Sebastian Czaja
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Last Statements
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Gottwald! Gestatten Sie mir zunächst kurz auf das einzugehen, was Sie in den letzten drei Minuten in Ihrer Rede ausgeführt haben, nämlich der Blick auf die Schattenmiete in dieser Stadt. Der Blick auf die Schattenmiete in dieser Stadt ist genau der richtige Blick, denn das, was Sie als Schattenmiete hier beschreiben, das, was sich hier als Schattenmiete in unserer Stadt abspielt, das haben Sie herbeigerufen und dafür haben Sie in unserer Stadt gesorgt, das ist ein Verdienst Ihres Mietendeckels.
Darüber können wir in der Tat sprechen, weil bis zu dem Zeitpunkt, wo Sie angefangen haben, über einen Mietendeckel in unserer Stadt zu sprechen, hatten wir eine Verabredung in dieser Stadt. Das nannte sich Mitspiegel.
Und dieser Mietspiegel war genau die Verabredung, hinter der sich alle wiedergefunden haben, und der vor
allen Dingen zu eins geführt hat: zu einer Rechtssicherheit in unserer Stadt. Sie haben diese Rechtsunsicherheit herbeigeführt.
Deshalb haben wir genau die Situation dieser Schattenmieten. Deshalb haben wir genau die Situation, die Sie beschrieben haben: größte Unsicherheit bei Vermietern, bei Mietern und denen, die in der Stadt am Wohnungsmarkt aktiv sind. Das ist Ihr Verdienst!
Das war doch auch vorhersehbar. Wir haben Ihnen hier Bilder aufgezeigt. Wir haben Sie an das erinnert, was in Lissabon stattgefunden hat. Wir haben Ihnen deutlich gemacht, was gerade in Stockholm die letzten Jahrzehnte passiert ist – genau das! Elf Jahre warten dort die Menschen auf eine Wohnung, bis es zur Umkehr, zur Abkehr vom Mietendeckel kam. Über 200 000 Menschen stehen in Stockholm in der Wohnungsschlange und warten darauf. Da wird der Handtuchwärmer für 15 000 Euro oder 30 000 Euro mit als Schattenmiete eingepreist. Das ist das, worauf es hier in Berlin hinauslaufen wird. Das ist am Ende Ihre Politik, und mit der müssen Sie sich auseinandersetzen!
Von daher wäre meine Empfehlung für diese Aktuelle Stunde eine völlig andere Überschrift gewesen. Es mag sein, dass Sie diesen Tag heute rot in Ihrem Kalender markiert haben, weil es ein Meilenstein Ihrer Politik sein soll. Ich kann nur allen Berlinerinnen und Berlinern raten: Markieren Sie sich diesen Tag ebenso rot in Ihrem Kalender, denn es wird der Tag sein, an dem Sie die Miete wieder zurückzuzahlen haben, weil diese Rechtsunsicherheit am Ende des Tages dafür gesorgt haben wird, wenn der Bundesverfassungsgerichtshof entschieden hat. Das ist nämlich die Wahrheit, die von Ihrem Mietendeckel ausgeht: absolute Unsicherheit, wenn nicht sogar Chaos am Wohnungsmarkt in Berlin.
Deshalb hätte die Aktuelle Stunde unter der Überschrift: „Mieten gedeckelt – Berliner veräppelt!“ viel mehr Sinn gemacht.
Das hätte aber bedeutet, dass Sie sich ernsthaft mit dem, was Sie hier vorgelegt haben, auseinandersetzen.
Das wollen wir gerne tun, denn der Mietendeckel ist am Ende in einer Zeit in die Debatte gekommen, die zu Recht geführt werden muss, nämlich um die Frage: Wie können wir Mietensteigerungen in unserer Stadt entgegentreten?
(Harald Laatsch)
Aber der Mietendeckel ist nicht das richtige Instrument dazu.
Wer sich an die Diskussion um die Mietpreisbremse 2013 noch mal erinnern möchte, der wird auch in der Erinnerung zu der Erkenntnis kommen müssen, dass diese Mietpreisbremse keine einzige Miete gebremst hat. Genauso hat der Mietendeckel genau das nicht erreicht, was Sie vielleicht unter der großen Überschrift suggerieren wollten, nämlich die Mieten zu deckeln. Er hat zunächst dazu geführt, dass bis Juni 2019 viele in unserer Stadt – wir Mieterinnen und Mieter – Mieterhöhungen bekommen haben – Ergebnis Ihrer Politik. Keinerlei Auswirkungen, die in irgendeiner Art und Weise sozial oder gerecht wären – im Gegenteil. Dabei ist Wohnen die große soziale Frage, und es ist die große Frage, die für unsere Stadt zu beantworten ist.
Der Mietendeckel ist also nicht gerecht. Wer davon profitiert, haben wir heute Morgen gehört. Wer davon nicht profitiert, haben wir auch gehört. Der Mietendeckel ist nicht nachhaltig. Der Mietendeckel ist nicht rechtssicher, ansonsten hätten wir die Situation mit den Schattenmieten nicht. Der Mietendeckel ist auch nicht grün. Der Mietendeckel führt nämlich genau dazu, dass energetische Sanierung, Instandhaltung und all die notwendigen Maßnahmen, die für unsere Stadt notwendig wären, zurückgedrängt werden, und wir am Ende genau diese Sanierung, Sie von den Grünen eigentlich wollen, in der Stadt nicht bekommen werden. Der Mietendeckel bremst genau das aus.
Sie müssen sich schon sehr klar dazu verhalten, ob Sie am Ende in unserer Stadt das damit erreicht haben, was Sie eigentlich wollten, nämlich den Berlinerinnen und Berlinern eine Atempause herbeiführen.
Ich erkläre Ihnen was: Der Mietendeckel bringt gar keine Atempause – keine.
Er verschiebt höchstens etwas, was nach dem Urteil vom Bundesverfassungsgericht für viele zur Erstickung führen könnte, wenn es nämlich genau darum geht, an dieser Stelle die zurückgestellten Mietzahlungen aufbringen zu müssen. Das ist die Wahrheit. Das ist die Rechtsunsicherheit, und mit der spielen Sie gesellschaftlich bewusst. Das werfe ich Ihnen vor.
Denn dieser Mietendeckel drückt in Berlin die Entwicklung massiv ab. Da wo Knappheit herrscht, herrschen am Ende natürlich auch Höchstpreise. Mit den Dingen müssen Sie sich auseinandersetzen. Da wo Höchstpreise aufgrund Ihres Mietendeckels herrschen, gibt es Schwarzmärkte.
Diese Schwarzmärkte fokussieren Sie. Sie führen die Berlinerinnen und Berliner geradezu in die Kriminalität am Wohnungsmarkt.
Sie sorgen dafür, dass wir diesen Zustand in der Stadt haben. Wenn Sie in unserer Stadt etwas gegen Wuchermieten tun möchten,
dann funktioniert das am besten mit einer ordentlichen Rechtsprechung, die Sie mit Kontinuität bekämpfen, indem Sie nicht dazu beitragen, dass unsere Gerichte und Behörden besser ausgestattet werden.
Wenn Sie sich mit den Fragen auseinandersetzen würden, dann würden Sie genauso wie wir feststellen, dass in der ganzen Stadt Wohnungen fehlen, im Übrigen in allen Preissegmenten. Ja! Da gebe ich Ihnen völlig recht, vor allem in den mittleren Preissegmenten fehlen Wohnungen.
Hier: Ich biete Ihnen die Lösung an.
Genau an dieser Stelle – Herr Buchholz! – ist der Staat gefordert, und zwar in seiner Verpflichtung –
[Zurufe von und Beifall bei der LINKEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) – Anne Helm (LINKE): Eben! – Katrin Seidel (LINKE): Richtig! – Zuruf von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]
Jetzt passen Sie mal auf den letzten Teil auf! – Der Staat ist gefordert in seiner Verpflichtung als Sozialstaatsgebot. Darin ist er gefordert und nicht durch Enteignung und massive Schädigung seiner Bürgerinnen und Bürger. Im Sinne des Sozialstaatsgebots hätten Sie etwas tun können. Sie hätten sich dafür einsetzen können, dass wir zur
Subjektförderung kommen und wegkommen von der Objektförderung.
Sie hätten sich dafür einsetzen können, dass wir in unserer Stadt die Grundsteuer, die Grunderwerbsteuer senken, dass wir umfassende Entwicklungen am Wohnungsmarkt vornehmen, die eine nachhaltige Wirkung haben, die eine Rechtssicherheit mit sich bringen. All das haben Sie nicht getan, wenn es darum geht, an dieser Stelle das Sozialstaatsgebot tatsächlich ernst zu nehmen. Stattdessen machen Sie ideologische Politik,
die am Ende dazu führt, dass wir in Berlin keine einzige Miete tatsächlich nachhaltig gesenkt bekommen.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass Sie sich an dieser Stelle auf die wesentlichen Fragen konzentrieren, die unserer Stadt das bringen, was notwendig ist: bauen, bauen, bauen!
Die große Herausforderung für diese wunderbare Stadt besteht genau darin, Wohnraum für die zu schaffen, die Wohnraum suchen, die hierher kommen wollen, die vor Veränderungen ihrer Lebenssituation stehen und derzeit in dieser Stadt keine Wohnung finden.
194 000 Wohnungen sind in dieser Stadt notwendig, die müssen gebaut werden. Da bin ich mir sogar mit Tilmann Heuser im „taz“-Gespräch einig geworden, dass genau das in unserer Stadt fehlt, und dass hier eine Bauleistung erbracht werden muss. Da müssen wir ran. Da erwarten wir eine Politik, die Baugenehmigungen in unserer Stadt beschleunigt.
Da erwarten wir eine Politik, die eine Landesbauordnung mal so ordentlich aufräumt, dass tatsächlich in dieser Stadt auch kostengünstig gebaut werden kann.
Da erwarten wir bei der Frage der Flächenaktivierung tatsächlich einen Kurs, der dazu beiträgt, auch die Genossenschaften unserer Stadt zu unterstützen und nicht nur die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Da erwarten wir von Ihnen, dass Sie nicht Supermarktgipfel abhalten, sondern das, was auf Supermarktgipfel verabredet worden ist, tatsächlich umsetzen und die 300 Supermärkte in unserer Stadt überbauen.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie in dieser Stadt das alles vorantreiben, statt Ihre Zeit damit zu verbringen, an dieser Stelle einen Mietendeckel weiterhin voranzutreiben,
der uns Mieterinnen und Mietern am Ende nichts bringt. Wer sich zum Abschluss die Frage stellt, was nach dem Mietendeckel kommt, dem empfehle ich einen Blick ins Programm der Linken – ein letzter Satz, Herr Präsident, Sie gestatten, wenn ich zitiere:
Wenn der Mietendeckel kommt, entfällt dann die Vergesellschaftung?
wird hier die Frage gestellt.
Nein. Für die Linke
Ihre Koalitionspartner! Herzlichen Glückwunsch, lieber Raed! –
stehen Mietendeckel und Vergesellschaftung nicht gegeneinander,
sondern ergänzen sich. Der Mietendeckel ist eine befristete Lösung zur schnellen Linderung des Mietenwahnsinns. Die von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ angestrebte Vergesellschaftung
wollen Sie am Ende als Nächstes in dieser Stadt entscheiden. Wir wissen also, was kommt!
Es ist Zeit, dass Sie diese Regierung bald verlassen! Es ist Zeit, dass die Berlinerinnen und Berliner in den nächsten Monaten die Gelegenheit haben, sich mit Ihrer Wohnungspolitik –
auseinanderzusetzen. Es ist Zeit für eine neue Regierungskoalition in unserer Stadt! – Vielen Dank!
[Beifall bei der FDP –
Vereinzelter Beifall bei der CDU –
Zuruf von der LINKEN –
Wollen Sie ihn haben? –
Sind Sie stolz darauf? –
Zuruf von der LINKEN: Ja!]
Ist der wieder dicht,
(Tino Schopf)
der Flughafen, oder regnet es noch rein? –
Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]
Das ist, glaube ich, ein gutes Zeichen.
Dass wir in einer wirtschaftlich extrem schwierigen Situation sind und diese wirtschaftlich schwierige Situation – das ist auch etwas, was uns im Hause eint – vor allen Dingen auch Soloselbständige trifft und damit auch Taxifahrerinnen und Taxifahrer in einer ganz besonderen Situation sind, egal, ob sie Soloselbständige, Klein- oder mittelständige Unternehmen sind, ist, glaube ich, auch klar. In der Tat ist das Ergebnis dessen, was dort „verhandelt“ worden ist – ich glaube, es ist schon gesagt worden: 1 500 bis 2 000 Fahrzeuge bisher am TXL –, natürlich eine ganz anderen Situation. Dass dann aber am Ende des Tages nur 300 Taxifahrerinnen und Taxifahrer den BER ansteuern dürfen, ist ein absolut inakzeptables Ergebnis.
Ich will an dieser Stelle auch sagen: Es ist auch wirtschaftspolitisch unglaublich. Das ist das, was ich Ihnen eigentlich vorwerfe, Frau Senatorin Günther. Ich glaube nicht, dass Sie sich persönlich mit dieser Frage beschäftigt haben.
Sie haben hier ja das eine oder andere Mal darauf Antwort gegeben, und ich glaube, dass Sie die wirtschaftspolitische Dimension dessen, was dort passiert ist, nicht erfasst haben – wie vielleicht auch sonst rund um den BER. Sie haben mehrfach zu Protokoll gegeben, dass es überhaupt kein Thema der Verkehrsverwaltung ist – auch im Untersuchungssauschuss –, dass Sie als Verkehrssenatorin mit dem BER gar nichts zu tun haben; auch eine erstaunliche Aussage. Das, was da ausverhandelt worden ist, ist wirtschaftspolitisch ein unglaublicher Vorgang, für alle, die davon existenziell betroffen sind, für die Taxifahrerinnen und die Taxifahrer. Das ist unter aller Kanone. Damit dürften Sie gar nicht in dieses Haus gelassen werden.
Und – das ist auch schon erwähnt worden – ehrlich gesagt ist am Ende die Frage, welches Verkehrsmittel die Besucherinnen und Besucher wählen – – Jetzt ist leider der Kollege Stroedter nicht hier, der sagt dann immer: Ja, es darf keine innerdeutschen Flüge mehr geben – usw. Das ist natürlich auch schwierig, wenn man selbst noch nie oder die letzten 20 Jahre nicht mehr geflogen ist, aber ich glaube nicht, dass derjenige, der als Geschäftsmann oder Geschäftsfrau aus Tokio, Seoul oder woher auch immer zu einer Messe oder Veranstaltung herkommt und daran gewöhnt ist, sich vielleicht anders zu bewegen als wir es sind – oder die Vorzüge des ÖPNV bei uns genießen darf, wenn er jeden Morgen in die Stadt in überfüllten U- und S-Bahnen fährt –: Wenn derjenige, der dazu
greifen möchte, das Taxi wählt, dann ist es in der Tat wirtschaftspolitisch eine absolute Katastrophe.
Es ist ja nicht so – und das ist auch schon erwähnt worden –, dass Sie die Instrumente, um gut zu verhandeln, nicht in der Hand gehabt hätten. Sie hatten bei der Frage, dass LDS-Taxis an das Tarifgebiet Berlin angeglichen werden können, vielmehr alle Instrumente in der Hand. Sie haben sie jedoch nicht zugunsten von Berlinerinnen und Berlinern, von Selbstständigen, kleinen und mittelständigen Unternehmen in die Hand genommen, und das ist nicht in Ordnung, Frau Senatorin. Das kann man Ihnen auch so nicht durchgehen lassen.
Deswegen ist es richtig, dass wir noch mal darüber sprechen.
Es ist natürlich auch komplett skurril, wie einige Diskussionen heute, wenn die SPD sagt: Wir haben da einen Antrag eingebracht, und man müsste mal, man könnte mal. – Ich weiß nicht, ob sich die SPD Berlin schon in die Opposition begeben hat, jedenfalls hatte man heute des Öfteren den Eindruck. Noch jedenfalls sind Sie Teil dieser Regierung, noch stellen Sie den Regierenden Bürgermeister, und vielleicht setzen Sie sich endlich mal in Ihrer Koalition durch, um Berlinerinnen und Berliner und die Interessen der Berliner Unternehmerinnen und Unternehmer zu vertreten,
hier im Speziellen die der Taxifahrerinnen und Taxifahrer. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Schatz! Wenn noch ein Beweis gefehlt dafür gefehlt hat, wie wichtig es ist, dass nicht die Regierung ausschließlich darüber entscheidet, sondern Parlamentarier darüber diskutieren und das auch mal von einer Regierungskoalition zu hören, dann ist er heute mit Ihrer Rede angetreten worden. Ich danke Ihnen dafür in
(Carsten Schatz)
aller Deutlichkeit, dass diese Debatte hier ins Parlament gehört. Wir kämpfen seit Wochen darum, und ich freue mich, dass wir nunmehr an dem Punkt sind, dass wir möglicherweise einen Konsens in diesem Haus verabredet bekommen, über den besten Weg zu ringen und zu streiten, denn das ist die Herausforderung, die vor uns steht.
Wir befinden uns inmitten einer Jahrhundertpandemie. Die Situation ist ernst, und niemand von uns hat eine solche Situation schon einmal erlebt. Niemand von uns hat Erfahrung im Umgang mit einer Pandemie solchen Ausmaßes. Wir alle standen zu Beginn des Jahres vor einer vollkommen neuen und schwer erfassbaren Aufgabe, die jeden von uns einzeln herausforderte, aber auch vor allem uns als Gemeinschaft enorm unter Spannung gesetzt hat.
Damals wie heute ist klar, dass es kategorische Regeln gibt, an die wir uns alle richtigerweise zu halten haben: Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmasken aufsetzen und in geschlossenen Räumen regelmäßig lüften. Vergangenen Februar haben wir das ganze Land heruntergefahren und seine Menschen reflexartig in systemrelevant und nicht systemrelevant eingeteilt. Es wurden demokratische Grundsätze verschoben in dem Glauben der kurzfristigen Notwendigkeit. Millionen Menschen wurden in die Isolation geschickt, weil wir uns so vor allen Dingen für unser Gesundheitssystem eine kurze Atempause verschaffen konnten. Ja, all das haben wir als Freie Demokraten mitgetragen, weil es der konkreten Situation angemessen und unserem Verständnis nach zeitlich begrenzt notwendig war.
Die Aufgabe der Opposition ist es aber natürlich, das Handeln der Regierung kritisch zu überprüfen. Nicht alleine der Kritik wegen; sinnhaft ist Kritik immer dann, wenn sie konstruktiv und im Wettbewerb der Ideen zur besten Lösung beiträgt und wenn sie dem demokratischen Pluralismus unseres Landes dient.
Natürlich braucht das Zeit; das stellt niemand in Abrede. Wir hatten Zeit, unser Handeln selbstkritisch zu hinterfragen und zur Erkenntnis zu gelangen, dass verständlicherweise Fehler gemacht wurden. Wir hatten Zeit, zur Erkenntnis zu gelangen, was uns erwartet und dass wir einen konkreten Plan brauchen werden. Und wir hatten Zeit, zurück zur Erkenntnis zu gelangen, dass jeder Mensch in unserem Land systemrelevant ist – jeder einzelne in diesem Land ist systemrelevant.
Es ist nicht nur bedauerlich, es ist schlicht auch gefährlich, dass dieser Senat diese Zeit offensichtlich nicht hinreichend dafür genutzt hat, um sich auch nur eine dieser Erkenntnisse zu eigen zu machen.
Bundeskanzlerin Merkel sprach in ihrer Regierungserklärung von der Notwendigkeit einer nationalen Kraftanstrengung. – Ich finde, damit hat sie recht. Die letzten Monate verlangten von jedem einzelnen in unserem Land enorme Anstrengungen. Es gab und gibt die vielen Vorbildlichen, die unter erheblichem Aufwand ihre Kontakte minimieren und dennoch versuchten, sich und anderen einen angemessenen Alltag zu organisieren. Es gab und gibt aber auch die Unvernünftigen in diesen Tagen, in dieser Zeit, ja, die Unbelehrbaren, die zum Beispiel durch Coronaraves oder offensive Verweigerungshaltung aufgefallen sind. All das strengt eine Gesellschaft, strengt uns alle extrem an. All das ist ein dauerhafter Ausnahmezustand, der unser friedliches Miteinander auf eine harte Probe stellt. Die letzten Monate waren eine nationale Kraftanstrengung für viele einzelne, deren Alltag von allem durch individuellen Verzicht und vorgeschriebene Einschränkungen geprägt war.
Eine vergleichbare Kraftanstrengung ließ diese Regierung aber in diesem Kontext leider schmerzlich vermissen. Dieser Senat, der den Menschen in unserer Stadt mit einer Verordnung nach der anderen alles abverlangt, unterlässt aber selbst jegliche Kraftanstrengung, die eine Pandemiebekämpfung ohne solch harte Einschnitte ermöglichen würde.
Eine notwendige Kraftanstrengung wäre es gewesen, die Behörden in unserer Stadt innerhalb kürzester Zeit für konsequente Kontrollen und die Durchsetzung der bisherigen Regeln zu befähigen und zu fokussieren, um unser wirtschaftliches Leben in dieser Stadt am Laufen zu halten.
Eine notwendige Kraftanstrengung wäre es gewesen, die Schulen in unserer Stadt in kürzester Zeit mit geeigneten Luftfiltersystemen auszustatten – ein entsprechender Antrag von uns liegt heute nun vor –, um den Unterricht unserer Kinder in dieser Stadt langfristig zu sichern. Eine notwendige Kraftanstrengung wäre es gewesen, die Verwaltung in unserer Stadt innerhalb kürzester Zeit zumindest so weit zu digitalisieren, dass die behördlichen Kontaktnachverfolgungen und grundlegenden Verwaltungsakte garantiert werden. Das wäre eine notwendige Kraftanstrengung gewesen.
Sie, wir verlangen von den Menschen in dieser Stadt ein Höchstmaß an Kraftanstrengung, aber selbst legen Sie oft nur Mittelmaß an den Tag. Während ein Freiheitsrecht nach dem anderen über schnelle Verordnungen eingeschränkt wird, schaffen Sie es nicht, in einem angemessenen Zeitraum Gelder für die Erleichterungen bereitzustellen. Noch immer diskutieren wir über die Fragen von Nachtragshaushalt und haben keinen Punkt gesetzt, Herr Schneider.
Was noch immer fehlt, ist eine erkennbare erklärte und gut begründete Strategie – und ich habe dem Regierenden Bürgermeister heute Morgen sehr gut zugehört –, eine erkennbare und gut begründete langfristige Strategie. Unsere Stadt weiß noch immer nicht, wie sie die kommenden Monate bestreiten soll, was sie konkret erwartet. Viele Menschen in unserer Stadt haben sich auf diesen harten Winter vorbereitet. Sie leiden jetzt darunter, dass der Staat offenkundig nicht im gleichen Maße das Gleiche getan hat. Das sorgt für Unsicherheit, und das gefährdet unbestreitbar auch den sozialen Frieden in der Stadt. Damit meine ich nicht nur die lautstarken Coronaleugner. Wir erleben eben auch immer mehr Menschen, bei denen aus ehrlichen Sorgen eine zunehmende Unsicherheit wird. Diese Unsicherheit wird mitunter zu Angst, und wo diese Angst hinführt, wissen wir alle. Daran kann – bis auf eine niederträchtige Ausnahme in diesem Parlament – doch niemand ein Interesse haben.
Die stärksten Waffen in dieser Pandemie sind eben Eigenverantwortung und gelebte Solidarität. Genau deshalb brauchen wir eine konkrete Strategie zur Pandemiebekämpfung bei zeitgleicher und größtmöglicher Aufrechterhaltung der grundlegenden Freiheitsrechte eines jeden Einzelnen. Ab sofort darf die Pandemiebekämpfung nur noch einem Grundsatz folgen: Freiheit und Verantwortung!
Der Drang nach Freiheit muss doch in dieser Stadt nicht erklärt werden. Der Drang nach Freiheit muss nicht begründet werden, schon gar nicht in Berlin. Wir sind die Stadt der Freiheit. Eine freie liberale Großstadt, das sind wir hier in Berlin. Deshalb ist doch unser gemeinsames Glück und ein Weg durch all das Ungewisse, das die Zukunft für uns bereithält, am ehesten zu finden in unserer Vernunft und in unserer Fähigkeit, zu denken – eine Fähigkeit, die jedem einzelnen Menschen so eigen ist, so natürlich im Übrigen auch, wie das Atmen. Beides, das Atmen und das eigenständige Denken, müssen wir in diesen Zeiten mit absoluter Priorität schützen, denn sie bilden die Grundlage unseres Zusammenlebens.
Politik muss sich erklären. Sie, meine Damen und Herren auf den Senatsbänken, müssen anfangen, zu erklären, auf welcher Grundlage Sie Maßnahmen für sinnvoll erachten und umsetzen. Sie müssen sich rechtfertigen, genau weil dies auch die Stadt der Freiheit ist.
Es ist für niemanden nachvollziehbar, wenn das RobertKoch-Institut sehr eindeutig sagt, dass zum Beispiel gastronomische Betriebe mit einem umgesetzten Hygienekonzept nicht die Pandemietreiber sind, und genau diese
dann doch diejenigen sind, die geschlossen werden. Da fragt man sich doch schon: Haben Sie andere Erkenntnisse? Auf welcher politischen Grundlage und aufgrund welcher Abwägung entscheiden Sie das?
Was sind die Grundlagen, die genau zu diesen Entscheidungen führen, wenn selbst das Robert-Koch-Institut zu der Auffassung kommt, dass an dieser Stelle kein Handlungsbedarf besteht?
Allein der Umstand, dass wir uns diese Fragen stellen müssen, sorgt im Übrigen bei allen für Unsicherheit in diesen Tagen. Dem können Sie – wir hier im Parlament – besonders entgegenwirken. Deshalb: Bringen Sie die Diskussion rund um die möglichen Maßnahmen genau hierhin zurück, in das Parlament! Verstehen Sie diese Sitzung heute als Anfang vom Ende der Verordnungspolitik!
Herr Regierender Bürgermeister! Wenn man Ihren Appell von heute Morgen – Machen Sie als Parlamentarier mit! – ernst nimmt, dann muss heute der Tag sein, ab dem das Parlament unregelmäßig öfter in dieser Krise zusammenkommt, weil es notwendig ist, dass wir über die Dinge streiten, ringen und die Lösungen für diese Stadt anbieten. Nur dann können wir den Menschen auch die Nachvollziehbarkeit erklären, wenn eine umfassende öffentliche politische, demokratische Abwägung zu all diesen Maßnahmen stattgefunden hat. Wenn das der Appell Ihrer Regierungserklärung ist, dann hoffe ich, dass jetzt auch das politische Handeln in diesem Haus so erfolgt und wir als Parlament genau diesen Schritt zusammen gehen.
Um das ein Stück weit zu unterstreichen, haben wir als Freie Demokraten ein Grundrechtsgesetz in diesem Hause eingebracht, auf dessen Grundlage wir genau diese Dinge regeln können. Überwinden wir also gemeinsam im Sinne der Aufklärung die ganz üblichen Fronten hier im Haus! Es ist Zeit dafür, diese Fronten zu überwinden. Für das übliche Kleinklein ist in dieser Zeit eben keine Zeit.
Ganze Branchen – Herr Schneider! – drohen, zu ersticken. Wir müssen der menschgemachten Wirtschaft vor allem eine effektive Selbsthilfe ermöglichen. Unter strengen Hygieneauflagen sollten Restaurants öffnen dürfen. Auch Kinos, Theater oder Museen müssen öffnen dürfen, wenn sie das Infektionsrisiko in ihren Einrichtungen nachweisbar gering halten. Um das zu ermöglichen, muss der Senat gleichzeitig seinen Kernaufgaben nachkommen, und sie vor allen Dingen erfüllen, was ja in unserer
Stadt leider so nicht immer der Fall ist. Es kann aber gelingen.
Alle Behörden müssen prioritär für die Kontrolle bestehender Maßnahmen eingesetzt werden. Es ist angebracht, – und ich bin Ihnen dankbar, Herr Regierender Bürgermeister, dass Sie das heute Morgen so klar gesagt haben – , dass nunmehr auch die Ordnungsämter statt zum Knöllchenverteilen in der Stadt stärker unterwegs sind, um Coronakontrollen durchzuführen.
Außerdem ist es eine Selbstverständlichkeit – und auch das haben viele Vorredner heute angesprochen –, dass Hilfe von den Bundesbehörden, auch von der Bundeswehr, von allen staatlichen Stellen in unserer Stadt angenommen wird.
Von allen staatlichen Stellen, Frau Jarasch! Sie reden nach mir. Ich erwarte ein klares Ja von Ihnen dazu. Ich habe vorhin Ihren Applaus vermisst, als der Regierende Bürgermeister dazu gesprochen hat. Ich erwarte heute von Ihnen, stellvertretend für Friedrichhain-Kreuzberg, ein Bekenntnis an dieser Stelle.
Als selbstverständlich garantieren müssen wir außerdem in dieser Stadt das Bildungsangebot. Schulen und Kitas müssen geöffnet bleiben. Es muss ein grundständiges Angebot zur Betreuung unserer Kleinsten geben. Sie müssen, wir müssen zusammen den Familien unserer Stadt eine unumstößliche Bildungs- und Betreuungsgarantie gewährleisten. Das ist unsere Aufgabe.
Unumstößlich – dafür muss eine wirkliche politische Kraftanstrengung her. Es darf uns nichts zu teuer oder zu aufwendig sein, um dieses Bildungsversprechen zu erfüllen. Bauen Sie jetzt sofort an allen Schulen die geeigneten modernen Lüftungssysteme und Filter ein! Stellen Sie altbewährte Pläne um, wenn es der Betreuung unserer Kinder, Schülerinnen und Schüler in unserer Stadt dient! Die Zukunftschancen unserer Kinder dürfen nicht von den starren bürokratischen Regeln hier im Haus und in der Verwaltung abhängig sein.
Es wird einen Weg geben müssen, Ausschreibungen für diese Vorhaben schnell und rechtskonform zu gestalten. Wir haben ja in den letzten Monaten gesehen, wie schnell es Ihnen möglich war, die elementaren Grund- und Freiheitsrechte von uns allen einzuschränken. Ich bin mir sicher, Sie werden einen Weg finden, verkrustete und
lebende bürokratische Hürden so abzubauen, dass genau das am Ende auch möglich wird.
Millionen Menschen erwarten von Ihnen, dass Sie in den nächsten Tagen die gleichen Anstrengungen an den Tag legen wie sie selbst. Der Mitarbeiter eines Hotels, der sich seit einem halben Jahr in Kurzarbeit befindet, die Sozialarbeiterin in einem Kinderhaus, die sich und ihre Kollegen seit einem halben Jahr vor der Angst vor einem Infektionsausbruch in ihrer Einrichtung über Wasser hält, die Restaurantbesitzerin, die nicht weiß, wie sie aufgrund der Verdienstausfälle des letzten halben Jahres in Zukunft Miete und Gehälter zahlen soll – es gibt viele Menschen, die unter größter Kraftanstrengung ihr Bestes tun und doch unter dieser Situation leiden. Diese Menschen erwarten von uns, der Politik, zu Recht größte politische Kraftanstrengung. Sie wollen nicht erzogen oder bevormundet werden. Sie wollen befähigt werden, diese schwierige Situation zusammen mit ihren Mitmenschen zu erleben und zu meistern. Sie wollen das Leben, das ihnen auch in einer Pandemie zusteht, ein Leben in Freiheit und mit Verantwortung, und es ist unsere Aufgabe, ihnen genau das zu ermöglichen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass die Wirtschaftssenatorin gerade den Saal betritt, weil sie in den letzten Tagen zusammen mit der DEHOGA einen Gipfel abgehalten hat und sich über die Frage ausgetauscht hat: Wie bringen wir die Gastronomie über die Herbst- und Wintermonate in unserer Stadt. Nun kann man große Erwartungen an solch einen Gipfel haben, Frau Pop, aber wenn dieser Gipfel nach Stunden der Beratung mit einer unverbindlichen Verabredung endet, dann ist das relativ wenig und schwach für unsere Stadt Berlin.
Wenn Sie sich mal erinnern, wann Sie bei einer letzten unverbindlichen Verabredung erfolgreich waren – ich kann mich zumindest nicht an unverbindliche Verabredungen erinnern –, dann ist das am Ende nichts anderes gewesen als ein loser Austausch, der keine einheitlichen Verabredungen, und vor allem fest verbindlichen Verabredungen, für die Gastronomie und Verlässlichkeit bringt.
Wir legen Ihnen deshalb heute einen Antrag vor, der mit einer ganz kleinen politischen Maßnahme ganz viel erreichen kann. Es geht um nichts Geringeres als um die Rettung von Jobs und zahlreichen Existenzen in unserer Stadt. Dass der Gipfel nicht dazu beigetragen hat, die Jobs in der Gastronomie und vor allen Dingen aber die gastronomischen Betriebe in Berlin zu sichern, das will ich Ihnen noch einmal deutlich machen anhand einer Schriftlichen Anfrage, die gerade heute zugegangen ist. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf genehmigt – also duldet – Heizpilze bis 31. 3. 2021. FriedrichshainKreuzberg: keine Genehmigungsfähigkeit, Lichtenberg: keine Genehmigungsfähigkeit, Marzahn-Hellersdorf:
keine Genehmigungsfähigkeit, Neukölln: keine Genehmigungsfähigkeit, Pankow: derzeit keine Genehmigungsfähigkeit, Reinickendorf: Genehmigungsfähigkeit liegt vor bis 31. 3. 2021, Spandau: keine Genehmigungsfähigkeit, Steglitz-Zehlendorf: Genehmigungsfähigkeit liegt vor, Tempelhof-Schöneberg: keine Genehmigungsfähigkeit, Treptow-Köpenick: keine Genehmigungsfähigkeit. Wenn das kein Flickenteppich ist und eine Ungerechtigkeit für unsere Wirtschaftsbetriebe in der Stadt, dann frage ich Sie, was das dann ist und wieso es unseren
(Bernd Schlömer)
Antrag nicht braucht. Den braucht es mehr denn je, dass wir eine einheitliche Regelung in unserer Stadt finden.
Wenn Sie hier am Morgen, hier im Parlament und heute an diesem Tag, diesen Antrag ablehnen, dann bringt es eben auch nichts, wenn Sie sich am Abend unter diejenigen mischen, die dann vor ihren Existenznöten stehen, sich in die Reihen einreihen und denen über den Kopf streicheln, die jetzt kurz vor einer Arbeitslosigkeit stehen, sondern dann ist das Ausdruck Ihrer Politik, nämlich des Versäumens, wo Sie einfach nur handeln könnten, um unserer Stadt etwas zu tun. Eine wirtschaftsfördernde Maßnahme wäre jetzt genau die richtige mit dieser Maßnahme.
Ja!
So, wie das immer in Berlin ist, und so wie es heute Morgen auch in der Debatte um 100 Jahre Groß-Berlin dargestellt wurde, beantwortet es jeder Bezirk unterschiedlich: aus Brandschutzgründen, aus Umwelt- und Klimaschutzgründen oder mit der tatsächlich noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsfindung, also überall unterschiedliche Begründungen. Die Anfrage ist noch nicht veröffentlicht. Man kann dann sehr detailliert für jeden Bezirk im Detail nachlesen. Aber es zeigt doch eins: dass es völliger Quatsch ist und dass es ungerecht ist, wenn ich in Charlottenburg-Wilmersdorf meine Pasta auf der Straße essen kann, und der Gastronom überlebt, und in Mitte kein Gastronom die Chance hat, über den Herbst und den
Winter zu kommen. Das ist schlicht ungerecht. Da braucht es eine einheitliche Lösung.
Die Gastronomen stehen hier wirklich vor einer schwierigen Lage. Das Jahr 2020 ist ein Horrorjahr für die Gastronomie und für viele andere auch. Deshalb ist es für uns so unverständlich, dass Sie an dieser Stelle nicht handeln wollen. Im grünen Bezirk widersetzt sich die Bürgermeisterin ja grundsätzlich den allgemeingültigen Regeln des Miteinanders. Sie hat sich jüngst auch dem in den Weg gestellt und hat deutlich gesagt, den Einsatz der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zur Unterstützung der völlig überlasteten Gesundheitsämter würde sie ablehnen. Ich glaube, dass wir in diesen Zeiten so etwas nicht hinnehmen müssen und sollten,
weil die Wichtigkeit besteht, dass wir für unseren Gesundheitsschutz etwas tun, dass wir für unsere Wirtschaft etwas tun,
und vor allen Dingen eins in Zeiten der Pandemie machen, und zwar die Ideologie vor der Tür lassen. Darauf haben doch alle ein absolutes Recht.
Hier geht es auch nicht – das will ich noch einmal all jenen sagen, die glauben, hier geht es um Umsatzmaximierung – nein, es geht darum, am Ende einen gewissen Umsatz zu ermöglichen, um nicht mehr und nicht weniger: Umsatz zu ermöglichen und das, was wir alle immer wieder einfordern, womit die Gastronomie verantwortungsvoll umgeht, in dieser Stadt umzusetzen, nämlich die Außenbereiche, die Freiflächen so zu ertüchtigen, dass die Gehsteige genutzt werden können, dass Genehmigungsverfahren erteilt werden für Bezeltungen, für Planen, und dass Genehmigungsverfahren für Heizpilze, für Elektrostrahler, für Gasheizstrahler erteilt werden, damit am Ende tatsächlich die Möglichkeit besteht, in unserer Stadt Jobs zu retten.
Die stadtweite Erlaubnis von Heizpilzen wäre daher ein Zeichen der Fairness, des vertraglichen Vertrauens, der Solidarität und der Verlässlichkeit. Es wäre vor allen Dingen ein Zeichen dafür, dass unsere Kiezkultur, das Besondere in Berlin, das Besondere, das unsere Kieze auszeichnet, auch weiterhin bei Ihnen Wertschätzung erfährt. Von uns erfährt das Wertschätzung. Wir werden keine Sekunde lockerlassen, bis in allen zwölf Berliner Bezirken die Außengastronomie tatsächlich ermöglicht wird, die Gastronomen über den Herbst und über den
Winter kommen, und zumindest die Duldung bis 31. 3. 2021 in allen zwölf Berliner Bezirken durchgesetzt ist. Denn wir sind es unseren Jobs in der Stadt, den Gastronomen und unseren Kiezen schuldig. – Vielen Dank!
Kollege Stroedter! Was tun Sie denn, außer heute Lippenbekenntnisse abzugeben, dafür, dass dieser Flickenteppich, den ich beschrieben habe, tatsächlich aufgelöst wird und die Duldung in allen Bezirken erfolgt, und wir nicht nur weitere PR-Shows der Wirtschaftssenatorin zur Kenntnis nehmen müssen?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich fange mal an, bevor Herr Schneider vom Stuhl fällt. – Herr Gindra, Sie haben eben eindrucksvoll bewiesen, dass Sie von der Geschäftsordnung dieses Hauses so viel Ahnung haben wie von Wirtschaftspolitik.
(Christian Gräff)
Herrn Gräff vorzuwerfen, dass er sich nicht auf den Antrag bezogen hat, obwohl er in dieser Kurzintervention, in dieser Replik auf den Vorredner einzugehen hat, beweist genau das: dass Sie viel haben, aber jedenfalls davon keine Ahnung, und davon haben Sie dann anscheinend sehr viel.
Deshalb lassen Sie mich an dieser Stelle darauf eingehen, was Sie uns vorgeworfen haben: Sie haben uns vorgeworfen, dass wir behaupten, die Gastronomen in der Stadt müssten um ihre Existenzen Sorgen haben, weil Sie nicht handeln. Ja, dem ist so!
Und ja, Sie sind verantwortlich genau dafür, dass die Gastronomie über den Herbst und über den Winter kommt. Und wenn Sie sich hier quer in den Weg stellen und keine einheitlichen Regelungen hinbekommen, weil jeder Bezirk so, wie er gerade möchte, anwendet oder nicht anwendet, dann ist jeder Job und jede Familie, die da dranhängt, eine, die Sie mitzuverantworten haben, weil Sie nicht politisch handeln – erstens.
Zweitens: Sprechen Sie mit den Gastronomen! Sie haben das Beispiel Mitte erwähnt. Gehen Sie zu den Gastronomen auf die Straße! Es ist doch unerträglich, wenn in Mitte immer noch die Zollstockpolizei vom Ordnungsamt unterwegs ist und dafür sorgt, jeden Stuhl nachzumessen und jeden Gehsteig wieder zu ordnen und im Zweifel sogar eine Hundertschaft der Polizei in der Torstraße anrückt, um die Außenzustände und die Gehwegsteige wiederherzustellen.
Das ist der Zustand im Augenblick: keine Großzügigkeit, die die Wirtschaft und die Unternehmen erwartet hätten in Zeiten dieser Krise, sondern Kleinteiligkeit bis zum Letzten, obwohl es hier auch mal eine andere Verabredung gab, dass nämlich in den Bezirken der Zollstock beim Ordnungsamt im Amt liegen bleibt und nicht auf der Straße weiter eingesetzt wird in diesen Tagen. Nichts ist der Fall – im Gegenteil, schauen Sie sich in Mitte um, schauen Sie sich in Friedrichshain-Kreuzberg um: das ganze Gegenteil.
Der dritte Punkt – ich sage es Ihnen gerne: Wenn es der Wirtschaft gutgeht, wenn wir das hinbekommen, dann geht es auch den Menschen in unserem Land gut, dann können wir auch die Abgaben, die Sozialabgaben finanzieren, dann können wir eben auch die coronabedingten Mehrausgaben finanzieren. Das ist soziale Marktwirtschaft, Herr Gindra, das ist das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft.
Das scheint neu für Sie zu sein. Wir halten immer noch daran, wir glauben auch daran, und wir wissen, dass sie auch wirken kann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schatz! Sie haben das Zahlendurcheinander des Kollegen Gräff sortiert, Sie haben aber nicht in Abrede gestellt, dass eine Notwendigkeit von 1,5 Milliarden Euro an Investitionen besteht. Davon haben Sie sich nicht distanziert. Stattdessen haben Sie noch einmal sehr deutlich klargestellt, was aus Ihrer Sicht coronabedingt zum Fehlbedarf geführt hat, und was aus dem operativen Geschäft, dem Wirtschaften der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg zu den entsprechenden Fehlentscheidungen bzw. den Defiziten geführt hat.
Ich finde, es ist richtig, den Unterschied zu machen zwischen dem, was coronabedingt ist, und dem, was operativ ansteht. Aber das ist nur der Anfang. Und deshalb ist es wichtig, dass es einen Impuls gibt, über die komplette Transparenz einmal nachzudenken – nein, die komplette Transparenz sogar herzustellen. Es ist unsere Pflicht gegenüber den Steuerzahlern in unserer Stadt, diese Transparenz herzustellen, weil dort am Ende der Stadt, in Schönefeld, steht ein Fass ohne Boden, was am Ende des Tages durch jeden einzelnen in dieser Stadt mit zu finanzieren ist, und da hat auch jeder ein Recht auf Klarheit. Und diese Klarheit haben wir als Parlament herzustellen.
Und wenn seit Wochen, seit Monaten, der Eindruck in dieser Stadt da ist, dass der Pleitegeier über der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg kreist, dann haben wir eine Verantwortung, diese Klarheit herzustellen. Wir haben eine Verantwortung, wenn im Sonderausschuss in Brandenburg oder im Deutschen Bundestag mittlerweile von gleichen Zügen wie von Wirecard gesprochen wird.
Wir haben vor allen Dingen eine Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und allen Unternehmen, die am Flughafen BER tätig sind und möglicherweise zukünftig auf ihren Rechnungen sitzen bleiben, weil diese Gesellschaft nicht mehr zahlungsfähig scheint.
Dafür müssen wir miteinander ringen und Lösung finden. Das ist kein Unsinn. Die reale Gefahr besteht im Augenblick. Und wenn selbst Ihr Koalitionspartner, wie Herr Stroedter im Ausschuss – in dem von Ihnen gerade selbst zitierten Ausschuss, dem Beteiligungsausschuss –, zu der Erkenntnis kommt, dass das, was Herr Lütke Daldrup ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar ist, auf welcher Grundlage der Zahlen – sinngemäß Jörg Stroedter – er heute die Darstellung der Bilanzierung vorgenommen hat, dann finde ich es nur richtig, dass wir endlich anfangen, uns die Akten auch im Untersuchungsausschuss vorlegen zu lassen und diesen Zeitraum umfassend betrachten, denn diese Zahlen brauchen wir dringend. Die brauchen wir mehr als dringend.
Denn es bleibt eben der fade Beigeschmack, dass an dieser Stelle die Zahlen nicht hinreichend transparent auf den Tisch legen.
Nein.
Und wenn wir hier vor wenigen Wochen über die Frage schon einmal gesprochen haben im Rahmen einer Aktuellen Stunde, dann doch deshalb, weil vor wenigen Wochen ein externes Gutachten vorlag, was bereits darauf hingewiesen hat, dass es mögliche Risiken in der Bilanzierung gibt. Bis heute haben wir Unklarheiten in der Bilanzierung und müssen deshalb genau diese Transparenz herstellen.
Bis heute ist nicht geklärt, wie Entgelte berechnet sind, bis heute ist nicht geklärt, wie sie mit den Entgelten am Flughafen BER umgehen, und bis heute gibt es im Übrigen keine Perspektive über den Tag 31. Oktober hinaus, wenn wir über das Ausbauprogramm und den Masterplan 2040 sprechen. Der Flughafen ist und bleibt ein Fass ohne Boden, und deshalb braucht es dringend Transparenz.
(Carsten Schatz)
Und, Herr Stroedter – das was jetzt wichtig ist, das hat die CDU zu Recht im Punkt 1 ihres Antrages aufgeführt. Beim Punkt 2, wo sie schreibt:
die beihilferechtlichen Zulässigkeit finanzieller Unterstützung durch das Land Berlin als Mitgesellschaft nach Inbetriebnahme des Flughafenunternehmen BER
sind jetzt schon sicherzustellen – da habe ich so ein bisschen meine Zweifel, ob das jetzt das Richtige ist, ob uns das nicht in einer Situation führt, wo ich den Eindruck gewonnen habe, dass beim Schreiben des Antrages, wo Christian Gräff ihn geschrieben hat, im Hintergrund so ein bisschen das alte Logo von Berlin Hyp geblinkt hat, dass wir in Richtung eines zweiten Bankenskandals hier in der Stadt laufen. Einfach mal die Blaupause zu nehmen und den Freifahrtschein und den Blankoscheck auszureichen, das können wir nicht mehr beim BER.
Ich bin bei Ihnen, wenn es darum geht, an dieser Stelle darüber nachzudenken: Mit welchen Lösungen, mit welchen Konzepten kann jetzt das, was in den nächsten Jahrzehnten für unsere Stadt von großer Relevanz ist, am Ende des Tages funktionieren, nämlich die Sicherung eines bestehenden Luftverkehrssystems, die Sicherung des Flughafen BERs ohne Zubringerflüge? Ich hätte gerne Zubringerflüge am BER, denn ansonsten funktioniert er schlecht.
Wir brauchen jetzt tatsächlich Antworten darauf, was die Alternativen zu den ausschließlich durch den Steuerzahler generierten Geldern sind. Das kann eine Teilprivatisierung sein, Herr Schatz,
das muss aber keine Teilprivatisierung sein. Dann lassen Sie uns über die Frage der Privatisierung sprechen. Lassen Sie uns über die Frage einer geordneten Insolvenz reden. Lassen Sie uns grundsätzlich über die Frage reden: Wie gehen wir mit den Finanzen am BER um, damit nicht am Ende die Schulen, die Kitas, die Erzieher und die Landesbeamten des Landes Berlins die Leidtragenden sind, weil die Kassen in dieser Stadt leer sind und Sie es nicht geschafft haben, dass schwarze, tiefe, dunkle Loch – das Steuerloch BER – zu überschauen und das Loch zu stopfen? Das ist die Aufgabe der Stunde, und der müssen Sie sich jetzt stellen, bevor wir hier in der Stadt vor einem nächsten zweiten Bankenskandal stehen, den die Sozialdemokratie maßgeblich zu verantworten hat.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Gute Wirtschaftspolitik ist die beste Sozialpolitik – dieser Grundsatz gilt nach wie vor.
Deshalb ist er gerade jetzt, und nicht erst mit oder während der Coronakrise, angebracht, sondern das ist ein Grundsatz, den wir uns immer wieder vergegenwärtigen sollten. Dabei kann und darf es nicht darum gehen, Geschäftsmodelle zu erhalten, die zum Beispiel keine Zukunft haben, sondern darum, Unternehmerinnen und Unternehmern in unserer Stadt den Freiraum zu geben, sich selbst den Weg aus der Krise zu erarbeiten, und vor allen Dingen Arbeitsplätze in unserer Stadt zu erhalten.
Es reicht eben nicht, wenn einige Politiker hier im Haus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kriselnder Warenhausketten öffentlichkeitswirksam ausschließlich über den Kopf streicheln. Die Angestellten, und das sind wir ihnen schuldig, brauchen echte Perspektiven. Das funktioniert nur, wenn die Unternehmen in dieser Stadt auch eine wirklich echte Chance bekommen.
Der Lockdown hat den stationären Handel in Berlin, ja in ganz Deutschland schwer getroffen; nicht nur große Warenhäuser, sondern unzählige kleine inhabergeführte Läden. Sie prägen unseren Kiez und unsere Nachbarschaft. Hinter den kalten Zahlen stehen Schicksale von Menschen, gescheiterte Träume und Hoffnungen, Ängste, Sorgen. Verlierer des Niedergangs im Einzelhandel sind nicht nur die, von denen ich spreche – Verlierer des Niedergangs im Einzelhandel sind wir alle, es ist die ganze Stadt Berlin, und deshalb sind wir aufgerufen, etwas zu tun.
Um das abzuwenden, braucht der Einzelhandel, der stationäre Handel in dieser Stadt eine echte Chance. – Wir als Fraktion waren deshalb sehr positiv überrascht, Frau Pop, dass Sie als Wirtschaftssenatorin einen klaren Vorschlag gemacht haben, signalisiert haben, dass eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten für Sie denkbar ist. Ein richtiger, ein guter Vorschlag. Ich stehe selten hier und
lobe den Senat – da ist es angebracht. Sehr gut! Weiter so, unsere Unterstützung haben Sie an dieser Stelle.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir jetzt deutlich machen, dass Ihr Vorschlag nicht irgendwo in der Sommerpause verloren gegangen ist, sondern dass Ihr Vorschlag genau jetzt, hier im Berliner Parlament diskutiert und in die Umsetzung gebracht wird.
Die Einzelhändler in Berlin waren lange geduldig, und deshalb ist es wichtig, dass jetzt endlich Taten folgen. Geben wir doch den Geschäften die Freiheit, die wir ihnen mit Corona eingeschränkt haben, endlich wieder zurück. Ihr Vorschlag ist so ein Vorschlag, die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten würde genau das bringen; auch die Befristung auf zwei Jahre findet unsere volle Unterstützung.
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle ein Argument an die Hand geben, vor allen Dingen ein Argument im Austausch mit den Kollegen ihrer Noch-Koalition, Rot-Rot-...
Insbesondere an die Linken: Wir wollen damit zu keinem Zeitpunkt Arbeitnehmerrechte einschränken, und das will auch die Wirtschaftssenatorin nicht. Den Unternehmen sonntags die Möglichkeit zu eröffnen, frei darüber zu entscheiden, ob sie ihre Geschäfte aufsperren oder zu lassen, ist noch lange keine Einschränkung von Arbeitnehmerrechten und greift in keiner Art und Weise irgendwo zum Zwang; im Gegenteil, es gibt allen die Chance und die Möglichkeit, und genau das möchten wir hier voranbringen.
Deshalb muss Schluss damit sein, dass wir den Menschen vorschreiben, wann sie wie und wo arbeiten dürfen, sondern wir müssen genau diese Entscheidung voranbringen.
Nun gucke ich zur CDU-Fraktion, und ich sage ganz bewusst: Ich als Katholik stehe hier, und sage: Ja, es ist richtig, die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten voranzutreiben. Ich habe wirklich den Eindruck, die Berliner Politik ist in Sachen Ladenschluss verstaubter als die römische Kurie.
Da können wir wirklich mal zeigen, dass wir hier in dieser Stadt wesentlich weltoffener, liberaler, großstädtischer, zugewandter sind. Das wäre ein richtiger Schritt.
Es geht doch darum – Herr Schneider, danke für das Stichwort! –, gerade in diesen Zeiten den Unternehmen die Chance zu geben, ihre Umsätze zu steigern und aus eigener Kraft heraus aus der Krise zu wirtschaften.
(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)
Gleichzeitig geht es auch darum, Kundenströme in dieser Zeit zu entzerren. Ein Gefühl von Sicherheit, von Gesundheitsschutz, von Hygienekonzept – all dem Möglichkeiten zu geben, die dazu beitragen, das Einkaufserlebnis sicher zu machen, zu einem guten Gefühl zu machen und sich für den Marktplatz Innenstadt zu entscheiden, für den stationären Handel zu entscheiden – das ist doch das, worum es geht, um unsere Berliner Wirtschaft zu stärken.
Deshalb: Nutzen Sie die Chance, werden Sie jetzt echte Krisenmanager. Wir haben Ihnen einen Antrag zur Diskussion vorgelegt, der in diesem Haus eine breite Mehrheit finden sollte, die Mehrheit von FDP und Grünen scheint da zu sein, also geben sich einen Ruck.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute Morgen auf dem Weg hier ins Parlament traf ich jemand, und wir sprachen über das, was heute aktuell diskutiert wird.
Man merkte sichtlich, dass der Glaube daran, dass sich bei der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg oder aber bei den finanziellen Schieflagen und den finanziellen Auswirkungen etwas ändern könnte, demjenigen gefehlt hat.
Wir dürfen das Thema an dieser Stelle nicht aufgeben, sondern wir müssen sehr deutlich die Fragen rund um die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg diskutieren, denn es geht um die Steuergelder der Berlinerinnen und Berliner.
Es geht genau um diese Fragen auch in der Zukunft, auch wenn der Flughafen BER dann irgendwann vielleicht im Oktober mal aufmacht. Das sind wir den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in unserer Stadt schuldig.
Auch wenn man sich seitens der FBB gerne hinter der Coronakrise verstecken würde, ihr Ausbruch hat den Sinkflug der FBB nicht eingeleitet, ihn allenfalls aber beschleunigt.
(Präsident Ralf Wieland)
Das ganze Ausmaß des Schadens wird an dieser Stelle, glaube ich, jetzt sehr sichtbar.
Renommierte Wirtschaftsexperten kommen in einer Studie zu dem bedrückenden Ergebnis, wie ich finde, Zitat: Die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg sei ein Zuschussbetrieb und ein aktueller Sanierungsfall. – Und das, obwohl – und deshalb haben wir diese Aktuelle Stunde heute angemeldet – bis dato der Öffentlichkeit weisgemacht worden ist, dass die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg schon ab 2024 Gewinne einfahren könnte. Ein krasser Widerspruch, eine Notwendigkeit, das hier zu diskutieren.
Die Experten dagegen kommen zu einem ganz anderen Ergebnis, als wir hier anscheinend als Parlamentarier in den letzten Monaten zur Kenntnis genommen haben. Ich frage mich: Wie kann es sein, dass sich die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg weiterhin hartnäckig vor diesen Erkenntnissen gerade gestern wieder in Hintergrundgesprächen des Flughafenchefs Lütke Daldrup verschließt? Wie kann es sein, dass wir uns in diesen Zeiten, wo wir uns auf die Wissenschaft einlassen, konzentrieren, deren Expertise in vielen Fragen hinzuziehen, bei der Flughafengesellschaft jetzt die Wissenschaft außen vor lassen und die Experten an dieser Stelle nicht berücksichtigen wollen? Die Aussage der Studie –
Herr Schneider, hören Sie zu, es ist wirklich wichtig!
Sie sollten sich wirklich mit dem Thema ernsthaft auseinandersetzen, insbesondere, weil Sie seit Jahrzehnten in dieser Stadt für dieses Chaos, für dieses finanzielle Chaos, für diesen zweiten Bankenskandal in der Stadt Verantwortung tragen.
Sie sollten sich dafür schämen, wie Sie mit den Steuergeldern hier umgehen. Das waren Sie als Sozialdemokratie, niemand anderes. Sie haben das mit zu verantworten, also jetzt hören Sie zu und setzen sich mit den Fragen auseinander, die hier anstehen.
Es geht immerhin um 1,8 Milliarden Defizite und die Frage, ob diese Flughafengesellschaft perspektivisch insolvent ist oder nicht, also hören Sie zu.
Ich will Ihnen ein bisschen was zum Thema mit an die Hand geben, damit Sie nicht am Ende sagen, das ist ja alles gar nicht so – und auf Ihren Finanzsenator hören, der ja auch gerne an dieser Stelle Äpfel mit Birnen vergleicht.
Die Aussage der Studie, dass die seitens der FBB gewählte Bilanzierungspraxis dazu führt, dass die wirtschaftliche Situation der vergangenen Jahre besser dargestellt wurde, als sie wirklich war, wiegt deshalb schwer. Das Parlament muss darüber erstens Klarheit erlangen.
Zweitens müssen wir hinterfragen, mit welcher Transparenz auch gegenüber den parlamentarischen Gremien in den letzten Monaten und Jahren berichtet wurde.
Der Chef der Flughafengesellschaft erklärte noch Ende letzten Jahres, dass an der beschlossenen Entgeltordnung, also auf der Einnahmenseite des BERs nicht zu rütteln ist. Das führt zwangsläufig zu der Frage: Wie will er dann aber, wie in den letzten Wochen in einem Interview angekündigt, die finanzielle Schieflage mit den Verdoppelungen der Einnahmen ausgleichen? – Mir ist das schleierhaft.
Er behauptet, anders als die Studie, dass die FBB von einer drohenden Insolvenz weit entfernt sei, wirft den Urhebern des Papiers sogar Dilettantismus vor. Ich wüsste, wem ich hier Dilettantismus vorwerfen müsste.
Hier bestehen diese eben genannten Widersprüche, die es aufzuklären gilt. Dabei ist davon auszugehen, dass das Land Berlin – und die Frage ist zu beantworten – als Anteilseigner über diese Zahlen schon lange informiert ist.
Mit Verlaub: Ein geschätztes Minus von 190 Millionen mit der Aussage abzutun, Zitat: Es seien ja nur 100 Millionen, die verloren gingen, – ist an Überheblichkeit aus meiner Sicht gar nicht mehr zu überbieten,
zumal im Übrigen die Differenz von 100 Millionen lediglich am Beginn der Abschreibungen liegt. Es handelt sich also maximal um eine zeitliche Verschiebung des Problems, deshalb ist es dringlich, dass wir uns heute damit auseinandersetzen.
Denn die Zeit drängt. In bereits zwei Jahren, also 2022, sollen die Eigenkapitalreserven der FBB aufgebraucht sein, die Schulden dagegen wachsen ganz sicher weiter. Ab 2024 wird pro Jahr die stolze Summe von ca. 200 Millionen bis 300 Millionen Euro an Außenfinanzierung benötigt, um eine Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Da hilft es auch nicht, wenn Flughafengesellschaft und Finanzsenator sich hinstellen und behaupten, Moody's hätte ein gescheites Rating gemacht mit A1. Ja, vielleicht hat Moody's das gemacht, aber Moody's hat die FBB ohne die Bürgschaften der Gesellschafter quasi auf Ramschniveau eingewertet. Wenn man die nämlich entsprechend berücksichtigen würde, kann man nur zu diesem Ergebnis kommen. Und das kostet Berlin in den nächsten Jahren um die 100 Millionen Euro jährlich, die uns dann im Haushalt fehlen, und das völlig unabhängig von Zahlungen, die zum Beispiel für den Masterplan 2040 noch fließen müssten.
Um eine Insolvenz der FBB abzuwenden, werden laut Studien bis zu 1,5 Milliarden Euro oder sogar im ungünstigsten Fall 1,8 Milliarden Euro notwendig sein. Die Flughafengesellschaft selbst ist hochverschuldet, die öffentliche Hand müsste also wieder einmal für das Missmanagement der Berliner Landesregierung hier einspringen, und ich frage mich und frage Sie: Wie wollen Sie das dem Mittelstand, dem Handwerk und den vielen, die in diesen Tagen um ihre Existenz bangen, erklären, dass Sie wieder mal Milliarden in die Flughafengesellschaft, in den größten Sanierungsfall unserer Stadt, pumpen, aber nicht in der Lage sind, die Soforthilfepakete für unsere Wirtschaft aufzustocken? Wie wollen Sie das erklären?
Das frage ich Sie, und damit müssen wir uns deshalb in dem Verhältnis auseinandersetzen. Die Flughafengesellschaft – mein Fazit – ist am Ende einer politischen und wirtschaftlichen Irrfahrt angelangt und als Unternehmen gescheitert. Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir hier in diesem Haus Klarheit schaffen, Bilanz ziehen und fragen, wo der Pilot vom Kurs abgekommen ist. Wir können uns nicht länger mit der Aussage der Geschäftsführung zufriedengeben, man habe ein gültiges Testat eines Wirtschaftsprüfers und damit sei die Diskussion zur Finanzierung völlig überflüssig. Wie lange garantiert denn das Testat die Fortführung des Unternehmens? Das ist doch die entscheidende Frage. Etwa, wie normalerweise üblich, die nächsten zwölf Monate? Und was kommt danach? Was kommt danach? – Laut Bilanzierungsmodernisierungsgesetz sind Aufsichtsrat und Geschäftsführung verpflichtet, das Testat auf Plausibilität zu prüfen. Ich frage uns als Haus: Ist das passiert? –, zumal das nicht die erste Studie ist, die im Grunde genügend Anlass dazu bietet, die Bilanzierung auf Fehler zu überprüfen.
Daher ist es besser, die getätigten Ausgaben, die jetzt infrage gestellt sind, und die, die zukünftig getätigt wer
den müssen, auf den absoluten Prüfstand zu stellen. Bis klar ist, wie schlecht es um die Flughafengesellschaft wirklich bestellt ist, rate ich dringend an, die derzeitige Geschäftsführung der FBB zu beurlauben.
Erforderlich ist eine transparente, zeitnahe und genaue Berichterstattung, die durch eine unabhängige Stelle überwacht und, wenn nötig, sanktioniert wird.
Berlin als Gesellschafter der FBB hat nicht nur die Möglichkeit, sondern im Sinne der Berlinerinnen und Berliner auch die Pflicht zur Aufklärung, Herr Schneider!
Es muss schon heute ein Sanierungskonzept auf den Tisch. Es gibt jedenfalls längst keine Rechtfertigung mehr für den Masterplan 2040. Dementsprechend sollte übrigens auch das nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich und technisch umstrittene Terminal 3 umgehend auf Eis gelegt und nicht länger als Ausrede für weitere Zahlungen des Landes an die FBB herangezogen werden.
Und wenn Sie gestatten, dass ich erneut darauf hinweise: Ich kenne kein anderes Unternehmen, das wie die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg in finanziellen Nöten die einzige vorhandene Cashcow zum Schlachter führt, und deshalb wäre es auch notwendig, den Flughafen Tegel weiter offen zu halten.
Der Flughafenstandort Berlin darf nicht weiterhin die Lachnummer der Nation bleiben.
Schlimm genug, dass er dazu – –
Es freut mich, dass Sie sich doch noch ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen wollen, Herr Schneider! – Der Flughafenstandort Berlin darf nicht zur Lachnummer werden, und das ist das Entscheidende.
Er darf nicht zur Lachnummer werden. Es ist schlimm genug, dass die Debatte deutschlandweit dazu verkommen ist, aber dafür ist das Thema für unsere Stadt viel zu wichtig, und deshalb ist es wichtig, dass wir uns mit dieser Verschwendung auseinandersetzen. Die Verschwendung muss aufhören. Senat und FBB müssen reinen Tisch machen und zu ihrer Verantwortung gegenüber den Berlinerinnen und Berlinern stehen. Diese 1,8 Milliarden Euro und eine drohende Insolvenz können Sie nicht wie die letzten Jahrzehnte als SPD einfach weglächeln und weiterhin den Berlinerinnen und Berlinern das Steuergeld aus der Tasche ziehen, wo es jetzt so dringend für die vielen Soforthilfen, für die vielen, die in der Coronakrise in die Schieflage geraten sind, gebraucht wird.
[Beifall bei der FDP – Torsten Schneider (SPD): Standing Ovations! Es wird schwer mit der Wirtschaftskompetenz! Die Cash-Kuh Tegel! – Weitere Zurufe von der SPD]
Wann reden Sie denn
zum Thema? –
Zurufe: Ui, ui, ui! –
Den Mittelfinger lasse ich mir
nicht zeigen! –
Zuruf von der CDU: Die hat wohl ’ne Coronaklatsche! –
Beifall bei der AfD]
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, darf ich gleich mit einem Zitat des Flughafenchefs von Berlin Brandenburg beginnen. Am 17. März äußerte er sich, ich darf RBB24 zitieren: