Das ist für das Bundesland Niedersachsen mit der größten Geflügeldichte im Nutztierbereich natürlich ein besonderes Problem. Sie haben die Zahl 72 Millionen Nutztiere genannt. Der Kontakt zwischen verendeten Tieren, mit denen wir jetzt über
all rechnen müssen, und den Nutztieren ist, insbesondere wenn sie in Großstallungen von bis zu 1 Million Tieren untergebracht sind, in diesen drei Kilometer breiten Sicherheitszonen sehr schwer auszuschließen, weil jeder irgendwann einmal daran vorbeigegangen ist oder Kontakt zu Leuten gehabt hat, die in der Nähe der betroffenen Tiere waren.
Angesichts dessen stellt sich mir die folgende Frage, Herr Minister: Wir haben hier ein Sicherungssystem. Die Tierseuchenkasse ist landesbezogen organisiert. Wie schnell kommen wir bei 72 000 Tieren
- leider; eine riesige Zahl - 72 Millionen Tieren in die Gefahr, dass der wirtschaftliche Schaden, der nicht nur den einzelnen Betrieb, der nicht den vollen Ersatz bekommt, sondern letztlich alle Betriebe erfasst, bei einer Pandemie bei Geflügel mit entsprechend hohen Verlustquoten zwangsläufig Erhöhungen der an die Tierseuchenkasse abzuführenden Beiträge zur Folge hat? Können Sie uns die Dimensionen bitte einmal darstellen!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Fall der Fälle eintritt, sind auch die Angelegenheiten in finanzieller Hinsicht geregelt. Wenn es sich um eine offizielle Seuche handelt, bezahlt die Tierseuchenkasse aus ihren Beiträgen die eine Hälfte. Die andere Hälfte zahlt das jeweilige Bundesland. So ist das in der einschlägigen Tierseuchenkassen-Regelung festgelegt. Das bedeutet, dass bei einer solchen Pandemie die Grenzen der Zahlungsfähigkeit der Tierseuchenkasse mit Sicherheit sehr schnell erreicht sind. Das haben Sie gut dargestellt. Wir haben in der Vergangenheit schon andere Tierseuchen - z. B. bei Schweinen und früher auch die Maul- und Klauenseuche usw. - gehabt. In der Regel wird wie folgt verfahren: Die Tierseuchenkasse hat verschiedene Zahlungstöpfe für Geflügel, Schweine, Kühe, Rinder usw. gebildet. In den Fällen, in denen die Auszahlungen die Leistungsfähigkeit des Zahlungs
topfes für die von einer Seuche betroffenen Tierart überschreiten, wird bei dem Zahlungstopf einer anderen Tierart sozusagen ein Kredit aufgenommen, der anschließend sukzessive zurückgezahlt wird. Diese Vorgehensweise hat sich bewährt, und ich meine, dass sie auch in diesem Falle funktionieren müsste. Aufgrund dessen, dass die Tierseuchenkasse auf einem so genannten Umlagesystem betrieben wird, müssen die Beiträge allerdings, sofern man sich schon vorher verschuldet hat, erhöht werden. Ich meine, dass es gut war, dass das Geflügel vor drei oder vier Jahren in das Gefüge des abzudeckenden Schadensrisikos aufgenommen worden ist; denn diese Tierart war vorher nicht berücksichtigt.
Nun zu den Schäden. Wir haben die Möglichkeit, uns an Schadensfällen zu orientieren. Wir haben bei der Geflügelpest in den Niederlanden als Nachbarn miterleben müssen - zum Teil haben wir auch Hilfe geleistet -, dass 31 Millionen Tiere getötet werden mussten. Der Tierschaden, den Landwirte seinerzeit erlitten haben, betrug rund 300 Millionen Euro. Der volkswirtschaftliche Schaden, so hat mir mein niederländischer Kollege Dr. Cees Veerman berichtet, wird wohl doppelt so groß gewesen sein. Man geht von knapp 700 Millionen Euro an Produktionsausfällen und an Schäden im vor- und nachgelagerten Bereich - Futtermittel, Verarbeitung - aus, die nicht mit entgolten werden. Hinzu kommt noch, dass die Regionen, in denen die Tierseuche grassiert hat, stigmatisiert werden und von Urlaubern zumindest eine Zeit lang nicht mehr angefahren werden. In den Niederlanden geht man davon aus, dass aufgrund dieses Seuchenausbruchs ein volkswirtschaftlicher Schaden von 1 Milliarde Euro entstanden ist. Wenn der Seuchenfall, den wir uns nicht wünschen, kleiner ist, wird der Schaden entsprechend geringer sein.
Herr Minister, ich frage die Landesregierung: Gibt es nach Einschätzung der Landesregierung Risikogebiete, etwa Sumpf- oder Wassergebiete, in denen die Seuche über Wildvögel eingeschleppt werden könnte?
Frau Präsidentin! Herr Kollege Biestmann, erinnern Sie sich bitte: Beim ersten niedersächsischen Aufstallungsgebot hatten wir Gebiete ausgewiesen, in denen Wildvögel auf dem Durchzug rasten oder überwintern. Es gibt besonders gefährdete Gebiete - in der Regel sind es die Küstenstreifen, aber auch unsere Binnenseen -, auf denen sich Wildvögel bevorzugt niederlassen.
Ich beziehe meine Frage auf die letzte Bemerkung der Sozial- und Gesundheitsministerin, weil ich in Bezug auf die Aussage, dass die Länder von ihren gehorteten Medikamenten bereitwillig abgeben würden, wenn uns die Pandemie erwischte, eine andere Einschätzung habe. Wie hoch schätzen Sie das Risiko für die niedersächsische Bevölkerung ein, das dadurch entsteht, dass wir nicht die von der WHO empfohlene 20-prozentige Bevorratung von Medikamenten haben?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich meine, dass es wichtig ist, dass wir einen Verbund haben, also entweder eine norddeutsche Kooperation oder möglichst eine Kooperation unter Einschluss aller Bundesländer. Es ist relativ gefährlich, im Moment eine Risikoabschätzung vorzunehmen. Wir haben zurzeit eine Tierseuche, wir haben zurzeit keine Pandemie. Wir können zurzeit nicht voraussagen - das kann meines Erachtens niemand -, ob das Vogelgrippevirus mutiert oder nicht mutiert. Wir können auch nicht sagen, wann
es mutiert, und wir können auch nicht sagen, wo ein Fall auftritt. Wir können aber sagen, dass wir aufgrund der Überwachung, die bei uns in Niedersachsen wirklich beispielhaft ist, bei Verdachtsfällen jederzeit sehr schnell und umfassend reagieren können. Für uns in Niedersachsen ist nach wie vor der Dreiklang wichtig, dass wir eine gute Überwachung haben, die sehr schnell agiert, die auch nahtlos ineinander greift und bei der der öffentliche Gesundheitsdienst auf der örtlichen Ebene mit dem Gesundheitsdienst auf Landesebene sehr eng verzahnt ist, und dass wir uns darüber im Klaren sind, dass wir für den Fall des Auftretens den Impfstoff brauchen. Denn nur eine Durchimpfung der Bevölkerung kann zur Eindämmung dieser Erkrankung führen. Alle Mittel, die wir im Moment haben, wie Tamiflu und Relenza, können den Erkrankungszustand des Einzelnen herunterfahren. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir uns heute Nachmittag noch einmal darüber austauschen, wie das sinnvoll stattfinden wird.
Da einige möglicherweise unruhig werden könnten, lese ich kurz vor, wer sich noch als Fragesteller gemeldet hat: Bachmann, Bartling, Groskurt, Bookmeyer, Siebert, Weddige-Degenhard, Krämer, Klopp, Wendhausen, Albers, Briese.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist das gar keine zweite Zusatzfrage, sondern die Bitte, die erste richtig zu beantworten. Ich bin mit der Antwort von Herrn Minister Ehlen nicht einverstanden, dass er mir erklärt, der Katastrophenschutzbereich sei hier noch gar nicht gefordert. Das ist mir alles klar. Konkret wiederhole ich jetzt meine Frage: Sind die Katastrophenschutzpläne im ganzen Land so fortgeschrieben worden, dass man allen Risiken begegnen und allen Einsatzlagen gerecht werden kann, und zwar in allen Landkreisen und kreisfreien Städten? Es wäre schön, wenn der Innenminister da wäre und vielleicht fachkundig dazu etwas sagen könnte.
Ich nenne beispielhaft drei Bereiche. In Analogie zum Massenanfall verletzter Personen geht es hier um einen eventuellen Massenanfall erkrankter Personen und damit um Transport- und Behandlungskapazitäten. Der zweite Bereich umfasst, in Analogie zur Dekontamination, die flächendeckende Einrichtung von Desinfektionsstellen im Lande. Im dritten Bereich geht es um das Einsammeln toter Tiere oder das Töten großer Tierbestände mit kommunalen Einsatzkräften. Oder soll im Katastrophenschutz die Hemmschwelle so weit heruntergefahren werden, dass in jedem Fall der Katastrophenalarm ausgelöst wird, weil die Bundeswehr zum Einsatz kommen soll? Ich erinnere an die Probleme, die sich auf Rügen gezeigt haben. Ich würde jetzt gern wissen: Gibt es eine sachgerechte Planung in allen Landkreisen?
Herr Kollege Bachmann, grundsätzlich - das wissen Sie - stellen Sie Fragen an die Landesregierung, und es obliegt der Landesregierung zu sagen, wer antwortet. In diesem Fall antwortet Herr Minister Ehlen. - Bitte schön!
Frau Präsidentin! Herr Kollege Bachmann, ich könnte es mir einfach machen und „Ja“ sagen. Ich will Ihnen aber noch ein bisschen helfen. Ich habe vorhin schon gesagt, dass Tierseuchen nicht Bestandteil des Katastrophenschutzgesetzes sind, weil die damalige SPD-Landesregierung bei der Novellierung des Katastrophenschutzgesetzes in Niedersachsen eine entsprechende Forderung abgelehnt hat.
Für den Fall, dass Katastrophenalarm ausgelöst wird, weil, wie in Rügen, etwas entgleitet, haben wir hier schon vorgesorgt. Fast täglich finden Zusammenkünfte mit allen Beteiligten statt, mit den Vertretern des Städte- und Gemeindebundes und der Landkreise. Wenn es darum geht, vor Ort genügend geschultes und geübtes Personal vorzuhalten, gibt es Listen, nach denen man zusätzliches Personal nachakquirieren kann, um auch einen eventuell größeren Personalbedarf abdecken zu können. Zum anderen kooperieren sehr
viele Landkreise miteinander, weil sie erkannt haben, dass sie zusammen besser sind, als wenn jeder auf sich allein gestellt wäre. Die entsprechenden Übungen finden jährlich an mehreren Orten in Niedersachsen statt. Auch die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und mit der Polizei ist abgesprochen, koordiniert und schlagkräftig. Wir dürfen nicht in die Situation kommen, dass eventuell kein Sperrgebiet eingerichtet und überwacht wird, wie es auf Rügen geschehen ist. So weit wird es in Niedersachsen nicht kommen, weil das LAVES und die Landkreise bei entsprechenden Einsätzen die Polizei gleich mit beteiligen.
Nun zu der Frage, wie die Zuständigkeiten bei den Landkreisen bzw. kreisfreien Städten geregelt sind, wenn Tiere aufgefunden werden. Sie sollten vielleicht einmal Zeitung lesen. Ich glaube, auch in Ihrer Region wird darüber berichtet. Dann wüssten Sie, dass sich die Städte und auch die Landkreise vorbereitet haben, dass die städtischen Bauhöfe als Sammelstellen eingerichtet werden, wo diese Tiere kurz zwischengelagert werden, um eventuell noch Proben entnehmen zu können, bevor sie dann fachmännisch entsorgt werden. Ich glaube schon, dass wir auch auf der Ebene, was man vielleicht unter den Katastrophenschutz fassen kann - vielen ist der Unterschied ja gar nicht klar -, sehr gut gerüstet sind.
Ich will noch einmal sagen: Die Forderung, Tierseuchen in den Katastrophenschutzplan aufzunehmen, ist von der damaligen SPD-Landesregierung abgelehnt worden.
Danke schön. - Herr Bartling hat seine Wortmeldung zurückgezogen. Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Groskurt.
Danke, Frau Präsidentin. - Vor dem Hintergrund, dass Herr Minister Ehlen meiner Meinung nach Dramatisches gelassen ausgesprochen hat - 92 Tote, geographische Ausweitung zu erwarten -, richte ich die besorgte Frage an die Landesregierung: Inwieweit ist die Landesregierung bereit und in der Lage, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um Grippemittel in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen und vorhalten zu können?
Ich glaube, diese Frage schon beantwortet zu haben. Wir dürfen nichts verharmlosen, aber auch nichts dramatisieren. Wir müssen uns mit großer Sorgfalt vorbereiten. Das tun wir auf allen Ebenen. Herr Minister Ehlen hat ja gerade noch einmal gesagt, dass auch in den örtlichen Kommunen inzwischen überall Stellen eingerichtet werden, wo darüber nachgedacht wird. Pläne für die Reaktion im Ernstfall liegen überall vor.
Wenn Sie mich jetzt fragen, wie viele Mittel das Land Niedersachsen in die Hand nehmen wird, muss ich meine Antwort von eben wiederholen, dass ich vom Kabinett Handlungsspielraum habe, dass wir uns auf der heutigen Gesundheitsministerkonferenz austauschen wollen und dass wir eben nicht einen Wettbewerb der Bundesländer wollen, sondern dass wir möglichst gemeinsam tätig werden wollen. Es wäre sehr schön, wenn das hinzukriegen ist.
- Wir sind für einen Wettbewerb der Länder in vielen Sachen, aber bitte nicht in Fragen von Menschenleben. Da wollen wir ein gemeinsames Vorgehen, und dafür werbe ich hier auch.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Neben der jetzt durchgeführten Diskussion zur Bevorratung antiviraler Mittel auf Länderebene ist ja auch eine gewisse Bevorratung individueller Art in der Bevölkerung zu beobachten. Ich frage die Landesregierung, wie sie eine möglicherweise missbräuchliche Einnahme dieser Medikamente einschätzt.
Ich glaube, diese Frage zielt darauf ab, wie gut die Öffentlichkeitsarbeit ist. Ich habe eingangs gesagt, dass wir eine sehr gute Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Das Landesgesundheitsamt hat mehrfach Hotlines geschaltet, um die Bürger zu informieren.
Selbstverständlich kann man inzwischen Tamiflu, das rezeptpflichtig ist, über die Apotheke käuflich erwerben. Ich bin aber fest davon überzeugt und man muss immer wieder betonen, dass Tamiflu nicht hilft, wenn man es jetzt vorbeugend einnimmt. Dann führt es geradezu zu Resistenzen. Das haben mir jedenfalls die ärztlichen Fachleute im Haus gesagt. Von daher sage ich hier das, was wir immer wieder auch in der Öffentlichkeit betonen und was auch die Ärzte in den Praxen sagen: Keine vorbeugende Einnahme von Tamiflu! Tamiflu hilft erst dann, wenn eine Erkrankung vorliegt oder ein Verdacht auf eine Erkrankung besteht, weil sich dann Tamiflu mit dem Vogelgrippevirus verbindet und dessen Ausbreitung im Körper minimiert. Ich gehe davon aus, dass die Ärzte die Menschen, die zu ihnen kommen, aufklären und darauf aufmerksam machen, dass Tamiflu selbstverständlich ein Arzneimittel ist, das nur nach gründlicher Medikation eingenommen werden sollte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, welche Maßnahmen das Kultusministerium ergriffen hat, um unsere Schüler im Umgang mit toten Vögeln vorzubereiten, die in freier Wildbahn gefunden werden.