Reiner Schomburg
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Last Statements
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Sie uns Medienpolitikern die Wertschätzung entgegenbringen und bei diesem Tagesordnungspunkt anwesend sind!
Sehr geehrter Herr Kühn, uns hat es etwas erstaunt, zu welchem Zeitpunkt Ihr Antrag gestellt worden ist. Am Anfang einer Legislaturperiode ist es durchaus verständlich, seine Landesregierung in dieser medienpolitischen Angelegenheit in die Spur zu schicken, ihr moralische und andere Unterstützung angedeihen zu lassen. Aber zu einem Zeitpunkt, zu dem die Verfallsfrist der Landesregierung in wenigen Wochen erreicht sein wird, halte ich einen solchen Beschluss, der nach dem Diskontinuitätsprinzip ohnehin verfallen wird, für etwas fragwürdig.
Auch in inhaltlicher Hinsicht ist einiges als problematisch anzusehen. Der Mitteldeutsche Rundfunk nutzt wie die anderen ARD-Anstalten auch die Transponder des Astra-Satellitensystems. Nach unserer Erkenntnis sind derzeit sämtliche Transponder dieses Systems ausgebucht. Also selbst wenn unsere Landesregierung gemeinsam mit Thüringen und Sachsen beim Intendanten des Mitteldeutschen Rundfunks intervenieren würde, könnte dieser nicht handeln.
Ein weiterer Punkt. Ein Transponder kostet pro Jahr etwa 6 Millionen €. Wenn ich Ihrem Anliegen, das durchaus nachvollziehbar ist, entsprechen wollte, müsste ich für alle drei Staatsvertragsländer je einen Transponder bereitstellen; denn das Recht, das wir Sachsen-Anhalt zugestehen, müssten wir auch den Ländern Sachsen und Thüringen einräumen. Das heißt, die Kosten für drei Transponder zu je 6 Millionen € würden sich auf 18 Millionen € oder 36 Millionen DM belaufen - das sind geschätzte Zahlen -, und das alles wegen einer Sendezeit von 30 Minuten pro Tag.
Dabei muss man wirklich die Verhältnismäßigkeit sehen.
Spätestens im Jahr 2010 werden sämtliche Übertragungswege digital sein. Das trifft schon auf das Kabelnetz und auf die Satellitenübertragung zu. Der Satellit Astra I E ist vollständig digitalisiert. Über den Satelliten Astra I E können alle Bürger Sachsen-Anhalts schon heute das Regionalprogramm Sachsen-Anhalts empfangen. Das Einzige, was sie daran hindert, ist im Moment ein nicht vorhandener Digitalempfänger. Derartige Geräte werden jetzt allerdings vermehrt in den Geschäften angeboten, auch von mehreren Produzenten mit preislichen Unterschieden von preisgünstig bis teuer.
Daher müssen wir uns, denke ich, zunächst darüber unterhalten, ob wir für diese Übergangszeit noch eine Lösung im analogen Bereich brauchen.
Ferner ist unseres Erachtens - das war auch die Intention des Staatsvertrages - die Grundversorgung der Bürger über die normale Yagi-Antenne gewährleistet. Es gibt, so ich weiß, in Sachsen-Anhalt keinen Haushalt, der, mit einer Dachantenne versehen, nicht das Landesprogramm des Mitteldeutschen Rundfunks und somit auch das Programm „Sachsen-Anhalt heute“ zwischen 19 und 19.30 Uhr empfangen kann.
Ist also die Grundversorgung tatsächlich nicht für alle gewährleistet? Ist es die Aufgabe des MDR, die Grundversorgung über alle Übertragungsmedien zu gewährleisten? Über die Dachantenne, also über Terrestrik, ist sie gewährleistet. Wir als Gesetzgeber haben auch dafür gesorgt, dass sie über die Kabelnetze gewährleistet ist. Sie ist tatsächlich nur über die Satellitenschüssel nicht gewährleistet.
Ein letzter Punkt. Wie viele Bürger haben sich tatsächlich darüber beschwert, dass sie dieses Programm nicht sehen können? Eigentlich würde Ihr Antrag voraussetzen, dass es eine Bewegung von Bürgern gäbe, die sich beschweren würden. Nach unserer Kenntnis, auch nach der Kenntnis unserer Rundfunkräte gibt es im Land Sachsen-Anhalt keine Beschwerden darüber.
Deshalb halten wir es für sinnvoll, uns über diesen Antrag erst im Ausschuss für Kultur und Medien zu unterhalten, bevor wir zu einer Aufforderung an die
Landesregierung kommen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon zur Tradition geworden, dass die größte Oppositionspartei am Ende einer Legislaturperiode nach dem Stand der Kultur in Sachsen-Anhalt fragt.
Bevor ich auf die Einzelheiten der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage eingehe, möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kultusministeriums und aller beteiligten Institutionen recht herzlich für die Zuarbeit bedanken. Wir waren uns wohl bewusst, dass diese Fülle von Fragen, insbesondere in der Sommerpause gestellt, nicht gerade gelegen kam. Umso mehr sind wir im Großen und Ganzen mit dem Ergebnis der Antwort zufrieden. Womit wir nicht zufrieden sein konnten, werde ich natürlich auch sagen.
Sachsen-Anhalt ist mit seinen vielfältigen kulturhistorischen Reichtümern ein kulturell und geistesgeschichtlich herausgehobenes Land der Bundesrepublik Deutschland. Gerade die heute viel belächelte Kleinstaaterei hat eine Vielfalt und Dichte von historischen Baudenkmalen, Kompositionen, Dichtungen und anderen kulturellen Zeugnissen hervorgebracht. So konnten sich vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit auf dem Gebiet SachsenAnhalts immer wieder geistige Zentren bilden, deren Einfluss weit über Deutschland hinausreicht. In diesem Zusammenhang sind Magdeburger Recht, Reformation, mitteldeutsche Barockmusik, Pietismus und Aufklärung, moderne Architektur und Formgestaltung zu nennen.
Diesen Schatz hat Sachsen-Anhalt in das wieder vereinigte Deutschland eingebracht. Darauf dürfen und sollten wir zu Recht stolz sein.
Doch unsere Bürger wollen nicht nur auf die Werke unserer Vorfahren stolz sein. Sie wollen vielmehr durch ihr Tun Leistungen vollbringen und ihre Fähigkeiten in unserem Land anwenden können. Deshalb lässt sich die Identität des Landes nicht nur auf die Vergangenheit gründen, sondern ist auch immer Ergebnis des gegenwärtigen Schaffens des Volkes. Unser historisches Erbe ist Lust und Last zugleich, bietet Chancen und enthält Risiken. Der Landeshaushalt verlangt deshalb auch im Kulturbereich nach Schwerpunktsetzungen.
Wie sieht es mit der Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt zwischen Erbe und Moderne, zwischen Tradition und Innovation aus? Um einer Antwort näher zu kommen, stellte die CDU-Fraktion im Landtag die Große Anfrage an die Landesregierung. Was sind deren Ergebnisse?
Zunächst einmal zur Form: Nach Abgabe der Fragen war uns schon klar, dass die Landesregierung Probleme mit der Terminsetzung der Beantwortung bekommen könnte. Deshalb haben wir ohne Diskussion einer Verlängerung der Terminsetzung zugestimmt, weil uns mehr an der Qualität der Antworten als an formalen Terminen gelegen ist. Wie das Kultusministerium mit diesem Zugeständnis umgegangen ist, sollte doch einmal kurz diskutiert werden.
Wir halten auch wenig von überflüssigen Wiederholungen, aber sehr viel vom Dienstleistungsgedanken einer Landesbehörde. Die Antwort, Herr Kultusminister, ist nicht für eine kleine Schar eingeweihter Kulturnarren gedacht gewesen, sondern als Kompendium der kulturellen Lage Sachsen-Anhalts im Jahr 2001. Die doch recht häufigen Verweise auf die Antworten auf die Große Anfrage aus dem Jahr 1997 machen ein eigenständiges Lesen der Antworten unmöglich. Soweit auf diese Antworten einfach verwiesen wird, ist der Sachverhalt durch das Parallellesen der Antwort der Landesregierung aus dem Jahr 1997 zumindest noch nachvollziehbar. Wenn es jedoch heißt: „Die Antwort gilt grundsätzlich weiterhin“, ergibt sich für uns schon die Nachfrage, warum nur „grundsätzlich“?
Ein besonders exzellentes Beispiel für diese Verweistechnik möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Die Antwort auf die Frage VI Nr. 24, welche Möglichkeiten in Sachsen-Anhalt für die Ausbildung künstlerischen Nachwuchses bestehen und wie die Angebote wahrgenommen werden, lautet:
„Die 1997 zu dieser Frage (vgl. Nr. 4.23) gegebene Antwort gilt weiterhin. Die dortigen Verweise auf die Nrn. 4.14, 4.20, 4.21 und 4.22 werden durch die Verweise auf die Beantwortung der Fragen VI Nrn. 14, 16 bis 18, 22 und 23 ersetzt. Vertiefende Aussagen wird hierzu das Landeskulturkonzept enthalten.“
Nun wissen Sie alle Bescheid, wie es um die Ausbildung von künstlerischem Nachwuchs im Land Sachsen-Anhalt bestellt ist.
Ganz fatal kann es werden, wenn man die erbetenen, aber nicht gelieferten Zahlenvergleiche der Jahre 1991 bis 2001 selbst zusammenstellt. Hierbei kann es vorkommen, dass Äpfel mit Birnen vermischt werden, obwohl der Wortlaut der Frage des Jahres 2001 identisch
mit dem Wortlaut der Frage aus dem Jahr 1997 ist. Ein Beispiel dafür ist die jährliche Auflistung der Schüler der Musikschulen, wo im Jahr 1996 noch 29 518 Schüler, aber 1997 plötzlich nur noch 22 047 Schüler erscheinen.
Die CDU-Fraktion hätte dem Kultusministerium sicherlich auch eine weitere Terminverlängerung nicht abgeschlagen, wenn wir dann eine eigenständig lesbare und statistisch konsistente Antwort der Landesregierung in der Hand gehabt hätten. Aber so bleibt der Verdacht, dass mit dieser Methode mehr verschleiert als enthüllt werden soll.
In den Vorbemerkungen zeichnet die Landesregierung eine Erfolgsgeschichte ihrer kulturellen Taten und der kulturellen Entwicklung des Landes. In der Tat gab und gibt es im Land einiges vorzuweisen. Doch nicht alles ist dieser Landesregierung zuzuschreiben und manche Initiative kam außerdem aus dem Landtag.
Wenig überraschend für Sie dürfte ebenfalls sein, dass die Opposition mit der Aussage, - ich zitiere - „dass sich die Rahmenbedingungen für die Kultur in SachsenAnhalt insgesamt nicht nur stabilisiert, sondern sogar verbessert haben“, nicht einverstanden ist. Eine ganze Reihe von Kulturvertretern aus Sachsen-Anhalt teilt hierzu übrigens unsere Auffassung. Wenn dieser Satz die tatsächliche Einschätzung der Landesregierung wiedergibt - ich zweifle nicht daran -, dann zählt auch der Kulturbereich zu den Politikfeldern, in denen die Landesregierung die Wirklichkeit schönredet oder schönrechnet. Der Verlust der Wirklichkeit kommt eben immer vor dem Verlust der Macht.
Bei der Fülle der angesprochenen Kulturbereiche und angesichts der mir zur Verfügung stehenden Zeit kann ich nur exemplarisch einige Fragebereiche streifen.
Zunächst zur Kulturfinanzierung. Die Landesregierung hat vor einigen Jahren mit großem Aufwand bekannt gegeben, dass sie künftig die Kultur des Landes mit 1 % des Landeshaushalts fördern will. Diese Aussage hat die Landesregierung mit ihrem Haushaltsplanentwurf in keinem Jahr erfüllt, auch wenn uns die Antwort auf die Frage II Nr. 1 für das Jahr 1998 etwas anderes weismachen will. Die dort aufgeführten Zahlen lassen sich für uns anhand der Haushaltspläne jedenfalls nicht nachvollziehen.
Nun würde ich mich mit der Landesregierung nicht um Zehntelprozentpunkte streiten wollen, wenn nicht große Fördereffekte im Kulturbereich schon mit kleinen Summen möglich wären. So beschämend klein das selbst gesteckte Ziel der Landesregierung auch ist, die Tatsache, dass es nie erreicht wurde, ist ein weiteres Armutszeugnis dieser Landesregierung.
Ich frage Sie: Welche Familie dieses Landes gibt lediglich 1 % ihres Budgets für kulturelle Belange aus? - Die Kultur dieses Landes benötigt mehr und hat mehr verdient.
An dieser Stelle möchte ich den Mitarbeitern der Kulturverwaltung danken, da sie es in jedem Jahr schaffen, den ihnen zugewiesenen engen Finanzrahmen optimal mit Förderbescheiden auszunutzen.
Ganz kann ich der Landesregierung bei der Antwort auf die Frage nach der Rolle der Verpflichtungsermächtigungen nicht folgen. Anscheinend gibt es weiterhin Diskussionsbedarf, wenn ich Verpflichtungsermächtigungen für nicht jährlich stattfindende Veranstaltungen sehe und
gerade im Kulturbereich, vor allem im Musikbereich, Vorlaufzeiten von mehreren Jahren habe, um international renommierte Künstler zu binden. Hierbei sollten Änderungen in der bisherigen Verfahrensweise möglich sein.
Bei diesem Komplex muss unbedingt auch die Praxis der Landesförderung angesprochen werden. Nach geltendem Haushaltsrecht werden institutionelle und ehrenamtlich arbeitende Zuweisungsempfänger gleich behandelt. Nun ist der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Säule des Rechtsstaates, an der ich nicht rütteln will. Die Förderpraxis in Sachsen-Anhalt hält für ehrenamtlich Arbeitende aber eine ganze Reihe von Tücken bereit, die von einer ordentlichen Antragstellung mit ihrem verklausulierten Vokabular über den sachgerechten Umgang mit dem erteilten vorzeitigen Maßnahmebeginn bis hin zur vorgeschriebenen sachgerechten Mittelverwendungsnachweisführung - allein schon dieses Wort ist schrecklich - reichen.
Uns erreichen in letzter Zeit verstärkt Hilferufe von ehrenamtlich arbeitenden Zuwendungsempfängern, die inzwischen die Sinnfälligkeit der Landesförderung für ehrenamtlich organisierte kulturelle Veranstaltungen oder Projekte infrage stellen. Wenn wir weiterhin eine Landesförderung für die Vielzahl ehrenamtlich vorbereiteter Projekte wollen, so sollten wir die Förderinstrumente noch einmal einer kritischen Sicht unterziehen.
Das Problem der Rückforderung von Fördermitteln zum Beispiel von Vereinen und der damit im Zusammenhang stehenden privaten Haftung der Vereinsvorstände wäre ein weiteres Thema in diesem Problembereich, das ich nur anreißen kann.
Ich möchte nun zur kulturellen Bildung kommen. Damit komme ich zu einem ganz dunklen Kapitel realsozialistischer Kulturpolitik. Leider bestätigen die Antworten zu diesem Kapitel die Aussagen aus dem Jahr 1997. Nichts, aber auch gar nichts hat sich seitdem geändert, geschweige denn verbessert.
Die katastrophale Versorgung unserer Schulen mit qualifizierten Musik- und Kunsterziehungslehrern hat sich seit dem Jahr 1997 kaum geändert und wird sich angesichts der geringen Zahlen von Lehramtsstudenten in absehbarer Zeit auch kaum ändern lassen, zumal auch andere Länder werbend um die wenigen Studenten in SachsenAnhalt buhlen. So hat sich der fachfremd erteilte Unterricht seit dem Jahr 1997 in Kunsterziehung von 20 % auf 25 % und in Musik von 15 % auf 20 % erhöht. Hier ist dringender Handlungsbedarf angesagt.
Wir versagen damit vielen Schülerinnen und Schülern eine solide ästhetische Bildung, wobei die Ästhetik neben der Logik und der Ethik eine wichtige Form der Welterkenntnis ist.
Einen Aspekt unterschlägt die Landesregierung bei ihrer Antwort ganz, welcher inzwischen auch in Deutschland als wissenschaftlich abgesichert gelten kann. Insbesondere durch die Arbeiten von Professor Bastian ist erwiesen, dass Grundschüler mit erweitertem Musikunterricht auch in den anderen Fächern trotz geringerer Wochenstundenzahl signifikant bessere Leistungen erbringen können. Dieses Thema gehört mit auf die Agenda der Themen, die in Auswertung der Pisa-Studie zu diskutieren sind; für den Kultusminister aber anscheinend nicht.
Das Defizit in der grundständigen Musik- und Kunstausbildung der Schüler setzt sich im außerschulischen Be
reich fort. Gab es 1996/1997 noch 274 Chöre an Grundschulen, so sind es 2000/2001 noch 197. Lässt sich dieser Rückgang noch mit zurückgehenden Schülerzahlen und Schließungen oder Fusionen von Grundschulen einigermaßen erklären, so gibt es für den Rückgang bei den Sekundarschulen - 1996/1997 101 Chöre und in diesem Schuljahr noch 42 Chöre - nur eine Erklärung den Zahlen bei Schulchören könnten entsprechende Zahlen bei den Instrumental- und Kunstarbeitsgemeinschaften folgen -: Die Einführung der Förderstufe hat sich auf die außerschulische musische Arbeit an den Sekundarschulen katastrophal ausgewirkt.
Die fehlende Kontinuität im Schüler- und Klassenbereich führt bei der außerunterrichtlichen Arbeit zu Diskontinuität und zur Frustration bei den engagierten Lehrerinnen und Lehrern. Dass damit außerdem der nachgewiesene positive Effekt sozialen Lernens in Arbeitsgemeinschaften einer ideologisch motivierten Förderstufe geopfert wurde, deren sozialer Mehrwert erst noch zu beweisen wäre, sei hierbei ausdrücklich angemerkt.
Leider setzt sich diese betrübliche Bilanz auch bei den Musikschulen fort. Die Zahl der Musikschüler ging zwischen dem Jahr 1997 und dem Jahr 2001 um etwa 500 zurück. Damit erreichen die Musikschulen nur etwa 6 % der Schülerschaft unseres Landes. Mit anderen Worten: Nur jeder 17. Schüler erhält in Sachsen-Anhalt Instrumentalunterricht in einer Musikschule. Damit stehen wir am unteren Ende der Skala der Länder in der Bundesrepublik Deutschland.
Von der ehemals angestrebten Drittelfinanzierung der größtenteils kommunal getragenen Musikschulen ist auch nichts mehr zu hören und zu lesen. Die Auswirkungen lassen sich dann in der Statistik zu den Fragen VI Nr. 18 nachlesen.
Während die Zahl der hauptamtlich beschäftigten Musiklehrer und Musiklehrerinnen von 354 auf 307 zurückgeht, steigt die Anzahl der nebenamtlich arbeitenden Musiklehrer von 549 auf 631 an. Nur so können die Städte und Landkreise bei immer knapper werdenden kommunalen Haushalten zumindest die Verstetigung des Angebotes absichern. Ob das bei diesen Randbedingungen auch in den nächsten Jahren möglich sein wird, darf wohl zu Recht bezweifelt werden.
Einige wenige Bemerkungen noch zu den Theatern. Von außen betrachtet scheinen wir in Sachsen-Anhalt in einem Schlaraffenland der Theater zu leben. Wer die Nachrichten aus Thüringen und Brandenburg aufmerksam hört, der fühlt sich in dieser Sicht noch bestätigt. Sieht man jedoch hinter die Kulissen, die dem oberflächlichen Betrachter der Theaterszene etwas anderes vortäuschen sollen, so sieht die Szene leider dramatisch aus.
Positiv lässt sich zunächst einmal feststellen, dass wir hoch motivierte und talentierte Schauspieler, Sänger, Musiker, Tänzer, aber auch Dramaturgen, Regisseure und Intendanten an unseren Theatern haben. Eine Vielzahl guter Inszenierungen, übrigens nicht nur an den großen Häusern, konnten wir in den letzten Jahren sehen.
Natürlich haben auch die abgeschlossenen Theaterverträge eine wichtige Stetigkeit im Bereich der Landeszuweisungen gebracht, die die Planbarkeit der Finanzströme aus dem Land verbessert und gleichzeitig die
Kommunen über den Vertragszeitraum in die Pflicht nimmt.
Die CDU-Fraktion hat von Anfang an darüber hinaus gefordert, dass sich das Land über eine Anpassungsklausel auch an den jährlichen Preissteigerungen beteiligt und dies nicht allein den Kommunen überlässt. Die Landesregierung hat das mit dem Hinweis auf noch vorhandenes Einsparpotenzial in den Häusern abgelehnt.
Dies mag bis Mitte der 90er-Jahre durchaus so gewesen sein. Inzwischen erzeugt dieses Verhalten jedoch das systematische finanzielle Austrocknen der Theater. Beginnend bei den kleinen Häusern waren inzwischen bereits Einschnitte in die Substanz notwendig, die bereits in der nahen Zukunft die Frage des Aufrechterhaltens des Theaterbetriebes aufwerfen werden.
Mit den Steuerausfällen und den rückläufigen Zuweisungen des Landes an die Kommunen wird der Spielraum für die Theaterträger nochmals enger. Geht dieser Prozess so weiter - und vieles deutet darauf hin -, ist die Schließung der Häuser in den Mittelzentren absehbar. Ohne strukturelle Neuordnung der Theaterförderung ist unsere Theaterlandschaft zum Sterben verurteilt.
Ich möchte an dieser Stelle, weil auch die Zeit abgelaufen ist, mit diesen einleitenden Bemerkungen zu den Antworten der Landesregierung schließen. Es gäbe eine Fülle anderer Hinweise zu anderen Kunst- und Kulturbereichen, die ich bringen könnte. Aber in der folgenden Diskussion wird schließlich dafür noch Gelegenheit sein. - Zunächst einmal vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an der Stelle fortsetzen, an der ich vorhin enden musste. Ich möchte zunächst eine Bemerkung zur Finanzierung der freien Theaterszene machen.
Freie Theater, Kinder- und Jugendtheater sind die Hefe im Teig der Theaterlandschaft. Wie jeder Bäcker weiß: Es gedeiht kein Kuchen ohne ordentliche Hefe.
Aufgrund der Unstetigkeit der Finanzierung der freien Theater und der Nachwuchstheaterszene war diese warmen und kalten Wechselbädern ausgesetzt. Machte dies ein Bäcker, so bliebe sein Kuchen beim Backen sitzen und er würde seine Kunden los. - Dieses Beispiel der unsteten Kulturfinanzierung lässt sich bei anderen Bereichen wiederholen.
Ein für uns erstaunliches Resultat brachte die Große Anfrage, was das kulturelle Engagement der Kommunen betrifft. Trotz abnehmender finanzieller Spielräume und nun schon seit Jahren rückläufiger Zuweisungen durch die Landesregierung fördern die Kommunen Kunst und Kultur auf einem beachtlichen Niveau von über 600 Millionen DM jährlich. Wer von den Kommunen mehr erwartet, muss für deren bessere finanzielle Ausstattung sorgen.
Die Antwort auf die Frage V Nr. 7 überrascht gerade im Hinblick auf aktuelle Ereignisse um die Museen in Arendsee und Quedlinburg, wo augenscheinlich auf Druck der Kommunalaufsicht die Kommunen zum Schließen dieser Museen angehalten worden sind. Auch mit anderen Beispielen lässt sich belegen, dass die Kommunalaufsicht vorrangig mit Kürzungsvorschlägen, die sich auf den kulturellen Bereich beziehen, die finanzielle Situation der jeweiligen Kommune zu retten gedenkt.
In keinem mir bekannten Fall hätten aber die Ausgaben für Kultur auch nur annähernd ausgereicht, die Haushalte wieder ausgeglichen zu gestalten. Insofern halte
ich die Empfehlungsstrategien der Kommunalaufsicht für überdenkenswert und schließe mich den diesbezüglichen Ausführungen des Kultusministers durchaus an, der die Kulturförderung hier noch einmal als Verfassungsauftrag darstellte.
In den vergangenen zwölf Jahren ist in Sachsen-Anhalt eine beachtliche Museumsinfrastruktur entstanden. Mithilfe von Bundes- und Landesmitteln sind in den Kommunen ansehnliche und mittlerweile auch moderne Museen entstanden.
Ich denke, es wird langsam Zeit, den Blick vermehrt auf die landeseigenen Museen zu richten. Sowohl am Landesmuseum für Vorgeschichte als auch am Landeskunstmuseum Moritzburg in Halle ist dieser Modernisierungsschwung bisher so ziemlich vorbeigegangen.
Wir leben in einem der kulturgeschichtlich interessantesten Räume Europas. Die wissenschaftlich spektakulären Funde, die bei der intensiven Tiefbautätigkeit in den letzten Jahren zum Vorschein kamen, sind bisher nur in die Archive gewandert. Im Verlauf der B 6 n ist zum Beispiel eine Siedlungsstelle ausgegraben worden, die die Geschichte von den Germanen bis zu Otto dem Großen geschlossen dokumentiert, übrigens einmalig in Europa. Ein Museum, das diese und weitere außerordentliche Funde präsentieren kann, wäre mindestens ebenso attraktiv wie die im vergangenen Jahr so erfolgreich gelaufene Otto-Ausstellung in Magdeburg.
Dringend benötigt auch die Moritzburg eine umfassende Instandsetzung, um sowohl die Ausstellungsfläche vergrößern zu können, die bisher lediglich 5 % der vorhandenen Kunstwerke Platz bietet, als auch die vorhandenen Probleme im Depotbereich zu beheben.
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zur Denkmalpflege machen. Sachsen-Anhalt ist mit einer Vielzahl von bedeutsamen Baudenkmalen aus nahezu allen Zeitepochen europäischer Baukunst und Architektur gesegnet. Deshalb lag 1990 ein riesiger Erwartungsdruck auf den politisch Handelnden, dass nun auch die Denkmale, die während der Zeit der DDR dem System nicht opportun waren, in den Genuss staatlicher Förderung kommen.
Dies war bei den in den einzelnen Jahren zur Verfügung gestellten Mitteln nicht möglich. Wieder musste ausgewählt und vertröstet werden. Seit 1990 gibt es einen stetigen Rückgang der Mittel für die einzelbauliche Denkmalpflege im Kultusministerium. Leider kann die Sanierung vieler Gebäude nicht aus den alternativen Förderprogrammen unterstützt werden.
Nach Aussage der Landesregierung kann nur ein Viertel der beantragten Mittel auch ausgereicht werden. In Verbindung mit einem der besten, aber auch stringentesten Denkmalschutzgesetze führt dies im Land oftmals zu einer investitionsrelevanten und verbissen diskutierten Konfliktlage.
Diese beiden Tatsachen passen nicht zueinander. Entweder man stellt zur Umsetzung dieses nachweislich denkmalschutzfreundlichen Gesetzes den Denkmalbehörden einigermaßen ausreichend Fördermittel zur Verfügung oder man entschärft die Situation durch die Änderung des Gesetzes.
Ich persönlich plädiere nicht für den ersten Weg, denn mittels einer gut finanzierten Denkmalpflege kann man gleich mehrere Ziele erreichen: Denkmalpflege ist ein
hervorragender Auftraggeber für unser Handwerk und Gewerbe. Die touristischen Effekte einer attraktiven Denkmalpflege lassen sich insbesondere an den Übernachtungszahlen von Wernigerode und Quedlinburg ablesen. Hier ist Handlungsbedarf gegeben.
Die kulturpolitische Diskussion in unserem Land hat den ungeheuren Vorteil, dass sie bis auf wenige Ausnahmen kaum ideologisch, sondern sehr praxisbezogen geführt wird.
Ich möchte meinen Beitrag gern abschließen und stehe dann für Fragen bereit. - Wir sollten uns auch in Zukunft dieses praxisbezogenen Stils der Diskussion befleißigen, egal wer regiert, egal wer opponiert.
Wir brauchen in unserem Land eine aktive Kulturpolitik; denn insbesondere wenn dieses Land wirtschaftlich bestehen will, brauchen wir nicht eine kleine, gut ausgebildete und kunstbewanderte Elite, sondern viele kreative, phantasievolle und innovationsfreudige Bürger. Hierfür muss man den Zugang zu den Sprachen der Künste gelernt haben und ihn auch nutzen können. Diese Zugänge offen zu halten ist Aufgabe von Kulturpolitik insbesondere in Krisenzeiten.
Lassen Sie mich mit einem Zitat von Peter Rosegger schließen, der einmal schrieb:
„Über drei Dinge wird in unseren Tagen zu viel geschrieben und geredet: über Kunst, Gesundheit und Erziehung. Die Folge davon ist, dass wir unkünstlerisch, kränkelnd und ungezogen werden.“
Lassen Sie uns schließen mit der Debatte und ans Werk gehen. Es gibt viel zu tun in diesem Land. - Vielen Dank.
Herr Fikentscher, die Diskussion um das Denkmalschutzgesetz ist eine Diskussion, die in diesem Haus quer durch die Fraktionen verläuft. Ich kenne auch Mitglieder anderer Fraktionen, die zumindest mit der Anwendung des jetzigen Denkmalschutzgesetzes nicht zufrieden sind und für eine Veränderung dieses Gesetzes
plädieren. Insofern ist der Diskussionsprozess zum Denkmalschutzgesetz auch in unserer Fraktion noch im Schwange. Eine Mehrheit plädiert für eine Änderung des Denkmalschutzgesetzes. Dies heißt aber nicht, dass sich die Kulturpolitiker in der Fraktion dieser Mehrheit angeschlossen haben.
Wernigeröder Bürger beklagen seit längerem aufgrund der immensen Verkehrsbelastung entlang der B 244 einen erheblichen Wohnungs- und Häuserleerstand und bei einer Reihe von teilweise über 300 Jahre alten und unter Denkmalschutz stehenden Häusern deutliche Verfallserscheinungen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Hält die Landesregierung eine Ortsumfahrung Wernigerode im Verlauf der B 244 für notwendig und sieht sie zu dem bisher geplanten Tunnel unter dem Fenstermacherberg eine kostengünstigere Alternative?
2. Gibt es im Zuge der Anmeldung der Ortsumgehung Wernigerode zum Bundesverkehrswegeplan eine Fortschreibung der Begründung hinsichtlich der aktuellen Verkehrsströme, der Lärm-, Abgas- und Staubbelastungen, der geringen Fahrbahnbreite, fehlender oder zu schmaler Gehwege, Unfallschwerpunkte etc.
und welche Auswirkungen hat diese auf die Einstufung des geplanten Vorhabens im Bundesverkehrswegeplan?
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Vertreter des Verbandes! Frau Leppinger hat als Berichterstatterin des Innenausschusses korrekt auf das Verfahren in den Ausschüssen hingewiesen. Ich möchte mich in meinem heutigen Beitrag mit den vier Hauptargumenten, die auch Minister Püchel noch einmal vorgetragen hat, auseinander setzen.
Das erste Argument, das uns entgegengehalten wurde, war, dass es bei dieser Opfergruppe zu einer Art Doppelentschädigung kommen könnte. Gegen diesen Punkt ist einzuwenden, dass das Vermögensgesetz im Bereich der unlauteren Machenschaften - das ist § 1 Abs. 3 des Vermögensgesetzes - nur die willkürlichen Abweichungen vom ehemaligen DDR-Recht umfasst. Verkannt wird dabei, dass Willkürmaßnahmen auch formell nach DDRVorschriften durchgeführt wurden, von DDR-Vorschriften teilweise gedeckt waren und auch gegen einzelne Personengruppen gerichtet waren, also auch Sippenhaft vorsahen. Das sind Fälle, die durch das Vermögensgesetz nicht berücksichtigt werden können.
Ein zweites Gegenargument war, dass eine Bevorzugung gegenüber sonstigen Anspruchsberechtigten nach dem Vermögensrecht eintreten könnte. Dieser Grund ist in der Tat stichhaltig, weil nicht nur im Rahmen der Zwangsaussiedlung willkürliches Unrecht passiert ist, sondern auch zu anderen Zeiten und an anderen Orten.
Generell möchte ich an dieser Stelle einfügen, dass das Rehabilitations- und damit auch das Entschädigungsrecht auf der Basis des Einigungsvertrages einen entscheidenden Nachteil hat: Es stellt geschriebenes DDR-Recht formell dem Recht in der Bundesrepublik gleich. Damit verkennt es offensichtlich die Instrumentalisierungsfunktion des Rechtes in der DDR. Auch die Rechtsordnung und die Rechtsorgane waren Schild und Schwert der SED.
Deshalb wirkt sich dieser Fehlschluss des Einigungsvertrages so katastrophal auf die Rehabilitation der einzelnen Opfergruppen aus. Dies ist durchaus als Form der Selbstkritik zu verstehen; denn die CDU ist nicht unmaßgeblich an der Abfassung und Verabschiedung des Einigungsvertrages beteiligt gewesen.
Der dritte Punkt: Es käme zu einer Schieflage bei der Entschädigung aller Opfergruppen. Das ist natürlich eine verquere Logik nach dem Motto: Die einen Opfer sollen nichts bekommen, weil die anderen Opfer auch nichts bekommen.
Wer das nachvollziehen kann, der wird wahrscheinlich Beamter im Innenministerium.
Der vierte Punkt betrifft die Verfassungsmäßigkeit, auf die auch Minister Püchel eingegangen ist. Auf unsere Frage nach der Rechtmäßigkeit der Sonderregelung in Thüringen bekamen wir als Antwort, dass es weder von Thüringer Seite eine Verfassungsklage gab, noch dass es Bedenken vonseiten des Bundesjustizministeriums gegen diese Verfahrensweise gab. Die Bezeichnung der Stiftungsregelung, wie sie in Thüringen eingeführt wird, als Umgehungstatbestand ist wohl eher eine Beschuldigung der Opfergruppe, als dass es ein tatsächliches Faktum wäre. Denn all diese Gründe bestanden oder bestehen ja auch in Thüringen.
Ich kann nur einen Unterschied zwischen SachsenAnhalt und Thüringen feststellen: Dort, in Thüringen, gibt es den politischen Willen, übrigens aller im Thüringer Landtag vertretenen Parteien, dieser Verfolgtengruppe ähnlich den Vertriebenen eine symbolische Entwurzelungsentschädigung zukommen zu lassen.
In Sachsen-Anhalt ist dies bei SPD und PDS offensichtlich nicht der Fall.
Deshalb bitte ich namens der CDU-Fraktion, der Beschlussempfehlung des Innenausschusses nicht zuzustimmen. Wir halten diesen Tagesordnungspunkt für wert, über ihn in namentlicher Abstimmung zu entscheiden. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer sich die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts ansieht, wird erkennen, dass sie wie von einem roten Faden begleitet ist von Vertreibung, von Deportation und von Zwangsarbeit. Wohl kaum ein Volk in Europa ist von dieser Geißel verschont geblieben. Wir Deutsche waren insbesondere während und nach dem Zweiten Weltkrieg betroffen, sowohl als Verursacher als auch als Betroffene.
Die Geschichte der Mittel Vertreibung, Deportation und Zwangsarbeit zur Durchsetzung politischer Ziele ist aber älter und leider auch in der Gegenwart noch präsent und Wirklichkeit. Dabei ist immer noch nicht klar, dass das Heimatrecht ein Menschenrecht ist und kein Staatsrecht, über das Regierungen und Politiker frei verfügen können.
Aber das Thema des heutigen Tages sollte uns über dieses Schicksal der deutschen Vertriebenen, Deportierten und Zwangsarbeiter hinausführen. Deshalb sah sich die CDU-Fraktion veranlasst, einen Änderungsantrag zu stellen. Weil dieses Schicksal, das auch uns Deutsche ereilt hat, uns verbindet mit unseren Nachbarvölkern und auch mit weiter entfernt wohnenden Völkern, hielten wir es für notwendig, dieses zu einem europäischen Thema zu machen.
Die Vertriebenen mahnen uns wieder und wieder, dass sie mit der Erinnerung an ihr Schicksal nicht nur das von ihnen erlittene Unrecht im Bewusstsein der deutschen und europäischen Völkergemeinschaft halten wollen, sondern dass es einer neuen europäischen, ja Weltordnung bedarf, die das Recht auf Heimat als unmittelbares Menschenrecht nicht in die Verfügungsgewalt von Politik und Politikern stellt.
Um dies zu verdeutlichen, wäre ein Gedenktag und wäre auch das Zentrum gegen Vertreibung, mit dem sich bekanntlich der Innenausschuss noch federführend beschäftigt, ein geeignetes Mittel.
Der 5. August erscheint auch uns als ein geeignetes Datum, weil die deutschen Heimatvertriebenen an diesem Tag bereits 1950 mit der Charta der Vertriebenen die Überwindung von Vertreibung und Völkerhass im Rahmen einer europäischen Friedensordnung gefordert haben. Deshalb meine Damen und Herren, legen wir Ihnen den Änderungsantrag vor und bitten um Unterstützung dafür. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl die zur Verfügung stehende Zeit kaum eine tiefgründige Auseinandersetzung mit diesem Thema zulässt, möchte ich namens der CDU-Fraktion wenigstens einige Thesen zur Diskussion beitragen.
In den letzten Jahren ist es zunehmend üblich geworden, alle nur denkbaren gesellschaftlichen Veränderungen auf den Wertewandel als einem allgegenwärtigen Hindergrundphänomen zu beziehen und diesem eine fast uneingeschränkte Erklärungskraft zuzubilligen.
Ich werde mich hüten zu behaupten, die Menschen seien weniger moralisch als früher. Das bloße Befolgen von Regeln, wenn es denn früher verbreiteter gewesen sein sollte, hat mit Moral noch wenig zu tun. Es ist ja auch nicht so, dass erst seit ein paar Jahren oder Jahrzehnten beklagt würde, die Menschen verhielten sich nicht mehr so, wie sie es tun sollten. Mahnungen, Verhaltenskritik und Aufrufe zur Besserung sind im Gegenteil so alt wie die Menschheit.
Wer also meint, die Moralität habe uns alle schlagartig verlassen, vergewaltigt die Geistesgeschichte ebenso, wie es jene Vulgärrede vom Humanismus tut, bei der man den Eindruck gewinnen könnte, dass die Menschheit erst vor ein paar Jahrhunderten aus der kompletten Unzurechnungsfähigkeit in den Stand der vollen Erkenntnis gelangt sei. Man kann also nur raten, mit Wörtern wie „Wertewandel“ oder „Werteverfall“ ein wenig sparsamer und weniger moralisierend umzugehen.
Unabhängig von jeder vorschnellen Moralisierung kann man wohl sagen, dass es seit der ersten Hälfte der 60erJahre in der Bundesrepublik wie auch in anderen Ländern der westlichen Welt eine Veränderung von Einstellungen gab, durch die das Denken, Fühlen, Wollen und Wünschen großer Teile der Bevölkerung stark verändert wurde. Substanziell gesehen ereignete sich ein Wandel von Pflicht- und Akzeptanzwerten, die an Gewicht und Verbindlichkeit einbüßten, zu Selbstentfaltungswerten.
Es sind jedoch schwerwiegende Mentalitätsveränderungen in der Bevölkerung beobachtbar, die man als Folge des Wertewandels ansprechen kann. Auf einen vereinfachten Nenner gebracht, hat sich eine weitgehende
Entnormativierung des Denkens, des Fühlens, Wollens und Wünschens eingestellt, die mit einem stark vermehrten Bedürfnis nach einer nur persönlicher Entscheidung und Gestaltung entspringenden Lebensführung auf allen Gebieten Hand in Hand geht. Gesellschaftliche Konformitätsansprüche, die nur durch Herkommen, Brauch, Sitte oder gewohnheitsmäßige Übungen und Regeln begründet sind, werden heute vielfach als persönlichkeitseinengend und -beeinträchtigend erlebt und verfallen somit leicht der Ablehnung.
Worin liegt diese Entwicklung begründet? - Das Christentum war in den letzten Jahrhunderten die einzige verbindende Kraft in den europäischen Staaten und gleichzeitig die wesentlichste Grundlage für die Herausbildung der ethischen Wertvorstellungen der europäischen Kultur. Die Geschichte der Neuzeit ist auch eine Geschichte der Loslösung der Menschen von der Religion.
Eine Ethik, Moral oder Werte kann man aber letztlich nicht begründen, wenn man den Menschen nicht als Geschöpf Gottes begreift, das als dessen Ebenbild seinem Schöpfer gegenüber verantwortlich ist. Wenn der Glaube schwindet, besteht die Gefahr, dass die mit diesem Glauben gewissermaßen transportierten Werthaltungen schwinden, weil sie weder von einer anderen Weltanschauung aufgenommen oder vermittelt noch als in sich selbst einsichtig empfunden werden. Das ist naturgemäß nicht zwangsläufig so, kann aber so sein.
Die Werte wachsen nicht auf Bäumen, sondern müssen vielmehr von Generation zu Generation durch Wort und Beispiel weitergegeben werden. Hier kommt die Erziehung ins Spiel.
Erziehung orientiert sich in der Regel am Wohl des Kindes und ist uneingeschränktes Recht und in erster Linie auch Pflicht und Aufgabe der Eltern. Staatliche und private Erziehungs- und Bildungseinrichtungen haben dieses Elternrecht zu respektieren und können nur von diesem abgeleitet unterstützende und ergänzende Funktionen wahrnehmen.
Erziehung ist Hilfe zum Selbständigwerden. Sie setzt zielgerichtetes Handeln voraus. Wer erzieht, muss wissen, was er will. Was ist Erziehung denn anderes als Vermittlung von Werten und der von diesen Werten abgeleiteten Tugenden und Normen?
Orientierung an Werten ist notwendig für Schule und Elternhaus. Kann der Staat speziell über seine Institution Schule zur Wertebildung beitragen? Wenn wir dies nicht grundsätzlich für möglich hielten, hätten wir die Unterrichtsfächer Religion und Ethik nicht in die Landesverfassung aufgenommen. Aber leicht hat es das staatliche Schulwesen mit dieser Aufgabe nicht.
Das liegt zunächst gar nicht an einer bestimmten Bildungspolitik und auch nicht an einer bestimmten Lehrerschaft. Das Grundproblem liegt in dem Selbstverständnis des Staates. Der weltanschaulich neutrale Staat kann Verhaltensweisen mit Zwang durchsetzen, aber er kann keine Werthaltungen gleichsam aus dem Nichts erzeugen, auch nicht diejenigen Werthaltungen, die er in seiner Verfassung vertritt.
Natürlich können Lehrer versuchen, die Geltung von Werten und Normen aufzuzeigen; aber das tun sie dann streng genommen als Personen und nicht als Staatsorgane.
Wie gesagt, damit negiere ich keineswegs den Auftrag der Wertevermittlung an staatlichen Schulen und auch nicht den Sinn von Religions- und Ethikunterricht. Den
noch könnten diese Überlegungen ein neues Licht auf die Bedeutung von Schulen in freier Trägerschaft werfen.
Wenn es richtig ist, dass in der heutigen Zeit immer mehr Menschen immer weniger Sinn in ihrem Leben zu entdecken vermögen, wenn es stimmt, dass immer mehr Eltern immer weniger Zeit für ihre Kinder aufwenden können, dann brauchen wir ein breiteres Angebot an Erziehungsinstanzen, die jede für sich auf der Basis unterschiedlicher Überzeugungen Werteangebote vorhalten.
Dies können kirchliche oder anders orientierte Werteangebote sein. Das Wichtige ist, dass der Wertkonsens aller an diesem Ort Versammelten vermittelt wird. Dies bedeutet eine viel größere Anzahl und Vielfalt von Schulen in freier Trägerschaft.
Die Niederlande können uns ein Vorbild sein. - Herr Präsident, ich folge Ihrer aufmerksamen Ermahnung.
Ich plädiere für ein umfassendes und qualitativ hoch stehendes Angebot von Religions- und Ethikunterricht an staatlichen Schulen und sage, dass dieser Antrag der Überschrift in keiner Weise gerecht wird, wir aber dem Inhalt dieses Antrages trotzdem unsere Zustimmung nicht verweigern werden. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz unserer Kulturgüter ist sicherlich ein unstrittiges Anliegen aller Fraktionen dieses Hauses. Nur, die Frage, die die CDU-Fraktion umtreibt, ist die, ob zu diesem Schutz dieses Gesetz notwendig ist.
Meines Wissens war Herr Dr. Keitel im Jahr 1996 in seiner Funktion als Landtagspräsident der Erste, der mit den Restauratorenverbänden konfrontiert wurde, die damals ihr Ansinnen, ein Gesetz in diesem Hohen Hause zu verabschieden, an ihn herantrugen. Seit der Zeit gab es zwischen der CDU-Fraktion und den Verbänden einige Kontakte.
Bisher hatte die Fraktion der CDU jedoch eher eine ablehnende Haltung zur gesetzlichen Regelung dieses Bereiches. Einige Punkte des Gesetzentwurfs und einige damit verbundene Fragen mögen dies belegen. Insofern knüpfe ich unmittelbar an die Fragen an, die auch der Herr Kultusminister geäußert hat.
Nach § 42 der Handwerksordnung ist der Begriff „Restaurator“ im Handwerk, also im Malerhandwerk, im Putzerhandwerk und im Maurerhandwerk, schon geschützt.
Nur wer eine Prüfung vor einer Handwerkskammer abgelegt hat, also die entsprechende Qualifikation aufweist, darf sich so nennen. Dies trifft auch für die Diplomrestauratoren zu, die eine Hochschulausbildung an einer Fachhochschule, an einer Kunsthochschule oder an einer Universität absolviert haben. Selbst für Fachschüler bzw. Fachschulabsolventen in Bayern, wo die Ausbildung in einer Fachschule erfolgt, träfe dieses Gesetz nicht zu. Man müsste eine Sonderregelung einfügen.
Aber in der Tat gibt es für diesen Bereich eine Regelungslücke: Es kann sich heute jeder beliebige Mann oder jede beliebige Frau „Restaurator“ bzw. „Restauratorin“ nennen, ohne nachweisen zu müssen, dass er oder sie über eine irgendwie geartete spezifische Fachausbildung verfügt. Während den Diplomrestauratoren - das ist ein zweites Problem - ihr Ehrenkodex Eigenwerbung verbietet - ähnlich den Ärzten -, dürfen Seiteneinsteiger für ihre Dienstleistungen werben. Dies ist gewissermaßen eine selbst auferlegte Wettbewerbsbeschränkung der Restauratoren. Eine Alternative - und dies ist eine erste Frage - wäre, dass sich die deutschen Restauratorenverbände einigen, ihren Berufsstand über ein Qualitätssiegel zu schützen, vergleichbar dem Ring Deutscher Makler.
Ein weiteres Problem: Das vorliegende Gesetz verhindert zwar das Führen der Berufsbezeichnung „Restaurator“, aber nicht die Berufsausführung bzw. die Ausführung von Restauratorleistungen durch nicht qualifizierte Restauratoren.
Wer hindert denn den Bürger X oder die Bürgerin Y, aus Kostengründen eine Leistung auch bei jenem nachzufragen, der sich nicht hat eintragen lassen und dies auch nicht zu tun gedenkt, sich dann zwar nicht „Restaurator“
nennen darf, aber vielleicht mit dem Begriff „Konservator“ arbeitet? Das klingt so ähnlich und wird durch das Gesetz nicht geschützt. Deshalb bestehen bei uns weiterhin erhebliche Nachfragen zu diesem Gesetz.
Ein weitere Bemerkung: Wir können das Problem nicht in Sachsen-Anhalt lösen. Was hindert denn einen Bürger aus Zeitz, sich einen Restaurator aus Leipzig kommen zu lassen bzw. ihn zu beauftragen? Der wird nicht in der Liste eingetragen sein, weil die Sachsen eine ähnliche Einrichtung nicht haben.
Deshalb halten wir eine länderübergreifende Lösung oder eine selbstverwaltete Lösung für den geeigneteren Ansatz. Die KMK hatte sich mit einem Lösungsansatz, einer kammerähnlichen Attestierung, schon einmal beschäftigt. Daneben könnte es über einen Qualitätsfilter beim Zugang zur Verbandsmitgliedschaft geregelt werden, wie das die Künstlerverbände tun.
Wir haben auch noch eine Reihe von anderen Fragen. Die CDU empfiehlt deshalb, sich über eine Anhörung der entsprechenden Fachverbände oder des Dachverbandes mit anderen Betroffenen aus diesem Bereich mit den Problemen auseinander zu setzen und dann zu einem Ergebnis zu kommen.
Insofern beantragen wir die Überweisung dieses Gesetzentwurfs zur federführenden Beratung in den Bauausschuss und zur Mitberatung in den Wirtschaftsausschuss, der ansonsten für die Kammern und die Berufsverbände, also für berufsständische Dinge, zuständig ist, und natürlich auch in den Kultur- und Medienausschuss. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Medienlandschaft und mit ihr die Medienordnung und die Mediengesetzgebung sind im Umbruch begriffen. Die CDU-Fraktion ist deshalb der Meinung, dass wir uns als Landesparlament nicht aus diesem Diskussionsprozess um eine neue Medienordnung heraushalten sollten, sondern dass wir uns eifrig daran beteiligen müssen. Um nicht nur die Ergebnisse der Verhandlungen der Staatskanzleien zu diesem Thema abzuwarten, hat die CDU-Fraktion heute ein Thema aufgegriffen, über welches auch im Rahmen einer Fünfminutendebatte zu diskutieren ist: die Medienordnung zum Jugendschutz.
Die Idee des Medienschutzes ist alt. Vor knapp 200 Jahren warnte der politische Aufklärer Joachim Heinrich Campe vor den Folgen des übermäßigen Lesens nicht nur bei Kindern und Jugendlichen. Das Lesen, warnte er, mache das Glück so mancher Familie schon jetzt so verderblich und bei dem jährlich fürchterlichen Anwachsen der Bücherschwemme immer mehr und mehr verderblich. Das Lesen, fährt er fort, drohe zur Sucht zu
werden, zerstöre die zwischenmenschlichen Beziehungen, ruiniere die Moral, schwäche Körper und Seele und führe ins Elend.
Als Kant vor der Freude am Romanlesen warnte, die seinerzeit um sich griff, schien seine Kritik vielen intelligenten Menschen einleuchtend. Sich ständig durch die von Rührung, Sturm und Drang bewegten Extremwelten einer romanhaften Virtual Reality schleudern zu lassen, konnte auf die Dauer nicht ohne Schaden an der Seele des Lesers und der besonders gefährdeten Leserinnen abgehen. - So weit zur Geschichte.
Die Grundlagen des Jugendschutzes wurden nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt. Schon die Konvention zum Schutz der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthielt im Absatz 2 des Artikels 10, der sich mit dem Recht der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit beschäftigt, folgenden Satz:
„Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafandrohungen unterworfen werden, wie sie vom Gesetz vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten, unentbehrlich sind.“
Die nächste Grundlage - diese ist für uns wesentlich findet sich in Artikel 5 des Grundgesetzes. In dessen Absatz 2 schrieb die verfassunggebende Versammlung:
„Diese Rechte auf freie Meinungsäußerung finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“
Im Folgenden gibt es eine Fülle von Rahmengesetzen und Festlegungen, so eine Richtlinie des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit im Artikel 5 und ein europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen vom 5. Mai 1989 im Artikel 7.
Konkreter wird es in der Bundesgesetzgebung mit dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte, das alles erfasst, was nicht Rundfunk und nicht Mediendienst ist. Alle diesbezüglichen Inhalte werden von der Bundesprüfstelle überprüft und, wenn es sein muss, auf den so genannten Index gesetzt.
Über die diesbezügliche Gesetzgebung im Rundfunk ist in § 3 des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland eine abschließende Regelung getroffen worden. Hiermit werden die Landesmedienanstalten und die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beauftragt, darüber Aufsicht zu führen, dass der Jugendschutz im Rundfunk, also im Hör
funk und im Fernsehen, im Wesentlichen gewährleistet ist.
Über den erst vor wenigen Jahren eingeführten Mediendienstestaatsvertrag wird in § 8 geregelt, dass der Jugendschutz in Mediendiensten über eine Zentralstelle der obersten Landesjugendbehörden zu gewährleisten ist. Die Mediendienste werden als eine Zwischenform zwischen Individual- und Massenkommunikation angesehen, wie sie insbesondere im Internet durch an die Öffentlichkeit gerichtete Angebote dargestellt ist.
Weshalb jetzt eine Forderung nach Vereinheitlichung des Jugendschutzes? - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Digitalisierung des Medien- und Kommunikationsbereichs von der Produktion über die Distribution bis zur Rezeption führt zu einer Konvergenz bisher getrennt geführter Bereiche. Das beginnt mit der Ausdifferenzierung von dem, was bisher als Rundfunk definiert wurde, und setzt sich in der Vermischung von Massen- und Individualkommunikation fort.
Zwei Beispiele mögen das demonstrieren: Zum einen möchte ich an die Sendung „Big Brother“ erinnern, die im Fernsehen auf RTL II lief, allerdings in Ausschnitten, redigiert und kommentiert. Es gab aber auch die Verbreitung dieses Angebots im Internet, über 24 Stunden hinweg und ohne rundfunkrechtliche Erlaubnis. Dort waren teilweise auch die Intimbereiche derjenigen, die sich freiwillig dort hineinbegeben haben, zu sehen.
Ein zweites Beispiel ist das Internetradio. Während jemand, der in Sachsen-Anhalt Hörfunk veranstalten möchte, nicht umhinkommt, neben der Darlegung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch Ehrenerklärungen und andere Kompetenznachweise zu erbringen, kann jeder Bürger dieses Landes ohne Genehmigung und ohne Aufsicht Radio im Internet veranstalten. Auch hierbei handelt es sich um ein und denselben Sachverhalt, der unterschiedlich geregelt und unterschiedlich beaufsichtigt wird.
Die Begriffe Rundfunk, Teledienst und Mediendienst sind einmal vor dem technischen Hintergrund definiert worden. Mit der Verschmelzung der technischen Möglichkeiten, zum Beispiel in breitbandigen Netzen, machen auch die Definitionen und die daraus abgeleiteten unterschiedlichen Regelungen keinen Sinn mehr, wenn sich aus der unterschiedlichen Einordnung unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben. Dies führt langfristig nicht nur zu einer Wettbewerbsverzerrung, zum Beispiel zwischen Rundfunk und Mediendiensteanbietern, sondern es macht auch das Medienrecht insgesamt unglaubwürdig. Um wie viel mehr ist der Verbraucher durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Regelungen überfordert, zum Beispiel wenn er bei einer Beschwerde die für ihn zuständige Stelle ausfindig machen möchte.
Deshalb lauten unsere Forderungen:
Erstens. Der nach unterschiedlichen Gesetzen geregelte Jugendschutz soll gesetzlich und administrativ zusammengefasst werden.
Zweitens. Der Jugendschutz soll gesetzlich in einem Medienstaatsvertrag zusammengefasst werden, der auch den Bereich jugendgefährdender Schriften umfassen sollte und rechtliche Ungereimtheiten zwischen den Gesetzestexten ausmerzt. Ein Beispiel dazu: Die Verbreitung schwer jugendgefährdender Angebote in Telediensten ist eine Straftat, in Mediendiensten jedoch lediglich eine Ordnungswidrigkeit.
Drittens. Der Jugendschutz sollte administrativ in den Landesmedienanstalten, die sich einer so genannten Gemeinsamen Stelle Jugendschutz bedienen, die bei der bayerischen Landesmedienanstalt errichtet wird, angesiedelt sein. Diese sollte die Kompetenz der bisherigen Zentralstelle der obersten Landesjugendbehörden für Jugendschutz in Mediendiensten, genannt „Jugendschutz.net“, einbeziehen und, wenn möglich, auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften integrieren.
Warum macht das Sinn? - Erstens ist es vernünftig, einen gesetzlichen Jugendschutz für alle Medien aus einem Guss zu haben, der - zweitens - resistent ist gegen neue technische Entwicklungen, vor denen wir auch in diesem Bereich nicht gefeit sein werden. Drittens soll er die einheitliche Anwendung des Rechts in den unterschiedlichen Medienbereichen absichern. Viertens bringt er eine Entlastung des Steuerzahlers, allerdings zulasten des Gebührenzahlers, mit sich, der deshalb jedoch nicht mit einer Gebührenerhöhung rechnen muss. Die finanzielle Ausstattung der Landesmedienanstalten ist so gut, dass sie diese neue Aufgabe durchaus aus den bereits vorhandenen Mitteln, allerdings durch eine Schwerpunktverlagerung, absichern könnten.
Mit dieser Forderung befinden wir uns inzwischen in guter Gesellschaft; denn sowohl der Ministerpräsident Clement aus Nordrhein-Westfalen als auch der Chef der Rundfunkkommission der Länder und Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz Rüter plädieren für diesen Weg.
Bei diesem Vorschlag ist uns sehr wohl bewusst, dass Kompetenzfragen zu den größten Problemen zählen, die sich die Politik aufladen kann. Insbesondere die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern zählt zu den diffizilsten Fragen. Der Chef der rheinlandpfälzischen Staatskanzlei schlug vor wenigen Tagen vor, dem Bund zur Kompensation des partiellen Kompetenzverlustes im Bereich des Jugendschutzes die Kompetenz im Datenschutz vollständig zu überlassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Antrag hat zwei Punkte, der eine zielt insbesondere auf den Jugendschutz im Internet. Diesen zu verwirklichen ist schwieriger als in jedem anderen Medium. Die anarchische Architektur, das Fehlen eines Zentrums, eines Verantwortlichen, und die grenzüberschreitende Vernetzung sind Hindernisse für eine effiziente Überwachung des Jugendschutzes.
Die Gegenmittel, die uns zur Verfügung stehen, sind staatliche Kontrolle - zunächst national, aber mithilfe internationaler Verträge auch international -, Selbstkontrolle und Medienkompetenz.
Mit der Medienkompetenz muss Kindern und Jugendlichen vermittelt werden, wie sie mit Inhalten, die sie im Internet, aber auch im Fernsehen und im Hörfunk antreffen, umzugehen haben. Solange sie diese Medienkompetenz nicht besitzen, sollten sie in einem geschützten Raum agieren können.
Ich will Ihnen dazu ein Beispiel nennen: Vor etwa einem Jahr ist an einer Grundschule in Wernigerode ein Raum mit Internetanschluss ausgestattet worden. Noch während der Eröffnung gelang es Grundschulkindern, Pornografieseiten auf die Bildschirme zu zaubern. Es war ihnen gelungen, ohne dass man sie vorher darin unterrichtet hatte. Die Tatsache, dass der Landrat, der Oberbürgermeister und andere Persönlichkeiten im Raum waren, hat sie nicht daran gehindert.
Deshalb meine Forderung: Wenn wir unsere Grundschulen mit Computern ausstatten, dann sollten wir Vorkehrungen dafür treffen, dass die Kinder nur in bestimmten geschützten Räumen damit agieren können.
Die Selbstkontrolle der Anbieter ist eine weitere Möglichkeit. Die Tageszeitung „Die Welt“ meldete am 4. April dieses Jahres, das Internetportal „Yahoo“ schalte kostenlos Anzeigen gegen Neonazis. Nach der Kritik, dass dieses Portal den Zugriff auf so genannte Hassseiten ermöglicht, wird jeder bei der Suche nach Hassgruppen oder nach einem Neonazi-Chatroom automatisch mit der Einblendung eines Aufrufes zu mehr Toleranz gestört. „Yahoo“ hegt die Hoffnung, dass sich andere Portale diesem Beispiel anschließen.
Aber es gibt auch für den Nutzer Möglichkeiten, durch Selbstkontrolle einzugreifen, und zwar mithilfe von „Cyberpatrol“, „Surfwatch“ oder „Net-Nanny“. Diese erlauben es Eltern inzwischen, jene Teile des Internets für ihre Kinder zu blockieren, die sie für anstößig halten. Außerdem gibt es inzwischen Portale für Kinder, die den Zugriff auf problematische Seiten verhindern oder zumindest erschweren sollen. Beides ersetzt jedoch die Aufmerksamkeit der Eltern für ihre Kinder nicht; denn alle technischen und Softwarekontrollen sind überwindbar.
Die staatliche Kontrolle als Ultima Ratio wird über Staatsverträge der Länder im Medienbereich bzw. durch Bundesgesetze gewährleistet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Erarbeitung des Mediendienstestaatsvertrages war beabsichtigt worden, die Exekution dieses Gesetzes den Jugendbehörden der Länder zu übertragen, die auch der erste Ansprechpartner im Hinblick auf jugendgefährdende Schriften sind. Noch vor der Verabschiedung einigten sich die Jugendminister jedoch darauf, eine Zentralstelle für Jugendschutz in Mediendiensten in Mainz zu errichten, das bereits erwähnte „Jugendschutz.net“.
Diese Stelle ist mit Mitteln in Höhe von insgesamt 400 000 DM ausgestattet. Sie arbeitet mit zweieinhalb festen Mitarbeitern und eineinhalb Aushilfskräften. Dazu kommt noch die sächliche Ausstattung vom Land Rheinland-Pfalz. Nach dem Königsteiner Schlüssel zahlt Sachsen-Anhalt etwa 10 000 DM pro Jahr für den Jugendschutz im Internet.
Als im Sommer 1997 die Errichtung der Stelle beschlossen wurde, gab es im deutschen Teil des Internets also mit dem Kürzel „.de“ - etwa 100 000 Domains. Ende 2000 waren es aber schon 3,5 Millionen. Noch dynamischer vollzog sich die internationale Entwicklung. Rund 840 000 Zugriffe auf eine einzige Internet-Homepage mit 60 kinderpornografischen Fotos zählte das Bundeskriminalamt an einem einzigen Tag im Sommer 2000. Im Jahr 1999 entdeckte das Bundeskriminalamt rund 2 100 solcher Angebote im Internet. Dabei sind Dateien mit bis zu 70 000 Bildern keine Ausnahme.
In Auswertung eines Gespräches mit einem Vertreter von „Jugendschutz.net“ wurde uns bekannt, dass das Personal an seine Leistungsgrenze gestoßen ist. Zu den Überwachungsaufgaben kommen die Verfolgung gefundener Gesetzesverstöße und Gespräche mit ContentProvidern oder Host-Verantwortlichen. Daneben muss die Hotline abgesichert werden, bei der sich Internetnutzer mit Problemen melden können. Außerdem kommen Termine, auch auswärtige Termine zu Beratungen, Foren und wissenschaftlichen Konferenzen hinzu, so
dass kaum mehr Zeit für die eigentliche Überwachung bleibt.
Deshalb ist es unverantwortlich, dass seit dem Jahr 1997 keine zusätzliche finanzielle Unterstützung an diese Stelle ergangen ist. Wir fordern, dass das geändert wird. Übrigens konnten die Vertreter trotz dieses Engpasses von Erfolgen berichten. So war es mit einem Projekt von sage und schreibe 35 000 DM gelungen,
- danke, Herr Präsident; ich komme sofort zum Ende; ich darf das Beispiel vielleicht noch kurz zu Ende führen rechtsextremistische Inhalte im Internet auf ganze fünf Rechner in der Welt zu begrenzen. Das, denke ich, ist ein Erfolg und deshalb sollten wir diese Stelle auch bis zu einer Vereinheitlichung des Jugendschutzes unterstützen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich bitte, um nicht noch einmal nach vorn kommen zu müssen, darum, dass der Punkt der finanziellen Unterstützung der Stelle „Jugendschutz.net“ mit in den Änderungsantrag der SPD aufgenommen wird. Dann können wir dem Änderungsantrag der SPD zustimmen und damit das Verfahren abkürzen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 56 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geht es heute um eine kleine materielle Anerkennung des individuellen Schicksals von 50 000 ostdeutschen Menschen, die durch den vom deutschen Naziregime angezettelten Krieg in diese Situation geraten sind.
Aber der Reihe nach. Die Kriegsgefangenen, die nach langen Jahren der Gefangenschaft nach Westdeutschland oder in die spätere Bundesrepublik entlassen worden sind, erhielten Leistungen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz vom 30. Januar 1954. Für jeden Monat des Festhaltens in fremdem Gewahrsam ab dem 1. Januar 1947 gab es eine Entschädigung in Höhe von 30 DM, ab dem 1. Januar 1949 eine Entschädigung in Höhe von 60 DM und für längeres Festhalten weitere Nachzahlungen. Die gesamte Entschädigung war auf den Höchstbetrag von 12 000 DM begrenzt.
Die Kriegsgefangenen mit gleichem Schicksal, die in die sowjetische Besatzungszone oder die spätere DDR entlassen worden sind, erhielten außer 50 Ost-Mark keinerlei Entschädigungszahlungen.
Die Abwicklung der Zahlungen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz endete Ende der 60erJahre. Im Jahr 1970 wurde dann die Heimkehrerstiftung mit dem Zweck gegründet, all denen zu helfen, die aufgrund ihres Schicksals weiterhin auf besondere Unterstützung angewiesen waren. Die Stiftungsmittel werden zu etwa 80 % für Rentenersatzleistungen, die restlichen 20 % für die Unterstützung in aktuellen Notlagen ausgegeben. Nur ein kleiner Teil der Ostdeutschen kam bisher in den Genuss dieser Leistungen.
Die westdeutschen Bestimmungen wurden mit dem Einigungsvertrag nicht auf die Leidensgefährten in den neuen Ländern übertragen. Begründet wurde dies damit, dass ein Hauptgrund für die Zahlung der Entschädigungsleistungen im Westen der Aspekt der Eingliederung in die deutsche Gesellschaft gewesen sein soll. Dieser Aspekt sei 45 Jahre nach Kriegsende abgeschlossen.
Tatsache ist auch: Als im Jahr 1992 das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz mit Wirkung zum 1. Januar 1993 beschlossen wurde, hat keine Fraktion, auch nicht die
CDU, einen Antrag für ein abweichendes Verfahren gestellt.
Im Jahr 1993 wurde durch die Bundesregierung das Heimkehrerstiftungsgesetz auf die neuen Bundesländer übertragen. Danach konnten nur sozial bedürftige Heimkehrer finanzielle Unterstützung erhalten. Es besteht damit aber im Gegensatz zum ehemaligen Kriegsfolgenentschädigungsgesetz kein Rechtsanspruch auf eine Entschädigung.
Es gibt in Deutschland wohl kaum eine gesellschaftliche Gruppe, die so wenige Fürsprecher hat wie die der Spätheimkehrer. Im Gegensatz zu anderen Personengruppen, zum Beispiel den Heimatvertriebenen, hat es leider auch keine Lobbyarbeit des westdeutschen Heimkehrerverbands gegeben. Jedenfalls war für uns dergleichen nicht spürbar.
Andererseits kann die Politik nicht ausschließlich nach dem Motto handeln: Nur der Starke und Laute wird bei der Verteilung berücksichtigt. - Was für eine Art von Gerechtigkeit wäre das?
Auch wir hatten die ganze Dimension des persönlich Zurückgesetzt-Sehens zunächst nicht erkannt. Erst als es auch in Sachsen-Anhalt Zusammenschlüsse dieser ehemaligen Kriegsgefangenen gab, sind wir auf die Verbitterung dieser Menschen aufmerksam geworden. Sie erhielten weder in der früheren DDR noch im vereinten Deutschland eine Anerkennung ihres schweren Schicksals.
Vielfach wird gesagt, das Schicksal dieser Menschen sei nicht mit Geld ungeschehen zu machen. Das ist richtig, aber diese Argumentation übersieht, dass sich Spätheimkehrer in der DDR bereits als Menschen zweiter Klasse fühlten und dass ihnen nun auch das vereinte Deutschland eine Entschädigung und damit auch ein Stück Gleichstellung mit ihren in den Westen entlassenen Kameraden verweigert.
Es wäre ein fatales Signal in Sachen Gerechtigkeit, wenn die ostdeutschen Heimkehrer und Zivildeportierten die einzigen in der Gruppe der Kriegsopfer blieben, die keine Entschädigung erhalten.
Die Verbitterung wuchs, als bekannt wurde, dass die deutsche Gesellschaft 10 Milliarden DM als Wiedergutmachung für ausländische Zwangsarbeiter zu zahlen bereit ist. Davon zahlt allein der deutsche Steuerzahler 7,5 Milliarden DM.
Es ist im Übrigen zwecklos, den Betroffenen den juristischen Unterschied zwischen Kriegsgefangenen, Deportierten und Zwangsarbeitern zu erläutern.
Der Verbandstag des Verbandes der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen e. V. im September 1998 hat sich die Forderung der mitteldeutschen Heimkehrer und Zivilverschleppten zu Eigen gemacht und versucht, einen Gesetzentwurf über einen parlamentarischen Beirat auf den Weg zu bringen.
Im vergangenen Jahr erarbeitete der interfraktionell besetzte parlamentarische Beirat des Heimkehrerverbandes ein Gesetz über eine einmalige Entschädigung an die Heimkehrer aus dem Beitrittsgebiet. Das Verfahren ist sehr einfach gehalten. Für die Entlassungsjahrgänge 1947 und 1948 gibt es 1 000 DM, für die Jahrgänge 1949 und 1950 2 000 DM und ab dem Entlassungsjahrgang 1951 gibt es jeweils 3 000 DM.
Leider kam der Entwurf nicht als interfraktioneller Entwurf in den Bundestag, da es sich bei dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz von 1954 nach Auffassung der Regierungskoalition in Berlin nur um eine Starthilfe gehandelt habe und deshalb über 50 Jahre nach dem Ende des Krieges eine Wiedereingliederung nicht mehr nötig sei.
Diese Argumentation verfängt schon deshalb nicht, weil bei der Verabschiedung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes der überwiegende Teil der Opfergruppe bereits mehrere Jahre in Deutschland weilte. Ich erinnere daran, dass dieses Gesetz erst im Jahr 1954 verabschiedet worden ist. Dennoch bekannten sich damals die Mitglieder aller Fraktionen des Deutschen Bundestages zu ihrer Verantwortung gegenüber der Kriegsgeneration und verankerten einen Rechtsanspruch auf Entschädigung für jeden Kriegsheimkehrer.
Ich sehe keinen Grund, angesichts der finanziellen Aufwendungen für andere Opfergruppen die etwa 90 Millionen DM für die noch lebenden 30 000 Heimkehrer und 20 000 Zivildeportierten nicht auch noch aufzubringen. So hat uns zum Beispiel die Einmalleistung für die Vertriebenen bis heute mehr als 5,2 Milliarden DM gekostet.
Bei allen Regelungen müssen wir bedenken, dass die jüngsten Kriegsgefangenen heute schon 75 Jahre alt und die Ältesten weit über 90 Jahre alt sind. Wenn wir noch lange darüber debattieren oder die Regelung zu kompliziert gestalten, wird kaum noch einer der Betroffenen in den Genuss eines ernsthaften Zeichens kommen.
Der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorgelegte Gesetzentwurf wurde am 5. April 2001 in zweiter und in dritter Lesung abgelehnt. Zwar wurde die Heimkehrerstiftung um 5 Millionen DM aufgestockt, doch das hilft denjenigen nicht, die auch bisher die Kriterien nicht erfüllten. Anscheinend nehmen die Bundesregierung und die Regierungskoalition die biologische Lösung der Problematik in diesem Fall billigend in Kauf.
Gerade die 20 000 noch lebenden Zivildeportierten, größtenteils Frauen und damals Jugendliche, die ohne jegliche völkerrechtliche Grundlage in die Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes verschleppt und dort zu härtester körperlicher Arbeit in der Landwirtschaft, im Bergbau und in der Industrie gezwungen worden sind, werden für diese Argumentation wenig Verständnis haben.