künftig ihre Zukunft in die eigene Hand nehmen können.
Wir wollen auch die Kompetenzen der Beiräte und der Integrationsräte vor Ort stärken. Letztens hat mir ein Integrationsrat bei einer Unterhaltung ein schönes Beispiel gegeben. Er hat gesagt: Du Arif, das ist so: Als Integrationsrat bekommt man sozusagen ein Spielfeld, einen Fußballplatz, auf dem wir Fußball
spielen sollen. Wir bekommen einen Ball, aber die Tore werden zugeklappt. Wir dürfen zwar Fußball spielen, dürfen aber keine Tore schießen. - Das erklärt auch, warum die Beteiligung an den Wahlen der Integrationsräte so schlecht ist. Deshalb haben wir in unserem Integrationsgesetz geschrieben, dass sich Integrationsräte vor Ort bilden sollen. Außerdem sollen sie gegenüber dem Gemeinderat oder Stadtrat antragsberechtigt sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben eine interkulturelle Öffnung in unserem Integrationsgesetz festgelegt. Der Fraktionschef der CSU hat gestern eine Pressemitteilung herausgegeben. – Herr Kreuzer ist gerade nicht da. Ich gehe aber trotzdem darauf ein. Er wird das sicherlich mitbekommen. - Wir haben gefordert, dass der öffentliche Dienst interkulturell besser aufgestellt werden soll. Menschen, die im öffentlichen Dienst arbeiten, sollen interkulturell geschult werden. Außerdem sollen mehr Migrantinnen und Migranten in den öffentlichen Dienst eingestellt werden. Herr Kreuzer hat in seiner gestrigen Erklärung gesagt, dass dies ein Angriff gegen die öffentliche Verwaltung sei, und hat die Frage gestellt, ob wir davon ausgingen, dass die öffentliche Verwaltung nicht so aufgestellt sei, dass sie auf die Bedürfnisse von Migrantinnen und Migranten einginge. Er hat das ein bisschen schärfer formuliert. Ich nehme die weichere Formulierung.
Zu denjenigen, die glauben, es wäre ein Angriff gegen den öffentlichen Dienst, wenn wir wollen, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst interkulturell geschult werden, sage ich: Was wäre, wenn ich den Antrag gestellt hätte, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst mehr Computer- oder IT-Schulungen bekommen? Würde ich damit automatisch sagen, dass alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit einem Computer nichts anfangen können? – Nein. Das geht auch nicht.
Herr Kreuzer hat seine eigene Presseerklärung im nächsten Satz schon wieder relativiert. Er hat gesagt, dies sei ein Angriff gegen den öffentlichen Dienst; es würden doch schon Schulungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst angeboten.