Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie am heutigen Morgen ganz herzlich begrüßen. Ich eröffne hiermit die 41. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der dritten Wahlperiode.
Ich stelle die Beschlußfähigkeit des Hohen Hauses fest und bitte alle Abgeordneten ausdrücklich darum, sich in die Anwesenheitslisten einzutragen. Wir haben die Anwesenden gezählt. Die Beschlußfähigkeit ist gegeben. Aber es haben sich offensichtlich noch nicht alle eingetragen.
Meine Damen und Herren! Wir hatten vereinbart, am heutigen Morgen zunächst die Tagesordnungspunkte 6 und 7 zu behandeln. Danach wird die weitere Tagesordnung ab Tagesordnungspunkt 13 abgearbeitet; wir hatten gestern abend den Tagesordnungspunkt 12 abgeschlossen.
Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, heute den Gesetzentwurf zur Einführung der Grundschule mit festen Öffnungszeiten namens der Landesregierung einbringen zu können.
Der Inhalt des Gesetzesvorschlages, ab Sommer 2001 landesweit eine Grundschule mit festen Öffnungszeiten anzubieten, bedeutet täglich 5,5 Zeitstunden mit einer verläßlichen Bildung, Erziehung und Betreuung für alle Kinder im Grundschulbereich.
Unser Konzept sieht eine weitgehende inhaltliche Integration dieser Elemente vor. Das heißt, es geht nicht darum, zu der schulischen Bildungsleistung etwa eine Hortbetreuung zu addieren. Es geht vielmehr darum, tatsächlich ein Konzept von Bildung, Erziehung und Betreuung integrativ vorzuhalten. Möglich wird dies durch die personelle Verstärkung durch pädagogische Mitarbeiterinnen in den Kollegien der Grundschulen.
Das ist in wenigen Sätzen der Inhalt dieser Gesetzesnovelle. Dahinter steht allerdings eine ganze Menge an bildungs-, sozial- und beschäftigungspolitischem Erfolg. Ich möchte dieses kurz darstellen.
Es gibt in mehreren Ländern der Bundesrepublik Deutschland Ansätze für eine Grundschule mit festen Öffnungszeiten, die den Grundschulalltag verändern und zugleich eine gewisse Betreuungszeit für die Kinder vorhalten.
Wir haben uns für ein verbundenes System entschieden, bei dem die Tätigkeit der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer durch pädagogische Mitarbeiterinnen unterstützt wird. Die wesentlichen schulischen Lernbedingungen der Grundschulkinder werden dann von einem verläßlichen Tagesrhythmus in einem ausgewo
genen Wechsel von unterrichtlichen Phasen und Phasen der Entspannung und der Bewegung gekennzeichnet sein.
Dabei hat Sachsen-Anhalt mit diesem Modell eine Reihe von Vorteilen gegenüber den Ansätzen anderer Länder. Es ist möglich, die Grundschule mit festen Öffnungszeiten flächendeckend zu einem Termin einzuführen. Das bedeutet, daß wir nicht ein Nebeneinander haben von Schulen, in denen dieses Angebot vorgehalten werden kann, und von Schulen, bei denen wir sagen, daß es noch einige Jahre dauern wird, wie es in Westdeutschland in einigen Ländern der Fall ist.
Dies geschieht unabhängig davon, ob derzeit an den Schulen eine Hortbetreuung nach Landesrecht vorhanden ist oder ob es aufgrund der sinkenden Schülerzahlen bereits keinen Schulhort mehr gibt.
Zweitens. Die Modelle in anderen Ländern kranken an der Personalfrage. Der Einsatz von Lehrern ist oft zu teuer, so daß auf unqualifiziertes Personal, auf stundenweise Verträge bzw. auf die schwer planbare Mitarbeit von Eltern zurückgegriffen werden muß.
In Sachsen-Anhalt haben wir mit den Hortnerinnen eine Berufsgruppe, die über die erzieherische Kompetenz und zugleich über eine Lehrbefähigung im Grundschulbereich verfügt, das heißt, sie sind Kräfte, die in diesem Bereich in der Tat gut ausgebildet sind. Dazu kommt zumeist eine langjährige praktische Erfahrung in der Arbeit mit Kindern im Grundschulbereich.
Dieses sind sehr gute Voraussetzungen für die Arbeit in der Grundschule. Trotzdem werden die Kolleginnen weiter lernen müssen, trotzdem werden wir in Vorbereitung des Schuljahres 2001/2002 flächendeckend auch schulinterne Lehrerfortbildung anbieten müssen, um dieses Konzept in der Schule praktikabel werden zu lassen.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine Randbemerkung. Als ich im Dezember 1998 meinen Dienst im Lande antrat, nahm das Hortproblem als eines der größten Probleme einen wesentlichen Raum bei den Diskussionen ein. Der Landtag hatte im Jahr 1996 mit der Novelle zum KiBeG das Auslaufen des Hortes nach Landesrecht zum 1. August dieses Jahres beschlossen. Ungeklärt war die Frage, was zu diesem Termin mit den 2 300 Erzieherinnen und Erziehern passieren sollte.
Nach langen Diskussionen wurde zum einen im letzten Jahr das Auslaufen des Hortgesetzes auf den August 2003 verschoben. Zum anderen wurde der Landesregierung ein Handlungsauftrag gegeben in der Form einer am 18. Februar 1999 gefaßten Entschließung. Dieser Auftrag lautete - ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren, Herr Präsident -:
„... alle Möglichkeiten zu nutzen, um betriebsbedingte Kündigungen von Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen so gering wie möglich zu halten.“
Bei einer Ausstattung von einer pädagogischen Mitarbeiterin pro angefangenem Zug in der Grundschule mit festen Öffnungszeiten entsteht ein Bedarf von 976 Vollbeschäftigteneinheiten. Unter Berücksichtigung des gerade abgeschlossenen Tarifvertrages in diesem Bereich bedeutet das, daß wir 1 260 Beschäftigungspositionen durch Teilzeitarbeit absichern können. Damit ist es, nicht einmal eineinhalb Jahre nach diesem Auftrag, erreicht worden, daß für einen Großteil dieser Beschäftigten eine sichere Perspektive geschaffen werden kann.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, daß es sich nicht um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme handelt, sondern daß diese Beschäftigungssicherung in der Tat im Wege der Teilzeitarbeit, durch Verzicht auf einen Teil der Vergütung und des vollen Vertragsumfangs erreicht werden kann.
Darüber hinaus sind weitere Stellenrückführungen durch Abfindungen erreicht worden. Wir haben insgesamt bereits eine Rückführung um etwa 600 Stellen erreicht.
Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bei den Mitarbeitern meines Hauses bedanken, die teilweise weit über den normalen Arbeitstag hinaus an dieser Frage gearbeitet haben. Ich möchte mich aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen des Kabinetts bedanken, die in sehr sachkundiger und in sehr langer Diskussion über die Frage gestritten haben, wie man dieses Problem lösen kann.
Die Dauer der Öffnungszeiten der Grundschulen beträgt schultäglich in der Regel 5,5 Zeitstunden, so der Gesetzentwurf der Landesregierung. Diese Dauer war einer der wesentlichen Diskussionspunkte im Vorfeld des Gesetzgebungsvorhabens.
Von Gewerkschaftsseite wurde gefordert, die Öffnungszeit auf 6 oder 6,5 Zeitstunden auszuweiten - in dem verständlichen Wunsch, mehr Personal weiter zu beschäftigen. Von kirchlicher Seite und seitens der Elternverbände wurde eine klare Begrenzung gefordert; denn diese Erziehungs- und Betreuungszeiten stehen in Kollision mit dem Elternrecht, und wir haben von daher eine Abwägung vorzunehmen.
Ich glaube, daß diese Abwägung mit dem jetzt gefundenen Rahmen sehr gut gelungen ist. Mit diesen Öffnungszeiten erreichen wir eine hohe Qualität von Erziehung, Bildung und Betreuung. Wir können damit - dies möchte ich an dieser Stelle betonen - auch auf eine Kritik an der Schule eingehen, die wir mehr und mehr aus dem Bereich der weiterführenden Schulen hören; denn die Möglichkeiten zum Üben und Wiederholen sowie zur Nacharbeit von schulischen Leistungen werden verbessert.
Die Einführung der Schule mit festen Öffnungszeiten auch dies möchte ich klar sagen - tangiert nicht die Betreuung im Rahmen der Jugendhilfe. Auch weiterhin gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Hortplatz, der - wie in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland durch den Träger der Jugendhilfe vorzuhalten ist.
Die Schulen sollen innerhalb dieses Rahmens über Beginn und Ende der Öffnungszeiten selbst entscheiden, allerdings in enger Abstimmung mit denjenigen, die von den Schulzeiten betroffen sind. Das ist im ländlichen Raum zum einen der Träger der Schülerbeförderung. Insoweit haben wir ein Abstimmungsgebot. Die Möglichkeiten der Schülerbeförderung sind zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist eine Abstimmung mit den Trägern der Jugendhilfe geboten; denn wir brauchen einen für die Eltern und die Kinder verläßlichen Übergang in die Horterziehung, soweit diese in Anspruch genommen werden soll.
Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den Kostenfolgen machen. Es ist nicht auszuschließen, daß durch die verlängerten Öffnungszeiten der Grundschulen im Bereich der Betriebskosten geringfügig veränderte Kostenstrukturen entstehen. Wir haben dies mit den kommunalen Spitzenverbänden intensiv erörtert. Gleichzeitig entstehen in der Gesamtkalkulation für die kom
munale Seite jedoch keine Kostenmehrbelastungen; vielmehr gibt es für die kommunale Familie insgesamt Kostenentlastungen, so daß wir nach einer Prüfung, die wir gemeinsam mit dem Innenminister durchgeführt haben, zu dem Ergebnis gekommen sind, daß dieser Gesetzentwurf nicht zu zusätzlichen Kosten führt.
Die angesprochenen Fragen einer Änderung des Personalvertretungsgesetzes sind geprüft worden. Aus unserer Sicht ist dies nicht nötig, weil die Erzieherinnen bzw. die pädagogischen Mitarbeiterinnen in den Fachgruppen Grundschule in den Personalvertretungsgremien beteiligt werden können.
Meine Damen und Herren! Dieses Konzept haben wir in einer ganzen Reihe von Veranstaltungen, die wir flächendeckend durchgeführt haben, mit Praktikern diskutiert. Wir haben mit Leiterinnen von Grundschulen das Konzept für den Tagesablauf diskutiert und es aufgrund dieser Diskussion verändert. Es sind Hinweise von kirchlicher Seite, von seiten der Personalräte, der kommunalen Spitzenverbände und von Fachgruppen sowie Fachverbänden in den Gesetzentwurf eingeflossen. Obwohl der vorliegende Entwurf sehr kurz ist, steckt sehr viel Arbeit darin, die erforderlich war, um ein ausgewogenes Verhältnis zu erreichen.
Ich bitte Sie, mit der Landesregierung in den Ausschüssen in eine intensive Diskussion über den Gesetzentwurf einzutreten. Ich bin der festen Überzeugung, daß wir einen deutlichen Schritt zur Verbesserung der Grundschularbeit dadurch leisten können, daß Grundschule nicht mehr nur Unterricht ist, sondern daß es darüber hinaus einen betreuenden, erziehenden Aspekt gibt. Die Erziehungskompetenz der Grundschule wird nachhaltig gestärkt. Ich glaube, daß dies den Lernleistungen, aber auch dem erzieherischen Auftrag der Grundschule im Lande zugute kommen wird. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Harms, Sie sprachen davon, daß die Grundschule mit festen Öffnungszeiten nicht in das Recht der Eltern auf einen Hortplatz im Rahmen der Jugendhilfe eingreift. Meine Frage ist, wie Sie sich die Lösung praktisch vorstellen.
Der Hort wird in aller Regel nicht im Bereich der Schule angesiedelt sein, sondern der Träger wird ihn irgendwo anders organisieren. Dies kann insbesondere im ländlichen Raum dazu führen, daß die Kinder nach der Grundschule sogar in einen anderen Ort fahren müssen, um in einen Hort zu kommen. Durch die längere Verweildauer in der Schule - ich sage es einmal etwas salopp - ist die Zeit für den Hort relativ kurz.
Insbesondere im Hinblick auf freie Träger frage ich Sie, wie Sie sich das vorstellen. Es bleibt eine relativ kurze Zeit für die Hortbetreuung. Meinen Sie, daß das für einen freien Träger zu organisieren ist? Gleiches gilt natürlich für die öffentliche Hand.
Herr Kuntze, diese Frage ist mir in den Veranstaltungen häufig gestellt worden. Ausgehend von der Gesetzeslage und dem Willen des Landtages, daß das Hortgesetz im Sinne des staatlich geführten Hortes - wie in allen anderen Ländern auch - ausläuft - das war sozusagen
meine Vertragsgrundlage -, muß überlegt werden, wie Schule und Hort sinnvoll verzahnt werden können. Ergebnis der Anhörung und der über diese Fragen geführten Diskussion ist die Formulierung, daß die Belange der Träger der Jugendhilfe zu berücksichtigen sind. Das bedeutet, daß die Schulleitungen im Gespräch mit der Gesamtkonferenz bei der Festlegung der Öffnungszeiten diese Fragen zu berücksichtigen haben.
Das zweite ist - ich habe mich gefreut, daß auf vielen dieser Veranstaltungen Schulverwaltungsamtsleiter und Jugendamtsleiter gemeinsam saßen und mit uns diskutiert haben -, daß wir ein Angebot der Jugendhilfe in die Jugendhilfeplanung aufnehmen müssen. Ich bin mir mit Frau Ministerin Kuppe darin einig, daß wir über diese Frage - vermittelt über das Landesjugendamt - mit den Jugendhilfeanbietern diskutieren werden.
Das bedeutet, daß wir im Hort ein für die Eltern flexibles Angebot vorhalten müssen. Ich stelle mir beispielsweise vor, daß wir unseren Beschäftigten in den Fällen, in denen der Hort an einem anderen Ort ist, gestatten, im Wege der Nebentätigkeit einen Betreuungsbedarf im Frühhort abzudecken, wenn Eltern früher zur Arbeit müssen. Ich stelle mir beispielsweise vor, daß an den Nachmittagen in den Kindertagesstätten oder in der Schule Hortbetreuung angeboten wird.
Schauen wir uns die Realität im Lande an: Aufgrund der zurückgehenden Geburtenzahlen haben wir nur noch in 40 % der Grundschulen Schulhorte. Das bedeutet, das flächendeckende Angebot ist bereits dadurch ausgehöhlt, daß die Zahl der Kinder zurückgegangen ist und die Gruppen nicht mehr überall zustande kommen.
Deshalb glaube ich, daß wir auch vor diesem Hintergrund vor einer Planungsaufgabe vor Ort stehen. Wir werden die Schulverwaltungsämter bitten, dies als kommunale Einrichtungen zu leisten. Die staatlichen Schulämter werden sich daran beteiligen. Die Schule wird, wenn der vorliegende Gesetzentwurf so verabschiedet wird, verpflichtet, dem Abstimmungsgebot nachzukommen.
Ich will nicht verhehlen, daß Ihre Frage eine sehr ernste ist und daß das vor Ort zu zahlreichen Diskussionen führen wird. Aber es geht.
Vielen Dank. - Zu diesem Tagesordnungspunkt ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Bevor wir damit beginnen, möchte ich eine erste Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums aus Gardelegen unter uns begrüßen.