Joachim Koch
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Last Statements
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zur Genese dieser zweiten Beratung der Gesetzentwürfe hat mein Kollege von der SPD schon etwas gesagt. Das sollte nicht in Vergessenheit geraten. Gleichwohl, da es richtig dargestellt wurde, erspare ich mir eine Wiederholung, sondern setze an dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 14. Juli dieses Jahres an. Danach durfte nämlich die bisherige Regelung in § 6 Abs. 3 Abgeordnetengesetz, wonach jeder Ausschussvorsitzende und jeder Parlamentarische Geschäftsführer eine zusätzliche steuerfreie Aufwandsentschädigung erhalten hat, ab August 2003 nicht mehr angewendet werden. Bis zur Neuregelung im Gesetz hat das Gericht dann Einzelabrechnungen für diesen funktionsbedingten Aufwand angeordnet.
Die PDS-Fraktion fordert nun in ihrem Änderungsgesetz zu § 6 Abs. 3 Abgeordnetengesetz die Einführung einer Aufwandspauschale für diese Funktionsträger, die zwischen 50 und 100 staffelt nach Entfernungskilometern. Vor Einreichung des Gesetzentwurfs war in meiner Fraktion diskutiert worden, ob denn ein solcher Gesetzentwurf überhaupt sinnvoll und notwendig sei, denn im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hat meine Fraktion die Position vertreten, dass den Ausschussvorsitzenden und Parlamentarischen Geschäftsführern kein funktionsbedingter finanzieller Mehraufwand entsteht, der durch eine besondere Pauschale abgedeckt werden müsse. Das Gericht hat das in seinem Urteil anders gesehen und ausgeführt, der Gesetzgeber habe die Pflicht, Regelungen über den finanziellen Ausgleich solcher funktionsbedingten Aufwendungen zu schaffen. Also blieb nur die Entscheidung zwischen den Modellen Einzelabrechnung und Pauschale.
Die PDS-Fraktion entschied sich für eine Pauschale, nicht nur, aber auch geprägt durch die speziellen Erfahrungen mit der Abrechnungspraxis der Funktionsträger der Mehrheitsfraktion in diesem Haus im Rahmen des Verfahrens
vor dem Verfassungsgerichtshof. Nach den Vorgaben des Urteils enthält unser Gesetzentwurf eine Staffelung nach Entfernungskilometern. Diese Staffelung entspricht aber nicht der sehr detaillierten Aufteilung der Fahrtkostenpauschale in § 6 Abs. 2 Abgeordnetengesetz, weil es in der Pauschale für die Funktionsträger zwar überwiegend, nämlich in etwa zu 80 Prozent, um den Ausgleich von Fahrtkosten geht, aber eben nicht nur. Welcher weitere Aufwand da noch entsteht, hat der Herr Kollege Wolf von der CDU-Fraktion sehr ausführlich dargelegt. Das ist kaum ergänzungsfähig.
Die für die Pauschale angesetzte Höhe ergibt sich aus den vom Rechnungshof für die PDS- und SPD-Fraktion festgestellten durchschnittlichen Monatswerten. Die lagen eben bei der PDS-Fraktion bei rund 67 1 rund 80 4) 1 8 rungsgesetz eine etwas andere Staffelung vor, bewegt sich aber mit der Obergrenze von 110 ziellen Bereich wie wir. Ganz anders aber die CDU-Fraktion. Sie hat mit ihrer Ausschussmehrheit im Justizausschuss ihren ursprünglichen Antrag als Beschlussempfehlung durchgesetzt. Er sieht eine Staffelung nach Entfernungskilometern vor, die von 320,16 $ nung von bis zu 20 Kilometern vom Landtag, bis zu 460 für eine Entfernung von mehr als 120 Kilometern zum Landtag ausgeht.
Damit, meine Damen und Herren, liegen die Monatssätze für die Aufwandsentschädigung für diese Funktionsträger selbst in der niedrigsten Stufe noch knapp 40 über dem vom Rechnungshof ermittelten monatlichen Durchschnitt aller Fraktionen. Dieser lag, und da unterscheide ich mich von der Darstellung des Herrn Abgeordneten Wolf, bei 280 fernungsbedingte Aufwand der CDU-Abgeordneten noch heruntergerechnet werden auf den Maßstab, den das Verfassungsgericht für anwendungsgerecht hielt, nämlich die Reisekostenregelungen, die in Thüringen gelten und nicht die ADAC-Vollkostenpauschale. Hinzu kommt, dass die von der CDU durchgesetzten Summen nach unserer Überzeugung nicht der Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs in seinem Urteil entsprechen. Das Gericht forderte eine Pauschale von deutlich unter 500 2 dem Betrag von 320 3 ob er unter Umständen und bei sehr viel gutem Willen meines Erachtens bei zu viel gutem Willen - noch deutlich unter 500 3# Beträge, vor allen Dingen für den Höchstbetrag von 460 keinesfalls mehr zu.
Die CDU setzt damit das im Gerichtsverfahren gezeigte Verhalten fort. Bei der Erhebung des tatsächlichen Aufwands durch den Rechnungshof hatten die Funktionsträger der CDU-Fraktion Kosten, vor allem Fahrtkosten, produziert. Das in erheblichem Umfang ausgerechnet auch
in der sitzungsfreien Zeit, aber da ging auch der Erhebungs- und Prüfungszeitraum des Rechnungshofs zu Ende. Es wurden Kosten produziert, die selbst nach einer ersten Korrektur durch den Rechnungshof - und diese Korrektur basierte lediglich auf stichprobenartigen Kontrollen - noch etwa 400 944tion festgestellten Durchschnittswert lagen. Hinzu kommt, dass die CDU-Mehrheit im Ausschuss sich vehement weigerte, die Ergebnisse der seit der Urteilsverkündung geltenden Einzelabrechnungen der funktionsbedingten Aufwendungen gegenüber der Landtagspräsidentin als aktuelle objektive Information zur Ermittlung der Höhe der Pauschalen in die Beratung auch nur einzubeziehen. Das, obwohl die Daten in verwertbarer Form durch die Landtagsverwaltung zur Verfügung gestellt werden konnten. Offensichtlich war bei der CDU-Mehrheit hier in diesem Hause die Erkenntnis gereift, dass die Ergebnisse dieser Spitzabrechnung wohl für die eigenen Zwecke nicht so gut verwertbar sein könnten.
Meine Damen und Herren, ich glaube, noch deutlicher kann die CDU-Mehrheit hier in diesem Hause nicht entlarven, dass es eher offensichtlich nicht um einen zwar pauschalen, aber dennoch realen Ausgleich von Aufwand geht,
sondern um einen verschleierten Ersatz für die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2000 weggefallenen Funktionszulagen für Ausschussvorsitzende und Parlamentarische Geschäftsführer.
Meine Damen und Herren, eine Formulierung des Abgeordneten Wolf heute hier vor wenigen Minuten hat mich darin bestärkt, dass es auch tatsächlich so ist. Der Abgeordnete Wolf hat nämlich sinngemäß formuliert, er war zunächst für diese Spitzabrechnung, weil er der Meinung war, es werden dann die belohnt, die fleißiger sind, meine Damen und Herren. Was bedeutet denn das? Das bedeutet, es geht ihm gar nicht um die Abrechnung von Aufwand, der entsteht, sondern um eine Belohnung von Fleiß. Belohnung von Fleiß ist etwas anderes als Abgeltung von Aufwand.
Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, dass unser Gesetzentwurf den Vorgaben des Thüringer Verfassungsgerichtshofs sehr viel mehr als der von der Mehrheitsfraktion eingebrachte Gesetzentwurf entspricht, stimmen Sie daher für unseren Gesetzentwurf. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie mich der Sichtweise meiner Vorredner eine andere Sichtweise entgegensetzen. Ich betone bewusst entgegensetzen, weil ich dann, glaube ich, auch nachvollziehbar zu einem anderen Ergebnis komme. Lassen Sie mich genau zu diesem Zwecke zunächst vermeintlich den Bogen ein klein wenig weiter spannen. Auf den ersten Blick ist nicht erkennbar, dass zwischen den aktuellen Forderungen der CDU auf Bundesebene bezüglich einer Änderung des Tarifvertragsgesetzes und dem Gesetzentwurf für ein Thüringer Sonderzahlungsgesetz eine Übereinstimmung besteht. Zu verschieden sind die für das Berufsbeamtentum geltenden Strukturprinzipien und das für die Arbeitnehmer geltende Tarifvertragsrecht. Dennoch, meine Damen und Herren, gibt es Gemeinsamkeiten, nämlich die Missachtung von Grundrechten, die politische Kurzsichtigkeit sowie die soziale Schieflage der in beiden Problemkreisen enthaltenen Vorschläge.
Im Tarifvertragsrecht will die Union das Günstigkeitsprinzip ändern, um die zwingende Wirkung von Flächentarifverträgen und damit deren kollektiven Schutz vor einer unkontrollierten Lohnspirale nach unten zu beseitigen. Die CDU will demzufolge nicht nur die Preisgabe des sozialen Friedens und unabwägbarer Folgen für die Volkswirtschaft im Ganzen riskieren, sie bringt mit ihrer Forderung nach Änderung des Günstigkeitsprinzips vor allem auch in unserem Zusammenhang ihre Missachtung gegenüber dem kollektiven Grundrecht der Tarifautonomie zum Ausdruck, das bei einer Preisgabe der zwingenden Wirkung von Tarifverträgen nämlich bedeutungslos würde.
Eine ebensolche Missachtung der Tarifautonomie, meine Damen und Herren, sehe ich in der Rede der Frau Finanzministerin anlässlich der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs. Die Ministerin versuchte dem Argument, das Gesetz sei verfassungswidrig, weil es den Beamten ein Sonderopfer zur Konsolidierung des öffentlichen Haushalts abverlange, mit dem Vorbringen zu begegnen, zum einen seien die Beamten gegenüber Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst wegen ihrer Unkündbarkeit privilegiert und zum anderen handele es sich bei der Streichung des Urlaubsgelds und der Kürzung des Weihnachtsgelds nur um eine vorübergehende Ungleichbehandlung, meine Damen und Herren, und jetzt kommt es, weil die Änderungen bei den nächsten Tarifabschlüssen auch für die sonstigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vorgesehen würden. Ich denke, ich habe das richtig aufgefasst, Frau Ministerin.
Ich würde gern von Ihnen hier hören, dass Sie das so nicht gesagt oder zumindest so nicht gemeint haben, weil die Konsequenzen nämlich verheerend sind. Die Minis
terin, wenn das also so von mir richtig erfasst wurde, will nämlich die Beamtinnen und Beamten als eine Art Avantgarde benutzen, die voranschreiten soll, damit nach dem Willen der Landesregierung die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes nachfolgen.
Meine Damen und Herren, eine derartige Instrumentalisierung der in einem besonderen Treueverhältnis zu ihrem Dienstherrn stehenden Beamten zur Durchsetzung von Gehaltskürzungen im Zuge der anstehenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst befindet sich im Widerspruch zur Tarifautonomie und es ist nur zu hoffen, dass sich die Arbeitnehmerseite der beabsichtigten Gleichschaltung mit den Beamten beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht fügen wird.
Auch das Argument der Privilegierung der Beamten wegen ihrer Unkündbarkeit widerspricht dem Prinzip der Tarifautonomie.
Um überhaupt einen Sinn zu ergeben, setzt es nämlich die Annahme voraus, die bestehende Ungleichbehandlung der ostdeutschen Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gegenüber ihren westdeutschen Kollegen in der Frage betriebsbedingter Kündigungen bleibe bei zukünftigen Tarifabschlüssen unangetastet. Wie bereits von mir in der ersten Lesung gesagt, hält die PDS die gegenwärtige Zweigleisigkeit der Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst in arbeitsrechtliche und öffentlich-rechtliche Beschäftigungsverhältnisse nicht mehr für zeitgemäß.
Solange es allerdings eine Beamtenschaft gibt, sind die Maßstäbe bei deren Besoldung zu berücksichtigen, die das Prinzip der amtsangemessenen Alimentation vorgibt.
Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund wundert es mich überhaupt nicht, dass meine beiden Vorredner nicht einmal den Begriff gebraucht haben, geschweige denn sich inhaltlich damit auseinander gesetzt haben. Nach diesem Prinzip der amtsangemessenen Alimentation ist nämlich die Besoldung entsprechend der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der mit den Dienstaufgaben verbundenen Verantwortung anzupassen. Die Besoldung hat sich an der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung zu orientieren. Eine amtsangemessene Alimentation bedeutet, dass der öffentliche Dienst wegen schlechter Bezahlung nicht unattraktiv werden und das Berufsbeamtentum seine Funktionsfähigkeit nicht einbüßen darf. Ein Auseinanderdriften der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung und der Bemessung des Unterhalts der Beamten ist nicht zulässig. Jeder Beamte muss außer den Grundbedürfnissen ein Minimum an Lebens
komfort befriedigen und die Unterhaltspflichten seiner Familie erfüllen können.
In der Begründung einer Entscheidung zum Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 1999, das eine Absenkung des Besoldungs- und Versorgungsniveaus bis 2002 in gleichmäßigen Schritten vorsah, hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Alimentation der Beamten hinter der materiellen Ausstattung der sonstigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht greifbar zurückbleiben darf. Im konkreten Fall war das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, dass sich die Anpassung noch innerhalb des dem Gesetzgeber eröffneten Ermessensspielraums bewege. Beim Thüringer Sonderzahlungsgesetz verhält es sich jedoch grundsätzlich anders. Hier sind Kürzungen in solchem Umfang vorgesehen, dass die Besoldungserhöhung für 2004 nahezu aufgezehrt wird und selbst den inflationsbedingten Kaufkraftverlust nicht mehr ausgleicht. Hinzu kommt der weitere Unterschied, dass die Streichung des Urlaubsgelds und die Kürzung des Weihnachtsgelds ein von den Beamten zu erbringendes Sonderopfer darstellt, das ausschließlich der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte dient, während in dem Beispiel des Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 1999 vorgesehen war, dass die erzielte Einsparung der Finanzierung künftiger Versorgungsleistungen dienen soll, den Beamten dann also zumindest indirekt zugute kommt. Wir bestreiten nicht, meine Damen und Herren, dass auch fiskalische Erwägungen bei der Besoldung der Beamten eine Rolle spielen können. Sie dürfen aber immer nur einen Faktor unter verschiedenen Faktoren für die Feststellung der Amtsangemessenheit der Alimentierung sein. Verfassungswidrig ist dagegen, und hier bleibe ich bei meiner Meinung, Kürzungen wie hier, beliebig und ausschließlich anhand der Haushaltslage vorzunehmen. Vielleicht könnte man noch damit argumentieren, die Kürzungen seien unabweisbar, weil andernfalls der nächste Landeshaushalt verfassungswidrig sein werde. Aber auch in einer solch extremen Notsituation, die aber gar nicht behauptet wurde, könnte man die verfassungsrechtliche Vertretbarkeit allenfalls bei einer Befristung der Kürzungen in Erwägung ziehen. Der in § 10 des Gesetzentwurfs vorgesehene Überprüfungsvorbehalt, der ohnehin nur deklaratorischer Natur ist, entspricht dem nicht im Geringsten. Abgesehen davon, dass die Überprüfung der Auswirkungen von Gesetzen eine Selbstverständlichkeit ist, die für alle Gesetze und nicht nur für dieses zu gelten hat. Frau Ministerin hat hier sofort "oho" oder so aufgeschrien. Sie sieht es anders. Frau Ministerin, wenn Sie das anders sehen, steht es Ihnen doch frei, die Kollegen der Mehrheitsfraktion zu bewegen, noch einen Änderungsantrag einzubringen, der lautet: Das Gesetz ist bis zum 31.12.2005 befristet. Dann hätten wir zumindest in diesem Punkt überhaupt keine Divergenz. Tun Sie es oder lassen Sie es bleiben. Aber wenn Sie es bleiben lassen, können Sie die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht ausräumen.
Meine Damen und Herren, ein Weiteres: Der Gesetzentwurf hat eine beträchtliche soziale Schieflage. So werden bei Berücksichtigung der Besoldungsanpassung die Beschäftigten im mittleren Dienst bei Anwendung des Sonderzahlungsgesetzes sehr viel stärker belastet als die Beamten im höheren und gehobenen Dienst. Nach Berechnung der Gewerkschaft der Polizei erhält ein 21-jähriger lediger Polizeimeister im Jahr 2004 trotz dreimaliger Besoldungserhöhungen bei Anwendung des Sonderzahlungsgesetzes nur 8,04 % 3men als 2003. Bei einem leitenden Polizeidirektor in der höchsten Leistungsstufe beträgt die Gehaltssteigerung 2004 trotz Staffelung des Sonderzahlungsgesetzes hingegen fast 400 diese eklatante soziale Ungerechtigkeit war die Landesregierung nicht bereit, durch Änderung des Gesetzentwurfs zu bereinigen.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz - wenn es denn so verabschiedet wird - wird die Funktionsfähigkeit des Thüringer Beamtentums beeinträchtigen. Weil in den westlichen Bundesländern die Kürzungen geringer ausfallen als in Thüringen, wird die Schere, die zwischen Besoldung Ost und der Besoldung West besteht, zunehmen anstatt sich zu verringern. Die Folge wird die Abwanderung qualifizierter Beamter und/oder Richter sein. Dass die erheblichen Kürzungen, die zudem auch nicht dem Grundsatz der Besoldungsgerechtigkeit entsprechen, die Beschäftigten bei zum Teil bestehendem Beförderungsstau eher demotivieren als motivieren werden, brauche ich hier, glaube ich, nicht weiter auszuführen. Schließlich wirkt sich das Gesetz nachteilig auf die Konjunktur aus und verschlechtert einschneidend die finanzielle Situation der Beschäftigten im mittleren Dienst, nicht nur die finanzielle Situation der Beschäftigten im mittleren Dienst, sondern natürlich auch deren Familien.
Meine Damen und Herren, zwar werden die Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter infolge der einschneidenden Kürzungen nicht mehr angemessen alimentiert. Ich hoffe aber, sie werden die Auswirkungen dieser Kürzungen angemessen würdigen, und zwar nicht erst, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, 2006, sondern bereits im nächsten Jahr zu den Landtagswahlen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Niedersächsische Initiative zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes
Auf meine Frage, welche Meinung die Landesregierung zu der von der niedersächsischen Justizministerin angekündigten Bundesratsinitiative, § 18 Strafvollzugsgesetz mit dem Ziel einer Lockerung des Anspruchs der Strafgefangenen auf Einzelunterbringung zu ändern, habe, antwortete Justizminister Dr. Gasser in der 90. Sitzung des Thüringer Landtags, die Landesregierung habe sich bislang noch keine Meinung hierzu bilden können, weil ein Gesetzentwurf der niedersächsischen Justizministerin
noch nicht vorliege.
Aus einer Pressemitteilung des niedersächsischen Justizministeriums vom 25. September 2003 ist nunmehr zu schließen, dass dieser von Minister Dr. Gasser genannte Grund für eine Nichtäußerung der Landesregierung mittlerweile entfallen ist. Es heißt nämlich dort, dass bei einem Treffen der zehn Justizministerinnen und Justizminister von CDU und F.D.P. diese sich dafür ausgesprochen hätten, das Strafvollzugsgesetz zu ändern. Sie unterstützten die Gesetzesinitiative Niedersachsens zur Modifizierung der Pflicht zur Einzelunterbringung im Strafvollzug.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Modifizierungen sieht die Gesetzesinitiative Niedersachsens zur Änderung von § 18 Strafvollzugsgesetz vor?
2. Unterstützt und - gegebenenfalls - mit welcher Begründung unterstützt die Landesregierung die Gesetzesinitiative Niedersachsens?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, nach dem Grundgesetz und den Verfassungen der Länder sind Richter bekanntlich unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Diese so genannte sachliche Unabhängigkeit der Richter richtet sich in erster Linie gegen Einflussnahmen und mögliche Einflussnahmen der Exekutive. Hieraus folgt nicht nur, dass dem Richter die Möglichkeit zur Herbeiführung einer Überprüfung durch ein unabhängiges Gericht eingeräumt werden muss, wenn er sich durch eine Maßnahme der Dienstaufsicht in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt sieht. Aus dem Gebot der sachlichen Unabhängigkeit folgt weiter, dass das Disziplinarrecht der Beamten nicht uneingeschränkt auf Richter übertragen werden darf. Ich vermute, insoweit dürfte Konsens zwischen mir und Minister Dr. Gasser sowie den übrigen Kollegen im Justizausschuss bestehen, aber ganz sicher bin ich mir da nicht. Sicher bin ich mir allerdings, dass es mit dem Konsens spätestens dann vorbei ist, wenn es darum geht, das soeben beschriebene Prinzip auf den vorliegenden Gesetzentwurf anzuwenden. Hier zeigt sich nämlich, dass die Regierung Althaus in der Kontinuität der Regierung Dr. Vogel und Justizminister Dr. Gasser in der Kontinuität seines Vorgängers steht, was praktisch bedeutet, hin zu mehr Obrigkeitsstaat statt zu mehr Demokratie.
Die Vertreter der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte beanstanden im Rahmen ihrer Anhörung, dass der Gesetzentwurf die bisherige Möglichkeit beibehält, durch Disziplinarverfügung einen Verweis zu verhängen. Sie berufen sich hierbei auf die einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass dies mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit nicht angemessen sei. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss von 1977, in dem es um die Frage ging, ob dann, wenn eine schwerere Maßnahme als ein Verweis nicht in Betracht kommt, die oberste Dienstbehörde die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens beantragen dürfe, die Zulässigkeit der Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens bejaht und in diesem Zusammenhang ausführt: Das Argument, das Disziplinarrecht sei Dienstherrenrecht und verlange von dem Dienstvorgesetzten eine materielle Disziplinarentscheidung soweit seine Kompetenzen reichen, dürfte im Bereich des Beamtenrechts zwar zutreffend sein, im Bereich des Richterrechts ließe sich dagegen im Hinblick auf den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und seiner Unantastbarkeit mit guten Gründen und in Übereinstimmung mit frü
herem preußischen Recht der Standpunkt vertreten, jede Disziplinarmaßnahme dürfe nur im Wege eines förmlichen Verfahrens durch das Dienstgericht verhängt werden. Dabei sollte uns auch der in dieser Entscheidung angedeutete historische Aspekt zu denken geben, meine Damen und Herren. Der nationalsozialistische Gesetzgeber änderte nämlich 1937 die bis dahin geltende Rechtslage in Preußen, nach der bei Richtern bis 1937 Disziplinarmaßnahmen ausschließlich nur in einem förmlichen Verfahren durch das Dienstgericht verhängt werden durften. Das Deutsche Richtergesetz hat dies zwar durch Änderungen der gesetzlichen Regelung von 1997 weit gehend zurückgenommen, beim Verweis jedoch die Zuständigkeit der obersten Dienstbehörde zum Erlass einer Dienstverfügung belassen, was wieder, zum wiederholten Male also, auf die einhellige Kritik in der Literatur und der Rechtsprechung stößt.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, es muss auch in der zweiten Lesung dem Eindruck entgegengetreten werden, der Gesetzentwurf sei nicht mehr als eine bloße Anpassung an das geänderte Disziplinarrecht der Beamten, die gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nichts Wesentliches ändere. Das Disziplinarverfahren nach der alten Disziplinarordnung war bekanntlich dreigeteilt in ein Vorverfahren, in ein förmliches durch einen unabhängigen Untersuchungsführer geleitetes Disziplinarverfahren und in ein gerichtliches Verfahren, wobei das förmliche Disziplinarverfahren bei den Richtern nur durch Beschluss des Dienstgerichts eingeleitet und eingestellt werden konnte. Bestand der Verdacht eines nicht nur geringfügigen Dienstvergehens, das nach Auffassung der obersten Dienstbehörde ein förmliches Disziplinarverfahren erforderlich erscheinen ließ, so fanden vor der Beantragung des förmlichen Disziplinarverfahrens nur kurze, weitestgehend eingeschränkte Vorermittlungen statt. Nunmehr ist zu befürchten, dass vor der Erhebung der Disziplinarklage durch die oberste Dienstaufsichtsbehörde umfänglich und in aller Tiefe ermittelt wird, dass eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Disziplinarverfahrens durch das Dienstgericht vorab nicht stattfindet und schließlich die Neutralität des gegenüber dem Ministerium weisungsabhängigen Ermittlungsführers nicht gewährleistet ist.
Die beabsichtigte neue Rechtslage ist daher mit der richterlichen Unabhängigkeit noch sehr viel weniger zu vereinbaren als der bisherige bereits unbefriedigende Rechtszustand. Minister Dr. Gasser will uns glauben machen, dies sei völlig unbedenklich, weil der Richter schließlich jederzeit die Möglichkeit habe, das Dienstgericht anzurufen, wenn er sich in seiner richterlichen Unabhängigkeit durch eine Maßnahme der Dienstaufsicht beeinträchtigt sieht. Dem ist entgegenzuhalten, dass die nachträgliche Überprüfung durch das Dienstgericht regelmäßig zu spät kommt, wenn die Rechtsprechungstätigkeit bereits durch ein rechtswidriges Disziplinarverfahren beeinträchtigt worden ist.
Allein schon die Tatsache, meine Damen und Herren, dass ein im Nachhinein als rechtswidrig erkanntes Diszipli
narverfahren durchgeführt wird, beeinträchtigt den Richter in seiner laufenden Rechtsprechungstätigkeit. Und das ist genau der Punkt, an dem sich grundsätzlich das richterliche Disziplinarverfahren von dem Disziplinarverfahren der Beamten unterscheidet und unterscheiden muss.
Zu Recht haben daher Richtervertretungen im Anhörungsverfahren gefordert, dass die Einleitung disziplinarrechtlicher Ermittlungen und die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen ausschließlich dem Dienstgericht vorbehalten sein sollten. Justizminister Dr. Gasser behauptete im Ausschuss, dass bei disziplinarrechtlichen Ermittlungen und der Verhängung eines Verweises als Disziplinarverfügung niemals der Kernbereich der Rechtsprechungstätigkeit berührt werde. Das ist meines Erachtens falsch. Typische Fälle im Kernbereich der richterlichen Tätigkeit, die gelegentlich der Dienstaufsicht zugänglich sein können, sind dienstliche Äußerungen eines Richters. Nehmen wir zum Beispiel an, in einer Entscheidung stehen wertende Äußerungen, durch die sich eine Partei beleidigt sieht, so kann dies die schwierige Frage aufwerfen, ob Maßnahmen der Dienstaufsicht einschließlich eines Disziplinarverfahrens gegen den Richter möglich sind. Die Beantwortung dieser Frage sollte dem Dienstgericht und nicht der Exekutive überlassen werden.
Im Anhörungsverfahren wurden von Seiten der Richterund Staatsanwaltsvertretungen noch weitere Defizite des Gesetzentwurfs aufgezeigt, auf die ich hier wegen ihrer Spezifik nicht weiter eingehen möchte, die für mich aber sachlich und nachvollziehbar dargestellt wurden und sich schon deshalb für mich eine Abwertung als Standespolitik, im Gegensatz zu Justizminister Dr. Gasser, verbieten würde.
Sehr geehrte Damen und Herren, der von uns eingebrachte Änderungsantrag führt bei seiner Annahme zu einer Änderung des Regierungsentwurfs in vier wesentlichen Punkten.
Erstens: Disziplinarmaßnahmen können nur durch Urteil im Disziplinarklageverfahren verhängt werden.
Zweitens: Besteht der Verdacht eines Dienstvergehens, was aus Sicht des Justizministers die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme erforderlich erscheinen lässt, so ist die Einleitung eines Disziplinarverfahrens beim Dienstgericht zu beantragen.
Drittens: Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Dienstbezügen sind nur möglich, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich die Entfernung aus dem Dienst oder die Aberkennung des Ruhegehalts verhängt werden wird.
Viertens: Der Ermittlungsführer ist wie der bisherige Untersuchungsführer im förmlichen Disziplinarverfahren nicht weisungsabhängig gegenüber dem Minister.
Meine Damen und Herren, insbesondere von der Mehrheitsfraktion, ich hoffe nicht auf Ihre Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und ich bin mir an dieser Stelle sicher, Sie werden mich nicht enttäuschen.
Enttäuschen werden Sie die Richterinnen und Richter wegen der vergebenen Möglichkeit, in Thüringen ein richterliches Disziplinarrecht zu schaffen, das der sachlichen Unabhängigkeit der Richter besser als bisher gerecht wird. Aber was nicht ist, kann noch werden, nur eben nicht mit dieser Regierung und wohl nicht in dieser Legislatur. Vor diesem Hintergrund ist es gut zu wissen und auch das Wissen zu verbreiten, dass wir als PDS-Fraktion nicht nur, aber auch in Bezug auf richterliches Disziplinarrecht eine politische Alternative zur gegenwärtigen Thüringer Regierungspolitik verkörpern. Wenn ich das Abstimmungsverhalten der kleineren Oppositionspartei im Justizausschuss richtig deute, in diesem Punkt sogar die einzige Alternative. Danke.
Änderung der Kostenregelung im sozialgerichtlichen Verfahren und Einführung einer Mindestgebühr bei Anspruch auf Prozesskostenhilfe
Den Presseveröffentlichungen über das zweitägige Treffen der Justizministerinnen und Justizminister der Bundesländer in Hannover im September 2003 war zu entnehmen, dass die Justizministerinnen und Justizminister von CDU und FDP die bisher kostenfreien Gerichtsver
fahren (z.B. vor den Sozialgerichten in erster Instanz) gebührenpflichtig machen wollen und im Übrigen bei einem Anspruch auf Prozesskostenhilfe eine Mindestgebühr einzuführen beabsichtigen, um damit überflüssige Gerichtsprozesse einzudämmen.
Ich frage die Landesregierung:
Mit welcher Begründung hält die Landesregierung eine Aufhebung der Gerichtskostenfreiheit in der Sozialgerichtsbarkeit und eine Mindestgebühr bei einem Anspruch auf Prozesskostenhilfe für vereinbar mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz), dem Grundsatz der Rechtswegegarantie (Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz) sowie dem Rechtsstaats- und dem Sozialstaatsgrundsatz (Artikel 20 Abs. 1 und 3 Grundgesetz)?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die PDSFraktion begrüßt die mit diesem Gesetzentwurf vorgese
hene Ausweitung der Regelung zur Altersteilzeit für die Thüringer Beamtinnen und Beamten. Allerdings ist die Auswertung der Altersteilzeit nur dann positiv zu sehen, wenn dies nicht zur Streichung von Stellen, sondern zur Neueinstellung von Arbeit Suchenden führt. Bedenken melden wir hinsichtlich zweier Änderungen an, die der Gesetzentwurf vorsieht. Das ist zum einen die auf drei Monate verkürzte Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Sachschäden. Hier müsste sichergestellt werden, dass bei unverschuldeter Nichteinhaltung der Frist Ansprüche des Beamten nicht ausgeschlossen sind oder zumindest eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand möglich ist. Der Fall würde etwa dann praktisch werden, wenn der Beamte wegen eines Dienstunfalls objektiv gehindert ist, fristgerecht den Antrag auf Erstattung des Sachschadens zu stellen oder wenn er sich in dieser Zeit im Ausland aufhält. Der andere kritische Punkt betrifft die Ausweitung der Möglichkeit, bei Polizeibeamten die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft anzuordnen. Fiskalische Gesichtspunkte sprechen sicherlich dafür, es gibt aber auch bedenkenswerte andere Gesichtspunkte, die dagegen sprechen. Die ausschließlich fiskalischen Gesichtspunkte sollten nicht, auch wenn das gegenwärtig wohl Tendenz in diesem hohen Hause ist, der alleinige Maßstab sein. Ich denke, eine öffentliche Anhörung im Innenausschuss sollte diesbezüglich weiteren Aufschluss bringen. Wir beantragen deshalb die Überweisung an den Innenausschuss.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, wir lehnen die im Sonderzahlungsgesetz vorgesehenen Kürzungen ausnahmslos ab, während man in dem Gesetz über die Anpassung von Bezügen von Beamten der Besoldungsgruppen B9 und B10 sicherlich zustimmen kann.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, die PDS ist nach wie vor für ein einheitliches Dienstrecht für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst.
Wir sehen uns in dieser Forderung auch durch die hier und heute zu behandelnde Gesetzesvorlage über die Gewährung von Sonderzahlungen geradezu bestätigt. Weil es nämlich dann im anderen Fall nicht mehr möglich sein wird, eine Gruppe des öffentlichen Dienstes gegen eine andere auszuspielen mit dem Ergebnis, dass beide verlieren. Von der Öffentlichkeit vielfach gar nicht wahrgenommen, mussten in der Vergangenheit Beamte und Richter bereits eine Reihe von Einschnitten bei Dienstbezügen und Versorgungsleistungen hinnehmen. Ich erinnere hier nur daran, dass seit 1993 die Anpassung an die Tarifergebnisse der Beschäftigten, Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst insgesamt sechsmal zeit
lich verschoben wurde. Die Beihilfe wurde 2002 zuletzt deutlich verschlechtert. Zum Aufbau der Versorgungsrücklagen wurden Besoldungsabschläge einbehalten. Die Beamtenversorgung wurde von 78,75 Prozent auf 75 Prozent gekürzt und bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Dienst wurden zusätzliche Abschläge von bis zu 10,8 Prozent der Versorgung eingeführt, nur um einige Beispiele zu nennen. Nunmehr soll auf der Grundlage der Öffnungsklausel im Bundesbesoldungsgesetz das Urlaubsgeld komplett gestrichen und das Weihnachtsgeld gekürzt werden. Und die Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 41 Wochenstunden ohne einen finanziellen Ausgleich, da ist auch noch nicht das letzte Wort gesprochen, wie das wohl im Moment nur aus wahltaktischen Überlegungen vom Tisch ist. Ich habe den Eindruck, dass das Problem dann auf die Zeit nach der Landtagswahl verschoben werden soll.
Um eine Vorstellung von dem Umfang der Kürzungen, die hier ins Haus stehen, zu bekommen, meine Damen und Herren: Bei einem Beamten der Besoldungsgruppe A7 würde eine Reduzierung des Weihnachtsgeldes auf 45 Prozent einen Einkommensverlust von 360 ;* lich, und das sind immerhin 1,2 Prozent seines Jahresgehaltes, ausmachen. Bei einem Beamten der Besoldungsgruppe 12 würde die Reduzierung des Weihnachtsgeldes sogar 1,7 Prozent seines Jahresgehaltes betragen. Ob Kürzungen in dieser Größenordnung die Binnenkonjunktur beleben oder die Motivation der Beamten fördern werden, meine Damen und Herren, darf getrost bezweifelt werden. Aber es sind noch ganz andere Gründe, weshalb wir Nein zu den Kürzungen sagen. Zunächst sind es nicht geringe Bedenken, die sich aus dem verfassungsrechtlich garantierten beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip ergeben. Ausdruck des Alimentationsprinzips ist § 14 Bundesbesoldungsgesetz. Danach wird die Besoldung entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der mit den Dienstaufgaben verbundenen Verantwortung durch Bundesgesetz regelmäßig angepasst. Hierauf beruhte die bislang in der Geschichte der Bundesrepublik praktizierte Anpassung der Beamtenbesoldung entsprechend der Entwicklung der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst. Diese bisherige, wenn auch zum Teil mit erheblicher zeitlicher Verzögerung erfolgte Anpassung an den BAT wird nunmehr endgültig preisgegeben. Damit entwickelt sich die Beamtenbesoldung nicht mehr entsprechend der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse. Die Strategie, meine Damen und Herren, ist klar. Die Beamten und Richter werden damit von Seiten der öffentlichen Arbeitgeber als Verhandlungsmasse für die anstehenden Tarifverhandlungen gebraucht, um nicht zu sagen missbraucht.
Man kann natürlich immer damit argumentieren, dass das Alimentationsprinzip in einem Spannungsverhältnis zu den die öffentlichen Haushalte betreffenden Verfassungsgrundsätzen steht, wie etwa dem Grundsatz, dass Bund und Länder für ihre Haushaltswirtschaft dem ge
samtwirtschaftlichen Gleichgewicht Rechnung tragen müssen. Wenn das so ist, meine Damen und Herren, und die Beamten und Richter im Interesse des Gemeinwohls einen Beitrag zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu leisten haben, stellt sich allerdings die Frage, weshalb nicht eine zeitliche Befristung der Kürzungen im Gesetz vorgesehen ist. Die Kürzungen sind zeitlich unbefristet vorgesehen und es ist offenbar auch nicht beabsichtigt, sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder rückgängig zu machen. Das Fehlen einer zeitlichen Befristung halten wir für verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.
Eine einseitige Kürzung der Beamtenbesoldung durch den Gesetzgeber ohne Berücksichtigung der Entwicklung des Tarifrechts kann allein schon deshalb nicht hingenommen werden, weil Beamten und Richtern die Möglichkeit verwehrt ist, hierauf mit Arbeitskampfmaßnahmen adäquat zu reagieren. Es ist untragbar, dass Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter für eine verfehlte Haushalts- und Finanzpolitik des Staates in die Verantwortung genommen werden sollen.
Schließlich ist es auch nicht im Interesse eines effizienten öffentlichen Dienstes, wenn die bisherige bundeseinheitliche Lösung bei der Beamtenbesoldung preisgegeben wird. Die Aufgabe der Rechtseinheit wird schließlich zu einem Konkurrenzverhältnis zwischen reichen und armen Bundesländern mit der entsprechenden Folge einer Abwanderung qualifizierter Richter und Beamter.
Meine Damen und Herren, ich meine, so ganz nebenbei ist das auch ein weiterer Schritt in Richtung Entsolidarisierung der Bundesländer, denn die tragende Begründung der Öffnungsklausel war wohl, der unterschiedlichen finanziellen Leistungskraft der einzelnen Länder besser Rechnung tragen zu wollen. Wenn aber auf diese Weise die unterschiedlichen Lebensverhältnisse akzeptiert werden, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der weiteren Geschäftsgrundlage für den Länderfinanzausgleich. Meine Fraktion wird bei den Beratungen im Ausschuss die Durchführung einer öffentlichen Anhörung zum Sonderzahlungsgesetz beantragen. Unserer Meinung nach gehört der Gesetzentwurf in den Innenausschuss als dem federführenden Ausschuss. Seine Beratung muss primär die Auswirkung des Gesetzentwurfs auf den Zustand des öffentlichen Dienstes und auf die Lebensverhältnisse der Beamten und Richter und deren Familien betrachten und nicht die Auffüllung der öffentlichen Kassen auf Kosten derer, die sich am schlechtesten dagegen wehren können, zum Ziel haben.
Wir beantragen daher die Überweisung an den Innenausschuss als den federführenden Ausschuss. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn man dem Bundesverband Deutscher Banken folgt, dann wird langfristig, also etwa bis zum Jahr 2013, mit einem klaren Trend zu mehr Markt- und Eigenverantwortung das deutsche Gesundheitssystem umgebaut sein. Der Gesundheitssektor wird zu einem Konsumentenmarkt entwickelt, wo vor allem die freiwillig erbrachten Ausgaben für Gesundheitsleistungen überdurchschnittlich steigen werden. Spekuliert wird unter anderem auf die heute noch relativ hohe Kaufkraft von Senioren. Errechnet wurde für den deutschen Markt ein Wachstumspotenzial von rund 60 Mrd. ( ( Erachtens der eigentliche Grund, weshalb den Menschen seit Jahren suggeriert wird, das deutsche Gesundheitswesen wird immer teurer und ist nicht mehr finanzierbar. Tatsache ist aber, dass das Verhältnis der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen zum Bruttoinlandsprodukt relativ gleich geblieben ist, beispielsweise 1991 6,5 Prozent, 1996 7 Prozent, 2001 6,3 Prozent. Der Anteil der gesamten Gesundheitsausgaben betrug in 1991 9,1 Prozent, in 1996 10,9 Prozent, in 2001 10,0 Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland. Tatsache ist, dass durch die hohe Arbeitslosigkeit immer weniger Menschen in das System einzahlen und jene, die von Miet- und Zinseinnahmen leben, kaum etwas für die Gesundheit ausgeben müssen. Tatsache ist, die geplante Gesundheitsreform wird eine Kostenerhöhung für Patienten bringen. Es ist deshalb meines Erachtens nicht verwunderlich, dass Regierungsmehrheit und CDU-Opposition in Berlin sich in den Bereichen einigen konnten, in denen es um die Ausgrenzung von Leistungen und um die Entlastung der Arbeitgeberseite geht. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung soll um die Positionen Zahnersatz, Mutterschaftsgeld, Krankengeld, nicht verschreibungspflichtige Medikamente und Fahrtkosten erleichtert werden, um die Beitragssätze um 0,9 Prozentpunkte zu senken. Tatsache ist, diese Leistungsausgrenzung wird zu weiterer Entsolidarisierung führen. Die strukturpolitischen Elemente, die eine Neuordnung des Gesundheitswesen zur Folge gehabt hätten, sind entweder gestrichen oder verwässert worden. Auf Druck der Pharmalobby wurden die vierte Hürde bei der Arzneimittelzulassung und die Positivliste gekippt. Dabei hätte die Positivliste endlich einmal mit dem Überangebot von mehr als 40.000 verschreibungspflichtigen Präparaten aufräumen können. Durch den jetzt drohenden massiven Leistungsabbau durch die Privatisierung von Kassenleistungen, also Zahnersatz und Krankengeld, durch enorm steigende und neue Zuzahlungen bei Krankheit für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel im Krankenhaus und beim Arzt, durch den Wegfall der bisher geltenden Härtefall- und Überforderungsklauseln zu Gunsten sozial Schwacher und chronisch Kranker, durch die Herausnahme frauenspezifischer Leistungen, werden das Solidaritäts- und das Sachleistungsprinzip sowie die pa
ritätische Beitragsverpflichtung durch die Unternehmen bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht bzw. aufgekündigt. Die AOK Thüringen klagt in einem Schreiben vom August dieses Jahres darüber, dass die neuen Härtefallregelungen zu erheblichen wettbewerblichen Verwerfungen zu Lasten der AOK, insbesondere der AOK Ost führen werden. Das wirft die Frage nach dem Sinn von Wettbewerb im Gesundheitswesen und zwischen den Krankenkassen in Sonderheit auf. Aber auch die Frage muss gestattet sein, brauchen wir so viele Krankenkassen überhaupt?
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird eine neue Dimension der Umverteilung von unten nach oben bewirkt. Das Modell in der Schweiz zeigt, dass eine Privatisierung von Kassenleistungen, und zwar egal unter welchem Namen sie läuft, Bürgerversicherung und/oder Kopfpauschale, lediglich eine Kostenverschiebung darstellt, aber die Dynamik der Ausgaben nicht aufhält. Deshalb fordert die PDS-Fraktion die Landesregierung auf, sich entsprechend unseres Antrags für Nachverhandlungen einzusetzen und den vorliegenden Gesetzestext im Bundesrat abzulehnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, den Bericht des Justizausschusses zu den Tagesordnungspunkten 1 a und b erstatte ich wie folgt: Der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion in der Drucksache 3/2619 und der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion in der Drucksache 3/2646 wurden in erster Lesung in der 27. Plenarsitzung am 22. August 2002 beraten. Beide Gesetzentwürfe wurden zur weiteren Beratung an den Justizausschuss überwiesen. Der Justizausschuss beriet die beiden Gesetzentwürfe in seiner 39., 44. und 46. Sitzung nicht abschließend, weil eine Entscheidung der Landesregierung für einen Vorschlag zu einer Änderung in diesem Bereich avisiert worden war. Nachdem die Regierung wohl am 27. Mai 2003 einen Kabinettsbeschluss hinsichtlich der Vergütung von Nebentätigkeiten der Minister gefasst hatte, wurden die beiden Gesetzentwürfe in der 50. Sitzung des Justizausschusses am 28. August 2003 abschließend beraten und mehrheitlich beschlossen, dem Plenum zu empfehlen, die Gesetzentwürfe abzulehnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben mit dem Gesetzentwurf in der Drucksache 3/2619 einen Vorschlag zur Änderung des § 5 Thüringer Ministergesetz eingebracht. Dieser Vorschlag ist denkbar einfach. § 5 Thüringer Ministergesetz regelt, welche Tätigkeiten Mitglieder der Landesregierung neben der Wahrnehmung ihres Amts als Minister nicht oder nur mit Genehmigung ausüben dürfen. Das Thüringer Ministergesetz enthält dagegen bislang keine Vorschrift, die die Kabinettsmitglieder hinsichtlich der Annahme und der Verfügung über Entgelte, die sie aufgrund legaler Nebentätigkeiten erhalten, beschränkt. Ferner fehlen gesetzliche Bestimmungen, die den Umgang mit Geschenken, die Minister im Zusammenhang mit ihrer Amtsausübung erhalten, regeln. Das ist ein Defizit des Gesetzes, wie sich beim Bekanntwerden einer umfänglichen Vortragstätigkeit der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst gezeigt hat. Die hierdurch ausgelöste Resonanz in der Öffentlichkeit hat offenbart, dass ein dringender Handlungsbedarf in dieser Frage besteht. Es muss ja nicht erst der Fall eintreten, dass Minister aufgrund materieller Vorteile, die sie durch legale Ausübung von Nebentätigkeiten erhalten, in der Wahrnehmung ihres Ministeramts beeinflusst werden. Es reicht nach meinem Dafürhalten allein schon der Anschein aus, Minister könnten aufgrund solcher Tätigkeiten beeinflussbar sein oder beeinflussbar werden, um damit dem Ansehen der Regierung und der Demokratie schwersten Schaden zuzufügen.
Das hat wohl auch die Landesregierung erkannt. Andernfalls hätte sie sich nicht Gedanken darüber gemacht, ob durch Änderung des Ministergesetzes oder durch einen Kabinettsbeschluss auf dieses Defizit zu reagieren ist. Ich fasse den Inhalt unseres Gesetzgebungsvorschlags kurz wie folgt zusammen: Durch Änderung des § 5 Ministergesetz werden Pflichten der Mitglieder der Landesregierung geregelt, die die Annahme und Abführung von Entgelten und geldwerten Vorteilen betreffen, die sie aufgrund der Ausübung legaler Nebentätigkeiten erhalten. Weil es bei Vortragstätigkeiten im Einzelfall unklar sein kann, ob die Vortragstätigkeit im Zusammenhang mit der Ausübung des Amts als Minister steht oder nicht oder ob es sich um eine wissenschaftliche oder eine nicht wissenschaftliche Vortragstätigkeit handelt, schlagen wir eine klare und völlig unzweideutige Regelung vor: Empfangene Entgelte oder geldwerte Vorteile aufgrund einer Vortragstätigkeit müssen ausnahmslos und unverzüglich an die Thüringer Ehrenamtsstiftung abgeführt werden.
Bei den Entgelten und geldwerten Vorteilen aufgrund einer genehmigten Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 2 oder einer Tätigkeit im Vorstand, Aufsichtsrat, Verwaltungsrat oder einem sonstigen Organ eines nicht auf Erwerb gerichteten Unternehmens gilt eine Höchstgrenze von 6.000 im Jahr; darüber hinaus erhaltene Vergütungen sind ebenfalls an die Thüringer Ehrenamtsstiftung abzuführen.
Damit die Einhaltung dieser Vorschrift kontrolliert werden kann, sieht unser Gesetzentwurf eine jährliche Mitteilungspflicht der Mitglieder der Landesregierung vor und verpflichtet die Landesregierung zu einer jährlichen Berichterstattung darüber gegenüber dem Landtag. Hinsichtlich der Geschenke, welche die Mitglieder der Landesregierung im Zusammenhang mit ihrem Amt erhalten, sehen wir eine Mitteilungspflicht gegenüber der Landesregierung vor. Die Landesregierung entscheidet dann über die Verwendung der Geschenke. So weit in Grundzügen unsere Vorstellungen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, diese gesetzlichen Bestimmungen, die wir vorschlagen, stellen aus unserer Sicht Mindestanforderungen dar, wie mit Vorteilen aufgrund von Nebentätigkeiten und mit Geschenken umzugehen ist. Die Landesregierung ist gleichwohl nicht daran gehindert, intern durch Kabinettsbeschluss ihren Mitgliedern weiter gehende Auflagen zu machen. Durch einen Kabinettsbeschluss wird aber eine gesetzliche Regelung nicht überflüssig. Ein Kabinettsbeschluss kann bekanntermaßen jederzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit wieder aufgehoben und abgeändert werden. Eine neue Regierung ist im Übrigen auch nicht mehr an den Kabinettsbeschluss des Vorgängerkabinetts gebunden.
Die Diskontinuität von Kabinettsbeschlüssen ergibt sich aus Artikel 75 Abs. 2 der Thüringer Verfassung, der die Amtszeit aller Minister an die Amtszeit des Ministerpräsidenten bindet. Endet das Amt des Ministerpräsidenten, enden damit auch die Ämter der Minister. Diese enge Kopplung der Amtszeit der Minister an die Amtszeit des Ministerpräsidenten hat den Sinn, einem neu gewählten Ministerpräsidenten bei der Regierungsbildung freie Hand zu geben. So im Übrigen auch die Kommentierung zur Thüringer Verfassung in Linck und andere zu Artikel 75 der Verfassung. Darin kommt ganz deutlich der unbedingte Wille der Verfassung zu strikter Diskontinuität bezüglich des Amtsverhältnisses zum Ausdruck. Was für die Ämter der Minister gilt, muss dann aber erst recht für Beschlüsse des vorhergehenden Kabinetts gelten, die nur die Wirkung einer Selbstbindung haben können. Auch durch solche Beschlüsse mit Selbstbindungswirkung soll ein nachfolgender Ministerpräsident und sein neues Kabinett dann in seiner zukünftigen Regierungsarbeit nicht gebunden werden.
Wen dieses Argument nicht überzeugt, für den habe ich noch ein weiteres Argument, meine Damen und Herren. Für die Geschäftsordnung der Thüringer Landesregierung gilt unstreitig der Grundsatz der Diskontinuität, so im Übrigen auch die einschlägige Kommentierung zu Artikel 76 der Thüringer Verfassung in Linck und andere. Da auch die Geschäftsordnung der Landesregierung durch einfachen Mehrheitsbeschluss zustande kommt, ist der Beschluss über die Geschäftsordnung der Landesregierung rechtlich nicht anders zu bewerten als ein Kabinettsbeschluss über die Selbstverpflichtung, Nebeneinnahmen der Minister in bestimmter Form transparent zu machen oder der Staatskasse zuzuführen. Eine Regelung, die in einem Gesetzgebungsverfahren unter den Augen der Öffentlichkeit gefunden wird, ist nicht nur die demokratische Lösung schlechthin, meine Damen und Herren, sie ist im Übrigen nach meiner Ansicht die einzige Lösung, die dem Gebot der Transparenz genügt. Gerade Letzteres ist entscheidend, wenn es um das Ansehen der demokratischen Organe, wie hier der Regierung, geht. Ich denke, dass dies zunächst auch die Landesregierung so gesehen hat. Anders kann ich mir nicht erklären, dass noch im April dieses Jahres die die Regierung tragende und damit regierungsnah stehende Mehrheit im Justizausschuss die Auffassung vertrat, die Landesregierung werde in nächster Zeit einen eigenen Gesetzentwurf in der Frage der Vergütung von Nebentätigkeiten einbringen. Dass sich die Landesregierung nunmehr auf einen bloßen Kabinettsbeschluss zurückzieht, dessen Bindungswirkung juristisch zumindest umstritten und seine zeitliche Wirkung begrenzt ist oder wohl richtigerweise war,
trägt nicht zur vertrauensbildenden Transparenz bei, sondern bewirkt das Gegenteil. Die von meiner Fraktion vorgeschlagene Lösung ist die bessere.
Ich bitte Sie daher, dem Gesetzentwurf der PDS-Fraktion Ihre Zustimmung zu geben.
Erschwerte Außenkontakte und gemeinschaftliche Unterbringung von Gefangenen im Strafvollzug
Erstmalig gab es in Deutschland in der thüringischen Reformstrafanstalt Untermaßfeld von 1922 bis 1933 Ansätze für einen Strafvollzug mit der Perspektive, das Leben in der Anstalt möglichst weit gehend dem normalen Leben anzugleichen. Im Jubiläumsjahr, 80 Jahre danach, verdichten sich allerdings die Hinweise darauf, dass der Angleichungs- und Eingliederungsgedanke, der nach § 3 Strafvollzugsgesetz als Vollzugsgrundsatz für die Anstalten und Gerichte verbindlich ist, in der Justizvollzugsanstalt Untermaßfeld nicht ausreichend berücksichtigt wird. So werden die Kontakte der Gefangenen zur Außenwelt, insbesondere zu Angehörigen, Anwälten und Behörden, dadurch erschwert, dass es Gefangenen nur zweimal im Monat gestattet ist, zu telefonieren. Aber selbst der Briefverkehr ist trotz des gesetzlichen Anspruchs nach § 28 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz nicht unbeschränkt gewährleistet, weil die Gefangenen über Briefmarken zur Frankierung von Briefen nur eingeschränkt verfügen dürfen.
Im Übrigen widerspricht der Zustand der mit zwei und mehr Gefangenen belegten Zellen dem Grundsatz nach § 3 Strafvollzugsgesetz, den Vollzug so weit als möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen, weil wegen der räumlichen Verhältnisse in den Zellen die Gefangenen nicht ihre Intim- und Privatsphäre wahren können.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Ferngespräche können Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Untermaßfeld an wie vielen Tagen im Monat von welchen Fernsprecheinrichtungen aus führen?
2. Sind in der Praxis der Justizvollzugsanstalt Untermaßfeld Gespräche mit Verteidigern und mit Angehörigen oder sonstigen nahe stehenden Personen hinlängliche Gründe, um einem Gefangenen Ferngespräche regelmäßig zu gestatten?
3. In welchem Umfang können Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Untermaßfeld über Briefmarken zur Absendung von Schreiben verfügen oder wird den Gefangenen gegebenenfalls sonst ermöglicht, frankierte Schreiben in unbeschränkter Anzahl abzusenden?
4. Welche Meinung hat die Landesregierung zu der von der niedersächsischen Justizministerin angekündigten Bundesratsinitiative, § 18 Strafvollzugsgesetz mit dem Ziel einer Lockerung des Anspruchs der Strafgefangenen auf Einzelunterbringung zu ändern?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die landesdisziplinarrechtlichen Vorschriften außerhalb des Thüringer Disziplinargesetzes sind mit Letzterem nicht kompatibel, weil sie sich in diesem Punkt noch auf die alte Disziplinarordnung beziehen. Also, bei der Notwendigkeit einer Änderung besteht sicherlich Übereinstimmung zwischen Regierung und Opposition. Wir können dem Regierungsentwurf aber nicht folgen, wenn es um die Frage geht, wie die Anpassung zu erfolgen hat. Der Regierungsentwurf wählt eine denkbar einfache Lösung, das bedeutet aber nicht, dass die einfache Lösung die unproblematische ist, sondern genau in diesem Punkt ist es eine problematische. Dieser Regierungsentwurf be
schränkt sich im Wesentlichen auf eine sprachliche Anpassung der disziplinarrechtlichen Vorschriften beim Landesrechnungshof, den Richtern und Staatsanwälten. Das führt beim Disziplinarrecht der Richter und Staatsanwälte zu einer Änderung, die mit Blick auf das Gebot der richterlichen Unabhängigkeit derart erheblich ist, dass ich bereits an dieser Stelle, also in der ersten Lesung, meine Bedenken äußern muss. Beim Disziplinarrecht der Richter und Staatsanwälte ist sowohl im Bund als auch in den Ländern die zentrale Bestimmung ein Verweis auf das Disziplinarrecht bei den Beamten. Im Thüringer Richtergesetz ist das der § 16. Danach gelten in Disziplinarsachen gegen Richter und Staatsanwälte die Bestimmungen des Disziplinarrechts der Beamten entsprechend. Durch die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beabsichtigte Anpassung an das Thüringer Disziplinargesetz vom 21. Juni 2002 hat dies folgende einschneidende Konsequenzen, meine Damen und Herren: Bekanntlich war Voraussetzung nach dem alten Disziplinarrecht für den Erlass einer Disziplinarverfügung oder die Einreichung einer Anschuldigungsschrift beim Disziplinargericht die Durchführung eines förmlichen Disziplinarverfahrens. Nach der Bundesdisziplinarordnung und den Disziplinarordnungen der Länder befand die Einleitungsbehörde, also der Dienstherr, über die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens. Abweichend hiervon bestand bei den Richtern und Staatsanwälten die Besonderheit, dass das Dienstgericht auf Antrag des Justizministers über die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens entschied. Entsprechend entschied das Dienstgericht auch über die Einstellung des förmlichen Disziplinarverfahrens. Der Grund für diese abweichende Regelung bestand darin, die Richter vor ungerechtfertigten Eingriffen der Exekutive in ihrer durch richterliche Unabhängigkeit gekennzeichnete Rechtsstellung zu schützen. Dieses durch die Gewaltenteilung begründete und in der Weimarer Republik praktizierte Disziplinarrecht bei den Richtern und Staatsanwälten wurde bereits einmal, nämlich im Jahr 1937, abgeschafft. Nach der NS-Diktatur wurde mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit die Notwendigkeit gesehen, die Zuständigkeit des Disziplinargerichts bei der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens erneut einzuführen. Mit der Reform des Bundesdisziplinarrechts, die der Thüringer Gesetzgeber im Wesentlichen mit dem Thüringer Disziplinargesetz übernommen hat, entfällt nunmehr für die Beamten das förmliche Disziplinarverfahren. Würde der vorliegende Gesetzentwurf unverändert in Kraft treten, so entfiele auch für die Richter und Staatsanwälte in Thüringen das förmliche Disziplinarverfahren. Damit entfiele gleichzeitig auch der Schutz vor Eingriffen des Justizministeriums in die Rechtsstellung der Richter, der mit Prüfung durch das Disziplinargericht, ob ein förmliches Disziplinarverfahren einzuleiten ist, gewährleistet war. Im Übrigen ist auch die Entscheidung des Disziplinargerichts über die Einstellung disziplinarrechtlicher Ermittlungen nicht ohne Belang. Nicht nur, weil häufig ein Interesse des betroffenen Richters oder Staatsanwalts an einer Selbstreinigung besteht, wenn ihm zu Unrecht ein Dienstvergehen angelastet wird. Es ist mitunter auch im
Interesse des Ansehens der Justiz geboten, dass disziplinarrechtliche Ermittlungen fortgeführt werden, um den Verdacht für das Vorliegen eines Dienstvergehens auszuräumen.
Meine Damen und Herren, erwähnen möchte ich noch den weisungsabhängigen Ermittlungsführer, der mit der beabsichtigten Anpassung an das Disziplinarrecht der Beamten den bisherigen unabhängigen und weisungsfreien Untersuchungsführer ersetzen würde. Auch diese Änderung scheint mir mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit bedenklich und deren Revision bedenkenswert zu sein. Aus meiner Sicht spricht mit Blick auf die Gewaltenteilung einiges dafür, abweichend von der Rechtslage bei den Beamten, bei Richtern und Staatsanwälten das förmliche Disziplinarverfahren mit Zuständigkeit des Dienstgerichts für dessen Einleitung und Einstellung im Richtergesetz zu regeln bzw. beizubehalten.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist offenkundig nicht so harmlos, wie es auf den ersten Blick erscheint. Es besteht Diskussionsbedarf. Eine Anhörung der betroffenen Richter und Staatsanwälte im Justizausschuss halte ich für unverzichtbar. Ich beantrage daher auch namens meiner Fraktion die Überweisung an den Justizausschuss. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich beneide den Abgeordneten Fiedler immer wieder ob seines Temperaments, das er hier am Pult entwickeln kann. Ich wünschte mir, ich hätte nur 40 Prozent davon.
Ich kann auch nichts dafür, aber ich muss doch mal die Möglichkeit haben, insofern ein bisschen neidisch auf Sie zu blicken, Kollege Fiedler. Ich hätte nämlich dann auch die Möglichkeit, das Ganze interessanter zu machen. Wenn ich aber mal die Vorteile, die Sie mir gegenüber haben, beiseite lasse, erwecken Sie ja den Eindruck, als wäre das, was in diesem Wasser- und Abwasserzweckverband "Oberes Rinnetal" abgelaufen sei, die absolute Ausnahme von dem normalen Leben.
Dann sind wir möglicherweise sogar einer Meinung. Ich bin nämlich der Auffassung, dass dies die Spitze eines Eisbergs ist.
Meine Damen und Herren, wenn auf einem Plakat auf einer Protestveranstaltung, die am 13. Januar dieses Jahres in Königsee stattfand, zu lesen war: "Wenn Ihr nicht reagiert, dann nehmen wir euch die Macht", dann sollte uns das schon zum Nachdenken in der Weise anregen, ob das tatsächlich nur eine Frage der Vermittlung einer Rechtslage ist oder ob denn nicht mehr dahinter steckt. Ich bin der Auffassung, dass alles, was im Zusammenhang mit den Beitragserhebungen an Unmut, an Unruhe, an Unverständnis aufgekommen ist, nicht nur ein Vermittlungsproblem ist. Es ist sicherlich auch ein Vermittlungsproblem, aber wenn wir es uns anschauen, sehen wir, welche Schwierigkeiten darin stecken. Welcher Bürger, der durchweg betroffen ist, kann denn die Begriffe "grundstücksbezogener Gebrauchsvorteil", "pauschalierte Tiefenbegrenzung", "Altanlagen", "Altanschlussnehmer", "organisatorischrechtlicher Einrichtungsbegriff" fassen? Wer kann denn damit umgehen? Wenn das schon so kompliziert zu fassen ist, ist natürlich das Vermittlungsproblem, das dahinter steckt, umso komplizierter. Ich meine, wir müssten weiter gehend darüber nachdenken, als der Kollege Fiedler das hier getan hat, und etwas dafür tun, dass das Kommunalabgabenrecht nicht nur als ungerecht empfunden wird, sondern der Bürger auch die Möglichkeit hat, dieses Kommunalabgabenrecht zu begreifen und für sich als gerecht
zu empfinden. Ich denke, das ist die Aufgabe der Politik, der wir uns zu stellen haben.
Die Politik, meine Damen und Herren, und da nehme ich mich ja doch nicht aus, hat die Beteiligten zu Betroffenen gemacht. Es kommt aber darauf an, die Betroffenen wieder zu Beteiligten zu machen.
Deswegen meine ich, dass die Kommunen auch tatsächliche Ausgestaltungsmöglichkeiten für ihr Satzungsrecht brauchen, so dass auf regionale Besonderheiten - und sei es auch hausgemachter Art - und regionale Fehlleistungen angemessen reagiert werden kann. Ich meine, das, was in diesem Wasser- und Abwasserzweckverband "Oberes Rinnetal" passiert ist, darf nicht kommunale Praxis werden.
Was ist passiert? Bürgermeister der Verbandssatzung haben lange Zeit diese verfehlte Geschäftspolitik mitgetragen. Sie haben sie aber irgendwann und noch nicht zu spät erkannt. Was ist dann passiert? Die Verbandsversammlung hat dann Anfang Dezember 2002 die Aussetzung der Bescheide beschlossen. Und dann schlug die Kommunalaufsicht zu. Die Bürgermeister wurden ihres Amtes als Verbandsräte enthoben. Es wurden ein Beauftragter eingesetzt und Bescheide verschickt.
Nein, da muss ich Sie korrigieren. Eben nicht, weil zwischenzeitlich das Verwaltungsgericht entschieden hat, dass das eben nicht rechtmäßig war. Da können Sie zwar reinrufen "zu Recht" - es ist eben nicht so.
Ja. Das ist also eine höchst undemokratische Verfahrensweise, von der ich meine, sie darf nicht zur Regel werden und sie zeigt aber auch die Enge des Spielraums, den Verbandsräte doch tatsächlich haben.
Meine Damen und Herren, ich denke, hier müssen wir darüber nachdenken, das Ganze transparenter und letztendlich akzeptabler zu machen. Ich denke, das sollte unsere Schlussfolgerung aus den Bürgerprotesten sein.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Rede des neuen Justizministers war, wie ich das auch aus der Vergangenheit kenne, sehr anregend. Sie hat mich bei zwei Punkten zum Nachdenken gezwungen und das will ich Ihnen nicht vorenthalten, soweit dürften Sie mich ja kennen. Zum einen hat er sich juristisch, wie ich meine, sehr sauber zur Aufgabe und Rolle der Staatsanwaltschaften im Freistaat Thüringen geäußert und hat sich geäußert im Verhältnis Staatsanwälte und Gerichte zum Justizministerium. Das Problem war aber in der Vergangenheit nicht dieses, sondern in umgekehrter Richtung, nämlich das Verhältnis des Justizministeriums zur eigenständigen
Aufgabe der Staatsanwaltschaften und Gerichte.
Ich habe mich an der Stelle gefragt: Warum hat sein Vorgänger im Amt genau diese Rede nicht gehalten, als hier im Plenum die Vorgänge anlässlich der Durchsuchung der Staatskanzlei behandelt worden sind?
Die für mich einfache Erklärung lautet: Zum damaligen Zeitpunkt wäre natürlich diese Darstellung im Vergleich zur Realität deplatziert oder desillusionierend gewesen. Aber genau diese Erfahrungen sind die Beweggründe dafür, dass gefordert wird, externen Sachverstand einzuführen. Die Beweggründe sind ja nicht, dass die Staatsanwälte nicht geeignet oder unfähig wären, die Ermittlungen zu führen, sondern es sind die Erfahrungen, die auch parlamentsnotorisch feststellbar sind, dass Einflussnahmen geschehen sind.
Es gibt auch viele Missverständnisse oder zielgerichtete Fehlinterpretationen. Um das auch ganz klar und deutlich zu sagen: An einer Stelle stimme ich mit dem Justizminister völlig überein, nämlich an der Stelle, als er sagt, ich zolle der Staatsanwaltschaft und ihrer Arbeit hohen Respekt. Meine Damen und Herren, auch ich zolle der Staatsanwaltschaft und ihrer Arbeit einen hohen Respekt, aber ich werde auch weiterhin keine Einflussnahme, keine unzulässige Einflussnahme des Justizministeriums auf die Arbeit der Staatsanwälte und Gerichte dulden
und das ist der Unterschied.
Ein zweiter Punkt: Wir haben kurz zuvor Herrn Innenminister Köckert gehört und wir haben - zumindest ich seine Konsequenz vernommen, nämlich um die Entlassung zu ersuchen. In der Rede des Justizministers kam dieser Punkt überhaupt nicht vor.
Ich erlaube mir daher,
für die Damen und Herren Abgeordneten in der Mitte des hohen Hauses, die die Mehrheit darstellen...
und die also jetzt ganz verwundert aufschreien: "Warum?" Ich komme jetzt genau zu dem Punkt. Tagesordnungspunkt ist nämlich "Vorwurf des Geheimnisverrats im Thüringer Innenministerium". Dazu möchte ich auch noch drei Anmerkungen machen:
Meine Damen und Herren, der Minister hat heute eingeräumt, dass er seinen Pressesprecher beauftragt hat, erste Recherchen anzustellen. Ergebnis ist, eine CD mit den sensiblen Daten ist verschwunden. Letzte Woche Donnerstag im Innenausschuss war der Innenminister entweder nicht gewillt oder nicht in der Lage, ein detailliertes Wegebild dieser beinahe massenhaften Vermehrung einer Sicherungskopie darzustellen und es gab dort wohl auch keine Äußerung, dass eine CD mit diesen Daten verschwunden ist. Ich glaube nicht, meine Damen und Herren, dass das Verschwinden der CD erst nach dem Donnerstag vergangener Woche dem Innenminister bekannt geworden ist. Nach meinem Verständnis der Dinge liegt es auf der Hand, wenn ich Daten angefordert habe und solche tauchen irgendwo auf, dass ich dann erst einmal frage: Wo ist denn das? Aber, ich glaube, dass es gar nicht auf meinen Glauben ankommt, sondern objektiv, meine Damen und Herren, geht es um hochsensible Daten und darum, dass diese seit über einem Jahr in einem unkontrollierten Umlauf sind. Das heißt, ich muss das eigentlich präziser fassen: Es ist seit über einem Jahr bekannt, dass sie in einem unkontrollierten Umlauf sind und seitdem ist nicht festgestellt, woher, das heißt aus welcher Quelle, diese Daten stammen, die im Umlauf sind. Die Landesregierung fordert Aufklärung - totale Aufklärung, zügige Aufklärung, messerscharfe Aufklärung - und alles so etwas, was wir heute und in den vergangenen Tagen gehört haben.
Meine Damen und Herren, ich darf Herrn Ministerpräsidenten Vogel in seiner Äußerung in der Plenarsitzung vom 14. Juni 2001 zitieren - Frau Präsidentin, Sie gestatten: "Wir haben schon vor vier Jahren damit gerechnet, dass das, wenn das nicht ein Diebstahl war, weil jemand ein modernes Gerät haben wollte, möglicherweise eines Tages wieder auftauchen würde und möglicherweise ist das jetzt geschehen." Meine Damen und Herren, das ist also nicht Oktober 2002, sondern 14. Juni 2001. Seitdem sind eineinhalb Jahre vergangen - eineinhalb Jahre zügigster Aufklärung durch die Landesregierung?
Und, meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch eines klarstellen: Hier im Plenum geht es um die politische Verantwortung und das ist etwas anderes als die juristische Verantwortung. Das Plenum ist kein Strafgericht. Ich stimme dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Althaus zu, wenn er sagt: "Der Opposition," - zumindest für die PDS
Fraktion kann ich das sagen - "der geht es hier und heute nicht um die Aufklärung dieses Falles." Das ist überhaupt nicht Aufgabe dieses Plenums. Für das Strafgericht, und da wende ich mich wieder dem Justizminister zu, gilt der Grundsatz "in dubio pro reo", wenn er denn eingehalten wird. Im Parlament, meine Damen und Herren, gilt dieser Grundsatz nicht.
Hier geht es nämlich nicht um das Strafen, sondern es geht um politische Verantwortung
und, lassen Sie mich das abschließend sagen - ich denke, darüber kann ich wieder Übereinstimmung mit Ihnen herstellen -, weil nicht nur nach herrschender Auffassung, sondern auch nach der Verfassungslage des Freistaats Thüringen die politische Verantwortung hier in diesem Lande diese Landesregierung trägt und nicht die Opposition.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, bei der Entschuldung des Fernwasserzweckverbands Südthüringen geht es um eine Region, bei der sich manche darüber auslassen, ob sie nun vor oder hinter dem Berg ist.
Wir können das zunächst einmal dahingestellt sein lassen, weil es sich hierbei nicht um ein regionales Problem handelt, wie es zunächst den Anschein haben mag, sondern hier handelt es sich in der Tat um ein Problem des Landes und damit vorzugsweise der Landesregierung. Deswegen wird meine Fraktion hierzu auch namentliche Abstimmung beantragen.
Herr Finanzminister, ich war mir völlig sicher, dass ich irgendetwas finde, um Sie zu erfreuen.
Ja, aber es ist halt verlockend, wenn das von Ministern kommt, ja, weil das bei mir schon auch die Frage aufwirft, welche Qualifikation man denn haben muss.
Gut, Trinkwasser ist das Grundnahrungsmittel Nummer 1. Günstige Wasserpreise sind gerade im Land der bundesweit niedrigsten Einkommen von großer Bedeutung für die Bevölkerung, außerdem ist preiswertes Wasser ein Standortfaktor für die Wirtschaft. Thüringen ist das Bundesland mit den höchsten Wasserpreisen in Deutschland. In Südthüringen ist das Trinkwasser derzeit jedoch noch etwas preiswerter zu haben als im Rest des Landes, da hier das Fernwasser noch wesentlich weniger kostet als zurzeit in Nord- und Ostthüringen. Das wird sich aber vermutlich ändern. Mit der Fusion von Thüringer Talsperrenverwaltung und Fernwasserzweckverband Nord- und Ostthüringen wird in Zukunft in diesem Teil Thüringens ein politischer Fernwasserpreis von 61 Cent pro Kubikmeter den bisherigen reichlichen Euro pro Kubikmeter ablösen. Erreicht werden soll das vor allem durch die Entschuldung von Talsperrenverwaltung und Zweckverband. Der Südthüringer Verband lehnte die vorgeblich freiwillige Teilnahme an der Fusion jedoch einstimmig ab, da die Verbandsmitglieder Zweifel an der Schlüssigkeit der Einsparpotenziale hatten und haben, die in einer Studie erstellt im Auftrag des Finanzministeriums dargestellt wurden. Daraufhin zeigte dann die Landesregierung, wie ihr Verständnis von Freiwilligkeit aussieht. Wer aufmuckt wird nicht entschuldet. Die Thüringer, die in den Gebieten der Abwasser/Wasserzweckverbände Bad Salzungen, Hildburghausen, Ilmenau, Meiningen, Rennsteigwasser, Sonneberg und Mittlerer Rennsteig leben, dürfen sich, wenn ich in diesem Zusammenhang den Schleusinger Bürgermeister zitieren darf, "demnächst als Thüringer zweiter Klasse fühlen". Für diese Bürger des Freistaats bedeudet das "Ätsch" der Landesregierung gegenüber dem Fernwasserzweckverband Südthüringen konkret 12 Cent pro Kubikmeter Wasser mehr als mit einer Entschuldung. Durch die beabsichtigte Entscheidung der Landesregierung, den Fernwasserzweckverband Südthüringen im Gegensatz zum übrigen Fernwasserzweckverband nicht zu entschulden, entsteht eine ungleiche Behandlung. Diese Ungleichbehandlung ist sachlich nicht gerechtfertigt. Sie verstößt meines Erachtens gegen das verfassungsrechtliche Gebot der interkommunalen Gleich
behandlung in der Ausprägung des Gebots interkommunaler Verteilungsgerechtigkeit.
Meine Damen und Herren, wir sollten nicht hinnehmen, dass Verteilungsgerechtigkeit, wenn es schon etwas zu verteilen gilt, am Rennsteig aufhört, und zwar unabhängig von der Frage, ob Südthüringen nun vor oder hinter dem Berg liegt.
Ja.
Ja, Herr Schwäblein, insofern können wir uns nicht auf ein gemeinsames Bild einigen, weil nämlich unabhängig, wenn ich das noch sagen darf, von dem Problem, dass Kommunen bei der Erfüllung von Pflichtaufgaben einen Anspruch auf Gleichbehandlung haben; es sind nämlich auch die Bürger betroffen, also nicht nur in dem Sinne, dass sie einen unterschiedlich hohen Wasserpreis, der durch unterschiedliche Ereignisse entsteht, bezahlen müssen, sondern sie sind insofern, nämlich mittelbar dann auch verfassungsrechtlich unter dem Gebot der Gleichbehandlung beeinträchtigt.
Herr Schwäblein, ich bin Ihnen sehr dankbar für die Frage, weil sie nämlich ganz deutlich macht, dass Sie das Problem nicht verstehen.
Insofern muss ich mir natürlich einen Vorwurf machen, als dass ich mich nicht so deutlich ausgedrückt habe, als dass auch Sie das verstehen können. Deshalb vielleicht eben nicht nur an Sie, es geht um etwas ganz anderes. Es geht nicht um den Ausgleich von naturgegebenen Unterschieden, sondern es geht darum, dass dieser fusionierende und dann zu entschuldende Fernwasserzweckverband durch diese Entschuldung diesen geringeren Wasserpreis leisten kann. Das ist ein Eingriff, der durch das Land vorgenommen wird.
Herr Althaus, ich bin auch gern bereit von Ihnen eine Frage zu beantworten.
Ja, gut, dann schwatzen Sie mir nicht dazwischen, ich versuche gerade
eine Frage Ihres Fraktionskollegen zu beantworten und für dessen Verständnis oder Nichtverständnis kann ich doch nun nichts. Ich bemühe mich doch nur, das Verständnis herzustellen. Diese Ungleichbehandlung tritt doch nicht ein durch die Naturgegebenheiten, sondern dadurch, dass die Landesregierung eingreift und sagt, ich entschulde hier einen Teil und dadurch wird der Wasserpreis niedriger, was eben in Südthüringen nicht erfolgt. Ich habe Ihnen vorgetragen, wenn auch Südthüringen entlastet würde, also entschuldet würde, wäre es auch dort möglich, den Wasserpreis um 12 Cent zu senken. Ich fordere insoweit nur, die durch das Tätigwerden der Landesregierung entstandene Ungleichbehandlung auszugleichen.
Haben Sie noch eine Frage an mich?
Herr Abgeordneter Schwäblein, räumen Sie ein, dass die Bildung von Fahrgemeinschaften nicht Pflichtaufgabe einer Kommune ist im Gegensatz zur Versorgung mit Wasser?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich hatte mir natürlich in Vorbereitung auf die heutige Lesung eine Reihe von Fragen gestellt, die ich auch teilweise versuche hier aufzuwerfen und zu beantworten. Dem möchte ich allerdings eine Frage voranstellen, die ich gar nicht versuchen werde zu beantworten, weil der Deutungsspielraum sehr breit ist, die aber trotzdem interessant zu sein scheint. Wenn man also der Logik der Intention des eingebrachten Gesetzentwurfs folgt, wird ja gesagt, das ist eine polizei- und ordnungsrechtliche Maßnahme, weil es strafrechtlich nicht sein kann, dann ist natürlich die Frage, warum begründet diesen Gesetzentwurf nicht der Innenminister, wenn das so polizei- und ordnungsrechtlich ist,
ich komme auf die Frage dann an anderer Stelle und, ich glaube, an entscheidenderer Stelle zurück. Lassen Sie mich also mit der Frage fortfahren, meine Damen und Herren: Welchen Grund gibt es, ein baden-württembergisches Gesetz so schnell wie möglich zu importieren? Der 50. Geburtstag - das werden mir jetzt einige meiner verehrten Kol
leginnen und Kollegen vermutlich sofort zurufen. Nein, das ist zwar nahe liegend, trifft aber nicht zu. Der Gesetzentwurf käme nicht mehr rechtzeitig zur Geburtstagsfeier, das neue Bundesland Baden-Württemberg erblickte das Licht der Welt bereits am 15. Mai 1952. Andere werden als Grund vielleicht anführen, die den Menschen im Südwesten Deutschlands im Allgemeinen nachgesagte Gründlichkeit, mit der folglich auch die badisch-schwäbischen Volksvertreter Gesetze beraten, womit sich eine nähere Befassung des hier fraglichen Gesetzentwurfs durch den Thüringer Gesetzgeber vielleicht erübrigen oder abschwächen könnte. Nein, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, auch das ist leider nicht zutreffend. Das baden-württembergische Original wurde am 31. Januar 2001 in den Landtag eingebracht und, man höre und staune, bereits am 20. Februar 2001 in zweiter Lesung verabschiedet, nachdem die Beschlussempfehlung und der Bericht des federführenden Ausschusses den Abgeordneten erst wenige Minuten vorlagen. Diese atemberaubende Schnelligkeit, mit der das Gesetz im baden-württembergischen Landtag ohne eine Ausschuss-Anhörung verabschiedet wurde, löste bei den Abgeordneten der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen heftigen Protest aus. Beanstandet wurde, dass es dem Landtag unmöglich gemacht worden sei, sich mit den zahlreichen verfassungs- und menschenrechtlichen sowie praktischen Bedenken, die gegenüber dem Gesetzentwurf bestehen, näher zu befassen. Von der Regierungsbank wird mir jetzt vermutlich entgegengehalten werden, der Gesetzentwurf sei immerhin zweieinhalb Jahre lang im baden-württembergischen Justizministerium in Bearbeitung gewesen. Abgesehen davon, dass es nicht nachprüfbar ist, was sich im Arkanum eines Ministeriums abspielt, war der bei der Anhörung im baden-württembergischen Justizministerium für die Abgabe der Stellungnahmen eingeräumte zeitliche Rahmen so knapp bemessen, dass der Mitgliederverband des Deutschen Richterbundes in Baden-Württemberg, nämlich der Verein der Richter und Staatsanwälte Baden-Württembergs, es ablehnte, eine Stellungnahme unter diesen Voraussetzungen abzugeben. Im Übrigen waren die abgegebenen Stellungnahmen durchgehend sehr kritisch. Nicht viel anders als in Baden-Württemberg verlief die Anhörung zum Gesetzentwurf im Thüringer Justizministerium. Die Anhörung fand dort am 22. Mai dieses Jahres statt, nachdem die Einladungen zu dieser Anhörung den Anzuhörenden teilweise erst eine Woche vorher zugegangen waren. Aus diesem Grund sahen sich Vertreter der Richter und Staatsanwälte außerstande, den Anhörungstermin wahrzunehmen. Im Ergebnis kann daher zunächst festgehalten werden, das uns vorliegende Importprodukt aus Baden-Württemberg ist alles andere als das Ergebnis eines langen und intensiven Reifungsprozesses. Und um etwas vorwegzunehmen, auch unter dem Gesichtspunkt der Qualität spricht alles gegen, aber nichts für den schnellen Import. Zunächst ist alle Kritik gegenüber der strafrechtlichen Sicherungsverwahrung nach § 66 Strafgesetzbuch auch hier einschlägig. Bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung handelt es sich um die umstrittenste Bestimmung des Strafgesetzbuches überhaupt.
Zum näheren Verständnis meiner Bedenken erlaube ich mir, sicherlich für die wenigen in diesem hohen Hause, aber doch einigen, eine kurze Skizzierung der Geschichte, weil sich aus dieser Skizzierung dieser Sicherungsverwahrung ergibt oder zumindest nachvollziehen lässt, welche Bauchschmerzen ich mit diesem Rechtsinstitut habe. Mit dem Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher vom 24.11.1933 fand die Sicherungsverwahrung erstmalig Eingang in das Reichsstrafgesetzbuch. Das Gewohnheitsverbrechergesetz war das erste gesetzgeberische Vorhaben der Nationalsozialisten, mit denen diese die Diskontinuität zwischen einem bis dahin liberalen, tatorientierten Strafrecht und einem völkisch erneuerten Recht demonstrierten. Versuche, die Sicherungsverwahrung als Sicherungsmaßregel in das Strafgesetzbuch zu implantieren, hat es bereits auch vor der Machtergreifung der Nazis gegeben, meine Damen und Herren, ihre Umsetzung scheiterte allerdings an den erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken in der Weimarer Republik gegenüber einer derartigen Maßregel. Erst unter den geänderten politischen Bedingungen der nationalsozialistischen Machtergreifung waren in Deutschland die Voraussetzungen gegeben, die Sicherungsverwahrung einzuführen. Auf dieser Grundlage wurden in den Jahren 1934 bis 1943 etwa 16.000 Personen offiziell zur Sicherungsverwahrung verurteilt, die in den Konzentrationslagern vollstreckt wurde. Trotz dieser Entartung der Sicherungsverwahrung im Dritten Reich galten in Westdeutschland die beiden zentralen mit dem Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933 in das Reichsstrafgesetzbuch eingefügten §§ 20 a und 42 e in Westdeutschland auch nach 1945, nämlich bis zum ersten Strafrechtsreformgesetz von 1970 fort. Mit dem ersten Strafrechtsreformgesetz wurde die Norm über die Anordnung der Sicherungsverwahrung in § 41 e, jetzt § 66, Strafgesetzbuch grundlegend verändert. Interessant ist in unserem Zusammenhang - und auch darauf muss ich nachher noch einmal zurückkommen -, dass nach dem alten § 42 e Strafgesetzbuch, also in der Fassung vor der ersten Strafrechtsreform, als Prognosezeitraum für die Frage, ob eine Sicherungsverwahrung erforderlich ist, der Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft maßgeblich war. Dieser Prognosezeitpunkt entsprach damit bis 1970 exakt dem Zeitpunkt, der nach dem baden-württembergischen Landesgesetz und auch nach diesem Gesetz maßgeblich sein soll. In der DDR wurde 1952 die Sicherungsverwahrung als nationalsozialistisches Recht abgeschafft. 1990 setzten die Verhandlungsführer auf Seiten der DDR durch, dass wegen der erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken, die gegen die Sicherungsverwahrung bestehen, die Geltung der Vorschrift des § 66 Strafgesetzbuch nicht mit dem Einigungsvertrag auf das Beitrittsgebiet erstreckt wurde. Mit dem Gesetz zur Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwahrung von 1995, meine Damen und Herren, wurde jedoch die Sicherungsverwahrung auch in den neuen Bundesländern eingeführt. Die Bundestagsgruppe der PDS im Deutschen Bundestag brachte 1995 demgegenüber einen Gesetzentwurf ein, der die vollständige Abschaffung der Sicherungsverwahrung vorsah.
Warum ist nun die PDS nicht nur gegen die nachträgliche Sicherungsverwahrung, sondern generell gegen die Sicherungsverwahrung?
Erstens: Die Sicherungsverwahrung ist unseres Erachtens nichts anderes als ein Unschädlichmachen des zum Hangtäter definierten Straftäters durch Wegschließen. Das Postulat der Resozialisierung tritt demgegenüber völlig in den Hintergrund. Ethische und verfassungsrechtliche Gründe verbieten jedoch die Degradierung des Menschen zum reinen Objekt sicherheitsorientierter Maßnahmen.
Zweitens: Die Sicherungsverwahrung widerspricht dem Schuldprinzip in seiner limitierenden Form. Man bedient sich der Konstruktion einer Lebensführungsschuld, um die Haftverlängerung zu legitimieren. Angesichts der Komplexität der Entstehungsgründe der Rückfallkriminalität erscheint eine derartige Konstruktion allerdings als normative Willkür.
Drittens: Die der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu Grunde liegenden Gefährlichkeitsprognose hat einen pseudoempirischen Charakter. Selbst bei Strafgefangenen ist die Begehung einer schweren Straftat nach Verbüßung der Freiheitsstrafe ein eher seltenes Ereignis. Aufgrund der geringen Zahl rückfällig werdender Haftentlassener ist daher selbst bei Entwicklung überaus genauer Prognoseinstrumente von einer erheblichen Anzahl an fälschlicherweise als gefährlich prognostizierte Personen auszugehen, die dann zu Unrecht sicherungsverwahrt werden. Empirische Studien, meine Damen und Herren, belegen die Überschätzung der Gefährlichkeit untergebrachter Rechtsbrecher. Die Praxis der Sicherungsverwahrung wird also nicht den intendierten Personenkreis treffen, vor dem die Gesellschaft geschützt werden soll. Die Belastung der schuldlos Verwahrten ist gravierend, weil der Vollzug von Strafe und Maßregel überwiegend identisch und die Verwahrungsdauer wegen der Abhängigkeit von fragwürdigen Kriterien unbestimmt ist. Die somit bestehende Rechtsunsicherheit und Unbestimmtheit ist mit den Freiheits- und Prozessgrundrechten auch eines Verurteilten eben unvereinbar.
Viertens: Täterkategorien wie der gefährliche Gewohnheitsverbrecher oder der Hangtäter entbehren jeder kriminologischen Grundlage. Sie sind - und das ist die ganz große Gefahr - Einfallstor für eine extensive Rechtsprechung.
Fünftens: Der Vollzug der Sicherungsverwahrung hat schädigende Auswirkungen auf den Verurteilten. Er führt zur Hospitalisierung, Abstumpfung und ähnlichen Folgen. Er verstößt daher gegen das verfassungsrechtliche Gebot und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und Sozialstaatlichkeit.
Aber auch, meine Damen und Herren, wenn man diese grundlegenden Einwände gegen die Sicherungsverwahrung dahingestellt sein lässt, sprechen eine Reihe von verfassungs- und menschenrechtlichen Gründen gegen das
baden-württembergische Gesetz und damit gegen den Thüringer Gesetzentwurf. Zunächst und zuallererst, und hier widerspreche ich ausdrücklich der Darstellung des Justizministers: Für die hier zu regelnde Rechtsmaterie gibt es keine Gesetzgebungskompetenz des Landes. Das Gesetz regelt eine Materie, die der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes auf dem Gebiet des Strafrechts nach Artikel 74 Abs. 1 Nummer 1 Grundgesetz unterliegt. Mit der Regelung der Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch hat der Bund von dieser Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht. Die vom Gesetz vorgesehene Unterbringung ist eine Maßregel und unterliegt daher dem gerichtlichen Bereich des Strafrechts. Als ein Beleg hierfür kann der von mir bereits erwähnte § 42 e Strafgesetzbuch in der Fassung vor 1970 angeführt werden, der als Prognosezeitpunkt für die Frage, ob eine Sicherungsverwahrung erforderlich ist, die Entlassung aus der Strafhaft als den maßgeblichen Zeitpunkt vorsah. Bereits damals fiel also somit die voraussehbare Entwicklung des Gefangenen im Vollzug in den Erkenntnisbereich des die Sicherungsverwahrung anordnenden Strafgerichts. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung verstößt unseres Erachtens gegen das Rückwirkungsverbot nach Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz. Danach darf eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Intention dieses strafrechtlichen Rückwirkungsverbots ist es, den Einzelnen vor Sanktionen zu schützen, die vor Begehung der Straftaten nicht vorhersehbar waren. Das gilt für Strafen wie für Maßregeln in gleicher Weise.
Die Anwendung des hier eingebrachten Landesgesetzes bedeutet nichts anderes, als dass gegen einen Straftäter durch zwei konstitutive Entscheidungen nacheinander eine Freiheitsentziehung verfügt wird. Die nachträgliche Sicherheitsanordnung stellt daher auch einen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot nach Artikel 103 Abs. 3 Grundgesetz dar.
Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, meine Damen und Herren, verstößt schließlich auch gegen Artikel 5 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Im Jahr 2000 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Verstoß Litauens gegen die Konvention festgestellt, weil Litauen eine Person aufgrund eines Gesetzes inhaftierte, das eine Freiheitsentziehung zur Verhinderung der Begehung einer schweren Straftat erlaubte. Ich glaube, ebenso dürfte eine isolierte Verwahrungsanordnung am Ende der Strafe, wie sie vom baden-württembergischen Landesgesetz vorgesehen ist, gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen.
Neben den verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Einwänden sprechen aber auch eine Reihe von praktischen Problemen bei der Anwendung des Gesetzentwurfs gegen die nachträgliche Sicherungsverwahrung, auf die ich aber hier und heute nicht eingehen möchte, die aber allesamt geeignet sind, die These zu untermauern, dass al
lein die Existenz eines derartigen Landesgesetzes das Vollzugsklima beeinträchtigt, indem es das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Anstaltsleitung und Therapeuten einerseits und Strafgefangenen andererseits zum Erreichen des Vollzugsziels konterkariert.
Schließlich können auch die beiden in der Begründung zum eingebrachten Entwurf angeführten Beispiele für Baden-Württemberg und Bayern, diese beiden dort genannten Fälle einschließlich des weiteren Falls, den Herr Dr. Birkmann hier nun heute ausgeführt hat, bei denen die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nachträglich gegeben sein sollen, die Notwendigkeit für dieses Gesetz nicht begründen. Das unterstellt nämlich genau eine Prognosegenauigkeit, die überhaupt erst nachgewiesen werden müsste. Erforderlich ist nämlich vielmehr eine Evaluation der Frage, bei welchen Strafgefangenen in der Vergangenheit die Stellung eines Antrags auf nachträgliche Unterbringung zu erwarten gewesen wäre und wie ihr auf die Entlassung folgendes Legalverhalten war. Eine derartige Untersuchung, meine Damen und Herren, gibt es allerdings weder in Baden-Württemberg noch in Bayern, noch in Thüringen.
Um schließlich auf meine eingangs gestellte Frage zurückzukommen: Was treibt die Landesregierung, bei all diesen Bedenken ein baden-württembergisches Gesetz so schnell zu importieren? Ich finde eine für mich plausible Antwort wiederum, wenn ich mir die Genese dieses Gesetzes in Baden-Württemberg ansehe. Dort wurde - nämlich aus wahltaktischen Überlegungen - ein auch dort höchst umstrittener Gesetzentwurf noch kurz vor der Landtagswahl im März 2001 in den Landtag eingebracht und verabschiedet. Am 22. September ist Bundestagswahl; entscheiden Sie selbst, ob das Zufall ist oder nicht. Aber ich bleibe bei meiner Einschätzung, die ich schon im AprilPlenum getroffen habe, meine Damen und Herren - Populismus. Na gut, könnte man sagen, Populismus und abgehakt und vielleicht auch noch ein wenig neidisch denken: Warum fällt mir so etwas nicht ein, es bringt doch bestimmt Wählerstimmen? Nein, meine Damen und Herren, ich will Ihnen sagen, warum mir so etwas nicht einfällt, warum man das nicht einfach abhaken kann, warum dieser ganz spezielle Populismus geradezu gefährlich ist. Er ist Mittel zur Erosion des liberalen Rechtsstaats. Das nämlich ist der Preis dieses speziellen Populismus und deshalb ist er gefährlich. Stimmenfang wird höher bewertet als das öffentliche Interesse an einem die Gefangenen therapierenden und resozialisierenden Behandlungsvollzug und es wird dabei in Kauf genommen, dass Gefangene aufgrund einer fehlerhaften Prognose zu Unrecht freiheitsentziehende Maßnahmen ertragen müssen. Ich sage nein zu diesem Gesetzentwurf und, ich denke, auch meine Fraktion wird nein zu diesem Gesetzentwurf sagen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich würde mich ganz gern wenigstens zur zweiten Lesung mit Details des Gesetzentwurfs beschäftigen, weil ich glaube, dass da
der Grundgedanke, den ich versucht habe hier darzustellen, noch deutlicher wird. Aber ich verwahre mich dagegen, wenn ich versuche, bis auf den Teil Baden-Württemberg - ich kann doch nichts dafür und ich habe es insbesondere nicht zu vertreten, dass der Wortlaut dieses Textes identisch mit dem Baden-Württemberger ist und auch die anderen Abläufe identisch sind mit den Baden-Württembergern. Werfen Sie mir das doch bitte nicht vor. Es gibt nur einen einzigen Unterschied, meine Damen und Herren. In Baden-Württemberg, genau mit der Begründung, es ist Ordnungs- und Polizeirecht, hat nämlich der Innenminister das Gesetz eingebracht. Offenbar hatte man da zumindest als Begründung nicht die Justiznähe des Verfahrens. Aber natürlich ist es nicht nur justiznah, sondern ich meine, es ist ein justizielles Verfahren.
Darum geht es mir an dieser Stelle nicht. Ich verwahre mich dagegen, dass, wenn ich eine nicht regierungshörige und, wie ich auch meine, zumindest halbwegs juristisch begründete Meinung äußere, dass mir dann Zynismus, Sarkasmus, Verhöhnung der Opfer vorgeworfen wird.
Das ist nicht nur blanker Populismus, sondern...
Ja, Herr Abgeordneter Carius, Entschuldigung, da habe ich Sie wohl missverstanden, ich war der Meinung, dass, als Sie hier vorn standen, Sie sich zur Sache geäußert haben. Wenn Sie also jetzt sagen, zu einem Teil habe ich mich nicht zur Sache geäußert, dann tut mir das Leid. Das ist auch nicht das Problem, ich stelle doch nicht in Abrede, dass hier ein Sicherheitsgefühl bedient werden soll. Die Frage, die ich mir erlaube aufzuwerfen, ist: Wird denn durch das Bedienen dieses Sicherheitsgefühls - ich lasse auch noch dahingestellt, ob das ein tatsächliches oder vermeintliches ist - tatsächlich mehr Sicherheit erreicht?
Sie wissen, und da müssen Sie überhaupt kein Jurist sein, es sind Prognosen anzustellen über künftiges Verhalten und das machen sicherlich die besten Spezialisten, die es gibt, aber es sind eben Menschen. Können Sie denn ausschließen, dass es Fehlprognosen gibt? Das können Sie nicht ausschließen, da können Sie das Verfahren noch so fein, noch so ziseliert ausgestalten, das ist nicht auszuschließen. Sie können also nicht ausschließen, dass es Fehlprognosen gibt infolge angepassten Verhaltens. Die Konsequenz einer Fehlprognose infolge angepassten Verhaltens ist nämlich, dass jemand doch entlassen wird, der als so gefährlich gar nicht erkannt wird. Er wird entlassen und begeht eine Straftat. Dann haben wir genau das Erscheinungsbild, welches hier strapaziert werden soll. Das ist
die eine Konsequenz von Fehlprognosen. Sie können, weil Sie Fehlprognosen nicht ausschließen können, nicht ausschließen, dass es künftig so etwas nicht mehr geben wird. Die zweite Konsequenz von Fehlprognosen ist die, dass es natürlich auch Fehlprognosen infolge unangepassten Verhaltens gibt. Dass jemand renitent ist, aber nicht im Sinne dessen, was hier verhindert werden soll, aber genau durch seine Renitenz es zu dieser Fehlprognose führt und er dann weggeschlossen ist; nichts anderes, als weggeschlossen für eine unbestimmte Zeit. Dann wird auch noch geregelt, dass die Strafvollstreckungskammer sagen kann, der nächste Antrag ist frühestens nach einem Jahr möglich, damit er nicht ständig seine Anträge wiederholt. Also auch diese Fehlprognosen können Sie nicht ausschließen und deshalb lassen Sie uns doch bei diesen Bedenken, die Sie nicht ausräumen können, sachlich über die juristischen Dinge reden. Das ist doch etwas anderes als Populismus, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, in seiner Regierungserklärung am 26. April 2002 erwähnte Minister Dr. Birkmann geplante Hochbaumaßnahmen im Verantwortungsbereich seines Ministeriums im Zeitraum von 2002 bis 2006 im Umfang von 90 Mio. wobei er den Bau von Justizzentren in Jena, Gera, Mühlhausen und Weimar als Schwerpunkte hervorhob. Als ich in meiner Replik auf die Regierungserklärung darum bat, das etwas genauer darzustellen, äußerte sich dann Minister Dr. Birkmann bezüglich des Justizzentrums Mühlhausen, dass Baubeginn voraussichtlich im September 2002 sein werde. Der lokalen Presse zu Beginn dieser Woche war dann zu entnehmen, dass der Baubeginn erneut verschoben sei. Ein oder zwei Tage später war dann wieder zu entnehmen, er soll nun doch stattfinden. Es gibt also in diesem Bereich eine beachtliche Unsicherheit. Wir beziehen diese Zeitschiene aber nicht ausschließlich auf das Justizzentrum Mühlhausen, sondern auch auf die Justizzentren in Jena, Gera und Weimar. Wir begnügen uns aber auch nicht damit, lediglich die Zeitschiene zu hinterfragen.
Der zweite Aspekt dabei sind die Kosten. Es werden Kosten von 90 Mio. nig sein. Um beurteilen zu können, ob das viel oder we
nig ist, müsste man wissen, mit welchem Kostenvolumen die Justizzentren veranschlagt werden, denn es kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Die letzte Plenartagung hat auch sehr deutlich gemacht, dass im Bereich der Strafvollzugseinrichtungen ein enormer Investitionsbedarf besteht. Diese Einrichtungen sind auch nicht gerade kostensparsam. Wir wollen nicht nur im Interesse unserer Fraktion, sondern, ich meine, auch im Interesse der interessierten Öffentlichkeit eine Darstellung der Landesregierung unter Zeit- und Kostenaspekten, bezogen auf diese Probleme, haben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Datenschutzbilanz ist, wenn überhaupt, ein Randthema der parlamentarischen Debatten. Offenbar gelten die Rechte staatlicher Instanzen gegenüber dem Bürger mehr als der Schutz des Bürgers vor der Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitsrechte durch den Zugriff des Staates. Folgt man der Medienberichterstattung, so wird deutlich, in welchem Maße die Thüringer Datenschutzbilanz in den vergangenen Monaten strapaziert wurde, insbesondere im Bereich hoch sensibler personenbezogener Daten.
Lassen Sie mich drei Schlaglichter nennen: Im Sommer 2001 lagerten im Justizzentrum Erfurt Tausende von Justizakten in einer Tiefgarage. Im März 2002 konnten Patienten des Landesfachkrankenhauses Hildburghausen aus den Medien erfahren, dass durch den Verkauf von Computertechnik ihre Krankendaten an Unbefugte gelangt waren. Auch ein drittes Beispiel soll hier nicht ungenannt bleiben im Zusammenhang mit der in Thüringen seit Herbst 2001 laufenden Rasterfahndung. Mit der - zieht man Vergleichszahlen aus anderen Ländern heran - Datenübermittlung von schätzungsweise 20.000 in Thüringen lebenden Personen wurden nicht nur die in großem Umfang angeforderten Daten für ein vages Suchprofil übermittelt, sondern weit mehr Daten übermittelt, als angefordert worden sein sollen. Zwischenzeitlich haben mehrere Gerichte anderer Bundesländer die Rasterfahndung für unzulässig erklärt und zur Löschung der erhobenen Daten aufgefordert. Die polizeirechtlichen Voraussetzungen einer bevorstehenden massiven Gefahr wurden als nicht gegeben angesehen. In Thüringen dagegen scheint man offenbar davon auszugehen, dass sich die Sicherheitslage hier problematischer ge
staltet als in Hessen, Berlin oder Nordrhein-Westfalen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Nennung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Thüringer Verfassung wurde der besonderen Bedeutung dieses Persönlichkeitsrechts Rechnung getragen. Die Menschen in Thüringen sollen mit dem Thüringer Datenschutzgesetz und anderen speziellen Rechtsvorschriften vor unverhältnismäßigen Eingriffen in ihre Rechte geschützt werden. Sie haben damit auch ein Recht auf Information darüber, ob die über sie erhobenen und gespeicherten Daten auf dieser Grundlage zweckgebunden verarbeitet werden und inwieweit der Schutz dieses speziellen Grundrechts garantiert werden kann. Wir ersuchen deshalb die Landesregierung, in geeigneter Form und, meine Damen und Herren, ich betone ausdrücklich noch mal, in geeigneter Form, zu berichten, inwieweit es im Zusammenhang mit den Computerverkäufen des Landesfachkrankenhauses und der Rasterfahndung zu Rechtsverstößen, insbesondere gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kam, welche Maßnahmen zur Abhilfe ergriffen wurden sowie welche organisatorischen, personellen und rechtlichen Konsequenzen bisher eingeleitet wurden und eingeleitet werden sollen, um künftig gleich gelagerte und ähnliche Vorfälle zu vermeiden. Insbesondere zur Rasterfahndung bitten wir um die Beantwortung folgender Fragen:
1. Wann wurden die Anordnungen zur Rasterfahndung erlassen und wie lauten sie? Welche Abgleichdateien wurden festgelegt?
2. Wann wurde die Thüringer Datenschutzbeauftragte und in welchem Umfang über die Rasterfahndung informiert? Welche Kontrollen hat sie durchgeführt?
3. Wann ist mit dem Abschluss der Rasterfahndung in Thüringen zu rechnen?
4. Wie viel Datensätze wurden erhoben? Wie viele Personen sind betroffen?
5. Welcher Datenbestand bleibt nach der Rasterfahndung übrig? Welcher befindet sich darüber hinaus noch bei der Polizei? Wann wurden in welchem Umfang Daten gelöscht?
6. Fand ein Datenabgleich in Thüringen statt oder erfolgt der eigentliche Datenabgleich erst im BKA? Ist der Datenabgleich beim BKA von der Anordnung gedeckt? Auf welcher Grundlage erfolgt die Übermittlung der Daten an das BKA oder handelt es sich in Thüringen lediglich um eine Datenbereinigung mit dem Ziel, beispielsweise Redundanzen auszuscheiden und Daten, z.B. Anschriften, zu aktualisieren.
7. Wurden Thüringer Daten mit privaten Daten abgeglichen, die unrechtmäßig vom BKA erhoben wurden?
8. Welche Gefahr für den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person bestand, die die Verhältnismäßigkeit begründete? Wodurch waren Gegenwärtigkeit und Erforderlichkeit gegeben?
9. Wie wurden Rasterfahndungskriterien gebildet? Welche waren sie? Entsprachen sie bundesweit einheitlichen Kriterien?
Die PDS-Fraktion hat hierzu bereits Kleine Anfragen eingereicht und versucht, Auskunft zu erlangen, um das Maß an Transparenz herzustellen, das ein demokratischer Staat seinen Bürgern mindestens schuldet, will er sie nicht als bloße Objekte staatlicher Maßnahmen begreifen. Bisher allerdings erfolglos. Wir erwarten daher eine Berichterstattung, die dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gerecht wird.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, nach § 93 der Geschäftsordnung muss eine Aktuelle Stunde ein bestimmtes Thema bezeichnen und von aktuellem und allgemeinem Interesse sein. Zweifellos ist das Verhältnis von PDS zur Gewalt ein Thema von allgemeinem Interesse. Ich sehe das zunächst ganz pragmatisch. Wenn mehr als ein Fünftel der Thüringer Wählerinnen und Wähler der PDS ihre Stimme geben, wollen sie dieses Verhältnis geklärt haben. Und wenn die PDS um weitere Wählerstimmen wirbt, muss man die Position der PDS zur Gewalt wieder und wieder deutlich machen, und zwar zunächst aus eigenem Selbstverständnis, aber auch, weil die politische Konkurrenz die PDS gern in die Nähe des Extremismus, des Terrorismus und der Gewalt stellt. Ich will deshalb die hier gegebene Gelegenheit gern nutzen und namens meiner Fraktion, die die PDS in diesem Landtag repräsentiert, wenn auch zum wiederholten Male erklären, dass die PDS Gewalt als Mittel der Konfliktbewältigung ablehnt, sei es zwischen unterschiedlichen Staaten, unterschiedlichen Kulturen, auf der politischen Ebene oder im unmittelbaren sozialen Bereich.
Gewalt, meine Damen und Herren,
und da werden Sie mir möglicherweise zustimmen, ist keine dauerhafte Basis, weder für das Neben- oder Miteinander verschiedener Völker und Kulturen noch im mikrosozialen Bereich. Wir von der PDS belassen es aber nicht dabei, Gewalt als Mittel der Konfliktbewältigung abzulehnen, sondern wir bringen uns ein in die gesellschaftliche Diskussion, nach Mitteln und Wegen zu suchen, Gewalt als gesellschaftliches Phänomen zu verhindern, also Gewaltprävention zu betreiben. Wir führen diese Diskussion außerhalb des Parlaments. So können Sie beispielsweise am 20. März um 17.30 Uhr an diesem Ort, in diesem Haus, einen Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema "Psychosoziale Ursachen von Gewalt und Fremdenhass" um Ihre Anwesenheit und möglicherweise um Ihren konstruktiven Diskussionsbeitrag bereichern. Auch auf unserer Fachtagung "Familie und Gesellschaft" am 23. März an dieser Stelle darf ich hinweisen, Sie sind herzlich eingeladen. Meine Damen und Herren, wir führen diese Diskussion natürlich auch im Parlament. In diesem Zusammenhang - es ging bekanntlich um die Arbeit der Koordinierungsstelle Gewaltprävention - hat mein Kollege Dr. Hahnemann im Februarplenum darauf hingewiesen, dass bei Ursachen der Gewalt und Motivation für Gewalt zu differenzieren ist und eine Prävention, die diese Differenzierungen berücksichtigt, vermutlich wirksamer ist als eine Prävention, die dieses nicht tut. Meines Erachtens ist das eine Binsenweisheit, gesagt von der PDS-Fraktion. Was macht nun die CDU-Fraktion damit? Mangels Sachargument dagegen reißt die CDU-Fraktion einen Satz aus der Rede meines Kollegen Dr. Hahnemann heraus, löst ihn aus seinem Kontext, interpretiert in diesen Satz einen anderen Inhalt hinein, attackiert dann diesen anderen Inhalt, dem man dem Redner, über diesen der PDSFraktion
und natürlich der PDS in Gänze zuschreiben möchte. Diffamierung statt Auseinandersetzung!
Ich will gar nicht darüber streiten, meine Damen und Herren, ob man diesen einen Satz, der Ihnen als Aufhänger für die Aktuelle Stunde diente, missverstehen kann oder nicht, der Böswillige kann alles missverstehen. Aber wer sich die Mühe macht, auch noch zwei, drei Sätze vor und nach diesem Satz aus der Rede meines Kollegen Dr. Hahnemann nachzulesen - wenn Sie Ihnen am Abend der Rede möglicherweise entgangen sind -, wird zwingend zu dem
Ergebnis kommen, dass nur Böswilligkeit eine andere Interpretation zulässt, als sie vom Redner gemeint war.
Böswilligkeit, meine Damen und Herren, als Ersatz für fehlendes Sachargument! Gleichwohl, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, bin ich Ihnen dankbar für dieses Thema der Aktuellen Stunde, weil dadurch zweierlei ganz deutlich wird: Erstens, wenn Sie schon zum Mittel der bewussten Fehlinterpretation greifen müssen, um der PDS Nähe zur Gewalt anzudichten, kann die PDS nicht nah der Gewalt sein. Zweitens, hätten Sie nicht diese Aktuelle Stunde beantragt, käme Ihre Fraktion in der Tagesordnung gar nicht vor. Es könnte leicht der Eindruck entstehen, als wären Sie verzichtbar. Aber glauben Sie mir bitte eins, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, als politischen Konkurrenten möchte ich Sie nicht verlieren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, als der ehemalige Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, Dr. Helmut Roewer, vor dem Untersuchungsausschuss 3/3 untechnisch ausführte, er lasse sein Amt nicht als Schild und Schwert irgendeiner Partei missbrauchen, erregte das noch Heiterkeit bei den anwesenden Abgeordneten und führte bei Journalisten zu pointierten Kommentaren über das Verhältnis von Verfassungsschutz und Landesregierung. Nicht mehr Heiterkeit haben dann allerdings die Ausführungen Roewers verursacht, nach denen es eigentlich zur Normalität im Amt gehörte, dass Minister der Thüringer Landesregierung Informationen anforderten, die sie dann allerdings auch bekamen. Das betrifft auch einen Landtagsabgeordneten der PDS, der sich eines besonderen Interesses des damaligen Innenministers und heutigen Wirtschaftsministers, Franz Schuster, erfreuen konnte, ohne es zu wissen. Und genau das ist das Problem. Aus Veröffentlichungen des "Spiegel" wissen wir, dass es sich um den früheren PDS-Abgeordneten Klaus Höpcke handelte. Herr Schuster dementierte. Eine Woche später: Der heutige Innenminister, Christian Köckert, dementierte gleich gar nicht, dass er im Februar 2000 bei Roewer Informationen bzw. Unterlagen über den PDSLandtagsabgeordneten Steffen Dittes angefordert und auch erhalten hat. Er bemerkte, das sei rechtlich zulässig und ein ganz normaler Vorgang. Normal sei es vor allem deshalb, weil Steffen Dittes bei der Beobachtung von vermeintlich verfassungsfeindlichen Gruppen immer wieder ins Blickfeld geraten sei, die PDS-Fraktion ihn aber zur Wahl in die G-10-Kommission vorgeschlagen hatte.
Im Übrigen hätte es keine gezielte Beobachtung von Steffen Dittes gegeben. Unklar ist aber, auf welcher rechtlichen Grundlage die Daten erhoben wurden und ein Personenvorgang "Dittes" im Landesamt angelegt worden ist. Aus dem uns vorliegenden Dossier sind keine Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne des § 2 Thüringer Verfassungsschutzgesetz zu erkennen, sondern vielmehr eine Übersicht über politische Aktivitäten von Steffen Dittes. Unklar ist auch, auf welcher rechtlichen Grundlage der Thüringer Innenminister Unterlagen über Steffen Dittes angefordert hat. Unklar ist zu
dem, auf welcher rechtlichen Grundlage das Landesamt für Verfassungsschutz diese personenbezogenen Daten übermittelt hat. Und schließlich ist unklar, wie der Innenminister diese personenbezogenen Daten verwendet hat. Dieser neuerliche Vorgang ist ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Thüringer Landesregierung in Vergangenheit und Gegenwart rechtlich zweifelhaft erhobene und gespeicherte Daten über politisch aktive Gruppen und Personen zuarbeiten lässt und offenkundig für die politische Auseinandersetzung gebraucht und damit missbraucht.
1994, meine Damen und Herren, verirrt sich ein Fax des Landesamts für Verfassungsschutz an die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der eigentliche Empfänger war die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag. Inhalt: ein Dossier über die außenpolitischen Positionen der Fraktion Linke Liste/PDS. Wohl 1998 wird bekannt, dass unter dem früheren Innenminister Dewes das Landesamt für Verfassungsschutz ohne Anhaltspunkte Informationen über die "Bürgerinitiative gegen überhöhte Kommunalabgaben" erhoben haben soll. 2001 stellt sich heraus, das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz hat zwei Kommunalpolitiker aus Blankenhain zum Vorgang im Amt gemacht - mitten im Wahlkampf und in wessen Auftrag auch immer. Politisch verantwortlich dafür ist der Innenminister. Und im Jahr 2002 plaudert der ehemalige Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz über Normalität, mit der Informationen angefordert wurden, und wenige Tage später wird bekannt, dass die PDS-Landtagsabgeordneten Höpcke und Dittes Gegenstand eines geheimdienstlichen und eines höchst fragwürdigen Regierungsinteresses geworden sind. In allen Fällen blieb, so kann man es den öffentlichen Äußerungen des SPD-Abgeordneten Günter Pohl entnehmen, die Parlamentarische Kontrollkommission außen vor. Deshalb, meine Damen und Herren, dieser Antrag.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, in der Begründung zur Drucksache 3/1458 haben wir eine ausführliche Darstellung von Notwendigkeit und Ziel der angestrebten Verfassungsänderung vorgenommen. Ich darf darauf verweisen und möchte mir erlauben, nur die wichtigsten Argumente für Sie noch einmal hervorzuheben.
Erstes und entscheidendes Argument: Sachliche und rational nachvollziehbare Gründe, insbesondere verfassungsrechtlicher Art, dafür, den einfachen Gesetzgeber daran zu hindern, die Richterwahl auch für die vorläufige Einstellung der Richter vorzusehen, gibt es nicht. Die durch nichts zu rechtfertigende Sperrwirkung der Verfassung gegenüber der Einführung der Richterwahl auch für die vorläufige Einstellung ist bundesweit einmalig und sollte daher aufgehoben werden.
Nicht, weil sie einmalig ist, sondern weil sie sachlich nicht gerechtfertigt ist. Als scheinbares Sachargument wird ins Feld geführt eine gebotene Zurückhaltung hinsichtlich der Änderung einer Verfassungsbestimmung. Der Abgeordnete Dittes hat bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs schon darauf hingewiesen, dass z. B. bei Gelegenheit der Einführung eines befristeten Moratoriums bei der Diätenanpassung in Artikel 105 a) der Verfassung eine solche Zurückhaltung gerade nicht zu beobachten war. Wer sich die Mühe macht, einen Blick in die Protokolle des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses zu werfen, wird feststellen, dass sich die Mitglieder des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses keine weiteren Gedanken über die Bedeutung dieser ungewöhnlichen, den einfachen Gesetzgeber an der Erweiterung der Zuständigkeit des Richterwahlausschusses hindernden Bestimmung gemacht haben. Interessant in diesem Zusammenhang und in den Protokollen des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses nachzulesen ist die Be
merkung eines Professors der Universität Hamburg. Der war auch einmal Bundesjustizminister und damals Sachverständiger der F.D.P.-Fraktion. Dieser war zur Sitzung, in der der Ausschuss den Artikel 89 Abs. 2 in seiner jetzigen Fassung beschloss, nicht anwesend. Als er in der darauf folgenden Sitzung von der Entscheidung des Ausschusses erfuhr, erklärte er, dass dann, wenn er anwesend gewesen wäre, er mit Sicherheit in die Luft gegangen wäre. Soweit zu dem verfassungsrechtlichen Hintergrund dieser Regelung. Die vom Justizminister und von den Oberpräsidenten in der Anhörung vorgebrachten Bedenken, dass bei einer Beteiligung des Richterwahlausschusses die Einstellungsverfahren länger dauern würden, was bei einem engen Markt sehr guter Bewerber nachteilig sei, greifen meines Erachtens nicht durch. Es gibt keine Gründe, die dagegen sprechen, sehr gut qualifizierte Bewerber auch vorläufig unter dem Vorbehalt einer späteren Zustimmung des Richterwahlausschusses einzustellen. Andere Bundesländer machen das wohl auch, das wurde in der Anhörung deutlich.
Welche Gründe sprechen für eine Beteiligung des Richterwahlausschusses auch bei der erstmaligen Übertragung eines Richteramts und jeder anderen Übertragung eines Richteramts?
Zum einen ist dies die breitere Grundlage der demokratischen Legitimation der Richterschaft sowie die Stärkung ihrer institutionellen und persönlichen Unabhängigkeit im Verhältnis zu Exekutive und Legislative. Ferner ist die Richterwahl geeignet, die Transparenz der Aufgabe des Justizministers, nämlich sachlich und rational nachvollziehbare Personalentscheidungen zu treffen, zu erhöhen. Damit trägt die Richterwahl durch externe Kontrolle dazu bei, schon den Anschein einer möglicherweise mangelhaften Bewerberauswahl und Beurteilung der Richter auf Probe besser zu meiden als bisher.
Lassen Sie mich insoweit zusammenfassen: Unser Gesetzentwurf enthält gegenüber dem bisherigen Artikel 89 Abs. 2 drei neue Gesichtspunkte:
1. Der Richterwahlausschuss entscheidet auch über die vorläufige Einstellung der Richter, somit über die Einstellung der Richter auf Probe und kraft Auftrags.
2. Er stimmt der Entscheidung des Justizministers nicht lediglich zu, sondern entscheidet gemeinsam mit dem Justizminister. Damit wird klargestellt, dass der Richterwahlausschuss nicht lediglich ein Votum zu dem Vorschlag des Justizministers abgibt, sondern gegebenenfalls unter mehreren vorgeschlagenen Bewerbern eine Auswahl treffen kann.
3. Abweichend von der bisherigen Regelung in Satz 2, nach der zwei Drittel der Ausschussmitglieder vom Landtag gewählt werden, wollen wir, dass nur die Hälfte der Ausschussmitglieder von der Volksvertretung gewählt wird, wodurch eine paritätische Zusammensetzung aus Abgeord