Klaus Rietschel

Appearances

6/98 6/104 6/105 6/107 6/111 6/116 6/119 6/123 6/128 6/130 6/131

Last Statements

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen, Zuschauer auf der Tribüne, zu diesem Thema: Mein Vorgänger Stephan Brandner hatte Ihnen vor knapp zwei Jahren schon prophezeit, dass Sie dieses Gesetz werden nachbessern müssen. Und da sind wir nun. Irgendwie haben Sie kein Glück mit Gesetzen, die die freien Berufe betreffen. Das liegt vielleicht auch daran, dass Sie es generell nicht so mit den freien Berufen haben. Sie wollen Erfahrungen und Erkenntnisse berücksichtigen sowie redaktionelle Anpassungen und Klarstellungen vornehmen. Schlimm genug, dass Sie das müssen, noch schlimmer, dass ganz offenbar die bei der Verabschiedung der Novellierung dieses Gesetzes unbeachteten Einwände vieler Betroffener nicht dazugehören. Über die genauen Inhalte Ihrer Änderungen wird im Ausschuss zu reden sein. Bitte sorgen Sie dafür, dass dort Fachleute gehört werden. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen, liebe Gäste auf der Tribüne, es ist nun wieder erstaunlich zu sehen, wie schnell die länger existierenden Parteien ein Thema im Sinne der Thüringer Bürger wieder aufgreifen können, wenn die AfD sich dieses Themenfelds annimmt. Zwar haben die SPD und die Grünen bereits 2015 eine solche Aktuelle Stunde und eine nicht öffentliche Ausschusssitzung des Umweltausschusses beantragt, doch herausgekommen ist dabei nicht viel. Erst jetzt, nach drei Jahren, ein Jahr vor der Landtagswahl und
nachdem die AfD sich auf der Kreisebene und in einer Kleinen Anfrage damit befasst hat, wird der Winkelberg bei Nordhausen Naturschutzgebiet und die Grünen wollen dieses Mal eine Aktuelle Stunde.
Gleichzeitig hat 2017 das dem grünen Umweltministerium unterstellte Landesbergamt den Gipsabbau am Kuhberg genehmigt, und das, obwohl schon seit Jahren die betroffenen Bürger sich gegen einen weiteren Gipsabbau starkmachen. Konsequente Umweltpolitik durch eine rot-rot-grüne Landesregierung sieht anders aus, meine Damen und Herren.
Aber dass wir uns nicht falsch verstehen, werte Kollegen: Auch wir von der AfD möchten nicht, dass unsere einzigartige Thüringer Heimat weiter durch einen extensiven oberirdischen – ich betone: oberirdischen – Gipsabbau irreparabel geschädigt wird. Zum Beispiel wird in Iphofen in Franken – Sitz der Firma Knauf – und in Krölpa bei Pößneck seit 80 bis 100 Jahren, seit über 100 Jahren Gips unter Tage gefördert – und das rentiert sich dort komischerweise –, ohne dass nennenswerte Auswirkungen auf die Umwelt zu verzeichnen sind.
Anders als die Grünen haben wir zwar nichts grundsätzlich gegen die Gewinnung von Rohstoffen. Wo dies allerdings betrieben wird, favorisieren wir den Grundsatz: so wenig und umweltschonend wie möglich und nötig. Die Schönheit des Südharzer Zechsteingürtels stellt ja niemand infrage, obwohl Teile dieser Landschaft von Menschen gemacht worden sind und sich selbst wieder renaturiert haben. Da sich dieses Gebiet jedoch über drei Landkreise in drei Bundesländern erstreckt, ist es unter anderem doch jetzt zu kurz gedacht, laut über ein Biosphärenreservat in diesem Gebiet nachzudenken, ohne dass uns die Einschätzungen der Landesregierungen von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie der betroffenen Landkreise und der kommunalen Spitzenverbände vorliegen, denn ein solches Projekt kann nur zusammen mit den anderen Bundesländern und den Betroffenen vor Ort angegangen werden. Ein aktionistischer und von oben verordneter Ansatz, wie ihn die Grünen in dem Antrag zu dieser Aktuellen Stunde hier zum Ausdruck bringen, kann jedenfalls aus unserer Sicht nicht zielführend sein. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen Abgeordnete, verehrte Gäste auf der Tribüne, der Antrag der Fraktion der CDU verfolgt das hehre Ziel, die Qualität des Thüringer Handwerks zu sichern. Zu diesem Zweck wird die Novellierung der vor 14 Jahren geänderten Handwerksordnung vorgeschlagen. Das ist auch unser Anliegen.
Erinnern wir uns: Am 1. Januar 2004 trat die letzte Handwerksrechtsnovelle, genauer gesagt das Dritte Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften, in Kraft. Es war die umfangreichste Änderung der Handwerksordnung seit ihrem Bestehen. Mit dieser Novelle wurde erstmalig auch der sogenannte Meistervorbehalt, der grundsätzlich das Bestehen der Meisterprüfung für den selbstständigen Betrieb eines Handwerks voraussetzt, eingeschränkt. So hat insbesondere die Einführung der Zulassungsfreiheit in 53 Handwerkszweigen die Struktur des deutschen Handwerks in erheblicher Weise verändert und folgt in negativer Hinsicht dem britischen Beispiel aus den 70er-Jahren. Bekanntlich regierte zu jener Zeit eine rot-grüne Koalition in Berlin. In der irrigen Annahme, durch Existenzgründungen einen Teil der oft saisonal bedingten Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Belastung der sozialen Kassensysteme zu verringern, wurde diese Änderung nicht zuletzt, aber auch auf Druck der EU beschlossen. Diese Angriffe der EU habe ich selbst an verantwortlicher Stelle beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes seit Anfang der 90er-Jahre laufend erleben müssen. Das Gegenteil zeigt eine auch im zu beratenden Antrag erwähnte Studie des Volkswirtschaftlichen Instituts der Universität Göttingen aus diesem Jahr zur Untersuchung der ökonomischen Effekte der Novellierung der Hand
werksordnung. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Sicher erscheint nur, dass es aufgrund der Handwerksordnungsreform in den zusätzlich freigestellten Handwerkszweigen einen Gründungsboom gegeben hat. Es wurde ein Trend zu kleineren, häufig nicht lange am Markt bestehenden Betriebseinheiten ausgelöst, was sich auch in einem höheren Anteil an Soloselbstständigen ausdrückt. Die Erträge dieser Betriebe sind meist relativ gering, was beispielsweise negative Auswirkungen auf die Altersvorsorge mit sich bringt.“ Weiter heißt es im Fazit dieser Studie – ich darf zitieren –: „Eindeutig auf die Handwerksordnungsreform zurückzuführen sein dürfte nur der Rückgang der Meisterzahlen. Dies ist ohne Weiteres plausibel, denn wenn die Meisterprüfung als Zugangsvoraussetzung zur Selbstständigkeit wegfällt, sinkt der Anreiz, eine solche abzulegen. Dies gilt auch, wenn man bedenkt, dass sich längst nicht alle Meisterabsolventen selbstständig machen.“ Sie dienen oft als Lizenzträger mit Meistertitel bei Großunternehmen an, die zum Großteil mit Subunternehmern und Scheinselbstständigen aus dem osteuropäischen EU-Raum arbeiten.
Zu einer umfassenden Bewertung der ökonomischen Effekte der Novellierung der Handwerksordnung empfiehlt die Studie die Durchführung weiterer Untersuchungen. Das bedeutet genauer, dass zu untersuchen bleibt, ob durch die vielen Neugründungen mit den häufig geringeren Qualifikationen der Inhaber die Qualität der handwerklichen Arbeit gesunken ist. Dazu ein Beispiel: Ende 2014, also zehn Jahre nach der Novellierung, erhielt ich eine gemeinsame Stellungnahme – man höre – von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Titel: Bilanz – zehn Jahre Fliesenleger ohne Meistertitel. Fakt eins, die Anzahl der Betriebe ist von circa 28.000 auf 86.000 gestiegen – der größte Teil liegt wohl auch in B, also handwerksähnlich ohne Meister –; zweiter Fakt, Rückgang der Lehrverträge um 86 Prozent; dritter Fakt, die Schadensgutachter kommen vor Arbeit nicht in den Schlaf; vierter Fakt, Schwarzarbeit im Milliardenbereich, und fünfter Fakt, größere Aufträge werden nur nach dem Manchester-Prinzip abgewickelt, das heißt ein Büro und 20 bis 30 Subunternehmer, also diese meisterfreien Fliesenlegerbetriebe.
Wir möchten hier einmal die Prognose wagen, dass die eingeforderten Studien die Abnahme der durchschnittlichen handwerklichen Qualität belegen werden. Aber das erleben wir ja relativ oft, ob in der Nachbarschaft oder bei größeren Baustellen.
Wie hat sich nun die Novellierung der Handwerksordnung auf der Thüringer Landesebene entwickelt? Zwei Streiflichter dazu: Wir beobachten gegenüber dem Jahr 2007 eine drastische Verringerung der Anzahl bestandener Meisterprüfungen, von 558 auf 405 im Jahr 2017. Ferner hat die An
zahl der eingetragenen Thüringer Betriebe von circa 31.000 im Jahr 2014 um circa 1.000 Betriebe gegenüber dem Jahr 2017 abgenommen. Angesichts dieser Gemengelage ist zumindest die Teilforderung in Ihrem Antrag nach Aufwertung zulassungspflichtiger Gewerbe gemäß Anlage A der Handwerksordnung im Grundsatz richtig.
Lassen Sie mich nun zu weiteren Punkten Ihres Antrags kommen. Sie wollen offenbar die gebührenfreie Meisterausbildung einführen. Hierzu hatten Sie im Mai-Plenum 2018 ausreichend Gelegenheit gehabt, als meine Fraktion einen Gesetzentwurf zur kostenfreien Meisterausbildung einbrachte. Mit Ihrer Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf hätten Sie zugleich auch einen wirkungsvollen Beitrag zu der in Ihrem Antrag angemahnten Erreichung der Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher Bildung geleistet. Konsequent wollen Sie nun gegenüber der Europäischen Union darauf drängen, den Meisterbrief für einige Berufsfelder in EU-konformer Weise einzuführen. Wenn dies die Rechtsauslegung der EU für ihre einzelnen Mitgliedstaaten erlaubt, dann sollte man das doch mit aller Kraft angehen. Aber Sie verweisen in Ihrem Antrag auf ein Gutachten des Deutschen Bundestags von 2017 – ich zitiere – „Zur unionsrechtlichen Zulässigkeit einer Wiedereinführung der Zulassungspflicht für derzeit zulassungsfreie Handwerke“. Darin heißt es – ich darf zitieren –: Es „[…] lässt sich vorliegend nicht abschließend entscheiden, ob die Wiedereinführung der Zulassungspflicht aus Gründen der Ausbildungssicherung, der Gewährleistung einer hohen Qualität der Handwerksleistungen in den betreffenden Handwerken und/oder der Nachhaltigkeit von Betriebsgründungen gerechtfertigt wäre.“ Bitte machen Sie sich da selbst Ihren Vers auf diese vorgetragene Meinung.
Ich fasse zusammen: Eine Novellierung mit dem Ziel, in der Mehrzahl der Handwerksberufe die Meisterpflicht wieder einzuführen, wird ebenfalls von uns vehement eingefordert. Aber – jetzt kommen wir wieder zum Ausgangspunkt – eine Meisterausbildung kann nur von einem guten Gesellen absolviert werden. Da sind wir aufgrund der aktuellen Lehrlingszahlen, besonders der Abbrecher der Ausbildung, wieder bei den Versäumnissen der Bildungspolitik und den allgemein – auch seitens der Politik und den Medien – dem Abiturwahn verfallenen Teilen der Bevölkerung und dem festzustellenden schlechten Image des Handwerks. Hier muss seitens der Landes- und Bundespolitik dringend Abhilfe geschaffen werden.
Wir beantragen eine Ausschussüberweisung und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, werte Abgeordnete, liebe Gäste, ich darf mit einem Zitat beginnen: „Zu weiche Gesetze werden selten befolgt, zu strenge selten vollzogen.“ Über dieses Zitat von Benjamin Franklin lohnt es sich, etwas länger nachzudenken. Denn am Ende dieses Nachdenkens landet man auch unweigerlich bei der Kriminalität von Jugendlichen und daraus resultierend bei den Regeln der Sanktionen einer solchen. Zu Recht ist einhellige Auffassung, da sind
wir uns alle einig, dass Jugendliche nicht bestraft werden müssen. Allerdings muss auch der Erziehungsgedanke Maß und Mitte haben.
Jeder, der Kinder hat, weiß, dass keinesfalls zu jedem Zeitpunkt Verständnis und Nachsicht angebracht sind, sondern von Fall zu Fall auch Konsequenzen und Durchsetzungsfähigkeit.
Wo die Regeleinhaltung nicht eingefordert wird, entstehen möglicherweise solche Phänomene, wie die öffentliche Aufforderung zur Begehung von Straftaten durch Jugendorganisationen von Parteien, aktuell der Jugendorganisation der Linken mit dem Motto: „Deutschland knicken“. Und das von einer Partei, die auch hier im Parlament immer behauptet, sie wäre demokratisch und stehe mit den Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes.
Bei der Durchsicht des Gesetzentwurfs drängt sich die Befürchtung auf, dass der gesetzlich vorgeschickte Gedanke der Erziehung, das Bewusstmachen von begangenem Unrecht, der Befähigung zu eigenverantwortlichem Leben ohne Straftaten etwas Schlagseite hat. Zwar erkennen Sie, dass die in den Jugendarrest überwiesenen Personen regelmäßig bereits größere Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung haben und die erzieherischen Einwirkungsmöglichkeiten schon wegen der kurzen Dauer des Arrests – die kürzeste Frist sind bekanntlich zwei Tage, der Kollege von der CDU hat das vorhin noch mal detaillierter gesagt – begrenzt sind. Zudem kommt, um einen bekannten Politiker zu zitieren, „niemand wegen eines geklauten Schokoladenriegels in den Knast“. Wir haben es hier also schon mit größeren Früchtchen zu tun. Ich fürchte, Ihre ambitionierten Ziele sind daher kaum adäquat erreichbar.
Ich will dabei gar nicht darauf herumreiten, dass Ihnen schon bei der Fassung des Gesetzes der Lapsus unterlaufen ist, eine Vorschrift, nämlich den § 37, der die Bildung eines Beirats ermöglicht, im Inhaltsverzeichnis einfach zu unterschlagen. Offenbar wurde der Beirat noch kurz vor Torschluss hinein fabriziert. Wozu der notwendig sein soll, das kann mir bei der Kürze der Arrestdauer wahrscheinlich auch niemand erklären.
Wir unterstützen ausdrücklich das Ansinnen, die Arrestanten an einen geregelten Tagesablauf heranzuführen und sie durch Sport zu beschäftigen. Nur benötigt es dafür extra ein neues Gesetz, ein eigenes? Selbst Ihrer eigenen Ansicht nach demnach nicht. Verfassungsrechtlich, möchte ich feststellen, ist der Vollzug des Jugendarrests in seiner bisherigen Form nicht zu beanstanden. Warum behaupten Sie dann, dass der Entwurf alternativlos sei?
Was uns jedoch viel mehr umtreibt, ist Ihre kühne Behauptung, dass der bisherige Personalbestand und die bisherigen Organisationsstrukturen ausreichend seien. Angesichts der Vorgänge des letzten Winters im Thüringer Justizvollzug und der dauerhaft anstehenden Beschwerden vonseiten des Personals haben wir daran wohl berechtigte Zweifel.
Wollen wir hoffen, dass Sie das in der Ausschussarbeit erklären können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, die Gäste haben sich verflüchtigt. Gegenüber dem Jahr 2007 hat sich die Anzahl der bestandenen Meisterprüfungen im Freistaat von 558 auf 405 im Jahr 2017 signifikant verringert. Was die Anzahl der eingetrage
nen Thüringer Betriebe anbelangt, ist diese von 31.272 im Jahr 2014 auf 30.160 im Jahr 2017 zurückgegangen. Da in diesem Hause gern mit Prozenten gespielt wird, sage ich, das ist ein Rückgang von 3,6 Prozent. Ein Generationenwechsel steht an und für viele Betriebe ist die Nachfolge ungeregelt. Jene drei Feststellungen lassen bereits erahnen, dass es mit dem Thüringer Handwerk nicht zum Besten gestellt ist. Da ist von politischer Seite zu erwarten, dass Maßnahmen ergriffen werden, welche die angezeigte regressive Entwicklung nicht nur stoppen, sondern diese umzukehren ermöglichen.
Genau zu diesem Zweck hat meine Fraktion einen Gesetzentwurf eingebracht, welcher erstmals die kostenfreie Meisterausbildung im Freistaat Thüringen ermöglichen soll. Hier geht es um eine Regelung für Thüringen und nicht um eine Kopie oder Adaption des Meister-BAföG. Dieses AufstockungsBAföG, was angesprochen wurde, ist nur erst mal ein Entwurf im Koalitionsvertrag. Es steht überhaupt noch nicht zur Debatte. Lassen Sie mich Ihnen im Fortgang dieser Ausführungen nunmehr die Details dieses Gesetzentwurfs nahebringen.
Die Kosten pro Meisterschüler werden im Schnitt zwischen 14.000 und 16.000 Euro veranschlagt. Unter der optimistischen Annahme von zu erwartenden 550 jährlichen Absolventen an Thüringer Meisterschulen ergibt sich hieraus ein Förderbedarf von circa – sagen wir mal – 8 oder sicherheitshalber 10 Millionen Euro pro Jahr. Für Meisterschüler in Berufen, die nur in Vollzeit arbeiten können, zum Beispiel in zentralen Ausbildungsstätten – solche Berufe gibt es – belaufen sich diese Ausbildungskosten auf circa 40.000 Euro, weil ja die Lebensunterhaltungskosten dazu kommen. Für diese ist unser Modell trotzdem eine große Hilfe. Durch den vorgelegten Gesetzentwurf können deutsche Staatsbürger gefördert werden, die in Thüringen bereits als Handwerker beschäftigt sind und eine Meisterausbildung in Thüringen beginnen, oder außerhalb Thüringens in Bälde den Meistertitel erwerben werden und ein verbindliches Angebot zu einer unbefristeten Beschäftigung als angestellter Meister im Freistaat vorweisen können. Ich betone noch mal, um auf die Spitzen der Vorredner einzugehen, dass hier keine Deutschklüngelei vorliegt, sondern dass es hier um Thüringen geht.
Ich kann Ihnen sagen, aus meiner Erfahrung in einem Arbeitgeberverband, der Tarifpartner war, dass in den westlichen Bundesländern viele Ausländer der Ethnie nach deutsche Staatsbürger sind, Jugoslawen, Italiener, Spanier, die einen Meistertitel haben, ein Meisterstudium absolviert haben. Aber unter den gegenwärtigen Bedingungen …
Für Thüringen, Herr Müller, sehe ich jetzt folgendes Problem: Was nützt uns das, wenn wir einen aus Osteuropa, Bulgarien oder Rumänien fördern, der vielleicht zwei, drei Jahre hier ist, verschwindet oder selbst, wenn er es besteht, dann mit seinen Subkolonnen irgendwo auf den Baustellen durch Deutschland tingelt? Verfolgen Sie die aktuellen Nachrichten, was für Razzien sich gerade in Ballungsgebieten in den westlichen Bundesländern abspielen mit Schwarzarbeit und Subunternehmertum, was illegal ist.
Bitte, ich möchte nicht wissen, wie Ihre Windräder manchmal gebaut werden.
Diesen potenziellen Meisterschülern aus diesem Personenkreis werden auf Antrag zu Beginn der Meisterausbildung die gesamten Kosten – Herr Kuschel, bitte etwas mehr Disziplin –
als zinsloses Darlehen zur Verfügung gestellt und ihnen damit Planungssicherheit gegeben. Das gibt die KfW auch mit ihrem BAföG. Wie gesagt, wenn Unvorhergesehenes passiert, ist es dann meist nicht ganz einfach. Damit unterscheidet sich unser Entwurf vom viel gepriesenen Meisterbonus, der auch wieder zur Sprache kam, der lediglich nach erfolgreichem Abschluss eine Prämie von 1.000 Euro beinhaltet. Wann braucht aber ein Meisterschüler das Geld? Mittendrin oder am Ende? Mit unserem Modell schaffen wir, dass der Meisterschüler nicht in eine Abhängigkeit von der KfW oder eines sogenannten Aufstiegs-BAföG kommt, was, ich betone es nochmal, erst in Planung der neuen Bundesregierung ist.
Noch eine kleine Anmerkung: Wir hatten es vorhin von den Akademikern, die eventuell zurück in den Beruf wollen usw. – für die Akademiker gilt dieses Aufstiegs-BAföG nicht. Erfolgt nach erfolgreicher Absolvierung der Meisterschule innerhalb von drei Jahren die Gründung oder Übernahme eines Thüringer Handwerksbetriebs und wird dieser mindestens fünf Jahre lang geführt, dann wird das gewährte Darlehen vollständig erlassen. Das gilt ebenso für den Fall eines außerhalb Thüringens erworbenen Meistertitels, dessen Träger innerhalb eines halben Jahres nach seiner Meisterprüfung als angestellter Meister für fünf Jahre in einem Thüringer Handwerksbetrieb tätig sein wird. Zwecks Minimierung der beim Einsatz von Förderinstrumenten
stets zu beobachtenden missbräuchlichen Anwendung sieht der Gesetzentwurf meiner Fraktion weiter vor, dass im Fall der Nichterfüllung der Ihnen soeben vorgestellten Bedingungen das gewährte Darlehen innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Feststellung ihrer Nichterfüllung vollständig zurückzuzahlen ist. Die zugehörigen Modalitäten werden natürlich durch eine Rechtsverordnung geregelt.
Wie Sie aus diesen Ausführungen bereits unschwer erkennen können, sind die Bedingungen für Anspruchsberechtigte des Förderinstruments so ausgelegt, dass diese den Zuzug qualifizierter Handwerker aus anderen deutschen Bundesländern nach Thüringen – ich betone noch mal: nach Thüringen – zur Absolvierung eines Meisterlehrgangs fördern und ihre künftige Verwurzelung unterstützen.
Generell wird so ein Anreiz für Thüringer Handwerker geschaffen, sich vor Ort zum Meister weiterzuqualifizieren und durch Neugründung, Übernahme eines Thüringer Handwerksbetriebs aus Altersgründen oder als angestellter Meister in Thüringen das hiesige Handwerk und damit die Thüringer Wirtschaft nachdrücklich zu fördern. Bei Einnahme einer übergeordneten Perspektive trägt der Gesetzentwurf meiner Fraktion zusätzlich dazu bei, dass die beobachtete Gerechtigkeitslücke zwischen akademischen und beruflichen Bildungsangeboten verringert wird. Zur Erinnerung: 2017 hat der Zentralverband des Deutschen Handwerks mit dem Bundeswirtschaftsministerium ein millionenschweres Programm zur Eingliederung von Studienabbrechern aufgelegt, um diese in einen handwerklichen Beruf zurückzuführen. Schade um dieses Stück Lebenszeit der Umworbenen! Hier sind wir wieder bei diesem sogenannten Bildungswahn und bei den Grundlagen für einen ordentlichen Aufstieg zum dualen System hin zum Meister, zur Betriebsführung. Wenn nämlich die Bedingungen in der Schule nicht stimmen, nützt eine duale Ausbildung auch nichts, das wurde vorhin richtig dargelegt.
Das haben die Zahlen der abgebrochenen Lehrverhältnisse schon bewiesen.
Wenn das schon mal nicht stimmt, dann brauchen wir uns nachher nicht zu wundern. Und wenn der Gymnasialwahn noch weiter anhält, dann liegen da meiner Meinung nach die Ursachen für eine Geringschätzung des Handwerks.
Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass die amtierende Landesregierung einen inhaltlich analogen Gesetzentwurf zur Förderung der Thüringer Meisterausbildung in das Plenum eingebracht hätte. Genügend Zeit stand Ihnen ja hier seit Beginn der Le
gislaturperiode zur Verfügung. Zumindest lassen die Verlautbarungen des gegenwärtigen Ministerpräsidenten im Rahmen der Meisterfeier der Handwerkskammer Erfurt im Jahr 2016 diese Erwartungshaltung zu. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, darf ich zitieren: „Mit dem Tag der Meisterfreisprechung ist der Grundstein für eine erfolgreiche berufliche Zukunft gelegt. Thüringen braucht Menschen, die ihre Ideen und ihr Geschick einbringen und die zupacken können. Ich habe großen Respekt vor den jungen Meisterinnen und Meistern, die bereit sind, sich dem Wettbewerb zu stellen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen und diesen Schritt als Chance begreifen, eigene Ideen zu verwirklichen und Vorbild für andere zu sein. Dabei gilt mein besonderer Dank den Lehrmeistern und Ausbildern sowie der Handwerkskammer Erfurt, die die angehenden Meisterinnen und Meister auf ihrem beruflichen Werdegang unterstützt und begleitet haben.“ Dieser Hymne auf den Meister im Thüringer Handwerk sind leider keine Taten der Landesregierung, der Vertreter der Regierungsparteien in diesem Hohen Hause gefolgt, welche die Situation des Thüringer Handwerks erkennbar verbessert hätten.
Zur Erinnerung: Unter einer rot-grünen Bundesregierung unter Duldung der Christdemokraten wurden 2004 53 Handwerksberufe von der Meisterpflicht entbunden, unter dem Vorwand, dass das Existenzgründen die Arbeitslosigkeit senkt und Sicherheit schafft. Hier sehen wir die Wertschätzung der damaligen Regierung und der Parteien des Handwerks. Die Auswirkungen sind bis heute nicht zu übersehen.
Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, Sie haben nunmehr Gelegenheit, Ihre Zustimmung zur Überweisung des von der Fraktion Alternative für Deutschland eingebrachten Thüringer Gesetzentwurfs zur kostenfreien Meisterausbildung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft zu erteilen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, gegenüber dem Jahr 2005 hat sich die Anzahl der Auszubildenden im Freistaat Thüringen im Jahr 2016 mit circa 25.000 fast exakt halbiert. Auf der Angebotsseite müssen wir feststellen,
dass die Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2017 circa 5.000 unbesetzte Berufsausbildungsstellen in unserem Bundesland auswies. Vor diesem Hintergrund hat die Unionspartei einen Antrag vorgelegt, welcher neben berechtigten Forderungen – ich weise auf die Punkte 1 bis 3 hin – bei genauerer Überprüfung einige aus unserer Sicht untaugliche Maßnahmen zur Steigerung der betrieblichen Ausbildungszahlen und Stärkungen des Unternehmertums in Thüringen darstellt.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, Ihnen zunächst einige der Forderungen aus diesem Antrag in Erinnerung rufen. So soll zum Beispiel gemäß Punkt 3 des Antrags der Unterricht in den allgemeinbildenden Schulen mit berufspraktischen Komponenten angereichert werden. Im Ansatz ist dies natürlich lobenswert. Aber solange in weiten Kreisen der Elternschaft der gymnasiale Wahn – ich apostrophiere – unabhängig von Sozial- und Bildungsstand der Eltern eine Studienberechtigungsquote von circa 50 Prozent besteht, hat diese Forderung besonders bei Gymnasiasten, denen sowieso – ich apostrophiere wieder – Höheres vorschwebt, geringe Chancen auf Erfolg.
Nach Punkt 5 sollen die Eltern der Schüler mit Imagekampagnen für die duale Ausbildung beworben werden. Dies geschieht ja von der Industrie und auch vom Handwerk. Aber die Attraktivität handwerklicher und technischer Berufe hat in den letzten Jahren stark abgenommen.
Solange Eltern unabhängig vom Sozial- oder Bildungsstand die Hochschulreife als erstrebenswerten Abschluss ansehen – Quote circa 50 Prozent, ich erwähnte es schon – und ein Abitur mit Note 3 oder 4 für gut befunden wird, kann hier mit Appellen an die Elternschaft unserer Meinung nach nicht viel erreicht werden.
Heutige Eltern müssten eigentlich aus ihrer Vergangenheit – denn so alt können sie ja noch nicht sein – die Wertschätzung handwerklicher und technischer Berufe noch kennen.
Etwas spezieller wird gemäß Punkt 7 in diesem Antrag beabsichtigt, Unternehmensplanspiele in den Lehrplan einzuführen, als Punkt 8 das Bild des Unternehmers im Sinne der Konzeption des – apostrophiert – ehrbaren Kaufmanns hervorzuheben und darüber hinaus gehend in Punkt 9 nach bayerischem Vorbild ein sogenanntes Unternehmergymnasium als Pilotprojekt in Thüringen einzurichten.
Dies alles mag sich auf den ersten Blick innovativ anhören, offenbart jedoch bei genauer Betrachtung ein vordergründiges, den ökonomistisch-neoliberalen – ich sage es mal so – Zeitgeist huldigendes Verständnis, der Aufgabe der Institution Schule in
ihrer allgemeinbildenden Ausrichtung nicht zu entsprechen. Diese besitzt nämlich nicht nur die Aufgabe, als sogenannte verlängerte Werkbank die Interessen der Wirtschaft zu befördern, sondern hat den Schüler in qualifizierter Weise sämtliche Möglichkeiten aufzuzeigen, welche geeignet sind, als reife Persönlichkeiten die entsprechende Berufswahl in ihrer gesamten Bandbreite treffen zu können.
Es ist im Sinne einer umfassenden Persönlichkeitsbildung, auch solchen Unterricht wieder anzubieten, der auf den Erwerb praktischer Fähig- und Fertigkeiten abzielt. Hier wäre an den Schulen zum Beispiel an erster Stelle der fachpädagogisch begleitete Werkunterricht zu nennen. Dort durchläuft der Schüler den gesamten Prozess von der Zusammenstellung der benötigten Rohstoffe und Materialien etc. über deren Bearbeitung bis zum fertigen Produkt Einblicke in die Produktion bzw. in das Handwerk oder die Industrie. Auf diesem Wege wird vom Schüler durch den hohen Grad der Handlungsorientierung des Werkunterrichts mehr Einsicht in die Praxis betrieblicher Tätigkeitsfelder erworben als durch die Realisierung der in dem hierzu vorhandenen Antrag formulierten, stark theorielastigen und hinsichtlich ihrer mutmaßlichen Wirkung wenig effektiven Vorschläge. Bevor man über Lehrpläne mit Unternehmensplanspielen nachdenkt, sollte man über den Werdegang zum Unternehmer nachdenken. Der beginnt mit einer Berufsausbildung und über den Meisterbrief oder ein abgeschlossenes Hochschulstudium, egal ob FH oder Universität. In Ihrem Antrag wird dabei aus unserer Sicht der zweite oder dritte Schritt vor dem ersten gemacht.
Lassen Sie es mich ganz direkt formulieren: Zum engagierten und erfolgreichen Handwerker und Unternehmer wird man sicherlich nicht durch das alleinige Studium von Schulbüchern, der von Werbeagenturen konzipierten bunten Broschüren oder zeitlich begrenzten Schnupperkursen – ich sage es mal so – bei Beobachtungen in einem Betrieb, sondern primär durch die Ergebnisse, welche eine Schulausbildung geliefert hat, die sich gleichermaßen sowohl dem Erwerb theoretischen als auch praktischen Wissens sowie Fertigkeiten in beiden Bereichen widmet.
Diese Art von Schule ist in unserem Land jedoch nur mehr in ihren letzten Zügen zu beobachten. Für die Zerstörung der Hauptschule, die noch vor wenigen Jahren qualifizierten Nachwuchs für handwerkliche Berufe lieferte, tragen die bisher regierenden Parteien die alleinige Verantwortung. Dies gilt ebenso für die Entwertung der Realschule und den Niedergang des Gymnasiums, deren Abschlüsse heute in der Regel keine Gewähr mehr dafür bie
ten, zum Beispiel einen qualifizierten kaufmännischen Ausbildungsabschluss oder einen akademischen Grad erreichen zu können. Eine Studienberechtigungsquote von 50 Prozent 2014 in Thüringen sowie aktuelle studentische Abbrecherquoten von bis zu 50 Prozent im Bachelorstudiengang Mathematik an deutschen Universitäten legen hier ein beredtes Zeugnis ab. Die Abbrecherquote junger Auszubildender von circa 26 Prozent spricht deutlich für eine verfehlte Bildungspolitik.
Zugleich sollten nach unserer Ansicht die Hürden bei Leistungseinschätzungen an Schulen und Universitäten erheblich erhöht werden.
Liebe Kollegen von der CDU, lesen Sie bitte aufmerksam das Positionspapier und die Rede des Präsidenten des Thüringer Handwerkstags vom 21.02.2018 – ich weiß, Ihr Antrag ist aus dem Jahr 2017. In dieser Empfehlung sind alle Forderungen an die Politik zum dualen System und zur Erleichterung für das Handwerk dargelegt. Umfassender geht es nicht. Lassen Sie uns gemeinsam an der Umsetzung der dort gestellten Forderungen arbeiten.
Ein Fachkräftemangel wird effektiv dadurch behoben, dass erst die Schulen in den Stand zurückversetzt werden, qualifizierte Bewerber für duale Ausbildungsgänge zur Verfügung zu stellen sowie eine allgemeine Studierbefähigung für die Minderheit derjenigen Schüler bereitzustellen.
So sind nämlich die Verhältnisse früher gewesen und so sollten sie auch wieder sein. Das ist hinsichtlich einer Studienberechtigungsquote von circa 50 Prozent nicht zu erwarten.
Zum Zweiten kann dem konstatierten Fachkräftemangel seitens der Regierungsparteien dadurch effektiv begegnet werden, dass durch längst überfällige Maßnahmen zum Abbau von Bürokratie – Stichwort „neue Datenschutzgesetze bzw. Steuererleichterungen“ – die Thüringer Betriebe dazu befähigt werden, die zu erwartenden höheren Personalkosten bei der Einstellung geeigneter Bewerber aus der Region oder aus anderen Bundesländern betriebswirtschaftlich auffangen zu können, denn das ist das Problem.
Ich verweise nochmals auf das Positionspapier des Thüringer Handwerkstags vom 21. Februar, womit Sie eigentlich genügend Zeit gehabt hätten, diese Forderung 1 in Ihren Antrag einzuarbeiten. Es kann nicht sein, dass nur wenige prosperierende Unternehmen – die gibt es in Thüringen – in der Lage sind, zum Lehrlingsentgelt zusätzliche Prämien zu zahlen.
Jetzt kommen wir zum Finanziellen: Die zur Realisierung dieser Maßnahmen nötigen Finanzmittel könnten aus unserer Sicht zumindest in Teilen freigesetzt werden, indem die Landesregierung kontraproduktive Maßnahmen wie Inklusion, Erzeugung von Klassenverbänden mit hoher Migrantenquote, das Programm „Schule für alle“, das Konzept „Sprengelschule“ usw. zurücknimmt bzw. gar nicht erst ergreift.
Der dringende Appell meiner Partei an die Vertreter der Union sowie der Regierungsparteien in diesem Hohen Haus lautet daher: Machen Sie Politik für die Thüringer Bürger, welche Sie alle – mich inbegriffen – finanzieren, und verabschieden Sie sich endlich von ideologiegetränkten und wissenschaftlich nicht gestützten Projekten im schulischen sowie unternehmerischen Bereich. Unsere thüringischen Schüler und Unternehmer werden es Ihnen sicherlich zu danken wissen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Besuch, dieser Antrag – es geht also um die umfassende Reform, das haben meine Vorgänger schon erwähnt – der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen, „Umfassende Reform des BAföG“, ist – man müsste fast sagen – alter Wein in neuen Schläuchen. Bereits im vergangenen Jahr hatten wir das Thema im Rahmen einer Aktuellen Stunde debattiert. Der Regierungskoalition wurde im Rahmen dieser Debatte nach meinem Dafürhalten auch eindeutig gezeigt, dass die ausschließliche und überaus negative Bestandsaufnahme, die auch diesen heutigen Antrag motiviert, keineswegs so geteilt werden kann. Die Entwicklung des BAföG ist zwar bei Weitem nicht nur positiv, wie Ihnen sicherlich die Union immer mitzuteilen versuchte, obwohl der heutige Antrag auch einige lobenswerte Punkte enthält. Unterm Strich muss man aber festhalten, dass die regierungstragenden Fraktionen teils von
einer grundsätzlich falschen Interpretation dessen ausgehen, was das BAföG eigentlich erreichen soll. Der Antrag enthält deshalb einige Punkte und Aussagen, die hier dringend einer Richtigstellung bedürfen.
Zunächst zur grundsätzlichen und zwingend notwendigen Feststellung, dass Sie Ihre Schwerpunkte mal wieder falsch setzen. Erst letzte Woche haben wir erfahren, dass es mit der von Ihnen versprochenen Einführung eines kostengünstigen AzubiTickets für den öffentlichen Nahverkehr nun doch nichts wird. Das Thema hatten wir auch am vergangenen Mittwoch im Rahmen einer Aktuellen Stunde besprochen. Gleichwohl versuchen Sie hier, am großen Rad einer BAföG-Reform zu drehen, versagen dabei aber bei der Aufgabe, für die Sie eigentlich zuständig wären – nämlich bei der dringend notwendigen Unterstützung der Auszubildenden in Thüringen, denn das Gesetz umfasst auch diese.
Sie sprechen in Ihrem Antrag von einer Erhöhung der Bedarfssätze des BAföG. Nun: Der BAföGHöchstsatz wurde erst im Oktober 2016 von 670 Euro auf 735 Euro erhöht. Da frage ich Sie: Was verdienen eine Frisörin oder ein Tischler im Rahmen ihrer Ausbildung? In Ostdeutschland sind es bei der Frisörin oder auch beim Frisör 269 Euro im Monat und in Thüringen sogar nur 205 Euro im Monat. Der Tischler verdient im ersten Lehrjahr 518 Euro im Monat. Anstatt hier also soziale Gerechtigkeit zu predigen und sich als Kümmererpartei für die Studenten aufzuspielen,
sollten Sie sich vielleicht auch mal um diejenigen kümmern, die den oftmals steinigen Weg einer Ausbildung gehen.
Das sind Menschen, die eine geringere Vergütung bekommen, die oftmals trotz einer Ausbildungsvergütung – haben wir eben gehört, wie hoch – aufstocken müssen und die eben auch anders als die Studenten häufig ihre erheblichen Fahrkosten auch noch tragen müssen. Diese liegen deutlich darüber, was Studenten für ihr Semesterticket bezahlen müssen.
Sie arbeiten auch nach wie vor mit veralteten Statistiken und Zahlen aus dem Jahr 2015, um Ihre Annahme zu bestätigen, dass die Zahl der BAföGEmpfänger in Thüringen im Bundesvergleich überdurchschnittlich zurückgegangen ist. Welche Auswirkungen die von mir bereits angesprochene BAföG-Erhöhung, die im Oktober 2016 erfolgt ist, auf die Empfängerzahlen in Thüringen hatte, ist leider noch nicht bekannt. Es wäre aber auch der Vollständigkeit halber richtig gewesen, darauf hinzuweisen, dass es da unter Umständen in den letz
ten Jahren auch eine positive Entwicklung gegeben hat.
Aber selbst wenn diese aus Ihrer Sicht negative Entwicklung eine anhaltende wäre: Wenn bei einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung und gesunkenen Arbeitslosenzahlen mehr Familien ihren Kindern ein Studium mitfinanzieren können, ist das doch grundsätzlich zu begrüßen. Wenn mehr und mehr Studenten sich nicht verschulden wollen, selbst Verantwortung übernehmen und ihr Studium durch eine Nebentätigkeit finanzieren möchten, ist das ebenfalls zu begrüßen. Das ist, was ich eingangs mit der Bemerkung meinte, dass Sie von einer grundsätzlich falschen Interpretation dessen ausgehen, was das BAföG eigentlich erreichen soll.
Das BAföG ist dafür gedacht, eine individuelle Ausbildungsförderung zu ermöglichen, „wenn dem Auszubildenden“, meist – meist – dem Studenten, „die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung steht!“ – § 1 BAföG. Sozialleistungen – und nichts anderes sind die BAföG-Gelder – sollen in einem gesunden Maße dort erfolgen, wo sie gebraucht werden, und nicht um Menschen auf Dauer von Geld abhängig zu machen, das vom Staat ausgezahlt wird.
Daran anschließend: Was tun Sie eigentlich für die Familien, die es aus eigener Kraft schaffen, ihren Kindern ein Studium zu ermöglichen? Offenbar nichts.
Ja, das ist ja wunderbar, jawohl. – Denn Ihr Anliegen, das BAföG erneut zu erhöhen, geht auf Kosten derer, die es schaffen, ihren Kindern das Studium zu finanzieren, und die dann eben auch noch die Steuern zahlen und erarbeiten müssen. Das Absetzen können Sie stecken lassen. Begrüßenswert ist hingegen Ihr Vorstoß – jetzt kommt ein kleines Lob –, eine regelmäßige Dynamisierung der Bedarfssätze und der Einkommens- und Elternfreibeträge zu ermöglichen. Eine unregelmäßige Erhöhung der Bedarfssätze und der Freibeträge nur dann, wenn es politisch opportun scheint, reicht in der Tat nicht aus.
Aber bereits im nächsten Punkt greifen Sie wieder voll daneben. Sie fordern tatsächlich eine Anpassung der Förderhöchstdauer an die höheren Studienzeiten. Hier sind wir wieder im Gestaltungsbereich der Landespolitik angelangt. Sie treiben doch aller Kritik zum Trotz Ihre Novelle des Thüringer Hochschulgesetzes weiter voran und wollen beispielsweise auch fast jede Form der Anwesenheits
pflicht verbieten. Dazu wollen Sie auch noch einen der letzten Anreize dafür abschaffen oder zumindest bemerkbar eindämmen, dass sich Studenten an die Regelstudienzeit halten, nämlich die Förderhöchstdauer des BAföG.
Ja, ja, das gilt für Sie bestimmt.
Meine Damen und Herren, es muss nun ernsthaft bezweifelt werden, ob Sie tatsächlich ein Interesse an einer Stärkung des Wissenschaftsstandorts Thüringen haben. Sie fordern allen Ernstes eine Förderung fast aller Studenten durch eine Erhöhung der Freibeträge und der Altersgrenze, dazu noch eine Lockerung oder gar Abschaffung der zeitlichen Begrenzung für diese Förderung und dazu kommt noch die langjährige Forderung insbesondere der Linkspartei nach einer vollständigen Befreiung jeder Pflicht zur Rückzahlung der erhaltenen Fördergelder, also eine grundlegende Änderung des Charakters dieser Förderung von Darlehen auf Zuschuss.
Werte Kollegen, was eine solche Reform des BAföG aus unseren Hochschulen werden ließe, muss ich hier sicherlich nicht beschreiben. Da fällt der jedenfalls begrüßenswerte Vorstoß – ich betone das – nach einer stärkeren Berücksichtigung des Studiums mit Kindern oder bei gleichzeitiger Pflege von Angehörigen hinten runter. Ich möchte aber trotzdem betonen, dass wir diesem Aspekt tatsächlich zustimmen.
Es kann nicht sein, dass für Mütter und Väter nicht die gleichen Ausnahmeregeln gelten wie für solche Studenten, die sich einige Semester im Studentenrat – oder neudeutsch Studierendenrat – eingebracht haben.
So sehr das Engagement der Studenten in den Selbstverwaltungsstrukturen unserer Hochschulen zu begrüßen ist, wird sicherlich eine Mehrheit hier im Hause die Einsicht teilen, dass die zeitliche Herausforderung eines Studiums mit Kind oder Kindern
tatsächlich eine ganz andere ist.
Nun komme ich aber zu dem, was ich in Ihrem Antrag vermisse – hierauf hatte der Kollege Voigt in der von mir bereits erwähnten Debatte im vergangenen Jahr hingewiesen –: Wie ist es um die Umsetzung der Pflicht der Länder bestellt, zum 1. August 2016 eine elektronische Antragstellung der
BAföG-Förderung zu ermöglichen? Ich erinnere an § 46 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes. Seit 2015 kann der Antrag etwa in Hessen komplett papierlos gestellt werden, in Bayern, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen seit 2016. Andere Länder haben ebenfalls nachgezogen. Wo bleibt denn Thüringen?
Als es um die sinnlose Umbenennung des Studentenwerks ging, stand die dafür notwendige sechsstellige Summe sofort zur Verfügung. Hätten Sie das Geld doch lieber in die elektronische Antragstellung der BAföG-Förderung investiert. Davon hätten die Studenten mehr gehabt. Der BAföG-Beantragung wird nämlich völlig zu Recht vorgeworfen, dass sie derart kompliziert ist, dass mehr und mehr Studenten auf Studentenkredite oder andere Formen der Studienfinanzierung umsteigen müssen.
Hier hätten Sie tatsächlich eine Möglichkeit gehabt, an Stellschrauben zu drehen und die Förderung für mehr Studenten zugänglich zu machen. Das haben Sie leider versäumt.
Also, meine Damen und Herren, als Zusammenfassung: Eine Zustimmung zu den wenigen guten Aspekten Ihres Antrags – ich erwähne es extra noch mal –, die durchaus auch begrüßens- und unterstützenswert wären, ist leider nicht möglich. Was Sie mit Ihrer „Reform“ eigentlich verfolgen, ist eine grundsätzliche Pervertierung der Prinzipien, die einst dazu geführt haben, dass diese Form der Ausbildungsförderung ermöglicht wurde. Förderung muss immer auch mit bestimmten Forderungen einhergehen. Wir dürfen uns nicht vom Leistungsprinzip verabschieden, aber genau das verfolgen Sie. Das können wir nicht unterstützen.
Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Liebe Kollegin Mühlbauer, danke für Ihren impulsiven Beitrag, aber ich brauche nach fast 30 Jahren keine Belehrung, was eine Tarifautonomie ist. Wenn Sie meine Ausführungen gelesen haben – ich habe die Löhne konstatiert.
Ich habe sie konstatiert. Ich habe nichts über eine Erhöhung der Löhne oder eine Beeinflussung der Löhne gesagt. Darüber weiß ich genügend Bescheid, ich war in einem Arbeitgeberverband.
Wenn Sie am Mittwoch zum parlamentarischen Abend des Handwerks gewesen sein sollten – ich weiß es nicht, ich habe die vielen Leute nicht im Kopf –, haben Sie doch die Forderungen bzw. Anregungen des Handwerks an die Politik gehört. Da ging es also nicht um einen Eingriff in die Tarifautonomie, es ging um eine zusätzliche Unterstützung der Auszubildenden. So viel dazu!
Noch etwas: Ich habe aus ebenfalls sozialen Gründen in der DDR kein Stipendium gekriegt, bis ich dann geheiratet habe. Da ich in Berlin studiert habe, habe ich glücklicherweise 140 Ostmark im Monat bekommen. Was haben wir alle gemacht? Wir haben gearbeitet – Landwirtschaft, Bau, sonst wie.
Ich komme aus Weimar, Frau Henfling, da gibt es jedes Jahr über 800 neue Studenten. Gucken Sie sich in der Gastronomie um, gucken Sie sich im Scheingewerbe um, gucken Sie sich in Architekturbüros um, wo die Studenten für einen Hungerlohn an der CAD-Station sitzen. Die machen das alle – die einen brauchen es zum Lebensunterhalt, die anderen brauchen es für die Kneipe. So viel bloß als Beispiel. Ich bitte, das mal zur Kenntnis zu nehmen,
dass ich also Bescheid weiß über eine Tarifautonomie und dass unser Bestreben dahin gehen muss, den Auszubildenden, egal aus welcher sozialen Schicht sie kommen, etwas zugutekommen zu lassen. Das war mein Anliegen. Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste, liebes Publikum auf der Tribüne, lassen Sie mich ein paar Ausführungen zum Einzelplan 18 machen: Vor allem zwei Maßnahmen möchte ich an dieser Stelle nennen, zum einen den Ausbau der Vogelschutzwarte Seebach und zum anderen den Ausbau der Forschungsinfrastruktur der Universitätsklinik Jena, kurz UKJ genannt, in einem geplanten Center of Advanced Receptome Microscopy – ich kann es nicht anders, ich muss es so vorlesen.
Lassen Sie mich aber zuerst ein paar Worte zur Vogelschutzwarte Seebach sagen: Ich glaube, wir sind uns alle der immensen Bedeutung dieser Einrichtung bewusst. Als einzige Vogelschutzwarte in Thüringen und angrenzenden Gebieten leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag zum Schutz der Vögel, zum Beispiel dass sie Flugrouten der Vögel
analysiert und zur Verhinderung von Kollisionen mit Stellplätzen von Windkraftanlagen abgleicht. Des Weiteren ist sehr wichtig, was dort zu verfolgen ist, die Zählung der Vögel und das Wachstum oder das Schwinden von Populationen. Wir haben hier in letzter Zeit einen verstärkten Rückgang der Population resultierend aus dem Insektensterben, was nun mittlerweile auch in der Politik bekannt oder angenommen worden ist. Auch kommt der Vogelschutzwarte eine hohe Bedeutung bei der Bildung von Schülerinnen und Schülern zu. Das ganze Jahr reisen unzählige Schulklassen nach Seebach, um ein feineres Gespür – oder überhaupt ein Gespür – für die Belange von Vögeln und deren Schutz zu entwickeln. Wir als AfD-Fraktion unterstützen deshalb den hier vorliegenden Antrag für Baumaßnahmen rund um die Vogelschutzwarte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gleich verhält es sich auch mit dem Universitätsklinikum Jena. Auch hier ist die Bedeutung dieser Einrichtung allgemein bekannt und gerade in Hinsicht auf die Exzellenzclusteranträge ist es ratsam, dem Universitätsklinikum Jena die benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen. Das sichert die Bandbreite dieser Einrichtung und erweitert gleichzeitig den Standard der Diagnose. Besonders im Bereich der Diagnostik leistet das UKJ bereits jetzt einen wertvollen Beitrag in der Region. Es ist daher nur die logische Konsequenz, dass sich dieser Beitrag in Form einer Anerkennung und Bestätigung dieses Antrags hier widerspiegelt.
Als AfD-Fraktion werden wir daher auch diesen Antrag auf zusätzliche Mittel in Höhe von 4,12 Millionen Euro unterstützen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, geehrte Kollegen, liebe Gäste und Zuschauer, seit der letzten Behandlung des Themas „Glücksspieländerungsstaatsvertrag“ hat sich an den grundlegenden Bedingungen nichts geändert. Im Ausschuss wurden sattsam bekannte Argumente debattiert, aber der Staatsvertrag hängt an der Ratifizierung durch den Landtag in SchleswigHolstein, der diese – Stand gestern – wie lange angekündigt in diesem Jahr nicht vornehmen wird und den Staatsvertrag damit gegenstandslos werden lässt.
Hinzu kommt, dass – wie bereits hinlänglich bekannt – Schleswig-Holstein sogar beabsichtigt, den bestehenden Glücksspielstaatsvertrag vorzeitig zu kündigen. Angesichts dieser Realitäten halten wir es für mehr als angebracht, sich mit tragfähigen Konzepten für die Zukunft dieser Thematik zu beschäftigen, als ein totes Pferd zu reiten.
Machen Sie Angebote, wie die Materie zukünftig zu regeln sein soll, machen Sie Vorschläge, wie Sie besonders das Wettgeschäft im Internet, das sich global präsentiert, sinnvoll beeinflussen wollen und machen Sie vor allem Vorschläge, wie Sie den von den Einnahmen der Wettanbieter profitierenden Sport, besonders den Breitensport, aber auch andere dem Gemeinwohl dienende Zwecke anderweitig finanzieren wollen. Sinnvolle und umsetzbare Ideen, wie Spielsucht verhindert und eingedämmt sowie der Jugendschutz gewährleistet werden können, dürfen Sie gleich hinzufügen. Die AfD-Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf jedenfalls nicht zustimmen. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste auf der Tribüne, warum wir heute über die Videoüberwachung sprechen, hat natürlich viel mit der Migrationskrise zu tun. Die Bürger in der Landeshauptstadt ebenso wie in Gera oder Jena können sich spätestens seit Beginn der Asylkrise nicht mehr sicher fühlen. Ein entspannter Spaziergang auf dem Anger ist nicht mehr drin. Die Asylkrise kommt im Alltag an durch Laden- und Taschendiebstahl, Betrug mit Geldkarten und Körperverletzung, welche
gehen Sie doch mal spazieren – Asylbewerber massenhaft begehen. Jeder, der die Statistik durchsieht, weiß, dass es keine Einzelfälle sind. Wir sprechen jedes Jahr von über 100 Straftaten, die durch Kriminelle aus den wichtigsten Asylländern allein auf dem Anger begangen werden. Auch 2017 werden es wieder über 100 sein. Auf dem WillyBrandt-Platz und insbesondere auf dem Anger stellen die Straftäter aus den wichtigsten Asylzugangsländern wie Syrien, Afghanistan, Irak, den Westbalkanstaaten, aber auch aus Russland und Aserbaidschan die Mehrheit unter den ausländischen Straftätern dar. Mein Kollege Möller kann Ihnen dazu anhand der neusten Statistiken im Anschluss Informationen geben.
Die Polizei hat an gefährlichen Orten wie dem Anger, Willy-Brandt-Platz und der Magdeburger Allee – es sind also drei und nicht nur zwei gefährliche Orte in der Landeshauptstadt, das ist ein kleiner handwerklicher Fehler im CDU-Antrag – besondere Eingriffsbefugnisse wie Identitätsfeststellung und Durchsuchung von Personen und Sachen. Durch vermehrte Präventivstreifen sollen die Kontrolltätigkeit erhöht und die Straftäter abgeschreckt werden. In diesem Zusammenhang würde es zunächst einmal helfen, wenn man den Personalbestand unserer Polizei massiv erhöhen würde. Dazu haben wir schon bei unserem Antrag zu den Feldjägern viel gesagt.
Ich will nur hinzufügen, dass allein in der Landespolizeiinspektion Erfurt nach letzten Zahlen aus unserer Anfrage 82 Dienstposten unbesetzt sind. Hinzukommen muss eine Grenzschließung, die Straftäter an der Einreise hindert und hilft, Haftbefehle effektiv zu vollstrecken. Im Vorfeld des G20-Gipfels wurden Grenzkontrollen umgesetzt, das Ergebnis war die Feststellung von mehr als 4.000 unerlaubten Einreisen und 1.500 illegalen Aufenthalten; 750 per Haftbefehl gesuchte Straftäter konnten gefasst und 673 Haftbefehle vollstreckt werden,
und das innerhalb von weniger als einem Monat. Dazu benötigt es natürlich so einen Riesenanlass, damit so ein System effektiv funktioniert. Klar ist, wir können nicht auf einen effektiven Grenzschutz verzichten, wenn wir die Sicherheit der Bürger in Deutschland effektiv gewährleisten wollen. Was bei G20 geht, warum soll das nicht auch sonst gehen?
Die Videoüberwachung kann als ergänzende Maßnahme das Sicherheitsgefühl der Bürger erhöhen, zu Prävention und Straftatenaufklärung beitragen. Allerdings sollte diese effektiv und datenschutzkonform – darauf legen wir Wert – erfolgen. Die moderne Technologie macht beides möglich. Gesichtserkennungssoftware kann in Sekunden ein Gesicht erkennen und es mit einer fast hundertprozentigen Sicherheit in einer Datenbank vergleichen, in der Straftäterfotos zum Beispiel abgespeichert sind. In maximal 3 Sekunden bekommt der zuständige Polizeibeamte dann die Mitteilung, ob es sich um einen Treffer handelt.
Wenn nicht, wird das Bild sofort gelöscht. Datenschutzrechtliche Bedenken können so umgangen werden. Nein, eine solche intelligente Videoüberwachung ist eben keine anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Darauf möchten wir hinweisen.
Solch eine intelligente Überwachung kann an gefährlichen Orten, anderen Kriminalitätsschwerpunkten, bei öffentlichen oder halb öffentlichen Veranstaltungen oder zum Beispiel auch vor den Eingängen zu den Bahnhöfen oder den Fußballstadien eingesetzt werden ebenso wie zum Beispiel am Eingang zum Flughafen Erfurt-Weimar.
„Schnell, effektiv, genau“ könnte ein Slogan sein, „Überwachung geht auch schlau“. Wir sagen Ja zu einer solchen datenschutzkonformen, intelligenten Videoüberwachung, als eine von mehreren Maßnahmen, Wiederaufstockung des Personalbestandes unserer Polizei und der Schließung der deutschen Grenzen.
Wir beantragen hiermit aber die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss und an den Justiz- und Verbraucherschutzausschuss. Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich nehme die Wahl an.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Gast, ich darf mich mal vorstellen: Mein Name ist Rietschel, ich komme aus Weimar und bin seit dem 26. Oktober der Nachfolger von Herrn Brandner in der AfD-Fraktion.
Wir beraten heute das Dritte Gesetz zur Änderung des Thüringer Ministergesetzes, das Gesetz zur Aufnahme einer Karenzzeitregelung für ehemalige Mitglieder der Landesregierung im Falle der Aufnahme einer Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes. Vorweg sei festgestellt, dass am grundsätzlichen Anliegen, eine solche Karenzzeitregelung einzuführen, seitens meiner Fraktion kein Widerspruch zu erwarten sein wird. Schon in Ihrem Grundsatzprogramm hat sich die AfD deutlich für eine Eindämmung des Lobbyismus und der Vetternwirtschaft ausgesprochen und diese wohl als größte Bedrohung für unsere Demokratie und für die Glaubwürdigkeit unserer Institution ausgemacht.
Beide Ziele – einerseits die Herstellung von Transparenz bei der Durchlässigkeit zwischen Politik und Wirtschaft, andererseits die Möglichkeit für betroffene Regierungsmitglieder, Vorwürfe auszuräumen, man stelle die persönliche Karriere über das Gemeinwohl –, auch der letzte Punkt ist uns als AfD besonders wichtig. Wir setzen uns für eine Mandatszeitbegrenzung für Abgeordnete und Regierungsmitglieder ein, verstehen also Politik als Übernahme von Verantwortung auf Zeit. Eine Folge dieser Forderung wäre wohl eine größere Anzahl solcher Wechsel ehemaliger Spitzenpolitiker in die freie Wirtschaft. Dass es fortan möglich sein soll, solchen Wechsel rechtssicher und unter Berücksichtigung möglicher Interessenkonflikte zu gestalten, begrüßen wir daher ausdrücklich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss jedoch auf eine etwas problematische Regelungslücke in Ihrem Entwurf aufmerksam machen. Denn mit der jetzt vorgesehenen Regelung laufen Sie Gefahr, etwas zu ermöglichen, was Sie in dieser Form sicherlich nicht erreichen wollen. Stellen Sie sich etwa vor, in der Thüringer Landesregierung wäre das Klima so wundervoll, dass ein Minister nach fünf oder sechs Monaten sagt: Mir reicht es. Das ist bei Ihnen natürlich absolut unvorstellbar, ich weiß das, aber nehmen wir das einmal an. Dann
würde dieser Minister nach der jetzigen Regelung eben auch nur fünf oder sechs Monate Übergangsgeld bekommen, so sieht es jedenfalls der § 10 Abs. 2 Thüringer Ministergesetz vor.
Wenn dieser Minister sich jedoch eine Betätigung sucht, die garantiert zu einer solchen Karenzzeit führt, wie Sie sie hier einführen möchten, dann bekommt er nach der von Ihnen vorgeschlagenen Regelung für die Dauer der Untersagung – also bis zu 18 Monate – das Übergangsgeld als Ausgleich ausgezahlt. Es muss sichergestellt werden, dass es nicht möglich ist, diese Regierungslücke, Regelungslücke – Entschuldigung – zu missbrauchen. Die Antwort darauf kann jedoch nicht lauten, dass die Mindestdauer des Übergangsgeldes für ehemalige Regierungsmitglieder in § 10 Abs. 2 Thüringer Ministergesetz an die Länge der Karenzzeit angepasst wird.
Hier werden wir uns wohl auf das beratende Gremium als Kontrollinstanz verlassen müssen. Das bringt mich zum zweiten Punkt, der zu kritisieren wäre, denn er betrifft die Arbeit des beratenden Gremiums. Zu kritisieren ist nicht das beratende Gremium an sich. Dass es von unabhängigen Sachverständigen besetzt wird und unabhängig von der Wahlperiode des Landtags tätig sein soll, ist löblich. Zu kritisieren ist jedoch die mangelnde Transparenz, die dadurch entsteht, dass dieses Gremium seine Empfehlung zunächst nicht öffentlich abgibt und die Landesregierung dann entscheidet, ob sie dieser Empfehlung folgt oder nicht. Was spricht denn bitte gegen eine Veröffentlichung der Empfehlung des beratenden Gremiums? Es würde sich anbieten, dies im Rahmen der pflichtgemäßen Veröffentlichung der Entscheidung der Landesregierung zu tun. Meinem Erachten nach spricht jedenfalls nichts dagegen.
Zu bemängeln ist auch, dass das beratende Gremium auf Vorschlag der Landesregierung vom Landtagspräsidenten ernannt wird. Warum auf Vorschlag der Landesregierung? Ist es nicht die ureigene Aufgabe des Parlaments, die Regierung zu kontrollieren? Nach unserer Überzeugung wäre es klüger gewesen, da es in diesem Gesetzentwurf um Minister und Staatssekretäre geht, den Fraktionen entweder ein Vorschlagsrecht zu gewähren – natürlich bezogen auf die unabhängigen Sachverständigen und keine Lobbyisten – oder den Landtag die Sachverständigen wählen zu lassen. Die Landesregierung hat sich in ihrem Gesetzentwurf bedauerlicherweise anders entschieden, aber vielleicht lässt sich in den Ausschüssen hier noch einiges nachbessern. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.